Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2008 - V ZB 57/08

bei uns veröffentlicht am18.12.2008
vorgehend
Amtsgericht Stuttgart, 3 K 383/04, 08.02.2008
Landgericht Stuttgart, 19 T 97/08, 16.04.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 57/08
vom
18. Dezember 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Schuldner ist auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen
befugt, in einem Verfahren über die Zwangsversteigerung eines zur Masse
gehörenden Grundstücks Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen einer Suizidgefahr
für sich oder einen nahen Angehörigen zu beantragen.
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - V ZB 57/08 - LG Stuttgart
AG Stuttgart
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Dezember 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2008 (Az. 3 K 383/04) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 71.500 €.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat im November 2004 die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks angeordnet. Das Grundstück stand bis zur Zuschlagserteilung im Eigentum des Schuldners. Über dessen Vermögen hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - im Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beteiligten zu 3 zum Insolvenzverwalter bestellt.
2
In dem Versteigerungstermin am 18. Januar 2008 hat der Schuldner beantragt , die Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO vorläufig einzustellen. Er hat den Antrag mit dem schlechten Gesundheitszustand seiner in dem zu versteigernden Haus wohnenden, 1911 geborenen Mutter begründet und dazu ein fachärztliches Attest vorgelegt, nach dem bei seiner Mutter mit einer erheblichen Suizidgefahr zu rechnen sei. Das Vollstreckungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Februar 2008 den Antrag des Schuldners zurückgewiesen und der Beteiligten zu 4 den Zuschlag erteilt.
3
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Die Beteiligte zu 2 beantragt , die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die sofortige Beschwerde des Schuldners sei unzulässig. Der Schuldner sei nicht prozessführungsbefugt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe dazu geführt, dass die Prozessführungsbefugnis für auf die Insolvenzmasse bezogene Verfahren auf den Insolvenzverwalter übergegangen sei.
5
An dieser Beurteilung ändere sich nichts dadurch, dass der Schuldner den Einstellungsantrag mit einer Gefahr für das Leben seiner hochbetagten Mutter begründe. Der Schuldner könne mangels eigener Prozessführungsbefugnis während des Insolvenzverfahrens keinen Einstellungsantrag stellen. Da- bei komme es weder darauf an, ob der Insolvenzverwalter einen Einstellungsantrag gestellt habe, noch darauf, ob der Antrag auf die Gefahr der Vermögensverschleuderung oder auf eine Gesundheits- oder Lebensgefahr gestützt werde. Nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG gelte nichts anderes, da auch der Insolvenzverwalter eine Lebensgefahr für einen nahen Angehörigen des Schuldners geltend machen könne.

III.

6
Das hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 96 ZVG statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
7
1. Allerdings ist das Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Insolvenzverwalters grundsätzlich die Befugnis verliert, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, ZInsO 2008, 741).
8
Der Schuldner ist daher von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen an grundsätzlich nicht mehr Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens ; seine Stelle wird von dem Insolvenzverwalter eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, aaO; Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO m.w.N.). Etwas anderes gilt nur, wenn der Insolvenzverwalter den Vollstreckungsgegenstand freigibt (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, aaO), wofür hier weder etwas festgestellt noch ersichtlich ist.
9
2. Streitig ist jedoch, ob ein Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen noch befugt ist, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen. Die wohl herrschende Auffassung verneint dies gemäß dem vorstehend genannten Grundsatz, wonach alle das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen betreffenden Befugnisse durch den Verwalter ausgeübt werden (MünchKommZPO/Heßler, 3. Aufl., § 765a Rdn. 77; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765a Rdn. 19; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 765a Rdn. 19; Stöber, ZVG, 18. Aufl., Einl. Rdn. 53.1; Jaeger/ Windel, InsO, § 80 Rdn. 198; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 80 Rdn. 68; ebenso zur Konkursordnung OLG Braunschweig NJW 1968, 164; LG Köln KTS 1968, 59, 60; AG und LG Hannover Rpfleger 1987, 166; Mohrbutter/Drischler, Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis, 6. Aufl., Anm. 5 zu Muster 30; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 10. Aufl., S. 541; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 765a Rdn. 12; Steiner/Storz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 30c Rdn. 7; zweifelnd Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. § 765a Rdn. 7). Nach der Gegenansicht führt der Übergang des Rechts zur Verwaltung und zur Verfügung über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Verwalter nach § 80 Abs. 1 InsO nicht zum Verlust der Befugnis, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen, weil es sich dabei um eine Sondervorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen handele und dieser Schutz dem Schuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhalten bleibe (vgl. OLG Celle ZIP 1981, 1005, 1006 - zur Konkursordnung; AK-ZPO/Schmidt-von Rhein, § 765a Rdn. 3; Wieczorek/Schütze/Paulus, ZPO, 3. Aufl., § 765a Rdn. 19; ebenso Keller, ZfIR 2008, 134, 137, für Fälle, in denen die Entscheidung Rechte des Schuldners betrifft, die über das Insolvenzverfahren hinausgehen).
10
3. Der Senat tritt der letztgenannten Meinung für den Fall bei, dass der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag auf eine Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit stützt.
11
a) Im Grundsatz ist zwar daran festzuhalten, dass der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren hat, im Zwangsversteigerungsverfahren über massezugehörige Bestandteile des Vermögens Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, ZInsO 2008, 741). Die damit verbundene Einschränkung der aus dem Eigentum des Schuldners folgende Rechte nach Art. 14 Abs. 1 GG ist deshalb gerechtfertigt, weil das Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens gemeinsam zu befriedigen, anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO). Die Eigentumsrechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass er den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters bestandskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört, weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet oder dass er in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt. Entsprechend der Einschränkung der materiellen Rechtsstellung des Schuldners gehen auch seine Befugnisse in gerichtlichen Verfahren über massezugehöriges Vermögen auf den Verwalter über. Das ist hinzunehmen, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist und der Schuldner überdies nicht schutzlos ist, da die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters für ihn wirkt (Senat, Beschl. v. 29. Mai 2008, V ZB 3/08, aaO m.w.N.).
12
b) Alle diese Erwägungen greifen aber nicht, wenn der Schuldner Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wegen einer Suizidgefahr für sich oder einen nahen Angehörigen beantragt.
13
aa) Verfassungsrechtlich betroffenes Schutzgut ist in diesem Fall nicht das Eigentum des Schuldners (Art. 14 Abs. 1 GG), sondern das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Vollstreckungsschutzantrag betrifft nur mittelbar die Verwaltung und Verfügung über das massezugehörige Vermögen, indem er dessen Zwangsversteigerung (zeitweilig ) einschränkt. Das Recht des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit wird - anders als seine Eigentumsrechte - nicht dadurch gewahrt, dass er den Eröffnungsbeschluss anfechten kann. Auch die Haftung des Insolvenzverwalters auf Schadensersatz nach § 60 Abs. 1 InsO bietet insofern keinen hinreichenden Schutz.
14
bb) Dem Bedeutungsgehalt des Grundrechts nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist bei der Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung zu tragen. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass der sich aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ergebenden Schutzpflicht staatlicher Organe Genüge getan wird (BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG NJW 1991, 3207; NJW 1994, 1719 f.; NJW 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658; NJW 2007, 2910; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507).
15
Nach diesem Maßstab darf ein Vollstreckungsschutzantrag eines Schuldners , der mit einer Suizidgefahr für sich oder einen nahen Angehörigen begründet wird, auch dann, wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht unter Hinweis auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis als unzulässig zurückgewiesen werden. Das Vollstreckungsgericht und das Beschwerdegericht dürfen nicht vor der Gefahr einer Selbsttötung die Augen verschließen und - ohne Sachprüfung - eine Entscheidung zum Fortgang des Verfahrens treffen oder bestehen lassen, die möglicherweise Ursache für den Tod des Schuldners oder eines nahen Angehörigen sein kann. Eine derartige Verfahrensgestaltung wird dem Wert des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507).
16
cc) Auch das Vollstreckungsinteresse der Gläubiger steht der Annahme einer Antragsbefugnis des Schuldners in diesen Fällen nicht entgegen. Unterbleibt die Zwangsversteigerung aufgrund eines Vollstreckungsschutzantrags, wird zwar in das Grundrecht der Gläubiger auf Schutz ihres Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz ihres Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506). Das ist im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Vollstreckungsschutzantrags des Schuldners zu berücksichtigen (dazu BVerfG NJW 1994, 1719; NJW 1998, 295, 296; NJW 2007, 2910, 2911; BGHZ 163, 66, 72 ff.; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, aaO; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668; Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586; Beschl. v. 19. Juni 2008, V ZB 129/07, WM 2008, 1833, 1835). Für die Frage der Zulässigkeit des Antrags ist das jedoch ohne Belang.
17
dd) Schließlich werden die Befugnisse des Insolvenzverwalters, der selbst keinen Vollstreckungsschutz beantragt, durch die Anerkennung der Antragsbefugnis des Schuldners in der vorliegenden Fallgestaltung nicht unzulässig beeinträchtigt. Ob der Schuldner auch dann befugt ist, Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen, wenn er den Antrag auf andere Gründe als eine Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit stützt oder wenn bei der Entscheidung über den Antrag des Schuldners auch ein Vollstreckungsschutzantrag des Insolvenzverwalters vorliegt, bedarf keiner Entscheidung. Beides ist hier nicht der Fall. Dasselbe gilt für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter Vollstreckungsschutz erlangen kann.
18
4. Vorliegend hat der Schuldner den Vollstreckungsschutzantrag darauf gestützt, das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Mutter, also einer nahen Angehörigen (vgl. dazu BGHZ 163, 66, 72), sei gefährdet. Nach den oben aufgestellten Grundsätzen ist er antrags- und, da er die Zuschlagsbeschwerde damit begründet hat, diesem Antrag sei zu Unrecht nicht stattgegeben worden, in den Verfahren über die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde auch beschwerdebefugt.
19
Die angefochtene Entscheidung, die die Antrags- und Beschwerdebefugnis des Schuldners rechtsfehlerhaft verneint, ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif im Sinne von § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO, weil das Beschwerdegericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, auf deren Grundlage dem Senat eine Prüfung der Voraussetzungen von § 765a ZPO möglich wäre. Lägen diese Voraussetzungen vor, hätte die Zuschlagsbeschwerde nach § 100 Abs. 1, 3, § 83 Nr. 6 ZVG Erfolg (vgl. BGH, Beschl. v. 27. Juni 2003, IXa ZB 21/03, NJW-RR 2003, 1648, 1649; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668).
20
5. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, § 93 Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669; BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
21
6. Bei der erneuten Entscheidung wird zu beachten sein, dass sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen, was einer Anwendung der §§ 91 ff. ZPO grundsätzlich entgegensteht (st. Rspr., vgl. Senat , BGHZ 170, 378, 381).
22
7. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes (vgl. Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1669; Beschl. v. 18. September 2008, V ZB 22/08, Rz. 15 - in juris veröffentlicht).
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 08.02.2008 - 3 K 383/04 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.04.2008 - 19 T 97/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2008 - V ZB 57/08

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(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

In dem Verfahren gelten als Beteiligte, außer dem Gläubiger und dem Schuldner:

1.
diejenigen, für welche zur Zeit der Eintragung des Vollstreckungsvermerks ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist;
2.
diejenigen, welche ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht, ein Recht an dem Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht, einen Anspruch mit dem Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück oder ein Miet- oder Pachtrecht, auf Grund dessen ihnen das Grundstück überlassen ist, bei dem Vollstreckungsgericht anmelden und auf Verlangen des Gerichts oder eines Beteiligten glaubhaft machen.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Auf die Beschwerde gegen die Entscheidung über den Zuschlag finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Beschwerde nur insoweit Anwendung, als nicht in den §§ 97 bis 104 ein anderes vorgeschrieben ist.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/08
vom
29. Mai 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die sofortige Beschwerde eines Schuldners, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, gegen die Festsetzung des Verkehrswerts eines massezugehörigen
Grundstücks durch das Vollstreckungsgericht ist unzulässig.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2008 - V ZB 3/08 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.022.000 €.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 15. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beteiligte zu 2 wurde zum Verwalter in diesem Verfahren bestellt. Zur Insolvenzmasse gehört eine Mehrzahl von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, deren Versteigerung die Beteiligten zu 3 bis 5 betreiben. Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat das Amtsgericht sachverständig beraten den Verkehrswert des Wohnungs- und Teileigentums auf insgesamt 3.278.000 € festgesetzt.
2
Der Schuldner hält diesen Wert für zu niedrig. Mit der sofortigen Beschwerde hat er die Festsetzung des Verkehrswerts auf mindestens 4.300.000 € beantragt. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner weiterhin die Erhöhung der Festsetzung des Verkehrswerts des Wohnungsund Teileigentums.

II.


3
Das Beschwerdegericht sieht die sofortige Beschwerde als unzulässig an. Es meint, der Schuldner habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Befugnis verloren, Entscheidungen im Zwangsversteigerungsverfahren anzugreifen, soweit § 30d ZVG die Beschwerde nicht trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewähre.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig.
5
Soweit das Zwangsversteigerungsgesetz nichts anderes bestimmt, hat der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236). Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
6
1. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens des Schuldners gemeinsam zu befriedigen, soweit eine Befriedigung aus den Erträgen eines von dem Schuldner betriebenen Unter- nehmens nicht erwartet werden kann, § 1 Satz 1 InsO. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren geht die Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO.
7
Soweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte des Schuldners aus Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt, ist dies notwendig und verfassungsgemäß , weil das Ziel des Insolvenzverfahrens anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305). Die Rechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass der Schuldner gemäß § 34 Abs. 1 InsO den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters rechtskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört , weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet und in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt.
8
Die Übertragung der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Verwalter gilt nicht nur im Bereich des materiellen Rechts, sondern führt dazu, dass ein gerichtliches Verfahren über massezugehöriges Vermögen des Schuldners nur von oder gegen den Verwalter begonnen oder fortgesetzt werden kann. Die Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten kann grundsätzlich nicht von der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen getrennt werden, dessentwegen das Verfahren geführt wird, weil das Verhalten in einem gerichtlichen Verfahren auf das der Ver- waltung unterliegende Vermögen im Ergebnis nicht anders wirkt als sonstiges tatsächliches oder rechtsgeschäftliches Verhalten.
9
Die gesetzliche Regelung nimmt in Kauf, dass die von dem Verwalter wahrgenommenen Interessen der Gläubiger und die Interessen des Schuldners zueinander in Widerspruch stehen oder geraten können. Die Insolvenzordnung gewährt insoweit dem Verwalter bzw. den Gläubigern den Vorrang. Dies ist sachdienlich, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestimmung des Verwalters machen den Schuldner auch nicht schutzlos. Für ihn wirkt vielmehr die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters (BGH, Urt. v. 22. Januar 1985, VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425; OLG Köln, ZIP 1980, 94, 95; Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, 4. Aufl., § 60 Rdn. 6; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rdn. 81 f; MüchnKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rdn. 65).
10
2. So liegt es auch im Zwangsversteigerungsverfahren. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und der Bestellung eines Insolvenzverfahrens an ist der Schuldner nicht mehr Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens; seine Stelle wird von dem Verwalter im Insolvenzverfahren eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236; Dassler/Schiffhauer/ Rellermeier, ZVG, 13. Aufl., § 9 Rdn. 6; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 9 Anm. 3.15).
11
a) Hält der Schuldner die Festsetzung des Verkehrswertes für ein Gebäude in einem Zwangsversteigerungsverfahren für unrichtig, kann er den Insolvenzverwalter hierauf hinweisen und diesen so veranlassen, die Festsetzung zu prüfen und gegebenenfalls anzufechten. Sieht der Verwalter hiervon ab, ist dies durch seine Befugnisse gedeckt. Dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einzuräumen, würde einen Eingriff in die Befugnisse des Verwalters bedeuten und hätte zur Folge, dass der Schuldner das Versteigerungs- und damit das Insolvenzverfahren in nicht gebotener Weise erschweren und verzögern könnte.
12
b) 114a ZVG führt entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde zu keiner anderen Beurteilung. Der Insolvenzverwalter ist anstelle des Schuldners Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Erhält ein betreibender Gläubiger den Zuschlag auf ein Gebot, das 7/10 des Verkehrswertes des Grundstücks nicht erreicht, gilt der Gläubiger trotzdem in dieser Höhe als befriedigt. Haftet der Schuldner dem Gläubiger - wie regelmäßig - auch persönlich, tritt diese Wirkung auch gegenüber der Masse ein; der Gläubiger nimmt allein wegen des Ausfalls an der Verteilung teil, §§ 52 Satz 2, 190 InsO. Ist der Verkehrswert zu gering festgesetzt und erhält der absonderungsberechtigte Gläubiger auf ein Gebot von weniger als 7/10 des festgesetzten Wertes den Zuschlag , erreicht die Befriedigungsfiktion von § 114a ZVG zu Lasten der Masse einen zu geringen Betrag (vgl. Keller, ZfIR 2008, 134, 137 f.). Der Schuldner ist hierdurch nicht anders betroffen als er durch jede Handlung des Verwalters betroffen ist, die für die Masse und damit letztlich auch für ihn wirtschaftlich nachteilig ist.
13
Das führt nicht dazu, dass dem Schuldner entgegen dem Ziel des Insolvenzverfahrens die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verkehrswertes zu eröffnen und ihm so Gelegenheit zu geben wäre, gegen den Willen des Verwalters auf das Zwangsversteigerungsverfahren Einfluss zu nehmen. Die Situation des Schuldners unterscheidet sich im Ergebnis durch nichts von seiner Situation bei der wirtschaftlich ungünstigen Verwertung eines Massegegenstandes, verfehlter Prozessführung oder bei dem Abschluss eines nachteiligen Ver- gleichs durch den Verwalter. Dass die nachteilige Wirkung des Verhaltens des Verwalters ihren Ausgang in einem gerichtlichen Verfahren nimmt, führt nicht dazu, dass das Verhalten des Verwalters nicht zum Nachteil des Schuldners wirkte oder dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung zu eröffnen wäre.
14
c) Das ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Gläubiger durch das Recht, dessentwegen er die Zwangsversteigerung betreibt, voll gesichert und damit im Ergebnis von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29. November 2007, IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281). Der Zuschlag bewirkt die Verwertung des massezugehörigen Grundstücks. Werden die betreibenden Gläubiger aus dem Erlös vollständig befriedigt, scheiden sie aus dem Insolvenzverfahren aus. Der Mehrerlös ist Bestandteil der Masse, für die allein der Verwalter handelt.
15
Die Rechtsbeschwerde verweist insoweit auch nicht auf Vortrag des Schuldners, nach welchem die Beteiligten zu 3 bis 5 durch das von ihnen in Anspruch genommene Recht vollständig gesichert wären. Entsprechend liegt es mit dem Hinweis der Rechtsbeschwerde auf § 213 InsO.

III.


16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens der Beteiligten zu 2 bis 5 kommt nicht in Betracht , da sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens im Wert- festsetzungs-Beschwerdeverfahren nicht als Parteien gegenüberstehen (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730).
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 71b K 9/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.12.2007 - 328 T 39/07 -

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/08
vom
29. Mai 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die sofortige Beschwerde eines Schuldners, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, gegen die Festsetzung des Verkehrswerts eines massezugehörigen
Grundstücks durch das Vollstreckungsgericht ist unzulässig.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2008 - V ZB 3/08 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.022.000 €.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 15. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beteiligte zu 2 wurde zum Verwalter in diesem Verfahren bestellt. Zur Insolvenzmasse gehört eine Mehrzahl von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, deren Versteigerung die Beteiligten zu 3 bis 5 betreiben. Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat das Amtsgericht sachverständig beraten den Verkehrswert des Wohnungs- und Teileigentums auf insgesamt 3.278.000 € festgesetzt.
2
Der Schuldner hält diesen Wert für zu niedrig. Mit der sofortigen Beschwerde hat er die Festsetzung des Verkehrswerts auf mindestens 4.300.000 € beantragt. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner weiterhin die Erhöhung der Festsetzung des Verkehrswerts des Wohnungsund Teileigentums.

