Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZR 94/05

bei uns veröffentlicht am24.11.2005
vorgehend
Landgericht Koblenz, 15 O 10/01, 04.07.2001
Oberlandesgericht Koblenz, 3 U 1002/03, 22.03.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 94/05
vom
24. November 2005
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. November 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. März 2005 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 40.300 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, auf denen sich jeweils unmittelbar aneinandergrenzende Gebäude der als "geschütztes Kulturdenkmal" ausgewiesenen Burg A. in B. H. befinden. Ursprünglich waren die Kläger Eigentümer der gesamten Anlage. Im Jahr 1995 wurde das Grundstück auf Veranlassung der Kläger geteilt. In dem darauf folgenden Jahr übertrugen sie eines der neu entstandenen Flurstücke auf ihre Tochter und auf ihren Schwiegersohn, die dieses mit notariell beurkundetem Vertrag vom 4. März 1998 an die Beklagten verkauften. Die Kläger bewohnten auf ihrem Grundstück weiterhin das Haupthaus der Burganlage, die Beklagten bewohnen einen auf ihrem Grundstück stehenden niedrigeren Anbau. Die Kläger haben ihr Grundstück während des Rechtsstreits verkauft.
2
Die Beklagten beabsichtigen, auf dem Dach ihres Gebäudes direkt vor der angrenzenden Wand des Haupthauses einen Wintergarten zu errichten. Die dafür erforderliche Brandmauer würde zwei Fenster des Haupthauses verschließen. Die Baubehörde hat das Vorhaben genehmigt; die Baugenehmigung ist bestandskräftig.
3
Die Kläger verlangen von den Beklagten die Unterlassung der geplanten Baumaßnahme. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Auf die Revision der Kläger hat der Senat das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Mit seiner zweiten Entscheidung hat das Oberlandesgericht die Berufung der Kläger erneut zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben sie Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, mit der sie auch die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs wegen der Nichtberücksichtigung ihres Vortrags gerügt haben, die Errichtung des Wintergartens entsprechend ihrer Alternativplanung oder zwar entsprechend der Planung der Beklagten, aber an einer anderen Stelle, beeinträchtige die Nutzung der darunter liegenden Schlafzimmer nicht.

II.

4
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
5
1. Der Beklagte zu 1 hat in dem letzten Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt, eine Verschiebung des Wintergartens auf das Flachdach komme für ihn nicht in Betracht, weil sich darunter die beiden einzigen Schlafzimmer seiner Wohnung befänden. Das haben die Kläger innerhalb der ihnen gewährten Schriftsatzfrist nicht bestritten, zugleich aber vorgetragen, dass keine Beeinträchtigungen der Nutzung der Schlafzimmer durch den darüber liegenden Wintergarten zu befürchten seien. Für die Richtigkeit dieser Behauptung haben sie sich auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten berufen.
6
2. Das Berufungsgericht ist auf diesen Vortrag in seiner Entscheidung nicht eingegangen. Vielmehr hat es bei der Abwägung, ob für die Beklagten die Errichtung des Wintergartens entsprechend der Alternativplanung der Kläger und an einer anderen Stelle zumutbar ist, als schwerwiegenden Nachteil für die Beklagten gewertet, dass sie den Wintergarten entgegen ihrem Wunsch nach der Vermeidung von Lärmbelästigungen über den Schlafzimmern errichten müssten. Das verletzt den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
7
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs die Gerichte, das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Urteilsfindung in Erwägung zu ziehen (siehe nur BVerfGE 83, 24, 35). Grundsätzlich ist davon auszugehen , dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen insbesondere nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann deshalb nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt, dass das Gericht einer hieraus resultierenden Pflicht nicht nachgekommen ist (siehe nur BVerfGE 96, 205, 216 f).
8
b) Danach hat das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen , indem es die Berufung der Kläger u.a. mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass für die Beklagten eine Verlegung des Wintergartens auch deshalb unzumutbar sei, weil er über den Schlafzimmern läge, ohne zu berücksichtigen, dass die Kläger vorgetragen haben, die Nutzung der Schlafzimmer werde durch den Wintergarten nicht beeinträchtigt.
9
c) Das Berufungsurteil beruht auch auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies ist bereits dann so, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (Senat, Beschl. v. 9. Juni 2005, V ZR 241/04, NJW 2005, 2624, 2625). Das ist hier der Fall. Denn wenn sich herausstellt, dass die Nutzung der Schlafzimmer durch den darüber liegenden Wintergarten nicht beeinträchtigt wird, insbesondere keine Lärmbelästigungen auftreten, entfällt ein von dem Berufungsgericht für die Verneinung der Zumutbarkeit als gewichtig angesehener Umstand. Als weiteren Nachteil für die Beklagten hat das Berufungsgericht lediglich das Entstehen - relativ geringer - Mehrkosten festgestellt.

III.

