Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - V ZB 78/10

bei uns veröffentlicht am14.10.2010
vorgehend
Amtsgericht Pirna, XIV B 6/10, 27.01.2010
Landgericht Dresden, 2 T 150/10, 15.03.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 78/10
vom
14. Oktober 2010
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FamFG § 62 Abs. 1; AsylVfG § 55 Abs. 1 Satz 3; Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des
Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-Verordnung) Art. 4 Abs. 2 Satz 1

a) Der sich in Abschiebungshaft befindende Ausländer kann in einem Beschwerdeverfahren
neben der Aufhebung der Haftanordnung zugleich analog § 62 Abs. 1
FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung beantragen.

b) Ein von der Grenzbehörde protokolliertes Asylgesuch ist nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1
Dublin II-Verordnung als eine weitere Form für die Stellung eines förmlichen Asylantrags
bei der zuständigen Behörde anzusehen (Fortführung von Senat, Beschluss
vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, Rn. 9, 10). Mit dem Eingang der Niederschrift
bei dem zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erwirbt der
aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen sicheren
Drittstaat eingereiste Ausländer die gesetzliche Aufenthaltsgestattung nach § 55
Abs. 1 Satz 3 AsylVfG.
BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10 - LG Dresden
AG Pirna
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Rinkler beigeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 15. März 2010 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Inhaftierung über den 7. März 2010 hinaus den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Wegen des weitergehenden Feststellungsantrags wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste mit gefälschten Papieren und einem gefälschten Visum unter einem Aliasnamen aus Griechenland kommend über Österreich nach Deutschland ein. In den gefälschten Papieren ist der 21. Februar 1982 als Geburtsdatum des Betroffenen ausgewiesen , gegenüber der Beteiligten zu 2 (der Bundespolizei als Grenzbehörde), die ihn am Morgen des 26. Januar 2010 bei einer Kontrolle auf der Bundesautobahn festnahm, gab der Betroffene sein Alter mit 17 Jahren an.
2
Die Beteiligte zu 2 beantragte am Tage der Festnahme bei dem Amtsgericht die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung des Betroffenen nach Afghanistan. Bei seiner Anhörung vor dem Amtsgericht erklärte der Betroffene, dass er in Deutschland um Asyl nachsuche. Im Hinblick auf diese Erklärung ordnete das Amtsgericht nicht die beantragte Zurückschiebungshaft, sondern die Ingewahrsamnahme des Betroffenen bei der Bundespolizei bis zum 27. Januar 2010 an.
3
Am folgenden Tag, dem 27. Januar 2010, beantragte die Beteiligte zu 2 die Haft zum Zwecke der Zurückschiebung, nunmehr für eine Überstellung des Betroffenen nach Griechenland. Nach erneuter Anhörung ordnete das Amtsgericht am frühen Nachmittag Zurückschiebungshaft für eine Überstellung des Betroffenen nach Griechenland bis spätestens zum 26. April 2010 und die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung an.
4
Dagegen hat der Betroffene am 12. Februar 2010 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Der Betroffene hat im Beschwerdeverfahren weiter beantragt, die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung festzustellen. Mit einem am 7. März 2010 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz hat er eine Ablichtung seines Eilantrags an das Verwaltungsgericht vom gleichen Tage beigefügt, mit dem er die Aussetzung seiner Zurückschiebung nach Griechenland beantragt hat.
5
Nachdem das Verwaltungsgericht dem Eilantrag auf Aussetzung der Zurückschiebung am 15. März 2010 stattgegeben hatte, hat das Landgericht am gleichen Tage in einem ersten Beschluss die Haftanordnung aufgehoben und die sofortige Entlassung des Betroffenen aus der Haft angeordnet und in einem weiteren ergänzenden Beschluss den Feststellungsantrag als unzulässig verworfen , einen Ersatz der dem Betroffenen durch die Rechtsverfolgung entstandenen Auslagen nach § 430 FamFG abgelehnt und die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss zugelassen.
6
Mit der gegen den Beschluss des Landgerichts gerichteten Rechtsbeschwerde erstrebt der Betroffene, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung und der Beschwerdeentscheidung festzustellen.

II.

7
Das Beschwerdegericht meint, dass der Feststellungsantrag nach § 62 FamFG nicht zulässig sei, da sich die Hauptsache in der Beschwerdeinstanz nicht erledigt habe. Zwar sei angesichts des Eingriffs in Freiheitsgrundrechte ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung denkbar; der Gesetzgeber habe aber davon abgesehen, eine solche Antragsbefugnis zu schaffen.
8
Im Rahmen der Kostenentscheidung hat das Beschwerdegericht ausgeführt , dass die Haftanordnung zu Recht ergangen sei. Das Asylgesuch des Betroffenen und dessen nicht glaubhaften Angaben zu seinem Alter hätten der Haftanordnung nicht entgegengestanden. Eine Überstellung nach Griechenland sei möglich gewesen, einer Haftanordnung zu diesem Zweck stehe auch die spätere anderslautende verwaltungsgerichtliche Entscheidung nicht entgegen.

III.

9
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und nach § 71 FamFG auch im Übrigen zulässig.
10
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, und der angefochtene Beschluss ist aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Die Verwerfung des Feststellungsantrags als unzulässig hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Für die Zulässigkeit eines im Beschwerdeverfahren gestellten Antrags des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung ist es ohne Bedeutung, ob sich die Hauptsache (etwa auf Grund einer von der Behörde verfügten Haftentlassung ) schon vor einer Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Haftanordnung erledigt hat oder - wie hier - die Freiheitsentziehung durch die Entscheidung über die Beschwerde beendet wird.
11
a) Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass die Hauptsache nicht erledigt war. In den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache dann ein, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 62 Rn. 1; zum FGG: BGH, Beschluss vom 25. November 1981 - IV b ZB 756/81, NJW 1982, 2505, 2506; OLG Hamm, NJW-RR 2000, 1022, 1023; OLG München, FGPrax 2006, 228). Daran fehlt es hier, weil der Betroffene bis zu der Entscheidung über die Beschwerde inhaftiert war. Die die Aufhebung der Haft anordnende Entscheidung über die Beschwerde ist kein die Hauptsache erledigendes Ereignis (vgl. Joachim/Kräft in Bahrenfuss, FamFG, § 62 Rn. 3).
12
b) Die Verwerfung des Feststellungsantrags als unzulässig ist dennoch rechtsfehlerhaft. Das Beschwerdegericht hat bei seiner allein auf den Wortlaut des § 62 Abs. 1 FamFG gestützten Auslegung die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebenden Anforderungen für einen effektiven Rechtsschutz nach Freiheitsentziehungen nicht erkannt. In Haftsachen hängt die Gewährung von Rechtsschutz im Hinblick auf das bestehende Rehabilitierungsinteresse weder von dem konkreten Ablauf des Verfahrens noch von dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme ab (vgl. BVerfG, BVerfGE 104, 220, 235 und Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04, juris Rn. 22). Bei Freiheitsentziehungen durch Haft besteht auch dann ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an der (nachträglichen) Feststellung der Rechtswidrigkeit, wenn sie erledigt sind, was die Fachgerichte bei der Beantwortung der Frage nach einem Rechtsschutzinteresse gemäß Art. 19 Abs. 4 GG beachten müssen (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04, juris Rn. 25). Die Haftaufhebung ist ein "wesensgleiches Plus" zu der Feststellung, dass die Inhaftierung rechtswidrig ist; mit dieser wird die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit praktisch umgesetzt (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 2005 - 2 BvR 2233/04, aaO).
13
Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund kann der von einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung Betroffene in dem Beschwerdeverfahren nicht nur die Aufhebung einer noch wirksamen Haftanordnung, sondern zugleich analog § 62 Abs. 1 FamFG auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung verlangen (Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 62 Rn. 8).
14
3. Die Sache ist nur bezüglich eines Teiles des Inhaftierungszeitraums für eine Endentscheidung reif (§ 74 Abs. 5 Satz 1 FamFG).
15
Die Haft durfte nicht über den 7. März 2010 hinaus fortgesetzt werden. Das Beschwerdegericht hätte, nachdem es von dem Eilantrag des Betroffenen vor dem Verwaltungsgericht nach §§ 80, 123 VwGO Kenntnis erhielt, die Haftanordnung aufheben müssen. Die Fortdauer der Haft über diesen Zeitpunkt hinaus verletzte den Betroffenen in seinen Rechten, weil solchen Anträgen von den Verwaltungsgerichten bei Überstellungen nach Griechenland derzeit regelmäßig stattgegeben wird (dazu Senat, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 152 und vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, Rn. 15, juris).
16
Diesen Umstand muss der Haftrichter nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG berücksichtigen, der von ihm die Prognose verlangt, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann. Diese Prognose fällt von dem Zeitpunkt der Unterrichtung des Haftrichters über einen solchen Antrag beim Verwaltungsgericht an negativ aus, was die Aufhebung einer zur Sicherung einer Zurückschiebung nach § 18 Abs. 3 AsylVfG, § 57 Abs. 3, § 62 Abs. 2 AufenthG angeordneten Haft nach § 426 FamFG im Beschwerdeverfahren gebietet (Senat, Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 151, 152 und vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, Rn. 15, juris).
17
4. Im Übrigen ist die Sache zur anderweitigen Behandlung der Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5 Satz 2 FamFG).
18
a) Schon die Haftanordnung des Amtsgerichts vom 27. Januar 2010 hätte den Betroffenen in seinem Grundrecht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt, wenn in dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses sein Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 55 Abs. 1 Satz 1, 3 AsylVfG gestattet gewesen sein sollte und somit ein von Amts wegen zu beachtendes Hafthindernis (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2005 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151 mwN) vorgelegen hätte. Das kommt hier nach dem Akteninhalt in Betracht.
19
aa) Richtig ist zwar die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass bei einer Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder aus einem anderen sicheren Drittstaat die gesetzliche Aufenthaltsgestattung nicht schon mit dem keiner Form unterliegenden Asylgesuch nach § 13 Abs. 1 AsylVfG gegenüber der Grenzbehörde, sondern nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erst mit dem Eingang eines förmlichen Asylantrags nach § 14 AsylVfG bei dem zuständigen Bundesamt (zur Unterscheidung zwischen Asylgesuch und -antrag: BVerwG NVwZ-RR 1998, 264) erworben wird (vgl. Senat, Beschlüsse vom 21. November 2002 - V ZB 49/02, BGHZ 153, 18, 21 und vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 152). Ein förmlicher Antrag gemäß § 64 VwVfG ist von dem Betroffenen entweder in Schriftform dem zuständigen Bundesamt zu übermitteln oder vor diesem zur Niederschrift zu erklären (Senat, Beschluss vom 21. November 2002 - V ZB 49/02, BGHZ 153, 18, 21; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 14 AsylVfG Rn. 14; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 14 Rn. 16). Nach der Mitteilung des Bundesamts an das Landgericht soll ein solcher schriftlicher Asylantrag des Betroffenen dort erst am 16. Februar 2010 und somit lange nach der Anordnung der Zurückschiebungshaft am 27. Januar 2010 eingegangen sein.
20
bb) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde jedoch in diesem Punkt einen Verstoß des Beschwerdegerichts gegen seine Amtsermittlungspflichten nach § 26 FamFG. Sie verweist dazu auf den in der Verfahrensakte enthaltenen Bericht der Beteiligten zu 2 über den Ablauf des Verfahrens. Danach unterrichtete die Beteiligte zu 2 am 27. Januar 2010 die Zentralstelle des Bundesamts über den "Dublin II Fall", nahm sodann ein schriftliches Asylbegehren des Betroffenen auf und leitete dieses an den zuständigen Sachbearbeiter im Bundesamt weiter; erst anschließend erarbeitete sie die Zurückschiebungsverfügung, führte den Betroffenen erneut beim Amtsgericht unter Beantragung von Zurückschiebungshaft für eine Überstellung nach Griechenland vor und lieferte ihn nach dem Ergehen des amtsgerichtlichen Beschlusses in die Justizvollzugsanstalt ein.
21
Der sich aus dem zur Akte gereichten Verlaufsbericht ergebende Ablauf wird im Übrigen unterstützt durch die Erklärungen der Beteiligten zu 2 in ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung, nach der sie die von ihr aufgenommene und von dem Betroffenen unterschriebene Niederschrift zu seinem Einreisebegehren am 27. Januar 2010 vorab per Telefax dem Bundesamt übersandt habe.
22
cc) Dies hätte jedoch - anders als die Beteiligte zu 2 meint - Folgen für die beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung.
23
(1) Die Haftanordnung wäre von Anfang an unzulässig gewesen, wenn die morgens um 8:45 Uhr bei der Beteiligten zu 2 aufgenommene Niederschrift vor der am frühen Nachmittag von dem Amtsgericht angeordneten Zurückschiebungshaft bei der Zentrale des Bundesamts eingegangen sein sollte. Mit dem Zugang dieses Protokolls hätte der Betroffene nämlich die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG bereits erworben, so dass nachfolgend wegen des nunmehr bestehenden Hafthindernisses die Zurückschiebungshaft nicht mehr hätte angeordnet werden dürfen.
24
(a) Die Niederschrift des Einreisegesuchs wäre der zuständigen Stelle zugegangen. Zwar gilt auch nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-Verordnung ein Asylantrag erst dann als gestellt, wenn er der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates zugegangen ist. Zuständig für die Entgegennahme des Asylantrags war hier nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG die Zentrale des Bundesamtes, weil sich der Betroffene bereits seit dem Vortage auf Grund richterlicher Anordnung nach § 39 Abs. 1 Satz 3, § 40 BPolG im Gewahrsam der Bundespolizei befand (Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 14 Rn. 44).
25
(b) Das Einreisegesuch genügte auch den Formvorschriften für einen Asylantrag in § 4 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-Verordnung. Der einzureichende An- trag muss danach nicht ein schriftlicher Antrag nach § 64 Alt. 1 VwVfG sein, worunter die Einreichung eines mit der Unterschrift versehenen Schreibens des Antragstellers oder eines von ihm unterschriebenen Formblatts verstanden wird (zur Schriftform nach § 64 VwVfG: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 64 Rn. 5). § 4 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-Verordnung sieht ausdrücklich auch den Zugang eines behördlich protokollierten Antrags als eine weitere Form für die Stellung eines Asylantrags bei der zuständigen Behörde vor (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 213/09, Rn. 9, 10, juris).
26
(c) Das als Niederschrift zu einem Einreisebegehren bezeichnete Dokument wäre auch seinem Inhalt nach ein Asylbegehren nach § 13 AsylVfG, was von dem Haftrichter bei der Feststellung der Voraussetzungen des sich aus § 55 Abs. 1 AsylVfG ergebenden Hafthindernisses zu prüfen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 31. November 2002 - V ZB 49/02, BGHZ 153, 18, 21).
27
(aa) Asylbegehren im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG sind allerdings allein die Gesuche um Schutz vor politischer Verfolgung und um Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG wegen der dem Betroffenen bei einer Abschiebung drohenden, in § 60 Abs. 1 AufenthG bezeichneten Gefahren (Hailbronner, Ausländerrecht, 64. Aktualisierung [Juni 2009], § 13 Rn. 4; Marx, AsylVfG, 7. Auflage, § 13 Rn. 2; Göbel-Zimmermann/Masuch in Huber, AufenthG, § 60 Rn. 20, 21). Keine Asylgesuche sind demgegenüber die auf die Gewährung eines Abschiebungsschutzes aus den in § 60 Abs. 2 bis 5, 7 AufenthG bezeichneten Gründen beschränkten Begehren (Renner, Ausländerrecht , 8. Aufl., AsylVfG, § 13 Rn. 5; Hailbronner, aaO, Rn 4). Die Abgrenzung ist allerdings nicht trennscharf durchzuführen, so dass ein Asylbegehren bereits dann vorliegt, wenn das Vorbringen des Ausländers zumindest auch auf die Gefahr einer politischen Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG hindeutet (Hailbronner, Ausländerrecht, 64. Aktualisierung [2009], § 13 Rn. 5; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 13 Rn. 5; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., AsylVfG, § 13 Rn. 5).
28
(bb) Ein von dem Haftrichter zu beachtendes Asylbegehren liegt danach vor, wenn in den von dem Ausländer abgegebenen Erklärungen zum Ausdruck kommt, dass er Schutz vor einer - sei es auch nur subjektiv empfundenen - politischen Verfolgung begehrt (vgl. KG, FGPrax 1997, 116). Aus den Bekundungen des Betroffenen in der Niederschrift, dass er auf Grund seiner Religionszugehörigkeit (als Schiit) und wegen der Gegnerschaft seines von Taliban-Milizen getöteten Vaters nicht in sein Heimatland Afghanistan abgeschoben werden dürfe, ergibt sich, dass er zumindest meint, bei einer Rückkehr in sein Heimatland auch wegen seiner Religionszugehörigkeit bedroht zu sein (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Für die Behandlung der Erklärung als Asylbegehren spricht hier ferner der Umstand, dass die Beteiligte zu 2 die von ihr protokollierten Erklärungen jedenfalls als ein Asylbegehren behandelt hat, indem sie das Protokoll an das für die Entscheidung auf Asylgründe gestützte Schutzbegehren ausschließlich zuständige Bundesamt (BVerwG, NVwZ 2006, 830, 831) zugeleitet haben will.
29
(d) Die Haftanordnung wäre unter diesen Umständen auch nicht nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG zulässig gewesen. Zwar befand sich der Betroffene bereits seit dem 26. Januar 2010 auf Grund richterlicher Entscheidung nach § 39 Abs. 1 Satz 3, § 40 BPolG im Gewahrsam der Beteiligten zu 2. Dies ist jedoch keine der in § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Haftarten, bei denen auch ein erstmalig aus der Haft gestellter Asylantrag der Anordnung oder Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft nicht entgegensteht. Die Aufzählung der Haftarten im Gesetz ist abschließend; der polizeiliche oder behördliche Gewahrsam gehört nicht dazu. Die Anbringung eines Asylantrags aus solchem Gewahrsam begründet die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG, die einer auf § 62 AufenthG gestützten Haftanordnung entgegensteht (OLG Frankfurt , InfAuslR 1998, 457, 458; KG, InfAuslR 2004, 308, 309).
30
dd) Eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung ist jedoch wegen der Widersprüche in den Protokollen der Beteiligten zu 2 zu den Erklärungen des Bundesamts gegenüber dem Landgericht zu der Übermittlung und zu dem Eingang des Asylantrags nicht möglich. Dem wird das Landgericht nachzugehen haben.
31
(1) Sollte das Bundesamt erst am 16. Februar 2010 mit der Bearbeitung des Falles begonnen und demzufolge auch erst am 17. Februar 2010 (mithin drei Wochen nach der Inhaftierung des Betroffenen) ein Übernahmeersuchen an Griechenland gerichtet haben, käme überdies ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Betracht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/05, Rn. 21, juris und V ZB 205/05, Rn. 16, juris), dem das Beschwerdegericht ebenfalls nachgehen müsste.
32
(2) Soweit es nach den aus den vorstehenden Gründen durchgeführten Ermittlungen noch darauf ankommen sollte, wäre für die Entscheidung über den Feststellungsantrag auch der Frage nachzugehen, ob der Betroffene bei der Anordnung der Haft noch minderjährig war. Bei minderjährigen Ausländern kommt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wegen der Schwere des Eingriffs besondere Bedeutung zu. Die Anordnung von Abschiebungshaft gegen Minderjährige ist nur geboten und zulässig, wenn anderweitige geeignete Sicherungsmaßnahmen nicht gegeben sind (Senat, Beschluss vom 29. September 2010 - V ZB 233/10, Rn. 9 mwN). Dass andere Sicherungsmaßnahmen hier nicht in Betracht gekommen wären, ist nicht festgestellt.
33
Das Beschwerdegericht hatte die Einholung eines Sachverständigengutachtens über das Alter des Betroffenen zwar beschlossen, auf dessen Erstellung nach der Haftentlassung des Betroffenen jedoch verzichtet. Sollte der Be- troffene, der unterschiedliche Angaben zu seinem Alter gemacht hat, auch nach seiner Haftentlassung daran festhalten, am 9. Februar 1993 geboren zu sein, und das Beschwerdegericht weiter Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen haben, müsste es Maßnahmen zu Feststellung des Lebensalters nach § 49 Abs. 3, 6 AufenthG veranlassen, zu deren Duldung der Betroffene nach § 49 Abs. 19 AufenthG verpflichtet wäre. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Pirna, Entscheidung vom 27.01.2010 - 23 XIV B 6/10 -
LG Dresden, Entscheidung vom 15.03.2010 - 2 T 150/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - V ZB 78/10

