Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2003 - V ZB 8/03

bei uns veröffentlicht am02.10.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 8/03
vom
2. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Oktober 2003 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. Januar 2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000

Gründe:


I.


Auf Grund eines Grundstückskaufvertrags der Parteien vom 24. August

2

2000 erwarb der Beklagte von der Klägerin eine 1.440 m Teilfläche eines Grundstücks der Klägerin in K. zum Preise von 1,5 Mio. DM. In dem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte dazu, den Sitz seiner Firma in das Gebiet der Klägerin zu verlegen, das Grundstück zu bebauen und diese Bebauung mit der Klägerin "unabhängig vom öffentlich-rechtlichen Baugenehmigungsverfahren" abzustimmen. Mit einer privatschriftlichen Zusatzvereinbarung verpflichtete sich der Beklagte, einen Carport unter Einhaltung von dort festgelegten Höchstmaßen zu errichten und bei Verstößen hiergegen einen Rückbau vorzu-
nehmen. Die Klägerin macht diesen Rückbauanspruch mit der Behauptung geltend, der errichtete Carport halte die Maße nicht ein.
Das Landgericht hat die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs festgestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten, der den Verwaltungsrechtsweg für gegeben hält, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. GmS-OGB BGHZ 102, 280, 283; BGHZ 97, 312, 313, 314 m. w. Nachw.). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Überund Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen , ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (BGHZ 97, 312, 313, 314; BSG, SozR § 51 SGG Nr. 61).
2. Die Natur vertraglicher Ansprüche wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Meist wird nicht auf den konkret geltend gemachten Anspruch , sondern darauf abgestellt, wo der Schwerpunkt der Vereinbarung liegt
(GmS-OGB BGHZ 97, 312, 3131 f.; 102, 280, 283; BGH, BGHZ 56, 365, 371 f.; 76, 16, 20; Urt. v. 7. Februar 1985, III ZR 179/83, NJW 1985, 1892, 1893; Senatsurt. v. 12. November 1986, V ZR 273/84, NJW 1987, 773; Urt. v. 12. November 1991, KZR 22/90, NJW 1992, 1237, 1238; Senatsbeschl. v. 6. Juli 2000, V ZB 50/99, NJW-RR 2000, 845; BVerwGE 22, 138, 140; 92, 56, 59; BSG SozR § 51 SGG Nr. 24 S. 56, 59). Teilweise wird aber auch auf das einschlägige Vertragselement abgestellt (BAG, NJW 1969, 1192; BVerwG, DÖV 1981, 878; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 1996, III ZB 105/96, NJW 1998, 909, 910; BAG, NJW 1969, 1192; OVG Schleswig, NordÖR 2002, 309, 310). Ob und in welchem Umfang diese Beurteilungsansätze in einem inhaltlichen Gegensatz stehen oder sich im Hinblick auf die Behandlung gemischttypischer Verträge auch ergänzen und welchem Ansatz im allgemeinen zu folgen ist, bedarf jedenfalls im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Hier führt der eine wie der andere Beurteilungsansatz zur Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs.
3. Der Schwerpunkt des Vertrags liegt auf dem Gebiet des Zivilrechts. Auch die geltend gemachte Rückbauverpflichtung ist zivilrechtlicher Natur.

a) Der Vertrag der Parteien vom 24. August 2000 ist seinem wesentlichen Inhalt nach auf die Übertragung des Eigentums an der Teilfläche eines Grundstücks der Klägerin gegen Zahlung des ausbedungenen Kaufpreises gerichtet und damit ein Grundstückskaufvertrag, der dem Zivilrecht zuzurechnen ist. Die Regelung zur Bebauung des Grundstücks hat zwar einen Bezug zu den Aufgaben der Organe der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Bauordnungsbehörde. Sie hat aber im Verhältnis zu dem eigentlichen Inhalt des Vertrags, nämlich dem Verkauf des Grundstücks an den Beklagten, nur untergeordnete
Bedeutung und ändert nichts daran, daß dieser Vertrag insgesamt seinen Schwerpunkt im Zivilrecht hat. Diesen Schwerpunkt teilt die Vereinbarung der Parteien vom 21. November 2001, mit der diese die technischen Einzelheiten der Abstimmung der Bebauung mit der Klägerin nach dem Grundstückskaufvertrag vereinbart haben.

b) Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts , wenn man zur Beurteilung der Natur des Rechtsverhältnisses auf die konkret geltend gemachte Rückbauverpflichtung abstellt. Diese Verpflichtung füllt die Regelung des Vertrags über die Abstimmung der Bebauung des Grundstücks mit der Klägerin näher aus. Selbst wenn die Klägerin hiermit nur die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorgaben hätte sicherstellen wollen , würde das nicht dazu zwingen, diese Verpflichtung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorgaben kann auch in Privatrechtsform durchgesetzt werden (BGH, Urt. v. 7. Februar 1985, III ZR 179/83, NJW 1985, 1892, 1893). Hier bestanden solche Vorgaben noch nicht einmal. Der Carport war nach schleswig-holsteinischem Landesrecht nicht genehmigungspflichtig. Es bestand auch keine Gestaltungssatzung der Klägerin, an deren Vorgaben seine Errichtung auszurichten gewesen wäre. Die zivilrechtliche Qualifikation dieser Regelungen des Vertrags und der diese ausfüllenden Vereinbarung vom 21. November 2001 folgt aber vor allem auch daraus , daß die Klägerin mit diesen Regelungen zwei Verpflichtungen des Beklagten erreicht hat, die sie als Bauordnungsbehörde mit öffentlich-rechtlichen Mitteln nicht hätte durchsetzen können: Der Beklagte hat sich zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet, was sonst nur unter den besonderen, hier nicht gegebenen Voraussetzungen eines Baugebots möglich gewesen wäre. Außerdem hat er sich verpflichtet, die Bebauung seines Grundstücks schlechthin,
also auch in solchen Punkten mit der Klägerin abzustimmen, die diese bauordnungsrechtlich und auch in einer Gestaltungssatzung nicht hätte vorschreiben können. Das war nur möglich, wenn und weil sich die Klägerin auf die Ebene des Zivilrechts begeben und die dann auch für sie geltende Privatautonomie genutzt hat. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin auch in anderen Fällen so vorgegangen ist. Das kann den zivilrechtlichen Prüfungsmaßstab für entsprechende vertragliche Regelungen verändern. An der zivilrechtlichen Einordnung dieses Handelns ändert das nichts.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bemißt der Bundesgerichtshof bei der Rechtswegbestimmung bislang mit 1/5 des Hauptsachewerts (BGH, Beschl. v. 19. Dezember 1996, III ZB 105/96, WM 1997, 1077; Beschl. v. 4. März 1998, VIII ZB 25/97, BGHR GVG § 17a Abs. 4 Satz 1, Beschlußform 1; Senatsbeschl. v. 6. Juli 2000, V ZB 50/99, NJW-RR 2000, 845, 846). Zu einer abweichenden Beurteilung besteht kein Anlaß.
Wenzel Tropf Krüger Gaier Schmidt-Räntsch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2003 - V ZB 8/03

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2003 - V ZB 8/03

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 51


(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten 1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken
Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2003 - V ZB 8/03 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2000 - V ZB 50/99

bei uns veröffentlicht am 06.07.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 50/99 vom 6. Juli 2000 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ----------------------------------- GVG § 13 Zur Entscheidung über einen Anspruch auf Zahlung aus einer Vorfinanzierun
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2003 - V ZB 8/03.

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2012 - V ZB 86/12

bei uns veröffentlicht am 19.09.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 86/12 vom 19. September 2012 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG § 13 An der privatrechtlichen Natur eines Grundstückskaufvertrags ändert sich nicht dadurch etwas, dass

Referenzen

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 50/99
vom
6. Juli 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
Zur Entscheidung über einen Anspruch auf Zahlung aus einer Vorfinanzierungsvereinbarung
in einem Erschließungsvertrag mit einer Gemeinde ist das Verwaltungsgericht
zuständig.
BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - V ZB 50/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Juli 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Schneider,
Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 28. Oktober 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 12.000 DM.