II.


3
Das Beschwerdegericht sieht die sofortige Beschwerde als unzulässig an. Es meint, der Schuldner habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Befugnis verloren, Entscheidungen im Zwangsversteigerungsverfahren anzugreifen, soweit § 30d ZVG die Beschwerde nicht trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewähre.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig.
5
Soweit das Zwangsversteigerungsgesetz nichts anderes bestimmt, hat der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236). Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
6
1. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens des Schuldners gemeinsam zu befriedigen, soweit eine Befriedigung aus den Erträgen eines von dem Schuldner betriebenen Unter- nehmens nicht erwartet werden kann, § 1 Satz 1 InsO. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren geht die Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO.
7
Soweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte des Schuldners aus Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt, ist dies notwendig und verfassungsgemäß , weil das Ziel des Insolvenzverfahrens anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305). Die Rechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass der Schuldner gemäß § 34 Abs. 1 InsO den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters rechtskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört , weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet und in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt.
8
Die Übertragung der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Verwalter gilt nicht nur im Bereich des materiellen Rechts, sondern führt dazu, dass ein gerichtliches Verfahren über massezugehöriges Vermögen des Schuldners nur von oder gegen den Verwalter begonnen oder fortgesetzt werden kann. Die Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten kann grundsätzlich nicht von der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen getrennt werden, dessentwegen das Verfahren geführt wird, weil das Verhalten in einem gerichtlichen Verfahren auf das der Ver- waltung unterliegende Vermögen im Ergebnis nicht anders wirkt als sonstiges tatsächliches oder rechtsgeschäftliches Verhalten.
9
Die gesetzliche Regelung nimmt in Kauf, dass die von dem Verwalter wahrgenommenen Interessen der Gläubiger und die Interessen des Schuldners zueinander in Widerspruch stehen oder geraten können. Die Insolvenzordnung gewährt insoweit dem Verwalter bzw. den Gläubigern den Vorrang. Dies ist sachdienlich, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestimmung des Verwalters machen den Schuldner auch nicht schutzlos. Für ihn wirkt vielmehr die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters (BGH, Urt. v. 22. Januar 1985, VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425; OLG Köln, ZIP 1980, 94, 95; Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, 4. Aufl., § 60 Rdn. 6; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rdn. 81 f; MüchnKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rdn. 65).
10
2. So liegt es auch im Zwangsversteigerungsverfahren. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und der Bestellung eines Insolvenzverfahrens an ist der Schuldner nicht mehr Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens; seine Stelle wird von dem Verwalter im Insolvenzverfahren eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236; Dassler/Schiffhauer/ Rellermeier, ZVG, 13. Aufl., § 9 Rdn. 6; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 9 Anm. 3.15).
11
a) Hält der Schuldner die Festsetzung des Verkehrswertes für ein Gebäude in einem Zwangsversteigerungsverfahren für unrichtig, kann er den Insolvenzverwalter hierauf hinweisen und diesen so veranlassen, die Festsetzung zu prüfen und gegebenenfalls anzufechten. Sieht der Verwalter hiervon ab, ist dies durch seine Befugnisse gedeckt. Dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einzuräumen, würde einen Eingriff in die Befugnisse des Verwalters bedeuten und hätte zur Folge, dass der Schuldner das Versteigerungs- und damit das Insolvenzverfahren in nicht gebotener Weise erschweren und verzögern könnte.
12
b) 114a ZVG führt entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde zu keiner anderen Beurteilung. Der Insolvenzverwalter ist anstelle des Schuldners Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Erhält ein betreibender Gläubiger den Zuschlag auf ein Gebot, das 7/10 des Verkehrswertes des Grundstücks nicht erreicht, gilt der Gläubiger trotzdem in dieser Höhe als befriedigt. Haftet der Schuldner dem Gläubiger - wie regelmäßig - auch persönlich, tritt diese Wirkung auch gegenüber der Masse ein; der Gläubiger nimmt allein wegen des Ausfalls an der Verteilung teil, §§ 52 Satz 2, 190 InsO. Ist der Verkehrswert zu gering festgesetzt und erhält der absonderungsberechtigte Gläubiger auf ein Gebot von weniger als 7/10 des festgesetzten Wertes den Zuschlag , erreicht die Befriedigungsfiktion von § 114a ZVG zu Lasten der Masse einen zu geringen Betrag (vgl. Keller, ZfIR 2008, 134, 137 f.). Der Schuldner ist hierdurch nicht anders betroffen als er durch jede Handlung des Verwalters betroffen ist, die für die Masse und damit letztlich auch für ihn wirtschaftlich nachteilig ist.
13
Das führt nicht dazu, dass dem Schuldner entgegen dem Ziel des Insolvenzverfahrens die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verkehrswertes zu eröffnen und ihm so Gelegenheit zu geben wäre, gegen den Willen des Verwalters auf das Zwangsversteigerungsverfahren Einfluss zu nehmen. Die Situation des Schuldners unterscheidet sich im Ergebnis durch nichts von seiner Situation bei der wirtschaftlich ungünstigen Verwertung eines Massegegenstandes, verfehlter Prozessführung oder bei dem Abschluss eines nachteiligen Ver- gleichs durch den Verwalter. Dass die nachteilige Wirkung des Verhaltens des Verwalters ihren Ausgang in einem gerichtlichen Verfahren nimmt, führt nicht dazu, dass das Verhalten des Verwalters nicht zum Nachteil des Schuldners wirkte oder dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung zu eröffnen wäre.
14
c) Das ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Gläubiger durch das Recht, dessentwegen er die Zwangsversteigerung betreibt, voll gesichert und damit im Ergebnis von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29. November 2007, IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281). Der Zuschlag bewirkt die Verwertung des massezugehörigen Grundstücks. Werden die betreibenden Gläubiger aus dem Erlös vollständig befriedigt, scheiden sie aus dem Insolvenzverfahren aus. Der Mehrerlös ist Bestandteil der Masse, für die allein der Verwalter handelt.
15
Die Rechtsbeschwerde verweist insoweit auch nicht auf Vortrag des Schuldners, nach welchem die Beteiligten zu 3 bis 5 durch das von ihnen in Anspruch genommene Recht vollständig gesichert wären. Entsprechend liegt es mit dem Hinweis der Rechtsbeschwerde auf § 213 InsO.

III.


16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens der Beteiligten zu 2 bis 5 kommt nicht in Betracht , da sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens im Wert- festsetzungs-Beschwerdeverfahren nicht als Parteien gegenüberstehen (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730).
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 71b K 9/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.12.2007 - 328 T 39/07 -

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/08
vom
29. Mai 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die sofortige Beschwerde eines Schuldners, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, gegen die Festsetzung des Verkehrswerts eines massezugehörigen
Grundstücks durch das Vollstreckungsgericht ist unzulässig.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2008 - V ZB 3/08 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.022.000 €.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 15. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beteiligte zu 2 wurde zum Verwalter in diesem Verfahren bestellt. Zur Insolvenzmasse gehört eine Mehrzahl von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, deren Versteigerung die Beteiligten zu 3 bis 5 betreiben. Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat das Amtsgericht sachverständig beraten den Verkehrswert des Wohnungs- und Teileigentums auf insgesamt 3.278.000 € festgesetzt.
2
Der Schuldner hält diesen Wert für zu niedrig. Mit der sofortigen Beschwerde hat er die Festsetzung des Verkehrswerts auf mindestens 4.300.000 € beantragt. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner weiterhin die Erhöhung der Festsetzung des Verkehrswerts des Wohnungsund Teileigentums.

II.


3
Das Beschwerdegericht sieht die sofortige Beschwerde als unzulässig an. Es meint, der Schuldner habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Befugnis verloren, Entscheidungen im Zwangsversteigerungsverfahren anzugreifen, soweit § 30d ZVG die Beschwerde nicht trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewähre.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig.
5
Soweit das Zwangsversteigerungsgesetz nichts anderes bestimmt, hat der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236). Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
6
1. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens des Schuldners gemeinsam zu befriedigen, soweit eine Befriedigung aus den Erträgen eines von dem Schuldner betriebenen Unter- nehmens nicht erwartet werden kann, § 1 Satz 1 InsO. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren geht die Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO.
7
Soweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte des Schuldners aus Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt, ist dies notwendig und verfassungsgemäß , weil das Ziel des Insolvenzverfahrens anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305). Die Rechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass der Schuldner gemäß § 34 Abs. 1 InsO den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters rechtskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört , weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet und in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt.
8
Die Übertragung der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Verwalter gilt nicht nur im Bereich des materiellen Rechts, sondern führt dazu, dass ein gerichtliches Verfahren über massezugehöriges Vermögen des Schuldners nur von oder gegen den Verwalter begonnen oder fortgesetzt werden kann. Die Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten kann grundsätzlich nicht von der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen getrennt werden, dessentwegen das Verfahren geführt wird, weil das Verhalten in einem gerichtlichen Verfahren auf das der Ver- waltung unterliegende Vermögen im Ergebnis nicht anders wirkt als sonstiges tatsächliches oder rechtsgeschäftliches Verhalten.
9
Die gesetzliche Regelung nimmt in Kauf, dass die von dem Verwalter wahrgenommenen Interessen der Gläubiger und die Interessen des Schuldners zueinander in Widerspruch stehen oder geraten können. Die Insolvenzordnung gewährt insoweit dem Verwalter bzw. den Gläubigern den Vorrang. Dies ist sachdienlich, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestimmung des Verwalters machen den Schuldner auch nicht schutzlos. Für ihn wirkt vielmehr die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters (BGH, Urt. v. 22. Januar 1985, VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425; OLG Köln, ZIP 1980, 94, 95; Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, 4. Aufl., § 60 Rdn. 6; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rdn. 81 f; MüchnKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rdn. 65).
10
2. So liegt es auch im Zwangsversteigerungsverfahren. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und der Bestellung eines Insolvenzverfahrens an ist der Schuldner nicht mehr Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens; seine Stelle wird von dem Verwalter im Insolvenzverfahren eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236; Dassler/Schiffhauer/ Rellermeier, ZVG, 13. Aufl., § 9 Rdn. 6; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 9 Anm. 3.15).
11
a) Hält der Schuldner die Festsetzung des Verkehrswertes für ein Gebäude in einem Zwangsversteigerungsverfahren für unrichtig, kann er den Insolvenzverwalter hierauf hinweisen und diesen so veranlassen, die Festsetzung zu prüfen und gegebenenfalls anzufechten. Sieht der Verwalter hiervon ab, ist dies durch seine Befugnisse gedeckt. Dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einzuräumen, würde einen Eingriff in die Befugnisse des Verwalters bedeuten und hätte zur Folge, dass der Schuldner das Versteigerungs- und damit das Insolvenzverfahren in nicht gebotener Weise erschweren und verzögern könnte.
12
b) 114a ZVG führt entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde zu keiner anderen Beurteilung. Der Insolvenzverwalter ist anstelle des Schuldners Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Erhält ein betreibender Gläubiger den Zuschlag auf ein Gebot, das 7/10 des Verkehrswertes des Grundstücks nicht erreicht, gilt der Gläubiger trotzdem in dieser Höhe als befriedigt. Haftet der Schuldner dem Gläubiger - wie regelmäßig - auch persönlich, tritt diese Wirkung auch gegenüber der Masse ein; der Gläubiger nimmt allein wegen des Ausfalls an der Verteilung teil, §§ 52 Satz 2, 190 InsO. Ist der Verkehrswert zu gering festgesetzt und erhält der absonderungsberechtigte Gläubiger auf ein Gebot von weniger als 7/10 des festgesetzten Wertes den Zuschlag , erreicht die Befriedigungsfiktion von § 114a ZVG zu Lasten der Masse einen zu geringen Betrag (vgl. Keller, ZfIR 2008, 134, 137 f.). Der Schuldner ist hierdurch nicht anders betroffen als er durch jede Handlung des Verwalters betroffen ist, die für die Masse und damit letztlich auch für ihn wirtschaftlich nachteilig ist.
13
Das führt nicht dazu, dass dem Schuldner entgegen dem Ziel des Insolvenzverfahrens die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verkehrswertes zu eröffnen und ihm so Gelegenheit zu geben wäre, gegen den Willen des Verwalters auf das Zwangsversteigerungsverfahren Einfluss zu nehmen. Die Situation des Schuldners unterscheidet sich im Ergebnis durch nichts von seiner Situation bei der wirtschaftlich ungünstigen Verwertung eines Massegegenstandes, verfehlter Prozessführung oder bei dem Abschluss eines nachteiligen Ver- gleichs durch den Verwalter. Dass die nachteilige Wirkung des Verhaltens des Verwalters ihren Ausgang in einem gerichtlichen Verfahren nimmt, führt nicht dazu, dass das Verhalten des Verwalters nicht zum Nachteil des Schuldners wirkte oder dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung zu eröffnen wäre.
14
c) Das ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Gläubiger durch das Recht, dessentwegen er die Zwangsversteigerung betreibt, voll gesichert und damit im Ergebnis von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29. November 2007, IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281). Der Zuschlag bewirkt die Verwertung des massezugehörigen Grundstücks. Werden die betreibenden Gläubiger aus dem Erlös vollständig befriedigt, scheiden sie aus dem Insolvenzverfahren aus. Der Mehrerlös ist Bestandteil der Masse, für die allein der Verwalter handelt.
15
Die Rechtsbeschwerde verweist insoweit auch nicht auf Vortrag des Schuldners, nach welchem die Beteiligten zu 3 bis 5 durch das von ihnen in Anspruch genommene Recht vollständig gesichert wären. Entsprechend liegt es mit dem Hinweis der Rechtsbeschwerde auf § 213 InsO.

III.


16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens der Beteiligten zu 2 bis 5 kommt nicht in Betracht , da sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens im Wert- festsetzungs-Beschwerdeverfahren nicht als Parteien gegenüberstehen (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730).
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 71b K 9/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.12.2007 - 328 T 39/07 -

(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.

(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 3/08
vom
29. Mai 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die sofortige Beschwerde eines Schuldners, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren
eröffnet worden ist, gegen die Festsetzung des Verkehrswerts eines massezugehörigen
Grundstücks durch das Vollstreckungsgericht ist unzulässig.
BGH, Beschl. v. 29. Mai 2008 - V ZB 3/08 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. Mai 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 28 des Landgerichts Hamburg vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.022.000 €.

Gründe:


I.


1
Über das Vermögen des Schuldners wurde am 15. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beteiligte zu 2 wurde zum Verwalter in diesem Verfahren bestellt. Zur Insolvenzmasse gehört eine Mehrzahl von Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, deren Versteigerung die Beteiligten zu 3 bis 5 betreiben. Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat das Amtsgericht sachverständig beraten den Verkehrswert des Wohnungs- und Teileigentums auf insgesamt 3.278.000 € festgesetzt.
2
Der Schuldner hält diesen Wert für zu niedrig. Mit der sofortigen Beschwerde hat er die Festsetzung des Verkehrswerts auf mindestens 4.300.000 € beantragt. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner weiterhin die Erhöhung der Festsetzung des Verkehrswerts des Wohnungsund Teileigentums.

II.


3
Das Beschwerdegericht sieht die sofortige Beschwerde als unzulässig an. Es meint, der Schuldner habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Befugnis verloren, Entscheidungen im Zwangsversteigerungsverfahren anzugreifen, soweit § 30d ZVG die Beschwerde nicht trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewähre.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist unzulässig.
5
Soweit das Zwangsversteigerungsgesetz nichts anderes bestimmt, hat der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren die Befugnis verloren, in Verfahren über massezugehörige Bestandteile seines Vermögens Anträge zu stellen oder Rechtsmittel einzulegen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, V ZB 141/06, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236). Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
6
1. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, die Gläubiger durch die Verwertung des Vermögens des Schuldners gemeinsam zu befriedigen, soweit eine Befriedigung aus den Erträgen eines von dem Schuldner betriebenen Unter- nehmens nicht erwartet werden kann, § 1 Satz 1 InsO. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung eines Verwalters in diesem Verfahren geht die Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO.
7
Soweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechte des Schuldners aus Art. 14 Abs. 1 GG beschränkt, ist dies notwendig und verfassungsgemäß , weil das Ziel des Insolvenzverfahrens anders nicht erreicht werden kann (BVerfGE 51, 405, 408 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 150, 155; 25, 112, 117; 42, 263, 295, 305). Die Rechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass der Schuldner gemäß § 34 Abs. 1 InsO den Eröffnungsbeschluss anfechten kann (BVerfGE 51, 405, 408). Werden der Eröffnungsbeschluss und die Ernennung eines Verwalters rechtskräftig, wird der Schuldner von der Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen ausgeschlossen, soweit dieses zur Masse gehört , weil von dem Schuldner weder erwartet werden kann, dass er sein Vermögen in der gebotenen Weise verwaltet und in dieser Weise hierüber verfügt, noch dass er sein Vermögen zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger einsetzt.
8
Die Übertragung der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Schuldners auf den Verwalter gilt nicht nur im Bereich des materiellen Rechts, sondern führt dazu, dass ein gerichtliches Verfahren über massezugehöriges Vermögen des Schuldners nur von oder gegen den Verwalter begonnen oder fortgesetzt werden kann. Die Rechtsstellung eines Verfahrensbeteiligten kann grundsätzlich nicht von der Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über das Vermögen getrennt werden, dessentwegen das Verfahren geführt wird, weil das Verhalten in einem gerichtlichen Verfahren auf das der Ver- waltung unterliegende Vermögen im Ergebnis nicht anders wirkt als sonstiges tatsächliches oder rechtsgeschäftliches Verhalten.
9
Die gesetzliche Regelung nimmt in Kauf, dass die von dem Verwalter wahrgenommenen Interessen der Gläubiger und die Interessen des Schuldners zueinander in Widerspruch stehen oder geraten können. Die Insolvenzordnung gewährt insoweit dem Verwalter bzw. den Gläubigern den Vorrang. Dies ist sachdienlich, weil der Mangel der Fähigkeit des Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses festgestellt ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestimmung des Verwalters machen den Schuldner auch nicht schutzlos. Für ihn wirkt vielmehr die in § 60 Abs. 1 InsO angeordnete Haftung des Verwalters (BGH, Urt. v. 22. Januar 1985, VI ZR 131/83, ZIP 1985, 423, 425; OLG Köln, ZIP 1980, 94, 95; Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann, 4. Aufl., § 60 Rdn. 6; Jaeger/Gerhardt, InsO § 60 Rdn. 81 f; MüchnKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rdn. 65).
10
2. So liegt es auch im Zwangsversteigerungsverfahren. Von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und der Bestellung eines Insolvenzverfahrens an ist der Schuldner nicht mehr Beteiligter des Zwangsversteigerungsverfahrens; seine Stelle wird von dem Verwalter im Insolvenzverfahren eingenommen (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2007, ZfIR 2008, 150, 151; LG Lübeck Rpfleger 2004, 235, 236; Dassler/Schiffhauer/ Rellermeier, ZVG, 13. Aufl., § 9 Rdn. 6; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 9 Anm. 3.15).
11
a) Hält der Schuldner die Festsetzung des Verkehrswertes für ein Gebäude in einem Zwangsversteigerungsverfahren für unrichtig, kann er den Insolvenzverwalter hierauf hinweisen und diesen so veranlassen, die Festsetzung zu prüfen und gegebenenfalls anzufechten. Sieht der Verwalter hiervon ab, ist dies durch seine Befugnisse gedeckt. Dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einzuräumen, würde einen Eingriff in die Befugnisse des Verwalters bedeuten und hätte zur Folge, dass der Schuldner das Versteigerungs- und damit das Insolvenzverfahren in nicht gebotener Weise erschweren und verzögern könnte.
12
b) 114a ZVG führt entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde zu keiner anderen Beurteilung. Der Insolvenzverwalter ist anstelle des Schuldners Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Erhält ein betreibender Gläubiger den Zuschlag auf ein Gebot, das 7/10 des Verkehrswertes des Grundstücks nicht erreicht, gilt der Gläubiger trotzdem in dieser Höhe als befriedigt. Haftet der Schuldner dem Gläubiger - wie regelmäßig - auch persönlich, tritt diese Wirkung auch gegenüber der Masse ein; der Gläubiger nimmt allein wegen des Ausfalls an der Verteilung teil, §§ 52 Satz 2, 190 InsO. Ist der Verkehrswert zu gering festgesetzt und erhält der absonderungsberechtigte Gläubiger auf ein Gebot von weniger als 7/10 des festgesetzten Wertes den Zuschlag , erreicht die Befriedigungsfiktion von § 114a ZVG zu Lasten der Masse einen zu geringen Betrag (vgl. Keller, ZfIR 2008, 134, 137 f.). Der Schuldner ist hierdurch nicht anders betroffen als er durch jede Handlung des Verwalters betroffen ist, die für die Masse und damit letztlich auch für ihn wirtschaftlich nachteilig ist.
13
Das führt nicht dazu, dass dem Schuldner entgegen dem Ziel des Insolvenzverfahrens die Beschwerde gegen die Festsetzung des Verkehrswertes zu eröffnen und ihm so Gelegenheit zu geben wäre, gegen den Willen des Verwalters auf das Zwangsversteigerungsverfahren Einfluss zu nehmen. Die Situation des Schuldners unterscheidet sich im Ergebnis durch nichts von seiner Situation bei der wirtschaftlich ungünstigen Verwertung eines Massegegenstandes, verfehlter Prozessführung oder bei dem Abschluss eines nachteiligen Ver- gleichs durch den Verwalter. Dass die nachteilige Wirkung des Verhaltens des Verwalters ihren Ausgang in einem gerichtlichen Verfahren nimmt, führt nicht dazu, dass das Verhalten des Verwalters nicht zum Nachteil des Schuldners wirkte oder dem Schuldner ein Recht zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung zu eröffnen wäre.
14
c) Das ist entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Gläubiger durch das Recht, dessentwegen er die Zwangsversteigerung betreibt, voll gesichert und damit im Ergebnis von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 29. November 2007, IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281). Der Zuschlag bewirkt die Verwertung des massezugehörigen Grundstücks. Werden die betreibenden Gläubiger aus dem Erlös vollständig befriedigt, scheiden sie aus dem Insolvenzverfahren aus. Der Mehrerlös ist Bestandteil der Masse, für die allein der Verwalter handelt.
15
Die Rechtsbeschwerde verweist insoweit auch nicht auf Vortrag des Schuldners, nach welchem die Beteiligten zu 3 bis 5 durch das von ihnen in Anspruch genommene Recht vollständig gesichert wären. Entsprechend liegt es mit dem Hinweis der Rechtsbeschwerde auf § 213 InsO.