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(1) Die Bundespolizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies1.zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zust

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 64 Form des Antrags


Setzt das förmliche Verwaltungsverfahren einen Antrag voraus, so ist er schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu stellen.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - V ZB 78/10 zitiert oder wird zitiert von 20 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - V ZB 78/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2010 - V ZB 172/09

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 172/09 vom 25. Februar 2010 in der Freiheitsentziehungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG §§ 62 Abs. 1, 70 Abs. 3 Nr. 3, 415, 426; AufenthG §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5;

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2002 - V ZB 49/02

bei uns veröffentlicht am 21.11.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 49/02 vom 21. November 2002 In der Freiheitsentziehungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja AsylVfG §§ 13 Abs. 1, 14, 55 Abs. 1 S. 3 a) Die Aufenthaltsgestattung des unerlaubt aus einem sicheren Dri
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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2016 - V ZB 174/14

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 174/14 vom 14. Januar 2016 in der Abschiebungshaftsache ECLI:DE:BGH:2016:140116BVZB174.14.0 Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richt

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 238/11 vom 11. Oktober 2012 in der Abschiebungshaftsache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FamFG §§ 58, 62, 426 Hat ein sich in Abschiebungshaft befindlicher Ausländer die Beschwerde gegen di

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(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge);
2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 172/09
vom
25. Februar 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5; AsylVfG § 18 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3; Art. 19 der Verordnung (EG)
Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-Verordnung)

a) Auch in den Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 70 ff. FamFG ist ein § 62
FamFG entsprechender Feststellungsantrag des Betroffenen zulässig. Einer
Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es auch in diesen Fällen nicht.

b) Die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung eines unerlaubt
aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingereisten
Drittstaatsangehörigen (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, §§ 57
Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ist nicht schon dann unzulässig,
wenn der Ausländer bei der Grenzbehörde um Asyl nachgesucht hat (§ 18 Abs.
1 AsylVfG).

c) Bei seiner Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, ob die Abschiebung
innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, muss der Haftrichter
das voraussichtliche Ergebnis eines von dem Ausländer bei dem
Verwaltungsgericht gestellten Antrags nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung
des Vollzugs der Zurückschiebung berücksichtigen.

d) Wird - wie derzeit bei Überstellungen nach Griechenland gemäß Art. 19 der
Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin IIVerordnung
) - solchen Eilanträgen regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die
Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur
Sicherung der Abschiebung nicht anordnen und hat auf die Beschwerde des
Betroffenen eine bereits angeordnete Haft nach § 426 FamFG aufzuheben.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Kostenentscheidung in dem Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2009 aufgehoben und festgestellt, dass dieser Beschluss die Beteiligte zu 1 in ihren Rechten verletzt hat.
Der weitergehende Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.
Die in den Rechtsmittelverfahren entstandenen gerichtlichen Kosten werden beiden Beteiligten zu gleichen Teilen auferlegt. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Hälfte der der Beteiligten zu 1 entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Die Beteiligte zu 1, eine afghanische Staatsangehörige, traf am 9. September 2009 mit einem Flug aus Athen kommend auf dem Flughafen Düsseldorf ein. Bei einer Kontrolle durch Beamte der Beteiligten zu 2 wies sie sich durch einen gefälschten bulgarischen Reisepass aus. Bei der Vernehmung anlässlich ihrer Ingewahrsamnahme gab sie an, aus ihrem Heimatland über den Iran mithilfe einer Schlepperorganisation mit gefälschten Dokumenten in die Türkei gekommen und von dort mit einem Boot nach Griechenland befördert worden zu sein. Sie stelle in Deutschland einen Asylantrag. Das von dem Asylersuchen unterrichtete Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (im Folgenden: Bundesamt) bat die griechischen Behörden um Übernahme der Beteiligten zu 1.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht Düsseldorf am 10. September 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 angeordnet. Die Beteiligte zu 1 hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, sie umgehend aus der Haft zu entlassen. Der Beschwerdebegründung vom 6. Oktober 2009 hat sie eine Abschrift des an demselben Tage bei dem Verwaltungsgericht eingereichten Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Maßnahmen zum Vollzug ihrer Verbringung nach Griechenland beigefügt.
3
Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen; diese ist jedoch auf Grund der am gleichen Tage ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Aussetzung aller Maßnahmen zur Verbringung nach Griechenland mit sofortiger Wirkung aus der Haft entlassen worden. Mit der weiteren Beschwerde beantragt die Beteiligte zu 1, die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft und die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung festzustellen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, schon wegen der unerlaubten Einreise ohne Pass und Aufenthaltstitel sei ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu bejahen. Zudem liege der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor, weil wegen der unerlaubten Einreise der Beteiligten zu 1 mithilfe von Schleusern und ohne gültige Papiere und ihrer Erklärung, nicht nach Griechenland zurückkehren zu wollen, der begründete Verdacht bestehe, dass sie sich der Zurückschiebung durch Untertauchen entziehen werde.
5
Der gegenüber der Beteiligten zu 2 mündlich gestellte Asylantrag stehe der Haft nicht entgegen, da die Beteiligte zu 1 dadurch noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben habe. Soweit die Beteiligte zu 1 vorgetragen habe, dass eine Zurückschiebung nach Griechenland wegen der dortigen Verhältnisse unzulässig sei, obliege die Prüfung dieses Einwands nicht dem Haftrichter, sondern sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte.
6
Auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (2 BvQ 56/09) und vom 23. September 2009 (2 BvQ 68/09) rechtfertigten keine Aufhebung der Haftanordnung, weil nicht erkennbar sei, welche tatsächlichen Umstände ihnen zugrunde gelegen hätten.
7
Die Haftanordnung sei auch nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, weil das Beschwerdegericht auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beteiligten zu 1 nicht feststellen könne, dass eine Zurückschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die die Beteiligte zu 1 nicht zu vertreten habe, nicht möglich sein werde.

III.