Gründe:

I.

Die beklagte Gemeinde schloß am 19. Oktober 1993 mit einer S. /Q. GmbH & Co. KG (im folgenden: S. /Q. KG oder Erschließungsträgerin ) einen Vertrag zur Erschließung des im Gemeindegebiet der Beklagten belegenen Wohngebiets "Am W. ". Nach vertraglicher Feststellung ist der Erschließungsträger Eigentümer aller Grundstücke dieses Wohngebiets. Die S. /Q. KG verpflichtete sich, die innere Erschließung des Wohngebiets vorzunehmen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages) und die Erschließungsanlagen an die beklagte Gemeinde zu übertragen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages), wobei diese auf das Beitragserhebungsverfahren verzichtete (§ 8 Abs. 1 des Vertrages). Die vollständige bzw. anteilige Übernahme der sog. äußeren Erschließungen "gegebenenfalls auch im Rahmen einer Zwischen- oder
Vorfinanzierung" (§ 2 Abs. 2 des Vertrages) wird in § 11 des Vertrages geregelt. Er bestimmt:
"Ä ußere Erschließung (1) Dem Erschließungsträger ist bekannt, daß eine positive Bescheidung seiner Bauanträge zwingend die äußere Erschließung des Vertragsgebietes voraussetzt und die Gemeinde z. Zt. nicht in der Lage ist, die danach erforderlichen Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. (2) Der Erschließungsträger ist deshalb zur Sicherung der schnellstmöglichen Realisierung seines Bauvorhabens bereit und berechtigt, auf eigene Kosten
a) die Wasserversorgung ........................................................... ................................................................................................
b) die Erdgasdruckleitung ........................................................... ................................................................................................
c) zur Energieversorgung ........................................................... ................................................................................................
d) den Gehweg und die Straße ................................................... ................................................................................................ herzustellen oder vorzufinanzieren. (3) Durch den Erschließungsträger werden gemeinsam mit der Gemeinde die erforderlichen vertraglichen Regelungen mit den Versorgungsunternehmen und dem Straßenwesen herbeigeführt. (4) Die in Abs. 1 festgelegten Erschließungsleistungen können nicht nochmals als Erschließungsbetrag durch die Gemeinde erhoben werden."
Mit Vertrag vom 19. Oktober 1994 präzisierten die Vertragsparteien diese Regelung. Der neu gefaßte § 11 des Vertrages enthält einzelne Regelungen zur äußeren Erschließung des Wohngebiets bezüglich Wasserversorgung, Erdgasdruckleitung, Elektroenergie, Gehwege und Straßen sowie Regenwasserabführung und der Abwasserableitung. Für letztere erfolgte eine Aufteilung der Gesamtkosten in "Anteil Gewerbegebiet" und "Wohngebiet" (§ 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 2) an die sich eine "Verfahrensregelung" mit folgendem Inhalt anschließt :
"3.1. Die Gemeinde übernimmt die Planung und Realisierung der Schmutzwasserableitung nach Pkt. 2. Die Kosten werden durch eine "Erschließungssatzung der Gemeinde für das Wohngebiet und das Gewerbegebiet" anteilig auf die Gebiete umgelegt. 3.2. Die Gemeinde wird die anteiligen Kosten des Wohngebietes und des Gewerbegebietes auf die Grundstücke umlegen und die Grundstückseigentümer zur Zahlung der Erschließungsbeiträge heranziehen. 3.3. Zur Sicherung der Bauzeiten, nach Pkt. 3.4. erfolgt eine Vorfinanzierung von Projektierung und Bauleistungen durch den Erschließungsträger. Die Zahlungen erfolgen auf der Grundlage der mit den Ausführungsbetrieben und dem Ingenieurbüro bzw. der Stadt Sch. abzuschließenden Verträge durch den Erschließungsträger an die Gemeinde. 3.4. Zeitlicher Ablauf Baubeginn 01.09.1994 Bauende 30.10.1994 3.5. Die Rückzahlung der vorfinanzierten Anteile des Gewerbegebietes erfolgt durch die Gemeinde an den Erschließungsträger sofort nach Eingang der Zahlungen der Grundstückseigentümer des Gewerbegebietes. 3.6. Weitere Einzelheiten werden in einer noch zu beschließenden Erschließungs- und Beitragssatzung der Gemeinde geregelt.
(3) Durch den Erschließungsträger werden gemeinsam mit der Gemeinde die erforderlichen vertraglichen Regelungen mit den Versorgungsunternehmen und dem Straßenwesen herbeigeführt. (4) Die in Abs. 2 festgelegten Erschließungsleistungen können nicht nochmals als Erschließungsbetrag durch die Gemeinde erhoben werden. (5) Die anteiligen Kosten des Wohngebietes gemäß Abs. (2) sehen eine Kostenbeteiligung der Gemeinde nicht vor, auch bestehen zukünftig aus diesen Maßnahmen keine Forderungen des Erschließungsträgers an die Gemeinde."
Die Klägerin nimmt mit der Behauptung, sie sei mit der Erschließungsträgerin identisch, die Beklagte auf Zahlung nach § 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 3.5 in Anspruch (Teilklage). Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 61.860,58 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte hat u.a. die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Das Landgericht hat die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen und in den Urteilsgründen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten bejaht. Auf Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht nach aufrechterhaltener Rechtswegrüge der Beklagten durch Beschluß den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht H. verwiesen. Dagegen wendet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde der Klägerin.