III.


16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens der Beteiligten zu 2 bis 5 kommt nicht in Betracht , da sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens im Wert- festsetzungs-Beschwerdeverfahren nicht als Parteien gegenüberstehen (Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730).
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 71b K 9/04 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 04.12.2007 - 328 T 39/07 -

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.

(2) Soweit er zur Erfüllung der ihm als Verwalter obliegenden Pflichten Angestellte des Schuldners im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit einsetzen muß und diese Angestellten nicht offensichtlich ungeeignet sind, hat der Verwalter ein Verschulden dieser Personen nicht gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu vertreten, sondern ist nur für deren Überwachung und für Entscheidungen von besonderer Bedeutung verantwortlich.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 99/05
vom
24. November 2005
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners wegen der Zwangsversteigerung
seines Grundstücks kann zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und zur
einstweiligen Einstellung des Verfahrens auch dann führen, wenn sie sich erst nach
Verkündung des Zuschlagsbeschlusses aufgrund während des Beschwerdeverfahrens
zu Tage getretener neuer Umstände ergibt (Abgrenzung zu BGHZ 44, 138).
BGH, Beschl. v. 24. November 2005 - V ZB 99/05 - LG Landshut
AG Landshut
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. November 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. SchmidtRäntsch
, Zoll, Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldner wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 2. Mai 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 12.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung in das eingangs bezeichnete Grundstück der Schuldner. Diese haben unter Hinweis auf bestehende Suizidabsichten für den Fall der Zwangsversteigerung und unter Vorlage eines ärztlichen Gutachtens beantragt, das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 765a ZPO einstweilen, mindestens für einen Zeitraum von sechs Monaten einzustellen. Das Vollstreckungsgericht hat im Anschluss an den Versteigerungstermin , in dem Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag bestimmt wurde, ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Suizidgefährdung eingeholt. Sodann hat es in dem Verkündungstermin der Meistbietenden für 154.510 € den Zuschlag erteilt und den Antrag der Schuldner auf Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen zurückgewiesen. Hiergegen haben die Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat diese nach weiterer Beweiserhebung zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgen die Schuldner ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung weiter.

II.

2
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
3
1. Das Beschwerdegericht führt aus:
4
Für die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung sei anerkannt, dass bei der Beschwerdeentscheidung abweichend von § 570 ZPO neues tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigt werden könne. Aus § 100 ZVG ergebe sich, dass die einem Zuschlag entgegenstehenden Tatsachen, die zeitlich nach der Erteilung des Zuschlags eingetreten oder dem Versteigerungsgericht bekannt geworden seien, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssten. Dies gelte auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 765a ZPO im Rahmen der Zuschlagsentscheidung des Versteigerungsgerichts. Das Beschwerdegericht müsse sich folglich auf diejenigen Tatsachen beschränken, die bereits das Versteigerungsgericht bei der Erteilung des Zuschlags habe berücksichtigen können.
5
Das Versteigerungsgericht habe aufgrund der von ihm eingeholten psychiatrischen Gutachten von einer Besserung des psychischen Zustandes des Schuldners und dem Vorliegen einer nur noch leichten bis mittelschweren depressiven Störung ohne akute Suizidalität ausgehen dürfen und müssen. Der gerichtliche Sachverständige habe eine Verbesserung des psychischen Zustandes des Schuldners festgestellt, so dass die Ausführungen des behandelnden Arztes Professor Dr. Dr. S. in seinem früheren fachärztlichen Gutachten, bei dem Schuldner liege eine schwere reaktive Depression mit Suizidgefahr vor, als überholt habe erscheinen dürfen.
6
Demgegenüber sei die Feststellung in den von dem Beschwerdegericht eingeholten Gutachten, dass sich der psychische Zustand des Schuldners verschlechtert habe und nunmehr eine schwere depressive Anpassungsstörung vorliege, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei letztlicher Zuschlagserteilung eine akute Suizidalität erwarten lasse, eine neue Tatsache, die nicht mehr zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses führen könne. Aus diesen beiden Gutachten gehe deutlich hervor, dass der Zustand der schweren Depression erst einige Zeit nach dem Zuschlagsbeschluss eingetreten sei, was sich insbesondere aus den Äußerungen des Schuldners gegenüber der Diplompsychologin H. ergebe. Der mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses drohenden Kurzschlussreaktion durch den Schuldner könne folglich nicht mit den Mitteln des Zwangsversteigerungsrechtes, sondern nur mit den Mitteln des Bayerischen Unterbringungsgesetzes Rechnung getragen werden.
7
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
8
a) Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 4. Mai 2005 (I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, zur Veröffentlichung in BGHZ 163, 66 bestimmt) entschieden , nach welchen Maßstäben bei bestehender Suizidgefahr im Falle ei- ner Zwangsräumung über den Einstellungsantrag eines Schuldners nach § 765a ZPO zu befinden ist. Danach schließt eine für den Fall einer Zwangsräumung bestehende Suizidgefahr eine Räumungsvollstreckung nicht von vornherein vollständig aus. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte eine Würdigung aller Umstände vorzunehmen. Diese kann in besonders gelagerten Einzelfällen auch dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
9
Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Auch dieser kann sich auf Grundrechte berufen. Unterbleibt die Räumungsvollstreckung wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und sein verfassungsrechtlicher Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt.
10
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen. Nicht zuletzt ist aber auch der Gefährdete selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern. Einem Schuldner kann dementsprechend, wenn er dazu in der Lage ist, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern.
11
Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Maßstäben für eine Zwangsräumung in Fällen bestehender Suizidgefahr, die auch gelten, soweit es darum geht, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren wegen der bei endgültiger Zuschlagserteilung und Zwangsräumung des Grundstücks drohenden Gefahr der Selbsttötung des Schuldners einstweilen einzustellen ist (vgl. BVerfGE 52, 214; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1992, 1378; 1994, 1272; 1719; 1998, 295; 2004, 49; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657).
12
b) Den dargelegten Maßstäben wird der angefochtene Beschluss nicht in vollem Umfang gerecht.
13
aa) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Beschwerdegericht das Beweisergebnis tatrichterlich dahin würdigt, bei Erteilung des Zuschlags habe eine akute Gefahr der Selbsttötung nicht bestanden. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung lässt die Gesamtwürdigung der Vorinstanzen auch unter verfassungsrechtlichen Maßstäben keinen Rechtsfehler erkennen. Sie setzt sich nach sachverständiger Beratung ausführlich mit den für und gegen eine akute Suizidgefahr sprechenden Umständen auseinander und lässt insbesondere nicht außer Acht, dass der behandelnde Arzt in dem mit dem Einstellungsantrag vorgelegten Gutachten eine Suizidgefahr bejaht hat. Das Beschwerdegericht stützt sich für seine Würdigung maßgeblich auch auf die zeitliche Entwicklung des Befindens der Schuldner und hält im Hinblick darauf die Ausführungen in dem älteren Gutachten des behandelnden Arztes für überholt. Darin kann ein Rechtsfehler nicht gesehen werden.
14
Die in der Rechtsbeschwerdebegründung wieder aufgegriffene Beanstandung , der gerichtliche Sachverständige habe sich ausschließlich auf die „Hamilton-Depressions-Skala“ gestützt, hat das Beschwerdegericht nicht als durchgreifend angesehen. Das ist nicht zu beanstanden, nachdem der gerichtliche Sachverständige in seiner von dem Beschwerdegericht eingeholten ergänzenden Erklärung dazu ebenso Stellung genommen hatte wie zu der mit der Beschwerde eingereichten Äußerung des behandelnden Arztes, er halte die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Schwere der Erkrankung für unhaltbar.
15
Die Rechtsbeschwerde vermag deshalb auch nicht ausreichend darzulegen , dass ein weiteres Gutachten zwingend einzuholen war (§ 412 ZPO). In Anbetracht der noch im Beschwerdeverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen und ihrer Würdigung durch das Beschwerdegericht durfte es die Frage, ob im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung eine Selbsttötungsgefahr bestand , für ausreichend geklärt halten. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Darlegungen der Rechtsbeschwerde zum unterschiedlichen Untersuchungsumfang der Sachverständigen. Diese musste das Beschwerdegericht angesichts der von ihm angenommenen Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners nicht für wesentlich halten. Dass es den Vortrag der Schuldner zu diesem Gesichtspunkt nicht übersehen hat, ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung der angefochtenen Entscheidung.
16
bb) Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht aber, soweit es das Ergebnis der von ihm selbst veranlassten Zusatzgutachten der Diplompsychologin H. und des gerichtlichen Sachverständigen unbeachtet lassen will, sofern sich daraus ergibt, dass eine akute Selbsttötungsgefahr deshalb besteht, weil sich der Zustand des Schuldners nach der Zuschlagsentscheidung verschlechtert hat.
17
(1) Zwar kann die Zuschlagsbeschwerde, auch soweit der Zuschlagsbeschluss einen Antrag nach § 765a ZPO zurückweist, nicht auf neue Tatsachen gestützt werden (Senatsurt., BGHZ 44, 138, 143 f.). Der Senat hat dies seinerzeit wie folgt begründet: Nach § 100 ZVG kann die Zuschlagsbeschwerde nur auf bestimmte, vor der Erteilung des Zuschlags liegende Rechtsmängel gestützt werden. Daraus ergibt sich, dass die die Rechtsmängel begründenden Tatsachen , die zeitlich später liegen oder erst später dem Versteigerungsgericht bekannt geworden sind, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssen und deshalb bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde die Anwendung der Vorschrift des § 571 Abs. 2 ZPO (damals § 570 ZPO a.F.) ausgeschlossen ist. Diese strenge Regelung des Gesetzes hat ihren Grund darin, dass schon durch die Erteilung des Zuschlags, der mit der Verkündung wirksam ist (§ 89 ZVG), der Ersteher das Eigentum erworben hat (§ 90 Abs. 1 ZVG). Der Zuschlagsbeschluss kann zwar im Beschwerdeweg rechtskräftig wieder aufgehoben werden (§ 90 Abs. 1 ZVG). Die Rechtssicherheit erfordert es aber, dass dies nur in ganz bestimmten Fällen, nämlich nur in den in § 100 ZVG aufgeführten, geschieht, in denen dem Versteigerungsgericht ein wesentlicher Rechtsfehler unterlaufen ist.
18
Daran ist im Grundsatz festzuhalten. Ob es bei Grundrechtsbeeinträchtigungen generell einer abweichenden Betrachtung bedarf, weil es mit dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist, wenn der Zuschlagsbeschluss nicht in jeder Richtung auf seine Verfassungsmäßigkeit durch die Gerichte geprüft wird und der Betroffene mit späterem Vorbringen ausgeschlossen wird (vgl. die abweichende Meinung des Richters Dr. Böhmer zur Begründung des Beschlusses BVerfGE 49, 220 ff., S. 240 ff.; anders BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1993, 2 BvR 1171/92, dokumentiert bei JURIS), kann hier dahin stehen. Jedenfalls ist dem Bedeutungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 GG bei der Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung zu tragen. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1994, 1719 f.; 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658).
19
(2) Nach diesem Maßstab darf eine im Zuschlagsbeschwerdeverfahren vorgetragene oder sogar schon durch Gutachten als bewiesen anzusehende Suizidgefahr jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht unter Hinweis auf die dargestellten Grundsätze des Senatsurteils (BGHZ 44, 138) außer Betracht gelassen werden, sofern der Eigentumsverlust durch den Zuschlag der für die Suizidgefahr maßgebliche Grund ist.
20
Gemäß § 100 Abs. 1, Abs. 3 ZVG besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigender Versagensgrund unter anderem dann, wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist (§ 83 Nr. 6 ZVG). Eine Gefährdung des unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG stehenden Lebens des Schuldners ist ein solcher Grund. Unerheblich ist dabei, ob die Suizidgefahr nur bei einem von mehreren Schuldnern besteht, wenn - wie hier - die Zwangsversteigerung nur insgesamt durchgeführt werden kann und der gefährdete Schuldner von einer späteren Zwangsräumung jedenfalls mit betroffen wird.
21
Fälle der vorliegenden Art sind vielfach dadurch geprägt, dass bei entsprechender Veranlagung des Schuldners eine Suizidneigung in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten mehr oder weniger stark ausgeprägt ist. Der Streitfall macht deutlich, dass es sich um ein dynamisches Geschehen handelt, bei dem der Grad der Gefahr je nach dem Untersuchungs- und Beurteilungszeit- punkt von den Fachärzten unterschiedlich bewertet wird. Dabei mag es sein, dass - wie es das Beschwerdegericht im Streitfall annimmt - eine bereits bestehende Neigung des Schuldners zur Selbsttötung erst nach Erteilung des Zuschlags durch weitere Ereignisse verstärkt wird. Stellt man sich auf den Standpunkt des Beschwerdegerichts, wird es vielfach vom Zufall, nämlich der von zeitlich begrenzten Umständen geprägten Einschätzung der Sachverständigen und Gerichte abhängen, ob der Schuldner durch eine staatliche Entscheidung in Todesgefahr gebracht wird oder nicht.
22
(3) Bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art ist danach vorrangig festzustellen , aus welchem Grund die Absicht zur Selbsttötung besteht.
23
Liegt der Grund lediglich darin, dass der gefährdete Schuldner die nach dem Zuschlag drohende Zwangsräumung, also den Verlust seines bisherigen Lebensmittelpunktes fürchtet, reicht es aus, dass der Suizidgefahr durch einen Antrag auf einstweilige Einstellung der dem Versteigerungsverfahren folgenden Räumungsvollstreckung begegnet werden kann. In diesem Fall dürfen erst im Verfahren der Zuschlagsbeschwerde zu Tage getretene neue Umstände unberücksichtigt bleiben und müssen nicht zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses führen. Allerdings ist stets zu prüfen, ob es sich bei der im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bestehenden Suizidgefahr überhaupt um einen neuen Sachverhalt handelt, wobei ein enger Maßstab anzulegen ist. Bei einem dynamischen Geschehen wird vielfach davon auszugehen sein, dass die Einschätzung des Vollstreckungsgerichts bei der Zuschlagserteilung, es liege keine akute Suizidgefahr vor, bei objektiver, durch die neue Begutachtung gestützter Betrachtung als unrichtig anzusehen ist.
24
Besteht indes die Suizidgefahr schon deshalb, weil der Schuldner den Eigentumsverlust durch Zuschlagserteilung befürchtet, oder ist dies zumindest nicht auszuschließen, ist der Zuschlagsbeschluss nötigenfalls aufzuheben. Bei dieser Sachlage ist es, selbst dann, wenn die Suizidgefahr als neuer Umstand, den das Vollstreckungsgericht so noch nicht hat wahrnehmen können, zu bewerten sein sollte, in keinem Fall gerechtfertigt, dass das Vollstreckungsgericht (bei der Entscheidung über die Abhilfe) oder das Beschwerdegericht vor der nunmehr akut bestehenden Gefahr die Augen verschließt und unter Berufung auf die formale Verfahrensgestaltung sehenden Auges eine Entscheidung bestehen lässt, die mit einiger Wahrscheinlichkeit Ursache für den Tod des Schuldners sein kann in der Hoffnung, dass sich die Gefahr anders (etwa nach den bestehenden Unterbringungsgesetzen) wird abwenden lassen. Eine derartige Verfahrensgestaltung wird dem Wert des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht gerecht. Der für die Rechtsprechung des Senats entscheidende Gesichtspunkt der Rechtssicherheit steht dem ebenso wenig entgegen wie das Grundrecht des Gläubigers oder Erstehers aus Art. 14 GG. § 100 ZVG beschränkt zwar die in Betracht kommenden Zuschlagsversagungsgründe, zeigt aber zugleich, dass Gläubiger und Ersteher nicht davon ausgehen können, der erteilte Zuschlag werde unter allen Umständen Bestand haben.

III.