8
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
9
Sie ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung der Beteiligten zu 1 aus der Haft erledigt hat. Angesichts des Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht durch die Freiheits- entziehung durften bereits die vor dem 1. September 2009 gegebenen Rechtsmittel (§ 7 FEVG i.V.m. §§ 19, 22, 27, 29 FGG) nicht wegen einer im Rechtsmittelverfahren eingetretenen Erledigung als unzulässig verworfen werden (BVerfG NJW 2002, 2456, 2457). Sie blieben wegen des als schutzwürdig anzuerkennenden Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme zulässig, worüber auf dessen Antrag zu entscheiden war (BVerfG, a.a.O.; Senat BGHZ 153, 18, 20). Die Neugestaltung der Rechtsmittel in §§ 58 ff. FamFG hat daran nichts geändert. Die Vorschrift des § 62 FamFG, die die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, ist auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG [2009], § 62 Rdn. 4).
10
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die freiheitsentziehende Maßnahme ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sich - wie hier - die Hauptsache bereits vor Anhängigkeit des Rechtsmittels erledigt hat und mit diesem allein das Ziel verfolgt wird, die Verletzung des Freiheitsgrundrechts durch die Inhaftierung festzustellen.
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist teilweise begründet. Zwar verletzte nicht schon die Inhaftierung, aber die das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung des Beschwerdegerichts die Beteiligte zu 1 in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
12
a) Das Beschwerdegericht hat allerdings im Ausgangspunkt zutreffend die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach § 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG bejaht.
13
aa) Die Anordnung der Freiheitsentziehung auf Antrag der Beteiligten zu 2 war nach § 417 Abs. 1 FamFG zulässig. Die Beteiligte zu 2 (Bundespolizei) ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde, der nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG für die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören (HK-AuslR/Hofmann, AufenthG, § 71 Rdn. 13) - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen ist (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 616, 617).
14
bb) Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 war im Zeitpunkt der Anordnung der Haft begründet.
15
(1) Es lag der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vor. Die Beteiligte zu 1 war auf Grund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Diese Voraussetzung ist bei einer nicht bestandskräftigen, verwaltungsgerichtlich noch nicht überprüften und für sofort vollziehbar erklärten Zurückschiebungsverfügung nach § 57 Abs. 1 AufenthG von dem Haftrichter zu prüfen (vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, Rz. 7 - juris; KG NVwZ 1997, 516).
16
(2) Das Beschwerdegericht hat mit zutreffender Begründung auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG wegen des begründeten Verdachts, dass die Beteiligte zu 1 sich der Zurückschiebung nach Griechenland entziehen werde, auf Grund der unerlaubten Einreise und der Erklärung der Beteiligten zu 1, in Deutschland bleiben zu wollen, bejaht. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
17
b) Dass die Beteiligte zu 1 gegenüber der Beteiligten zu 2 bei der Ingewahrsamnahme um Asyl nachgesucht hat, stand nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ihrer Zurückschiebung nicht entgegen.
18
aa) Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist einem Ausländer, der gegenüber der Grenzbehörde um Asyl nachsucht (§ 18 Abs. 1 AsylVfG), die Einreise zu verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist eine gesetzliche Anordnung für das Verfahren der Grenzbehörden bei der Einreise aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Hintergrund der Regelung ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. Nr. L 50 S. 1, im Folgenden: Dublin II-Verordnung). Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG soll dem Ausländer bereits die Einreise verweigert werden, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union für die sachliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist (HK-AuslR/Bruns, § 18 AsylVfG Rdn. 14; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 18, Rdn. 58).
19
§ 18 Abs. 3 AsylVfG erweitert die Aufgaben der Grenzbehörden in den Fällen, in denen sie dem Ausländer zwar nicht mehr die Einreise verweigern können, weil dieser bereits die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat und damit eingereist ist (§ 13 Abs. 2 AufenthG), er jedoch noch im grenznahen Raum und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise angetroffen wird. Die Grenzbehörde hat dann dessen Zurückschiebung vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Ausländer ihr gegenüber erklärt, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen.
20
bb) Der Ausländer erwirbt durch das gegenüber der Grenzbehörde geäußerte Asylersuchen noch nicht die unmittelbar auf Gesetz beruhende Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Diese schlösse allerdings eine Zurückschiebung auf Grund unerlaubter Einreise grundsätzlich aus, was von dem Haftrichter auch von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. zum früheren Recht: BayObLGZ 1993, 154, 155; 1993, 311, 313; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812). Bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat wird die Aufenthaltsgestattung nicht schon mit dem Asylersuchen gegenüber der Grenzoder der Ausländerbehörde, sondern nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erst mit der Stellung eines Asylantrags nach §§ 13, 14, 23 AsylVfG bei dem zuständigen Bundesamt erworben (vgl. Senat, BGHZ 153, 18, 20).
21
Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die Bestimmungen über den Asylantrag und über den Zeitpunkt seiner Stellung (Art. 2 Buchstabe c, Art. 4 Abs. 2 Dublin II-Verordnung) meint, dass bei der Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG bereits mit der Protokollierung des Asylersuchens durch die Grenzbehörde entstehe, ist ihr nicht zu folgen. Die Inhaftierung des Asylbewerbers wegen unerlaubter Einreise ist nicht bis zu dem Zeitpunkt ausgeschlossen, in dem ihm die Entscheidung nach Art. 19 Dublin IIVerordnung mitgeteilt wird, dass sein Asylantrag nicht geprüft und er an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wird. Die Ansicht der Rechtsbeschwerde widerspricht nicht nur der bundesgesetzlichen Regelung in § 18 AsylVfG. Sie lässt sich auch nicht mit der europarechtlichen Vorschrift über das sog. Dringlichkeitsverfahren in Art. 17 Abs. 2 Dublin II-Verordnung vereinbaren. Dieses ist dann anzuwenden, wenn der Asylantrag nach einer Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts gestellt, der Betroffene wegen unerlaubten Aufenthalts festgenommen worden ist, aufenthaltsbeendende Maßnahmen angekündigt oder vollzogen werden oder der Asylbewerber sich in Gewahrsam befindet. Das Dringlichkeitsverfahren setzt somit eine Festnahme und eine Inhaftierung eines sich um Asyl bewerbenden Ausländers wegen unerlaubter Einreise oder illegalen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat voraus; es verpflichtet jedoch den um die Aufnahme des Asylbewerbers ersuchten anderen Mitgliedstaat um beschleunigte Prüfung und Entscheidung, andernfalls seine Zustimmung zur Aufnahme wegen Verfristung nach Art. 18 Abs. 6, 7 Dublin IIVerordnung als erteilt gilt (Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, 2. Aufl., Art. 17 Anm. K 11 und Art. 18 K 12 ff.).
22
c) Erfolg hat die Rechtsbeschwerde jedoch deshalb, weil das Beschwerdegericht den Umfang seiner Pflichten bei der Prüfung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG verkannt hat.
23
aa) Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass für Entscheidungen, ob Zurückschiebungen von Asylsuchenden durch Grenzbehörden (§ 18 Abs. 3 AsylVfG) oder Ausländerbehörden (§ 19 Abs. 3 AsylVfG) oder Abschiebungsanordnungen des Bundesamtes (§ 34a AsylVfG) rechtmäßig sind und ob von den Betroffenen wegen der durch einen sofortigen Vollzug drohenden Nachteile vorläufiger Rechtsschutz beansprucht und nach den Umständen gewährt werden kann, die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Der Haftrichter ist nicht befugt, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu befinden (BGHZ 78, 145, 147; Senat, BGHZ 98, 109, 112).
24
bb) Das Beschwerdegericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, dass der Haftrichter bei der von ihm nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG abverlangten Prognose hinsichtlich der Durchführbarkeit einer Abschiebung in den kommenden drei Monaten nicht befugt ist, nur auf die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu verweisen. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten bei der Rechtsschutzgewährung durch die Verwaltungs- und die Zivilgerichte darf sich nicht zu Lasten des Ausländers auswirken. Die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 GG) verlangt vielmehr eine eigene Sachverhaltsermittlung des Haftrichters, der den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei seiner Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer der Haft berücksichtigen und sich dazu bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erkundigen muss (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660).
25
cc) Dem ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Angesichts der ihm von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 vorgelegten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (NVwZ 2009, 1281) und 23. September 2009 (2 BvQ 68/09 - juris) drängte es sich auf, dass auch das Verwaltungsgericht dem anhängigen Eilantrag der Beteiligten zu 1 stattgeben und deren Zurückschiebung nach Griechenland aussetzen würde. Jedenfalls durfte das Beschwerdegericht nicht ohne eine Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht zu dem dort anhängigen Verfahren die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Haftanordnung zurückweisen.
26
Maßgebend für die Aussetzung der Zurückschiebungen von Asylbewerbern nach Griechenland waren nämlich nicht besonders gelagerte Umstände in den jeweiligen Einzelfällen, sondern - wie das Bundesverfassungsgericht allgemein und das OVG Münster (NVwZ 2009, 1571) detailliert ausgeführt haben - davon unabhängige ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass Griechenland die europarechtlichen Mindestnormen für die Anerkennung und den Status der Bewerber um internationalen Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (Abl. L 304/12) und für das Verfahren nach der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 (ABl. L 326/13) nicht einhält. Diese bilden jedoch die Grundlage für die Regelung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art. 5 bis 14 der Dublin II-Verordnung) und die Überstellungen der Asylbewerber nach Art. 19 Dublin II-Verordnung durch den Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt worden ist, in den für die Sachentscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat (OVG Münster, aaO, 1572).
27
Vor diesem Hintergrund hätte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, sondern nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Wegfalls des die Freiheitsentziehung legitimierenden Haftgrundes aufheben müssen. Die Bestätigung der Haftanordnung eines Ausländers, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung wird nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, wenn dieser einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat. Solange in solchen Fällen entsprechende Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs nach § 32 Abs. 1 BVerfGG oder nach §§ 80, 123 VwGO ergehen, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
28
3. Der weitergehende Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit auch der Haftanordnung zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 ist dagegen unbegründet.
29
a) Das Hindernis, das einem baldigen Vollzug eines sofort vollziehbaren Zurückschiebungsbescheids entgegensteht, entsteht erst, wenn der Antrag gestellt ist, aufgrund dessen die zuständigen Verwaltungsgerichte den Vollzug der behördlichen Entscheidung aussetzen.
30
Die Behandlung der Asylbegehren unter Anwendung der Dublin II-Verordnung obliegt den nach §§ 2, 3 AsylVfBV zuständigen Behörden, gegen deren Entscheidungen Rechtsschutz allein durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird (HK-AuslR/Bruns, AsylVfG, § 27a Rdn. 14, 18 und 23; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rdn. 18 ff. und Rdn. 59 ff.). Die Aussetzung einer Zurückschiebung setzt daher einen Antrag des Betroffenen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei dem Verwaltungsgericht voraus. Legt der betroffene Ausländer dagegen kein Rechtsmittel ein, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass die zuständige Behörde die Zurückschiebung (an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat) so schnell wie ihr möglich vollziehen wird.
31
b) Der Pflicht des Haftrichters, den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in seine Prognose einzubeziehen (BVerfG NJW 2009, 2569, 2570), fehlt ohne den Antrag des Betroffen um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das zuständige Verwaltungsgericht die Grundlage. Nach Aktenlage hat die Beteiligte zu 1 den Antrag nach § 123 VwGO an das Verwaltungsgericht erst zeitgleich mit der Begründung der Beschwerde gestellt, so dass nicht schon das die Haft anordnende und über die Abhilfe entscheidende erstinstanzliche Gericht, sondern erst das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2009 die Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Zurückschiebung bei der Prognose über die Durchführbarkeit der Abschiebung in den nächsten drei Monaten berücksichtigen konnte.

IV.

32
Die Entscheidung über die Verteilung der Kosten beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1, 430 FamFG; die Festsetzung des Werts auf § 42 Abs. 3 FamGKG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.09.2009 - 151 XIV 49/09 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.10.2009 - 18 T 51/09 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ein Ausländer, der in Verbindung mit der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2016/399 (Außengrenze) aufgegriffen wird, soll zurückgeschoben werden.

(2) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, der durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, Norwegen oder die Schweiz auf Grund einer am 13. Januar 2009 geltenden zwischenstaatlichen Übernahmevereinbarung wieder aufgenommen wird, soll in diesen Staat zurückgeschoben werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird.

(3) § 58 Absatz 1b, § 59 Absatz 8, § 60 Absatz 1 bis 5 und 7 bis 9, die §§ 62 und 62a sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, ist vor Ablauf der nach § 425 Abs. 1 festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Vor der Aufhebung hat das Gericht die zuständige Verwaltungsbehörde anzuhören.

(2) Die Beteiligten können die Aufhebung der Freiheitsentziehung beantragen. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch Beschluss.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 172/09
vom
25. Februar 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5; AsylVfG § 18 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3; Art. 19 der Verordnung (EG)
Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-Verordnung)

a) Auch in den Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 70 ff. FamFG ist ein § 62
FamFG entsprechender Feststellungsantrag des Betroffenen zulässig. Einer
Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es auch in diesen Fällen nicht.

b) Die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung eines unerlaubt
aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingereisten
Drittstaatsangehörigen (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, §§ 57
Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ist nicht schon dann unzulässig,
wenn der Ausländer bei der Grenzbehörde um Asyl nachgesucht hat (§ 18 Abs.
1 AsylVfG).

c) Bei seiner Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, ob die Abschiebung
innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, muss der Haftrichter
das voraussichtliche Ergebnis eines von dem Ausländer bei dem
Verwaltungsgericht gestellten Antrags nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung
des Vollzugs der Zurückschiebung berücksichtigen.

d) Wird - wie derzeit bei Überstellungen nach Griechenland gemäß Art. 19 der
Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin IIVerordnung
) - solchen Eilanträgen regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die
Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur
Sicherung der Abschiebung nicht anordnen und hat auf die Beschwerde des
Betroffenen eine bereits angeordnete Haft nach § 426 FamFG aufzuheben.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Kostenentscheidung in dem Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2009 aufgehoben und festgestellt, dass dieser Beschluss die Beteiligte zu 1 in ihren Rechten verletzt hat.
Der weitergehende Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.
Die in den Rechtsmittelverfahren entstandenen gerichtlichen Kosten werden beiden Beteiligten zu gleichen Teilen auferlegt. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Hälfte der der Beteiligten zu 1 entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Die Beteiligte zu 1, eine afghanische Staatsangehörige, traf am 9. September 2009 mit einem Flug aus Athen kommend auf dem Flughafen Düsseldorf ein. Bei einer Kontrolle durch Beamte der Beteiligten zu 2 wies sie sich durch einen gefälschten bulgarischen Reisepass aus. Bei der Vernehmung anlässlich ihrer Ingewahrsamnahme gab sie an, aus ihrem Heimatland über den Iran mithilfe einer Schlepperorganisation mit gefälschten Dokumenten in die Türkei gekommen und von dort mit einem Boot nach Griechenland befördert worden zu sein. Sie stelle in Deutschland einen Asylantrag. Das von dem Asylersuchen unterrichtete Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (im Folgenden: Bundesamt) bat die griechischen Behörden um Übernahme der Beteiligten zu 1.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht Düsseldorf am 10. September 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 angeordnet. Die Beteiligte zu 1 hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, sie umgehend aus der Haft zu entlassen. Der Beschwerdebegründung vom 6. Oktober 2009 hat sie eine Abschrift des an demselben Tage bei dem Verwaltungsgericht eingereichten Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Maßnahmen zum Vollzug ihrer Verbringung nach Griechenland beigefügt.
3
Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen; diese ist jedoch auf Grund der am gleichen Tage ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Aussetzung aller Maßnahmen zur Verbringung nach Griechenland mit sofortiger Wirkung aus der Haft entlassen worden. Mit der weiteren Beschwerde beantragt die Beteiligte zu 1, die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft und die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung festzustellen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, schon wegen der unerlaubten Einreise ohne Pass und Aufenthaltstitel sei ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu bejahen. Zudem liege der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor, weil wegen der unerlaubten Einreise der Beteiligten zu 1 mithilfe von Schleusern und ohne gültige Papiere und ihrer Erklärung, nicht nach Griechenland zurückkehren zu wollen, der begründete Verdacht bestehe, dass sie sich der Zurückschiebung durch Untertauchen entziehen werde.
5
Der gegenüber der Beteiligten zu 2 mündlich gestellte Asylantrag stehe der Haft nicht entgegen, da die Beteiligte zu 1 dadurch noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben habe. Soweit die Beteiligte zu 1 vorgetragen habe, dass eine Zurückschiebung nach Griechenland wegen der dortigen Verhältnisse unzulässig sei, obliege die Prüfung dieses Einwands nicht dem Haftrichter, sondern sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte.
6
Auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (2 BvQ 56/09) und vom 23. September 2009 (2 BvQ 68/09) rechtfertigten keine Aufhebung der Haftanordnung, weil nicht erkennbar sei, welche tatsächlichen Umstände ihnen zugrunde gelegen hätten.
7
Die Haftanordnung sei auch nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, weil das Beschwerdegericht auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beteiligten zu 1 nicht feststellen könne, dass eine Zurückschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die die Beteiligte zu 1 nicht zu vertreten habe, nicht möglich sein werde.

