Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2010 - V ZB 224/09

bei uns veröffentlicht am12.04.2010
vorgehend
Amtsgericht Delmenhorst, 5a C 6079/08, 05.05.2009
Landgericht Aurich, 4 S 177/09, 27.10.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 224/09
vom
12. April 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Berufung in einer Wohnungseigentumssache kann auch dann nur bei dem
sachlich zuständigen Landgericht fristwahrend eingelegt werden, wenn in dem
betreffenden Oberlandesgerichtsbezirk auf Grund einer Rechtsverordnung nach
§ 72 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GVG nicht das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige
Landgericht, sondern ein anderes Landgericht für diese Berufungen zuständig
ist.

b) Die Versäumung der Berufungsfrist ist nicht unverschuldet, wenn sie darauf beruht
, dass das Vorhandensein einer abweichenden Zuständigkeitsregelung und ihr
Inhalt nicht geprüft wurden.
BGH, Beschluss vom 12. April 2010 - V ZB 224/09 - LG Aurich
AG Delmenhorst
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 27. Oktober 2009 (4 S 177/09) wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.306,28 €.

Gründe:


I.

1
Das Amtsgericht hat die Beklagte durch ein ihren Prozessbevollmächtigten erster Instanz am 25. Mai 2009 zugestelltes Urteil verurteilt, an die Klägerin 1.306,28 € rückständiges Hausgeld nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte zunächst mit einem am 25. Juni 2009 eingegangenen Schriftsatz bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg und sodann mit einem am 10. Juli 2009 eingegangenen Schriftsatz bei dem zuständigen Landgericht Aurich Berufung eingelegt. Sie hat die zweite Berufung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verbunden und dazu vorgetragen, ihre Prozessbevollmächtigten hätten von der abweichenden Regelung der Berufungszuständigkeit in den Woh- nungseigentumssachen für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg nichts gewusst und auch nichts wissen müssen. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
3
1. Sie ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO von Gesetzes wegen statthaft. Zulässig ist sie aber nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall.
4
2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), und zwar auch nicht deshalb (dazu: Senat, BGHZ 151, 221, 227; Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; Beschl. v. 13. Mai 2004, V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217), weil die Anforderungen , die das Berufungsgericht stellt, überzogen wären und der Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwerten (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533; Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
5
a) Die Beklagte hat die Berufungsfrist versäumt, weil ihre Prozessbevollmächtigten die Berufungsschrift am Abend des letzten Tags der Frist und damit zu einem Zeitpunkt bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg eingereicht haben, zu dem mit einer fristgerechten Weiterleitung an das zuständige Landgericht Aurich im normalen Geschäftsgang (zu diesem Erfordernis: BGH, Beschl. v. 27. Juli 2000, III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731) nicht mehr zu rechnen war. Die Zulässigkeit der Berufung hing deshalb entscheidend davon ab, ob die Berufungsfrist durch fristgerechte Einreichung bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg gewahrt werden konnte und verneinendenfalls, ob der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren war. Beides hat das Berufungsgericht verneint.
6
b) Das entspricht in der Sache der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist und auch die Anforderungen an die Einlegung von Rechtsmitteln nicht überspannt.
7
aa) Die Entscheidung des Berufungsgerichts enthält zwar keine Darstellung des Sachverhalts, die sie allerdings, was der Rechtsbeschwerde zuzugeben ist, enthalten muss. Ohne eine solche Darstellung ist das Rechtsbeschwerdegericht , das grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat (§ 577 Abs. 2 Satz 1 u. 4, § 559 ZPO), nämlich zu einer rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses regelmäßig nicht in der Lage (Senat, Beschl. v. 7. Mai 2009, V ZB 180/08, JurBüro 2009, 442, insoweit nur bei juris; Beschl. v. 10. Dezember 2009, V ZB 67/09, ZfIR 2010, 187, 188). Hier hindert das Fehlen einer Sachdarstellung aber eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde (nur deshalb) nicht, weil den Gründen der angefochtenen Entscheidung mit gerade noch ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass es sich um eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit handelt und die Beklagte die Berufung innerhalb der Frist nicht bei dem nach § 2a nds. ZustVO-Justiz 1998 (jetzt: § 10 nds. ZustVO-Justiz 2009) zuständigen Landgericht Aurich eingereicht hat.
8
bb) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats nimmt das Berufungsgericht an, dass die Berufung der Beklagten fristwahrend nur durch rechtzeitige Einreichung der Berufungsschrift bei dem sachlich zuständigen Landgericht Aurich eingelegt werden konnte.
9
(1) Der Senat hat entschieden, dass die Berufung in einer Streitigkeit nach § 43 Nr. 2 WEG fristwahrend nur bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen Berufungsgericht eingelegt werden kann (Beschl. v. 10. Dezember 2009, V ZB 67/09, ZfIR 2010, 187, 188; vgl. auch Senat, Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282 f.). Entschieden hat er ferner, dass eine bei einem danach unzuständigen Berufungsgericht eingelegte Berufung nicht nach näherer Maßgabe von § 281 ZPO an das zuständige Berufungsgericht verwiesen werden kann, sondern als unzulässig zu verwerfen ist, wenn sie dort verspätet eingeht (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJW-RR 1997, 55 f.; Beschl. v. 19. Juni 2007, VI ZB 3/07, NJW-RR 2007, 1436, 1437; Senat, Beschl. v. 10. Dezember 2009, V ZB 67/09, ZfIR 2010, 187, 188). Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Senats nur, wenn die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne der genannten Regelungen vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann (Beschl. v. 10. Dezember 2009, V ZB 67/09, ZfIR 2010, 187, 188). Der Senat hat seine Auslegung der Vorschrift schließlich auch unter dem von der Rechtsbeschwerde im vorliegenden Verfahren noch einmal problematisierten Gesichtspunkt einer mit Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbaren Zugangshürde überprüft und sie für unbedenklich gehalten. Ausschlaggebend ist dabei die Überlegung, dass sich die Parteien in der Berufungsinstanz durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, die mit den Erfordernissen des Berufungsverfahrens vertraut sind und die anhand der Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der dieses ergänzenden landesrechtlichen Bestimmun- gen in der Regel unschwer das richtige Rechtsmittelgericht feststellen können (Beschl. v. 10. Dezember 2009, V ZB 67/09, aaO). Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung erfordern oder nahe legen, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.
10
(2) An die Vorgaben der Rechtsprechung des Senats hat sich das Berufungsgericht gehalten. Die Streitigkeit zwischen der Klägerin als Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der Beklagten als Eigentümer einer Eigentumswohnung in der Wohnanlage über das Hausgeld ist eine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit nach § 43 Nr. 2 WEG. Darüber kann ernsthaft nicht gestritten werden. Die Beklagte hat dies in dem bisherigen Verfahren nicht in Zweifel gezogen und ist auch in der Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags von einer wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeit ausgegangen. Zuständiges Berufungsgericht ist damit, was auch die Beklagte angenommen hat, das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht, es sei denn, dass auf Grund der Ermächtigung in § 72 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GVG (bis zum 31. August 2009: § 72 Abs. 2 Sätze 3 und 4 GVG) eine abweichende Zuständigkeitsregelung getroffen worden ist. Das ist in Niedersachsen für den Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg der Fall. Nach dem hier noch maßgeblichen § 2a ZustVO-Justiz ist im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg seit dem 1. August 2007 (vgl. Art. 2 der Verordnung vom 20. Juli 2007, nds. GVBl. S. 343) nicht das Landgericht Oldenburg, sondern das Landgericht Aurich für Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte in Wohnungseigentumssachen zuständig. Die Ausnutzung der Ermächtigung in § 72 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GVG durch das Land Niedersachsen und der Inhalt der getroffenen Regelung waren unschwer festzustellen. In der im Jahr 2008 erschienenen 10. Auflage des bekanntesten Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz von Bärmann wird auf diese Änderungsmöglichkeit und auf die in der Neuen Juristischen Wochenschrift im Jahr 2008 veröffentlichte Liste der Berufungs- und Beschwerdegerich- http://www.nds-voris.de/ - 7 - te in WEG-Sachen (NJW 2008, 1790) hingewiesen (Wenzel in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 43 Rdn. 17), in welcher die abweichende Regelung für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg angeführt wird. Die Regelung selbst ist über die Datenbank Juris oder die kostenfrei nutzbare Vorschriftendatenbank des Landes Niedersachsen (www.nds-voris.de), die in die Internetseiten des Landes Niedersachsen und des niedersächsischen Justizministeriums eingebunden ist, mit wenigen Handgriffen aufzufinden.
11
cc) Zutreffend hat das Berufungsgericht der Beklagten schließlich auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt. An der Einhaltung dieser Frist war die Beklagte nämlich nicht, wie es § 233 ZPO verlangt, ohne ihr Verschulden gehindert. Sie beruht vielmehr auf einem Versäumnis ihrer Prozessbevollmächtigten, das sich die Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
12
(1) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass der Rechtsanwalt die Berufungsschrift auf ihre Richtigkeit überprüfen muss (BGH, Beschl. v. 13. Juli 1988, VIII ZR 65/88, NJW-RR 1988, 1528, 1529; Beschl. v. 4. November 1992, XII ZB 120/92, NJW-RR 1993, 254, 255; Senat, Beschl. v. 5. März 2009, V ZB 153/08, NJW 2009, 1750, 1751; Musielak/ Grandel, ZPO, 6. Aufl., § 233 Rdn. 45). Dazu gehört neben der Bezeichnung der Parteien (BGH, Beschl. v. 24. November 1981, VI ZB 11/81, VersR 1982, 191) auch die Bezeichnung des zuständigen Gerichts (BGH, Beschl. v. 7. Oktober 1987, IVb ZB 99/87, VersR 1988, 251; Beschl. v. 8. Dezember 1992, VI ZB 33/92, VersR 1993, 1381 f.; Senat, Beschl. v. 5. März 2009, V ZB 153/08, NJW 2009, 1750, 1751). Die dafür erforderliche rechtliche Prüfung der Zuständigkeit ist ein - zudem nicht delegierbarer - Kernbestandteil der Berufungsschrift , die der Rechtsanwalt in jedem Fall vor Einreichung der Berufungsschrift und auch selbst vornehmen muss (Senat, Beschl. v. 5. März 2009, V ZB 153/08, aaO). Dazu gehört bei einer bundesrechtlichen Zuständigkeitsregelung, die abweichende Regelungen durch das Landesrecht zulässt, auch die Prüfung, ob das betreffende Land hiervon Gebrauch gemacht hat (LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 13. Januar 2009, 5 S 200/08, juris).
13
(2) Diese Prüfung haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht, jedenfalls nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen. Sie haben ihre Prüfung bei § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG abgebrochen und es versäumt zu prüfen, ob die Landesregierung oder die Landesjustizverwaltung des Landes Niedersachsen von ihrer Kompetenz nach § 72 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GVG Gebrauch gemacht hat, die Zuständigkeit für die Berufung in Wohnungseigentumssachen auf ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu übertragen. Diese Prüfung drängte sich schon nach dem Text der Vorschrift auf (zu diesem Gesichtspunkt: BGH, Beschl. v. 20. April 1979, IV ZB 84/78, NJW 1979, 1414). Sie war, wie aufgezeigt, auch ohne weiteres möglich. Eine fristgerechte Weiterleitung der Berufungsschrift durch das zunächst angerufene unzuständige Landgericht schied aus, weil die Berufungsschrift dort erst am Abend des letzten Tages der Frist in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden war.

III.