II.


Die zulässige weitere Beschwerde (vgl. § 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG; § 577 ZPO) ist unbegründet.
Das Berufungsgericht ist mit Recht auf Berufung der Klägerin in das Vorabverfahren eingetreten, da das Landgericht trotz ausdrücklicher Rechtswegrüge nicht vorab entschieden hatte (§ 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) und es Anlaß sah, die weitere Beschwerde zuzulassen (BGHZ 131, 169; 132, 245, 247). An diese Zulassung ist der Senat gebunden (§ 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG; BGHZ 120, 198).
Das Berufungsgericht bejaht rechtlich zutreffend für das vorliegende Verfahren den Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es geht richtig und von der Beschwerde auch unbeanstandet davon aus, daß über Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen nicht die Zivilgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben (vgl. auch BVerwGE 42, 331, 332). Maßgebend für die Frage nach der rechtlichen Qualifikation der getroffenen vertraglichen Regelungen ist dabei der Schwerpunkt der Vereinbarung (vgl. BGHZ 56, 365, 373; 76, 16, 20; BVerwGE 22, 138, 140). Die Vertragsparteien haben eindeutig hinsichtlich der sog. inneren Erschließung einen Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB, also einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, abgeschlossen, mit dem die Erschließungsträgerin sich verpflichtete, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bestimmte Erschließungsanlagen herzustellen und ohne Gegenleistung auf die Gemeinde zu übertragen (§§ 2 ff des Vertrages vom 19. Oktober 1993). Soweit die Beschwerde dies unter Hinweis auf die notwendige Angemessenheit der Leistungen (§ 124 Abs. 3 Satz 1
BauGB) mit der Behauptung in Frage stellt, in dem Wohngebiet "AmW. " befänden sich auch "eine Vielzahl von Fremdanliegergrundstücken", ist das in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Die Frage nach der Rechtsnatur der vertraglichen Leistungen kann nicht davon abhängen, ob der von § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgegebene Rahmen eingehalten wurde. Im übrigen stellt der Vertrag vom 19. Oktober 1993 in § 1 Abs. 2 ausdrücklich fest, daß der Erschließungsträger Eigentümer aller Grundstücke innerhalb des Vertragsgebiets ist, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, ohne daß die Beschwerde dagegen eine Rüge erhebt. Unrichtig ist ferner die Behauptung der Klägerin, die dem Erschließungsträger entstandenen Kosten hätten vereinbarungsgemäß durch Beitragserhebung refinanziert werden sollen. Eine solche Regelung ist nur im Rahmen der sog. äußeren Erschließung und nur im Rahmen der Vereinbarung zur Schmutzwasserableitung getroffen (§ 11 in der ergänzten Form). Im übrigen werden Erschließungsbeiträge für die in § 3 Abs. 1 des Vertrages von 1993 festgelegten Erschließungsmaßnahmen nicht nochmals erhoben (§ 8 Abs. 1 des Vertrages von 1993; § 11 Abs. 4 der Vertragsergänzung).