III.

8
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
9
Sie ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung der Beteiligten zu 1 aus der Haft erledigt hat. Angesichts des Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht durch die Freiheits- entziehung durften bereits die vor dem 1. September 2009 gegebenen Rechtsmittel (§ 7 FEVG i.V.m. §§ 19, 22, 27, 29 FGG) nicht wegen einer im Rechtsmittelverfahren eingetretenen Erledigung als unzulässig verworfen werden (BVerfG NJW 2002, 2456, 2457). Sie blieben wegen des als schutzwürdig anzuerkennenden Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme zulässig, worüber auf dessen Antrag zu entscheiden war (BVerfG, a.a.O.; Senat BGHZ 153, 18, 20). Die Neugestaltung der Rechtsmittel in §§ 58 ff. FamFG hat daran nichts geändert. Die Vorschrift des § 62 FamFG, die die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, ist auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG [2009], § 62 Rdn. 4).
10
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die freiheitsentziehende Maßnahme ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sich - wie hier - die Hauptsache bereits vor Anhängigkeit des Rechtsmittels erledigt hat und mit diesem allein das Ziel verfolgt wird, die Verletzung des Freiheitsgrundrechts durch die Inhaftierung festzustellen.
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist teilweise begründet. Zwar verletzte nicht schon die Inhaftierung, aber die das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung des Beschwerdegerichts die Beteiligte zu 1 in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
12
a) Das Beschwerdegericht hat allerdings im Ausgangspunkt zutreffend die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach § 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG bejaht.
13
aa) Die Anordnung der Freiheitsentziehung auf Antrag der Beteiligten zu 2 war nach § 417 Abs. 1 FamFG zulässig. Die Beteiligte zu 2 (Bundespolizei) ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde, der nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG für die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören (HK-AuslR/Hofmann, AufenthG, § 71 Rdn. 13) - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen ist (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 616, 617).
14
bb) Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 war im Zeitpunkt der Anordnung der Haft begründet.
15
(1) Es lag der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vor. Die Beteiligte zu 1 war auf Grund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Diese Voraussetzung ist bei einer nicht bestandskräftigen, verwaltungsgerichtlich noch nicht überprüften und für sofort vollziehbar erklärten Zurückschiebungsverfügung nach § 57 Abs. 1 AufenthG von dem Haftrichter zu prüfen (vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, Rz. 7 - juris; KG NVwZ 1997, 516).
16
(2) Das Beschwerdegericht hat mit zutreffender Begründung auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG wegen des begründeten Verdachts, dass die Beteiligte zu 1 sich der Zurückschiebung nach Griechenland entziehen werde, auf Grund der unerlaubten Einreise und der Erklärung der Beteiligten zu 1, in Deutschland bleiben zu wollen, bejaht. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
17
b) Dass die Beteiligte zu 1 gegenüber der Beteiligten zu 2 bei der Ingewahrsamnahme um Asyl nachgesucht hat, stand nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ihrer Zurückschiebung nicht entgegen.
18
aa) Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist einem Ausländer, der gegenüber der Grenzbehörde um Asyl nachsucht (§ 18 Abs. 1 AsylVfG), die Einreise zu verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist eine gesetzliche Anordnung für das Verfahren der Grenzbehörden bei der Einreise aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Hintergrund der Regelung ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. Nr. L 50 S. 1, im Folgenden: Dublin II-Verordnung). Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG soll dem Ausländer bereits die Einreise verweigert werden, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union für die sachliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist (HK-AuslR/Bruns, § 18 AsylVfG Rdn. 14; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 18, Rdn. 58).
19
§ 18 Abs. 3 AsylVfG erweitert die Aufgaben der Grenzbehörden in den Fällen, in denen sie dem Ausländer zwar nicht mehr die Einreise verweigern können, weil dieser bereits die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat und damit eingereist ist (§ 13 Abs. 2 AufenthG), er jedoch noch im grenznahen Raum und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise angetroffen wird. Die Grenzbehörde hat dann dessen Zurückschiebung vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Ausländer ihr gegenüber erklärt, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen.
20
bb) Der Ausländer erwirbt durch das gegenüber der Grenzbehörde geäußerte Asylersuchen noch nicht die unmittelbar auf Gesetz beruhende Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Diese schlösse allerdings eine Zurückschiebung auf Grund unerlaubter Einreise grundsätzlich aus, was von dem Haftrichter auch von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. zum früheren Recht: BayObLGZ 1993, 154, 155; 1993, 311, 313; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812). Bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat wird die Aufenthaltsgestattung nicht schon mit dem Asylersuchen gegenüber der Grenzoder der Ausländerbehörde, sondern nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erst mit der Stellung eines Asylantrags nach §§ 13, 14, 23 AsylVfG bei dem zuständigen Bundesamt erworben (vgl. Senat, BGHZ 153, 18, 20).
21
Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die Bestimmungen über den Asylantrag und über den Zeitpunkt seiner Stellung (Art. 2 Buchstabe c, Art. 4 Abs. 2 Dublin II-Verordnung) meint, dass bei der Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG bereits mit der Protokollierung des Asylersuchens durch die Grenzbehörde entstehe, ist ihr nicht zu folgen. Die Inhaftierung des Asylbewerbers wegen unerlaubter Einreise ist nicht bis zu dem Zeitpunkt ausgeschlossen, in dem ihm die Entscheidung nach Art. 19 Dublin IIVerordnung mitgeteilt wird, dass sein Asylantrag nicht geprüft und er an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wird. Die Ansicht der Rechtsbeschwerde widerspricht nicht nur der bundesgesetzlichen Regelung in § 18 AsylVfG. Sie lässt sich auch nicht mit der europarechtlichen Vorschrift über das sog. Dringlichkeitsverfahren in Art. 17 Abs. 2 Dublin II-Verordnung vereinbaren. Dieses ist dann anzuwenden, wenn der Asylantrag nach einer Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts gestellt, der Betroffene wegen unerlaubten Aufenthalts festgenommen worden ist, aufenthaltsbeendende Maßnahmen angekündigt oder vollzogen werden oder der Asylbewerber sich in Gewahrsam befindet. Das Dringlichkeitsverfahren setzt somit eine Festnahme und eine Inhaftierung eines sich um Asyl bewerbenden Ausländers wegen unerlaubter Einreise oder illegalen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat voraus; es verpflichtet jedoch den um die Aufnahme des Asylbewerbers ersuchten anderen Mitgliedstaat um beschleunigte Prüfung und Entscheidung, andernfalls seine Zustimmung zur Aufnahme wegen Verfristung nach Art. 18 Abs. 6, 7 Dublin IIVerordnung als erteilt gilt (Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, 2. Aufl., Art. 17 Anm. K 11 und Art. 18 K 12 ff.).
22
c) Erfolg hat die Rechtsbeschwerde jedoch deshalb, weil das Beschwerdegericht den Umfang seiner Pflichten bei der Prüfung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG verkannt hat.
23
aa) Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass für Entscheidungen, ob Zurückschiebungen von Asylsuchenden durch Grenzbehörden (§ 18 Abs. 3 AsylVfG) oder Ausländerbehörden (§ 19 Abs. 3 AsylVfG) oder Abschiebungsanordnungen des Bundesamtes (§ 34a AsylVfG) rechtmäßig sind und ob von den Betroffenen wegen der durch einen sofortigen Vollzug drohenden Nachteile vorläufiger Rechtsschutz beansprucht und nach den Umständen gewährt werden kann, die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Der Haftrichter ist nicht befugt, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu befinden (BGHZ 78, 145, 147; Senat, BGHZ 98, 109, 112).
24
bb) Das Beschwerdegericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, dass der Haftrichter bei der von ihm nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG abverlangten Prognose hinsichtlich der Durchführbarkeit einer Abschiebung in den kommenden drei Monaten nicht befugt ist, nur auf die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu verweisen. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten bei der Rechtsschutzgewährung durch die Verwaltungs- und die Zivilgerichte darf sich nicht zu Lasten des Ausländers auswirken. Die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 GG) verlangt vielmehr eine eigene Sachverhaltsermittlung des Haftrichters, der den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei seiner Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer der Haft berücksichtigen und sich dazu bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erkundigen muss (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660).
25
cc) Dem ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Angesichts der ihm von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 vorgelegten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (NVwZ 2009, 1281) und 23. September 2009 (2 BvQ 68/09 - juris) drängte es sich auf, dass auch das Verwaltungsgericht dem anhängigen Eilantrag der Beteiligten zu 1 stattgeben und deren Zurückschiebung nach Griechenland aussetzen würde. Jedenfalls durfte das Beschwerdegericht nicht ohne eine Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht zu dem dort anhängigen Verfahren die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Haftanordnung zurückweisen.
26
Maßgebend für die Aussetzung der Zurückschiebungen von Asylbewerbern nach Griechenland waren nämlich nicht besonders gelagerte Umstände in den jeweiligen Einzelfällen, sondern - wie das Bundesverfassungsgericht allgemein und das OVG Münster (NVwZ 2009, 1571) detailliert ausgeführt haben - davon unabhängige ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass Griechenland die europarechtlichen Mindestnormen für die Anerkennung und den Status der Bewerber um internationalen Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (Abl. L 304/12) und für das Verfahren nach der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 (ABl. L 326/13) nicht einhält. Diese bilden jedoch die Grundlage für die Regelung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art. 5 bis 14 der Dublin II-Verordnung) und die Überstellungen der Asylbewerber nach Art. 19 Dublin II-Verordnung durch den Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt worden ist, in den für die Sachentscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat (OVG Münster, aaO, 1572).
27
Vor diesem Hintergrund hätte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, sondern nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Wegfalls des die Freiheitsentziehung legitimierenden Haftgrundes aufheben müssen. Die Bestätigung der Haftanordnung eines Ausländers, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung wird nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, wenn dieser einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat. Solange in solchen Fällen entsprechende Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs nach § 32 Abs. 1 BVerfGG oder nach §§ 80, 123 VwGO ergehen, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
28
3. Der weitergehende Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit auch der Haftanordnung zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 ist dagegen unbegründet.
29
a) Das Hindernis, das einem baldigen Vollzug eines sofort vollziehbaren Zurückschiebungsbescheids entgegensteht, entsteht erst, wenn der Antrag gestellt ist, aufgrund dessen die zuständigen Verwaltungsgerichte den Vollzug der behördlichen Entscheidung aussetzen.
30
Die Behandlung der Asylbegehren unter Anwendung der Dublin II-Verordnung obliegt den nach §§ 2, 3 AsylVfBV zuständigen Behörden, gegen deren Entscheidungen Rechtsschutz allein durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird (HK-AuslR/Bruns, AsylVfG, § 27a Rdn. 14, 18 und 23; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rdn. 18 ff. und Rdn. 59 ff.). Die Aussetzung einer Zurückschiebung setzt daher einen Antrag des Betroffenen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei dem Verwaltungsgericht voraus. Legt der betroffene Ausländer dagegen kein Rechtsmittel ein, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass die zuständige Behörde die Zurückschiebung (an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat) so schnell wie ihr möglich vollziehen wird.
31
b) Der Pflicht des Haftrichters, den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in seine Prognose einzubeziehen (BVerfG NJW 2009, 2569, 2570), fehlt ohne den Antrag des Betroffen um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das zuständige Verwaltungsgericht die Grundlage. Nach Aktenlage hat die Beteiligte zu 1 den Antrag nach § 123 VwGO an das Verwaltungsgericht erst zeitgleich mit der Begründung der Beschwerde gestellt, so dass nicht schon das die Haft anordnende und über die Abhilfe entscheidende erstinstanzliche Gericht, sondern erst das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2009 die Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Zurückschiebung bei der Prognose über die Durchführbarkeit der Abschiebung in den nächsten drei Monaten berücksichtigen konnte.

IV.

