Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Dez. 2011 - V ZB 186/11

bei uns veröffentlicht am01.12.2011
vorgehend
Amtsgericht Bamberg, 3 K 4/10, 05.04.2011
Landgericht Bamberg, 3 T 99/11, 15.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 186/11
vom
1. Dezember 2011
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZVG § 9

a) Steht nicht fest, ob das Recht eines vor- oder gleichrangigen Gläubigers durch das
Fortbestehen eines als Altenteil eingetragenen Rechts nach § 9 Abs. 1 EGZVG
beeinträchtigt ist, ist das Grundstück entsprechend § 59 Abs. 2 ZVG gleichzeitig
zu den Bedingungen nach § 9 Abs. 1 EGZVG und zu den Bedingungen nach § 9
Abs. 2 EGZVG auszubieten.

b) Für den Zuschlag kommt es darauf an, ob der antragstellende Gläubiger bei dem
Ausgebot zu der Bedingung des Fortbestands des als Altenteil eingetragenen
Rechts (§ 9 Abs. 1 EGZVG) keine oder eine schlechtere Deckung erreicht als bei
dem Ausgebot zu der Bedingung des Erlöschen dieses Rechts (§ 9 Abs. 2
EGZVG). Der Wert des als Altenteil eingetragenen Rechts bleibt dabei außer Betracht.

c) Bei der Erteilung des Zuschlags hat das Vollstreckungsgericht kein Ermessen.
BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2011 - V ZB 186/11 - LG Bamberg
AG Bamberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bamberg vom 15. Juli 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung in dem Beschluss aufgehoben wird. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt: 557.622 € für die Gerichtskosten und für die Vertretung der Ersteherin , 333.000 € für die Vertretung der Rechtsbeschwerdeführer, 546.294,50 € für die Vertretung der Gläubigerin und 400.000 € für die Vertretung des Schuldners.

Gründe:

1
Mit Beschluss vom 18. Januar 2010 ordnete das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - auf Antrag der Beteiligten zu 4, der betreibenden Gläubigerin, auf Grund von vollstreckbaren Grundschulden die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses genannten Erbbaurechts an. Es setzte den Verkehrswert auf 400.000 € fest und bestimmte einen Versteigerungstermin auf den 30. März 2011. Zu Beginn dieses Termins wies die Rechtspflegerin darauf hin, dass für die Beteiligten zu 1 bis 3 an dem Erbbaurecht ein dingliches Wohnungsrecht eingetragen sei und dieses nach Art. 30 BayAGGVG außerhalb des geringsten Gebots bestehen bleibe. Die Gläubigerin beantragte daraufhin, nach § 9 Abs. 2 EGZVG das Erlöschen des Rechts zu bestimmen. Das Erbbaurecht wurde deshalb gleichzeitig sowohl unter der Bedingung eines Bestehenbleibens des Rechts als auch zu der seines Erlöschens ausgeboten. Abgegeben wurden nur Gebote zu der zweiten Bedingung. Das Vollstreckungsgericht bestimmte einen besonderen Termin zur Verkündung des Zuschlags. In diesem Termin hat es das Erbbaurecht bei Erlöschen des Wohnungsrechts der Meistbietenden zugeschlagen. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde streben sie weiterhin die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses an.

II.

2
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der Zuschlagsbeschluss nicht zu beanstanden. Dafür könne offen bleiben, ob das Wohnungsrecht der Beteiligten zu 1 bis 3 als Altenteil im Sinne von § 9 Abs. 1 EGZVG anzusehen sei und nach dieser Vorschrift grundsätzlich außerhalb des geringsten Gebots bestehen bleibe. Die Gläubigerin habe nach § 9 Abs. 2 EGZVG das Erlöschen beantragt. Das Erbbaurecht habe gleichzeitig unter der Bedingung des Bestehenbleibens des Wohnungsrechts und unter der des Erlöschens dieses Rechts ausgeboten werden dürfen. Bei der Erteilung des Zuschlags habe das Vollstreckungsgericht auch keine Interessenabwägung vornehmen müssen, weil Gebote nur auf das Ausgebot unter Erlöschen des Rechts abgegeben worden seien. Schließlich habe das Vollstreckungsgericht den Beteiligten zu 1 auch nicht mit einem sachlich unzutreffenden Hinweis davon abgehalten, auf das Ausgebot unter Bestehenbleiben des Wohnungsrechts 350.000 € zu bieten. Sein Hinweis darauf, dass es auf das zahlenmäßig höchste Gebot ankomme und nicht darauf , welches Gebot wirtschaftlich das höchste sei, sei sachlich zutreffend.

III.