25
Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Das Beschwerdegericht wird über die sofortige Beschwerde und den Einstellungsantrag nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen erneut zu befinden haben.
Krüger Klein Schmidt-Räntsch Zoll Roth
Vorinstanzen:
AG Landshut, Entscheidung vom 17.01.2005 - 23 K 269/02 -
LG Landshut, Entscheidung vom 02.05.2005 - 32 T 287/05 -

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 99/05
vom
24. November 2005
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners wegen der Zwangsversteigerung
seines Grundstücks kann zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und zur
einstweiligen Einstellung des Verfahrens auch dann führen, wenn sie sich erst nach
Verkündung des Zuschlagsbeschlusses aufgrund während des Beschwerdeverfahrens
zu Tage getretener neuer Umstände ergibt (Abgrenzung zu BGHZ 44, 138).
BGH, Beschl. v. 24. November 2005 - V ZB 99/05 - LG Landshut
AG Landshut
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. November 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. SchmidtRäntsch
, Zoll, Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldner wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 2. Mai 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 12.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung in das eingangs bezeichnete Grundstück der Schuldner. Diese haben unter Hinweis auf bestehende Suizidabsichten für den Fall der Zwangsversteigerung und unter Vorlage eines ärztlichen Gutachtens beantragt, das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 765a ZPO einstweilen, mindestens für einen Zeitraum von sechs Monaten einzustellen. Das Vollstreckungsgericht hat im Anschluss an den Versteigerungstermin , in dem Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag bestimmt wurde, ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Suizidgefährdung eingeholt. Sodann hat es in dem Verkündungstermin der Meistbietenden für 154.510 € den Zuschlag erteilt und den Antrag der Schuldner auf Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen zurückgewiesen. Hiergegen haben die Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat diese nach weiterer Beweiserhebung zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgen die Schuldner ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung weiter.

II.

2
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
3
1. Das Beschwerdegericht führt aus:
4
Für die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung sei anerkannt, dass bei der Beschwerdeentscheidung abweichend von § 570 ZPO neues tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigt werden könne. Aus § 100 ZVG ergebe sich, dass die einem Zuschlag entgegenstehenden Tatsachen, die zeitlich nach der Erteilung des Zuschlags eingetreten oder dem Versteigerungsgericht bekannt geworden seien, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssten. Dies gelte auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 765a ZPO im Rahmen der Zuschlagsentscheidung des Versteigerungsgerichts. Das Beschwerdegericht müsse sich folglich auf diejenigen Tatsachen beschränken, die bereits das Versteigerungsgericht bei der Erteilung des Zuschlags habe berücksichtigen können.
5
Das Versteigerungsgericht habe aufgrund der von ihm eingeholten psychiatrischen Gutachten von einer Besserung des psychischen Zustandes des Schuldners und dem Vorliegen einer nur noch leichten bis mittelschweren depressiven Störung ohne akute Suizidalität ausgehen dürfen und müssen. Der gerichtliche Sachverständige habe eine Verbesserung des psychischen Zustandes des Schuldners festgestellt, so dass die Ausführungen des behandelnden Arztes Professor Dr. Dr. S. in seinem früheren fachärztlichen Gutachten, bei dem Schuldner liege eine schwere reaktive Depression mit Suizidgefahr vor, als überholt habe erscheinen dürfen.
6
Demgegenüber sei die Feststellung in den von dem Beschwerdegericht eingeholten Gutachten, dass sich der psychische Zustand des Schuldners verschlechtert habe und nunmehr eine schwere depressive Anpassungsstörung vorliege, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei letztlicher Zuschlagserteilung eine akute Suizidalität erwarten lasse, eine neue Tatsache, die nicht mehr zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses führen könne. Aus diesen beiden Gutachten gehe deutlich hervor, dass der Zustand der schweren Depression erst einige Zeit nach dem Zuschlagsbeschluss eingetreten sei, was sich insbesondere aus den Äußerungen des Schuldners gegenüber der Diplompsychologin H. ergebe. Der mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses drohenden Kurzschlussreaktion durch den Schuldner könne folglich nicht mit den Mitteln des Zwangsversteigerungsrechtes, sondern nur mit den Mitteln des Bayerischen Unterbringungsgesetzes Rechnung getragen werden.
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2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
8
a) Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 4. Mai 2005 (I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, zur Veröffentlichung in BGHZ 163, 66 bestimmt) entschieden , nach welchen Maßstäben bei bestehender Suizidgefahr im Falle ei- ner Zwangsräumung über den Einstellungsantrag eines Schuldners nach § 765a ZPO zu befinden ist. Danach schließt eine für den Fall einer Zwangsräumung bestehende Suizidgefahr eine Räumungsvollstreckung nicht von vornherein vollständig aus. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte eine Würdigung aller Umstände vorzunehmen. Diese kann in besonders gelagerten Einzelfällen auch dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
9
Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Auch dieser kann sich auf Grundrechte berufen. Unterbleibt die Räumungsvollstreckung wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und sein verfassungsrechtlicher Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt.
10
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen. Nicht zuletzt ist aber auch der Gefährdete selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern. Einem Schuldner kann dementsprechend, wenn er dazu in der Lage ist, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern.
11
Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Maßstäben für eine Zwangsräumung in Fällen bestehender Suizidgefahr, die auch gelten, soweit es darum geht, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren wegen der bei endgültiger Zuschlagserteilung und Zwangsräumung des Grundstücks drohenden Gefahr der Selbsttötung des Schuldners einstweilen einzustellen ist (vgl. BVerfGE 52, 214; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1992, 1378; 1994, 1272; 1719; 1998, 295; 2004, 49; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657).
12
b) Den dargelegten Maßstäben wird der angefochtene Beschluss nicht in vollem Umfang gerecht.
13
aa) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Beschwerdegericht das Beweisergebnis tatrichterlich dahin würdigt, bei Erteilung des Zuschlags habe eine akute Gefahr der Selbsttötung nicht bestanden. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung lässt die Gesamtwürdigung der Vorinstanzen auch unter verfassungsrechtlichen Maßstäben keinen Rechtsfehler erkennen. Sie setzt sich nach sachverständiger Beratung ausführlich mit den für und gegen eine akute Suizidgefahr sprechenden Umständen auseinander und lässt insbesondere nicht außer Acht, dass der behandelnde Arzt in dem mit dem Einstellungsantrag vorgelegten Gutachten eine Suizidgefahr bejaht hat. Das Beschwerdegericht stützt sich für seine Würdigung maßgeblich auch auf die zeitliche Entwicklung des Befindens der Schuldner und hält im Hinblick darauf die Ausführungen in dem älteren Gutachten des behandelnden Arztes für überholt. Darin kann ein Rechtsfehler nicht gesehen werden.
14
Die in der Rechtsbeschwerdebegründung wieder aufgegriffene Beanstandung , der gerichtliche Sachverständige habe sich ausschließlich auf die „Hamilton-Depressions-Skala“ gestützt, hat das Beschwerdegericht nicht als durchgreifend angesehen. Das ist nicht zu beanstanden, nachdem der gerichtliche Sachverständige in seiner von dem Beschwerdegericht eingeholten ergänzenden Erklärung dazu ebenso Stellung genommen hatte wie zu der mit der Beschwerde eingereichten Äußerung des behandelnden Arztes, er halte die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Schwere der Erkrankung für unhaltbar.
15
Die Rechtsbeschwerde vermag deshalb auch nicht ausreichend darzulegen , dass ein weiteres Gutachten zwingend einzuholen war (§ 412 ZPO). In Anbetracht der noch im Beschwerdeverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen und ihrer Würdigung durch das Beschwerdegericht durfte es die Frage, ob im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung eine Selbsttötungsgefahr bestand , für ausreichend geklärt halten. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Darlegungen der Rechtsbeschwerde zum unterschiedlichen Untersuchungsumfang der Sachverständigen. Diese musste das Beschwerdegericht angesichts der von ihm angenommenen Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners nicht für wesentlich halten. Dass es den Vortrag der Schuldner zu diesem Gesichtspunkt nicht übersehen hat, ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung der angefochtenen Entscheidung.
16
bb) Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht aber, soweit es das Ergebnis der von ihm selbst veranlassten Zusatzgutachten der Diplompsychologin H. und des gerichtlichen Sachverständigen unbeachtet lassen will, sofern sich daraus ergibt, dass eine akute Selbsttötungsgefahr deshalb besteht, weil sich der Zustand des Schuldners nach der Zuschlagsentscheidung verschlechtert hat.
17
(1) Zwar kann die Zuschlagsbeschwerde, auch soweit der Zuschlagsbeschluss einen Antrag nach § 765a ZPO zurückweist, nicht auf neue Tatsachen gestützt werden (Senatsurt., BGHZ 44, 138, 143 f.). Der Senat hat dies seinerzeit wie folgt begründet: Nach § 100 ZVG kann die Zuschlagsbeschwerde nur auf bestimmte, vor der Erteilung des Zuschlags liegende Rechtsmängel gestützt werden. Daraus ergibt sich, dass die die Rechtsmängel begründenden Tatsachen , die zeitlich später liegen oder erst später dem Versteigerungsgericht bekannt geworden sind, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssen und deshalb bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde die Anwendung der Vorschrift des § 571 Abs. 2 ZPO (damals § 570 ZPO a.F.) ausgeschlossen ist. Diese strenge Regelung des Gesetzes hat ihren Grund darin, dass schon durch die Erteilung des Zuschlags, der mit der Verkündung wirksam ist (§ 89 ZVG), der Ersteher das Eigentum erworben hat (§ 90 Abs. 1 ZVG). Der Zuschlagsbeschluss kann zwar im Beschwerdeweg rechtskräftig wieder aufgehoben werden (§ 90 Abs. 1 ZVG). Die Rechtssicherheit erfordert es aber, dass dies nur in ganz bestimmten Fällen, nämlich nur in den in § 100 ZVG aufgeführten, geschieht, in denen dem Versteigerungsgericht ein wesentlicher Rechtsfehler unterlaufen ist.
18
Daran ist im Grundsatz festzuhalten. Ob es bei Grundrechtsbeeinträchtigungen generell einer abweichenden Betrachtung bedarf, weil es mit dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist, wenn der Zuschlagsbeschluss nicht in jeder Richtung auf seine Verfassungsmäßigkeit durch die Gerichte geprüft wird und der Betroffene mit späterem Vorbringen ausgeschlossen wird (vgl. die abweichende Meinung des Richters Dr. Böhmer zur Begründung des Beschlusses BVerfGE 49, 220 ff., S. 240 ff.; anders BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1993, 2 BvR 1171/92, dokumentiert bei JURIS), kann hier dahin stehen. Jedenfalls ist dem Bedeutungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 GG bei der Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung zu tragen. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1994, 1719 f.; 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658).
19
(2) Nach diesem Maßstab darf eine im Zuschlagsbeschwerdeverfahren vorgetragene oder sogar schon durch Gutachten als bewiesen anzusehende Suizidgefahr jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht unter Hinweis auf die dargestellten Grundsätze des Senatsurteils (BGHZ 44, 138) außer Betracht gelassen werden, sofern der Eigentumsverlust durch den Zuschlag der für die Suizidgefahr maßgebliche Grund ist.
20
Gemäß § 100 Abs. 1, Abs. 3 ZVG besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigender Versagensgrund unter anderem dann, wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist (§ 83 Nr. 6 ZVG). Eine Gefährdung des unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG stehenden Lebens des Schuldners ist ein solcher Grund. Unerheblich ist dabei, ob die Suizidgefahr nur bei einem von mehreren Schuldnern besteht, wenn - wie hier - die Zwangsversteigerung nur insgesamt durchgeführt werden kann und der gefährdete Schuldner von einer späteren Zwangsräumung jedenfalls mit betroffen wird.
21
Fälle der vorliegenden Art sind vielfach dadurch geprägt, dass bei entsprechender Veranlagung des Schuldners eine Suizidneigung in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten mehr oder weniger stark ausgeprägt ist. Der Streitfall macht deutlich, dass es sich um ein dynamisches Geschehen handelt, bei dem der Grad der Gefahr je nach dem Untersuchungs- und Beurteilungszeit- punkt von den Fachärzten unterschiedlich bewertet wird. Dabei mag es sein, dass - wie es das Beschwerdegericht im Streitfall annimmt - eine bereits bestehende Neigung des Schuldners zur Selbsttötung erst nach Erteilung des Zuschlags durch weitere Ereignisse verstärkt wird. Stellt man sich auf den Standpunkt des Beschwerdegerichts, wird es vielfach vom Zufall, nämlich der von zeitlich begrenzten Umständen geprägten Einschätzung der Sachverständigen und Gerichte abhängen, ob der Schuldner durch eine staatliche Entscheidung in Todesgefahr gebracht wird oder nicht.
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(3) Bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art ist danach vorrangig festzustellen , aus welchem Grund die Absicht zur Selbsttötung besteht.
23
Liegt der Grund lediglich darin, dass der gefährdete Schuldner die nach dem Zuschlag drohende Zwangsräumung, also den Verlust seines bisherigen Lebensmittelpunktes fürchtet, reicht es aus, dass der Suizidgefahr durch einen Antrag auf einstweilige Einstellung der dem Versteigerungsverfahren folgenden Räumungsvollstreckung begegnet werden kann. In diesem Fall dürfen erst im Verfahren der Zuschlagsbeschwerde zu Tage getretene neue Umstände unberücksichtigt bleiben und müssen nicht zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses führen. Allerdings ist stets zu prüfen, ob es sich bei der im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bestehenden Suizidgefahr überhaupt um einen neuen Sachverhalt handelt, wobei ein enger Maßstab anzulegen ist. Bei einem dynamischen Geschehen wird vielfach davon auszugehen sein, dass die Einschätzung des Vollstreckungsgerichts bei der Zuschlagserteilung, es liege keine akute Suizidgefahr vor, bei objektiver, durch die neue Begutachtung gestützter Betrachtung als unrichtig anzusehen ist.
24
Besteht indes die Suizidgefahr schon deshalb, weil der Schuldner den Eigentumsverlust durch Zuschlagserteilung befürchtet, oder ist dies zumindest nicht auszuschließen, ist der Zuschlagsbeschluss nötigenfalls aufzuheben. Bei dieser Sachlage ist es, selbst dann, wenn die Suizidgefahr als neuer Umstand, den das Vollstreckungsgericht so noch nicht hat wahrnehmen können, zu bewerten sein sollte, in keinem Fall gerechtfertigt, dass das Vollstreckungsgericht (bei der Entscheidung über die Abhilfe) oder das Beschwerdegericht vor der nunmehr akut bestehenden Gefahr die Augen verschließt und unter Berufung auf die formale Verfahrensgestaltung sehenden Auges eine Entscheidung bestehen lässt, die mit einiger Wahrscheinlichkeit Ursache für den Tod des Schuldners sein kann in der Hoffnung, dass sich die Gefahr anders (etwa nach den bestehenden Unterbringungsgesetzen) wird abwenden lassen. Eine derartige Verfahrensgestaltung wird dem Wert des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht gerecht. Der für die Rechtsprechung des Senats entscheidende Gesichtspunkt der Rechtssicherheit steht dem ebenso wenig entgegen wie das Grundrecht des Gläubigers oder Erstehers aus Art. 14 GG. § 100 ZVG beschränkt zwar die in Betracht kommenden Zuschlagsversagungsgründe, zeigt aber zugleich, dass Gläubiger und Ersteher nicht davon ausgehen können, der erteilte Zuschlag werde unter allen Umständen Bestand haben.

III.

25
Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Das Beschwerdegericht wird über die sofortige Beschwerde und den Einstellungsantrag nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen erneut zu befinden haben.
Krüger Klein Schmidt-Räntsch Zoll Roth
Vorinstanzen:
AG Landshut, Entscheidung vom 17.01.2005 - 23 K 269/02 -
LG Landshut, Entscheidung vom 02.05.2005 - 32 T 287/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/07
vom
14. Juni 2007
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
betreffend den Grundbesitz
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ist mit einer Zwangsvollstreckung die konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des
Schuldners verbunden, so muss das Vollstreckungsgericht, wenn es zur Abwehr dieser
Gefahr die Unterbringung des Schuldners in einer psychiatrischen Einrichtung für erforderlich
hält, mit der Vollstreckungsmaßnahme zuwarten, bis die Unterbringung durch die zuständigen
Behörden und Gerichte angeordnet und durchgeführt worden ist (im Anschluss
an Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

b) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hat der Tatrichter, bevor er die Unterbringung
anregt, stets zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung durch ambulante psychiatrische
und psychotherapeutische Maßnahmen begegnet werden kann. Bei der gebotenen
Abwägung mit den Interessen des Gläubigers (und gegebenenfalls des Erstehers)
sind die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu
berücksichtigen.

c) Regt das Vollstreckungsgericht bei den zuständigen Stellen eine Unterbringung an, sollte
es darauf hinweisen, dass die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners
nicht in einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung gelöst werden kann und dass daher
die Zwangsvollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär
zuständigen Stellen Maßnahmen zum Schutz des Schuldners nicht für notwendig erachten.
BGH, Beschl. v. 14. Juni 2007 - V ZB 28/07 - LG Düsseldorf
AG Neuss
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juni 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Neuss vom 5. September 2006 (Az. 032 K 016/03) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 18.700 €.

Gründe:


1
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsvollstreckung aus einer für sie an dem Grundstück des Schuldners eingetragenen Grundschuld. Die Versteigerung des Grundstücks wurde im Februar 2003 angeordnet. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind als weitere Gläubiger dem Verfahren beigetreten.
2
Nach mehreren Einstellungen des Verfahrens bestimmte das Vollstreckungsgericht den Versteigerungstermin auf den 12. Juli 2006. Mit Schreiben vom 26. Juni 2006 beantragte der Schuldner unter Hinweis auf eine beigefügte ärztliche Bescheinigung, in der eine konkrete Suizidgefahr bescheinigt wurde, den Termin aufzuheben. Dem wurde nicht entsprochen.
3
Nach Durchführung des Versteigerungstermins hat der Schuldner beantragt , das Verfahren nach § 765a ZPO einstweilen einzustellen. Diesen Antrag hat er mit anwaltlichem Schreiben vom 8. August 2006 wiederholt, dem weitere ärztliche Unterlagen beigefügt waren, die das Vollstreckungsgericht als nicht aussagekräftig angesehen hat. Mit Beschluss vom 5. September 2006 hat es den Zuschlag erteilt und den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen.
4
Mit der sofortigen Beschwerde hat der Schuldner u.a. beantragt, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine im Beschwerdeverfahren zuletzt gestellten Anträge weiter.

II.