32
Die Entscheidung über die Verteilung der Kosten beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1, 430 FamFG; die Festsetzung des Werts auf § 42 Abs. 3 FamGKG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.09.2009 - 151 XIV 49/09 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.10.2009 - 18 T 51/09 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 49/02
vom
21. November 2002
In der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
AsylVfG §§ 13 Abs. 1, 14, 55 Abs. 1 S. 3

a) Die Aufenthaltsgestattung des unerlaubt aus einem sicheren Drittstaat in die
Bundesrepublik Deutschland eingereisten Ausländers setzt einen förmlichen Asylantrag
voraus.

b) Ein Asylgesuch setzt mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus;
hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen oder sonstige tatsächliche Umstände
, die erkennen lassen, daß er Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen
politischen Verfolgung sucht.
BGH, Beschl. v. 21. November 2002 - V ZB 49/02 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. November 2002 durch
die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 25. Juni 2002 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Antrag des Betroffenen vom 15. Juli 2002 auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, pakistanischer Staatsangehöriger, wurde am 22. April 2002 in einem Waldgebiet nahe W. ohne gültige Papiere festgenommen. Nach seinen Angaben war er über Italien nach Deutschland eingereist. Bei seiner Vernehmung durch die Polizei erklärte er unter anderem:
"Jetzt bin ich hier und jetzt bleib ich auch hier. Wo ich genau hinwollte , ist mir egal. ... Wenn ich Arbeit bekomme, dann arbeite ich auch. N. hat mir gesagt, wenn ich in Deutschland bin, dann bekomme ich auch Asyl. Deshalb bin ich jetzt hier.“
Nach Anhörung des Betroffenen, bei der dieser seine gegenüber der Polizei gemachten Angaben als richtig bestätigte, hat das Amtsgericht gegen ihn mit Beschluß vom 23. April 2002 Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Hiergegen hat der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. Mai 2002 Beschwerde eingelegt. Am 8. Mai 2002 wurde der Ausländerbehörde der Antragstellerin vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mitgeteilt, daß der Betroffene dort einen Asylantrag gestellt habe. Aus diesem Grunde wurde der Betroffene am 16. Mai 2002 aus der Haft entlassen. Daraufhin hat er im Beschwerdeverfahren die Feststellung beantragt, daß die Anordnung der Haft rechtswidrig gewesen sei. Mit Beschluß vom 25. Juni 2002, dem Betroffenen zugestellt am 1. Juli 2002, hat das Landgericht festgestellt, daß die Fortdauer der Haft vom 9. Mai 2002 bis zum 16. Mai 2002 rechtswidrig gewesen sei; im übrigen hat es den Feststellungsantrag und die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 15. Juli 2002 beim Landgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die das Oberlandesgericht zurückweisen möchte. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002, 16 Wx 58/02, gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.


Die Vorlage ist gemäß § 28 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG und § 3 Satz 2 FEVG zulässig, da das vorlegende Gericht bei der Auslegung der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG von dem auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002 abweichen will.

Das vorlegende Gericht geht davon aus, daß ein Ausländer auch im Fall der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat durch das gegenüber einer mit ausländerrechtlichen Fragen befaßten amtlichen Stelle geäußerte Asylgesuch eine der Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 AuslG entgegenstehende Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 AsylVfG erwerben kann, wenn und weil die betreffende Stelle – Polizei, Ausländerbehörde oder Haftrichter – zur Aufnahme und Weiterleitung des Gesuchs an die zuständige Behörde, die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, verpflichtet ist. Ein zur Weiterleitung verpflichtendes Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG liege allerdings nicht vor, wenn sich der Betroffene – wie hier - ohne weitere Begründung auf Asyl berufe und sein Begehren nicht erkennen lasse, daß er politische Verfolgung fürchtet. Demgegenüber meint das Oberlandesgericht Köln, bereits die Verwendung des Wortes "Asyl“ lasse mangels entgegenstehender Anhaltspunkte darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle; eine weitergehende Begründung sei nicht erforderlich.
Die im Beschwerdeverfahren zu prüfende Rechtmäßigkeit der Haftanordnung hängt damit nach der für die Zulässigkeit der Vorlage maßgeblichen rechtlichen Beurteilung des vorlegenden Gerichts (vgl. Senat, Beschl. v. 28. Februar 2001, V ZB 8/01, NVwZ-Beilage I 7/2001, 62 m. w. Nachw.) von der streitigen Rechtsfrage ab, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Asylgesuchs zu stellen sind. Zwar haben beide Oberlandesgerichte ein übereinstimmendes Verständnis von dem in § 13 Abs. 1 AsylVfG im Sinne eines formlosen Asylgesuchs (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 13 AsylVfG Rdn. 3) verwendeten Begriff des Asylantrags. Insbesondere gehen sie davon aus, daß
ein Asylgesuch im Rechtssinn nur dann vorliegt, wenn sich dem geäußerten Willen des Ausländers entnehmen läßt, daß er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht. Meinungsunterschiede bestehen jedoch bei der Subsumtion des Sachverhalts, nämlich der nicht näher begründeten Berufung auf Asyl, unter die gesetzliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG. Damit betrifft der Streit die Auslegung dieser Rechtsnorm (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1956, II ZB 11/56, NJW 1957, 19, 20; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 28 Rdn. 13; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 28 Rdn. 8; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 28 Rdn. 6).

III.


Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Soweit das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschluß vom 25. Juni 2002 zurückgewiesen hat, ist die sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG statthaft. Sie wurde vom Betroffenen form- und fristgerecht eingelegt (§§ 29 Abs. 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). Zwar hat der Senat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme verneint, wenn sich in einer Abschiebungshaftsache die Hauptsache durch Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat (Senat, BGHZ 139, 254). Zwischenzeitlich hat jedoch das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen anerkannt (BVerfG,
Beschl. v. 5. Dezember 2001, NJW 2002, 2456). Dem ist das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß zu Recht gefolgt.
2. In der Sache selbst hat die sofortige weitere Beschwerde keinen Erfolg , da die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht rechtmäßig war.

a) Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 61 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AuslG ist ein Ausländer zur Sicherung der Zurückschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn er aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist. Ausweislich der Antragsschrift vom 23. April 2002 beabsichtigte die Ausländerbehörde der Antragstellerin, den Betroffenen nach Italien zurückzuschieben. Von dort aus war der Betroffene ohne die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und ohne Paß und damit unerlaubt eingereist (§ 58 Abs. 1 AuslG). Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Durch die gegenüber der Polizei erfolgte Berufung auf "Asyl" hat der Betroffene keine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht darauf an, ob die Erklärung des Betroffenen als Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG zu verstehen ist. Da der Betroffene aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylVfG) unerlaubt eingereist war, setzte die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG einen förmlichen Asylantrag im Sinne von § 14 AsylVfG voraus, den der Betroffene jedoch erst nach der Haftanordnung gestellt hat. Soweit das vorlegende Gericht annimmt, bereits das – formlose – Asylgesuch könne eine Aufenthaltsgestattung begründen, wenn die Stelle, der gegenüber es geäußert wird, zu seiner Aufnahme und Weiterleitung
an die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verpflichtet sei, findet dies in § 55 Abs. 1 AsylVfG keine Stütze. Die an das Asylgesuch anknüpfende Aufenthaltsgestattung nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der wirksamen Asylantragstellung zeitlich vorgelagert, um den durch die verfassungsrechtliche Asylgarantie geforderten Abschiebungs- und Verfolgungsschutz effektiv zu gewährleisten (Marx, AsylVfG, 3. Aufl., § 55 Rdn. 4). Der aus einem sicheren Drittstaat unerlaubt eingereiste Ausländer genießt aber nach Art. 16 a Abs. 2 GG kein Asylrecht, so daß in diesen Fällen für eine Vorverlagerung des Aufenthaltsrechts keine Veranlassung besteht. Darüber hinaus schreibt das Asylverfahrensgesetz eine Weiterleitung nur für schriftliche Asylanträge vor, die bei der Ausländerbehörde eingereicht werden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Die Aufnahme eines mündlichen Antrags zur Niederschrift und dessen Weiterleitung , zumal durch die Polizei oder den Haftrichter, ist weder im Verwaltungsverfahrensgesetz noch im Asylverfahrensgesetz vorgesehen. Mündliche Anträge sind danach nur bei der Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge möglich (Renner, a. a. O., § 14 Rdn. 5, 14; Marx, a. a. O., § 14 Rdn. 10). War dem Betroffenen damit der Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Haftanordnung – noch – nicht gestattet, dann bestehen an deren Rechtmäßigkeit keine Zweifel.

b) Unabhängig hiervon ist dem vorlegenden Gericht allerdings darin zuzustimmen , daß die Erklärung des Betroffenen gegenüber der Polizei nicht als Asylgesuch verstanden werden kann. Die vom Oberlandesgericht Köln vertretene Auffassung, allein die Verwendung des Wortes "Asyl" lasse darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle, verkennt , daß der Asylbegriff keinen vorgegebenen allgemeingültigen Inhalt hat, sondern als Rechtsbegriff der näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber
und die Rechtsprechung unterliegt. Es kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß derjenige, der diesen Begriff verwendet, ihn gerade in dem durch § 13 Abs. 1 AsylVfG festgelegten Sinn versteht. Denkbar ist weiterhin , daß dem jeweils Betroffenen die Bedeutung des Wortes "Asyl" überhaupt nicht bekannt ist (vgl. den der Entscheidung OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 390 zugrundeliegenden Sachverhalt). Ein Asylgesuch setzt daher mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus (OVG Münster, a. a. O; Marx, a. a. O, § 13 Rdn. 3). Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (BT-Drucks. 9/875, S. 15). Hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen, insbesondere eine kurze Begründung seines Asylbegehrens, oder sonstige tatsächliche Umstände, die erkennen lassen, daß der Betroffene Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen politischen Verfolgung sucht (KG, FGPrax 1997, 116; Renner, a. a. O., § 13 AsylVfG, Rdn. 4 f; GK-AsylVfG, Stand: Juli 1998, § 13 Rdn. 38 f). Derartige Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Den Angaben des Betroffenen gegenüber der Polizei läßt sich lediglich entnehmen, daß er bereit ist zu arbeiten. Dies deutet eher darauf hin, daß seine Einreise wirtschaftlich motiviert war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 3 FEVG.
4. Prozeßkostenhilfe für das Verfahren über die sofortige weitere Be- schwerde war mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen (§ 114 ZPO i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG, § 14 FGG).
Tropf Klein Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 172/09
vom
25. Februar 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5; AsylVfG § 18 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3; Art. 19 der Verordnung (EG)
Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-Verordnung)

a) Auch in den Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 70 ff. FamFG ist ein § 62
FamFG entsprechender Feststellungsantrag des Betroffenen zulässig. Einer
Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es auch in diesen Fällen nicht.

b) Die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung eines unerlaubt
aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingereisten
Drittstaatsangehörigen (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, §§ 57
Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ist nicht schon dann unzulässig,
wenn der Ausländer bei der Grenzbehörde um Asyl nachgesucht hat (§ 18 Abs.
1 AsylVfG).

c) Bei seiner Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, ob die Abschiebung
innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, muss der Haftrichter
das voraussichtliche Ergebnis eines von dem Ausländer bei dem
Verwaltungsgericht gestellten Antrags nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung
des Vollzugs der Zurückschiebung berücksichtigen.

d) Wird - wie derzeit bei Überstellungen nach Griechenland gemäß Art. 19 der
Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin IIVerordnung
) - solchen Eilanträgen regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die
Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur
Sicherung der Abschiebung nicht anordnen und hat auf die Beschwerde des
Betroffenen eine bereits angeordnete Haft nach § 426 FamFG aufzuheben.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Kostenentscheidung in dem Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2009 aufgehoben und festgestellt, dass dieser Beschluss die Beteiligte zu 1 in ihren Rechten verletzt hat.
Der weitergehende Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.
Die in den Rechtsmittelverfahren entstandenen gerichtlichen Kosten werden beiden Beteiligten zu gleichen Teilen auferlegt. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Hälfte der der Beteiligten zu 1 entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Die Beteiligte zu 1, eine afghanische Staatsangehörige, traf am 9. September 2009 mit einem Flug aus Athen kommend auf dem Flughafen Düsseldorf ein. Bei einer Kontrolle durch Beamte der Beteiligten zu 2 wies sie sich durch einen gefälschten bulgarischen Reisepass aus. Bei der Vernehmung anlässlich ihrer Ingewahrsamnahme gab sie an, aus ihrem Heimatland über den Iran mithilfe einer Schlepperorganisation mit gefälschten Dokumenten in die Türkei gekommen und von dort mit einem Boot nach Griechenland befördert worden zu sein. Sie stelle in Deutschland einen Asylantrag. Das von dem Asylersuchen unterrichtete Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (im Folgenden: Bundesamt) bat die griechischen Behörden um Übernahme der Beteiligten zu 1.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht Düsseldorf am 10. September 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 angeordnet. Die Beteiligte zu 1 hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, sie umgehend aus der Haft zu entlassen. Der Beschwerdebegründung vom 6. Oktober 2009 hat sie eine Abschrift des an demselben Tage bei dem Verwaltungsgericht eingereichten Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Maßnahmen zum Vollzug ihrer Verbringung nach Griechenland beigefügt.
3
Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen; diese ist jedoch auf Grund der am gleichen Tage ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Aussetzung aller Maßnahmen zur Verbringung nach Griechenland mit sofortiger Wirkung aus der Haft entlassen worden. Mit der weiteren Beschwerde beantragt die Beteiligte zu 1, die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft und die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung festzustellen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, schon wegen der unerlaubten Einreise ohne Pass und Aufenthaltstitel sei ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu bejahen. Zudem liege der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor, weil wegen der unerlaubten Einreise der Beteiligten zu 1 mithilfe von Schleusern und ohne gültige Papiere und ihrer Erklärung, nicht nach Griechenland zurückkehren zu wollen, der begründete Verdacht bestehe, dass sie sich der Zurückschiebung durch Untertauchen entziehen werde.
5
Der gegenüber der Beteiligten zu 2 mündlich gestellte Asylantrag stehe der Haft nicht entgegen, da die Beteiligte zu 1 dadurch noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben habe. Soweit die Beteiligte zu 1 vorgetragen habe, dass eine Zurückschiebung nach Griechenland wegen der dortigen Verhältnisse unzulässig sei, obliege die Prüfung dieses Einwands nicht dem Haftrichter, sondern sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte.
6
Auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (2 BvQ 56/09) und vom 23. September 2009 (2 BvQ 68/09) rechtfertigten keine Aufhebung der Haftanordnung, weil nicht erkennbar sei, welche tatsächlichen Umstände ihnen zugrunde gelegen hätten.
7
Die Haftanordnung sei auch nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, weil das Beschwerdegericht auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beteiligten zu 1 nicht feststellen könne, dass eine Zurückschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die die Beteiligte zu 1 nicht zu vertreten habe, nicht möglich sein werde.