14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Delmenhorst, Entscheidung vom 05.05.2009 - 5a C 6079/08 (VIII) -
LG Aurich, Entscheidung vom 27.10.2009 - 4 S 177/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Apr. 2010 - V ZB 224/09

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(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 62/03
vom
13. Mai 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Das Verschulden einer Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten schließt die
Wiedereinsetzung nicht aus, wenn die Partei alle erforderlichen Schritte unternommen
hat, die bei einem im übrigen normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung
geführt hätten (hier: Fehlschlagen einer beschleunigten Absendung bei
gleichwohl rechtzeitiger Absendung).

b) Eine Partei darf (auch) nach Erlaß der Postuniversaldienstleistungsverordnung
vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 4218) darauf vertrauen, daß werktags im
Bundesgebiet aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet
ausgeliefert werden. Anders liegt es nur, wenn konkrete Umstände vorliegen
, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen.
BGH, Beschl. v. 13. Mai 2004 - V ZB 62/03 - OLG Frankfurt/Main
LG Darmstadt
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. Mai 2004 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Oktober 2003 aufgehoben.
Den Klägern wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 210.000 €

Gründe


Mit ihnen am 27. Juni 2003 zugestelltem Urteil vom 17. Juni 2003 entschied das Landgericht Darmstadt zum Nachteil der Kläger. Gegen das Urteil legten die Kläger mit einem am 18. Juli 2003 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung ein. Ihr Prozessbevollmächtigter stellte die Berufungsbegründung am 25. August 2003 fertig und legte sie in den Postausgangskorb seiner Kanzlei. Entgegen seiner allgemeinen Anweisung an seine
Kanzleikräfte, wonach Schriftsätze an Darmstädter Gerichte nicht mit der Post zu versenden, sondern bei Gericht abzugeben sind, wurde die Berufungsbegründung am 26. August 2003 zur Post gegeben. Sie erreichte das Berufungsgericht am 28. August 2003.
Die Kläger haben am 5. September 2003 Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Sie haben vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe durch seine erwähnte allgemeine Anweisung an seine Kanzleikräfte die erforderlichen Vorkehrungen für die Einhaltung der Berufungsfrist getroffen. Jedenfalls habe er aber auf die Einhaltung des üblichen Postlaufs vertrauen dürfen, der im Nahbereich von Darmstadt einen Tag betrage.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger.

II.


Das Berufungsgericht meint, die Berufungsbegründungsfrist sei nicht ohne Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger versäumt worden. Die Anweisung, Schriftsätze an Darmstädter Gerichte bei diesen abzugeben, sei zwar sachgerecht. Die Einlassung der zuständigen Kanzleikraft belege indessen , daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger diese Kanzleikraft nicht ausreichend habe einweisen oder überwachen lassen. Die Nichtbeachtung dieser Anweisung sei auch ursächlich gewesen. Eine allgemeine Anweisung, fristgebundene Schriftsätze im Nahverkehr von Darmstadt gegebenenfalls erst am
am Tage vor Fristablauf mit der Post zu versenden, und der Vollzug einer solchen Anweisung seien mit den anwaltlichen Sorgfaltspflichten nicht zu vereinbaren gewesen. Auf einen Postlauf von einem Tag habe sich der Prozeßbevollmächtigte der Kläger auch im Nahbereich von Darmstadt nicht verlassen dürfen; er habe mit Verzögerungen rechnen müssen.

III.


Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des § 233 ZPO die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlaßt haben muß, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, unzulässig überspannt (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533, 534; Senatsbeschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368). Mit seiner Würdigung hat das Berufungsgericht der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221, 227; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388; Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts , der Prozeßbevollmächtigte der Kläger habe der im anwaltlichen Verkehr mit dem Gericht erforderlichen Sorgfalt zur Wahrung einer Berufungsbegründungsfrist durch die der zuständigen Kanzleikraft erteilten allgemeine Weisung, Post an Darmstädter Gerichte nicht mit der Post zu verschicken, sondern bei Gericht abzugeben, im Grundsatz entsprochen. Diese Anweisung war sachgerecht , weil Schriftsätze Darmstädter Gerichte so am schnellsten erreichen können. Die Einhaltung von Fristen konnte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit einer solchen Anweisung aber nur sicherstellen, wenn er oder die von ihm hiermit beauftragten Mitarbeiter die zuständigen Kanzleikräfte in der gebotenen Weise einwiesen und die Einhaltung der Anweisung auch überwachten. Daran haben es der Prozessbevollmächtigte der Kläger und seine von ihm hiermit beauftragten Mitarbeiter im Falle der für die vorliegende Sache zuständigen Kanzleikraft fehlen lassen. Diese hat nach ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht gewußt, daß zu den „Darmstädter Gerichten“ im Sinne der Anweisung auch der entscheidende, in Darmstadt ansässige, Senat des Berufungsgerichts gehört. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß die Angaben der Kanzleikraft auf eine unzureichende Überwachung schließen lassen. Diese hat nämlich nach eigenen Angaben an den Darmstädter Senat des Berufungsgerichts gerichtete Schriftsätze der Kanzlei entgegen der Anweisung stets mit der Post versandt und nicht bei Gericht abgegeben oder abgeben lassen.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war dieser Fehler aber nicht ursächlich für die Versäumung der Berufungsfrist. Zwar wäre ohne Überwachungsverschulden der Schriftsatz entsprechend der Büroanweisung recht-
zeitig bei Gericht abgegeben worden. Das Verschulden einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten schließt die Wiedereinsetzung aber dann nicht aus, wenn seine rechtliche Erheblichkeit durch ein späteres, der Partei oder ihrem Vertreter nicht zuzurechnendes Ereignis verliert (sog. überholende Kausalität, Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rdn. 22a). So ist eine Wiedereinsetzung beispielsweise dann gewährt worden, wenn eine rechtzeitige Fehlerkorrektur infolge eines Fehlers des Gerichts unterblieben ist (BGH, Beschl. v. 12. Dezember 1984, IVb ZB 103/84, NJW 1985, 1226, 1227; Beschl. v. 20. Januar 1997, II ZB 12/96, NJW-RR 1997, 1020; Beschl. v. 26. September 2002, III ZB 44/02, NJW 2002, 3636, 3637) oder wenn die Partei alle erforderlichen Schritte unternommen hat, die bei einem im übrigen normalen Geschehensablauf zur Fristwahrung geführt hätten (BGH, Beschl. v. 28. November 1962, IV ZB 251/62, NJW 1963, 253, 254; Beschl. v. 29. Mai 1974, IV ZB 6/74, VersR 1974, 1001, 1002; BAG, NJW 1972, 735; BVerwG, NVwZ 1998, 1075, 1076). So liegt es hier. Die Berufungsschrift ist nach Fertigstellung am 26. August 2003 zur Post gegeben worden. Die Kläger und ihr Prozeßbevollmächtigter waren nicht verpflichtet, die Berufungsschrift zu einem früheren Zeitpunkt zur Post zu geben oder bei Gericht abzugeben. Sie waren vielmehr berechtigt, die Frist bis zum letzten möglichen Zeitpunkt auszunutzen (BVerfG, NJW 1995, 2546, 2547; BGH, Beschl. v. 26. November 1962, IV ZB 251/62, NJW 1963, 253, 254; Beschl. v. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118; BVerwG, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 166). Sie mußten nur dafür Sorge tragen, daß die Berufungsbegründungsschrift so rechtzeitig zur Post gegeben wurde, daß sie bei einer normalen Bearbeitung der Postsendungen noch fristgerecht beim Berufungsgericht einging. Das ist hier geschehen. Dann aber kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen sie die Frist bis zum letzten möglichen Moment ausgenutzt hat (BGH, Beschl. v. 28. November 1962 aaO.). Einer Prüfung, ob eine
allgemeine Anweisung, fristgebundene Schriftsätze im Nahverkehr erst am Tage vor Fristablauf mit der Post zu versenden, den anwaltlichen Sorgfaltspflichten entsprechen würde, bedarf es nicht. Eine solche Anweisung hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger seinem Personal nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gerade nicht erteilt.

c) Ein Verschulden der Kläger oder ihres Prozeßbevollmächtigten liegt schließlich auch nicht darin, daß die Berufungsbegründung erst am 26. August 2003 zur Post gegeben worden ist.
aa) Nach ständiger Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1992, 1952; 1994, 244, 245 und 1854; 1995, 1210, 1211 und 2546, 2547; NJW-RR 2000, 726; NJW 2001, 744, 745 und 1566), des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 7. April 1993, XII ZB 38/93, VersR 1994, 495, 496; Beschl. v. 22. April 1993, VII ZB 2/93, DtZ 1993, 283; Beschl. 28. April 1993, VIII ZB 15/93, VersR 1994, 496, 497; Beschl. v. 26. Januar 1994, IV ZB 19/93, insoweit in BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 18 nicht abgedruckt; Beschl. v. 9. Februar 1998, II ZB 15/97, NJW 1998, 1870; Beschl. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118; Beschl. v. 5. Juli 2001, VII ZB 2/00, bislang veröff. nur bei juris; Beschl. v. 30. September 2003, VI ZB 60/02, BGH-Report 2004, 124) und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes (BAG, NJW 1995, 548, 549 und 2575; BFH, NJW 1991, 1704; BSG, Urt. v. 30. September 1996, 10 RAr 1/96, veröff. bei juris; BVerwG Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 154, 166; NJW 1990, 2639, 2640) dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Der Bürger darf vielmehr darauf vertrauen, daß die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutsche Post AG für den Nor-
malfall festgelegt werden. Ein Versagen dieser Vorkehrungen darf dem Bürger im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als Verschulden angerechnet werden, weil er darauf keinen Einfluß hat. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß (BAG, NJW 2000, 1669, 1670; BVerwG, NJW 1990, 1747) aufzugeben, daß es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutsche Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (BVerfG, NJW 2001, 1566, 1567; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 1995, III ZR 226/95, veröff. bisher nur bei juris). Das gilt selbst dann, wenn allgemein mit erhöhtem Postaufkommen zu rechnen ist (BVerfG, NJW 2001, 1566). Anders liegt es nur, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß im Einzelfall mit längeren Postlaufzeiten zu rechnen ist (BVerfG, NJW 1995, 1210; BGH, Beschl. v. 9. Dezember 1992, VIII ZB 30/92, NJW 1993, 1332; Beschl. v. 25. Januar 1993, II ZB 18/92, NJW 1993, 1333, 1334). Daran hat sich durch Erlaß der Postuniversaldienstleistungsverordnung vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 4218 – PUDLV, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 30. Januar 2002, BGBl. I S. 572) im Ergebnis nichts geändert. Anders als bisher können die Deutsche Post AG und andere Unternehmer, die Universaldienstleitungen im Briefverkehr anbieten, die Postlaufzeiten nicht mehr selbst frei festlegen. Sie sind ihnen vielmehr etwas über dem bisherigen Niveau als Mindeststandards für den Normalfall verbindlich vorgegeben. Nicht neu ist auch, daß die bisher freiwillig angestrebten und jetzt gesetzlich vorgeschriebenen Postlaufzeiten in einem gewissen Prozentsatz verfehlt werden. Wie bisher kommt es aber entscheidend darauf an, ob die Postlaufzeiten in einem Umfang eingehalten werden, der bei dem Bürger das berechtigte Vertrauen in die Einhaltung der Postlaufzeiten begründet. Das ist der Fall. Nach § 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV müssen die Unternehmen sicherstellen, daß sie an Werktagen aufgegebene Inlandssendungen im gesamten Bundes-
gebiet im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80% am ersten und zu 95% am zweiten Tag nach der Einlieferung ausliefern. Diese Quoten lassen die Einhaltung der Postlaufzeiten erwarten. Ohne konkrete Anhaltspunkte muß ein Bürger deshalb nicht mit Postlaufzeiten rechnen, welche die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BGH, Beschl. v. 15. April 1999, IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118).
bb) Die Kläger haben vorgetragen, daß die normale Postlaufzeit im Nahbereich von Darmstadt einen Tag beträgt. Unter Zugrundelegung dieser Postlaufzeit war die Absendung der Berufungsbegründungsschrift am 26. August 2003 rechtzeitig, da sie bei normalem Postlauf am 27. August 2003 und damit rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen wäre. Ihre Angabe zur normalen Postlaufzeit im Nahbereich von Darmstadt haben die Kläger nicht durch eine Auskunft der Deutsche Post AG belegt. Das brauchten sie auch nicht, weil diese Erwartung schon nach den gesetzlich bestimmten Quoten begründet war und das Berufungsgericht bei etwaigen Zweifeln an der Verläßlichkeit der von ihm selbst zugrunde gelegten Postlaufzeit von einem Tag von Amts wegen eine Auskunft der Post hätte einholen müssen (BVerfG, NJW 2001, 1566, 1567).

d) Ist dem Wiedereinsetzungsantrag der Kläger stattzugeben, darf ihre Berufung auch nicht als unzulässig verworfen werden.
Wenzel Tropf Lemke
Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann
BGHR: ja

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 28/00
vom
27. Juli 2000
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Wurm,
Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke am 27. Juli 2000

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 18. Mai 2000 - 10 U 2302/00 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Streitwert: 19.454,64 DM

Gründe


I.