5
Das Beschwerdegericht geht, nach Einholung einer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme, davon aus, dass der Schuldner infolge des Zwangsversteigerungsverfahrens akut suizidgefährdet ist. Es meint jedoch, dass dieser Gefahr durch eine Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) entgegengewirkt werden könne. Die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung sieht es, gestützt auf seine Erfahrungen, die es aus Beschwerdeverfahren in Unterbringungssachen gewonnen hat, als gegeben an. Um eine Unterbringung zu veranlassen, werde es vor der Zustellung der die sofortige Beschwerde zurückweisenden Entscheidung die zuständige Ordnungsbehörde über die amts- ärztlich bescheinigte akute Suizidgefahr informieren und so auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinwirken.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.
7
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht möglicherweise bereits das Rechtsschutzziel der Beschwerde verkannt habe, indem es das Rechtsmittel nicht als eine Zuschlagbeschwerde (§§ 96, 100 ZVG), sondern allein als eine sofortige Beschwerde nach § 95 ZVG gegen die Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrages gem. § 765a ZPO angesehen habe. Ein solches Verständnis, das angesichts des Umstands, dass der Schuldner auch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses beantragt hat, fehlerhaft wäre, liegt der angegriffenen Entscheidung nicht zugrunde. Das Beschwerdegericht ist vielmehr zutreffend von einer einheitlichen Entscheidung des Vollstreckungsgerichts durch Erteilung des Zuschlags unter gleichzeitiger Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrags ausgegangen, gegen die sich die sofortige Beschwerde gerichtet hat. Der Sache nach – und nur das ist in der Beschwerdeentscheidung hervorgehoben - wendet sich der Schuldner aber allein dagegen, dass sein Vollstreckungsschutzantrag erfolglos geblieben ist. Damit hat er - was möglich ist - die Zuschlagsbeschwerde auf eine Verletzung des § 765a ZPO gestützt.
8
2. Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde aber geltend, dass der beantragte Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nicht mit der gegebenen Begründung versagt werden kann.
9
a) Wie das Beschwerdegericht nicht verkennt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 163, 66, 73; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506) selbst dann, wenn - wie hier - mit der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden ist, eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen des Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (Eigentumsschutz, Art. 14; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG). Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen (BGHZ 163, 66, 74 sowie Senat, Beschl. v. 24. November 2005, aaO). Allerdings sind solche begleitende Maßnahmen nur dann geeignet, der Suizidgefahr entgegenzuwirken, wenn ihre Vornahme auch weitestgehend sichergestellt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508). Diesem Gesichtspunkt trägt die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend Rechnung.
10
b) Das Beschwerdegericht sieht als Alternative zu einer Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses die Möglichkeit einer Unterbringung des Schuldners nach §§ 11, 12 PsychKG (NRW). Ob es dazu kommt, liegt aber, unabhängig von der möglicherweise gegebenen eigenen Sachkunde, nicht in der Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts. Zuständig ist vielmehr nach § 12 Abs. 1 PsychKG (NRW) das Vormundschaftsgericht. Ohne eine Anordnung des Vormundschaftsgerichts fehlt der angefochtenen Entscheidung die die Abwägung tragende Grundlage. Das Vorhaben des Beschwerdegerichts, die für den Wohnsitz des Schuldners zuständige Ordnungsbehörde über die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens sowie über die amtsärztlich belegte akute Suizidgefahr zu informieren und auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinzuwirken, ist nicht geeignet, die für erforderlich gehaltene Maßnahme auch weitestmöglich sicherzustellen. Ob die Ordnungsbehörde den Antrag auf Unterbringung stellt, ob das Vormundschaftsgericht die Unterbringung anordnet, das sind Entscheidungen, auf die das Beschwerdegericht keinen maßgeblichen Einfluss hat. Das wird vorliegend besonders deutlich, wenn der Vortrag der Rechtsbeschwerde zugrunde gelegt wird, dass das Vormundschaftsgericht die Unterbringung des Schuldners am Tage nach der angefochtenen Entscheidung abgelehnt hat.

IV.

11
Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts stellt sich damit als rechtsfehlerhaft dar und ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 ZPO). Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht folgendes zu beachten haben.
12
1. Eine Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses kommt nur in Betracht, wenn dem Ersteher zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist. Mit der Aufhebung verliert er nämlich rückwirkend das durch den Zuschlag gem. § 90 Abs. 1 ZVG erworbene Eigentum. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist gegebenenfalls nachzuholen.
13
2. Sollte das Beschwerdegericht zu der Überzeugung gelangen, dass - trotz einer den Antrag auf Unterbringung ablehnenden Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - weiterhin Suizidgefahr besteht, so wird es zweierlei zu prüfen haben.
14
a) Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Suizidgefahr mit ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Maßnahmen begegnet werden kann. Der Tatrichter hat in einem solchen Fall unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob darin eine Lösung des Konflikts gefunden werden kann, die von dem Gläubiger (und dem Ersteher) angesichts der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG hinzunehmen ist und die einer freiheitsentziehenden Maßnahme wie einer Unterbringung vorzuziehen ist. Eine solche Abwägung hat das Beschwerdegericht bislang nicht vorgenommen. Das wird nachzuholen sein. Dabei sind vor allem die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu berücksichtigen. Voraussetzung ist ferner, dass sich der Schuldner - nachhaltig - einer solchen Therapie unterzieht.
15
b) Kommt eine ambulante Behandlung nicht in Betracht, wird im konkreten Fall zu erwägen sein, bei der zuständigen Behörde erneut die Unterbringung des Schuldners oder bei dem Vormundschaftsgericht die Anordnung einer Betreuung anzuregen. Die für die Vollstreckung zuständigen Organe und Gerichte haben die Eigentumsrechte des Vollstreckungsgläubigers und des Erstehers zu wahren. Die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners kann nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Vollstreckung gelöst werden. Darauf sollten die für eine Unterbringung zuständigen Behörden und Gerichte - nicht nur im konkreten Fall, sondern generell in Fällen, in denen das Vollstreckungsgericht eine Unterbringung des Schuldners für notwendig hält - in der Anregung hingewiesen werden. Hinzuweisen ist ferner auf die Folge, dass nämlich die Vollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für notwendig erachten.
16
Wie weiter zu verfahren ist, hängt von der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ab. Ordnet es die Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) an, so hat das Beschwerdegericht sicherzustellen, dass die Zwangsversteigerung nicht fortgesetzt wird, bevor der Schuldner in Gewahrsam genommen wurde. Hält es eine Unterbringung zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für erforderlich und wird diese Entscheidung bestandskräftig, so liegt darin eine Entscheidung der für die Frage der Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung primär zuständigen Stelle, die es im Regelfall, aber auch erst dann, gestattet, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen (vgl. Schuschke , NJW 2006, 876, 877). Das enthebt das Vollstreckungsgericht (bzw. das Beschwerdegericht ) allerdings nicht der Prüfung, ob zur Beherrschung der Restgefahr andere begleitende Maßnahmen betreuender Art getroffen werden müssen (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

V.

17
1. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 93, Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 574 Abs. 1, § 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
18
2. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdn. 16 Stichwort: "Vollstreckungsschutz") des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Neuss, Entscheidung vom 05.09.2006 - 32 K 16/03 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.02.2007 - 19 T 257/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 67/07
vom
6. Dezember 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Zwangsversteigerung eines Grundstücks ist unter Auflagen auf Zeit einzustellen
, wenn der mit der Fortsetzung des Verfahrens verbundenen Gefahr
der Selbsttötung des Schuldners nur durch dessen dauerhafte Unterbringung
entgegengewirkt werden könnte.
BGH, Beschl. v. 6. Dezember 2007 - V ZB 67/07 - LG Heilbronn
AG Heilbronn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 4. Mai 2007 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 10.000 €.

Gründe:


I.

1
Die miteinander verheirateten Schuldner sind Eigentümer des im Eingang bezeichneten Grundstücks. Das Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus bebaut, in welchem die Schuldner seit 37 Jahren wohnen. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Durch Beschluss vom 18. März 2005 wurde die Zwangsvollstreckung wegen Suizidgefährdung der Schuldnerin bis zum 31. Juli 2005 eingestellt. Auf Antrag der Gläubigerin ordnete das Vollstreckungsgericht am 16. August 2005 die Fortsetzung des Verfahrens an. Einen Antrag der Schuldner auf weitere einstweilige Einstellung des Verfahrens hat es zurückgewiesen.
2
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner hiergegen hat das Landgericht das Zwangsversteigerungsverfahren bis zum 30. April 2009 mit der Auflage eingestellt, dass die Schuldnerin sich regelmäßig ambulant psychiatrisch und psychotherapeutisch behandeln zu lassen und das Gericht hiervon zu unterrichten habe.
3
Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Gläubigerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, die Abwägung der Interessen der Gläubigerin gegen diejenigen der Schuldner führe zu einer Einstellung des Verfahrens auf weitere zwei Jahre. Nach den zum Gesundheitszustand der Schuldnerin eingeholten Gutachten sei diese depressiv erkrankt. Sie sehe das Eigentum an dem ehegemeinschaftlichen Grundstück als einzigen ihr noch verbliebenen Erfolg ihrer Lebensleistung. Werde ihr das Grundstück genommen, entfalle für sie jeder Sinn, weiterhin zu leben. Hieran habe die laufende ambulante und zeitweilig auch stationäre Behandlung der Schuldnerin nichts geändert. Auch eine intensivere oder stationäre ärztliche Betreuung der Schuldnerin während oder nach einer Zwangsversteigerung des Grundstücks führe aller Voraussicht nach nicht dazu, dass die mit der Fortsetzung des Verfahrens verbundene Gefahr für das Leben der Schuldnerin gemindert werde. Selbst eine Unterbringung der Schuldnerin biete letztlich keine Sicherheit gegen eine Selbsttötung und laufe darauf hinaus, die Schuldnerin bis zu ihrem natürlichen Tod zu verwahren und ihrer Freiheit zu berauben. Daran gemessen habe das Interesse der Gläubigerin an einer Versteigerung des Grundstücks zurückzutreten.
5
Auch wenn die weitere Behandlung der Schuldnerin voraussichtlich nicht zur Besserung ihres seelischen Zustandes führen werde, sei im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs in die Rechtsstellung der Gläubigerin die Einstellung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu befristen und der Schuldnerin zuzumuten , dieser die Fortsetzung ihrer Behandlung aufzuerlegen. Die von der Gläubigerin erstrebte weitere Auflage, den Schuldnern für die fortdauernde Nutzung des Hauses eine Entschädigungsverpflichtung aufzuerlegen, scheide aus, weil diesen auch unter Einbeziehung der von ihnen erhaltenen Sozialleistungen hierfür keine Mittel zur Verfügung stünden.

III.

6
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil es an höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Anordnung von Zahlungsauflagen im Zusammenhang mit der Einstellung der Zwangsversteigerung fehle. Dem kann entgegen der Meinung der Schuldner nicht entnommen werden, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf diese Frage beschränkt worden ist. Eine verfahrensrechtliche Stellung eines Beteiligten im Zwangsvollsteckungsverfahren , aufgrund deren die Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 765a ZPO nur in Verbindung mit bestimmten Auflagen verlangt werden könnte, gibt es nicht. Ebenso wenig kann die Frage, unter welchen Auflagen die Einstellung erfolgt, von der Entscheidung über die Einstellung getrennt werden.

IV.

7
Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
8
Auch wenn eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist, ist eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen (BGHZ 163, 66, 73; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668). Erforderlich ist vielmehr, das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann.
9
1. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, oder auch die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesges etzen (BGHZ 163, 66, 74; Senat , Beschl. v. 24. November 2005 und v. 14. Juni 2007, jeweils aaO). Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus. Das Vollstreckungsgericht hat die für die Maßnahmen zur Unterbringung des Schuldners zuständigen Behörden vor der Vollstreckung zu unterrichten und hierbei darauf hinzuweisen, dass die Vollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für notwendig erachten (Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, aaO).
10
2. Steht indessen fest, dass derartige Maßnahmen nicht geeignet sind, der mit der Fortsetzung des Verfahrens für den Schuldner verbundenen Gefahr einer Selbsttötung wirksam zu begegnen oder führte die Anordnung der Unterbringung aller Voraussicht nach zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer, so ist das Verfahren einzustellen. Dabei verbietet das Interesse des Gläubigers an der Fortsetzung des Verfahrens eine dauerhafte Einstellung, weil die staatliche Aufgabe, das Leben des Schuldners zu schützen, nicht auf unbegrenzte Zeit durch ein Vollstreckungsverbot gelöst werden kann (Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, aaO). Die Einstellung ist zu befristen und mit Auflagen zu versehen, die das Ziel haben, die Gesundheit des Schuldners wiederherzustellen. Das gilt auch dann, wenn die Aussichten auf eine Besserung des Gesundheitszustands des Schuldners gering sind. Diesem ist es im Interesse des Gläubigers jedoch zuzumuten, auf die Verbesserung seines Gesundheitszustands hin zu arbeiten und den Stand seiner Behandlung regelmäßig nachzuweisen.
11
3. So verhält es sich hier. Die Gefährdung der Schuldnerin folgt nicht aus dem mit der Versteigerung des Grundstücks für die Schuldnerin letztlich verbundenen Zwang, dieses zu räumen. Die Gefährdung der Schuldnerin findet nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts ihren Grund vielmehr in der Angst der Schuldnerin vor dem Verlust des Eigentums an dem Grundstück, zu dem die Fortsetzung des Verfahrens führen wird. Eine zeitweilige Unterbringung der Schuldnerin kann hieran nichts ändern. Der mit einer dauerhaften Unterbringung verbundene Eingriff in die von Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Freiheit der Schuldnerin wird durch das Vollstreckungsinteresse der Gläubigerin nicht gerechtfertigt. Damit aber verbleibt nur der von dem Beschwerdegericht beschrittene Weg, die Zwangsvollstreckung auf Zeit einzustellen und der Schuldnerin aufzugeben, fortwährend an der Verbesserung ihrer seelischen Gesundheit zu arbeiten und dies laufend nachzuweisen, damit nach Ablauf dieser Zeit überprüft werden kann, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen der Vollstreckung Fortgang gegeben werden kann.
12
4. Weitere Auflagen, wie die von der Gläubigerin erstrebten Zahlungen, kommen nicht in Betracht. Dem Bestreben der Gläubigerin, sich bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens Zahlungen zuzuführen, fehlt eine Grundlage. Die Gläubigerin kann zur Erfüllung des Anspruchs , dessentwegen dessen sie die Zwangsvollstreckung betreibt, - in der Zukunft - auf das Eigentum der Schuldner zugreifen und sich dessen Wert zuführen. Das Befriedigungsrecht umfasst die während der Dauer des Verfahrens auflaufenden Zinsen und gleicht hierdurch Nachteile aus einer Verzögerung des Verfahrens aus.

V.

13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Heilbronn, Entscheidung vom 17.11.2006 - 3 K 114/01 GL -
LG Heilbronn, Entscheidung vom 04.05.2007 - 1 T 496/06 St -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 129/07
vom
19. Juni 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ändert das Vollstreckungsgericht den mitgeteilten Verkehrswert, so muss der geänderte
Wert rechtzeitig vor dem Versteigerungstermin bekannt gemacht werden (§ 43
ZVG); davon darf lediglich abgesehen werden, wenn der neue Wert nur unwesentlich
von dem bekannt gemachten abweicht.
BGH, Beschl. v. 19. Juni 2008 - V ZB 129/07 - LG Lüneburg
AGWinsen/Luhe
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. Juni 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 4. Oktober 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 46.000 €.

Gründe:

I.

1
Das Vollstreckungsgericht hat die Zwangsversteigerung der im Rubrum bezeichneten Grundstücke angeordnet. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2007 hat die Schuldnerin im Hinblick auf den schlechten Gesundheitszustand ihres Vaters , dem ein Altenteil an dem Grundbesitz bestellt worden war, einen Antrag nach § 765a ZPO gestellt. Nachdem einer der Gläubiger dem Antrag zugestimmt hatte, hat das Vollstreckungsgericht das Verfahren vorläufig eingestellt, soweit es von diesem Gläubiger betrieben worden ist. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht zurückgewiesen.
2
Den Verkehrswert für den Grundbesitz hatte das Vollstreckungsgericht zunächst auf 438.000 € festgesetzt. Die dagegen von der Schuldnerin eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Am 16. Januar 2007 hat das Vollstreckungsgericht Versteigerungstermin auf den 20. April 2007 bestimmt.
Bei der Bekanntgabe im Niedersächsischen Staatsanzeiger vom 12. Februar 2007 ist auch der festgesetzte Verkehrswert mitgeteilt worden.
3
Mit Beschluss vom 12. April 2007 hat das Vollstreckungsgericht den Verkehrswert auf 460.000 € heraufgesetzt. Den darauf von der Schuldnerin erhobenen Einwänden – der anberaumte Termin müsse schon wegen Nichtwahrung der 6-Wochenfrist des § 43 Abs. 1 ZVG aufgehoben werden; davon abgesehen bedürfe es zunächst einer Entscheidung über die gegen die abändernde Verkehrswertfestsetzung eingelegte Beschwerde – ist das Vollstreckungsgericht nicht gefolgt. Vielmehr hat es den Versteigerungstermin durchgeführt, in dem der Beteiligte zu 2 Meistbietender geblieben ist. Den Zuschlag hat es allerdings erst in dem Verkündungstermin vom 29. Juni 2007 erteilt, nachdem das Landgericht die gegen die Verkehrswertfestsetzung eingelegte sofortige Beschwerde (formell) rechtskräftig zurückgewiesen hatte.
4
Die gegen die Zuschlagserteilung eingelegte Beschwerde, mit der die Schuldnerin auch eine lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ihres Vaters geltend gemacht hat, ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihre Anträge weiter.

II.

5
Das Beschwerdegericht steht auf dem Standpunkt, die den Verkehrswert abändernde Entscheidung habe der Durchführung des Versteigerungstermins nicht entgegen gestanden. Die Frist des § 43 Abs. 1 ZVG sei nicht erneut in Lauf gesetzt worden. Nach § 38 Abs. 1 ZVG stehe es dem Vollstreckungsgericht frei, auf die Angabe des Verkehrswerts bei der Bekanntmachung des Versteigerungstermins zu verzichten. Im Übrigen genüge es, wenn der die Wert- festsetzung abändernde Beschluss vor der Zuschlagserteilung rechtskräftig geworden sei.
6
Die von der Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde behauptete lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ihres Vaters führe ebenfalls nicht zur Aufhebung des Zuschlags. Ein Gesetzesverstoß im Sinne von § 83 Nr. 6 ZVG i.V.m. § 765a ZPO liege nicht vor. Da aus § 100 ZVG folge, dass die Zuschlagsbeschwerde nur auf Rechtsfehler gestützt werden könne, die dem Vollstreckungsgericht vor der Zuschlagserteilung unterlaufen seien, scheide die erstmalige Stellung eines Antrags gemäß § 765a ZPO nach Erteilung des Zuschlags aus. Zwar habe die Schuldnerin bereits zuvor einen solchen Antrag gestellt. Da dieser jedoch rechtskräftig zurückgewiesen worden sei, müsse das Beschwerdevorbringen zu § 765a ZPO wie eine erstmalige Antragstellung im Beschwerderechtszug behandelt werden.

III.