III.

8
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
9
Sie ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung der Beteiligten zu 1 aus der Haft erledigt hat. Angesichts des Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht durch die Freiheits- entziehung durften bereits die vor dem 1. September 2009 gegebenen Rechtsmittel (§ 7 FEVG i.V.m. §§ 19, 22, 27, 29 FGG) nicht wegen einer im Rechtsmittelverfahren eingetretenen Erledigung als unzulässig verworfen werden (BVerfG NJW 2002, 2456, 2457). Sie blieben wegen des als schutzwürdig anzuerkennenden Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme zulässig, worüber auf dessen Antrag zu entscheiden war (BVerfG, a.a.O.; Senat BGHZ 153, 18, 20). Die Neugestaltung der Rechtsmittel in §§ 58 ff. FamFG hat daran nichts geändert. Die Vorschrift des § 62 FamFG, die die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, ist auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG [2009], § 62 Rdn. 4).
10
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die freiheitsentziehende Maßnahme ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sich - wie hier - die Hauptsache bereits vor Anhängigkeit des Rechtsmittels erledigt hat und mit diesem allein das Ziel verfolgt wird, die Verletzung des Freiheitsgrundrechts durch die Inhaftierung festzustellen.
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist teilweise begründet. Zwar verletzte nicht schon die Inhaftierung, aber die das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung des Beschwerdegerichts die Beteiligte zu 1 in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
12
a) Das Beschwerdegericht hat allerdings im Ausgangspunkt zutreffend die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach § 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG bejaht.
13
aa) Die Anordnung der Freiheitsentziehung auf Antrag der Beteiligten zu 2 war nach § 417 Abs. 1 FamFG zulässig. Die Beteiligte zu 2 (Bundespolizei) ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde, der nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG für die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören (HK-AuslR/Hofmann, AufenthG, § 71 Rdn. 13) - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen ist (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 616, 617).
14
bb) Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 war im Zeitpunkt der Anordnung der Haft begründet.
15
(1) Es lag der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vor. Die Beteiligte zu 1 war auf Grund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Diese Voraussetzung ist bei einer nicht bestandskräftigen, verwaltungsgerichtlich noch nicht überprüften und für sofort vollziehbar erklärten Zurückschiebungsverfügung nach § 57 Abs. 1 AufenthG von dem Haftrichter zu prüfen (vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, Rz. 7 - juris; KG NVwZ 1997, 516).
16
(2) Das Beschwerdegericht hat mit zutreffender Begründung auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG wegen des begründeten Verdachts, dass die Beteiligte zu 1 sich der Zurückschiebung nach Griechenland entziehen werde, auf Grund der unerlaubten Einreise und der Erklärung der Beteiligten zu 1, in Deutschland bleiben zu wollen, bejaht. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
17
b) Dass die Beteiligte zu 1 gegenüber der Beteiligten zu 2 bei der Ingewahrsamnahme um Asyl nachgesucht hat, stand nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ihrer Zurückschiebung nicht entgegen.
18
aa) Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist einem Ausländer, der gegenüber der Grenzbehörde um Asyl nachsucht (§ 18 Abs. 1 AsylVfG), die Einreise zu verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist eine gesetzliche Anordnung für das Verfahren der Grenzbehörden bei der Einreise aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Hintergrund der Regelung ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. Nr. L 50 S. 1, im Folgenden: Dublin II-Verordnung). Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG soll dem Ausländer bereits die Einreise verweigert werden, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union für die sachliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist (HK-AuslR/Bruns, § 18 AsylVfG Rdn. 14; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 18, Rdn. 58).
19
§ 18 Abs. 3 AsylVfG erweitert die Aufgaben der Grenzbehörden in den Fällen, in denen sie dem Ausländer zwar nicht mehr die Einreise verweigern können, weil dieser bereits die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat und damit eingereist ist (§ 13 Abs. 2 AufenthG), er jedoch noch im grenznahen Raum und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise angetroffen wird. Die Grenzbehörde hat dann dessen Zurückschiebung vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Ausländer ihr gegenüber erklärt, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen.
20
bb) Der Ausländer erwirbt durch das gegenüber der Grenzbehörde geäußerte Asylersuchen noch nicht die unmittelbar auf Gesetz beruhende Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Diese schlösse allerdings eine Zurückschiebung auf Grund unerlaubter Einreise grundsätzlich aus, was von dem Haftrichter auch von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. zum früheren Recht: BayObLGZ 1993, 154, 155; 1993, 311, 313; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812). Bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat wird die Aufenthaltsgestattung nicht schon mit dem Asylersuchen gegenüber der Grenzoder der Ausländerbehörde, sondern nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erst mit der Stellung eines Asylantrags nach §§ 13, 14, 23 AsylVfG bei dem zuständigen Bundesamt erworben (vgl. Senat, BGHZ 153, 18, 20).
21
Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die Bestimmungen über den Asylantrag und über den Zeitpunkt seiner Stellung (Art. 2 Buchstabe c, Art. 4 Abs. 2 Dublin II-Verordnung) meint, dass bei der Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG bereits mit der Protokollierung des Asylersuchens durch die Grenzbehörde entstehe, ist ihr nicht zu folgen. Die Inhaftierung des Asylbewerbers wegen unerlaubter Einreise ist nicht bis zu dem Zeitpunkt ausgeschlossen, in dem ihm die Entscheidung nach Art. 19 Dublin IIVerordnung mitgeteilt wird, dass sein Asylantrag nicht geprüft und er an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wird. Die Ansicht der Rechtsbeschwerde widerspricht nicht nur der bundesgesetzlichen Regelung in § 18 AsylVfG. Sie lässt sich auch nicht mit der europarechtlichen Vorschrift über das sog. Dringlichkeitsverfahren in Art. 17 Abs. 2 Dublin II-Verordnung vereinbaren. Dieses ist dann anzuwenden, wenn der Asylantrag nach einer Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts gestellt, der Betroffene wegen unerlaubten Aufenthalts festgenommen worden ist, aufenthaltsbeendende Maßnahmen angekündigt oder vollzogen werden oder der Asylbewerber sich in Gewahrsam befindet. Das Dringlichkeitsverfahren setzt somit eine Festnahme und eine Inhaftierung eines sich um Asyl bewerbenden Ausländers wegen unerlaubter Einreise oder illegalen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat voraus; es verpflichtet jedoch den um die Aufnahme des Asylbewerbers ersuchten anderen Mitgliedstaat um beschleunigte Prüfung und Entscheidung, andernfalls seine Zustimmung zur Aufnahme wegen Verfristung nach Art. 18 Abs. 6, 7 Dublin IIVerordnung als erteilt gilt (Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, 2. Aufl., Art. 17 Anm. K 11 und Art. 18 K 12 ff.).
22
c) Erfolg hat die Rechtsbeschwerde jedoch deshalb, weil das Beschwerdegericht den Umfang seiner Pflichten bei der Prüfung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG verkannt hat.
23
aa) Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass für Entscheidungen, ob Zurückschiebungen von Asylsuchenden durch Grenzbehörden (§ 18 Abs. 3 AsylVfG) oder Ausländerbehörden (§ 19 Abs. 3 AsylVfG) oder Abschiebungsanordnungen des Bundesamtes (§ 34a AsylVfG) rechtmäßig sind und ob von den Betroffenen wegen der durch einen sofortigen Vollzug drohenden Nachteile vorläufiger Rechtsschutz beansprucht und nach den Umständen gewährt werden kann, die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Der Haftrichter ist nicht befugt, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu befinden (BGHZ 78, 145, 147; Senat, BGHZ 98, 109, 112).
24
bb) Das Beschwerdegericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, dass der Haftrichter bei der von ihm nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG abverlangten Prognose hinsichtlich der Durchführbarkeit einer Abschiebung in den kommenden drei Monaten nicht befugt ist, nur auf die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu verweisen. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten bei der Rechtsschutzgewährung durch die Verwaltungs- und die Zivilgerichte darf sich nicht zu Lasten des Ausländers auswirken. Die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 GG) verlangt vielmehr eine eigene Sachverhaltsermittlung des Haftrichters, der den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei seiner Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer der Haft berücksichtigen und sich dazu bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erkundigen muss (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660).
25
cc) Dem ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Angesichts der ihm von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 vorgelegten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (NVwZ 2009, 1281) und 23. September 2009 (2 BvQ 68/09 - juris) drängte es sich auf, dass auch das Verwaltungsgericht dem anhängigen Eilantrag der Beteiligten zu 1 stattgeben und deren Zurückschiebung nach Griechenland aussetzen würde. Jedenfalls durfte das Beschwerdegericht nicht ohne eine Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht zu dem dort anhängigen Verfahren die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Haftanordnung zurückweisen.
26
Maßgebend für die Aussetzung der Zurückschiebungen von Asylbewerbern nach Griechenland waren nämlich nicht besonders gelagerte Umstände in den jeweiligen Einzelfällen, sondern - wie das Bundesverfassungsgericht allgemein und das OVG Münster (NVwZ 2009, 1571) detailliert ausgeführt haben - davon unabhängige ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass Griechenland die europarechtlichen Mindestnormen für die Anerkennung und den Status der Bewerber um internationalen Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (Abl. L 304/12) und für das Verfahren nach der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 (ABl. L 326/13) nicht einhält. Diese bilden jedoch die Grundlage für die Regelung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art. 5 bis 14 der Dublin II-Verordnung) und die Überstellungen der Asylbewerber nach Art. 19 Dublin II-Verordnung durch den Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt worden ist, in den für die Sachentscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat (OVG Münster, aaO, 1572).
27
Vor diesem Hintergrund hätte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, sondern nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Wegfalls des die Freiheitsentziehung legitimierenden Haftgrundes aufheben müssen. Die Bestätigung der Haftanordnung eines Ausländers, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung wird nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, wenn dieser einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat. Solange in solchen Fällen entsprechende Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs nach § 32 Abs. 1 BVerfGG oder nach §§ 80, 123 VwGO ergehen, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
28
3. Der weitergehende Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit auch der Haftanordnung zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 ist dagegen unbegründet.
29
a) Das Hindernis, das einem baldigen Vollzug eines sofort vollziehbaren Zurückschiebungsbescheids entgegensteht, entsteht erst, wenn der Antrag gestellt ist, aufgrund dessen die zuständigen Verwaltungsgerichte den Vollzug der behördlichen Entscheidung aussetzen.
30
Die Behandlung der Asylbegehren unter Anwendung der Dublin II-Verordnung obliegt den nach §§ 2, 3 AsylVfBV zuständigen Behörden, gegen deren Entscheidungen Rechtsschutz allein durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird (HK-AuslR/Bruns, AsylVfG, § 27a Rdn. 14, 18 und 23; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rdn. 18 ff. und Rdn. 59 ff.). Die Aussetzung einer Zurückschiebung setzt daher einen Antrag des Betroffenen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei dem Verwaltungsgericht voraus. Legt der betroffene Ausländer dagegen kein Rechtsmittel ein, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass die zuständige Behörde die Zurückschiebung (an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat) so schnell wie ihr möglich vollziehen wird.
31
b) Der Pflicht des Haftrichters, den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in seine Prognose einzubeziehen (BVerfG NJW 2009, 2569, 2570), fehlt ohne den Antrag des Betroffen um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das zuständige Verwaltungsgericht die Grundlage. Nach Aktenlage hat die Beteiligte zu 1 den Antrag nach § 123 VwGO an das Verwaltungsgericht erst zeitgleich mit der Begründung der Beschwerde gestellt, so dass nicht schon das die Haft anordnende und über die Abhilfe entscheidende erstinstanzliche Gericht, sondern erst das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2009 die Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Zurückschiebung bei der Prognose über die Durchführbarkeit der Abschiebung in den nächsten drei Monaten berücksichtigen konnte.

IV.

32
Die Entscheidung über die Verteilung der Kosten beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1, 430 FamFG; die Festsetzung des Werts auf § 42 Abs. 3 FamGKG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.09.2009 - 151 XIV 49/09 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.10.2009 - 18 T 51/09 -

Setzt das förmliche Verwaltungsverfahren einen Antrag voraus, so ist er schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu stellen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 49/02
vom
21. November 2002
In der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
AsylVfG §§ 13 Abs. 1, 14, 55 Abs. 1 S. 3

a) Die Aufenthaltsgestattung des unerlaubt aus einem sicheren Drittstaat in die
Bundesrepublik Deutschland eingereisten Ausländers setzt einen förmlichen Asylantrag
voraus.

b) Ein Asylgesuch setzt mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus;
hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen oder sonstige tatsächliche Umstände
, die erkennen lassen, daß er Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen
politischen Verfolgung sucht.
BGH, Beschl. v. 21. November 2002 - V ZB 49/02 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. November 2002 durch
die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 25. Juni 2002 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Antrag des Betroffenen vom 15. Juli 2002 auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, pakistanischer Staatsangehöriger, wurde am 22. April 2002 in einem Waldgebiet nahe W. ohne gültige Papiere festgenommen. Nach seinen Angaben war er über Italien nach Deutschland eingereist. Bei seiner Vernehmung durch die Polizei erklärte er unter anderem:
"Jetzt bin ich hier und jetzt bleib ich auch hier. Wo ich genau hinwollte , ist mir egal. ... Wenn ich Arbeit bekomme, dann arbeite ich auch. N. hat mir gesagt, wenn ich in Deutschland bin, dann bekomme ich auch Asyl. Deshalb bin ich jetzt hier.“
Nach Anhörung des Betroffenen, bei der dieser seine gegenüber der Polizei gemachten Angaben als richtig bestätigte, hat das Amtsgericht gegen ihn mit Beschluß vom 23. April 2002 Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Hiergegen hat der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. Mai 2002 Beschwerde eingelegt. Am 8. Mai 2002 wurde der Ausländerbehörde der Antragstellerin vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mitgeteilt, daß der Betroffene dort einen Asylantrag gestellt habe. Aus diesem Grunde wurde der Betroffene am 16. Mai 2002 aus der Haft entlassen. Daraufhin hat er im Beschwerdeverfahren die Feststellung beantragt, daß die Anordnung der Haft rechtswidrig gewesen sei. Mit Beschluß vom 25. Juni 2002, dem Betroffenen zugestellt am 1. Juli 2002, hat das Landgericht festgestellt, daß die Fortdauer der Haft vom 9. Mai 2002 bis zum 16. Mai 2002 rechtswidrig gewesen sei; im übrigen hat es den Feststellungsantrag und die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 15. Juli 2002 beim Landgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die das Oberlandesgericht zurückweisen möchte. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002, 16 Wx 58/02, gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.