Schließlich ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Schwerpunkt der vertraglichen Regelung im Bereich der sog. inneren Erschließung sieht und die Regelung zur sog. äußeren Erschließung (§ 11 der Vertragsergänzung ) nur als Annex des Erschließungsvertrages betrachtet. Auch die Klägerin kann nicht bezweifeln, daß die sog. äußere Erschließung lediglich ein Mittel war, die positive Entscheidung über die Bauanträge für das Wohngebiet zu erreichen, und sie deshalb bereit und berechtigt war, bestimmte Erschließungsmaßnahmen herzustellen oder vorzufinanzieren (§ 11 Abs. 1 und 2 des ergänzten Vertrages), weil der Beklagten die notwendigen Mittel fehlten. Ebensowenig läßt sich in Frage stellen, daß die allenfalls privatrechtlich zu
bewertende Vorfinanzierungsregelung (§ 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 3.5 des Ergänzungsvertrages ) für die von der beklagten Gemeinde herzustellende Schmutzwasserableitung (Klagegrundlage) nur einen geringfügigen Teilbereich der Regelungen in § 11 der Vertragsergänzung ausmacht. Hinsichtlich der Wasserversorgung, der Erdgasdruckleitung und der Elektroenergie wird lediglich auf die entsprechenden Verträge der Erschließungsträgerin mit den entsprechenden Versorgungsunternehmen verwiesen. Daß die beklagte Gemeinde an der Herbeiführung dieser Verträge mitbeteiligt war (§ 11 Abs. 3 der Vertragsergänzung ) ist ohne Bedeutung. Es kommt im Verhältnis zur beklagten Gemeinde insbesondere nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sich die Klägerin in gesonderten Verträgen mit Versorgungsunternehmen zur Kostenübernahme bereit erklärt hat. Hinsichtlich der Gehwege und Straßen sowie der Regenwasserabführung im Rahmen der äußeren Erschließung hat sich die Klägerin zur Herstellung auf eigene Kosten verpflichtet, ohne daß eine Erstattung durch die Beklagte vorgesehen ist (§ 11 Abs. 4 der Vertragsergänzung). Daß diese Regelung den Charakter eines Erschließungsvertrages trägt, kann auch die Klägerin nicht ernsthaft bezweifeln. Für die Beurteilung der Rechtsnatur ist ohne Bedeutung, ob diese Regelung zulässig war oder nicht.
Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat mit rd. 1/5 des Hauptsachewerts bemessen (vgl. BGH, Beschlüsse v. 19. Dezember 1996, III ZB 105/96, WM 1997, 1077 und v. 4. März 1998, VIII ZB 25/97, BGHR GVG § 17 a Abs. 4 Satz 1, Beschlußform 1). Soweit er früher vom vollen Hauptsachewert ausgegangen ist, hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest (vgl. auch schon Senatsbeschl. v. 30. September 1999, V ZB 24/99, NJW 1999, 3785, 3786).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. auch Senatsbeschl. v. 17. Juni 1993, V ZB 31/92, BGHR GVG § 17 a Abs. 4, Kostenentscheidung 1).
Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 50/99
vom
6. Juli 2000
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
Zur Entscheidung über einen Anspruch auf Zahlung aus einer Vorfinanzierungsvereinbarung
in einem Erschließungsvertrag mit einer Gemeinde ist das Verwaltungsgericht
zuständig.
BGH, Beschl. v. 6. Juli 2000 - V ZB 50/99 - OLG Naumburg
LG Halle
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Juli 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Schneider,
Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 28. Oktober 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 12.000 DM.