Die Klägerin hat gegen das am 17. Februar 2000 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts Berlin durch Telefax und durch gewöhnliches Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 15. März 2000 Berufung eingelegt. Die Berufungsschriften sind versehentlich nicht an das Kammergericht, sondern an das Landgericht Berlin adressiert worden. Dort sind sie am 15. März 2000 eingegangen. Gemäß Aktenvermerk vom 20. März 2000 ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin oder dessen Büro von seiten des Land-
gerichts Berlin fernmündlich mitgeteilt worden, daß die Berufung beim Kammergericht eingelegt werden müsse. Das Landgericht Berlin hat die Berufungsschriften an das Kammergericht weitergeleitet, wo sie am 21. März 2000 (Telefax ) und am 22. März 2000 (Brief) eingegangen sind.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 17. April 2000, dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 26. April 2000 zugegangen, hat das Kammergericht darauf hingewiesen, daß die Berufung verspätet eingegangen sei, und gefragt, ob das Rechtsmittel zurückgenommen werde. Einem Gesuch des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 25. April 2000, die Frist zur Begründung der Berufung zu verlängern, ist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 26. April 2000 - unter Hinweis auf die Anfrage vom 17. April 2000 - stattgegeben worden.
Mit Beschluß vom 18. Mai 2000 hat das Kammergericht die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen, weil sie die Berufung nicht innerhalb eines Monats seit Zustellung des angefochtenen Urteils eingelegt habe. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie räumt ein, daß die Berufung verspätet eingelegt worden sei. Unter anderem weil die Berliner Justiz ihre Fax-Nummern umgestellt habe, sei die Berufungsschrift versehentlich an das Landgericht übermittelt worden. Erst mit Zugang der Verfügung des Vorsitzenden vom 17. April 2000 am 26. April 2000 habe ihr Prozeßbevollmächtigter Kenntnis von der Verspätung der Berufungseinlegung erhalten. Am Tag zuvor (25. April 2000) habe ihr Prozeßbevollmächtigter beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung zu verlängern. Insoweit habe er die Bewilligung der Fristverlängerung vom 26. April 2000 nur so verstehen können, "daß in Kennt-
nis der möglichen Verletzung der Berufungsfrist trotzdem eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist möglich und wirksam sei".
Ferner habe sie nicht davon ausgehen können, daß eine fehlerhaft beim Landgericht eingereichte Berufung, die offensichtlich beim Kammergericht habe eingelegt werden sollen, vier Werktage benötige, um dort einzugehen. Zumindest habe ihr Prozeßbevollmächtigter einen zeitnahen telefonischen Hinweis erwarten dürfen.

II.


Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Kammergericht hat die Berufung zutreffend als unzulässig verworfen.
1. Die Klägerin hat die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist bei dem gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 GVG zuständigen Berufungsgericht eingelegt.
Gegen das am 17. Februar 2000 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin hätte die Klägerin binnen eines Monats (vgl. § 516 ZPO), also spätestens am 17. März 2000, durch Einreichung einer Berufungsschrift beim Kammergericht (vgl. § 518 Abs. 1 ZPO) Berufung einlegen müssen. Für das Ende der Berufungsfrist hatte die vom Vorsitzenden bewilligte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine Bedeutung.
Bei dem Kammergericht ist die Berufungsschrift unstreitig nicht fristgerecht eingegangen. Die am 15. März 2000, noch innerhalb der Frist, bei dem
Landgericht Berlin eingegangene Berufung konnte die Berufungsfrist nicht wahren. Der Schriftsatz war an das Landgericht Berlin adressiert, wurde deshalb bei der Gemeinsamen Briefannahme Justizbehörden Mitte - der das Kammergericht nicht angeschlossen war - nur für das Landgericht Berlin angenommen und gelangte allein in dessen Verfügungsgewalt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 1987 - III ZB 20/87 - BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Berufungsgericht 3 und vom 29. Oktober 1987 - III ZB 33/87 - BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Berufungsgericht 5). Das Landgericht Berlin war aber nicht zuständig.
Der an ein unzuständiges Gericht adressierte Schriftsatz geht erst dann beim zuständigen Gericht ein, wenn er nach Weiterleitung durch das zunächst angegangene Gericht tatsächlich in die Verfügungsgewalt des zuständigen Gerichts gelangt. Da das Gesetz nur auf den tatsächlichen Vorgang des Eingangs abhebt, kommt es für die Rechtzeitigkeit des Eingangs nicht darauf an, aus welchen - außerhalb des anzurufenden Gerichts gelegenen - Gründen sich der Eingang verzögert (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Juli 1987 und 29. Oktober 1987 aaO).
In die tatsächliche Verfügungsgewalt des als Berufungsgericht zuständigen Kammergerichts gelangte die Berufungsschrift erst nach Ablauf der Berufungsfrist am 17. März 2000. Die per Telefax zum Landgericht Berlin eingelegte und von dort weitergeleitete Berufung ging am 21. März 2000 bei der Gemeinsamen Briefannahme Elßholzstraße, der das Kammergericht angeschlossen war, ein; die brieflich eingelegte Berufung ging am 22. März 2000, also ebenfalls verspätet, bei dem Kammergericht ein. Das wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
2. Der angefochtene Beschluß ist nicht verfahrensfehlerhaft ergangen.

a) Im Zeitpunkt der Beschlußfassung (18. Mai 2000) lag ein Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin, mit dem sich das Kammergericht hätte befassen müssen, nicht vor.
In dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 25. April 2000 kann ein - stillschweigender - Wiedereinsetzungsantrag nicht gesehen werden, weil der Klägerin und deren Prozeßbevollmächtigten damals das Bewußtsein fehlte, die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1968 - VIII ZR 123/66 - VersR 1968, 992 f). Nach dem Vorbringen der Klägerin erlangte ihr Prozeßbevollmächtigter erst am 26. April 2000, also nach dem Schriftsatz vom 25. April 2000, mit dem er um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nachsuchte, Kenntnis von einer möglichen Versäumung der Berufungsfrist. Dieser Schriftsatz war nicht als Wiedereinsetzungsantrag bestimmt.

b) Das Kammergericht hatte keine Veranlassung, der Klägerin von Amts wegen Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist zu gewähren (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO). Es ist auch kein Fall gegeben, in dem der Senat im Rahmen des bei ihm anhängigen Verfahrens der sofortigen Beschwerde gegen den Verwerfungsbeschluß (§ 519 b Abs. 2 ZPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1981 - IVb ZB 825/81 - NJW 1982, 887 f; vom 4. November 1981 - IVb ZB 625/80 - NJW 1982, 1873, 1874; vom 9. Juli 1985 - VI ZB 8/85 - NJW 1985, 2650, 2651; Musielak/Ball, ZPO 1999 § 519 b Rn. 18). Denn nach dem Aktenstand bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin - die sich das Ver-
schulden ihres Prozeßbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß - die Frist unverschuldet versäumt hatte.
aa) Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin trug die Verantwortung dafür , daß eine fristwahrende Prozeßhandlung vor dem zuständigen Gericht erfolgte. Er verletzte seine Pflichten dadurch, daß er die Berufungsschrift nicht auf die richtige Adressierung hin überprüfte und entsprechend berichtigte. Insbesondere hätte ihm auffallen können, daß die Berufungsschrift entgegen § 518 Abs. 1 ZPO an das Gericht gerichtet war, dessen Entscheidung angefochten werden sollte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1995 - VII ZR 8/95 - NJW-RR 1996, 443 und Beschluß vom 18. April 2000 - XI ZB 1/00, zur Veröffentlichung bestimmt ).
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs "wirkt sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozeßbevollmächtigten nicht mehr aus", wenn der fristgebundene Schriftsatz so zeitig bei dem "mit der Sache befaßt gewesenen Gericht" eingeht, daß die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. Geht der Schriftsatz gleichwohl nicht fristgerecht beim Rechtsmittelgericht ein, muß nach dieser Rechtsprechung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon gewährt werden, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht (BVerfG NJW 1995, 3173, 3175; BGH, Urteil vom 12. Oktober 1995 aaO; vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - NJW 1998, 908; Beschluß vom 18. April 2000 aaO).
Hier war indes nicht ohne weiteres zu erwarten, daß die von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beim unzuständigen Landgericht Berlin eingereichte Berufungsschrift bei ordentlichem Geschäftsgang spätestens am 17. März 2000 dem Kammergericht vorliegen würde.
Die Berufungsschrift ging auf dem Telefaxgerät des Landgerichts Berlin am 15. März 2000, 17.56 Uhr, ein. Von dort gelangte sie am folgenden Tag (16. März 2000) zur Gemeinsamen Briefannahme Justizbehörden Mitte. Diese gab den Schriftsatz weiter an das Landgericht Berlin, wo er bei der zuständigen Geschäftsstelle am Freitag, dem 17. März 2000, dem Tag des Ablaufs der Berufungsfrist , eintraf. Die Geschäftsstelle leitete die Berufungsschrift weiter an das Kammergericht, wo sie am Dienstag, dem 21. März 2000, über die Gemeinsame Briefannahme Elßholzstraße einging. Laut Aktenvermerk vom 20. März 2000 wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin oder dessen Büro fernmündlich mitgeteilt, daß die Berufung beim Kammergericht eingelegt werden müsse.
Auch die zusätzlich brieflich eingelegte Berufung wurde im ordentlichen Geschäftsgang bearbeitet. Laut Eingangsstempel wurde sie am 15. März 2000 bei dem Landgericht Berlin eingereicht und gelangte über die Gemeinsame Briefannahme Justizbehörden Mitte (Eingang Freitag, den 17. März 2000), am Montag, dem 20. März 2000, an die zuständige Geschäftsstelle. Nach Weiterleitung durch das Landgericht Berlin ging die Berufungsschrift am 22. März 2000 über die Gemeinsame Briefannahme Elßholzstraße dem Kammergericht zu.
Der für die Übermittlung der Berufungsschriften an das Kammergericht benötigte Zeitaufwand entsprach somit demjenigen einer ordnungsgemäßen Sachbehandlung und fiel damit in den Risikobereich der für die fehlerhafte Adressierung verantwortlichen Klägerin.
Wurm Streck Schlick Kapsa Galke

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 180/08
vom
7. Mai 2009
in der Zwangsversteigerungssache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Mai 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke und
Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hamburg vom 7. November 2008 wird auf Kosten des Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 beträgt 392.582,20 €.

Gründe:

I.

1
Die Beteiligte zu 1 betreibt aus einer notariellen Urkunde, in der sich der Beteiligte zu 3 wegen eines dinglichen Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses genannten Grundstücks.
2
Die Erinnerung des Beteiligten zu 3 gegen die Anordnung der Zwangsversteigerung , mit der er geltend macht, seine Unterwerfungserklärung sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, ist von dem Vollstreckungsgericht zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.
3
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Beteiligte zu 3 die Aufhebung der Zwangsversteigerungsanordnung.

II.