Die Vorlage ist gemäß § 28 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG und § 3 Satz 2 FEVG zulässig, da das vorlegende Gericht bei der Auslegung der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG von dem auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002 abweichen will.

Das vorlegende Gericht geht davon aus, daß ein Ausländer auch im Fall der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat durch das gegenüber einer mit ausländerrechtlichen Fragen befaßten amtlichen Stelle geäußerte Asylgesuch eine der Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 AuslG entgegenstehende Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 AsylVfG erwerben kann, wenn und weil die betreffende Stelle – Polizei, Ausländerbehörde oder Haftrichter – zur Aufnahme und Weiterleitung des Gesuchs an die zuständige Behörde, die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, verpflichtet ist. Ein zur Weiterleitung verpflichtendes Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG liege allerdings nicht vor, wenn sich der Betroffene – wie hier - ohne weitere Begründung auf Asyl berufe und sein Begehren nicht erkennen lasse, daß er politische Verfolgung fürchtet. Demgegenüber meint das Oberlandesgericht Köln, bereits die Verwendung des Wortes "Asyl“ lasse mangels entgegenstehender Anhaltspunkte darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle; eine weitergehende Begründung sei nicht erforderlich.
Die im Beschwerdeverfahren zu prüfende Rechtmäßigkeit der Haftanordnung hängt damit nach der für die Zulässigkeit der Vorlage maßgeblichen rechtlichen Beurteilung des vorlegenden Gerichts (vgl. Senat, Beschl. v. 28. Februar 2001, V ZB 8/01, NVwZ-Beilage I 7/2001, 62 m. w. Nachw.) von der streitigen Rechtsfrage ab, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Asylgesuchs zu stellen sind. Zwar haben beide Oberlandesgerichte ein übereinstimmendes Verständnis von dem in § 13 Abs. 1 AsylVfG im Sinne eines formlosen Asylgesuchs (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 13 AsylVfG Rdn. 3) verwendeten Begriff des Asylantrags. Insbesondere gehen sie davon aus, daß
ein Asylgesuch im Rechtssinn nur dann vorliegt, wenn sich dem geäußerten Willen des Ausländers entnehmen läßt, daß er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht. Meinungsunterschiede bestehen jedoch bei der Subsumtion des Sachverhalts, nämlich der nicht näher begründeten Berufung auf Asyl, unter die gesetzliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG. Damit betrifft der Streit die Auslegung dieser Rechtsnorm (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1956, II ZB 11/56, NJW 1957, 19, 20; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 28 Rdn. 13; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 28 Rdn. 8; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 28 Rdn. 6).

III.


Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Soweit das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschluß vom 25. Juni 2002 zurückgewiesen hat, ist die sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG statthaft. Sie wurde vom Betroffenen form- und fristgerecht eingelegt (§§ 29 Abs. 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). Zwar hat der Senat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme verneint, wenn sich in einer Abschiebungshaftsache die Hauptsache durch Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat (Senat, BGHZ 139, 254). Zwischenzeitlich hat jedoch das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen anerkannt (BVerfG,
Beschl. v. 5. Dezember 2001, NJW 2002, 2456). Dem ist das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß zu Recht gefolgt.
2. In der Sache selbst hat die sofortige weitere Beschwerde keinen Erfolg , da die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht rechtmäßig war.

a) Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 61 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AuslG ist ein Ausländer zur Sicherung der Zurückschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn er aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist. Ausweislich der Antragsschrift vom 23. April 2002 beabsichtigte die Ausländerbehörde der Antragstellerin, den Betroffenen nach Italien zurückzuschieben. Von dort aus war der Betroffene ohne die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und ohne Paß und damit unerlaubt eingereist (§ 58 Abs. 1 AuslG). Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Durch die gegenüber der Polizei erfolgte Berufung auf "Asyl" hat der Betroffene keine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht darauf an, ob die Erklärung des Betroffenen als Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG zu verstehen ist. Da der Betroffene aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylVfG) unerlaubt eingereist war, setzte die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG einen förmlichen Asylantrag im Sinne von § 14 AsylVfG voraus, den der Betroffene jedoch erst nach der Haftanordnung gestellt hat. Soweit das vorlegende Gericht annimmt, bereits das – formlose – Asylgesuch könne eine Aufenthaltsgestattung begründen, wenn die Stelle, der gegenüber es geäußert wird, zu seiner Aufnahme und Weiterleitung
an die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verpflichtet sei, findet dies in § 55 Abs. 1 AsylVfG keine Stütze. Die an das Asylgesuch anknüpfende Aufenthaltsgestattung nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der wirksamen Asylantragstellung zeitlich vorgelagert, um den durch die verfassungsrechtliche Asylgarantie geforderten Abschiebungs- und Verfolgungsschutz effektiv zu gewährleisten (Marx, AsylVfG, 3. Aufl., § 55 Rdn. 4). Der aus einem sicheren Drittstaat unerlaubt eingereiste Ausländer genießt aber nach Art. 16 a Abs. 2 GG kein Asylrecht, so daß in diesen Fällen für eine Vorverlagerung des Aufenthaltsrechts keine Veranlassung besteht. Darüber hinaus schreibt das Asylverfahrensgesetz eine Weiterleitung nur für schriftliche Asylanträge vor, die bei der Ausländerbehörde eingereicht werden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Die Aufnahme eines mündlichen Antrags zur Niederschrift und dessen Weiterleitung , zumal durch die Polizei oder den Haftrichter, ist weder im Verwaltungsverfahrensgesetz noch im Asylverfahrensgesetz vorgesehen. Mündliche Anträge sind danach nur bei der Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge möglich (Renner, a. a. O., § 14 Rdn. 5, 14; Marx, a. a. O., § 14 Rdn. 10). War dem Betroffenen damit der Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Haftanordnung – noch – nicht gestattet, dann bestehen an deren Rechtmäßigkeit keine Zweifel.

b) Unabhängig hiervon ist dem vorlegenden Gericht allerdings darin zuzustimmen , daß die Erklärung des Betroffenen gegenüber der Polizei nicht als Asylgesuch verstanden werden kann. Die vom Oberlandesgericht Köln vertretene Auffassung, allein die Verwendung des Wortes "Asyl" lasse darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle, verkennt , daß der Asylbegriff keinen vorgegebenen allgemeingültigen Inhalt hat, sondern als Rechtsbegriff der näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber
und die Rechtsprechung unterliegt. Es kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß derjenige, der diesen Begriff verwendet, ihn gerade in dem durch § 13 Abs. 1 AsylVfG festgelegten Sinn versteht. Denkbar ist weiterhin , daß dem jeweils Betroffenen die Bedeutung des Wortes "Asyl" überhaupt nicht bekannt ist (vgl. den der Entscheidung OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 390 zugrundeliegenden Sachverhalt). Ein Asylgesuch setzt daher mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus (OVG Münster, a. a. O; Marx, a. a. O, § 13 Rdn. 3). Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (BT-Drucks. 9/875, S. 15). Hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen, insbesondere eine kurze Begründung seines Asylbegehrens, oder sonstige tatsächliche Umstände, die erkennen lassen, daß der Betroffene Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen politischen Verfolgung sucht (KG, FGPrax 1997, 116; Renner, a. a. O., § 13 AsylVfG, Rdn. 4 f; GK-AsylVfG, Stand: Juli 1998, § 13 Rdn. 38 f). Derartige Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Den Angaben des Betroffenen gegenüber der Polizei läßt sich lediglich entnehmen, daß er bereit ist zu arbeiten. Dies deutet eher darauf hin, daß seine Einreise wirtschaftlich motiviert war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 3 FEVG.
4. Prozeßkostenhilfe für das Verfahren über die sofortige weitere Be- schwerde war mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen (§ 114 ZPO i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG, § 14 FGG).
Tropf Klein Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies

1.
zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet,
2.
unerläßlich ist, um eine Platzverweisung nach § 38 durchzusetzen, oder
3.
unerläßlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.

(2) Die Bundespolizei kann Minderjährige, die der Obhut des Personensorgeberechtigten widerrechtlich entzogen wurden oder sich dieser entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, damit sie dem Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zugeführt werden können.

(3) Die Bundespolizei kann eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen, Jugendstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt oder einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches aufhält, in Gewahrsam nehmen, damit sie in die Anstalt zurückgebracht werden kann.

(4) Die Bundespolizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, um einem Ersuchen, das eine Freiheitsentziehung zum Inhalt hat, nachzukommen.

(1) Wird eine Person auf Grund des § 23 Abs. 3 Satz 4, § 25 Abs. 3, § 39 Abs. 1 oder 2 oder § 43 Abs. 5 festgehalten, hat die Bundespolizei unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen, es sei denn, die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung würde voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen, als zur Durchführung der Maßnahme notwendig wäre.

(2) Für die Entscheidung nach Absatz 1 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person festgehalten wird. Das Verfahren richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(3) Im Fall des § 39 Abs. 4 hat die ersuchende Behörde der Bundespolizei mit dem Ersuchen auch die richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung vorzulegen. Ist eine vorherige richterliche Entscheidung nicht ergangen, hat die Bundespolizei die festgehaltene Person zu entlassen, wenn die ersuchende Behörde diese nicht übernimmt oder die richterliche Entscheidung nicht unverzüglich nachträglich beantragt.

Setzt das förmliche Verwaltungsverfahren einen Antrag voraus, so ist er schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu stellen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 49/02
vom
21. November 2002
In der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
AsylVfG §§ 13 Abs. 1, 14, 55 Abs. 1 S. 3

a) Die Aufenthaltsgestattung des unerlaubt aus einem sicheren Drittstaat in die
Bundesrepublik Deutschland eingereisten Ausländers setzt einen förmlichen Asylantrag
voraus.

b) Ein Asylgesuch setzt mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus;
hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen oder sonstige tatsächliche Umstände
, die erkennen lassen, daß er Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen
politischen Verfolgung sucht.
BGH, Beschl. v. 21. November 2002 - V ZB 49/02 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. November 2002 durch
die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 25. Juni 2002 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Antrag des Betroffenen vom 15. Juli 2002 auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, pakistanischer Staatsangehöriger, wurde am 22. April 2002 in einem Waldgebiet nahe W. ohne gültige Papiere festgenommen. Nach seinen Angaben war er über Italien nach Deutschland eingereist. Bei seiner Vernehmung durch die Polizei erklärte er unter anderem:
"Jetzt bin ich hier und jetzt bleib ich auch hier. Wo ich genau hinwollte , ist mir egal. ... Wenn ich Arbeit bekomme, dann arbeite ich auch. N. hat mir gesagt, wenn ich in Deutschland bin, dann bekomme ich auch Asyl. Deshalb bin ich jetzt hier.“
Nach Anhörung des Betroffenen, bei der dieser seine gegenüber der Polizei gemachten Angaben als richtig bestätigte, hat das Amtsgericht gegen ihn mit Beschluß vom 23. April 2002 Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Hiergegen hat der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 5. Mai 2002 Beschwerde eingelegt. Am 8. Mai 2002 wurde der Ausländerbehörde der Antragstellerin vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mitgeteilt, daß der Betroffene dort einen Asylantrag gestellt habe. Aus diesem Grunde wurde der Betroffene am 16. Mai 2002 aus der Haft entlassen. Daraufhin hat er im Beschwerdeverfahren die Feststellung beantragt, daß die Anordnung der Haft rechtswidrig gewesen sei. Mit Beschluß vom 25. Juni 2002, dem Betroffenen zugestellt am 1. Juli 2002, hat das Landgericht festgestellt, daß die Fortdauer der Haft vom 9. Mai 2002 bis zum 16. Mai 2002 rechtswidrig gewesen sei; im übrigen hat es den Feststellungsantrag und die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 15. Juli 2002 beim Landgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, die das Oberlandesgericht zurückweisen möchte. Es sieht sich daran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002, 16 Wx 58/02, gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II.


Die Vorlage ist gemäß § 28 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG und § 3 Satz 2 FEVG zulässig, da das vorlegende Gericht bei der Auslegung der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG von dem auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 15. April 2002 abweichen will.

