Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2010 - VI ZB 26/10
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger hat die Beklagten wegen der Folgen einer Operation auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Er hat außerdem die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden aus der Operation, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind, begehrt. In der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2009 vor dem Landgericht haben sich die Parteien in der Sache verglichen und außerdem vereinbart, dass der Kläger 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 85 % der Kosten zu tragen haben. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat der Berechnung des Erstattungsanspruchs des Klägers lediglich eine 0,65Verfahrensgebühr unter hälftiger Anrechnung der wegen der vorgerichtlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers angefallenen Geschäftsgebühr zugrunde gelegt. Er hat die Beklagten verpflichtet, dem Kläger 909,54 € nebst Zinsen zu erstatten. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren auf den Ansatz einer 1,3-Verfahrensgebühr nebst Zinsen weiter.
- 2
- Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist dem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 4. Januar 2010 zugegangen. Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2010 hat der vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde des Klägers beantragt. Der Senat hat mit Beschluss vom 11. Mai 2010, zugestellt an den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 27. Mai 2010, den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Kosten der Prozessführung vier vom Kläger zu erbringende Monatsraten nicht übersteigen (§ 115 Abs. 4 ZPO). Dar- aufhin hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 7. Juni 2010 Rechtsbeschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdefrist beantragt. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2010 hat er Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist beantragt und die Rechtsbeschwerde begründet.
II.
- 3
- 1. Das Beschwerdegericht ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass es nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu einer Kürzung der vom Kläger angesetzten Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG auf den 0,65-fachen Satz kommen müsse. Daran ändere auch § 15a RVG nichts, weil diese Bestimmung im Hinblick auf die Überleitungsvorschrift des § 60 RVG keine Anwendung finde. Nach § 60 Abs. 1 RVG gelte § 15a RVG nur für solche Fälle, in denen der unbedingte Auftrag an den Anwalt nach dem 5. August 2009 erteilt worden ist, was hier nicht der Fall sei. Der Auffassung des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 2. September 2009 (II ZB 35/07), dass sich die Anrechnungsvorschrift im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich nicht auswirke, weil durch die Einfügung von § 15a Abs. 1 RVG die bereits zuvor bestehende Gesetzeslage lediglich klargestellt und nicht geändert worden sei, könne nicht gefolgt werden.
- 4
- 2. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, §§ 575, 233 ff. ZPO).
- 5
- a) Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Vornahme einer die Frist wahrenden Handlung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrages wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste (vgl. Senat, Beschlüsse vom 27. November 2007 - VI ZB 81/06, FamRZ 2008, 400 Rn. 14; vom 6. Juli 1999 - VI ZB 10/99, VersR 2000, 383; vom 18. Februar 1992 - VI ZB 49/91, VersR 1992, 897 f.; BGH, Beschlüsse vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05, FamRZ 2005, 2062 f.; vom 3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03, FamRZ 2004, 699 und vom 30. November 2000 - III ZA 6/00, AGS 2002, 210). Für die Entscheidung, ob der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist, kommt es ausschließlich darauf an, ob sie sich für bedürftig halten durfte.
- 6
- Im Streitfall musste der Kläger mit einer Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht von vorneherein rechnen, nachdem ihm zum Zwecke des Abschlusses des Vergleichs vom Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 7. Mai 2009 für den Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten bewilligt worden ist.Dem steht nicht entgegen, dass der in der geltend gemachten Bedürftigkeit des Klägers liegende Hinderungsgrund für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde auch aufgrund der nach Ablehnung der Prozesskostenhilfe gegebenen Kostentragungszusage des vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten entfallen ist. Der Hinderungsgrund für die Einhaltung der Rechtsbeschwerdeund Rechtsbeschwerdebegründungsfrist ist frühestens mit der Zustellung des Beschlusses des Senats am 27. Mai 2010 weggefallen. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Schriftsätzen vom 7. Juni 2010 und vom 24. Juni 2010 sind mithin in der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO gestellt worden und entsprechen der Form des § 236 ZPO.