Gründe:

I.

Die beklagte Gemeinde schloß am 19. Oktober 1993 mit einer S. /Q. GmbH & Co. KG (im folgenden: S. /Q. KG oder Erschließungsträgerin ) einen Vertrag zur Erschließung des im Gemeindegebiet der Beklagten belegenen Wohngebiets "Am W. ". Nach vertraglicher Feststellung ist der Erschließungsträger Eigentümer aller Grundstücke dieses Wohngebiets. Die S. /Q. KG verpflichtete sich, die innere Erschließung des Wohngebiets vorzunehmen (§ 2 Abs. 1 des Vertrages) und die Erschließungsanlagen an die beklagte Gemeinde zu übertragen (§ 9 Abs. 1 des Vertrages), wobei diese auf das Beitragserhebungsverfahren verzichtete (§ 8 Abs. 1 des Vertrages). Die vollständige bzw. anteilige Übernahme der sog. äußeren Erschließungen "gegebenenfalls auch im Rahmen einer Zwischen- oder
Vorfinanzierung" (§ 2 Abs. 2 des Vertrages) wird in § 11 des Vertrages geregelt. Er bestimmt:
"Ä ußere Erschließung (1) Dem Erschließungsträger ist bekannt, daß eine positive Bescheidung seiner Bauanträge zwingend die äußere Erschließung des Vertragsgebietes voraussetzt und die Gemeinde z. Zt. nicht in der Lage ist, die danach erforderlichen Erschließungsmaßnahmen durchzuführen. (2) Der Erschließungsträger ist deshalb zur Sicherung der schnellstmöglichen Realisierung seines Bauvorhabens bereit und berechtigt, auf eigene Kosten
a) die Wasserversorgung ........................................................... ................................................................................................
b) die Erdgasdruckleitung ........................................................... ................................................................................................
c) zur Energieversorgung ........................................................... ................................................................................................
d) den Gehweg und die Straße ................................................... ................................................................................................ herzustellen oder vorzufinanzieren. (3) Durch den Erschließungsträger werden gemeinsam mit der Gemeinde die erforderlichen vertraglichen Regelungen mit den Versorgungsunternehmen und dem Straßenwesen herbeigeführt. (4) Die in Abs. 1 festgelegten Erschließungsleistungen können nicht nochmals als Erschließungsbetrag durch die Gemeinde erhoben werden."
Mit Vertrag vom 19. Oktober 1994 präzisierten die Vertragsparteien diese Regelung. Der neu gefaßte § 11 des Vertrages enthält einzelne Regelungen zur äußeren Erschließung des Wohngebiets bezüglich Wasserversorgung, Erdgasdruckleitung, Elektroenergie, Gehwege und Straßen sowie Regenwasserabführung und der Abwasserableitung. Für letztere erfolgte eine Aufteilung der Gesamtkosten in "Anteil Gewerbegebiet" und "Wohngebiet" (§ 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 2) an die sich eine "Verfahrensregelung" mit folgendem Inhalt anschließt :
"3.1. Die Gemeinde übernimmt die Planung und Realisierung der Schmutzwasserableitung nach Pkt. 2. Die Kosten werden durch eine "Erschließungssatzung der Gemeinde für das Wohngebiet und das Gewerbegebiet" anteilig auf die Gebiete umgelegt. 3.2. Die Gemeinde wird die anteiligen Kosten des Wohngebietes und des Gewerbegebietes auf die Grundstücke umlegen und die Grundstückseigentümer zur Zahlung der Erschließungsbeiträge heranziehen. 3.3. Zur Sicherung der Bauzeiten, nach Pkt. 3.4. erfolgt eine Vorfinanzierung von Projektierung und Bauleistungen durch den Erschließungsträger. Die Zahlungen erfolgen auf der Grundlage der mit den Ausführungsbetrieben und dem Ingenieurbüro bzw. der Stadt Sch. abzuschließenden Verträge durch den Erschließungsträger an die Gemeinde. 3.4. Zeitlicher Ablauf Baubeginn 01.09.1994 Bauende 30.10.1994 3.5. Die Rückzahlung der vorfinanzierten Anteile des Gewerbegebietes erfolgt durch die Gemeinde an den Erschließungsträger sofort nach Eingang der Zahlungen der Grundstückseigentümer des Gewerbegebietes. 3.6. Weitere Einzelheiten werden in einer noch zu beschließenden Erschließungs- und Beitragssatzung der Gemeinde geregelt.
(3) Durch den Erschließungsträger werden gemeinsam mit der Gemeinde die erforderlichen vertraglichen Regelungen mit den Versorgungsunternehmen und dem Straßenwesen herbeigeführt. (4) Die in Abs. 2 festgelegten Erschließungsleistungen können nicht nochmals als Erschließungsbetrag durch die Gemeinde erhoben werden. (5) Die anteiligen Kosten des Wohngebietes gemäß Abs. (2) sehen eine Kostenbeteiligung der Gemeinde nicht vor, auch bestehen zukünftig aus diesen Maßnahmen keine Forderungen des Erschließungsträgers an die Gemeinde."
Die Klägerin nimmt mit der Behauptung, sie sei mit der Erschließungsträgerin identisch, die Beklagte auf Zahlung nach § 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 3.5 in Anspruch (Teilklage). Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 61.860,58 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte hat u.a. die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt. Das Landgericht hat die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen und in den Urteilsgründen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten bejaht. Auf Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht nach aufrechterhaltener Rechtswegrüge der Beklagten durch Beschluß den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht H. verwiesen. Dagegen wendet sich die zugelassene sofortige weitere Beschwerde der Klägerin.