7
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
8
1. Allerdings greifen die von der Schuldnerin gegen die Durchführung des Versteigerungstermins im Zusammenhang der heraufgesetzten Verkehrswertfestsetzung erhobenen Einwände im Ergebnis nicht durch.
9
a) Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 ZVG ist ein Versteigerungstermin aufzuheben und neu zu bestimmen, wenn die Terminsbestimmung nicht sechs Wochen vor dem Termin bekannt gemacht ist. Welchen Inhalt die Terminsbestimmung zwin- gend enthalten muss, regelt § 37 ZVG. In § 38 Abs. 1 ZVG ist bestimmt, welche Angaben die Terminsbestimmung darüber hinaus enthalten soll. Dazu gehört auch der Verkehrswert. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht es dem Vollstreckungsgericht nicht frei, auf dessen Angabe zu verzichten. Dass es sich bei der genannten Norm um eine Sollvorschrift handelt, bedeutet nichts anderes, als dass deren Vorgaben im Regelfall erfüllt sein müssen. Dem Gesetz ist auch keine Einschränkung dahin zu entnehmen, dass es sich bei der Norm um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt, deren Verletzung zwar zu Amtshaftungsansprüchen führen kann, eine erneute Terminsbestimmung aber nur dann erforderlich macht, wenn durch die unrichtige Mitteilung zugleich zwingende Angaben des § 37 ZVG missverständlich oder unklar werden (so aber Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 38 Rdn. 1.3 und Storz, Zwangsversteigerungsverfahren , 10. Aufl., S. 426). Dann aber ist ein Verstoß gegen § 38 Abs. 1 ZVG auch stets bei der Frage einer erneuten Terminsbestimmung (§ 43 ZVG) zu beachten (so wohl auch Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/ Engels/Rellermeyer, 13. Aufl., § 43 Rdn. 12).
10
b) Den Vorgaben des § 38 Abs. 1 ZVG genügte die hier in Rede stehende Terminsbestimmung zwar im Zeitpunkt ihrer Bekanntmachung. Sie ist jedoch infolge der Abänderung des festgesetzten Verkehrswerts nachträglich unrichtig geworden. Die Frage, ob dieser Umstand eine erneute Bekanntgabe erforderlich macht, ist mit Rücksicht auf die mit der Bekanntmachung des Verkehrswerts verfolgten gesetzgeberischen Anliegen zu bejahen; eine Ausnahme lässt die Sollvorschrift des § 38 Abs. 1 ZVG in solchen Konstellationen nur zu, wenn der neue Wert lediglich unwesentlich von dem bekannt gemachten abweicht.
11
aa) Die Veröffentlichung der Terminsbestimmung hat die Funktion, im Interesse einer bestmöglichen Verwertung des Grundstücks ein möglichst breites Publikum anzusprechen und diejenigen, deren Rechte von der Versteigerung berührt werden, zur Wahrung ihrer Rechte zu veranlassen (Stöber, aaO, § 39 Rdn. 1.1). Dabei bildet die mit der Terminsanberaumung verbundene Mitteilung des Verkehrswerts zum einen die Grundlage für die Berechnung der Sicherheitsleistung nach § 68 Abs. 1 ZVG, die durch nachfolgende Änderungen des Werts allerdings nicht mehr verändert wird (vgl. Hintzen in Dassler/Schiffhauer/ Hintzen/Engels/Rellermeyer, aaO, § 68 Rdn. 3; Stöber, aaO, § 68 Rdn. 2.1). Zum anderen soll – was aus systematischer Sicht auch § 38 Abs. 2 ZVG nahe legt – Bietinteressenten eine Orientierungshilfe für die Entscheidung an die Hand gegeben werden, ob sie am Verfahren teilnehmen und bis zu welcher Höhe sie Gebote abgeben wollen (vgl. Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, V ZB 142/05, NJW-RR 2006, 1389, 1390; Storz/Kiderlen, NJW 2007, 1846; jeweils m.w.N.). Letzteres setzt die Mitteilung des aktuell festgesetzten Werts voraus. Dabei gilt es allerdings zu bedenken, dass der Verkehrswert nur näherungsweise und keineswegs exakt im Sinne mathematischer Genauigkeit ermittelt werden kann. Sowohl die Wahl der Wertermittlungsmethode als auch die Ermittlung selbst unterliegen notwendig wertenden Einschätzungen, die nicht geeignet sind, Erwerbsinteressenten die Gewissheit zu vermitteln, das Objekt werde bei einer Veräußerung genau den ermittelten Wert erzielen. Verständige Bietinteressenten werden daher die daraus resultierende „Schwankungsbreite“ von vornherein einkalkulieren und nicht blindlings auf den mitgeteilten Wert vertrauen. Vor diesem Hintergrund kann der mitgeteilte Verkehrswert seine Funktion als Orientierungshilfe aber auch dann noch erfüllen, wenn der mit der Terminsbestimmung bekannt gemachte Wert zwar verändert wird, die Abweichung aber nicht wesentlich ist. Dass von einer wesentlichen Änderung in der Regel nicht gesprochen werden kann, wenn diese – wie hier – weniger als 10 % beträgt (vgl. auch Stöber, aaO, § 74a Rdn. 7.20), liegt auf der Hand, weil bei Änderun- gen innerhalb dieser Marge andere Bieterkreise allenfalls bei Vorliegen ganz besonderer Umstände angesprochen werden. Solche Besonderheiten sind hier nicht ersichtlich.
12
bb) Soweit dem Verkehrswert Bedeutung im Rahmen der §§ 74a, 85a Abs. 1 ZVG zukommt, nötigen solche Abweichungen ebenfalls nicht zu einer erneuten Terminsbestimmung. Vielmehr genügt es, dem insoweit im Vordergrund stehenden Zweck, einer Verschleuderung des beschlagnahmten Grundstücks entgegenzuwirken (vgl. Senat, Beschl. v. 18. Mai 2006, aaO), bei der weiteren Verfahrensgestaltung Rechnung zu tragen. Bei dieser ist zu berücksichtigen , dass das Verkehrswertfestsetzungsverfahren mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist und dass das Vollstreckungsgericht bereits vor Eintritt der formellen Rechtskraft an eine abändernde Wertfestsetzung gebunden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 11. Oktober 2007, V ZB 178/06, WM 2008, 33, 34). Daraus folgt, dass den Beteiligten zwar Gelegenheit gegeben werden muss, die geänderte Festsetzung in dem hierfür nach § 74a Abs. 5 Satz 3 ZVG vorgesehenen Verfahren vor Erteilung des Zuschlags zur Überprüfung zu stellen (vgl. Senatsbeschl. v. 11. Oktober 2007, aaO). Das steht der Durchführung eines bereits anberaumten Versteigerungstermins auf der Grundlage des abgeänderten Verkehrswerts jedoch nicht entgegen. Insoweit genügt es, wenn die Entscheidung über den Zuschlag erst nach Eintritt der formellen Rechtskraft des Abänderungsbeschlusses getroffen wird (OLG Hamm Rpfleger 2000, 120 f. m.w.N.). Auf diese Weise wird nicht nur der Eigenständigkeit des Verfahrens nach § 74a Abs. 5 ZVG Rechnung getragen, sondern auch verhindert, dass die Einlegung erfolgloser Rechtsmittel gegen eine abändernde Verkehrswertfestsetzung zur Aufhebung eines bereits anberaumten Versteigerungstermins führt und dadurch das Verfahren unnötig in die Länge gezogen wird. http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE095904301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE317122005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bkz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313762007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bkz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313762007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE003700314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 8 -
13
2. Eine Verletzung des § 85a ZVG liegt nicht vor. Zwar verweist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf, dass das Meistgebot nicht 50 % des auf 460.000 € festgesetzten Verkehrswerts erreicht hat. Dabei wird jedoch offenbar übersehen, dass dies hier deshalb unschädlich ist, weil dem Ersteher Rechte an dem Grundstück zustanden, die durch den Zuschlag erloschen sind und mit denen er bei der Verteilung in einer Höhe ausfallen wird, die 50 % des Verkehrswerts übersteigt (§ 85a Abs. 3 ZVG). Auf die diesbezüglichen Erwägungen des Vollstreckungsgerichts in dem Zuschlagsbeschluss vom 29. Juni 2007 wird Bezug genommen.
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3. Dagegen macht die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend, dass der beantragte Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nicht mit der gegebenen Begründung versagt werden kann.
15
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (std. Rspr., vgl. etwa Senat, BGHZ 163, 66, 73; Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506 f.; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668; Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586, 587) ist selbst dann, wenn mit der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen. Geht die Lebensgefahr nicht von dem mit der Zuschlagserteilung einhergehenden Eigentumsverlust aus, sondern nur von der nach dem Zuschlag drohenden Zwangsräumung, darf der Zuschlag nicht versagt werden. Ist indessen nicht auszuschließen, dass die Lebensgefahr schon deshalb besteht, weil der Schuldner den Eigentumsverlust befürchtet, ist stets eine Abwägung der in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen Interessen des Betroffenen (Lebensschutz , Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (Eigentumsschutz, Art. 14; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) gebo- ten. Diese Vorgaben verkennt das Beschwerdegericht zwar nicht, meint aber zu Unrecht, es sei durch § 100 ZVG daran gehindert, die von der Schuldnerin im Beschwerderechtszug behauptete Verschlechterung des Gesundheitszustandes ihres Vaters und die daraus resultierende Lebensgefahr zu berücksichtigen.
16
b) Allerdings trifft es zu, dass die Zuschlagsbeschwerde nach der Vorschrift des § 100 ZVG nicht auf neue Tatsachen gestützt werden kann (Senat, BGHZ 44, 138, 143 f.; Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506 f.). Der Senat hat jedoch bereits entschieden, dass diese Regelung wegen des hohen Rangs, der dem Grundrecht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 GG zukommt, verfassungskonform dahin einzuschränken ist, dass eine ernsthafte Lebensgefahr gleichwohl im Verfahren der sofortigen Beschwerde als Tatsacheninstanz zu berücksichtigen ist und dass der Gesichtpunkt der Rechtssicherheit und die Grundrechte des Gläubigers und des Erstehers aus Art. 14 GG eine Nichtberücksichtigung nicht legitimieren können (Senatsbeschl. v. 24. November 2005, aaO). Daran hält der Senat fest. Soweit das Beschwerdegericht darauf verweist, dass die Zuschlagsbeschwerde bei Versäumung der Rechtsmittelfrist ohne weitere Prüfung als unzulässig verworfen werden müsste, ist dies zwar richtig; in solchen Fällen bleibt nur die Möglichkeit, über § 765a ZPO die vorläufige Einstellung der Räumungsvollstreckung zu erreichen. Das entbindet die Vollstreckungsgerichte indessen nicht von ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung, im Rahmen einer zulässigen Beschwerde das Verfahren so zu gestalten, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan werden kann (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG NJW 1991, 3207; 1994, 1719 f.; 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658; Senatsbeschl. v. 24. November 2005, aaO, NJW 2006, 505, 507). Das gilt umso mehr, als § 100 ZVG zwar die in Betracht kommenden Zuschlagsversagungsgründe beschränkt , zugleich aber deutlich macht, dass Gläubiger und Ersteher nicht da- von ausgehen können, der erteilte Zuschlag werde unter allen Umständen Bestand haben (Senatsbeschl. v. 24. November 2005, aaO).
17
4. Nach allem ist die Beschwerdeentscheidung aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Sie ist nicht zur Endentscheidung reif im Sinne von § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO, weil das Beschwerdegericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen hat, auf deren Grundlage dem Senat eine Prüfung des § 765a ZPO möglich wäre.
18
5. Das Beschwerdegericht wird darauf hingewiesen, dass sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Das steht einer Anwendung der §§ 91 ff. ZPO grundsätzlich entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat, BGHZ 170, 378, 381; ferner Beschl. v. 18. Mai 2005, V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730). Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
AG Winsen (Luhe), Entscheidung vom 29.06.2007 - 10 K 105/04 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 04.10.2007 - 4 T 125/07 -

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, daß eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85a verletzt oder daß der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt ist.

(2) Auf einen Grund, der nur das Recht eines anderen betrifft, kann weder die Beschwerde noch ein Antrag auf deren Zurückweisung gestützt werden.

(3) Die im § 83 Nr. 6, 7 bezeichneten Versagungsgründe hat das Beschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen.

Der Zuschlag ist zu versagen:

1.
wenn die Vorschrift des § 43 Abs. 2 oder eine der Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots oder der Versteigerungsbedingungen verletzt ist;
2.
wenn bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke das Einzelausgebot oder das Gesamtausgebot den Vorschriften des § 63 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 zuwider unterblieben ist;
3.
wenn in den Fällen des § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 die Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder das Recht eines gleich- oder nachstehenden Beteiligten, der dem Gläubiger vorgeht, durch das Gesamtergebnis der Einzelausgebote nicht gedeckt werden;
4.
wenn die nach der Aufforderung zur Abgabe von Geboten erfolgte Anmeldung oder Glaubhaftmachung eines Rechts ohne Beachtung der Vorschrift des § 66 Abs. 2 zurückgewiesen ist;
5.
wenn der Zwangsversteigerung oder der Fortsetzung des Verfahrens das Recht eines Beteiligten entgegensteht;
6.
wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist;
7.
wenn eine der Vorschriften des § 43 Abs. 1 oder des § 73 Abs. 1 verletzt ist;
8.
wenn die nach § 68 Abs. 2 und 3 verlangte Sicherheitsleistung nicht bis zur Entscheidung über den Zuschlag geleistet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 99/05
vom
24. November 2005
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners wegen der Zwangsversteigerung
seines Grundstücks kann zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und zur
einstweiligen Einstellung des Verfahrens auch dann führen, wenn sie sich erst nach
Verkündung des Zuschlagsbeschlusses aufgrund während des Beschwerdeverfahrens
zu Tage getretener neuer Umstände ergibt (Abgrenzung zu BGHZ 44, 138).
BGH, Beschl. v. 24. November 2005 - V ZB 99/05 - LG Landshut
AG Landshut
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. November 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. SchmidtRäntsch
, Zoll, Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldner wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 2. Mai 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 12.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung in das eingangs bezeichnete Grundstück der Schuldner. Diese haben unter Hinweis auf bestehende Suizidabsichten für den Fall der Zwangsversteigerung und unter Vorlage eines ärztlichen Gutachtens beantragt, das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 765a ZPO einstweilen, mindestens für einen Zeitraum von sechs Monaten einzustellen. Das Vollstreckungsgericht hat im Anschluss an den Versteigerungstermin , in dem Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag bestimmt wurde, ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der Suizidgefährdung eingeholt. Sodann hat es in dem Verkündungstermin der Meistbietenden für 154.510 € den Zuschlag erteilt und den Antrag der Schuldner auf Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf die Ausführungen des Sachverständigen zurückgewiesen. Hiergegen haben die Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat diese nach weiterer Beweiserhebung zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgen die Schuldner ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung weiter.

II.