4
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
5
1. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts begegnet allerdings Bedenken , weil sie keine Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen. Andernfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht, das grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat (§ 577 Abs. 2 Satz 1 u. 4, § 559 ZPO), zu einer rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage (st.Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008, VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670, 1671; Beschl. v. 20. Juni 2006, VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910; Beschl. v. 7. April 2005, IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916; Beschl. v. 12. Juli 2004, II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; Beschl. v. 20. Juni 2002, IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649).
6
Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hier nur deshalb nicht, weil sich die Vorgänge, auf die es ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit dem Beschluss des Vollstreckungsgerichts entnehmen lassen und nach den Umständen ausnahmsweise anzunehmen ist, dass sich das Beschwerdegericht diese Feststellungen stillschweigend zu Eigen gemacht hat.
7
2. Das Beschwerdegericht nimmt im Ergebnis zu Recht an, dass die sofortige Beschwerde unbegründet ist. Das folgt allerdings nicht aus den von ihm angestellten Erwägungen zu der Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, sondern daraus, dass die zugrunde liegende Einwendung des Schuldners für die Entscheidung über die Anordnung der Zwangsversteigerung unerheblich ist.
8
Dabei bedarf es auch hier keiner Entscheidung, inwieweit die formelle Unwirksamkeit des Vollstreckungstitels mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) gerügt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 14. April 2005, V ZB 4/05, DNotZ 2005, 845). Eine aus materiellrechtlichen Erwägungen folgende Unwirksamkeit des Titels, wie sie der Beschwerdeführer hier unter Hinweis auf § 307 BGB einwendet, kann der Schuldner mit der Vollstreckungserinnerung jedenfalls nicht geltend machen (BGH, Beschl. v. 16. April 2009, VII ZB 62/08, WM 2009, 846; insoweit unzutreffend: OLG Braunschweig BauR 2000, 1228, 1229).
9
Inwiefern etwas anderes gilt, wenn die Unwirksamkeit des Titels evident ist, kann offen bleiben. Ob es sich bei einer Unterwerfungserklärung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt und ob diese gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt, lässt sich nämlich nur nach einer eingehenden materiellrechtlichen Prüfung beantworten, die sich einer Evidenzkontrolle verschließt (BGH, Beschl. v. 16. April 2009, VII ZB 62/08, aaO, S. 847).

III.

10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO sind anwendbar, weil es sich bei der Auseinandersetzung zwischen Gläubiger und Schuldner über die Anordnung der Zwangsversteigerung regelmäßig um kontradiktorisches Streitverhältnis handelt (vgl. Senat, BGHZ 170, 378, 381). Die Wertfestsetzung für die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 beruht auf § 26 Nr. 1 RVG.
Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

Vorinstanzen:
AG Hamburg-St. Georg, Entscheidung vom 26.09.2008 - 902 K 55/08 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 07.11.2008 - 328 T 79/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 67/09
vom
10. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Liegt eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vor, kann
Berufung fristwahrend nur bei dem Gericht des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG eingelegt
werden; eine Verweisung in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO
scheidet aus. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Frage, ob eine
solche Streitigkeit vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich
geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unterschiedlicher
Auffassung sein kann.
BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 67/09 - LG Paderborn
AG Paderborn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Dezember 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr.
Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 3. April 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Dortmund zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 6.500 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem gerichtlichen Vergleich in Anspruch, mit dem die Parteien den Umfang der Tierhaltung der Beklagten (Lärmbelästigung durch einen Papagei) geregelt hatten. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht Paderborn als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Beklagte die Abweisung der Klage und hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Paderborn bzw. an das Landgericht Dortmund erreichen.

II.

2
Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, die Berufung sei nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG allein zuständigen Landgericht Dortmund eingelegt worden. Das führe zur Unzulässigkeit der Berufung. Für eine ergänzende Anwendung der Vorschriften des § 17a Abs. 3 bis 5 GVG sei nach der Gesetzesreform 2007 kein Raum mehr. Es liege eine Streitsache im Sinne des § 43 Nr. 1 WEG vor, weil mit dem Vergleich der Umfang der Tierhaltung der Beklagten und damit die Art und Weise des Gebrauchs des Sondereigentums gemäß § 14 Nr. 1 WEG geregelt worden sei.

III.

3
1. Die gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2, 575 ZPO). Insbesondere kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu (dazu Senat, BGHZ 151, 221, 223). Es muss die entscheidungserhebliche Frage geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Klage, die auf eine in einem Prozessvergleich enthaltene Vertragsstraferegelung gestützt wird, als Streitigkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG anzusehen ist.
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
5
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts begegnet schon deshalb Bedenken , weil sie keine Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen. Andernfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht, das grundsätzlich von dem durch das Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, zu einer rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage (std. Rspr., vgl. nur Senat, Beschl. v. 7. Mai 2009, V ZB 180/08, JurBüro 2009, 442 f. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008, VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670, 1671; Beschl. v. 20. Juni 2006, VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910). Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vorliegend nur deshalb nicht, weil sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit den rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts entnehmen lässt.
6
b) In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das für Berufungen in Wohnungseigentumssachen nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m § 43 Nr. 1 WEG zuständige Landgericht.
7
aa) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um eine Streitsache zwischen Wohnungseigentümern im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG handelt. Der Senat hat bereits entschieden, dass die genannte Vorschrift auch unter der nunmehrigen Geltung der Zivilprozessordnung weit auszulegen ist und deshalb etwa eine Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen einen in einem WEG-Verfahren nach § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet, ebenfalls als Streitigkeit im Sinne der genannten Vorschrift einzuordnen ist (Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282 f.). Für den Streit um die Frage, ob eine auf einen Prozessvergleich gestützte Vertragsstrafe verwirkt ist, gilt nichts anderes. Dabei kommt es für die Anwendung des § 43 Nr. 1 WEG nicht entscheidend auf die Rechtsgrundlage an, aus der ein Anspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Forderung, um deren Durchsetzung oder sanktionsrechtliche Absicherung es geht, in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsen ist (vgl. Senat, Urt. v. 30. Juni 1995, V ZR 118/94, NJW 1995, 2851, 2852 m.w.N.).
8
Gemessen daran liegt eine (Annex-)Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG vor. Die Vertragsstrafenregelung wurde zur Durchsetzung der den Wohnungseigentümern aufgrund ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit auf- erlegten Verpflichtung getroffen, von dem Sondereigentum nur in einer Weise Gebrauch zu machen, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile erwachsen (§ 14 Nr. 1 WEG). Dass hierzu auch eine die Belange der Miteigentümer wahrende schonende Tierhaltung gehört (vgl. nur Palandt/ Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 14 WEG Rdn. 6 m.w.N.), liegt auf der Hand. Die in dem Vergleich getroffene Regelung stellt lediglich eine Konkretisierung der jeden Wohnungseigentümer treffenden Verpflichtung dar. Das Vertragsstrafenversprechen knüpft an die Verletzung dieser Verpflichtung an. Dass an dem Vergleich – offenbar vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Betroffenheit – nicht sämtliche Wohnungseigentümer beteiligt waren, ändert daran nichts. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem nicht das Senatsurteil vom 20. Juni 1986 (V ZR 47/85, NJW-RR 1986, 1335) entgegen. In dieser Entscheidung hat der Senat lediglich ausgesprochen, dass die Auseinandersetzung über ein Verbot, das seine rechtliche Grundlage – anders als hier – nicht im Gemeinschaftsrecht und insbesondere nicht in § 14 Nr. 1 WEG findet, nur dann als Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG angesehen werden kann, wenn das Verbot durch Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer begründet wurde.
9
bb) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass eine Berufung bei Vorliegen einer Streitigkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG fristwahrend nur bei dem von der Regelung des § 72 Abs. 2 GVG vorgegebenen Berufungsgericht eingelegt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282). Eine Aufspaltung der Rechtsmittelzuständigkeit für die Einlegung einerseits und die Entscheidung über das Rechtsmittel andererseits scheidet in der Regel aus. Eine mit Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Zugangshürde wird dadurch im Allgemeinen nicht errichtet, weil sich die Parteien in der Berufungsinstanz durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, die mit der Materie des Berufungsverfahrens vertraut sind und die anhand der Vorschriften des Ge- richtsverfassungsgesetzes, der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen und der Einteilung der Gerichtsbezirke in der Regel unschwer das richtige Rechtsmittelgericht feststellen können. Vor diesem Hintergrund kann eine bei dem falschen Berufungsgericht eingelegte Berufung, die nicht rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des richtigen Berufungsgerichts gelangt, auch nicht in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an dieses Gericht verwiesen werden. Vielmehr ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJW-RR 1997, 55 f.; Beschl. v. 19. Juni 2007, VI ZB 3/07, NJW-RR 2007, 1436; vgl. auch BGHZ 155, 46, 50). Jedoch gilt das nicht ausnahmslos.
10
So ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine fristwahrende Berufungseinlegung bei dem funktionell unzuständigen Berufungsgericht und die Möglichkeit einer Verweisung entsprechend § 281 ZPO zu bejahen, wenn die für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit in Familien- und allgemeinen Zivilsachen maßgebliche formelle Anknüpfung keine zweifelsfreie Bestimmung des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts ermöglicht (BGHZ 72, 182, 193 f.; BGH, Beschl. v. 2. November 1994, XII ZB 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; Beschl. v. 10. Juli 1996, aaO; Urt. v. 15. Februar 2005, XI ZR 171/04, NJW-RR 2005, 780; jeweils m.w.N.). Eine weitere Ausnahme lässt der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs zu, wenn es um die mit beträchtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten behaftete Beantwortung der Frage geht, ob über eine Berufung das in Zivilsachen allgemein zuständige Oberlandesgericht oder das sog. Kartell-Oberlandesgericht zu entscheiden hat (vgl. BGHZ 71, 367, 371 ff.).
11
Vergleichbar liegt es in Konstellationen der vorliegenden Art. Zwar bereitet die Beantwortung der Frage, ob eine zur Berufungszuständigkeit nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG führende Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vorliegt, in aller Regel keine Schwierigkeiten. Anders verhält es sich dagegen , wenn die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne der genannten Regelungen vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung – wie hier – mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann. Dann besteht – da für eine ergänzende Heranziehung der §§ 17a Abs. 3 bis 5, 17b GVG nach der Überführung des WEGVerfahrens in die Zivilprozessordnung kein Raum mehr ist (vgl. BGHZ 155, 46, 50 f.) – auch ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung von § 281 ZPO (vgl. auch BGHZ 71, 367, 374; BGH, Beschl. v. 2. November 1994, XII ZB 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJWRR 1997, 55 f.). Einer Partei kann in einer solchen Konstellation nicht angesonnen werden, zur Meidung der Verwerfung ihres Rechtsmittels als unzulässig Berufung sowohl bei dem allgemein zuständigen Berufungsgerichts einzulegen als auch bei dem des § 72 Abs. 2 GVG (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, aaO). Da die Beklagte hilfsweise die (Zurück-)Verweisung an das zuletzt genannte Gericht beantragt hat und ein solcher Antrag in Fällen der vorliegenden Art zulässigerweise auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt werden kann (vgl. BGHZ 49, 33, 39), ist die Sache unmittelbar an das nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG zuständige Landgericht Dortmund zu verweisen (vgl. auch BGHZ 72, 182, 198). Krüger Klein Stresemann Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Paderborn, Entscheidung vom 25.11.2008 - 55 C 205/08 -
LG Paderborn, Entscheidung vom 03.04.2009 - 5 S 14/09 -

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 67/09
vom
10. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Liegt eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vor, kann
Berufung fristwahrend nur bei dem Gericht des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG eingelegt
werden; eine Verweisung in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO
scheidet aus. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Frage, ob eine
solche Streitigkeit vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich
geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unterschiedlicher
Auffassung sein kann.
BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 67/09 - LG Paderborn
AG Paderborn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Dezember 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr.
Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 3. April 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Dortmund zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 6.500 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem gerichtlichen Vergleich in Anspruch, mit dem die Parteien den Umfang der Tierhaltung der Beklagten (Lärmbelästigung durch einen Papagei) geregelt hatten. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht Paderborn als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Beklagte die Abweisung der Klage und hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Paderborn bzw. an das Landgericht Dortmund erreichen.

II.

2
Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, die Berufung sei nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG allein zuständigen Landgericht Dortmund eingelegt worden. Das führe zur Unzulässigkeit der Berufung. Für eine ergänzende Anwendung der Vorschriften des § 17a Abs. 3 bis 5 GVG sei nach der Gesetzesreform 2007 kein Raum mehr. Es liege eine Streitsache im Sinne des § 43 Nr. 1 WEG vor, weil mit dem Vergleich der Umfang der Tierhaltung der Beklagten und damit die Art und Weise des Gebrauchs des Sondereigentums gemäß § 14 Nr. 1 WEG geregelt worden sei.

III.