Das vorlegende Gericht geht davon aus, daß ein Ausländer auch im Fall der unerlaubten Einreise aus einem sicheren Drittstaat durch das gegenüber einer mit ausländerrechtlichen Fragen befaßten amtlichen Stelle geäußerte Asylgesuch eine der Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 57 Abs. 2 AuslG entgegenstehende Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 AsylVfG erwerben kann, wenn und weil die betreffende Stelle – Polizei, Ausländerbehörde oder Haftrichter – zur Aufnahme und Weiterleitung des Gesuchs an die zuständige Behörde, die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, verpflichtet ist. Ein zur Weiterleitung verpflichtendes Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG liege allerdings nicht vor, wenn sich der Betroffene – wie hier - ohne weitere Begründung auf Asyl berufe und sein Begehren nicht erkennen lasse, daß er politische Verfolgung fürchtet. Demgegenüber meint das Oberlandesgericht Köln, bereits die Verwendung des Wortes "Asyl“ lasse mangels entgegenstehender Anhaltspunkte darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle; eine weitergehende Begründung sei nicht erforderlich.
Die im Beschwerdeverfahren zu prüfende Rechtmäßigkeit der Haftanordnung hängt damit nach der für die Zulässigkeit der Vorlage maßgeblichen rechtlichen Beurteilung des vorlegenden Gerichts (vgl. Senat, Beschl. v. 28. Februar 2001, V ZB 8/01, NVwZ-Beilage I 7/2001, 62 m. w. Nachw.) von der streitigen Rechtsfrage ab, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Asylgesuchs zu stellen sind. Zwar haben beide Oberlandesgerichte ein übereinstimmendes Verständnis von dem in § 13 Abs. 1 AsylVfG im Sinne eines formlosen Asylgesuchs (Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 13 AsylVfG Rdn. 3) verwendeten Begriff des Asylantrags. Insbesondere gehen sie davon aus, daß
ein Asylgesuch im Rechtssinn nur dann vorliegt, wenn sich dem geäußerten Willen des Ausländers entnehmen läßt, daß er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht. Meinungsunterschiede bestehen jedoch bei der Subsumtion des Sachverhalts, nämlich der nicht näher begründeten Berufung auf Asyl, unter die gesetzliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 AsylVfG. Damit betrifft der Streit die Auslegung dieser Rechtsnorm (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Oktober 1956, II ZB 11/56, NJW 1957, 19, 20; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 28 Rdn. 13; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 28 Rdn. 8; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 28 Rdn. 6).

III.


Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Soweit das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit Beschluß vom 25. Juni 2002 zurückgewiesen hat, ist die sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG statthaft. Sie wurde vom Betroffenen form- und fristgerecht eingelegt (§§ 29 Abs. 4, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG). Zwar hat der Senat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme verneint, wenn sich in einer Abschiebungshaftsache die Hauptsache durch Entlassung des Betroffenen aus der Haft erledigt hat (Senat, BGHZ 139, 254). Zwischenzeitlich hat jedoch das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf das bei Freiheitsentziehungen bestehende Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen anerkannt (BVerfG,
Beschl. v. 5. Dezember 2001, NJW 2002, 2456). Dem ist das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß zu Recht gefolgt.
2. In der Sache selbst hat die sofortige weitere Beschwerde keinen Erfolg , da die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht rechtmäßig war.

a) Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 61 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AuslG ist ein Ausländer zur Sicherung der Zurückschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn er aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist. Ausweislich der Antragsschrift vom 23. April 2002 beabsichtigte die Ausländerbehörde der Antragstellerin, den Betroffenen nach Italien zurückzuschieben. Von dort aus war der Betroffene ohne die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG) und ohne Paß und damit unerlaubt eingereist (§ 58 Abs. 1 AuslG). Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Durch die gegenüber der Polizei erfolgte Berufung auf "Asyl" hat der Betroffene keine Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht darauf an, ob die Erklärung des Betroffenen als Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG zu verstehen ist. Da der Betroffene aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylVfG) unerlaubt eingereist war, setzte die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG einen förmlichen Asylantrag im Sinne von § 14 AsylVfG voraus, den der Betroffene jedoch erst nach der Haftanordnung gestellt hat. Soweit das vorlegende Gericht annimmt, bereits das – formlose – Asylgesuch könne eine Aufenthaltsgestattung begründen, wenn die Stelle, der gegenüber es geäußert wird, zu seiner Aufnahme und Weiterleitung
an die Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge verpflichtet sei, findet dies in § 55 Abs. 1 AsylVfG keine Stütze. Die an das Asylgesuch anknüpfende Aufenthaltsgestattung nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der wirksamen Asylantragstellung zeitlich vorgelagert, um den durch die verfassungsrechtliche Asylgarantie geforderten Abschiebungs- und Verfolgungsschutz effektiv zu gewährleisten (Marx, AsylVfG, 3. Aufl., § 55 Rdn. 4). Der aus einem sicheren Drittstaat unerlaubt eingereiste Ausländer genießt aber nach Art. 16 a Abs. 2 GG kein Asylrecht, so daß in diesen Fällen für eine Vorverlagerung des Aufenthaltsrechts keine Veranlassung besteht. Darüber hinaus schreibt das Asylverfahrensgesetz eine Weiterleitung nur für schriftliche Asylanträge vor, die bei der Ausländerbehörde eingereicht werden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Die Aufnahme eines mündlichen Antrags zur Niederschrift und dessen Weiterleitung , zumal durch die Polizei oder den Haftrichter, ist weder im Verwaltungsverfahrensgesetz noch im Asylverfahrensgesetz vorgesehen. Mündliche Anträge sind danach nur bei der Bundesanstalt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge möglich (Renner, a. a. O., § 14 Rdn. 5, 14; Marx, a. a. O., § 14 Rdn. 10). War dem Betroffenen damit der Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitpunkt der Haftanordnung – noch – nicht gestattet, dann bestehen an deren Rechtmäßigkeit keine Zweifel.

b) Unabhängig hiervon ist dem vorlegenden Gericht allerdings darin zuzustimmen , daß die Erklärung des Betroffenen gegenüber der Polizei nicht als Asylgesuch verstanden werden kann. Die vom Oberlandesgericht Köln vertretene Auffassung, allein die Verwendung des Wortes "Asyl" lasse darauf schließen, daß sich der Betroffene auf politische Gründe berufen wolle, verkennt , daß der Asylbegriff keinen vorgegebenen allgemeingültigen Inhalt hat, sondern als Rechtsbegriff der näheren Ausgestaltung durch den Gesetzgeber
und die Rechtsprechung unterliegt. Es kann deshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß derjenige, der diesen Begriff verwendet, ihn gerade in dem durch § 13 Abs. 1 AsylVfG festgelegten Sinn versteht. Denkbar ist weiterhin , daß dem jeweils Betroffenen die Bedeutung des Wortes "Asyl" überhaupt nicht bekannt ist (vgl. den der Entscheidung OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 390 zugrundeliegenden Sachverhalt). Ein Asylgesuch setzt daher mehr als die bloße Verwendung des Wortes "Asyl" voraus (OVG Münster, a. a. O; Marx, a. a. O, § 13 Rdn. 3). Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (BT-Drucks. 9/875, S. 15). Hinzutreten müssen Erklärungen des Betroffenen, insbesondere eine kurze Begründung seines Asylbegehrens, oder sonstige tatsächliche Umstände, die erkennen lassen, daß der Betroffene Schutz vor einer aus seiner Sicht gegebenen politischen Verfolgung sucht (KG, FGPrax 1997, 116; Renner, a. a. O., § 13 AsylVfG, Rdn. 4 f; GK-AsylVfG, Stand: Juli 1998, § 13 Rdn. 38 f). Derartige Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Den Angaben des Betroffenen gegenüber der Polizei läßt sich lediglich entnehmen, daß er bereit ist zu arbeiten. Dies deutet eher darauf hin, daß seine Einreise wirtschaftlich motiviert war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 3 FEVG.
4. Prozeßkostenhilfe für das Verfahren über die sofortige weitere Be- schwerde war mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen (§ 114 ZPO i. V. mit § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FEVG, § 14 FGG).
Tropf Klein Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Bundespolizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies

1.
zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet,
2.
unerläßlich ist, um eine Platzverweisung nach § 38 durchzusetzen, oder
3.
unerläßlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.

(2) Die Bundespolizei kann Minderjährige, die der Obhut des Personensorgeberechtigten widerrechtlich entzogen wurden oder sich dieser entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, damit sie dem Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zugeführt werden können.

(3) Die Bundespolizei kann eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen, Jugendstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt oder einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 des Strafgesetzbuches aufhält, in Gewahrsam nehmen, damit sie in die Anstalt zurückgebracht werden kann.

(4) Die Bundespolizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, um einem Ersuchen, das eine Freiheitsentziehung zum Inhalt hat, nachzukommen.

(1) Wird eine Person auf Grund des § 23 Abs. 3 Satz 4, § 25 Abs. 3, § 39 Abs. 1 oder 2 oder § 43 Abs. 5 festgehalten, hat die Bundespolizei unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen, es sei denn, die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung würde voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen, als zur Durchführung der Maßnahme notwendig wäre.

(2) Für die Entscheidung nach Absatz 1 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person festgehalten wird. Das Verfahren richtet sich nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(3) Im Fall des § 39 Abs. 4 hat die ersuchende Behörde der Bundespolizei mit dem Ersuchen auch die richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung vorzulegen. Ist eine vorherige richterliche Entscheidung nicht ergangen, hat die Bundespolizei die festgehaltene Person zu entlassen, wenn die ersuchende Behörde diese nicht übernimmt oder die richterliche Entscheidung nicht unverzüglich nachträglich beantragt.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten Behörden dürfen unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 die auf dem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium eines Dokuments nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 gespeicherten biometrischen und sonstigen Daten auslesen, die benötigten biometrischen Daten beim Inhaber des Dokuments erheben und die biometrischen Daten miteinander vergleichen. Darüber hinaus sind auch alle anderen Behörden, an die Daten aus dem Ausländerzentralregister nach den §§ 15 bis 20 des AZR-Gesetzes übermittelt werden, und die Meldebehörden befugt, Maßnahmen nach Satz 1 zu treffen, soweit sie die Echtheit des Dokuments oder die Identität des Inhabers überprüfen dürfen. Biometrische Daten nach Satz 1 sind nur die Fingerabdrücke und das Lichtbild.

(2) Jeder Ausländer ist verpflichtet, gegenüber den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden auf Verlangen die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu machen und die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder vermutlich besitzt, geforderten und mit dem deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben.

(3) Bestehen Zweifel über die Person, das Lebensalter oder die Staatsangehörigkeit des Ausländers, so sind die zur Feststellung seiner Identität, seines Lebensalters oder seiner Staatsangehörigkeit erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn

1.
dem Ausländer die Einreise erlaubt, ein Aufenthaltstitel erteilt oder die Abschiebung ausgesetzt werden soll oder
2.
es zur Durchführung anderer Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist.

(4) Die Identität eines Ausländers ist durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern, wenn eine Verteilung gemäß § 15a stattfindet.

(4a) Die Identität eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 beantragt und der das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern. Bei Ausländern nach Satz 1, die das sechste, aber noch nicht das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, soll die Identität durch erkennungsdienstliche Maßnahmen gesichert werden.

(5) Zur Feststellung und Sicherung der Identität sollen die erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden,

1.
wenn der Ausländer mit einem gefälschten oder verfälschten Pass oder Passersatz einreisen will oder eingereist ist;
2.
wenn sonstige Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Ausländer nach einer Zurückweisung oder Beendigung des Aufenthalts erneut unerlaubt ins Bundesgebiet einreisen will;
3.
bei Ausländern, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, sofern die Zurückschiebung oder Abschiebung in Betracht kommt;
4.
wenn der Ausländer in einen in § 26a Abs. 2 des Asylgesetzes genannten Drittstaat zurückgewiesen oder zurückgeschoben wird;
5.
bei der Beantragung eines nationalen Visums;
6.
bei Ausländern, die für ein Aufnahmeverfahren nach § 23, für die Gewährung von vorübergehendem Schutz nach § 24 oder für ein Umverteilungsverfahren auf Grund von Maßnahmen nach Artikel 78 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgeschlagen und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in die Prüfung über die Erteilung einer Aufnahmezusage einbezogen wurden, sowie in den Fällen des § 29 Absatz 3;
7.
wenn ein Versagungsgrund nach § 5 Abs. 4 festgestellt worden ist.

(6) Maßnahmen im Sinne der Absätze 3 bis 5 mit Ausnahme des Absatzes 5 Nr. 5 sind das Aufnehmen von Lichtbildern, das Abnehmen von Fingerabdrücken sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen, einschließlich körperlicher Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zum Zweck der Feststellung des Alters vorgenommen werden, wenn kein Nachteil für die Gesundheit des Ausländers zu befürchten ist. Die Maßnahmen sind zulässig bei Ausländern, die das sechste Lebensjahr vollendet haben. Zur Feststellung der Identität sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn die Identität in anderer Weise, insbesondere durch Anfragen bei anderen Behörden nicht oder nicht rechtzeitig oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

(6a) Maßnahmen im Sinne des Absatzes 5 Nr. 5 sind das Aufnehmen von Lichtbildern und das Abnehmen von Fingerabdrücken.

(7) Zur Bestimmung des Herkunftsstaates oder der Herkunftsregion des Ausländers kann das gesprochene Wort des Ausländers auf Ton- oder Datenträger aufgezeichnet werden. Diese Erhebung darf nur erfolgen, wenn der Ausländer vorher darüber in Kenntnis gesetzt wurde.

(8) Die Identität eines Ausländers, der in Verbindung mit der unerlaubten Einreise aufgegriffen und nicht zurückgewiesen wird, ist durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern. Nach Satz 1 dürfen nur Lichtbilder und Abdrucke aller zehn Finger aufgenommen werden. Die Identität eines Ausländers, der das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist unter den Voraussetzungen des Satzes 1 nur durch das Aufnehmen eines Lichtbildes zu sichern.

(9) Die Identität eines Ausländers, der sich ohne erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält, ist durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu sichern. Nach Satz 1 dürfen nur Lichtbilder und Abdrucke aller zehn Finger aufgenommen werden. Die Identität eines Ausländers, der das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist unter den Voraussetzungen des Satzes 1 nur durch das Aufnehmen eines Lichtbildes zu sichern.

(10) Der Ausländer hat die Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 3 bis 9 zu dulden.