2
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
3
1. Das Beschwerdegericht führt aus:
4
Für die Anfechtung der Zuschlagsentscheidung sei anerkannt, dass bei der Beschwerdeentscheidung abweichend von § 570 ZPO neues tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigt werden könne. Aus § 100 ZVG ergebe sich, dass die einem Zuschlag entgegenstehenden Tatsachen, die zeitlich nach der Erteilung des Zuschlags eingetreten oder dem Versteigerungsgericht bekannt geworden seien, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssten. Dies gelte auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 765a ZPO im Rahmen der Zuschlagsentscheidung des Versteigerungsgerichts. Das Beschwerdegericht müsse sich folglich auf diejenigen Tatsachen beschränken, die bereits das Versteigerungsgericht bei der Erteilung des Zuschlags habe berücksichtigen können.
5
Das Versteigerungsgericht habe aufgrund der von ihm eingeholten psychiatrischen Gutachten von einer Besserung des psychischen Zustandes des Schuldners und dem Vorliegen einer nur noch leichten bis mittelschweren depressiven Störung ohne akute Suizidalität ausgehen dürfen und müssen. Der gerichtliche Sachverständige habe eine Verbesserung des psychischen Zustandes des Schuldners festgestellt, so dass die Ausführungen des behandelnden Arztes Professor Dr. Dr. S. in seinem früheren fachärztlichen Gutachten, bei dem Schuldner liege eine schwere reaktive Depression mit Suizidgefahr vor, als überholt habe erscheinen dürfen.
6
Demgegenüber sei die Feststellung in den von dem Beschwerdegericht eingeholten Gutachten, dass sich der psychische Zustand des Schuldners verschlechtert habe und nunmehr eine schwere depressive Anpassungsstörung vorliege, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei letztlicher Zuschlagserteilung eine akute Suizidalität erwarten lasse, eine neue Tatsache, die nicht mehr zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses führen könne. Aus diesen beiden Gutachten gehe deutlich hervor, dass der Zustand der schweren Depression erst einige Zeit nach dem Zuschlagsbeschluss eingetreten sei, was sich insbesondere aus den Äußerungen des Schuldners gegenüber der Diplompsychologin H. ergebe. Der mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses drohenden Kurzschlussreaktion durch den Schuldner könne folglich nicht mit den Mitteln des Zwangsversteigerungsrechtes, sondern nur mit den Mitteln des Bayerischen Unterbringungsgesetzes Rechnung getragen werden.
7
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
8
a) Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 4. Mai 2005 (I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, zur Veröffentlichung in BGHZ 163, 66 bestimmt) entschieden , nach welchen Maßstäben bei bestehender Suizidgefahr im Falle ei- ner Zwangsräumung über den Einstellungsantrag eines Schuldners nach § 765a ZPO zu befinden ist. Danach schließt eine für den Fall einer Zwangsräumung bestehende Suizidgefahr eine Räumungsvollstreckung nicht von vornherein vollständig aus. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte eine Würdigung aller Umstände vorzunehmen. Diese kann in besonders gelagerten Einzelfällen auch dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.
9
Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Auch dieser kann sich auf Grundrechte berufen. Unterbleibt die Räumungsvollstreckung wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen und sein verfassungsrechtlicher Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt.
10
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen. Nicht zuletzt ist aber auch der Gefährdete selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern. Einem Schuldner kann dementsprechend, wenn er dazu in der Lage ist, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern.
11
Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Maßstäben für eine Zwangsräumung in Fällen bestehender Suizidgefahr, die auch gelten, soweit es darum geht, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren wegen der bei endgültiger Zuschlagserteilung und Zwangsräumung des Grundstücks drohenden Gefahr der Selbsttötung des Schuldners einstweilen einzustellen ist (vgl. BVerfGE 52, 214; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1992, 1378; 1994, 1272; 1719; 1998, 295; 2004, 49; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657).
12
b) Den dargelegten Maßstäben wird der angefochtene Beschluss nicht in vollem Umfang gerecht.
13
aa) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Beschwerdegericht das Beweisergebnis tatrichterlich dahin würdigt, bei Erteilung des Zuschlags habe eine akute Gefahr der Selbsttötung nicht bestanden. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung lässt die Gesamtwürdigung der Vorinstanzen auch unter verfassungsrechtlichen Maßstäben keinen Rechtsfehler erkennen. Sie setzt sich nach sachverständiger Beratung ausführlich mit den für und gegen eine akute Suizidgefahr sprechenden Umständen auseinander und lässt insbesondere nicht außer Acht, dass der behandelnde Arzt in dem mit dem Einstellungsantrag vorgelegten Gutachten eine Suizidgefahr bejaht hat. Das Beschwerdegericht stützt sich für seine Würdigung maßgeblich auch auf die zeitliche Entwicklung des Befindens der Schuldner und hält im Hinblick darauf die Ausführungen in dem älteren Gutachten des behandelnden Arztes für überholt. Darin kann ein Rechtsfehler nicht gesehen werden.
14
Die in der Rechtsbeschwerdebegründung wieder aufgegriffene Beanstandung , der gerichtliche Sachverständige habe sich ausschließlich auf die „Hamilton-Depressions-Skala“ gestützt, hat das Beschwerdegericht nicht als durchgreifend angesehen. Das ist nicht zu beanstanden, nachdem der gerichtliche Sachverständige in seiner von dem Beschwerdegericht eingeholten ergänzenden Erklärung dazu ebenso Stellung genommen hatte wie zu der mit der Beschwerde eingereichten Äußerung des behandelnden Arztes, er halte die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen zur Schwere der Erkrankung für unhaltbar.
15
Die Rechtsbeschwerde vermag deshalb auch nicht ausreichend darzulegen , dass ein weiteres Gutachten zwingend einzuholen war (§ 412 ZPO). In Anbetracht der noch im Beschwerdeverfahren eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen und ihrer Würdigung durch das Beschwerdegericht durfte es die Frage, ob im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung eine Selbsttötungsgefahr bestand , für ausreichend geklärt halten. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den Darlegungen der Rechtsbeschwerde zum unterschiedlichen Untersuchungsumfang der Sachverständigen. Diese musste das Beschwerdegericht angesichts der von ihm angenommenen Besserung des Gesundheitszustandes des Schuldners nicht für wesentlich halten. Dass es den Vortrag der Schuldner zu diesem Gesichtspunkt nicht übersehen hat, ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung der angefochtenen Entscheidung.
16
bb) Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdegericht aber, soweit es das Ergebnis der von ihm selbst veranlassten Zusatzgutachten der Diplompsychologin H. und des gerichtlichen Sachverständigen unbeachtet lassen will, sofern sich daraus ergibt, dass eine akute Selbsttötungsgefahr deshalb besteht, weil sich der Zustand des Schuldners nach der Zuschlagsentscheidung verschlechtert hat.
17
(1) Zwar kann die Zuschlagsbeschwerde, auch soweit der Zuschlagsbeschluss einen Antrag nach § 765a ZPO zurückweist, nicht auf neue Tatsachen gestützt werden (Senatsurt., BGHZ 44, 138, 143 f.). Der Senat hat dies seinerzeit wie folgt begründet: Nach § 100 ZVG kann die Zuschlagsbeschwerde nur auf bestimmte, vor der Erteilung des Zuschlags liegende Rechtsmängel gestützt werden. Daraus ergibt sich, dass die die Rechtsmängel begründenden Tatsachen , die zeitlich später liegen oder erst später dem Versteigerungsgericht bekannt geworden sind, bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde unberücksichtigt bleiben müssen und deshalb bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde die Anwendung der Vorschrift des § 571 Abs. 2 ZPO (damals § 570 ZPO a.F.) ausgeschlossen ist. Diese strenge Regelung des Gesetzes hat ihren Grund darin, dass schon durch die Erteilung des Zuschlags, der mit der Verkündung wirksam ist (§ 89 ZVG), der Ersteher das Eigentum erworben hat (§ 90 Abs. 1 ZVG). Der Zuschlagsbeschluss kann zwar im Beschwerdeweg rechtskräftig wieder aufgehoben werden (§ 90 Abs. 1 ZVG). Die Rechtssicherheit erfordert es aber, dass dies nur in ganz bestimmten Fällen, nämlich nur in den in § 100 ZVG aufgeführten, geschieht, in denen dem Versteigerungsgericht ein wesentlicher Rechtsfehler unterlaufen ist.
18
Daran ist im Grundsatz festzuhalten. Ob es bei Grundrechtsbeeinträchtigungen generell einer abweichenden Betrachtung bedarf, weil es mit dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist, wenn der Zuschlagsbeschluss nicht in jeder Richtung auf seine Verfassungsmäßigkeit durch die Gerichte geprüft wird und der Betroffene mit späterem Vorbringen ausgeschlossen wird (vgl. die abweichende Meinung des Richters Dr. Böhmer zur Begründung des Beschlusses BVerfGE 49, 220 ff., S. 240 ff.; anders BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 1993, 2 BvR 1171/92, dokumentiert bei JURIS), kann hier dahin stehen. Jedenfalls ist dem Bedeutungsgehalt des Art. 2 Abs. 2 GG bei der Auslegung und Anwendung der Verfahrensvorschriften angemessen Rechnung zu tragen. Die Vollstreckungsgerichte haben in ihrer Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst auszuschließen. Das Verfahren der Vollstreckungsgerichte ist so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird (vgl. BVerfGE 52, 214, 219 ff.; BVerfG, NJW 1991, 3207; 1994, 1719 f.; 1998, 295, 296; NJW-RR 2001, 1523; NZM 2005, 657, 658).
19
(2) Nach diesem Maßstab darf eine im Zuschlagsbeschwerdeverfahren vorgetragene oder sogar schon durch Gutachten als bewiesen anzusehende Suizidgefahr jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht unter Hinweis auf die dargestellten Grundsätze des Senatsurteils (BGHZ 44, 138) außer Betracht gelassen werden, sofern der Eigentumsverlust durch den Zuschlag der für die Suizidgefahr maßgebliche Grund ist.
20
Gemäß § 100 Abs. 1, Abs. 3 ZVG besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigender Versagensgrund unter anderem dann, wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grund unzulässig ist (§ 83 Nr. 6 ZVG). Eine Gefährdung des unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG stehenden Lebens des Schuldners ist ein solcher Grund. Unerheblich ist dabei, ob die Suizidgefahr nur bei einem von mehreren Schuldnern besteht, wenn - wie hier - die Zwangsversteigerung nur insgesamt durchgeführt werden kann und der gefährdete Schuldner von einer späteren Zwangsräumung jedenfalls mit betroffen wird.
21
Fälle der vorliegenden Art sind vielfach dadurch geprägt, dass bei entsprechender Veranlagung des Schuldners eine Suizidneigung in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten mehr oder weniger stark ausgeprägt ist. Der Streitfall macht deutlich, dass es sich um ein dynamisches Geschehen handelt, bei dem der Grad der Gefahr je nach dem Untersuchungs- und Beurteilungszeit- punkt von den Fachärzten unterschiedlich bewertet wird. Dabei mag es sein, dass - wie es das Beschwerdegericht im Streitfall annimmt - eine bereits bestehende Neigung des Schuldners zur Selbsttötung erst nach Erteilung des Zuschlags durch weitere Ereignisse verstärkt wird. Stellt man sich auf den Standpunkt des Beschwerdegerichts, wird es vielfach vom Zufall, nämlich der von zeitlich begrenzten Umständen geprägten Einschätzung der Sachverständigen und Gerichte abhängen, ob der Schuldner durch eine staatliche Entscheidung in Todesgefahr gebracht wird oder nicht.
22
(3) Bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art ist danach vorrangig festzustellen , aus welchem Grund die Absicht zur Selbsttötung besteht.
23
Liegt der Grund lediglich darin, dass der gefährdete Schuldner die nach dem Zuschlag drohende Zwangsräumung, also den Verlust seines bisherigen Lebensmittelpunktes fürchtet, reicht es aus, dass der Suizidgefahr durch einen Antrag auf einstweilige Einstellung der dem Versteigerungsverfahren folgenden Räumungsvollstreckung begegnet werden kann. In diesem Fall dürfen erst im Verfahren der Zuschlagsbeschwerde zu Tage getretene neue Umstände unberücksichtigt bleiben und müssen nicht zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses führen. Allerdings ist stets zu prüfen, ob es sich bei der im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bestehenden Suizidgefahr überhaupt um einen neuen Sachverhalt handelt, wobei ein enger Maßstab anzulegen ist. Bei einem dynamischen Geschehen wird vielfach davon auszugehen sein, dass die Einschätzung des Vollstreckungsgerichts bei der Zuschlagserteilung, es liege keine akute Suizidgefahr vor, bei objektiver, durch die neue Begutachtung gestützter Betrachtung als unrichtig anzusehen ist.
24
Besteht indes die Suizidgefahr schon deshalb, weil der Schuldner den Eigentumsverlust durch Zuschlagserteilung befürchtet, oder ist dies zumindest nicht auszuschließen, ist der Zuschlagsbeschluss nötigenfalls aufzuheben. Bei dieser Sachlage ist es, selbst dann, wenn die Suizidgefahr als neuer Umstand, den das Vollstreckungsgericht so noch nicht hat wahrnehmen können, zu bewerten sein sollte, in keinem Fall gerechtfertigt, dass das Vollstreckungsgericht (bei der Entscheidung über die Abhilfe) oder das Beschwerdegericht vor der nunmehr akut bestehenden Gefahr die Augen verschließt und unter Berufung auf die formale Verfahrensgestaltung sehenden Auges eine Entscheidung bestehen lässt, die mit einiger Wahrscheinlichkeit Ursache für den Tod des Schuldners sein kann in der Hoffnung, dass sich die Gefahr anders (etwa nach den bestehenden Unterbringungsgesetzen) wird abwenden lassen. Eine derartige Verfahrensgestaltung wird dem Wert des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG nicht gerecht. Der für die Rechtsprechung des Senats entscheidende Gesichtspunkt der Rechtssicherheit steht dem ebenso wenig entgegen wie das Grundrecht des Gläubigers oder Erstehers aus Art. 14 GG. § 100 ZVG beschränkt zwar die in Betracht kommenden Zuschlagsversagungsgründe, zeigt aber zugleich, dass Gläubiger und Ersteher nicht davon ausgehen können, der erteilte Zuschlag werde unter allen Umständen Bestand haben.

III.

25
Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Das Beschwerdegericht wird über die sofortige Beschwerde und den Einstellungsantrag nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen erneut zu befinden haben.
Krüger Klein Schmidt-Räntsch Zoll Roth
Vorinstanzen:
AG Landshut, Entscheidung vom 17.01.2005 - 23 K 269/02 -
LG Landshut, Entscheidung vom 02.05.2005 - 32 T 287/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/07
vom
14. Juni 2007
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
betreffend den Grundbesitz
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ist mit einer Zwangsvollstreckung die konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des
Schuldners verbunden, so muss das Vollstreckungsgericht, wenn es zur Abwehr dieser
Gefahr die Unterbringung des Schuldners in einer psychiatrischen Einrichtung für erforderlich
hält, mit der Vollstreckungsmaßnahme zuwarten, bis die Unterbringung durch die zuständigen
Behörden und Gerichte angeordnet und durchgeführt worden ist (im Anschluss
an Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

b) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hat der Tatrichter, bevor er die Unterbringung
anregt, stets zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung durch ambulante psychiatrische
und psychotherapeutische Maßnahmen begegnet werden kann. Bei der gebotenen
Abwägung mit den Interessen des Gläubigers (und gegebenenfalls des Erstehers)
sind die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu
berücksichtigen.

c) Regt das Vollstreckungsgericht bei den zuständigen Stellen eine Unterbringung an, sollte
es darauf hinweisen, dass die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners
nicht in einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung gelöst werden kann und dass daher
die Zwangsvollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär
zuständigen Stellen Maßnahmen zum Schutz des Schuldners nicht für notwendig erachten.
BGH, Beschl. v. 14. Juni 2007 - V ZB 28/07 - LG Düsseldorf
AG Neuss
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juni 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Neuss vom 5. September 2006 (Az. 032 K 016/03) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 18.700 €.

Gründe:


1
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsvollstreckung aus einer für sie an dem Grundstück des Schuldners eingetragenen Grundschuld. Die Versteigerung des Grundstücks wurde im Februar 2003 angeordnet. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind als weitere Gläubiger dem Verfahren beigetreten.
2
Nach mehreren Einstellungen des Verfahrens bestimmte das Vollstreckungsgericht den Versteigerungstermin auf den 12. Juli 2006. Mit Schreiben vom 26. Juni 2006 beantragte der Schuldner unter Hinweis auf eine beigefügte ärztliche Bescheinigung, in der eine konkrete Suizidgefahr bescheinigt wurde, den Termin aufzuheben. Dem wurde nicht entsprochen.
3
Nach Durchführung des Versteigerungstermins hat der Schuldner beantragt , das Verfahren nach § 765a ZPO einstweilen einzustellen. Diesen Antrag hat er mit anwaltlichem Schreiben vom 8. August 2006 wiederholt, dem weitere ärztliche Unterlagen beigefügt waren, die das Vollstreckungsgericht als nicht aussagekräftig angesehen hat. Mit Beschluss vom 5. September 2006 hat es den Zuschlag erteilt und den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen.
4
Mit der sofortigen Beschwerde hat der Schuldner u.a. beantragt, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine im Beschwerdeverfahren zuletzt gestellten Anträge weiter.

II.

5
Das Beschwerdegericht geht, nach Einholung einer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme, davon aus, dass der Schuldner infolge des Zwangsversteigerungsverfahrens akut suizidgefährdet ist. Es meint jedoch, dass dieser Gefahr durch eine Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) entgegengewirkt werden könne. Die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung sieht es, gestützt auf seine Erfahrungen, die es aus Beschwerdeverfahren in Unterbringungssachen gewonnen hat, als gegeben an. Um eine Unterbringung zu veranlassen, werde es vor der Zustellung der die sofortige Beschwerde zurückweisenden Entscheidung die zuständige Ordnungsbehörde über die amts- ärztlich bescheinigte akute Suizidgefahr informieren und so auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinwirken.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.
7
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht möglicherweise bereits das Rechtsschutzziel der Beschwerde verkannt habe, indem es das Rechtsmittel nicht als eine Zuschlagbeschwerde (§§ 96, 100 ZVG), sondern allein als eine sofortige Beschwerde nach § 95 ZVG gegen die Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrages gem. § 765a ZPO angesehen habe. Ein solches Verständnis, das angesichts des Umstands, dass der Schuldner auch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses beantragt hat, fehlerhaft wäre, liegt der angegriffenen Entscheidung nicht zugrunde. Das Beschwerdegericht ist vielmehr zutreffend von einer einheitlichen Entscheidung des Vollstreckungsgerichts durch Erteilung des Zuschlags unter gleichzeitiger Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrags ausgegangen, gegen die sich die sofortige Beschwerde gerichtet hat. Der Sache nach – und nur das ist in der Beschwerdeentscheidung hervorgehoben - wendet sich der Schuldner aber allein dagegen, dass sein Vollstreckungsschutzantrag erfolglos geblieben ist. Damit hat er - was möglich ist - die Zuschlagsbeschwerde auf eine Verletzung des § 765a ZPO gestützt.
8
2. Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde aber geltend, dass der beantragte Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nicht mit der gegebenen Begründung versagt werden kann.
9
a) Wie das Beschwerdegericht nicht verkennt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 163, 66, 73; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506) selbst dann, wenn - wie hier - mit der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden ist, eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen des Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (Eigentumsschutz, Art. 14; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG). Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen (BGHZ 163, 66, 74 sowie Senat, Beschl. v. 24. November 2005, aaO). Allerdings sind solche begleitende Maßnahmen nur dann geeignet, der Suizidgefahr entgegenzuwirken, wenn ihre Vornahme auch weitestgehend sichergestellt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508). Diesem Gesichtspunkt trägt die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend Rechnung.
10
b) Das Beschwerdegericht sieht als Alternative zu einer Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses die Möglichkeit einer Unterbringung des Schuldners nach §§ 11, 12 PsychKG (NRW). Ob es dazu kommt, liegt aber, unabhängig von der möglicherweise gegebenen eigenen Sachkunde, nicht in der Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts. Zuständig ist vielmehr nach § 12 Abs. 1 PsychKG (NRW) das Vormundschaftsgericht. Ohne eine Anordnung des Vormundschaftsgerichts fehlt der angefochtenen Entscheidung die die Abwägung tragende Grundlage. Das Vorhaben des Beschwerdegerichts, die für den Wohnsitz des Schuldners zuständige Ordnungsbehörde über die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens sowie über die amtsärztlich belegte akute Suizidgefahr zu informieren und auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinzuwirken, ist nicht geeignet, die für erforderlich gehaltene Maßnahme auch weitestmöglich sicherzustellen. Ob die Ordnungsbehörde den Antrag auf Unterbringung stellt, ob das Vormundschaftsgericht die Unterbringung anordnet, das sind Entscheidungen, auf die das Beschwerdegericht keinen maßgeblichen Einfluss hat. Das wird vorliegend besonders deutlich, wenn der Vortrag der Rechtsbeschwerde zugrunde gelegt wird, dass das Vormundschaftsgericht die Unterbringung des Schuldners am Tage nach der angefochtenen Entscheidung abgelehnt hat.

IV.

11
Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts stellt sich damit als rechtsfehlerhaft dar und ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 ZPO). Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht folgendes zu beachten haben.
12
1. Eine Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses kommt nur in Betracht, wenn dem Ersteher zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist. Mit der Aufhebung verliert er nämlich rückwirkend das durch den Zuschlag gem. § 90 Abs. 1 ZVG erworbene Eigentum. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist gegebenenfalls nachzuholen.
13
2. Sollte das Beschwerdegericht zu der Überzeugung gelangen, dass - trotz einer den Antrag auf Unterbringung ablehnenden Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - weiterhin Suizidgefahr besteht, so wird es zweierlei zu prüfen haben.
14
a) Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Suizidgefahr mit ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Maßnahmen begegnet werden kann. Der Tatrichter hat in einem solchen Fall unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob darin eine Lösung des Konflikts gefunden werden kann, die von dem Gläubiger (und dem Ersteher) angesichts der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG hinzunehmen ist und die einer freiheitsentziehenden Maßnahme wie einer Unterbringung vorzuziehen ist. Eine solche Abwägung hat das Beschwerdegericht bislang nicht vorgenommen. Das wird nachzuholen sein. Dabei sind vor allem die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu berücksichtigen. Voraussetzung ist ferner, dass sich der Schuldner - nachhaltig - einer solchen Therapie unterzieht.
15
b) Kommt eine ambulante Behandlung nicht in Betracht, wird im konkreten Fall zu erwägen sein, bei der zuständigen Behörde erneut die Unterbringung des Schuldners oder bei dem Vormundschaftsgericht die Anordnung einer Betreuung anzuregen. Die für die Vollstreckung zuständigen Organe und Gerichte haben die Eigentumsrechte des Vollstreckungsgläubigers und des Erstehers zu wahren. Die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners kann nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Vollstreckung gelöst werden. Darauf sollten die für eine Unterbringung zuständigen Behörden und Gerichte - nicht nur im konkreten Fall, sondern generell in Fällen, in denen das Vollstreckungsgericht eine Unterbringung des Schuldners für notwendig hält - in der Anregung hingewiesen werden. Hinzuweisen ist ferner auf die Folge, dass nämlich die Vollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für notwendig erachten.
16
Wie weiter zu verfahren ist, hängt von der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ab. Ordnet es die Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) an, so hat das Beschwerdegericht sicherzustellen, dass die Zwangsversteigerung nicht fortgesetzt wird, bevor der Schuldner in Gewahrsam genommen wurde. Hält es eine Unterbringung zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für erforderlich und wird diese Entscheidung bestandskräftig, so liegt darin eine Entscheidung der für die Frage der Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung primär zuständigen Stelle, die es im Regelfall, aber auch erst dann, gestattet, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen (vgl. Schuschke , NJW 2006, 876, 877). Das enthebt das Vollstreckungsgericht (bzw. das Beschwerdegericht ) allerdings nicht der Prüfung, ob zur Beherrschung der Restgefahr andere begleitende Maßnahmen betreuender Art getroffen werden müssen (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

V.

17
1. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 93, Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 574 Abs. 1, § 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
18
2. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdn. 16 Stichwort: "Vollstreckungsschutz") des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Neuss, Entscheidung vom 05.09.2006 - 32 K 16/03 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.02.2007 - 19 T 257/06 -

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/07
vom
14. Juni 2007
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
betreffend den Grundbesitz
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ist mit einer Zwangsvollstreckung die konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des
Schuldners verbunden, so muss das Vollstreckungsgericht, wenn es zur Abwehr dieser
Gefahr die Unterbringung des Schuldners in einer psychiatrischen Einrichtung für erforderlich
hält, mit der Vollstreckungsmaßnahme zuwarten, bis die Unterbringung durch die zuständigen
Behörden und Gerichte angeordnet und durchgeführt worden ist (im Anschluss
an Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

b) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hat der Tatrichter, bevor er die Unterbringung
anregt, stets zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung durch ambulante psychiatrische
und psychotherapeutische Maßnahmen begegnet werden kann. Bei der gebotenen
Abwägung mit den Interessen des Gläubigers (und gegebenenfalls des Erstehers)
sind die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu
berücksichtigen.

c) Regt das Vollstreckungsgericht bei den zuständigen Stellen eine Unterbringung an, sollte
es darauf hinweisen, dass die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners
nicht in einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung gelöst werden kann und dass daher
die Zwangsvollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär
zuständigen Stellen Maßnahmen zum Schutz des Schuldners nicht für notwendig erachten.
BGH, Beschl. v. 14. Juni 2007 - V ZB 28/07 - LG Düsseldorf
AG Neuss
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juni 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Neuss vom 5. September 2006 (Az. 032 K 016/03) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 18.700 €.