- 7
- b) Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 8
- Sie macht zutreffend geltend, dass die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens im Rahmen der Kostenfestsetzung in der Weise hätte erfolgen müssen, wie sie in § 15a RVG beschrieben ist. Die Vorschrift in § 15a RVG ist durch Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügt worden und gemäß Art. 10 Satz 2 dieses Gesetzes am 5. August 2009 in Kraft getreten. Der Senat folgt der Auffassung der übrigen Senate des Bundesgerichtshofs, wonach § 15a RVG auch auf noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, Rn. 9 z.V.b.; vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 unter III. 1.; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, JurBüro 2010, 358, 359; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, FamRZ 2010, 806 Rn. 10.; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375, Rn. 11 ff. m.w.N. zum Streitstand und vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 6 ff.). Danach ist für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes davon auszugehen, dass die in Vormerkung 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung für die Höhe der gesetzlichen Gebühren im Verhältnis der Prozessparteien untereinander ohne Bedeutung ist und die entsprechend berechtigte Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG beanspruchen kann.
- 9
- c) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 4, 238 Abs. 4 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 07.09.2009 - 4 O 390/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2009 - I-8 W 28/09 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2010 - VI ZB 26/10
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(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:
- 1.
- a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge; - b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 2.
- a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist; - b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen; - 4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; - 5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.
(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.
(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.
(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.
(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
(1) Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45, auch in Verbindung mit § 59a). Steht dem Rechtsanwalt ein Vergütungsanspruch zu, ohne dass ihm zum Zeitpunkt der Beiordnung oder Bestellung ein unbedingter Auftrag desjenigen erteilt worden ist, dem er beigeordnet oder für den er bestellt wurde, so ist für diese Vergütung in derselben Angelegenheit bisheriges Recht anzuwenden, wenn die Beiordnung oder Bestellung des Rechtsanwalts vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung wirksam geworden ist. Erfasst die Beiordnung oder Bestellung auch eine Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt erst nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erstmalig beauftragt oder tätig wird, so ist insoweit für die Vergütung neues Recht anzuwenden. Das nach den Sätzen 2 bis 4 anzuwendende Recht findet auch auf Ansprüche des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts Anwendung, die sich nicht gegen die Staatskasse richten. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.
(2) Sind Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen, gilt für die gesamte Vergütung das bisherige Recht auch dann, wenn dies nach Absatz 1 nur für einen der Gegenstände gelten würde.
(3) In Angelegenheiten nach dem Pflegeberufegesetz ist bei der Bestimmung des Gegenstandswerts § 52 Absatz 4 Nummer 4 des Gerichtskostengesetzes nicht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 15. August 2019 erteilt worden ist.
(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.
(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.
(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 1. Dezember 2004 gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 23.471,99 €.
Gründe:
I. 1. Das Landgericht Osnabrück hat den Beklagten durch Urteil vom 1. Dezember 2004 verurteilt, an den Kläger 23.471,99 € nebst Zinsen zu zahlen. Am letzten Tag der Berufungsfrist hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beim Oberlandesgericht einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung, einen Entwurf der Berufungsbegründung und die Erklärung vom 5. Januar 2005 über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen eingereicht. In dem Vordruck nach § 117 Abs. 3, 4 ZPO hat der Beklagte nicht angekreuzt , ob er Einnahmen aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft hat. Die übrigen Fragen hat er beantwortet und ihnen durch Nummerierung zugeordnete Belege im Umfang von 49 Blatt beigefügt.
Durch Beschluss vom 22. Februar 2005 hat das Beruf ungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil die Angaben des Beklagten zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unvollständig seien. Er habe zwar eine Reihe von Fragen zu seinen Einnahmen beantwortet. Die Frage nach Einkünften aus selbständiger Arbeit/Gewerbebetrieb habe er jedoch unbeantwortet gelassen. Nach Zustellung des Beschlusses am 7. März 2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 9. März 2005 Wiedereinsetzung beantragt. Der Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass ihm Prozesskostenhilfe verwehrt werden würde. Er habe gemeint, die nicht beantwortete Frage nach solchen Einkünften offenlassen zu können, weil er schon seit einigen Jahren Rentner sei und eine Kopie des Rentenbescheids dem Antrag beigefügt habe. Er verfüge über keine Einkünfte aus
selbständiger Arbeit/Gewerbebetrieb. Mit am 10. März 2005 eingegangenen Schriftsätzen hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten den Wiedereinsetzungsantrag wiederholt sowie die Berufung eingelegt und begründet.
2. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Be schluss vom 15. März 2005 wegen Versäumung der Berufungsfrist verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Der Beklagte habe nicht ohne Verschulden davon ausgehen dürfen, die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Gewährung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist in ausreichender Weise dargetan zu haben. Der Vordruck der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse müsse dem Rechtsmittelgericht vor Ablauf der Frist vollständig ausgefüllt vorliegen. Daran fehle es, weil die Frage nach Einkünften aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft nicht beantwortet gewesen sei. Die Fristversäumung sei nicht deshalb unverschuldet, weil der Beklagte gemeint habe, diese Frage offenlassen zu dürfen, weil er Rentner sei und einen Rentenbescheid beigefügt habe. Diese Erklärung überzeuge nicht. Zu ihr passe nicht, dass er gleichwohl sämtliche weiteren Fragen zu seinen Einkünften und dabei unter anderem auch die Frage verneint habe, ob er Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit erziele. Eine Beantwortung dieser Fragen hätte sich ebenfalls erübrigt, wenn der Beklagte davon ausgegangen sei, die Frage nach seinen Einkünften durch die Vorlage des Rentenbescheides hinreichend beantwortet zu haben. Durch die Beantwortung aller weiteren Fragen nach seinen Einkünften habe er im Gegenteil den Eindruck vermittelt, die Frage nach Einkünften aus selbständiger Arbeit bewusst offen gelassen zu haben. Unabhängig davon schließe ein Rentenbezug zusätzliche Einkünfte aus einer selb-
ständigen Tätigkeit, aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft nicht schlechthin aus.
II. 1. Die dagegen form- und fristgerecht eingeleg te Rechtsbeschwerde des Beklagten ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig , weil die Entscheidung des Berufungsgerichts den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - NJW 2004, 367 unter II 1 bb und BGHZ 151, 221, 226 ff.).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Be rufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, innerhalb der Berufungsfrist habe kein ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag vorgelegen. Dem Beklagten ist deshalb Wiedereinsetzung zu gewähren.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesger ichtshofs, von der auch das Oberlandesgericht ausgeht, ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Vornahme einer fristwahrenden Handlung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrages wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten durfte und aus seiner Sicht alles getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung
über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden konnte (BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03 - NJW-RR 2004, 1218 unter II 2 a und vom 6. Juli 1999 - VI ZB 10/99 - VersR 2000, 383 unter 1 jeweils m.w.N.). Das ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn die Partei bis zum Ablauf der Frist die für ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlichen Angaben vollständig und übersichtlich dargestellt hat; dazu wird regelmäßig die fristgerechte Vorlage der Erklärung gemäß § 117 ZPO mit lückenlosen Angaben gefordert (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98 - VersR 2000, 252 unter 1 m.w.N.; BVerfG NJW 2000,
3344).
Die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigke it dürfen aber (ebenso wie die Anforderungen an die Erfolgsaussicht, vgl. BVerfG NJW-RR 2002, 1069) nicht überspannt werden, weil dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt würde. Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verbietet es den Gerichten , den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfG NJW-RR 2002, 1005). Demgemäß dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, insbesondere beim "ersten Zugang" , aber auch beim Zugang zu einer weiteren Instanz nicht überspannt werden (BGHZ 151, 221, 227 f. m.w.N.).