3
1. Die gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2, 575 ZPO). Insbesondere kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu (dazu Senat, BGHZ 151, 221, 223). Es muss die entscheidungserhebliche Frage geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Klage, die auf eine in einem Prozessvergleich enthaltene Vertragsstraferegelung gestützt wird, als Streitigkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG anzusehen ist.
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
5
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts begegnet schon deshalb Bedenken , weil sie keine Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen. Andernfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht, das grundsätzlich von dem durch das Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, zu einer rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage (std. Rspr., vgl. nur Senat, Beschl. v. 7. Mai 2009, V ZB 180/08, JurBüro 2009, 442 f. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008, VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670, 1671; Beschl. v. 20. Juni 2006, VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910). Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vorliegend nur deshalb nicht, weil sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit den rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts entnehmen lässt.
6
b) In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das für Berufungen in Wohnungseigentumssachen nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m § 43 Nr. 1 WEG zuständige Landgericht.
7
aa) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um eine Streitsache zwischen Wohnungseigentümern im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG handelt. Der Senat hat bereits entschieden, dass die genannte Vorschrift auch unter der nunmehrigen Geltung der Zivilprozessordnung weit auszulegen ist und deshalb etwa eine Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen einen in einem WEG-Verfahren nach § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet, ebenfalls als Streitigkeit im Sinne der genannten Vorschrift einzuordnen ist (Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282 f.). Für den Streit um die Frage, ob eine auf einen Prozessvergleich gestützte Vertragsstrafe verwirkt ist, gilt nichts anderes. Dabei kommt es für die Anwendung des § 43 Nr. 1 WEG nicht entscheidend auf die Rechtsgrundlage an, aus der ein Anspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Forderung, um deren Durchsetzung oder sanktionsrechtliche Absicherung es geht, in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsen ist (vgl. Senat, Urt. v. 30. Juni 1995, V ZR 118/94, NJW 1995, 2851, 2852 m.w.N.).
8
Gemessen daran liegt eine (Annex-)Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG vor. Die Vertragsstrafenregelung wurde zur Durchsetzung der den Wohnungseigentümern aufgrund ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit auf- erlegten Verpflichtung getroffen, von dem Sondereigentum nur in einer Weise Gebrauch zu machen, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile erwachsen (§ 14 Nr. 1 WEG). Dass hierzu auch eine die Belange der Miteigentümer wahrende schonende Tierhaltung gehört (vgl. nur Palandt/ Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 14 WEG Rdn. 6 m.w.N.), liegt auf der Hand. Die in dem Vergleich getroffene Regelung stellt lediglich eine Konkretisierung der jeden Wohnungseigentümer treffenden Verpflichtung dar. Das Vertragsstrafenversprechen knüpft an die Verletzung dieser Verpflichtung an. Dass an dem Vergleich – offenbar vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Betroffenheit – nicht sämtliche Wohnungseigentümer beteiligt waren, ändert daran nichts. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem nicht das Senatsurteil vom 20. Juni 1986 (V ZR 47/85, NJW-RR 1986, 1335) entgegen. In dieser Entscheidung hat der Senat lediglich ausgesprochen, dass die Auseinandersetzung über ein Verbot, das seine rechtliche Grundlage – anders als hier – nicht im Gemeinschaftsrecht und insbesondere nicht in § 14 Nr. 1 WEG findet, nur dann als Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG angesehen werden kann, wenn das Verbot durch Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer begründet wurde.
9
bb) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass eine Berufung bei Vorliegen einer Streitigkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG fristwahrend nur bei dem von der Regelung des § 72 Abs. 2 GVG vorgegebenen Berufungsgericht eingelegt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282). Eine Aufspaltung der Rechtsmittelzuständigkeit für die Einlegung einerseits und die Entscheidung über das Rechtsmittel andererseits scheidet in der Regel aus. Eine mit Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Zugangshürde wird dadurch im Allgemeinen nicht errichtet, weil sich die Parteien in der Berufungsinstanz durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, die mit der Materie des Berufungsverfahrens vertraut sind und die anhand der Vorschriften des Ge- richtsverfassungsgesetzes, der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen und der Einteilung der Gerichtsbezirke in der Regel unschwer das richtige Rechtsmittelgericht feststellen können. Vor diesem Hintergrund kann eine bei dem falschen Berufungsgericht eingelegte Berufung, die nicht rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des richtigen Berufungsgerichts gelangt, auch nicht in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an dieses Gericht verwiesen werden. Vielmehr ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJW-RR 1997, 55 f.; Beschl. v. 19. Juni 2007, VI ZB 3/07, NJW-RR 2007, 1436; vgl. auch BGHZ 155, 46, 50). Jedoch gilt das nicht ausnahmslos.
10
So ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine fristwahrende Berufungseinlegung bei dem funktionell unzuständigen Berufungsgericht und die Möglichkeit einer Verweisung entsprechend § 281 ZPO zu bejahen, wenn die für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit in Familien- und allgemeinen Zivilsachen maßgebliche formelle Anknüpfung keine zweifelsfreie Bestimmung des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts ermöglicht (BGHZ 72, 182, 193 f.; BGH, Beschl. v. 2. November 1994, XII ZB 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; Beschl. v. 10. Juli 1996, aaO; Urt. v. 15. Februar 2005, XI ZR 171/04, NJW-RR 2005, 780; jeweils m.w.N.). Eine weitere Ausnahme lässt der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs zu, wenn es um die mit beträchtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten behaftete Beantwortung der Frage geht, ob über eine Berufung das in Zivilsachen allgemein zuständige Oberlandesgericht oder das sog. Kartell-Oberlandesgericht zu entscheiden hat (vgl. BGHZ 71, 367, 371 ff.).
11
Vergleichbar liegt es in Konstellationen der vorliegenden Art. Zwar bereitet die Beantwortung der Frage, ob eine zur Berufungszuständigkeit nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG führende Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vorliegt, in aller Regel keine Schwierigkeiten. Anders verhält es sich dagegen , wenn die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne der genannten Regelungen vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung – wie hier – mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann. Dann besteht – da für eine ergänzende Heranziehung der §§ 17a Abs. 3 bis 5, 17b GVG nach der Überführung des WEGVerfahrens in die Zivilprozessordnung kein Raum mehr ist (vgl. BGHZ 155, 46, 50 f.) – auch ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung von § 281 ZPO (vgl. auch BGHZ 71, 367, 374; BGH, Beschl. v. 2. November 1994, XII ZB 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJWRR 1997, 55 f.). Einer Partei kann in einer solchen Konstellation nicht angesonnen werden, zur Meidung der Verwerfung ihres Rechtsmittels als unzulässig Berufung sowohl bei dem allgemein zuständigen Berufungsgerichts einzulegen als auch bei dem des § 72 Abs. 2 GVG (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, aaO). Da die Beklagte hilfsweise die (Zurück-)Verweisung an das zuletzt genannte Gericht beantragt hat und ein solcher Antrag in Fällen der vorliegenden Art zulässigerweise auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt werden kann (vgl. BGHZ 49, 33, 39), ist die Sache unmittelbar an das nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG zuständige Landgericht Dortmund zu verweisen (vgl. auch BGHZ 72, 182, 198). Krüger Klein Stresemann Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Paderborn, Entscheidung vom 25.11.2008 - 55 C 205/08 -
LG Paderborn, Entscheidung vom 03.04.2009 - 5 S 14/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 188/08
vom
19. Februar 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Mit der Vollstreckungsabwehrklage wird nicht das Verfahren fortgesetzt, das zu
dem Erlass des Vollstreckungstitels geführt hat, sondern ein eigenständiger neuer
Rechtsstreit eingeleitet.

b) Die Zuständigkeitsregelung in § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG gilt auch für die Berufung
gegen ein erstinstanzliches Urteil, mit dem über die gegen die Vollstreckung aus
einem in einer Wohnungseigentumssache erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss
gerichtete Vollstreckungsabwehrklage entschieden wurde.
BGH, Beschluss vom 19. Februar 2009 - V ZB 188/08 - LG Leipzig
AG Borna
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.164,76 €.

Gründe:

I.

1
Die Beklagten betreiben gegen den Kläger die Zwangsvollstreckung aus einem am 12. Juli 2007 in einem Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss. Die Vollstreckungsabwehrklage hat das Amtsgericht mit Urteil vom 25. März 2008 abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil es sich nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG für örtlich unzuständig gehalten hat.
2
Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Kläger die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses erreichen.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2 Nr. 1, 575 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet.
4
1. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (siehe dazu Senat, BGHZ 151, 221, 223). Es muss die Frage geklärt werden, ob die Vorschrift des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG auch für die Berufung gegen das Urteil eines Amtsgerichts gilt, mit welchem über eine Vollstreckungsabwehrklage entschieden wurde, die sich gegen die Vollstreckung aus einem in einem Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet.
5
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, denn es ist örtlich unzuständig.
6
a) Nach § 23 Nr. 2 Buchst. c GVG sind die Amtsgerichte für Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG ausschließlich zuständig. Gemeinsames Berufungs - und Beschwerdegericht in diesen Streitigkeiten ist für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat, das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht (§ 72 Abs. 2 Satz 1 GVG). Das ist hier das Landgericht Dresden.
7
b) Die besondere Zuständigkeitsregelung gilt auch für Berufungen gegen Amtsgerichtsurteile, mit denen über Vollstreckungsabwehrklagen (§ 767 ZPO) entschieden wurde, die sich gegen die Vollstreckung aus in Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüssen richten.
8
aa) Nach früherem Recht entschied über die in § 43 Abs. 1 WEG a.F. genannten Streitigkeiten das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück lag, im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dieser Regelung lag das Bestreben des Gesetzgebers zugrunde, Streitfälle innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft in möglichst weitgehendem Umfang dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu unterstellen, weil dieses im Vergleich zum Zivilprozess einfacher, freier, elastischer, rascher und damit für Streitigkeiten mit einer häufig großen Anzahl von Beteiligten besser geeignet war; dementsprechend wurde die Zuständigkeitsbestimmung des § 43 Abs. 1 WEG a.F. weit ausgelegt, und es sprach im Zweifel eine Vermutung für die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte bei allen gemeinschaftsbezogenen Verfahrensgegenständen (Senat, BGHZ 152, 136, 141 f. m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig , dass für die frühere Rechtslage angenommen wurde, für die Entscheidung über einen Vollstreckungsabwehrantrag nach § 767 ZPO analog, der sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem in einem Wohnungseigentumsverfahren ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtete, seien die Wohnungseigentumsgerichte zuständig (BayObLG WuM 1990, 621; OLG Frankfurt a.M. OLGR 2006, 758).
9
bb) Daran hat sich durch die am 1. Juli 2007 in kraft getretene Reform des Wohnungseigentumsgesetzes nichts geändert. Zwar werden die in § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG aufgeführten Wohnungseigentumssachen, die - mit Ausnahme der in Nr. 2 neu aufgenommenen Regelung - inhaltlich mit den in §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4, 46a Abs. 1 Satz 2 WEG a.F. genannten übereinstimmen , nicht mehr im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern im Zivilprozess entschieden. Aber es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber damit an der Einordnung einer Streitigkeit als Wohnungseigentumssache etwas ändern wollte (Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 13 Rdn. 36). Deshalb ist die Zuständigkeitszuweisung in § 43 WEG - wie früher - weit auszulegen (Wenzel in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 43 Rdn. 30), um die Gefahr sich widersprechender oder unzutreffender Entscheidungen zu verringern und darüber hinaus sicherzustellen, dass mit spezieller Sachkunde ausgestattete Wohnungseigentumsgerichte bei allen gemeinschaftsbezogenen Verfahrensgegenständen entscheiden (siehe zu diesen Gesichtspunkten Senat, BGHZ 152, 136, 147). Dass der Gesetzgeber diese Ziele mit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes nicht aufgegeben hat, wird besonders augenfällig in der Regelung des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG. Die Konzentration der Berufungen in den § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG genannten Wohnungseigentumssachen auf ein einziges Landgericht pro Oberlandesgerichtsbezirk soll nämlich die Qualität der Berufungsentscheidungen sichern (BT-Drucks. 16/887 S. 60).
10
cc) Somit unterliegt die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO i.V.m. §§ 794 Abs. 1 Nr. 2, 795 ZPO, mit welcher der Schuldner Einwendungen gegen die Vollstreckbarkeit eines Kostenfestsetzungsbeschlusses erheben muss (Riecke/Schmid/Abramenko, Fachanwaltskommentar Wohnungseigentumsrecht , 2. Aufl., § 50 Rdn. 12), denselben verfahrensrechtlichen Regelungen wie das Verfahren, in welchem der Vollstreckungstitel ergangen ist. Betraf dieses eine Wohnungseigentumssache nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG, gilt für die Berufung gegen das in dem Vollstreckungsabwehrverfahren ergangene erstinstanzliche Urteil die besondere Zuständigkeitsregelung in § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG.
11
c) Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht führt die Übergangsregelung in § 62 Abs. 1 WEG nicht zur örtlichen Zuständigkeit des Berufungsgerichts. Zwar sind für die am 1. Juli 2007 bei Gericht anhängigen Verfahren in Wohnungseigentumssachen die Vorschriften des III. Teils des Wohnungseigentumsgesetzes in ihrer bis dahin geltenden Fas- sung weiter anzuwenden. Dies bedeutet, dass in diesen Verfahren nach §§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG a.F., § 19 Abs. 2 FGG gegen erstinstanzliche Entscheidungen die sofortige Beschwerde zu dem für Rechtsmittel gegen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangene Beschlüsse des Amtsgerichts örtlich zuständigen Landgericht das richtige Rechtsmittel ist; die besondere Zuständigkeitsregelung in § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG kommt nicht zur Anwendung, denn sie betrifft nur Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen in Wohnungseigentumssachen nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG, die also im Zivilprozess ergangen sind, erfasst jedoch nicht Rechtsmittel gegen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangene Entscheidungen (OLG München NJW 2008, 859). Aber hier liegen die Dinge anders. Das Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage war am 1. Juli 2007 noch nicht bei dem Amtsgericht anhängig, denn der Kläger hat seine Klage erst am 25. Oktober 2007 erhoben. Mit ihr wurde nicht etwa das Kostenfestsetzungsverfahren, welches zu dem Vollstreckungstitel geführt hat, fortgesetzt, sondern ein eigenständiger und neuer Rechtsstreit eingeleitet (Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 767 Rdn. 3). Ziel der Klage nach § 767 ZPO ist nämlich der Anspruch, dass die Zwangsvollstreckung aus einem Titel unzulässig ist, nicht dagegen die Aufhebung des Titels oder die Feststellung, dass der titulierte Anspruch nicht oder nicht mehr bestehe; das der Vollstreckungsabwehrklage stattgebende Urteil lässt deshalb die materielle Rechtskraft des Titels unberührt (BGH, Urt. v. 20. September 1995, X ZR 220/94, NJW 1995, 3318 f.).