3
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 ist unbegründet.
4
1. Der Zuschlag war nicht nach § 83 Nr. 1 ZVG zu versagen. Das Ausgebot des Erbbaurechts ist nicht zu beanstanden.
5
a) Doppelt auszubieten war das Erbbaurecht nur, wenn es mit einem Wohnungsrecht belastet war, das als Altenteil eingetragen worden ist. Dann nämlich blieb das Wohnungsrecht nach § 9 Abs. 1 EGZVG i.V.m. Art. 30 Abs. 1 BayAGGVG bestehen, obwohl es den Grundpfandrechten der Gläubigerin im Rang nachging und deshalb nach § 44 Abs. 1 ZVG nicht in das geringste Gebot aufzunehmen war. Das wiederum berechtigte die Gläubiger nach § 9 Abs. 2 EGZVG zu dem gestellten Antrag, das Erbbaurecht (auch) zu der Bedingung auszubieten, dass das Wohnungsrecht daran erlischt. Ob dieses Recht als Teil eines Altenteils eingetragen worden ist, ist zweifelhaft. Allein aus der Vereinbarung eines Wohnungsrechts als Gegenleistung für die Übertragung eines Erbbaurechts kann nicht auf das Vorliegen eines Altenteils geschlossen werden. Entscheidend ist vielmehr, dass ein Beteiligter dem anderen seine wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um dafür in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen Versorgungsverhältnisses einzutreten, während der Überneh- mer eine wirtschaftlich selbstständige Stellung erlangt (Senat, Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 313/10, WuM 2011, 533). Daran kann es fehlen, wenn das Wohnungsrecht , wie hier, nicht dem bisherigen Inhaber des Erbbaurechts, sondern einem Dritten eingeräumt wird. Diese von dem Beschwerdegericht offen gelassene Frage bedarf indes keiner Klärung.
6
b) War das Wohnungsrecht kein Altenteil, war das Erbbaurecht nicht doppelt auszubieten. Es blieb vielmehr bei dem Erlöschen nachrangiger Rechte nach § 44 Abs. 1, § 52 Abs. 1 ZVG. Dass das Erbbaurecht dennoch doppelt ausgeboten worden ist, wäre unschädlich. Es ist jedenfalls auch zu den Bedingungen des § 44 Abs. 1 ZVG ausgeboten und zu diesen Bedingungen zugeschlagen worden.
7
c) Das Ausgebot ist aber ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn das Wohnungsrecht im Sinne von § 9 Abs. 1 EGZVG als Altenteil eingetragen worden sein sollte. Die Gläubigerin hatte beantragt, das Erlöschen des Wohnungsrechts als Versteigerungsbedingung zu bestimmen. Dazu war sie nach § 9 Abs. 2 EGZVG berechtigt, wenn ihre vorrangigen Rechte bei Fortbestehen des Wohnungsrechts beeinträchtigt wurden. Wenn das - wie hier - nicht sicher ist, ist entsprechend § 59 Abs. 2 ZVG doppelt auszubieten (Steiner/Riedel, ZVG, 8. Aufl., § 9 EGZVG Rn. 11 unter (2); für direkte Anwendung der Norm: Jaeckel/ Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 9 EGZVG Anm. 10; Dorner, Bad. Ausführungsgesetz zum BGB, 1902 S. 258; Drischler, KTS 1971, 145, 147). Dieses doppelte Ausgebot ist erfolgt. Es ist nicht zu beanstanden, dass beide Ausgebote - eines mit dem Erlöschen und eines ohne das Erlöschen des Wohnungsrechts - gleichzeitig erfolgten.
8
aa) Die Frage, wie das doppelte Ausgebot bei § 9 Abs. 2 EGZVG technisch durchzuführen ist, wird allerdings unterschiedlich beantwortet. Nach einer Ansicht ist das Grundstück gleichzeitig zu den gesetzlichen Bedingungen des § 9 Abs. 1 EGZVG und zu den beantragten abweichenden Bedingungen des § 9 Abs. 2 EGZVG auszubieten (Löhnig/Makos, ZVG, § 9 EGZVG Rn. 23; Stöber , ZVG, 19. Aufl., § 9 EGZVG Rn. 4.8; Drischler, Rpfleger 1983, 229, 231; Hagena, Rpfleger 1975, 73, 75 f.; davon gehen auch aus OLG Königsberg, OLGE 2, 509, 510; OLG Darmstadt, HessRspr 9 (1909) 123; Dorner, aaO, Bad. Ausführungsgesetz zum BGB, 1902 S. 258; Jaeckel/Güthe, aaO, § 9 EGZVG Anm. 10 Absatz 2; Steiner/Riedel, ZVG, 8. Aufl., § 9 EGZVG Rn. 11 Absatz (2) aE). Nach der Gegenmeinung müssen die Ausgebote nacheinander erfolgen. Das Grundstück müsse erst unter Fortbestand des Wohnungsrechts und sodann unter dessen Erlöschen ausgeboten werden (Hintzen in Dassler/ Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 9 EGZVG Rn. 19 f., klarer noch in der Vorauflage dieses Kommentars Reinhard/Müller, ZVG, 3./4. Aufl., § 9 EGZVG Anm. II 5; so wohl auch Scheyhing, SchlHA 1965, 122). Der Bundesgerichtshof hat sich mit dieser Frage bislang nicht befasst. Der Senat entscheidet sie im Sinne der zuerst genannten Ansicht.
9
bb) Für die zweite Meinung lässt sich zwar der Wortlaut der Vorschrift anführen, die eine tatsächliche Beeinträchtigung der vorrangigen Rechte des Gläubigers und damit letztlich auch einen Versuch voraussetzt, diese festzustellen (Hagena, Rpfleger 1975, 73, 75). Die Vorschrift sieht aber in diesem Fall gerade kein doppeltes, sondern ein Ausgebot zu der von der Regelung in § 9 Abs. 1 EGZVG abweichenden Bedingung vor, dass das Wohnungsrecht erlischt. Zu der Notwendigkeit eines doppelten Ausgebots gelangt man nicht allein auf Grund von § 9 Abs. 2 EGZVG, sondern unter entsprechender Anwendung von § 59 Abs. 2 ZVG, der das für eine vergleichbare Fallgestaltung vorsieht. Ein doppeltes Ausgebot nach § 59 Abs. 2 ZVG darf aber gleichzeitig erfolgen (Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen, Engels/Rellermeyer, aaO, § 59 Rn. 60; Löhnig/Siwonia, ZVG, aaO, § 59 Rn. 15; Stöber, aaO, § 59 Rn. 4.4). Das gilt auch im Fall des § 9 Abs. 2 EGZVG.
10
cc) Dafür sprechen die Gesetzgebungsgeschichte und die Systematik der Vorschrift. Die heute in § 9 Abs. 2 EGZVG aufgenommene Regelung war im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht enthalten. Sie beruht auf einem Vorschlag der XVI. Kommission des Reichstags (Drucks. 685, abgedruckt bei Hahn/Mugdan, die Gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 5, 1897, S. 100, 119 f.). Diese hielt es für geboten, die Wohnungsrechte für Altenteiler gegen ihren Fortfall in der Zwangsversteigerung abzusichern und hatte dazu zunächst erwogen, den heutigen § 59 ZVG entsprechend zu erweitern oder um einen § 59a mit entsprechendem Inhalt zu ergänzen. Vereinfachungsüberlegungen führten schließlich dazu, eine Erweiterung des bis dahin enger gefassten § 9 EGZVG vorzusehen, die später Gesetz geworden ist und bis heute gilt. Dieser Beratungsverlauf zeigt, dass dem Gesetzgeber ein Vorgehen nach § 59 Abs. 2 ZVG vorgeschwebt hat. An diese Vorschrift lehnt sich § 9 EGZVG jedenfalls systematisch an (RGZ 148, 310, 314). Das spricht für die Möglichkeit eines gleichzeitigen doppelten Ausgebots.
11
dd) Dafür sprechen auch praktische Überlegungen (Hagena, Rpfleger 1975, 73, 76). Die Forderung nach zwei aufeinander folgenden Ausgeboten liegt zwar auf den ersten Blick nahe, weil sie die ergebnisoffene Prüfung verspricht , ob das Grundstück auch mit dem Wohnungsrecht zu einem den Gläubiger befriedigenden Gebot versteigert werden kann. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass das praktisch nicht erreichbar ist. Der Gläubiger muss zu Beginn der Versteigerung auf die Notwendigkeit eines Antrags auf ein doppeltes Ausgebot hingewiesen werden (BGH, Urteil vom 21. März 1991 - III ZR 118/89, NJW 1991, 2759, 2760). Für die Bietinteressenten ist damit von vornherein klar, dass es zu einem solchen Antrag und damit auch zu einem Ausgebot kommen kann, das von § 9 Abs. 1 EGZVG abweicht. Dem Gläubiger muss rechtzeitig vor Ablauf der Bietstunde die Möglichkeit gegeben werden, diesen Antrag zu stellen. Das hat zur Folge, dass die Chancen auf ein für den Wohnungsrechtsinhaber günstigeres Versteigerungsergebnis durch ein Hinausschieben des Ausgebots zu den gemäß § 9 Abs. 2 EGZVG abweichenden Versteigerungsbedingungen nicht steigen. Dann aber ist es zweckmäßiger, ein gleichzeitiges Ausgebot zuzulassen.
12