Diesen Grundsätzen trägt die Entscheidungspraxis d es Bundesgerichtshofs Rechnung. Enthält der Vordruck gemäß § 117 Abs. 3, 4 ZPO
einzelne Lücken, kann die Partei unter Umständen gleichwohl darauf vertrauen , die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe genügend dargetan zu haben. Das kommt in Betracht, wenn auf andere Weise die Lücken geschlossen oder Zweifel beseitigt werden können, etwa durch die beigefügten Unterlagen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1985 - IVb ZB 47/85 - NJW 1986, 62 unter I [Gehaltsbescheinigung ]; vom 17. März 1998 - XI ZB 39/97 - VersR 1998, 1397 unter 2 und vom 11. November 1992 - XII ZB 118/92 - NJW 1993, 732 unter II 2 [jeweils Sozialhilfebescheid]) oder Angaben zu früheren PKH-Anträgen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520 f.). Vollständigkeit der Angaben kann ausnahmsweise auch dann anzunehmen sein, wenn es sich bei einer einzelnen nicht beantworteten Frage nach Einnahmen aufgrund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt, dass solche Einnahmen nicht vorhanden sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2000 aaO und vom 18. Februar 1992 - VI ZB 49/91 - VersR 1992, 897 unter 2).
b) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte ohne s ein Verschulden daran gehindert, rechtzeitig Berufung einzulegen. Er musste vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen, weil er aus seiner Sicht die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Entscheidung über den Antrag ausreichend dargelegt hatte. Das Berufungsgericht hat die daran zu stellenden Anforderungen überspannt und das Vorbringen des Beklagten ersichtlich nur unvollständig gewürdigt. Aus den Angaben und näheren Erläuterungen des Beklagten und den von ihm eingereichten Unterlagen geht hinreichend deutlich hervor, dass er damit erklären wollte, außer den ge-
nannten Einnahmen keine weiteren zu haben. Ein solches Verständnis drängt sich zumindest auf.
Den eingereichten Unterlagen ist folgendes zu entn ehmen:
Der im August 1940 geborene Beklagte bezieht jeden falls seit einem vor Mai 2004 liegenden Zeitpunkt eine Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Mindestens seit 1993 erhält er eine Betriebsrente als Invalidenrente. Seit November 1988 ist er Inhaber eines Schwerbehindertenausweises, in dem der Grad der Behinderung mit 50% angegeben ist. Mehreren Arztberichten zufolge leidet er seit 1988 an einer coronaren Mehrgefäßerkrankung, die ab Mitte Dezember 1988 zur Arbeitsunfähigkeit führte. Eine Bypassoperation am 1. Dezember 1989 erbrachte keine nachhaltige Besserung. Vom 9. bis 17. Januar 2003 befand er sich wegen der Herzerkrankung in stationärer Behandlung. Am 10. November 2004 kam er als Notfallpatient ins Krankenhaus. Aus all dem kann vernünftigerweise nur der Schluss gezogen werden, dass der Kläger im Januar 2005 keine Einnahmen aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb , Land- und Forstwirtschaft hatte und er annehmen durfte, dies zum Ausdruck gebracht zu haben.
Es kommt hinzu: Der im Haushalt des Klägers und se iner Ehefrau lebende 28 Jahre alte arbeitslose Sohn zahlt an die Eltern im Monat als Kostgeld 241,98 €. Diesen Betrag hat er durch Bescheid vom 1. Dezember 2004 über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II als Beitrag zu den Kosten für Unterkunft und Heizung der aus ihm und seinen Eltern bestehenden Bedarfsgemeinschaft /Haushaltsgemeinschaft bewilligt erhalten. Außerdem erhält er die
volle monatliche Regelleistung von 345 €. Bei dieser sozialhilfegleichen Leistung werden nach § 9 Abs. 5 SGB II auch das Einkommen und Vermögen der mit dem Hilfebedürftigen in Haushaltsgemeinschaft lebenden Verwandten berücksichtigt (vgl. dazu Schoch, ZfF 2004, 169 ff.; Waibel, ZfF 2005, 49 ff.; Dauber in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe SGB II § 9 Rdn. 47 ff.). Der Leistungsberechnung im Bescheid vom 1. Dezember 2004 liegen die nachgewiesenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Sohnes und der Eltern zugrunde. Da der Sohn die volle Regelleistung und einen Betrag für Unterkunft und Heizung erhält, ist damit hinreichend belegt und zum Ausdruck gebracht, dass der (unterhaltspflichtige ) Kläger weitere als die angegebenen Einnahmen nicht hat.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
Der Klägerin ist die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe zu verweigern, weil sie nicht mehr in der Lage ist, das zu ihrem Nachteil ergangene Berufungsurteil wirksam anzufechten.