III.

12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Borna, Entscheidung vom 25.03.2008 - 3 C 1300/07 -
LG Leipzig, Entscheidung vom 15.10.2008 - 1 S 199/08 -

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 3/07
vom
19. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts daran, dass
eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, ist
formal zu verstehen. Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen
Fragen des internationalen Privatrechts stellen.
BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - VI ZB 3/07 - LG Berlin
AGMitte
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die
Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 24. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 11. November 2006 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.958,90 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz von 1.958,90 € nach einem Verkehrsunfall in B. in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage an die Beklagte zu 2, eine in Frankreich ansässige Versicherungsgesellschaft mit einer Niederlassung in Deutschland, unter der Anschrift ihrer inländischen Niederlassung zugestellt. Es hat die Klage mit Urteil vom 7. März 2006 abgewiesen. Gegen das am 13. März 2006 zugestellte Urteil hat der Klägervertreter am 12. April 2006 Berufung beim Landgericht eingelegt. Nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat er die Berufung am 13. Juni 2006 begründet. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2006 haben die Beklagten beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil diese beim Oberlandesgericht hätte eingelegt werden müssen. Bei der Beklagten zu 2 handele es sich um eine Aktiengesellschaft nach französischem Recht mit Sitz in Frankreich. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 2 sei danach in Frankreich. Der Sitz der Niederlassung im Inland begründe lediglich den besonderen Gerichtsstand nach § 21 ZPO. Der Kläger hat am 29. Mai 2006 beantragt, hilfsweise für den Fall, dass sich das Landgericht der Ansicht der Beklagten anschließen würde, Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren und die Sache an das Kammergericht zu verweisen. Am selben Tag hat er Berufung gegen das Urteil vom 7. März 2006 beim Kammergericht eingelegt und Wiedereinsetzung in die Versäumung der Berufungsund Berufungsbegründungsfrist beantragt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2006 hat das Kammergericht den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die beim Landgericht eingelegte Berufung ausgesetzt. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss vom 11. November 2006 als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2
1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und im Übrigen auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig, da die Fragen zur Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG, die der Streitfall aufwirft, bereits hinreichend durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind.
3
2. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler seine Zuständigkeit für die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts verneint und die Berufung des Klägers verworfen.
4
a) Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass es sich bei der Beklagten zu 2 um eine Aktiengesellschaft nach französischem Recht mit Sitz in Frankreich handelt, die in Deutschland lediglich über eine Niederlassung verfügt. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 2 liegt mithin im Ausland (§ 17 ZPO), so dass die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG dem Wortlaut nach gegeben sind. Dies gilt auch, soweit sich die Berufung gegen den Beklagten zu 1 richtet (vgl. Senat, BGHZ 155, 46, 49 f.). Auch die Rechtsbeschwerde zieht dies nicht in Zweifel.
5
b) Der Senat sieht keine Veranlassung, im Streitfall vom Beschluss des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 2003 - IV ZB 31/02 - VersR 2004, 355 f. abzuweichen. Dass Fragen des internationalen Privatrechts keine Rolle spielen und sich auch solche nach der Belegenheit des Risikos oder einer eventuellen Rechtswahl von vornherein nicht stellen können, weil der Kläger den Direktanspruch gemäß § 3 Abs. 1 PflVG gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners geltend macht, ist für die Frage der Rechtsmittelzuständigkeit nicht maßgebend. Das macht die Beschwerdeerwiderung mit Recht geltend.
6
Die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts daran, dass eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, ist formal zu verstehen. Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen Fragen des internationalen Privatrechts stellen (Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 119 GVG Rn. 15; MünchKomm/Wolf, ZPO 2. Aufl. Aktualisierungsband, GVG § 119 Rn. 4; Musielak/Wittschier ZPO 5. Aufl. § 119 GVG Rn. 19). Nur ein formales Verständnis der Norm genügt dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Gebot der Rechtsmittelklarheit, wonach Rechtsbehelfe "in der geschriebenen Rechtsordnung" geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger klar erkennbar sein müssen (siehe dazu BVerfG, NJW 2003, 1924, 1928). Das lässt sich nur erreichen, wenn die Voraussetzungen der Zuständigkeitsregelung in § 119 Abs.1 Nr. 1 Buchst. b GVG eng und formal verstanden werden, weil sie den Zugang zu dem an sich gegebenen Rechtsmittel der Berufung zum Landgericht in einer mit Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigen Weise erschweren. Das Kriterium des allgemeinen Gerichtsstands gewährleistet eine hinreichende Bestimmtheit und damit Rechtssicherheit für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit zwischen Landgericht und Oberlandesgericht (BT-Drucks. 14/6036 S. 118 f.). Deshalb kommt die von der Rechtsbeschwerde geforderte teleologische Reduktion der Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG nicht in Betracht. Im Übrigen wäre bei Anwendung des ausländischen Rechts durch das Amtsgericht die Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GVG begründet (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. Januar 2007 - V ZB 129/06 – VersR 2007, 664, 665 f.), so dass die Zuständigkeitsregelung in § 119 Abs.1 Nr. 1 Buchst. b GVG, wollte man der Rechtsbeschwerde folgen, weitgehend leer liefe.
7
c) Der Beschluss des Landgerichts steht auch nicht in Widerspruch zu den Beschlüssen des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2004 - VIII ZB 66/03 - WM 2004, 2227 f. und vom 16. November 2004 - VIII ZB 45/04 - NZM 2005, 147. Anders als in den diesen Beschlüssen zugrunde liegenden Fallgestaltungen hatte der Kläger aufgrund der bei der vorgerichtlichen Korrespondenz zur Verwendung gekommenen Briefbögen, auf denen sich der Hinweis auf den Hauptsitz der Gesellschaft in Paris befindet, Kenntnis vom Sitz der Beklagten zu 2 in Frankreich. Eine Veranlassung den allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu 2 in erster Instanz zur Sprache zu bringen, bestand für die Beklagten danach nicht, da jedenfalls der besondere Gerichtsstand des § 32 ZPO bei dem vom Kläger angerufenen Amtsgericht begründet war. Zu Recht hat das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass ein inländischer allgemeiner Gerichtsstand nicht erörtert worden ist, nicht schon hergeleitet, die Parteien hätten übereinstimmend einen allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu 2 im Inland angenommen. Vielmehr hatte der Kläger aufgrund der ihm zugänglichen Informationen Veranlassung zu sorgfältiger Prüfung , ob es sich bei der Direktion für Deutschland um eine Tochtergesellschaft der ausländischen Gesellschaft oder lediglich um eine, wenn auch eingetragene , Zweigniederlassung handelt.
8
d) Nach diesen Grundsätzen wäre das Kammergericht für die Entscheidung über die Berufung gegen das Urteil des zu seinem Gerichtsbezirk gehörenden Amtsgerichts zuständig gewesen. Entgegen dem Antrag des Klägers kam eine Verweisung des Rechtsstreits über die Berufung in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch das Landgericht nicht in Betracht. Zum einen gilt diese Bestimmung nicht für die funktionelle Zuständigkeit (vgl. Senat, BGHZ 155, 46, 50; BGH, Beschluss vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95 - NJW-RR 1997, 55). Der Antrag bleibt aber auch deshalb ohne Erfolg, weil die Berufungsfrist am 29. Mai 2006 bereits abgelaufen war.
9
Dem Kläger kann nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt werden, weil die Fristversäumnis nicht unverschuldet war (§ 233 ZPO). Der Kläger muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO, welches darin liegt, dass er die Berufung bei einem unzuständigen Gericht eingelegt hat. Es besteht auch keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen und vorher mit der Sache noch nicht befassten Landgerichts , durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen rechtzeitig eine Fristversäumnis des Rechtsmittelführers zu verhindern (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 75/03 - VersR 2005, 247, 248).
10
Demzufolge hat das Landgericht die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen.
11
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 07.03.2006 - 107 C 3005/05 -
LG Berlin, Entscheidung vom 11.11.2006 - 24 S 106/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 67/09
vom
10. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Liegt eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vor, kann
Berufung fristwahrend nur bei dem Gericht des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG eingelegt
werden; eine Verweisung in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO
scheidet aus. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Frage, ob eine
solche Streitigkeit vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich
geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unterschiedlicher
Auffassung sein kann.
BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 67/09 - LG Paderborn
AG Paderborn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Dezember 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr.
Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 3. April 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Dortmund zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 6.500 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem gerichtlichen Vergleich in Anspruch, mit dem die Parteien den Umfang der Tierhaltung der Beklagten (Lärmbelästigung durch einen Papagei) geregelt hatten. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht Paderborn als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Beklagte die Abweisung der Klage und hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Paderborn bzw. an das Landgericht Dortmund erreichen.

II.

2
Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, die Berufung sei nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG allein zuständigen Landgericht Dortmund eingelegt worden. Das führe zur Unzulässigkeit der Berufung. Für eine ergänzende Anwendung der Vorschriften des § 17a Abs. 3 bis 5 GVG sei nach der Gesetzesreform 2007 kein Raum mehr. Es liege eine Streitsache im Sinne des § 43 Nr. 1 WEG vor, weil mit dem Vergleich der Umfang der Tierhaltung der Beklagten und damit die Art und Weise des Gebrauchs des Sondereigentums gemäß § 14 Nr. 1 WEG geregelt worden sei.

III.