II.


Die zulässige weitere Beschwerde (vgl. § 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG; § 577 ZPO) ist unbegründet.
Das Berufungsgericht ist mit Recht auf Berufung der Klägerin in das Vorabverfahren eingetreten, da das Landgericht trotz ausdrücklicher Rechtswegrüge nicht vorab entschieden hatte (§ 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) und es Anlaß sah, die weitere Beschwerde zuzulassen (BGHZ 131, 169; 132, 245, 247). An diese Zulassung ist der Senat gebunden (§ 17 a Abs. 4 Satz 6 GVG; BGHZ 120, 198).
Das Berufungsgericht bejaht rechtlich zutreffend für das vorliegende Verfahren den Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es geht richtig und von der Beschwerde auch unbeanstandet davon aus, daß über Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen nicht die Zivilgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben (vgl. auch BVerwGE 42, 331, 332). Maßgebend für die Frage nach der rechtlichen Qualifikation der getroffenen vertraglichen Regelungen ist dabei der Schwerpunkt der Vereinbarung (vgl. BGHZ 56, 365, 373; 76, 16, 20; BVerwGE 22, 138, 140). Die Vertragsparteien haben eindeutig hinsichtlich der sog. inneren Erschließung einen Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB, also einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, abgeschlossen, mit dem die Erschließungsträgerin sich verpflichtete, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bestimmte Erschließungsanlagen herzustellen und ohne Gegenleistung auf die Gemeinde zu übertragen (§§ 2 ff des Vertrages vom 19. Oktober 1993). Soweit die Beschwerde dies unter Hinweis auf die notwendige Angemessenheit der Leistungen (§ 124 Abs. 3 Satz 1
BauGB) mit der Behauptung in Frage stellt, in dem Wohngebiet "AmW. " befänden sich auch "eine Vielzahl von Fremdanliegergrundstücken", ist das in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Die Frage nach der Rechtsnatur der vertraglichen Leistungen kann nicht davon abhängen, ob der von § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgegebene Rahmen eingehalten wurde. Im übrigen stellt der Vertrag vom 19. Oktober 1993 in § 1 Abs. 2 ausdrücklich fest, daß der Erschließungsträger Eigentümer aller Grundstücke innerhalb des Vertragsgebiets ist, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, ohne daß die Beschwerde dagegen eine Rüge erhebt. Unrichtig ist ferner die Behauptung der Klägerin, die dem Erschließungsträger entstandenen Kosten hätten vereinbarungsgemäß durch Beitragserhebung refinanziert werden sollen. Eine solche Regelung ist nur im Rahmen der sog. äußeren Erschließung und nur im Rahmen der Vereinbarung zur Schmutzwasserableitung getroffen (§ 11 in der ergänzten Form). Im übrigen werden Erschließungsbeiträge für die in § 3 Abs. 1 des Vertrages von 1993 festgelegten Erschließungsmaßnahmen nicht nochmals erhoben (§ 8 Abs. 1 des Vertrages von 1993; § 11 Abs. 4 der Vertragsergänzung).