Gegen das am 17. Juli 2000 zugestellte Urteil ist innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Revision eingelegt worden (vgl. §§ 552, 553 ZPO). Bei einer Nachholung der Revisionseinlegung könnte der Klägerin die in diesem Falle notwendige Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff ZPO) nicht gewährt werden.
Ein vor Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellter Prozeßkostenhilfeantrag rechtfertigt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann, wenn die
Partei vernünftigerweise nicht damit rechnen mußte, ihr Antrag könne zurückgewiesen werden. Mit einer Bewilligung der Prozeßkostenhilfe kann die Partei lediglich dann rechnen, wenn sie die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßkostenhilfe in ausreichender Weise dargetan hat. Nur wenn diese ausreichende Darlegung innerhalb der Rechtsmittelfrist erfolgt, ist die Versäumung dieser Frist vom Antragsteller nicht verschuldet (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94 - NJW 1994, 2097, 2098). Dies ist vorliegend nicht geschehen.
Die Klägerin hat am 17. August 2000, dem letzten Tag der Revisionseinlegungsfrist , durch Telekopie einen Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gestellt und weiter den Entwurf einer Revisionsschrift sowie eine undatierte und nicht unterschriebene "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" übermittelt. Irgendwelche Belege, deren Beifügung durch § 117 Abs. 2 ZPO dem Antragsteller ausdrücklich zur Pflicht gemacht wird, sind nicht übersandt worden.
Wie sich dem nach Übersendung der Gerichtsakten dem Senat zugänglich gewordenen Prozeßkostenhilfe-Beiheft entnehmen läßt, ist die übermittelte Erklärung identisch mit der bereits im Juni 1998 im Zusammenhang mit der Klageerhebung abgegebenen Erklärung. Daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse seither in keiner Weise verändert hätten, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin in dem Antrag vom 17. August 2000 so auch nicht dargetan.
Bei dieser Sachlage sind die förmlichen Mindestvoraussetzungen, die an ein Prozeßkostenhilfegesuch zu stellen sind, damit es Grundlage einer späte-
ren Wiedereinsetzung sein kann, nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluß vom 24. November 1999 - XII ZB 134/99 - NJW-RR 2000, 879).
Rinne Schlick
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.
(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Nach Abweisung der Klage der Insolvenzverwalterin auf Rückübertragung eines von der Schuldnerin an die Beklagte verkauften Grundstücks hat diese am 28. Oktober 2009 bei dem Landgericht einen Kostenfestsetzungsan- trag gestellt, in dem sie - hier allein von Interesse - unter anderem eine 1,3fache Verfahrensgebühr nach § 13, Nr. 3100 VV RVG in Ansatz gebracht hat. Auf Nachfrage der Rechtspflegerin teilte die Beklagte mit, dass für die außergerichtliche Tätigkeit ihrer Anwälte eine 1,3fache Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14, Nr. 2300 VV RVG entstanden sei.
- 2
- In dem Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Landgericht die von der Klägerin zu erstattenden Kosten unter Abzug der zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr angerechneten Geschäftsgebühr (eines Betrags von 2.044,90 €) auf insgesamt 5.914,10 € zzgl. Zinsen seit der Antragstellung festgesetzt.
- 3
- Der von der Beklagten gegen diesen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, dem Kostenfestsetzungsantrag auch hinsichtlich weiterer 2.044,90 € zzgl. Zinsen stattzugeben.
II.
- 4
- Das Beschwerdegericht meint, die Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei von dem Landgericht zu Recht angewendet und die im Kostenfestsetzungsbeschluss anzusetzende Verfahrensgebühr entsprechend gekürzt worden.