ee) Diesem Ergebnis steht, anders als die Beteiligten zu 1 bis 3 meinen, der Schutzzweck des § 9 Abs. 1 EGZVG nicht entgegen. Der Vorschrift wird zwar gelegentlich die Funktion entnommen, dem Altenteiler auf Kosten des Gläubigers das Wohnungsrecht zu sichern (Kahlke, Rpfleger 1990, 233, 237 f.). Das entspricht aber weder der Intention des Gesetzgebers noch dem Text der Vorschrift. Sie will den Gläubiger nicht zurücksetzen. Das wäre auch schwer vertretbar, weil das Wohnungsrecht des Altenteilers in der von § 9 Abs. 1 EGZVG geregelten Fallsituation regelmäßig den Rechten des Gläubigers im Rang nachgeht. Die vorrangigen Gläubiger können auf den Fortbestand ihrer Rechte und der damit verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten vertrauen. Diesen Zugriff sichert ihnen § 9 Abs. 2 EGZVG (Hintzen in Dassler/Schiffhauer/ Hintzen/Engels/Rellermeyer, aaO, § 9 EGZVG Rn. 2, 16). Damit reduziert sich der Schutzzweck des § 9 Abs. 1 EGZVG darauf, dem Altenteiler die Chance zu verschaffen, den Verlust seines Wohnungsrechts zu vermeiden, wenn der vorrangige Gläubiger keinen Antrag auf Bestimmung des Erlöschens stellt oder wenn zu den gesetzlichen Bedingungen ein den Gläubiger zufriedenstellendes Gebot abgegeben wird (vgl. RGZ 148, 310, 315). Diese wird durch ein gleichzeitiges Ausgebot gegenüber den denkbaren Alternativen nicht geschmälert.
13
2. Der Zuschlag war nicht nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen. Das Verfahren des Vollstreckungsgerichts ist nämlich auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
14
Das Vollstreckungsgericht hat seine Hinweispflicht nicht verletzt.
15
a) Es musste dem Beteiligten zu 1 als Bietinteressenten auf dessen - aus dem Protokoll allerdings nicht ersichtliche - Frage, welche Gebote zu berücksichtigen seien, eine zutreffende Auskunft über die Rechtslage geben (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1991 - III ZR 118/89, NJW 1991, 2759). Dem entspricht die von den Beteiligten zu 1 bis 3 behauptete Antwort des Vollstreckungsgerichts , es komme auf das zahlenmäßig höchste Gebot an. Diese Antwort war jedenfalls im vorliegenden Fall richtig.
16
b) Auch die Frage, welche Gebote bei der Prüfung einer Beeinträchtigung der Rechte des Gläubigers nach § 9 Abs. 2 EGZVG zu berücksichtigen sind, ist streitig. Nach einer Meinung kommt es nicht entscheidend auf den Betrag des Gebots, sondern auf seinen wirtschaftlichen Wert an (OLG Celle, Rpfleger 2010, 532, 533 f.). Gemeint ist damit im Wesentlichen, dass der Wert des Wohnungsrechts dem Gebot hinzuzurechnen ist. Nach einer anderen Meinung kommt es darauf an, in welchem Umfang der Gläubiger bei Bestehenbleiben oder Erlöschen des Wohnungsrechts mit seinen Rechten ausfällt (Alff, Rpfleger 2010, 467). Das muss zwar nicht immer dazu führen, dass der Zuschlag auf das zahlenmäßig höchste Gebot zu erteilen ist. Auch ein niedrigeres Gebot unter der Bedingung des Bestehenbleibens des Wohnungsrechts kann dazu führen, dass der Gläubiger mit seinem Recht nicht ausfällt. Dann wäre es dem zahlenmäßig höheren unter der Bedingung des Erlöschens des Wohnungsrechts vorzuziehen (OLG Darmstadt, HessRspr 9 (1909) 123; Alff, Rpfleger 2010, 467, 468). Dieser Sonderfall liegt hier aber nicht vor. Die Gläubigerin verliert als Folge der Versteigerung ihre Rechte vollständig. Für sie kommt es allein darauf an, welchen Erlös die Versteigerung erbringt. Deshalb wäre die Antwort der Rechtspflegerin auf die Frage des Beteiligten zu 1 richtig, wenn man der zweiten Meinung folgt.
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c) Diese hält der Senat für zutreffend. Die Regelung in § 9 Abs. 2 EGZVG soll dem vorrangigen Gläubiger die Möglichkeit geben, einen Ausfall mit seinem Recht zu vermeiden, der auf dem Fortbestand des später begründeten Wohnungsrechts beruht. Maßgeblich ist dafür eine Beeinträchtigung seines Rechts. Die liegt zwar nicht schon darin, dass das Wohnungsrecht bestehen bleibt, wohl aber darin, dass er bei einem Ausgebot mit Bestehenbleiben des Rechts weniger Erlös erzielt als auf ein Ausgebot mit Erlöschen dieses Rechts (RGZ 148, 310, 315). Der Wert des bestehenbleibenden Wohnungsrechts ist für ihn dabei ohne Bedeutung, weil er ihm nicht zugutekommt. Entscheidend ist die zahlenmäßige Höhe des Gebots. Das war auch die Vorstellung des Gesetzgebers. Die XVI. Kommission des Reichstags hat bei ihren Überlegungen zum Schutz der Altenteiler auch einen entsprechenden Textvorschlag erarbeitet (Hahn/Mugdan, aaO, S. 120). Dieser Vorschlag ist zwar nicht Gesetz geworden , aber nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern, weil man mit § 9 EGZVG eine schlankere Formulierung erreichen wollte.
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3. Der Zuschlag ist auch nicht deswegen zu beanstanden, weil es sich, wie die Beteiligten zu 1 bis 3 formulieren, um "einen Fall unzulässiger Rechtsausübung handele".
19
a) Die Beteiligten zu 1 bis 3 machen in diesem Rahmen in erster Linie geltend, das Vollstreckungsgericht habe bei Erteilung des Zuschlags eine Abwägung zwischen den Interessen der Gläubigerin und ihren Interessen vornehmen und dabei zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Erteilung des Zuschlags in Anbetracht der Folgen für sie als Wohnungsberechtigte unbillig sei. Mit dem Wohnungsrecht gehe nämlich die einzige Gegenleistung für die Übertragung des Erbbaurechts auf die Schuldnerin verloren. Das führe angesichts der kurzen Nutzungsdauer von nur sechs Jahren zu einer Wertverzerrung , die nicht hingenommen werden könne.
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b) Dem ist nicht zu folgen. Dem Vollstreckungsgericht steht nach allgemeiner Meinung bei der Erteilung des Zuschlags im Fall des § 9 EGZVG kein Ermessen zu. Seine Entscheidung ist gebunden und bestimmt sich allein danach , ob der betroffene Gläubiger einen Antrag nach § 9 Abs. 2 EGZVG stellt und ob er bei einem Ausgebot unter Fortbestehen des Wohnungsrechts keine oder eine schlechtere Deckung erreicht als bei einem Ausgebot ohne Fortbestehen dieses Rechts (OLG Darmstadt, HessRspr 9 (1909) 123; LG Arnsberg, Rpfleger 1984, 427; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer , aaO, § 9 EGZVG Rn. 16; Löhnig/Makos, aaO, § 9 EGZVG Rn. 24; Stöber , aaO, § 9 EGZVG Rn. 4.7 aE; Drischler, Rpfleger 1983, 229, 230). Entgegen einer vereinzelt gebliebenen Ansicht (Kahlke, Rpfleger 1990, 233, 237 f.), die sich die Beteiligten zu 1 bis 3 zu Eigen machen, ergibt sich die Notwendigkeit einer Abwägung der Interessen des Gläubigers mit denen des Wohnungsrechtsinhabers auch nicht aus einer verfassungskonformen Auslegung der Norm. Verfassungsrechtlich geboten ist im Gegenteil der Abänderungsanspruch des Gläubigers. Die Norm stellt den Wohnungsrechtsinhaber in Absatz 1 besser , als es dem Rang seines Rechts entspricht. Das wäre bedenklich, wenn der Gläubiger eine dadurch ausgelöste Beeinträchtigung seines besseren Rechts entschädigungslos in Kauf nehmen müsste. Gerade das soll § 9 Abs. 2 EGZVG vermeiden. Das Beschwerdegericht hat deshalb zu Recht auch nur nebenbei erwähnt, dass die Schuldnerin für das Erbbaurecht keineswegs nur das Wohnungsrecht bestellt, sondern im Gegenteil auch die den Wert des Erbbaurechts ausschöpfenden Grundschuldverpflichtungen übernommen hat.
21
c) Der Zuschlag ist schließlich auch nicht deshalb zu versagen, weil, wie die Beteiligten zu 1 bis 3 weiter meinen, das Vorgehen von Gläubigerin und Ersteherin rechtsmissbräuchlich sei. Richtig ist zwar, dass ein rechtsmissbräuchliches Gebot nicht zuschlagsfähig gewesen wäre und dass ein Rechtsmissbrauch in einem kollusiven Zusammenwirken von Beteiligten an dem Zwangsversteigerungsverfahren liegen kann (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 192/09, NJW-RR 2010, 1314, 1315 Rn. 11 f.). Dafür fehlt hier aber die notwendige Tatsachengrundlage.
22
4. Aufzuheben ist die Kostenentscheidung. Die Beteiligten stehen sich in einem Zuschlagsbeschwerdeverfahren nicht kontradiktorisch gegenüber. § 97 Abs. 1 ZPO ist deshalb nicht anwendbar (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7).