10
Der Senat hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung durch Beschluss nach § 544 Abs. 7 Gebrauch gemacht. Das gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit, die Frage der Beeinträchtigung der Nutzung der Schlafzimmer durch den an anderer Stelle errichteten Wintergarten zu klären und sodann gegebenenfalls eine neue Abwägung hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Verlegung des Wintergartens für die Beklagten vorzunehmen.
Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 04.07.2001 - 15 O 10/01 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 22.03.2005 - 3 U 1002/03 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZR 94/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZR 94/05

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2005 - V ZR 94/05 zitiert 1 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2005 - V ZR 241/04

bei uns veröffentlicht am 25.10.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 241/04 vom 25. Oktober 2005 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die Richterin Dr

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 241/04
vom
25. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Oktober 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Oktober 2004 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 86.236,69 €.

Gründe:


I.

1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten - eine der Rechtsnachfolgerinnen der Deutschen Bundesbahn - den Ersatz von Schäden sowie die Durchführung von Maßnahmen zur Abwehr des Zustroms von Grundwasser, das durch schädliche Bodeneinwirkungen verunreinigt ist. Die Beklagte verteidigt sich im Rechtsstreit u.a. damit, dass die Verunreinigungen nicht aus ihren ehemaligen Bahnhofsgrundstücken herrührten, welche sie zum Teil bis 1989 an eine Fa. R. verpachtet hatte, sondern ausschließlich aus dem jenseits der T. straße belegenen ehemaligen Betriebsgelände der Fa. R. stammten und allein durch den Grundwasserstrom durch ihr Grundstück hindurch auf das Betriebsgelände der Klägerin transportiert würden, die dort auf Grund einer wasserrechtlichen Erlaubnis zwei Brunnen betreibt.
2
Das Landgericht hat zwei hydrogeologische Gutachten eingeholt. Nach Eingang des zweiten Gutachtens hat das Landgericht durch Verfügung des Vorsitzenden vom 19. März 2003 den Parteien aufgegeben, binnen einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung der Verfügung zu dem Gutachten Stellung zu nehmen. Mit Schriftsätzen im Mai und im Juni 2003 hat die Beklagte zweimal beantragt, die Frist zur Stellungnahme wegen Wechsels des Sachbearbeiters der Beklagten und wegen Überlastung des Anwalts zu verlängern; den Anträgen wurde entsprochen
3
Nachdem die Stellungnahme auch nicht innerhalb der verlängerten Frist eingegangen war, hat der Vorsitzende Termin auf den 11. November 2003 anberaumt. Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2003 hat die Beklagte Beweiseinreden erhoben, an den Sachverständigen zu stellende Fragen formuliert und beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden. Dieser teilte mit, dass er am 11. November 2003 einen anderen Termin habe und zu dem umfangreichen Schriftsatz der Beklagten auch nicht binnen einer Woche sachgerecht Stellung nehmen könne.
4
Der Termin wurde ohne den Sachverständigen durchgeführt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und in den Urteilsgründen den Antrag der Beklagten auf Ladung des Sachverständigen nach § 411 Abs. 4 ZPO i.V.m § 296 Abs. 1 ZPO wegen Verspätung zurückgewiesen.
5
In der Berufungsinstanz hat die Beklagte nochmals die Anhörung des Sachverständigen unter Vorlage eines von ihr eingeholten Privatgutachtens beantragt. Das Oberlandesgericht hat dem Antrag unter Bezugnahme auf die Gründe im Urteil des Landgerichts nicht entsprochen und die Berufung ohne Beweisaufnahme zurückgewiesen.

II.