- 5
- Der durch Art. 7 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I 2010, 2449) eingefügte § 15a Abs. 2 RVG sei gemäß dem in § 60 Abs. 1 RVG bestimmten Grundsatz auf Altfälle nicht anzuwenden. Gegenstand der Festsetzung sei der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts gegen die von ihm vertretene Partei und nicht ein Anspruch gegenüber dem Prozessgegner. § 15a Abs. 2 RVG enthalte daher nicht nur eine Klarstellung, sondern eine Neuregelung , weil diese Vorschrift - nunmehr erstmals - bestimme, wann sich ein Dritter, wie beispielsweise der Gegner im Kostenfestsetzungsverfahren, auf eine Vorschrift über eine Anrechnung von Gebühren berufen könne.
III.
- 6
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 7
- 1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, die durch die Tätigkeit des Anwalts in dem Rechtsstreit entstanden ist, ist in dem Verfahren der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen. Diese Gebühr ist bei der Kostenfestsetzung nicht auf Grund der Vorschrift in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu kürzen.
- 8
- Die Vorschrift über die Anrechnung der Geschäftsgebühr betrifft das Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten und wirkt sich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren , grundsätzlich nicht aus (BGH, Beschl. v. 2. September 2009, II ZB 35/07, NJW 2009, 3101, 3102; Beschl. v. 9. Dezember 2009, XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456, 457). Die Anrechnung ist bei der Kostenerstattung nur dahingehend zu berücksichtigen, dass der Gegner nicht mehr zu zahlen hat, als die siegreiche Partei ihrem Rechtsanwalt aus dem Mandatsverhältnis schuldet. Die An- rechnung findet daher im Rahmen der Kostenfestsetzung nur in den Fällen statt, die nunmehr in § 15a Abs. 2 RVG gesetzlich geregelt worden sind.
- 9
- § 15a bestimmt den im Gesetz bisher nicht definierten Begriff der Anrechnung. Absatz 1 regelt die Folgen der Anrechnung im Innenverhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten. Absatz 2 betrifft die sich daraus ergebenden Wirkungen im Verhältnis zu Dritten, die am Mandatsverhältnis nicht beteiligt sind (BT-Drucks. 16/12717, S. 58), und stellt klar, welche Rechtsfolgen in diesem Verhältnis eintreten, wenn nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG anzurechnen ist. Zu dieser Klarstellung sah sich der Gesetzgeber wegen einer nach seiner Auffassung dem Zweck der Anrechnung widersprechenden Auslegung der Vorschrift über die Anrechnung nach einer Entscheidung des VIII. Zivilsenats (Beschl. v. 22. Januar 2008, VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323, 1324) veranlasst (vgl. BT-Drucks. 16/12717, S. 58). Dies hat der XII. Zivilsenat in dem Beschluss vom 9. Dezember 2009, (XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456 ff.) im Einzelnen dargelegt. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei.
- 10
- Die von dem X. Zivilsenat (Beschluss vom 29. September 2009, X ZB 1/09, NJW 2010, 76, 78) gegen dieses Verständnis der Gesetzesmaterialien zu § 15a RVG vorgetragenen Bedenken teilt der Senat nicht. Der Wille des Gesetzgebers zu einer bloßen Klarstellung der Rechtslage kommt in den Materialien eindeutig zum Ausdruck, wenn in diesen erklärt wird, dass das Verständnis der Anrechnung in den im Vorjahr ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs den Auftraggeber benachteilige und das Kostenfestsetzungsverfahren zusätzlich belaste, was beides unmittelbar den Zwecken zuwider laufe, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt habe (BTDrucks 16/12717, S. 58). Da das davon abweichende Verständnis des § 15a RVG als Gesetzesänderung für die Entscheidung des X. Zivilsenats nicht tragend ist (aaO, 78), bedarf es keiner Vorlage der Rechtsfrage an den Großen Senat für Zivilsachen nach § 132 Abs. 2 Satz 1 GVG.
- 11
- 2. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist wegen des Rechtsfehlers, auf dem er beruht, aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Verfahrensgebühr aus der Kostenrechnung in vollem Umfange berücksichtigt wird.
IV.
- 12
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts für die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 3 ZPO. Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
LG Lüneburg, Entscheidung vom 08.12.2009 - 4 O 155/08 -
OLG Celle, Entscheidung vom 12.01.2010 - 2 W 6/10 -
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.
(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.