IV.

23
Eine Kostenentscheidung ist aus dem vorgenannten Grund nicht veranlasst. Die Festsetzung der Gegenstandswerte beruht auf § 54 Abs. 2 GKG und § 26 RVG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Bamberg, Entscheidung vom 05.04.2011 - 3 K 4/10 -
LG Bamberg, Entscheidung vom 15.07.2011 - 3 T 99/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Dez. 2011 - V ZB 186/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Dez. 2011 - V ZB 186/11

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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Der Zuschlag ist zu versagen: 1. wenn die Vorschrift des § 43 Abs. 2 oder eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen verletzt ist;2. wenn bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke das Einzela
Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Dez. 2011 - V ZB 186/11 zitiert 10 §§.

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Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 52


(1) Ein Recht bleibt insoweit bestehen, als es bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigt und nicht durch Zahlung zu decken ist. Im übrigen erlöschen die Rechte. (2) Das Recht auf eine der in den §§ 912 bis 917 des Bürgerlichen Ges

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(1) Bei der Versteigerung wird nur ein solches Gebot zugelassen, durch welches die dem Anspruch des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot). (2) W

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(1) Jeder Beteiligte kann spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Feststellung des geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen verlangen. Der Antrag kann spätestens zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt zurückgenommen werden. Wird durch die Abweichung das Recht eines anderen Beteiligten beeinträchtigt, so ist dessen Zustimmung erforderlich.

(2) Sofern nicht feststeht, ob das Recht durch die Abweichung beeinträchtigt wird, ist das Grundstück mit der verlangten Abweichung und ohne sie auszubieten.