Schließlich ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht den Schwerpunkt der vertraglichen Regelung im Bereich der sog. inneren Erschließung sieht und die Regelung zur sog. äußeren Erschließung (§ 11 der Vertragsergänzung ) nur als Annex des Erschließungsvertrages betrachtet. Auch die Klägerin kann nicht bezweifeln, daß die sog. äußere Erschließung lediglich ein Mittel war, die positive Entscheidung über die Bauanträge für das Wohngebiet zu erreichen, und sie deshalb bereit und berechtigt war, bestimmte Erschließungsmaßnahmen herzustellen oder vorzufinanzieren (§ 11 Abs. 1 und 2 des ergänzten Vertrages), weil der Beklagten die notwendigen Mittel fehlten. Ebensowenig läßt sich in Frage stellen, daß die allenfalls privatrechtlich zu
bewertende Vorfinanzierungsregelung (§ 11 Abs. 2 Buchst. f Nr. 3.5 des Ergänzungsvertrages ) für die von der beklagten Gemeinde herzustellende Schmutzwasserableitung (Klagegrundlage) nur einen geringfügigen Teilbereich der Regelungen in § 11 der Vertragsergänzung ausmacht. Hinsichtlich der Wasserversorgung, der Erdgasdruckleitung und der Elektroenergie wird lediglich auf die entsprechenden Verträge der Erschließungsträgerin mit den entsprechenden Versorgungsunternehmen verwiesen. Daß die beklagte Gemeinde an der Herbeiführung dieser Verträge mitbeteiligt war (§ 11 Abs. 3 der Vertragsergänzung ) ist ohne Bedeutung. Es kommt im Verhältnis zur beklagten Gemeinde insbesondere nicht darauf an, ob und in welchem Umfang sich die Klägerin in gesonderten Verträgen mit Versorgungsunternehmen zur Kostenübernahme bereit erklärt hat. Hinsichtlich der Gehwege und Straßen sowie der Regenwasserabführung im Rahmen der äußeren Erschließung hat sich die Klägerin zur Herstellung auf eigene Kosten verpflichtet, ohne daß eine Erstattung durch die Beklagte vorgesehen ist (§ 11 Abs. 4 der Vertragsergänzung). Daß diese Regelung den Charakter eines Erschließungsvertrages trägt, kann auch die Klägerin nicht ernsthaft bezweifeln. Für die Beurteilung der Rechtsnatur ist ohne Bedeutung, ob diese Regelung zulässig war oder nicht.
Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat mit rd. 1/5 des Hauptsachewerts bemessen (vgl. BGH, Beschlüsse v. 19. Dezember 1996, III ZB 105/96, WM 1997, 1077 und v. 4. März 1998, VIII ZB 25/97, BGHR GVG § 17 a Abs. 4 Satz 1, Beschlußform 1). Soweit er früher vom vollen Hauptsachewert ausgegangen ist, hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest (vgl. auch schon Senatsbeschl. v. 30. September 1999, V ZB 24/99, NJW 1999, 3785, 3786).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. auch Senatsbeschl. v. 17. Juni 1993, V ZB 31/92, BGHR GVG § 17 a Abs. 4, Kostenentscheidung 1).
Wenzel Vogt Schneider Krüger Klein