3
1. Die gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2, 575 ZPO). Insbesondere kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu (dazu Senat, BGHZ 151, 221, 223). Es muss die entscheidungserhebliche Frage geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Klage, die auf eine in einem Prozessvergleich enthaltene Vertragsstraferegelung gestützt wird, als Streitigkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG anzusehen ist.
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
5
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts begegnet schon deshalb Bedenken , weil sie keine Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen. Andernfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht, das grundsätzlich von dem durch das Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, zu einer rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage (std. Rspr., vgl. nur Senat, Beschl. v. 7. Mai 2009, V ZB 180/08, JurBüro 2009, 442 f. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008, VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670, 1671; Beschl. v. 20. Juni 2006, VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910). Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vorliegend nur deshalb nicht, weil sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit den rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts entnehmen lässt.
6
b) In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das für Berufungen in Wohnungseigentumssachen nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m § 43 Nr. 1 WEG zuständige Landgericht.
7
aa) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um eine Streitsache zwischen Wohnungseigentümern im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG handelt. Der Senat hat bereits entschieden, dass die genannte Vorschrift auch unter der nunmehrigen Geltung der Zivilprozessordnung weit auszulegen ist und deshalb etwa eine Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen einen in einem WEG-Verfahren nach § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet, ebenfalls als Streitigkeit im Sinne der genannten Vorschrift einzuordnen ist (Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282 f.). Für den Streit um die Frage, ob eine auf einen Prozessvergleich gestützte Vertragsstrafe verwirkt ist, gilt nichts anderes. Dabei kommt es für die Anwendung des § 43 Nr. 1 WEG nicht entscheidend auf die Rechtsgrundlage an, aus der ein Anspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Forderung, um deren Durchsetzung oder sanktionsrechtliche Absicherung es geht, in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsen ist (vgl. Senat, Urt. v. 30. Juni 1995, V ZR 118/94, NJW 1995, 2851, 2852 m.w.N.).
8
Gemessen daran liegt eine (Annex-)Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG vor. Die Vertragsstrafenregelung wurde zur Durchsetzung der den Wohnungseigentümern aufgrund ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit auf- erlegten Verpflichtung getroffen, von dem Sondereigentum nur in einer Weise Gebrauch zu machen, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile erwachsen (§ 14 Nr. 1 WEG). Dass hierzu auch eine die Belange der Miteigentümer wahrende schonende Tierhaltung gehört (vgl. nur Palandt/ Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 14 WEG Rdn. 6 m.w.N.), liegt auf der Hand. Die in dem Vergleich getroffene Regelung stellt lediglich eine Konkretisierung der jeden Wohnungseigentümer treffenden Verpflichtung dar. Das Vertragsstrafenversprechen knüpft an die Verletzung dieser Verpflichtung an. Dass an dem Vergleich – offenbar vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Betroffenheit – nicht sämtliche Wohnungseigentümer beteiligt waren, ändert daran nichts. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem nicht das Senatsurteil vom 20. Juni 1986 (V ZR 47/85, NJW-RR 1986, 1335) entgegen. In dieser Entscheidung hat der Senat lediglich ausgesprochen, dass die Auseinandersetzung über ein Verbot, das seine rechtliche Grundlage – anders als hier – nicht im Gemeinschaftsrecht und insbesondere nicht in § 14 Nr. 1 WEG findet, nur dann als Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG angesehen werden kann, wenn das Verbot durch Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer begründet wurde.
9
bb) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass eine Berufung bei Vorliegen einer Streitigkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG fristwahrend nur bei dem von der Regelung des § 72 Abs. 2 GVG vorgegebenen Berufungsgericht eingelegt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282). Eine Aufspaltung der Rechtsmittelzuständigkeit für die Einlegung einerseits und die Entscheidung über das Rechtsmittel andererseits scheidet in der Regel aus. Eine mit Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Zugangshürde wird dadurch im Allgemeinen nicht errichtet, weil sich die Parteien in der Berufungsinstanz durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, die mit der Materie des Berufungsverfahrens vertraut sind und die anhand der Vorschriften des Ge- richtsverfassungsgesetzes, der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen und der Einteilung der Gerichtsbezirke in der Regel unschwer das richtige Rechtsmittelgericht feststellen können. Vor diesem Hintergrund kann eine bei dem falschen Berufungsgericht eingelegte Berufung, die nicht rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des richtigen Berufungsgerichts gelangt, auch nicht in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an dieses Gericht verwiesen werden. Vielmehr ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJW-RR 1997, 55 f.; Beschl. v. 19. Juni 2007, VI ZB 3/07, NJW-RR 2007, 1436; vgl. auch BGHZ 155, 46, 50). Jedoch gilt das nicht ausnahmslos.
10
So ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine fristwahrende Berufungseinlegung bei dem funktionell unzuständigen Berufungsgericht und die Möglichkeit einer Verweisung entsprechend § 281 ZPO zu bejahen, wenn die für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit in Familien- und allgemeinen Zivilsachen maßgebliche formelle Anknüpfung keine zweifelsfreie Bestimmung des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts ermöglicht (BGHZ 72, 182, 193 f.; BGH, Beschl. v. 2. November 1994, XII ZB 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; Beschl. v. 10. Juli 1996, aaO; Urt. v. 15. Februar 2005, XI ZR 171/04, NJW-RR 2005, 780; jeweils m.w.N.). Eine weitere Ausnahme lässt der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs zu, wenn es um die mit beträchtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten behaftete Beantwortung der Frage geht, ob über eine Berufung das in Zivilsachen allgemein zuständige Oberlandesgericht oder das sog. Kartell-Oberlandesgericht zu entscheiden hat (vgl. BGHZ 71, 367, 371 ff.).
11
Vergleichbar liegt es in Konstellationen der vorliegenden Art. Zwar bereitet die Beantwortung der Frage, ob eine zur Berufungszuständigkeit nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG führende Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vorliegt, in aller Regel keine Schwierigkeiten. Anders verhält es sich dagegen , wenn die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne der genannten Regelungen vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung – wie hier – mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann. Dann besteht – da für eine ergänzende Heranziehung der §§ 17a Abs. 3 bis 5, 17b GVG nach der Überführung des WEGVerfahrens in die Zivilprozessordnung kein Raum mehr ist (vgl. BGHZ 155, 46, 50 f.) – auch ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung von § 281 ZPO (vgl. auch BGHZ 71, 367, 374; BGH, Beschl. v. 2. November 1994, XII ZB 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJWRR 1997, 55 f.). Einer Partei kann in einer solchen Konstellation nicht angesonnen werden, zur Meidung der Verwerfung ihres Rechtsmittels als unzulässig Berufung sowohl bei dem allgemein zuständigen Berufungsgerichts einzulegen als auch bei dem des § 72 Abs. 2 GVG (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, aaO). Da die Beklagte hilfsweise die (Zurück-)Verweisung an das zuletzt genannte Gericht beantragt hat und ein solcher Antrag in Fällen der vorliegenden Art zulässigerweise auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt werden kann (vgl. BGHZ 49, 33, 39), ist die Sache unmittelbar an das nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG zuständige Landgericht Dortmund zu verweisen (vgl. auch BGHZ 72, 182, 198). Krüger Klein Stresemann Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Paderborn, Entscheidung vom 25.11.2008 - 55 C 205/08 -
LG Paderborn, Entscheidung vom 03.04.2009 - 5 S 14/09 -

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 67/09
vom
10. Dezember 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Liegt eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vor, kann
Berufung fristwahrend nur bei dem Gericht des § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG eingelegt
werden; eine Verweisung in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO
scheidet aus. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Frage, ob eine
solche Streitigkeit vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich
geklärt ist und man über deren Beantwortung mit guten Gründen unterschiedlicher
Auffassung sein kann.
BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 67/09 - LG Paderborn
AG Paderborn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Dezember 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr.
Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 3. April 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Dortmund zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 6.500 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem gerichtlichen Vergleich in Anspruch, mit dem die Parteien den Umfang der Tierhaltung der Beklagten (Lärmbelästigung durch einen Papagei) geregelt hatten. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht Paderborn als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die Beklagte die Abweisung der Klage und hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Paderborn bzw. an das Landgericht Dortmund erreichen.

II.

2
Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, die Berufung sei nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG allein zuständigen Landgericht Dortmund eingelegt worden. Das führe zur Unzulässigkeit der Berufung. Für eine ergänzende Anwendung der Vorschriften des § 17a Abs. 3 bis 5 GVG sei nach der Gesetzesreform 2007 kein Raum mehr. Es liege eine Streitsache im Sinne des § 43 Nr. 1 WEG vor, weil mit dem Vergleich der Umfang der Tierhaltung der Beklagten und damit die Art und Weise des Gebrauchs des Sondereigentums gemäß § 14 Nr. 1 WEG geregelt worden sei.

III.

3
1. Die gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2, 575 ZPO). Insbesondere kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu (dazu Senat, BGHZ 151, 221, 223). Es muss die entscheidungserhebliche Frage geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Klage, die auf eine in einem Prozessvergleich enthaltene Vertragsstraferegelung gestützt wird, als Streitigkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG anzusehen ist.
4
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
5
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts begegnet schon deshalb Bedenken , weil sie keine Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen. Andernfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht, das grundsätzlich von dem durch das Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, zu einer rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage (std. Rspr., vgl. nur Senat, Beschl. v. 7. Mai 2009, V ZB 180/08, JurBüro 2009, 442 f. m.w.N.; BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008, VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670, 1671; Beschl. v. 20. Juni 2006, VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910). Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vorliegend nur deshalb nicht, weil sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit den rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts entnehmen lässt.
6
b) In der Sache führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das für Berufungen in Wohnungseigentumssachen nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m § 43 Nr. 1 WEG zuständige Landgericht.
7
aa) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um eine Streitsache zwischen Wohnungseigentümern im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG handelt. Der Senat hat bereits entschieden, dass die genannte Vorschrift auch unter der nunmehrigen Geltung der Zivilprozessordnung weit auszulegen ist und deshalb etwa eine Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen einen in einem WEG-Verfahren nach § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet, ebenfalls als Streitigkeit im Sinne der genannten Vorschrift einzuordnen ist (Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282 f.). Für den Streit um die Frage, ob eine auf einen Prozessvergleich gestützte Vertragsstrafe verwirkt ist, gilt nichts anderes. Dabei kommt es für die Anwendung des § 43 Nr. 1 WEG nicht entscheidend auf die Rechtsgrundlage an, aus der ein Anspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Forderung, um deren Durchsetzung oder sanktionsrechtliche Absicherung es geht, in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis erwachsen ist (vgl. Senat, Urt. v. 30. Juni 1995, V ZR 118/94, NJW 1995, 2851, 2852 m.w.N.).
8
Gemessen daran liegt eine (Annex-)Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG vor. Die Vertragsstrafenregelung wurde zur Durchsetzung der den Wohnungseigentümern aufgrund ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit auf- erlegten Verpflichtung getroffen, von dem Sondereigentum nur in einer Weise Gebrauch zu machen, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile erwachsen (§ 14 Nr. 1 WEG). Dass hierzu auch eine die Belange der Miteigentümer wahrende schonende Tierhaltung gehört (vgl. nur Palandt/ Bassenge, BGB, 69. Aufl., § 14 WEG Rdn. 6 m.w.N.), liegt auf der Hand. Die in dem Vergleich getroffene Regelung stellt lediglich eine Konkretisierung der jeden Wohnungseigentümer treffenden Verpflichtung dar. Das Vertragsstrafenversprechen knüpft an die Verletzung dieser Verpflichtung an. Dass an dem Vergleich – offenbar vor dem Hintergrund einer unterschiedlichen Betroffenheit – nicht sämtliche Wohnungseigentümer beteiligt waren, ändert daran nichts. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem nicht das Senatsurteil vom 20. Juni 1986 (V ZR 47/85, NJW-RR 1986, 1335) entgegen. In dieser Entscheidung hat der Senat lediglich ausgesprochen, dass die Auseinandersetzung über ein Verbot, das seine rechtliche Grundlage – anders als hier – nicht im Gemeinschaftsrecht und insbesondere nicht in § 14 Nr. 1 WEG findet, nur dann als Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG angesehen werden kann, wenn das Verbot durch Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer begründet wurde.
9
bb) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass eine Berufung bei Vorliegen einer Streitigkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG fristwahrend nur bei dem von der Regelung des § 72 Abs. 2 GVG vorgegebenen Berufungsgericht eingelegt werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 19. Februar 2009, V ZB 188/08, NJW 2009, 1282). Eine Aufspaltung der Rechtsmittelzuständigkeit für die Einlegung einerseits und die Entscheidung über das Rechtsmittel andererseits scheidet in der Regel aus. Eine mit Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Zugangshürde wird dadurch im Allgemeinen nicht errichtet, weil sich die Parteien in der Berufungsinstanz durch Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, die mit der Materie des Berufungsverfahrens vertraut sind und die anhand der Vorschriften des Ge- richtsverfassungsgesetzes, der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen und der Einteilung der Gerichtsbezirke in der Regel unschwer das richtige Rechtsmittelgericht feststellen können. Vor diesem Hintergrund kann eine bei dem falschen Berufungsgericht eingelegte Berufung, die nicht rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des richtigen Berufungsgerichts gelangt, auch nicht in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an dieses Gericht verwiesen werden. Vielmehr ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJW-RR 1997, 55 f.; Beschl. v. 19. Juni 2007, VI ZB 3/07, NJW-RR 2007, 1436; vgl. auch BGHZ 155, 46, 50). Jedoch gilt das nicht ausnahmslos.
10
So ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine fristwahrende Berufungseinlegung bei dem funktionell unzuständigen Berufungsgericht und die Möglichkeit einer Verweisung entsprechend § 281 ZPO zu bejahen, wenn die für die Abgrenzung der Berufungszuständigkeit in Familien- und allgemeinen Zivilsachen maßgebliche formelle Anknüpfung keine zweifelsfreie Bestimmung des für das Rechtsmittel zuständigen Gerichts ermöglicht (BGHZ 72, 182, 193 f.; BGH, Beschl. v. 2. November 1994, XII ZB 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; Beschl. v. 10. Juli 1996, aaO; Urt. v. 15. Februar 2005, XI ZR 171/04, NJW-RR 2005, 780; jeweils m.w.N.). Eine weitere Ausnahme lässt der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs zu, wenn es um die mit beträchtlichen Abgrenzungsschwierigkeiten behaftete Beantwortung der Frage geht, ob über eine Berufung das in Zivilsachen allgemein zuständige Oberlandesgericht oder das sog. Kartell-Oberlandesgericht zu entscheiden hat (vgl. BGHZ 71, 367, 371 ff.).
11
Vergleichbar liegt es in Konstellationen der vorliegenden Art. Zwar bereitet die Beantwortung der Frage, ob eine zur Berufungszuständigkeit nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG führende Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 WEG vorliegt, in aller Regel keine Schwierigkeiten. Anders verhält es sich dagegen , wenn die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne der genannten Regelungen vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung – wie hier – mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann. Dann besteht – da für eine ergänzende Heranziehung der §§ 17a Abs. 3 bis 5, 17b GVG nach der Überführung des WEGVerfahrens in die Zivilprozessordnung kein Raum mehr ist (vgl. BGHZ 155, 46, 50 f.) – auch ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung von § 281 ZPO (vgl. auch BGHZ 71, 367, 374; BGH, Beschl. v. 2. November 1994, XII ZB 121/94, NJW-RR 1995, 379, 380; Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, NJWRR 1997, 55 f.). Einer Partei kann in einer solchen Konstellation nicht angesonnen werden, zur Meidung der Verwerfung ihres Rechtsmittels als unzulässig Berufung sowohl bei dem allgemein zuständigen Berufungsgerichts einzulegen als auch bei dem des § 72 Abs. 2 GVG (vgl. BGH, Beschl. v. 10. Juli 1996, aaO). Da die Beklagte hilfsweise die (Zurück-)Verweisung an das zuletzt genannte Gericht beantragt hat und ein solcher Antrag in Fällen der vorliegenden Art zulässigerweise auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt werden kann (vgl. BGHZ 49, 33, 39), ist die Sache unmittelbar an das nach § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG zuständige Landgericht Dortmund zu verweisen (vgl. auch BGHZ 72, 182, 198). Krüger Klein Stresemann Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Paderborn, Entscheidung vom 25.11.2008 - 55 C 205/08 -
LG Paderborn, Entscheidung vom 03.04.2009 - 5 S 14/09 -