(3) Soll das Fortbestehen eines Rechts bestimmt werden, das nach § 52 erlöschen würde, so bedarf es nicht der Zustimmung eines nachstehenden Beteiligten.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Der Zuschlag ist zu versagen:

1.
wenn die Vorschrift des § 43 Abs. 2 oder eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen verletzt ist;
2.
wenn bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke das Einzelausgebot oder das Gesamtausgebot den Vorschriften des § 63 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 zuwider unterblieben ist;
3.
wenn in den Fällen des § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder das Recht eines gleich- oder nachstehenden Beteiligten, der dem Gläubiger vorgeht, durch das Gesamtergebnis der Einzelausgebote nicht gedeckt werden;
4.
wenn die nach der Aufforderung zur Abgabe von Geboten erfolgte Anmeldung oder Glaubhaftmachung eines Rechts ohne Beachtung der Vorschrift des § 66 Abs. 2 zurückgewiesen ist;
5.
wenn der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens das Recht eines Beteiligten entgegensteht;
6.
wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist;
7.
wenn eine der Vorschriften des § 43 Abs. 1 oder des § 73 Abs. 1 verletzt ist;
8.
wenn die nach § 68 Abs. 2 und 3 verlangte Sicherheitsleistung nicht bis zur Entscheidung über den Zuschlag geleistet worden ist.

(1) Bei der Versteigerung wird nur ein solches Gebot zugelassen, durch welches die dem Anspruch des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot).

(2) Wird das Verfahren wegen mehrerer Ansprüche von verschiedenem Rang betrieben, so darf der vorgehende Anspruch der Feststellung des geringsten Gebots nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der wegen dieses Anspruchs ergangene Beschluß dem Schuldner vier Wochen vor dem Versteigerungstermin zugestellt ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 313/10
vom
31. März 2011
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 25. November 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Bocholt vom 18. August 2008 (009 K 037/09) wird bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt für die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 70.000 €.

Gründe:

I.


1
Die Beteiligte zu 3 betreibt die Zwangsvollstreckung aus einer für sie seit August 1989 an der Eigentumswohnung des Schuldners eingetragenen Grundschuld. Für die Beschwerdeführerin, die Schwester des Schuldners, ist seit Juni 2003 ein Wohnungsrecht eingetragen. Im April 2009 ist im Grundbuch vermerkt worden, dass über das Vermögen des Eigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Insolvenzverwalter ist der Beteiligte zu 2.
2
Am 27. Juli 2009 hat das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung angeordnet. Mit einem am 11. August 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz haben der Eigentümer und die Beteiligte zu 1 Vollstreckungsschutz beantragt und dies unter Vorlage eines ärztlichen Attests mit einem Angst- und Paniksyndrom und damit verbundenen zunehmenden Suizidgedanken der Beteiligten zu 1 begründet. Das Vollstreckungsgericht hat in dem Versteigerungstermin am 11. August 2010 darauf hingewiesen, dass das eingetragene Wohnungsrecht als Altenteil anzusehen sei und daher außerhalb des geringsten Gebots bestehen bleibe. Auf Antrag der Gläubigerin ist das Wohnungseigentum in der nachfolgenden Versteigerung doppelt ausgeboten worden, und zwar einerseits unter Fortbestand des Wohnungsrechts außerhalb des geringsten Gebots, andererseits unter der Bedingung des Erlöschens des Wohnungsrechts. Eine Zuzahlung für das Wohnungsrecht gemäß §§ 50, 51 ZVG hat das Vollstreckungsgericht nicht festgesetzt. Auf das erste Ausgebot sind keine Gebote abgegeben worden. Meistbietende auf das zweite Ausgebot sind die Beteiligten zu 4 und 5 geblieben.
3
Mit Beschluss vom 18. August 2010 hat das Vollstreckungsgericht den Beteiligten zu 4 und 5 den Zuschlag für 43.000 € mit der Maßgabe erteilt, dass das Wohnungsrecht erlischt. Den Vollstreckungsschutzantrag hat es als unzulässig zurückgewiesen.
4
Das Landgericht hat die gegen den Zuschlagsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren Antrag auf Versagung des Zuschlags weiter.

II.


5
Das Beschwerdegericht meint, das nachrangige Wohnungsrecht sei als Altenteil anzusehen und bleibe gemäß Art. 6 Abs. 2 des nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetzes zum ZVG (ZVG-AG NW) i.V.m. § 9 Abs. 1 EGZVG außerhalb des geringsten Gebots bestehen. Das doppelte Ausgebot sei gemäß Art. 6 Abs. 2 ZVG-AG NW i.V.m. § 9 Abs. 2 EGZVG zulässig gewesen. Ein Grund für die Versagung des Zuschlags gemäß § 83 Nr. 1 ZVG liege nicht vor, weil eine entsprechende Anwendung der §§ 50, 51 ZVG auf ein nachrangiges Altenteil ausscheide und ein Zuzahlungsbetrag daher nicht festzusetzen gewesen sei. Auch nach § 83 Nr. 6 ZVG sei der Zuschlag nicht zu versagen. Der Vollstreckungsschutzantrag des Eigentümers sei zwar trotz des Insolvenzverfahrens zulässig. Er sei aber unbegründet, weil die Bewilligung von Vollstreckungsschutz die substantiierte und glaubhaft zu machende Darlegung einer konkreten Suizidgefahr erfordere, die gerade wegen der anstehenden Zwangsversteigerung bestehe. Das vorgelegte Attest reiche zur Glaubhaftmachung nicht aus.

III.