Gründe:


1
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsvollstreckung aus einer für sie an dem Grundstück des Schuldners eingetragenen Grundschuld. Die Versteigerung des Grundstücks wurde im Februar 2003 angeordnet. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind als weitere Gläubiger dem Verfahren beigetreten.
2
Nach mehreren Einstellungen des Verfahrens bestimmte das Vollstreckungsgericht den Versteigerungstermin auf den 12. Juli 2006. Mit Schreiben vom 26. Juni 2006 beantragte der Schuldner unter Hinweis auf eine beigefügte ärztliche Bescheinigung, in der eine konkrete Suizidgefahr bescheinigt wurde, den Termin aufzuheben. Dem wurde nicht entsprochen.
3
Nach Durchführung des Versteigerungstermins hat der Schuldner beantragt , das Verfahren nach § 765a ZPO einstweilen einzustellen. Diesen Antrag hat er mit anwaltlichem Schreiben vom 8. August 2006 wiederholt, dem weitere ärztliche Unterlagen beigefügt waren, die das Vollstreckungsgericht als nicht aussagekräftig angesehen hat. Mit Beschluss vom 5. September 2006 hat es den Zuschlag erteilt und den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen.
4
Mit der sofortigen Beschwerde hat der Schuldner u.a. beantragt, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine im Beschwerdeverfahren zuletzt gestellten Anträge weiter.

II.

5
Das Beschwerdegericht geht, nach Einholung einer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme, davon aus, dass der Schuldner infolge des Zwangsversteigerungsverfahrens akut suizidgefährdet ist. Es meint jedoch, dass dieser Gefahr durch eine Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) entgegengewirkt werden könne. Die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung sieht es, gestützt auf seine Erfahrungen, die es aus Beschwerdeverfahren in Unterbringungssachen gewonnen hat, als gegeben an. Um eine Unterbringung zu veranlassen, werde es vor der Zustellung der die sofortige Beschwerde zurückweisenden Entscheidung die zuständige Ordnungsbehörde über die amts- ärztlich bescheinigte akute Suizidgefahr informieren und so auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinwirken.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.
7
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht möglicherweise bereits das Rechtsschutzziel der Beschwerde verkannt habe, indem es das Rechtsmittel nicht als eine Zuschlagbeschwerde (§§ 96, 100 ZVG), sondern allein als eine sofortige Beschwerde nach § 95 ZVG gegen die Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrages gem. § 765a ZPO angesehen habe. Ein solches Verständnis, das angesichts des Umstands, dass der Schuldner auch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses beantragt hat, fehlerhaft wäre, liegt der angegriffenen Entscheidung nicht zugrunde. Das Beschwerdegericht ist vielmehr zutreffend von einer einheitlichen Entscheidung des Vollstreckungsgerichts durch Erteilung des Zuschlags unter gleichzeitiger Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrags ausgegangen, gegen die sich die sofortige Beschwerde gerichtet hat. Der Sache nach – und nur das ist in der Beschwerdeentscheidung hervorgehoben - wendet sich der Schuldner aber allein dagegen, dass sein Vollstreckungsschutzantrag erfolglos geblieben ist. Damit hat er - was möglich ist - die Zuschlagsbeschwerde auf eine Verletzung des § 765a ZPO gestützt.
8
2. Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde aber geltend, dass der beantragte Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nicht mit der gegebenen Begründung versagt werden kann.
9
a) Wie das Beschwerdegericht nicht verkennt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 163, 66, 73; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506) selbst dann, wenn - wie hier - mit der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden ist, eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen des Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (Eigentumsschutz, Art. 14; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG). Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen (BGHZ 163, 66, 74 sowie Senat, Beschl. v. 24. November 2005, aaO). Allerdings sind solche begleitende Maßnahmen nur dann geeignet, der Suizidgefahr entgegenzuwirken, wenn ihre Vornahme auch weitestgehend sichergestellt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508). Diesem Gesichtspunkt trägt die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend Rechnung.
10
b) Das Beschwerdegericht sieht als Alternative zu einer Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses die Möglichkeit einer Unterbringung des Schuldners nach §§ 11, 12 PsychKG (NRW). Ob es dazu kommt, liegt aber, unabhängig von der möglicherweise gegebenen eigenen Sachkunde, nicht in der Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts. Zuständig ist vielmehr nach § 12 Abs. 1 PsychKG (NRW) das Vormundschaftsgericht. Ohne eine Anordnung des Vormundschaftsgerichts fehlt der angefochtenen Entscheidung die die Abwägung tragende Grundlage. Das Vorhaben des Beschwerdegerichts, die für den Wohnsitz des Schuldners zuständige Ordnungsbehörde über die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens sowie über die amtsärztlich belegte akute Suizidgefahr zu informieren und auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinzuwirken, ist nicht geeignet, die für erforderlich gehaltene Maßnahme auch weitestmöglich sicherzustellen. Ob die Ordnungsbehörde den Antrag auf Unterbringung stellt, ob das Vormundschaftsgericht die Unterbringung anordnet, das sind Entscheidungen, auf die das Beschwerdegericht keinen maßgeblichen Einfluss hat. Das wird vorliegend besonders deutlich, wenn der Vortrag der Rechtsbeschwerde zugrunde gelegt wird, dass das Vormundschaftsgericht die Unterbringung des Schuldners am Tage nach der angefochtenen Entscheidung abgelehnt hat.

IV.

11
Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts stellt sich damit als rechtsfehlerhaft dar und ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 ZPO). Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht folgendes zu beachten haben.
12
1. Eine Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses kommt nur in Betracht, wenn dem Ersteher zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist. Mit der Aufhebung verliert er nämlich rückwirkend das durch den Zuschlag gem. § 90 Abs. 1 ZVG erworbene Eigentum. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist gegebenenfalls nachzuholen.
13
2. Sollte das Beschwerdegericht zu der Überzeugung gelangen, dass - trotz einer den Antrag auf Unterbringung ablehnenden Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - weiterhin Suizidgefahr besteht, so wird es zweierlei zu prüfen haben.
14
a) Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Suizidgefahr mit ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Maßnahmen begegnet werden kann. Der Tatrichter hat in einem solchen Fall unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob darin eine Lösung des Konflikts gefunden werden kann, die von dem Gläubiger (und dem Ersteher) angesichts der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG hinzunehmen ist und die einer freiheitsentziehenden Maßnahme wie einer Unterbringung vorzuziehen ist. Eine solche Abwägung hat das Beschwerdegericht bislang nicht vorgenommen. Das wird nachzuholen sein. Dabei sind vor allem die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu berücksichtigen. Voraussetzung ist ferner, dass sich der Schuldner - nachhaltig - einer solchen Therapie unterzieht.
15
b) Kommt eine ambulante Behandlung nicht in Betracht, wird im konkreten Fall zu erwägen sein, bei der zuständigen Behörde erneut die Unterbringung des Schuldners oder bei dem Vormundschaftsgericht die Anordnung einer Betreuung anzuregen. Die für die Vollstreckung zuständigen Organe und Gerichte haben die Eigentumsrechte des Vollstreckungsgläubigers und des Erstehers zu wahren. Die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners kann nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Vollstreckung gelöst werden. Darauf sollten die für eine Unterbringung zuständigen Behörden und Gerichte - nicht nur im konkreten Fall, sondern generell in Fällen, in denen das Vollstreckungsgericht eine Unterbringung des Schuldners für notwendig hält - in der Anregung hingewiesen werden. Hinzuweisen ist ferner auf die Folge, dass nämlich die Vollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für notwendig erachten.
16
Wie weiter zu verfahren ist, hängt von der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ab. Ordnet es die Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) an, so hat das Beschwerdegericht sicherzustellen, dass die Zwangsversteigerung nicht fortgesetzt wird, bevor der Schuldner in Gewahrsam genommen wurde. Hält es eine Unterbringung zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für erforderlich und wird diese Entscheidung bestandskräftig, so liegt darin eine Entscheidung der für die Frage der Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung primär zuständigen Stelle, die es im Regelfall, aber auch erst dann, gestattet, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen (vgl. Schuschke , NJW 2006, 876, 877). Das enthebt das Vollstreckungsgericht (bzw. das Beschwerdegericht ) allerdings nicht der Prüfung, ob zur Beherrschung der Restgefahr andere begleitende Maßnahmen betreuender Art getroffen werden müssen (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

V.

17
1. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 93, Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 574 Abs. 1, § 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
18
2. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdn. 16 Stichwort: "Vollstreckungsschutz") des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Neuss, Entscheidung vom 05.09.2006 - 32 K 16/03 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.02.2007 - 19 T 257/06 -

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/07
vom
14. Juni 2007
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
betreffend den Grundbesitz
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ist mit einer Zwangsvollstreckung die konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des
Schuldners verbunden, so muss das Vollstreckungsgericht, wenn es zur Abwehr dieser
Gefahr die Unterbringung des Schuldners in einer psychiatrischen Einrichtung für erforderlich
hält, mit der Vollstreckungsmaßnahme zuwarten, bis die Unterbringung durch die zuständigen
Behörden und Gerichte angeordnet und durchgeführt worden ist (im Anschluss
an Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

b) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hat der Tatrichter, bevor er die Unterbringung
anregt, stets zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung durch ambulante psychiatrische
und psychotherapeutische Maßnahmen begegnet werden kann. Bei der gebotenen
Abwägung mit den Interessen des Gläubigers (und gegebenenfalls des Erstehers)
sind die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu
berücksichtigen.

c) Regt das Vollstreckungsgericht bei den zuständigen Stellen eine Unterbringung an, sollte
es darauf hinweisen, dass die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners
nicht in einer dauerhaften Einstellung der Vollstreckung gelöst werden kann und dass daher
die Zwangsvollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär
zuständigen Stellen Maßnahmen zum Schutz des Schuldners nicht für notwendig erachten.
BGH, Beschl. v. 14. Juni 2007 - V ZB 28/07 - LG Düsseldorf
AG Neuss
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juni 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Neuss vom 5. September 2006 (Az. 032 K 016/03) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 18.700 €.

Gründe:


1
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsvollstreckung aus einer für sie an dem Grundstück des Schuldners eingetragenen Grundschuld. Die Versteigerung des Grundstücks wurde im Februar 2003 angeordnet. Die Beteiligten zu 2 bis 4 sind als weitere Gläubiger dem Verfahren beigetreten.
2
Nach mehreren Einstellungen des Verfahrens bestimmte das Vollstreckungsgericht den Versteigerungstermin auf den 12. Juli 2006. Mit Schreiben vom 26. Juni 2006 beantragte der Schuldner unter Hinweis auf eine beigefügte ärztliche Bescheinigung, in der eine konkrete Suizidgefahr bescheinigt wurde, den Termin aufzuheben. Dem wurde nicht entsprochen.
3
Nach Durchführung des Versteigerungstermins hat der Schuldner beantragt , das Verfahren nach § 765a ZPO einstweilen einzustellen. Diesen Antrag hat er mit anwaltlichem Schreiben vom 8. August 2006 wiederholt, dem weitere ärztliche Unterlagen beigefügt waren, die das Vollstreckungsgericht als nicht aussagekräftig angesehen hat. Mit Beschluss vom 5. September 2006 hat es den Zuschlag erteilt und den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen.
4
Mit der sofortigen Beschwerde hat der Schuldner u.a. beantragt, den Zuschlagsbeschluss aufzuheben. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine im Beschwerdeverfahren zuletzt gestellten Anträge weiter.

II.

5
Das Beschwerdegericht geht, nach Einholung einer weiteren amtsärztlichen Stellungnahme, davon aus, dass der Schuldner infolge des Zwangsversteigerungsverfahrens akut suizidgefährdet ist. Es meint jedoch, dass dieser Gefahr durch eine Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) entgegengewirkt werden könne. Die Voraussetzungen für eine solche Unterbringung sieht es, gestützt auf seine Erfahrungen, die es aus Beschwerdeverfahren in Unterbringungssachen gewonnen hat, als gegeben an. Um eine Unterbringung zu veranlassen, werde es vor der Zustellung der die sofortige Beschwerde zurückweisenden Entscheidung die zuständige Ordnungsbehörde über die amts- ärztlich bescheinigte akute Suizidgefahr informieren und so auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinwirken.

III.

6
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.
7
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht möglicherweise bereits das Rechtsschutzziel der Beschwerde verkannt habe, indem es das Rechtsmittel nicht als eine Zuschlagbeschwerde (§§ 96, 100 ZVG), sondern allein als eine sofortige Beschwerde nach § 95 ZVG gegen die Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrages gem. § 765a ZPO angesehen habe. Ein solches Verständnis, das angesichts des Umstands, dass der Schuldner auch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses beantragt hat, fehlerhaft wäre, liegt der angegriffenen Entscheidung nicht zugrunde. Das Beschwerdegericht ist vielmehr zutreffend von einer einheitlichen Entscheidung des Vollstreckungsgerichts durch Erteilung des Zuschlags unter gleichzeitiger Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrags ausgegangen, gegen die sich die sofortige Beschwerde gerichtet hat. Der Sache nach – und nur das ist in der Beschwerdeentscheidung hervorgehoben - wendet sich der Schuldner aber allein dagegen, dass sein Vollstreckungsschutzantrag erfolglos geblieben ist. Damit hat er - was möglich ist - die Zuschlagsbeschwerde auf eine Verletzung des § 765a ZPO gestützt.
8
2. Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde aber geltend, dass der beantragte Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nicht mit der gegebenen Begründung versagt werden kann.
9
a) Wie das Beschwerdegericht nicht verkennt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 163, 66, 73; Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506) selbst dann, wenn - wie hier - mit der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden ist, eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen des Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (Eigentumsschutz, Art. 14; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG). Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen (BGHZ 163, 66, 74 sowie Senat, Beschl. v. 24. November 2005, aaO). Allerdings sind solche begleitende Maßnahmen nur dann geeignet, der Suizidgefahr entgegenzuwirken, wenn ihre Vornahme auch weitestgehend sichergestellt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508). Diesem Gesichtspunkt trägt die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend Rechnung.
10
b) Das Beschwerdegericht sieht als Alternative zu einer Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses die Möglichkeit einer Unterbringung des Schuldners nach §§ 11, 12 PsychKG (NRW). Ob es dazu kommt, liegt aber, unabhängig von der möglicherweise gegebenen eigenen Sachkunde, nicht in der Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts. Zuständig ist vielmehr nach § 12 Abs. 1 PsychKG (NRW) das Vormundschaftsgericht. Ohne eine Anordnung des Vormundschaftsgerichts fehlt der angefochtenen Entscheidung die die Abwägung tragende Grundlage. Das Vorhaben des Beschwerdegerichts, die für den Wohnsitz des Schuldners zuständige Ordnungsbehörde über die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens sowie über die amtsärztlich belegte akute Suizidgefahr zu informieren und auf die sofortige Unterbringung des Schuldners hinzuwirken, ist nicht geeignet, die für erforderlich gehaltene Maßnahme auch weitestmöglich sicherzustellen. Ob die Ordnungsbehörde den Antrag auf Unterbringung stellt, ob das Vormundschaftsgericht die Unterbringung anordnet, das sind Entscheidungen, auf die das Beschwerdegericht keinen maßgeblichen Einfluss hat. Das wird vorliegend besonders deutlich, wenn der Vortrag der Rechtsbeschwerde zugrunde gelegt wird, dass das Vormundschaftsgericht die Unterbringung des Schuldners am Tage nach der angefochtenen Entscheidung abgelehnt hat.

IV.

11
Der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts stellt sich damit als rechtsfehlerhaft dar und ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 ZPO). Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht folgendes zu beachten haben.
12
1. Eine Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses kommt nur in Betracht, wenn dem Ersteher zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist. Mit der Aufhebung verliert er nämlich rückwirkend das durch den Zuschlag gem. § 90 Abs. 1 ZVG erworbene Eigentum. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist gegebenenfalls nachzuholen.
13
2. Sollte das Beschwerdegericht zu der Überzeugung gelangen, dass - trotz einer den Antrag auf Unterbringung ablehnenden Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - weiterhin Suizidgefahr besteht, so wird es zweierlei zu prüfen haben.
14
a) Die Rechtsbeschwerde weist zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Suizidgefahr mit ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Maßnahmen begegnet werden kann. Der Tatrichter hat in einem solchen Fall unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob darin eine Lösung des Konflikts gefunden werden kann, die von dem Gläubiger (und dem Ersteher) angesichts der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG hinzunehmen ist und die einer freiheitsentziehenden Maßnahme wie einer Unterbringung vorzuziehen ist. Eine solche Abwägung hat das Beschwerdegericht bislang nicht vorgenommen. Das wird nachzuholen sein. Dabei sind vor allem die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung und die voraussichtliche Dauer zu berücksichtigen. Voraussetzung ist ferner, dass sich der Schuldner - nachhaltig - einer solchen Therapie unterzieht.
15
b) Kommt eine ambulante Behandlung nicht in Betracht, wird im konkreten Fall zu erwägen sein, bei der zuständigen Behörde erneut die Unterbringung des Schuldners oder bei dem Vormundschaftsgericht die Anordnung einer Betreuung anzuregen. Die für die Vollstreckung zuständigen Organe und Gerichte haben die Eigentumsrechte des Vollstreckungsgläubigers und des Erstehers zu wahren. Die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners kann nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Vollstreckung gelöst werden. Darauf sollten die für eine Unterbringung zuständigen Behörden und Gerichte - nicht nur im konkreten Fall, sondern generell in Fällen, in denen das Vollstreckungsgericht eine Unterbringung des Schuldners für notwendig hält - in der Anregung hingewiesen werden. Hinzuweisen ist ferner auf die Folge, dass nämlich die Vollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für notwendig erachten.
16
Wie weiter zu verfahren ist, hängt von der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ab. Ordnet es die Unterbringung nach §§ 10 ff. PsychKG (NRW) an, so hat das Beschwerdegericht sicherzustellen, dass die Zwangsversteigerung nicht fortgesetzt wird, bevor der Schuldner in Gewahrsam genommen wurde. Hält es eine Unterbringung zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für erforderlich und wird diese Entscheidung bestandskräftig, so liegt darin eine Entscheidung der für die Frage der Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung primär zuständigen Stelle, die es im Regelfall, aber auch erst dann, gestattet, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen (vgl. Schuschke , NJW 2006, 876, 877). Das enthebt das Vollstreckungsgericht (bzw. das Beschwerdegericht ) allerdings nicht der Prüfung, ob zur Beherrschung der Restgefahr andere begleitende Maßnahmen betreuender Art getroffen werden müssen (vgl. Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 24/05, NJW 2006, 508).

V.

17
1. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 93 Rdn. 2; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 93, Rdn. 2.1) und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gem. §§ 574 Abs. 1, § 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659).
18
2. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert einer Zuschlagsbeschwerde des Schuldners, die auf der Zurückweisung eines Vollstreckungsschutzantrags nach § 765a ZPO beruht. Diesen Wert bemisst der Senat mit einem Bruchteil von 1/10 (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdn. 16 Stichwort: "Vollstreckungsschutz") des nach dem Versteigerungsergebnis anzunehmenden Zuschlagswertes.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub

Vorinstanzen:
AG Neuss, Entscheidung vom 05.09.2006 - 32 K 16/03 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.02.2007 - 19 T 257/06 -