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 153/08
vom
5. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsanwalt muss bei der Unterzeichnung einer Berufungsschrift auch dann
überprüfen, ob sie an das zuständige Berufungsgericht gerichtet ist, wenn er diese
Frage durch einen anwaltlichen Kollegen seiner Sozietät hat prüfen lassen.
BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - V ZB 153/08 - LG München I
AG Garmisch-Partenkirchen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 25. September 2008 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 18.000 €.

Gründe:


I.


1
Durch ihm am 5. März 2008 zugestelltes Urteil des Amtsgerichts ist der Beklagte verurteilt worden, sein Teileigentum in einer Wohnungseigentumsanlage nicht zum Betrieb eines Pizzaservice zu nutzen. Seine Berufung gegen dieses Urteil ist an das unzuständige Landgericht München II gerichtet worden und dort am 7. April 2008, dem auf den 5. April 2008 folgenden Montag, eingegangen. Nach Abgabe der Sache an das zuständige Landgericht München I hat der Beklagte dort Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der seine Sache in der beauftragten Sozietät bearbeitende Rechtsanwalt habe mit einem Kollegen der Sozietät besprochen, dass er selbst die Berufungsschrift erstelle, der Kollege das zuständige Berufungsgericht ermittele. Dieser habe die Prüfung aber wegen unvorhergesehener dringender anderer Arbeiten nicht durchführen können und die erfahrene und zuverlässige Sekretärin des die Sache bearbeitenden Rechtsanwalts gebeten, diesem auszurichten, er habe die Prüfung nicht durchführen können. An sich sei das Landgericht München II zuständiges Berufungsgericht; das könne sich durch die WEG-Novelle geändert haben. Die Sekretärin habe dem die Sache bearbeitenden Rechtsanwalt den Entwurf der Berufungsschrift aber mit dem unzutreffenden Bemerken vorgelegt, der Kollege habe mitgeteilt, zuständiges Berufungsgericht sei das Landgericht München II. Darauf habe dieser die an dieses Gericht gerichtete Berufungsschrift unterzeichnet.
2
Das Landgericht hat die Berufung unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der dieser die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen will. Die Kläger beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.


3
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
4
1. Sie ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO unabhängig von einer Zulassung oder Nichtzulassung durch das Berufungsgericht von Gesetzes wegen statthaft, weil sie sich gegen einen Beschluss richtet, durch den die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Zulässig ist sie aber nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall.

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2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Zulassung ist insbesondere auch nicht deshalb geboten (dazu: Senat, BGHZ 151, 221, 227; Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; Beschl. v. 13. Mai 2004, V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217), weil die Anforderungen, die das Berufungsgericht stellt, überzogen wären und der Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwerten (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533; Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368).
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a) Der Beklagte hat die Berufungsfrist versäumt, weil seine Prozessbevollmächtigten die Berufungsschrift am letzten Tag der Frist um 15.59 Uhr und damit zu einem Zeitpunkt bei dem unzuständigen Landgericht München II eingereicht haben, zu dem mit einer fristgerechten Weiterleitung im normalen Geschäftsgang (zu diesem Erfordernis: BGH, Beschl. v. 27. Juli 2000, III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731) nicht mehr zu rechnen war. Die Zulässigkeit der Berufung hing deshalb entscheidend von dem Erfolg des frist- und formgerecht gestellten Antrags des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und dieser wiederum davon ab, ob die Adressierung der Berufungsschrift an das unzuständige Gericht unverschuldet war. Das hat das Berufungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung verneint, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe bei Unterzeichnung der Berufungsschrift auch prüfen müssen, ob sie an das zuständige Gericht gerichtet war. Dabei habe er sich weder auf die Angaben seiner Sekretärin noch auf die vermeintlich vorgenommene Prüfung der Zuständigkeit durch seinen Anwaltskollegen verlassen dürfen.

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b) Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist und auch die Anforderungen an die Einlegung von Rechtsmitteln nicht überspannt.
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aa) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass der Rechtsanwalt die Berufungsschrift selbst auf ihre Richtigkeit (BGH, Beschl. v. 13. Juli 1988, VIII ZR 65/88, NJW-RR 1988, 1528, 1529; Beschl. v. 12. Mai 1989, IVb ZB 33/89, NJW 1989, 2396; Beschl. v. 10. Januar 1990, XII ZB 141/89, NJW 1990, 990; Beschl. v. 6. Mai 1992, XII ZB 39/92, VersR 1993, 79; Beschl. v. 4. November 1992, XII ZB 120/92, NJW-RR 1993, 254, 255; Musielak /Grandel, ZPO, 6. Aufl., § 233 Rdn. 45) überprüfen muss. Dazu gehört neben der Bezeichnung der Parteien (BGH, Beschl. v. 24. November 1981, VI ZB 11/81, VersR 1982, 191) auch die Bezeichnung des zuständigen Gerichts (BGH, Beschl. v. 7. Oktober 1987, IVb ZB 99/87, VersR 1988, 251; Beschl. v. 8. Dezember 1992, VI ZB 33/92, VersR 1993, 1381 f.; für Fristverlängerungsantrag : BGH, Beschl. v. 18. April 2000, XI ZB 1/00, NJW 2000, 2511). Hätte der Prozessbevollmächtigte diese Prüfung angestellt, hätte er festgestellt, jedenfalls feststellen müssen, dass die Berufung im Hinblick auf § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG bei dem Landgericht München I einzulegen war.
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bb) Diese Prüfung durfte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nicht delegieren. Ein Rechtsanwalt darf zwar seinem Büropersonal die Ermittlung der (genauen) Postanschrift des Berufungsgerichts überlassen und muss diese Anschrift dann auch nicht überprüfen (BGH, Urt. v. 2. Mai 1990, XII ZB 17/90, NJW-RR 1990, 1149, 1150; Senat, Urt. v. 15. Oktober 1999, V ZR 50/99, NJW 2000, 82; Musielak/Grandel, aaO, § 233 Rdn. 48). Das gilt aber nicht für die Angabe des Berufungsgerichts selbst. Sie ist ein nicht delegierbarer Kernbestandteil der Berufungsschrift.
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cc) Nichts anderes ergibt die von der Rechtsbeschwerde angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur, wie sie es nennt, Arbeitsteilung in Sozietäten. Danach sind die in einer Sozietät tätigen Rechtsanwälte gemeinsam verpflichtet, alles zu tun, um fristgebundene Schriftsätze rechtzeitig einzureichen (Senat, BGHZ 124, 47, 50 f.). Deshalb muss ein Rechtsanwalt, der im Postausgangsfach der Sozietät vergessene Post zur Post aufgeben will, prüfen, ob sich darunter eilige Sachen befinden, die schneller befördert werden müssen (BGH, Beschl. v. 13. November 2002, XII ZB 104/01, NJW-RR 2003, 490, 491), und mitgenommene Sendungen rechtzeitig in den Postkasten einwerfen, auch wenn er sie nicht bearbeitet hat (BGH, Urt. v. 19. Januar 1995, III ZR 107/94, NJW 1995, 1841). Das gilt erst recht für den Rechtsanwalt, der eine arbeitsteilig vorbereitete Berufungsschrift verantwortlich unterzeichnet. Bei dieser Art der Vorbereitung einer Berufungsschrift muss vor ihrer Absendung durch den prozessführenden Rechtsanwalt (oder seinen Vertreter) verantwortlich geprüft werden, ob die Koordination der Beiträge auch gelungen ist. Diese Prüfung kann sinnvoll nur durch den Rechtsanwalt erfolgen, der die Berufungsschrift unterzeichnet und damit für die Sozietät insgesamt die Verantwortung für deren Richtigkeit übernimmt. Dieser kann seiner Aufgabe nur gerecht werden, wenn er in seine Prüfung alle koordinierten Beiträge einbezieht und die Berufungsschrift insgesamt auf ihre Richtigkeit überprüft. Ein Ausblenden einzelner Elemente verfehlte den Zweck der Prüfung. Die erforderliche Prüfung beschränkt sich auf einen überschaubaren Kreis von Punkten und stellt deshalb auch keine übertriebenen Anforderungen.

III.


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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth

Vorinstanzen:
AG Garmisch-Partenkirchen, Entscheidung vom 29.02.2008 - 7 C 694/07 -
LG München I, Entscheidung vom 25.09.2008 - 1 S 7114/08 -

(1) Die Zivilkammern, einschließlich der Kammern für Handelssachen und der in § 72a genannten Kammern, sind die Berufungs- und Beschwerdegerichte in den vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist. Die Landgerichte sind ferner die Beschwerdegerichte in Freiheitsentziehungssachen und in den von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen.

(2) In Streitigkeiten nach § 43 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes ist das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung anstelle dieses Gerichts ein anderes Landgericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)