6
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann die Beteiligte zu 1 einen Zuschlagsversagungsgrund gemäß § 83 Nr. 6 ZVG geltend machen, obwohl sie nicht Schuldnerin im Sinne von § 765a ZPO ist und ihr eigener Antrag auf Gewährung von Vollstreckungsschutz aus diesem Grund unzulässig war. Sie ist nämlich wegen des zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnungsrechts Beteiligte im Sinne von § 9 Nr. 1 ZVG und kann ihre Beschwerde gemäß § 100 Abs. 1, 3 ZVG darauf stützen, dass dem Antrag ihres Bruders nicht entsprochen worden ist.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
8
a) Im Ergebnis ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht einen Zuschlagsversagungsgrund gemäß § 83 Nr. 1 ZVG verneint. Die Vorschriften über das geringste Gebot sind nicht verletzt. Dabei bedarf es keiner Entscheidung der für die Zulassung der Rechtsbeschwerde maßgeblichen Frage, ob bei einem nach Art. 6 Abs. 2 ZVG-AG NW i.V.m. § 9 Abs. 1 EGZVG zu behandelnden Altenteil in entsprechender Anwendung der §§ 50 Abs. 1, 51 ZVG ein Zuzahlungsbetrag festzulegen ist.
9
aa) Die bisherigen Feststellungen des Beschwerdegerichts tragen schon nicht seine Annahme, der Beschwerdeführerin stehe ein Altenteil im Sinne von Art. 6 Abs. 2 ZVG-AG NW i.V.m. § 9 Abs. 1 EGZVG zu. Der Charakter des Rechts als eines Altenteils muss sich entweder aus der Grundbucheintragung oder aus der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung hinreichend deutlich ergeben (RG, RGZ 152, 104, 109 f.; Senat, Beschluss vom 3. Februar 1994 - V ZB 31/93, BGHZ 125, 69, 74). Eine Grundstücksübertragung wird nicht allein durch eine Wohnungsrechtsgewährung zu einem Altenteilsvertrag; es muss hinzutreten, dass ein Beteiligter dem anderen seine wirtschaftliche Lebensgrundlage überträgt, um dafür in die persönliche Gebundenheit eines abhängigen Versorgungsverhältnisses einzutreten, während der Übernehmer eine wirtschaftlich selbstständige Stellung erlangt (Senat, Urteil vom 25. Oktober 2002 - V ZR 293/01, WM 2003, 1483, 1485; Urteil vom 19. Januar 2007 - V ZR 163/06, NJW 2007, 1884 Rn. 14 jeweils mwN). Hier ist aus der Grundbucheintragung nur ein Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB ersichtlich. Dass sich aus der in den Akten nicht enthaltenen Eintragungsbewilligung die Vereinbarung eines Altenteils ergibt, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt. Es hat ausgeführt , das Vollstreckungsgericht sei "zu Gunsten der Beschwerdeführerin" davon ausgegangen, dass das Wohnungsrecht Altenteilscharakter habe. Wie das Vollstreckungsgericht zu dieser Auffassung gelangt ist, und warum das Beschwerdegericht dem gefolgt ist, erschließt sich aus der Entscheidung nicht.
10
bb) Selbst wenn unterstellt wird, dass der Beschwerdeführerin tatsächlich ein Altenteil zustand, kann dahinstehen, ob in dem Versteigerungstermin am 11. August 2010 ein Zuzahlungsbetrag festzusetzen gewesen wäre.
11
(1) Art. 6 Abs. 2 ZVG-AG NW ist durch Art. 2 Nr. 43 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein- Westfalen (GV NRW 2010, S. 30) mit Wirkung zum 1. Januar 2011 ersatzlos aufgehoben worden (vgl. LT-Drucks. NRW 14/9736 S. 93, 111). Übergangsvorschriften sind nicht erlassen worden mit der Folge, dass das Gesetz auch in laufenden Zwangsversteigerungsverfahren nicht mehr anzuwenden ist (vgl. Senat , Beschluss vom 9. Juli 2008 - V ZB 190/08, ZfIR 2009, 884, 885). Der Vertrauensschutz zugunsten des Altenteilsberechtigten kann eine Fortgeltung in Altfällen schon deshalb nicht begründen, weil das Erlöschen des Altenteils auch nach bisherigem Recht - wie hier - auf Antrag des Gläubigers gemäß Art. 6 Abs. 2 ZVG-AG NW i.V.m. § 9 Abs. 2 EGZVG als besondere Versteigerungsbedingung bestimmt werden konnte.
12
(2) Infolgedessen fehlt es an einer Rechtsbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin im Sinne von § 84 Abs. 1 ZVG. Aufgrund der Aufhebung ihrer Privilegierung im Zwangsversteigerungsverfahren ist ein etwaiger Verstoß gegen §§ 50, 51 ZVG geheilt. Bei einer Aufhebung des Zuschlags schiede in einem neuen Versteigerungstermin die Festsetzung eines Zuzahlungsbetrags von vornherein aus, weil das Altenteil als nachrangiges Recht anders als nach dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht auch ohne entsprechenden Antrag des Gläubigers nicht bestehen bliebe.
13
b) Der Beschluss hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Beschwerdegericht einen Zuschlagsversagungsgrund gemäß § 83 Nr. 6 ZVG wegen der geltend gemachten Suizidgefahr abgelehnt hat. Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht den Antrag des Eigentümers auf Gewährung von Vollstreckungsschutz, den dieser auf die Suizidgefahr der Beschwerdeführerin gestützt hat, trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zulässig angesehen (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - V ZB 57/08, NJW 2009, 1283, 1284 f.). Auf der Grundlage des derzeitigen Verfahrensstandes lassen sich die Voraussetzungen des § 765a ZPO nicht verneinen.
14
aa) Die Gerichte haben durch ihre Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst ausgeschlossen werden. Dies kann es erfordern , dass Beweisangeboten des Schuldners hinsichtlich seines Vorbringens , ihm oder einem nahen Angehörigen drohten schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen , besonders sorgfältig nachgegangen wird (vgl. BVerfG, FamRZ 2005, 1972, 1973 mwN). Dabei muss die Gefahr solcher Beeinträchtigungen zwar vorgetragen sein; an die Konkretisierung dieser Gefahr sind aber im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG keine besonders strengen Anforderungen zu stellen. Der Schuldner hat die Tatsachen vorzutragen, auf die er den Vollstreckungsschutzantrag stützt, und diese im Streitfall zu beweisen, wobei die Beweise, wie auch sonst im Zivilprozess, von dem Gericht zu erheben und zu würdigen sind. Eine Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) ist im Verfahren nach § 765a ZPO weder erforderlich noch ausreichend. Aus diesem Grund kann die fehlende Glaubhaftmachung nicht dazu führen , dass erheblicher Vortrag als unbeachtlich angesehen wird. Insbesondere ist der Schuldner weder verpflichtet, das Gericht bereits durch seinen Vortrag davon zu überzeugen, dass eine konkrete Suizidgefahr besteht, noch muss er diese Gefahr durch Beibringung von Attesten nachweisen (ausführlich zum Ganzen Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 124/10, NZM 2011, 167 Rn. 8 ff.; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, juris Rn. 11, insoweit in NZM 2011, 166 nicht abgedruckt).
15
bb) Das Beschwerdegericht hat ausschließlich auf die fehlende Glaubhaftmachung der konkreten Suizidgefahr abgestellt. Es hat nämlich ausgeführt, der Antragssteller habe sich in seiner Antragsschrift auf depressive Zustände mit Selbstmordgedanken seiner Schwester bezogen, bei denen ein Zusammenhang mit der Zwangsversteigerung nur gemutmaßt werde. Das vorgelegte Attest sei "jedenfalls" zur Glaubhaftmachung nicht geeignet, weil es lediglich Aussagen und Erklärungen der Beschwerdeführerin wiedergebe und keine Aussagen zu einer Suizidgefahr enthalte. Es gebe lediglich Angaben der Beschwerdeführerin ohne eine eigene ärztliche Diagnose wieder und beschränke sich selbst dabei auf die Angabe, die Beschwerdeführerin sei zu einer "Teilnahme" an der Zwangsversteigerung nicht in der Lage. Ein zeitgleich angekündigtes umfangreicheres Attest habe die Beschwerdeführerin bis zu der Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht vorgelegt.
16
cc) Aus der Begründung des Beschwerdegerichts ergibt sich nicht, dass es dem Vortrag des Eigentümers keine ausreichende Darlegung einer konkreten Suizidgefahr der Beschwerdeführerin entnommen hat. Selbst wenn das der Fall sein sollte, wäre der angefochtene Beschluss rechtsfehlerhaft. Weil eine Glaubhaftmachung nicht erforderlich war, kann der erforderlichen Darlegung nicht entgegenstehen, dass das vorgelegte Attest vom 10. August 2010 nur Angaben der Beschwerdeführerin wiedergab. Der Antragssteller hat eine konkrete Suizidgefahr für die Beschwerdeführerin vorgetragen, die sich auf das Verfahren der Zwangsversteigerung insgesamt und damit auch auf den Verlust des Eigentums und das damit verbundene endgültige Erlöschen des Wohnungsrechts bezog. Das war nach üblichen zivilprozessualen Maßstäben ausreichend.
17
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
18
Es wird nunmehr darauf ankommen, ob bei Fortsetzung des Verfahrens auch weiterhin mit ernsthaften Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit der Beschwerdeführerin zu rechnen ist. Das hat die Beschwerdeführerin darzutun. Den Vortrag, der den übrigen Verfahrensbeteiligten zwecks Gewährung rechtlichen Gehörs zur Kenntnis zu geben ist, hat das Beschwerdegericht zunächst nach den gesamten Umständen zu würdigen (dazu Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 199/09, WuM 2011, 122 Rn. 11; Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NZM 2010, 915 Rn. 23 f.; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, NZM 2011, 166 Rn. 13). Sodann hat es gegebenenfalls Beweis zu erheben. In diesem Fall ist das Gericht - da es die Ernsthaftigkeit dieser Gefahr mangels eigener medizinischer Sachkunde ohne sachverständige Hilfe in aller Regel nicht beurteilen kann - gehalten, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie er auch hier gestellt worden ist, zu entsprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 124/10, NZM 2011, 167 Rn. 14; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, juris Rn. 11, insoweit in NZM 2011, 166 nicht abgedruckt). Ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von einer ernsthaften Suizidgefahr auszugehen, führt dies nicht ohne weiteres zu einer einstweiligen Einstellung des Verfahrens. Es wird zunächst sorgfältig zu prüfen sein, ob dieser Gefahr auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann, zum Beispiel durch eine einstweilige Unterbringung der Beschwerdeführerin (näher Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720 f. mwN). Für das in diesem Fall notwendige Verfahren zur Vermeidung einer Blockade zwischen Vollstreckungs- und Betreuungsgericht wird auf den Beschluss des Senats vom 15. Juli 2010 (V ZB 1/10, NZM 2010, 836, 837) verwiesen.
19
4. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO auszusprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, WuM 2011, 117 mwN).
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Bocholt, Entscheidung vom 18.08.2010 - 9 K 37/09 -
LG Münster, Entscheidung vom 25.11.2010 - 5 T 661/10 -