6
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es sich die rechtsfehlerhaften Ausführungen des Landgerichts zu eigen gemacht und deswegen von einer Anhörung des Sachverständigen auch im Berufungsrechtszug abgesehen hat.
7
1. a) Das Landgericht hat zu Unrecht den Antrag der Beklagten auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens nach § 411 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen. Eine Zurückweisung aus diesem Rechtsgrund setzt eine wirksame richterliche Fristsetzung voraus, an der es hier fehlt.
8
Der Senat lässt insoweit dahinstehen, ob die nicht in einer mündlichen Verhandlung gem. § 411 Abs. 4 ZPO bestimmte Frist von sechs Wochen zur Stellungnahme zu dem Gutachten schon deshalb keine Ausschlusswirkung für verspätetes Vorbringen nach § 296 Abs. 1 ZPO herbeiführen konnte, weil die mit einer Frist versehene Aufforderung nicht durch die Kammer beschlossen, sondern allein durch den Vorsitzenden verfügt worden ist (vgl. BGH, Urt. vom 22. Mai 2001, VI ZR 268/00, NJW-RR 2001, 1431, 1432). Einen Ausschluss der erst lange nach Fristablauf von der Beklagten vorgetragenen Beweiseinreden und des Antrags auf Ladung des Sachverständigen konnte die Fristsetzung hier jedenfalls deshalb nicht herbeiführen, weil es an dem dafür erforderlichen Hinweis an die Parteien über die Folgen einer Nichtbeachtung der Frist fehlte. Eine Präklusionswirkung kann der Ablauf einer richterlichen Frist zum Vorbringen der Einwendungen gegen das Gutachten und der die Begutachtung betreffenden Anträge nach § 411 Abs. 4 Satz 1 ZPO nur dann auslösen, wenn bei der Partei keine Fehlvorstellungen über diese Wirkung aufkommen können (BGH, Urt. vom 22. Mai 2001, VI ZR 268/00, aaO). Daran fehlte es hier. In der Verfügung wurden die Parteien zu einer Stellungnahme zu dem Gutachten in einer von dem Richter bestimmten Frist aufgefordert, ohne dass dies mit einem Hinweis auf einen Ausschluss eines erst nach Ablauf der Frist eingehenden Vorbringens verbunden wurde.
9
b) Die fehlerhafte Zurückweisung des Antrags auf Anhörung des Sachverständigen zu den von ihr erhobenen Beweiseinreden verletzt deren Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die Verletzung des Verfahrensgrundrechts folgt daraus, dass der Beklagten unter Verstoß gegen die Vorschriften der Zivilprozessordnung das Fragerecht an den Gutachter aus §§ 402, 397 Abs. 1 ZPO zu Unrecht versagt worden ist (BVerfG NJW-RR 1996, 183, 185; NJW 1998, 2273, 2274 und Senat, Urt. v. 15. November 1996, V ZR 132/95, LM BGB § 315 Nr. 52a).
10
2. a) Das Berufungsgericht hat den Fehler fortgeführt, indem es sich unter Berufung auf die Gründe des Landgerichts an einer Ladung des Sachverständigen gehindert gesehen hat. Die in erster Instanz erhobenen Beweiseinreden und das daraus begründete Fragerecht waren - infolge fehlerhafter Zurückweisung durch das Landgericht - nicht nach § 531 Abs. 1 ZPO im Berufungsrechtszug ausgeschlossen. Das Berufungsgericht wäre zur Behebung des Fehlers verpflichtet gewesen, dem in zweiter Instanz erneut gestellten Antrag auf Anhörung des Sachverständigen zu entsprechen (vgl. BGH, Urt. v. 24. Oktober 1995, VI ZR 13/95, NJW 1996, 788, 789 und v. 29. Oktober 2002, VI ZR 353/01, NJW-RR 2003, 208, 209).
11
b) Damit hat auch das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt. Zwar führt nicht jede fehlerhafte Anwendung einer Präklusionsvorschrift durch das Berufungsgericht zu einem Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht; eine solche Verletzung liegt jedoch dann vor, wenn der Fehler - wie hier - zur Folge hat, dass der Partei in beiden Tatsacheninstanzen auf Grund von Verfahrensfehlern das Fragerecht gegenüber dem Sachverständigen abgeschnitten wird (vgl. BVerfG NJW 1995, 2980).
12
3. a) Das angefochtene Urteil beruht auch auf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dies ist bereits dann so, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung der Beweiseinreden und einer Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen dazu anders entschieden hätte (Senat, Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 182/02, NJW 2003, 3205 f. und Beschl. v. 9. Juni 2005, V ZR 271/04, NJW 2005, 2624, 2625). So liegt es hier. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht nach einer Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen zu den von der Beklagten erhobenen Einreden zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre.
13
b) Die Beweisfrage betrifft auch einen entscheidungserheblichen Punkt. Über die von der Klägerin geltend gemachten Abwehr- und Schadensersatzansprüche wäre anders zu urteilen, wenn die die Verunreinigung des Grundwassers auslösenden schädlichen Bodenveränderungen durch Teeröle allein auf den früheren Betriebsgrundstücken der Fa. R. , und nicht auch auf den ehemaligen Bahnhofsgrundstücken der Beklagten erfolgten.
14
Zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Klägerin, die ausschließlich auf dem Durchfluss bereits verunreinigten Grundwassers von dem ehemaligen Betriebsgrundstück der Fa. R. zu den Betriebsgrundstücken und der auf diesen befindlichen Brunnenanlage der Klägerin beruhen, wäre die Beklagte nicht verpflichtet. Ein solcher Anspruch gegen Beeinträchtigungen aus dem natürlichen Grundwasserstrom setzt vielmehr voraus, dass die Störung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgeführt werden kann (vgl. Senat, BGHZ 90, 255, 266; 114, 183, 187). Störungen, die auf schädliche Bodenveränderungen auf den im Eigentum der Fa. R. stehenden Betriebsgrundstücken zurückzuführen sind, hätte die Beklagte indes weder durch eigene Handlungen ermöglicht noch durch pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt.

III.


15
Der Senat hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückverweisung durch Beschluss nach § 544 Abs. 7 ZPO Gebrauch gemacht.
16
Die Entscheidung über den Gegenstandswert der Nichtzulassungsbeschwerde folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.
Krüger Klein Lemke Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 23.12.2003 - 5 O 38/94 -
OLG Köln, Entscheidung vom 19.10.2004 - 22 U 17/04 -