(1) Bei der Versteigerung wird nur ein solches Gebot zugelassen, durch welches die dem Anspruch des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot).

(2) Wird das Verfahren wegen mehrerer Ansprüche von verschiedenem Rang betrieben, so darf der vorgehende Anspruch der Feststellung des geringsten Gebots nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der wegen dieses Anspruchs ergangene Beschluß dem Schuldner vier Wochen vor dem Versteigerungstermin zugestellt ist.

(1) Ein Recht bleibt insoweit bestehen, als es bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigt und nicht durch Zahlung zu decken ist. Im übrigen erlöschen die Rechte.

(2) Das Recht auf eine der in den §§ 912 bis 917 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Renten bleibt auch dann bestehen, wenn es bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt ist. Satz 1 ist entsprechend anzuwenden auf

a)
den Erbbauzins, wenn nach § 9 Abs. 3 des Erbbaurechtsgesetzes das Bestehenbleiben des Erbbauzinses als Inhalt der Reallast vereinbart worden ist;
b)
Grunddienstbarkeiten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, die auf dem Grundstück als Ganzem lasten, wenn in ein Wohnungseigentum mit dem Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 vollstreckt wird und diesen kein anderes Recht der Rangklasse 4 vorgeht, aus dem die Versteigerung betrieben werden kann.

(1) Bei der Versteigerung wird nur ein solches Gebot zugelassen, durch welches die dem Anspruch des Gläubigers vorgehenden Rechte sowie die aus dem Versteigerungserlös zu entnehmenden Kosten des Verfahrens gedeckt werden (geringstes Gebot).

(2) Wird das Verfahren wegen mehrerer Ansprüche von verschiedenem Rang betrieben, so darf der vorgehende Anspruch der Feststellung des geringsten Gebots nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der wegen dieses Anspruchs ergangene Beschluß dem Schuldner vier Wochen vor dem Versteigerungstermin zugestellt ist.

(1) Jeder Beteiligte kann spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Feststellung des geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen verlangen. Der Antrag kann spätestens zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt zurückgenommen werden. Wird durch die Abweichung das Recht eines anderen Beteiligten beeinträchtigt, so ist dessen Zustimmung erforderlich.

(2) Sofern nicht feststeht, ob das Recht durch die Abweichung beeinträchtigt wird, ist das Grundstück mit der verlangten Abweichung und ohne sie auszubieten.

(3) Soll das Fortbestehen eines Rechts bestimmt werden, das nach § 52 erlöschen würde, so bedarf es nicht der Zustimmung eines nachstehenden Beteiligten.

Der Zuschlag ist zu versagen:

1.
wenn die Vorschrift des § 43 Abs. 2 oder eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen verletzt ist;
2.
wenn bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke das Einzelausgebot oder das Gesamtausgebot den Vorschriften des § 63 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 zuwider unterblieben ist;
3.
wenn in den Fällen des § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder das Recht eines gleich- oder nachstehenden Beteiligten, der dem Gläubiger vorgeht, durch das Gesamtergebnis der Einzelausgebote nicht gedeckt werden;
4.
wenn die nach der Aufforderung zur Abgabe von Geboten erfolgte Anmeldung oder Glaubhaftmachung eines Rechts ohne Beachtung der Vorschrift des § 66 Abs. 2 zurückgewiesen ist;
5.
wenn der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens das Recht eines Beteiligten entgegensteht;
6.
wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist;
7.
wenn eine der Vorschriften des § 43 Abs. 1 oder des § 73 Abs. 1 verletzt ist;
8.
wenn die nach § 68 Abs. 2 und 3 verlangte Sicherheitsleistung nicht bis zur Entscheidung über den Zuschlag geleistet worden ist.

11
b) Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Beschwerdegerichts, das Verhalten der Beteiligten zu 2 sei in der Gesamtschau als unredliche Ausnutzung einer Rechtsposition anzusehen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

7
Eine Einschränkung ergibt sich allerdings daraus, dass die Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO ein kontradiktorisches Verfahren voraussetzen (vgl. Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., Vor § 91 Rdn. 2 sowie Stein/Jonas/Münzberg, aaO). Daran kann es im Zwangsversteigerungsverfahren fehlen, wenn nicht das Vollstreckungsrechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger im Vordergrund steht, wie bei einem Streit um die Anordnung, Einstellung oder Fortsetzung des Verfahrens regelmäßig anzunehmen ist, sondern Entscheidungen angefochten werden, die auch andere Verfahrensbeteiligte betreffen oder bei denen Gläubiger und Schuldner nicht zwangsläufig widerstreitende Interessen verfolgen. Hiervon geht der Senat für den Regelfall bei der Verkehrswertbeschwerde (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730; ebenso Stöber , ZVG, 18. Aufl., § 74a Anm. 9.5.; LG München II Rpfleger 1984, 108) und bei der Zuschlagsbeschwerde (Senat, Beschl. v. 20. Juli 2006, V ZB 168/05, Rpfleger 2006, 665; Beschl. v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, WM 2007, 82, 86; ebenso Stöber, aaO, § 99 Anm. 2.5.; OLG Oldenburg JurBüro 1989, 1176, 1177) aus.

(1) Bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken sind die Gebühren für das Verfahren im Allgemeinen und für die Abhaltung des Versteigerungstermins nach dem gemäß § 74a Absatz 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung festgesetzten Wert zu berechnen. Ist ein solcher Wert nicht festgesetzt, ist der Einheitswert maßgebend. Weicht der Gegenstand des Verfahrens vom Gegenstand der Einheitsbewertung wesentlich ab oder hat sich der Wert infolge bestimmter Umstände, die nach dem Feststellungszeitpunkt des Einheitswerts eingetreten sind, wesentlich verändert oder ist ein Einheitswert noch nicht festgestellt, ist der nach den Grundsätzen der Einheitsbewertung geschätzte Wert maßgebend. Wird der Einheitswert nicht nachgewiesen, ist das Finanzamt um Auskunft über die Höhe des Einheitswerts zu ersuchen; § 30 der Abgabenordnung steht der Auskunft nicht entgegen.

(2) Die Gebühr für die Erteilung des Zuschlags bestimmt sich nach dem Gebot ohne Zinsen, für das der Zuschlag erteilt ist, einschließlich des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte zuzüglich des Betrags, in dessen Höhe der Ersteher nach § 114a des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung als aus dem Grundstück befriedigt gilt. Im Fall der Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft vermindert sich der Wert nach Satz 1 um den Anteil des Erstehers an dem Gegenstand des Verfahrens; bei Gesamthandeigentum ist jeder Mitberechtigte wie ein Eigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils anzusehen.

(3) Die Gebühr für das Verteilungsverfahren bestimmt sich nach dem Gebot ohne Zinsen, für das der Zuschlag erteilt ist, einschließlich des Werts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte. Der Erlös aus einer gesonderten Versteigerung oder sonstigen Verwertung (§ 65 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung) wird hinzugerechnet.

(4) Sind mehrere Gegenstände betroffen, ist der Gesamtwert maßgebend.

(5) Bei Zuschlägen an verschiedene Ersteher wird die Gebühr für die Erteilung des Zuschlags von jedem Ersteher nach dem Wert der auf ihn entfallenden Gegenstände erhoben. Eine Bietergemeinschaft gilt als ein Ersteher.

In der Zwangsversteigerung bestimmt sich der Gegenstandswert

1.
bei der Vertretung des Gläubigers oder eines anderen nach § 9 Nummer 1 und 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Beteiligten nach dem Wert des dem Gläubiger oder dem Beteiligten zustehenden Rechts; wird das Verfahren wegen einer Teilforderung betrieben, ist der Teilbetrag nur maßgebend, wenn es sich um einen nach § 10 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zu befriedigenden Anspruch handelt; Nebenforderungen sind mitzurechnen; der Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung (§ 66 Absatz 1, § 74a Absatz 5 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung), im Verteilungsverfahren der zur Verteilung kommende Erlös, sind maßgebend, wenn sie geringer sind;
2.
bei der Vertretung eines anderen Beteiligten, insbesondere des Schuldners, nach dem Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung, im Verteilungsverfahren nach dem zur Verteilung kommenden Erlös; bei Miteigentümern oder sonstigen Mitberechtigten ist der Anteil maßgebend;
3.
bei der Vertretung eines Bieters, der nicht Beteiligter ist, nach dem Betrag des höchsten für den Auftraggeber abgegebenen Gebots, wenn ein solches Gebot nicht abgegeben ist, nach dem Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung.