Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2009 - VI ZB 75/08

bei uns veröffentlicht am17.02.2009
vorgehend
Amtsgericht Soltau, 4 C 60/08, 09.07.2008
Landgericht Lüneburg, 9 S 74/08, 24.09.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 75/08
vom
17. Februar 2009
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2009 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen
und den Richter Stöhr

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 24. September 2008 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 4.413,76 €

Gründe:

I.

1
Das Urteil des Amtsgerichts vom 9. Juli 2008 ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 21. Juli 2008 zugegangen. Mit Schriftsatz vom 28. August 2008, per Fax eingegangen beim Landgericht am selben Tage, hat der Beklagte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt und beantragt , Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren und die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 21. Oktober 2008 zu verlängern. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages hat er vorgetragen, ihn treffe kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist. Diese beruhe auf einem Fehler der Angestellten L. seines Prozessbevollmächtigten , das diesem nicht zuzurechnen sei. Einzuhaltende Fristen würden im Büro seines Prozessbevollmächtigten durch Eintragung in einen Papierkalender kontrolliert. Die mit der Fristennotierung und Fristenkontrolle beauftragte Mitarbeiterin L. habe es versäumt, die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist nebst den entsprechenden Vorfristen im Papierkalender zu notieren. Stattdessen habe sie die Fristen in den elektronischen Kalender eingetragen. Das Verschulden von Frau L. sei dem Prozessbevollmächtigten und dem Beklagten nicht zuzurechnen. Frau L. sei eine ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte , die seit 1. Juli 2008 im Büro des Prozessbevollmächtigten als Büroleiterin tätig gewesen sei. Sie sei durch zwei weitere Mitarbeiterinnen des Beklagten in die Organisation der Fristenkontrolle eingewiesen worden. Das Beschäftigungsverhältnis mit Frau L. sei am 25. August 2008 innerhalb der Probezeit gekündigt worden, nachdem Frau L. erklärt habe, dass sie sich der Arbeit und der Belastung im Büro des Prozessbevollmächtigten nicht gewachsen fühle. Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrags bezieht sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auf die eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwalts - und Notargehilfin N.
2
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist erstrebt.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
4
1. Allerdings begegnet der angefochtene Beschluss Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, aufgrund deren eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424 und vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07 - VersR 2008, 1374; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78 und vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - NJW-RR 2005, 916). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es alleine ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben.
5
2. Entgegen der Annahme des Beklagten ist der Zulässigkeitsgrund des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht gegeben. Der Fall wirft nicht die klärungsbedürftige Frage auf, ob und - gegebenenfalls - unter welchen Voraussetzungen der Anwalt in den Fällen, in denen nach der Büroorganisation die Eintragung in den in Papierform geführten Fristenkalender maßgeblich ist, durch organisatorische Maßnahmen/Vorkehrungen sicherstellen muss, dass auch die zusätzlich im elektronischen Kalender eingetragenen Fristen überwacht werden. Diese Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil nach dem Vortrag des Beklagten im Büro seines Prozessbevollmächtigten lediglich der Fristenkalender in Papierform zur Fristenkontrolle geführt wird. Bei der zur Fristversäumnis führenden Eintragung in den elektronischen Fristenkalender handelte es sich um eine von der allge- meinen Büroorganisation abweichende eigenmächtige Handhabung durch die ehemalige Mitarbeiterin L.
6
3. Bei dieser Sachlage erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht eine höchstrichterliche Entscheidung, weil der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang steht. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist schuldhaft versäumt wurde (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 1993 - VII ZB 18/92 - VersR 1993, 772, 773 und vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - VersR 2007, 1391). Um einen solchen Fall handelt es sich hier.
7
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen (BGH, Beschlüsse vom 5. November 2003 - XII ZR 140/02 - BGHR ZPO § 233 - Fristenberechnung 5 m.w.N. und vom 27. September 2007 - IX ZA 14/07 - AnwBl 2008, 71). Ein Prozessbevollmächtigter darf aber mit der Notierung und Überwachung von Fristen Personal nur betrauen, soweit nicht besondere Gründe gegen deren Zuverlässigkeit sprechen.
8
b) Den Beklagtenvertreter trifft an der Nichteinhaltung der Berufungsfrist ein eigenes Kontrollverschulden, das gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Beklagten zuzurechnen ist. Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht zu entnehmen, wodurch sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten von der Zuverlässigkeit der zum 1. Juli 2008 neu eingestellten Mitarbeiterin L. überzeugt hätte, bevor er ihr die Fristenkontrolle zur selbständigen Erledigung übertrug. Allein der Umstand , dass Frau L. die Prüfung zur Rechtsanwaltsfachangestellten mit der Note "gut" bestanden hatte, machte die anfängliche Kontrolle der Arbeit von Frau L.
nicht entbehrlich. Daraus ergibt sich nicht schon mit hinreichender Sicherheit, dass Frau L. die ihr übertragenen Aufgaben zuverlässig erledigen würde. Auch dass Frau L. von ihren Kolleginnen in die Büroorganisation eingewiesen worden ist, gibt keinen Aufschluss darüber, dass sich der Beklagte von ihrer Zuverlässigkeit überzeugt hätte. Da der Beklagte weitere Maßnahmen, die in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten zur Prüfung der Zuverlässigkeit der neu eingestellten Kraft getroffen worden sind, nicht dargelegt hat und dies im Verfahren der Rechtsbeschwerde auch nicht mehr nachgeholt werden kann, kommt eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist nicht in Betracht. Müller Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
AG Soltau, Entscheidung vom 09.07.2008 - 4 C 60/08 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 24.09.2008 - 9 S 74/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2009 - VI ZB 75/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2009 - VI ZB 75/08

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2009 - VI ZB 75/08 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Referenzen - Urteile

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Referenzen

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 75/05
vom
20. Juni 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RBerG Art. 1 § 1
Die Abweisung einer Klage und die Verwerfung eines Rechtsmittels als unzulässig
mit der Begründung, der vom Kläger als Prozessbevollmächtigter bestellte Rechtsanwalt
arbeite mit einem Mietwagenunternehmen in Form eines Unfallhelferrings zusammen
, kommt nur dann in Betracht, wenn aufgrund konkreter Umstände festgestellt
wird, dass der Rechtsanwalt im Zusammenwirken mit dem Mietwagenunternehmen
auf dessen Veranlassung und in dessen Interesse, nicht aber auf Veranlassung
und im Interesse des Mandanten tätig ist.
Mit einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann die Berufung nur als unbegründet
zurückgewiesen werden. § 522 Abs. 3 ZPO schränkt die durch § 522
Abs. 1 Satz 4 ZPO eröffnete Möglichkeit der Rechtsbeschwerde gegen einen die
Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss nicht ein.
BGH, Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - LG Halle
AG Naumburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2006 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 22. September 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: bis 4.179,25 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger begehrt von dem beklagten Haftpflichtversicherer restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall. Die volle Ersatzpflicht der Beklagten für das Schadensereignis ist unstreitig. Die Beklagte hat die vom Kläger geltend gemachten Ersatzansprüche vollständig ausgeglichen mit Ausnahme der Mietwagenkosten, die sie nur zum Teil ersetzt hat. Den von ihm errechneten Restbetrag macht der Kläger mit der vorliegenden Klage geltend. Zu diesem Zweck erteilte er seinem erst- und zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, der ihm von dem streitverkündeten Mietwagenunternehmen empfohlen worden war, Prozessvollmacht.
2
Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Prozessbevollmächtigten des Klägers auferlegt, weil das streitverkündete Mietwagenunternehmen und der Prozessbevollmächtigte in Form eines Unfallhelferrings gehandelt hätten.
3
Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichteten Berufungen des Klägers und der dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetretenen Streitverkündeten als unzulässig verworfen und die Kosten des vom Kläger betriebenen Berufungsverfahrens dessen Prozessbevollmächtigten auferlegt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
4
Eine sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die ihn betreffende Kostenentscheidung des Amtsgerichts hat das Berufungsgericht mit einem die Rechtsbeschwerde nicht zulassenden Beschluss zurückgewiesen. Dagegen und gegen die ihn beschwerende Kostenentscheidung des Berufungsgerichts hat der Prozessbevollmächtigte Verfassungsbeschwerde erhoben (1 BvR 2311/05).

II.

5
1. a) Die Rechtsbeschwerde ist statthaft.
6
Nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet gegen einen Beschluss, durch den eine Berufung als unzulässig verworfen wird, die Rechtsbeschwerde statt. Ein solcher Beschluss des Berufungsgerichts liegt hier vor, weil die Berufung des Klägers in dem Tenor des angefochtenen Be- schlusses ausdrücklich als unzulässig verworfen wird und in dessen Gründen ausgeführt ist, die Berufung sei unzulässig.
7
Der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht eingangs der Gründe ausführt, die zulässige Berufung sei gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss der Kammer zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg habe, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erforderten. Diese Ausführungen stehen, soweit von einer "zulässigen" Berufung die Rede ist, bereits im Widerspruch zu den folgenden Ausführungen. Es ist auch nicht nachvollziehbar , warum das Berufungsgericht die Frage einer Zulassung der Revision erörtert, wenn ein Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt war.
8
Eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO, die nach Absatz 3 der Norm nicht anfechtbar ist, kommt jedenfalls nur in Betracht, wenn die Berufung als unbegründet zurückgewiesen werden soll (vgl. Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 522 Rn. 29). § 522 Abs. 3 ZPO schränkt die durch § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO eröffnete Möglichkeit der Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss nicht ein.
9
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen vor. In förmlicher Hinsicht bestehen keine Bedenken.
10
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
11
Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
12
Die Berufung des Klägers sei schon deshalb unzulässig, weil sie aufgrund einer durch den Kläger erteilten unwirksamen Prozessvollmacht an seinen Prozessbevollmächtigten nicht in der erforderlichen Form eingelegt worden sei, so dass es auf die Begründetheit der Berufung des Klägers nicht (mehr) ankomme. Die Kammer sehe in ständiger Rechtsprechung eine Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes dann als unwirksam im Sinne eines Verstoßes gegen §§ 138, 134 BGB in Verbindung mit §§ 1 und 2 BRAO an, soweit das Mietwagenunternehmen und der Rechtsanwalt dem Geschädigten die Verfolgung und Durchsetzung seiner Ansprüche vollständig abnähmen und sich damit eine "Unfallhilfe" in dem Sinne zeige, dass sich aus der Bewertung der Gesamtumstände und aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise ergebe, dass die Initiative zur Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes nicht vom Kläger selbst ausgegangen sei, sondern vielmehr unter faktischer Risiko- und Arbeitsfreistellung dem Kläger die Anspruchsverfolgung unter Zwischenschaltung eines (nur) ihr (der Autovermietung ) bekannten Rechtsanwaltes zielbewusst gewerbsmäßig abgenommen werde. Dazu könnten nicht einzelne Indizien, wohl aber eine Vielzahl von Hinweisen in einer wertenden Betrachtung ausreichen, die hier - auch nach ergänzender persönlicher Anhörung des Klägers in erster Instanz und nach Vernehmung von Zeugen - gegeben seien.
13
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
14
a) Der angefochtene Beschluss ist schon deshalb aufzuheben, weil er keine Darstellung des Sachverhalts sowie der Anträge der Parteien und nicht einmal eine Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts enthält. Dies war hier erforderlich, weil der Beschluss von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt , über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78). Alleine die Rechtsausführungen enthalten keine ausreichenden Informationen über den festgestellten Sachverhalt und das Begehren der Parteien in den beiden Tatsacheninstanzen.
15
b) Darüber hinaus erfordern weitere Rechtsfehler eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
16
aa) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte ist bereits mehrfach die Ansicht vertreten worden, der Geschäftsbesorgungsvertrag eines Geschädigten mit dem Anwalt und die diesem erteilte Prozessvollmacht seien nichtig, wenn sie von einem Unfallhelferring veranlasst seien bzw. der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch ein Mietwagenunternehmen auf dessen Kostenrisiko dienten (LG Frankenthal, VersR 1996, 777 f.; LG Zwickau, VersR 2000, 1037 f.; AG Dresden, DAR 2004, 456, 457; AG Koblenz, VersR 2003, 788 f.; AG Sinzig, VersR 2004, 393, 394). Dies wird aus § 134 BGB in Verbindung mit Art. 1 § 1 RBerG, aber auch aus § 138 BGB hergeleitet. Diese Ansicht begegnet bereits im Ansatz rechtlichen Bedenken. Für eine Sittenwidrigkeit der Mandatierung des Prozessbevollmächtigten des Klägers und der ihm erteilten Prozessvollmacht fehlt es zudem an tragfähigen Feststellungen des Berufungsgerichts.
17
bb) Nach ständiger Rechtsprechung bedarf der Inhaber eines Mietwagenunternehmens , das es geschäftsmäßig übernimmt, für unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, und zwar auch dann, wenn er sich die Schadensersatzforderungen erfüllungshalber abtreten lässt und die eingezogenen Beträge auf seine Forderungen an die Kunden verrechnet (vgl. Senatsurteile BGHZ 47, 364, 366; 61, 317, 319; vom 26. April 1994 - VI ZR 305/93 - VersR 1994, 950, 951; vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - VersR 2003, 656; vom 22. Juni 2004 - VI ZR 272/03 - VersR 2004, 1062, 1063; vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - VersR 2005, 241 und vom 5. Juli 2005 - VI ZR 173/04 - VersR 2005, 1256). Bei der Beurteilung, ob die Abtretung den Weg zu einer erlaubnispflichtigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten eröffnen sollte, ist nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten diesen zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die es vermeidet, dass Art. 1 § 1 RBerG durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze umgangen wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 61, 317, 320 f.; vom 26. April 1994 - VI ZR 305/93 - aaO; vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - aaO; vom 22. Juni 2004 - VI ZR 272/03 - aaO; vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - aaO und vom 5. Juli 2005 - VI ZR 173/04 - aaO). Allerdings besorgt das Mietwagenunternehmen keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit, wenn es ihm im Wesentlichen darum geht, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, wobei ein solcher Fall aber nicht vorliegt, wenn nach der Geschäftspraxis des Mietwagenunternehmens die Schadensersatzforderungen der unfallgeschädigten Kunden eingezogen werden, bevor diese selbst auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Denn damit werden den Geschädigten Rechtsangelegenheiten abgenommen, um die sie sich eigentlich selbst zu kümmern hätten (vgl. Senatsurteile BGHZ 47, 364, 366 f.; vom 18. März 2003 - VI ZR 152/02 - aaO; vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - aaO und vom 5. Juli 2005 - VI ZR 173/04 - aaO).
18
Ob eine solche Fallgestaltung hier vorgelegen hat, lässt sich den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss nicht entnehmen. Er enthält keine genaue Darstellung der zwischen dem Kläger und der Streitverkündeten getroffenen Vereinbarungen. Insbesondere fehlen Feststellungen dazu, wie und in welchem Maße die Streitverkündete in die Schadensabwicklung einbezogen war, ob ihr im Hinblick auf die Mietzinsforderung eine Sicherheit eingeräumt und ob und inwieweit eine Inanspruchnahme des Klägers persönlich vereinbart war. Die Ausführungen des Berufungsgerichts befassen sich nahezu ausschließlich mit der Frage, inwieweit die Einschaltung des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf einer Empfehlung oder Vorgabe der Streitverkündeten beruhte.
19
cc) Soweit das Berufungsgericht seiner Beurteilung offenbar die Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes bei durch Mietwagenunternehmen beeinflussten Schadensregulierungen zugrunde legen will, fehlt es demgemäß schon an tragfähigen Feststellungen, dass hier ein Verstoß der Streitverkündeten gegen Art. 1 § 1 RBerG vorgelegen hat. Selbst wenn man einen solchen Verstoß unterstellt, kann den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden.
20
Ein Verstoß des Mietwagenunternehmens gegen das Rechtsberatungsgesetz führt nicht ohne Weiteres dazu, dass der vom Geschädigten mit einem Rechtsanwalt zwecks Durchsetzung seiner Schadensersatzforderung geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 134 BGB nichtig ist. Erst recht folgt daraus keine Nichtigkeit der einem Rechtsanwalt zu diesem Zweck erteilten Prozessvollmacht.
21
Das Verbot unerlaubter Rechtsberatung soll die Rechtsuchenden vor einer unsachgemäßen Erledigung ihrer rechtlichen Angelegenheiten schützen und im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs fachlich ungeeignete oder unzuverlässige Personen von der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Angelegenheiten fernhalten (BGHZ 154, 283, 286; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2003 - IV ZR 33/03 - VersR 2004, 921, 922). Es dient ferner dem Schutz des Anwaltsstandes gegen den Wettbewerb anderer (vgl. OLG Karlsruhe, NZV 1995, 30). Dem entsprechend wird die Berufsausübung der Rechtsanwälte durch das Rechtsberatungsgesetz nicht berührt (Art. 1 § 3 Nr. 2 RBerG). Ein mit einem Rechtsanwalt geschlossener Mandatsvertrag und die ihm erteilte Vollmacht sind daher nicht deshalb nichtig, weil einzelne Beteiligte bei der bisherigen Verfolgung von Ansprüchen gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen haben (OLG Karlsruhe, aaO; vgl. auch Rennen /Caliebe, RBerG, 3. Aufl., Art. 1 § 1 Rn. 199).
22
Zu Unrecht wird in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach ein Treuhandvertrag oder ein sonstiger Geschäftsbesorgungsvertrag nach Art. 1 § 1 RBerG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig sein kann und sich dann die Nichtigkeit auch auf die dem Geschäftsbesorger erteilte Prozessvollmacht bezieht (BGHZ 153, 214, 220; 154, 283, 285 ff.; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - IV ZR 122/02 - NJW 2004, 841, 842 f.). Diese Rechtsprechung betrifft den unerlaubt rechtsberatenden Geschäftsbesorger und die Erklärungen, die er aufgrund der ihm erteilten Vollmacht abgibt; deren Wirksamkeit muss verhindert werden, weil andernfalls Sinn und Zweck des gesetzlichen Verbots nicht zu erreichen wären. Für den Fall der erlaubten Rechtsberatung durch einen (nunmehr eingeschalteten) Rechtsanwalt besagt dies nichts. Für diesen Fall verbleibt es insbesondere dabei, dass die Vorschriften des materiellen Rechts auf die Prozessvollmacht nicht anzuwenden sind, weil die §§ 78 ff. ZPO insoweit ein Sonderrecht bilden (vgl. BGHZ 154, 283, 286 ff.; Zöller/Vollkommer, aaO; § 80 Rn. 2 m.w.N.).
23
dd) Das Berufungsgericht führt aus, die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten des Klägers sei unwirksam im Sinne eines Verstoßes gegen §§ 134, 138 BGB in Verbindung mit §§ 1 und 2 BRAO, weil sich hier eine "Unfallhilfe" in dem Sinne zeige, dass sich aus der Bewertung der Gesamtumstände und aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise ergebe, dass die Initiative zur Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes nicht vom Kläger selbst ausgegangen sei, sondern vielmehr unter faktischer Risiko- und Arbeitsfrei- stellung dem Kläger die Anspruchsverfolgung unter Zwischenschaltung eines (nur) ihr (der Autovermietung) bekannten Rechtsanwaltes zielbewusst gewerbsmäßig abgenommen werde. Damit soll offenbar gesagt sein, der Prozessbevollmächtigte des Klägers übe im vorliegenden Fall nicht als unabhängiges Organ der Rechtspflege einen freien Beruf aus, sondern handele ohne Rücksicht auf die Belange des Klägers quasi als verlängerter Arm der Streitverkündeten.
24
Die Rechtsbeschwerde rügt mit Recht, dass es für einen derart schwerwiegenden Vorwurf an tragenden Feststellungen fehlt. Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Mandatierung des Prozessbevollmächtigten des Klägers dessen Wunsch entsprochen habe. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass unter diesen Umständen und in Anbetracht der Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte erst 8 Tage nach Anmietung des Ersatzfahrzeugs mandatiert wurde, die Annahme des Berufungsgerichts, hier liege keine freie Anwaltswahl vor, schlechterdings nicht nachvollziehbar ist. Die Anhörung des Klägers und die Zeugenaussagen der Mitarbeiter des Mietwagenunternehmens haben nach den durch die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Frage gestellten Ausführungen der Rechtsbeschwerde lediglich ergeben, dass der Kläger die Mitarbeiter des Mietwagenunternehmens bei Anmietung des Ersatzfahrzeugs nach einem ihnen bekannten Rechtsanwalt fragte, der die Schadensregulierung übernehmen könne, und dass bei dieser Gelegenheit der spätere Prozessbevollmächtigte genannt wurde, den der Kläger später mandatierte, weil er selbst keinen anderen Rechtsanwalt kannte und wegen seiner Montagetätigkeit auch keine Zeit hatte, sich selbst um die Sache zu kümmern.
25
Es verstößt weder gegen die §§ 1, 2 BRAO noch ist es sittenwidrig, wenn ein Rechtsanwalt das Mandat eines Unfallgeschädigten übernimmt, dem er von einer Autovermietung empfohlen wurde. Eine abweichende Be- urteilung bedarf der Feststellung weiterer Anhaltspunkte, aus denen sich ergibt, dass der Rechtsanwalt in gewolltem Zusammenwirken mit der Autovermietung tatsächlich auf deren Veranlassung und in deren Interesse, nicht auf Veranlassung und im Interesse des Mandanten tätig werden sollte. Was das Berufungsgericht dazu ausführt, beruht nicht auf den erforderlichen Feststellungen, sondern auf einer Interpretation der "Allgemeinen Kundeninformation bei Unfallersatz-Anmietung" der Klägerin, die dem von der Rechtsbeschwerde dargelegten Geschehensablauf, wie ihn der Kläger und die Zeugen für den Streitfall dargestellt haben, nicht entspricht. Danach hat der Prozessbevollmächtigte in seinem Schreiben vom 3. März 2003, mit dem er dem Kläger die Prozessvollmacht übersandte, ausdrücklich darauf hingewiesen , dass der Kläger die freie Anwaltswahl habe und jeden beliebigen Anwalt mit der Abwicklung seines Schadensersatzanspruches beauftragen könne, und hat der Kläger die Prozessvollmacht am 8. März 2003, mithin 8 Tage nach der Anmietung des Ersatzfahrzeuges und nach der Empfehlung und somit nach einer ausreichenden Bedenkzeit unterschrieben zurückgesandt. Bei dieser Sachlage spricht nichts dafür, dass die Mandatierung im vorliegenden Fall auf einem rechtlich zu missbilligenden Zusammenwirken der Streitverkündeten und des Prozessbevollmächtigten beruhte.
26
ee) Das Berufungsgericht berücksichtigt bei seiner Beurteilung auch nicht hinreichend, dass der Kläger dem Prozessbevollmächtigten den Auftrag zur Klageerhebung erteilt und bei seiner persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht in keiner Weise zum Ausdruck gebracht hat, mit der Durchführung des Prozesses nicht einverstanden zu sein. Darin liegt zumindest die Genehmigung oder Neuerteilung einer möglicherweise früher unwirksam erteilten Vollmacht. Warum der frühere Mangel dem gesamten Mandatsverhältnis anhaften und fortwirken soll, wird vom Berufungsgericht nicht näher ausgeführt und ist auch nicht ersichtlich.
27
Indem das Berufungsgericht den Willen des Klägers, den Rechtsstreit durch seinen Prozessbevollmächtigten zu führen, außer Acht lässt und den von ihm angenommenen Mangel des Mandatverhältnisses und der Vollmacht zum Anlass nimmt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, verstößt es auch gegen den Grundsatz, dass Verstöße gegen solche Vorschriften, die den Rechtssuchenden schützen sollen, keine den Rechtssuchenden belastenden prozessrechtlichen Folgen haben dürfen (BVerfG, NJW 2004, 1373, 1374; BGHZ 54, 275, 282). Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen ihn betreffende den Schutz der Mandanten bezweckende Vorschriften verstoßen haben sollte , mag sein Ausschluss aus dem Verfahren in Betracht zu ziehen sein (vgl. BVerfG, aaO, m.w.N.). Dies darf aber nicht dazu führen, dass eine vom Kläger gewollte Klage und die im Rechtsstreit von ihm eingelegten Rechtsmittel als unzulässig verworfen werden. Vielmehr ist dem Kläger in einem solchen Fall Gelegenheit zu geben, das Verfahren unter Einschaltung eines anderen Prozessbevollmächtigten fortzuführen.

III.

28
Der die Berufung als unzulässig verwerfende Beschluss kann danach keinen Bestand haben und muss aufgehoben werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Entscheidung über die Berufung der Streitverkündeten. Reichen sowohl die Hauptpartei als auch ihr Streithelfer (§ 67 ZPO) Rechtsmittelschriften ein, liegt ein einheitliches Rechtsmittel vor, über das auch nur einheitlich entschieden werden kann (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2006 - VI ZB 49/05 - NJW-RR 2006, 644, m.w.N.). Auch hinsichtlich der Kostenentscheidung muss der angefochtene Beschluss insgesamt aufgehoben werden, weil bei der neuen Entscheidung über die Kosten neu zu befinden sein wird. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Naumburg, Entscheidung vom 17.11.2004 - 12 C 569/03 -
LG Halle, Entscheidung vom 22.09.2005 - 1 S 240/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 46/07
vom
22. Januar 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Fc, 85 Abs. 2
Ist die Berufungsbegründungsfrist errechnet und befindet sich in den Handakten ein
Vermerk über die Notierung der Frist im Fristenbuch, kann sich der Rechtsanwalt
grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken
und braucht nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender
eingetragen ist, außer es drängen sich an der Richtigkeit Zweifel auf.
BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07 - LG Aachen
AG Heinsberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2008 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen
und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 1. August 2007 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat. Streitwert: 1.200 €

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. April 2007, das der Klägerin am 27. April 2007 zugestellt worden ist, abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat die Klägerin am 6. Juli 2007 begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Klägerin ausgeführt, dass die stets sorgfältig arbeitende Bürovorsteherin G. nach Eingang der Handakten im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9. Mai 2007 die zu beachtenden Fristen geprüft habe. Sie habe die Berufungsfrist sowie die Berufungsbegründungsfrist berechnet und diese auf dem Auftragsschreiben der Klägerin an den Prozessbevollmächtigten nebst Vermerk über die Eintragung der Fristen im Fristenkalender notiert, ohne dass tatsächlich die Berufungsbegründungsfrist und die entsprechende Vorfrist auch im Fristenkalender eingetragen worden sind. Sodann habe sie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Auftragsschreiben vorgelegt. Dieser habe die Anlage einer neuen Akte sowie die sofortige Wiedervorlage verfügt. Nach Vorlage der Akte habe der Prozessbevollmächtigte die auf dem Auftragsschreiben der Klägerin vermerkten Fristen geprüft und diese für korrekt befunden sowie den Eintragungsvermerk der Bürovorsteherin zur Kenntnis genommen. Ein Mitarbeiter der Kanzlei habe die Berufungsaussichten und dabei ebenfalls die vermerkten Fristen geprüft und für richtig befunden. Nachdem am 23. Mai 2007 Berufung eingelegt worden sei, sei die Akte in den Aktenschrank eingehängt worden. Erst durch den Hinweis des Landgerichts vom 28. Juni 2007 sei die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist bemerkt worden. Dieses Versehen sei unverständlich. In Anbetracht der langjährigen Erfahrung der stets fehlerfrei arbeitenden Bürovorsteherin habe der Anwalt davon ausgehen dürfen, dass eine fehlerfreie Notierung der Fristen entsprechend dem Vermerk auf dem Auftragsschreiben der Klägerin auch im Fristenkalender erfolgt sei. Tatsächlich habe die Bürovorsteherin versehentlich im Fristenkalender lediglich die Frist für die Berufung sowie die entsprechende Vorfrist eingetragen. Die Eintragung der Frist für die Berufungsbegründung und der einwöchigen Vorfrist sei aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versäumt worden. Die Richtigkeit dieses Vor- trags versicherten die Bürovorsteherin G. und der mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung betraute Rechtsanwalt S. eidesstattlich.
2
Den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig.
4
2. Der angefochtene Beschluss begegnet schon deshalb Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, aufgrund deren eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78 und vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es alleine ankommt, mit noch ausreichen- der Deutlichkeit aus den Beschlussgründen und den dort in Bezug genommenen Aktenteilen ergeben.
5
3. Das Berufungsgericht rechnet der Klägerin als schuldhafte Fristversäumnis an, dass ihr Prozessbevollmächtigter seine Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der richtigen Eintragung des Endes der Frist in Bezug auf die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender verletzt habe (§ 85 Abs. 2 ZPO). Hätte er die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender geprüft , als ihm die Handakte zur Fertigung der Berufungsschrift vom 23. Mai 2007 vorgelegen habe, wäre ihm der Fehler der Bürovorsteherin G. aufgefallen und die Fristversäumnis hätte vermieden werden können. Die Gefahr der Fristversäumung sei noch dadurch verstärkt worden, dass der Erledigungsvermerk auf dem Auftragsschreiben der Klägerin bereits vor der Eintragung beider Fristen im Fristenkalender angebracht worden sei. Der vorzeitig angebrachte Vermerk täusche eine trügerische Sicherheit vor, wodurch eine wirksame Fristenkontrolle durch den Anwalt und das Büropersonal verhindert werde.
6
4. a) Mit dieser Rechtsprechung weicht das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Danach hat der Anwalt die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung einer Frist, ihrer Notierung auf den Handakten, zur Eintragung im Fristenkalender sowie zur Bestätigung der Kalendereintragung durch einen Erledigungsvermerk auf den Handakten stets zu prüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden. Zwar erstreckt sich die Pflicht zur Prüfung auch darauf, ob das (zutreffend errechnete) Fristende im Fristenkalender notiert worden ist. Doch kann sich der Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken. Ist die Erledigung der Eintragung im Fristenkalender wie hier ordnungsgemäß in der Handakte vermerkt und drängen sich an der Richtigkeit insoweit keine Zweifel auf, braucht der Rechtsanwalt nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. April 2007 - VI ZB 66/06 - NJW 2007, 2332 und vom 23. Januar 2007 - VI ZB 5/06 - NJW 2007, 1597, 1598; BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2006 - IV ZB 18/05 - VersR 2007, 520 f.; vom 1. Dezember 2004 - XII ZB 164/03 - FamRZ 2005, 435 f. unter II. 3.; vom 21. April 2004 - XII ZB 243/03 - FamRZ 2004, 1183 f. unter II. 1. und 2.; vom 22. Januar 1997 - XII ZB 195/96 - VersR 1997, 598, 599 unter 1. und vom 22. September 1971 - V ZB 7/71 - VersR 1971, 1125 f. unter 1.; Urteil vom 1. Juli 1976 - III ZR 88/75 - VersR 1976, 1154 f. unter II.; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 233 Rn. 23 Stichwort Fristenbehandlung ; Born, NJW 2005, 2042, 2046). Andernfalls würde die Einschaltung von Bürokräften in die Fristenüberwachung weitgehend sinnlos, die jedoch aus organisatorischen Gründen erforderlich und deshalb zulässig ist.
7
b) Eine Abweichung von diesen Grundsätzen lässt sich auch nicht dem Beschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Juli 2005 - II ZB 16/04 - (nicht veröff.) entnehmen, auf den das Berufungsgericht seine Rechtsauffassung stützt. Der Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden im Sachverhalt. Dort hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten versäumt, bei Fertigung der Berufungsschrift die Notierung der Berufungsbegründungsfrist in den Handakten zu überprüfen. Hätte er dieser Pflicht genügt, wäre ihm aufgefallen , dass die Berufungsbegründungsfrist - entgegen seiner generellen Anweisung - nicht notiert worden war.
8
Hingegen hatte im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ebenso wie der Mitarbeiter S. den Erledigungsvermerk geprüft. Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass die Unterlassung der erneuten Fristenprüfung bei Vorlage der Akte zur Fertigung der Berufungsschrift, die das Berufungsgericht bemängelt, nicht ursächlich für die Fristversäumung werden konnte. Nachdem der Erledigungsvermerk angebracht war und ersichtlich Anhaltspunkte für begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Fristennotierung im Kalender nicht gegeben waren, konnte auch bei nochmaliger Überprüfung der entsprechenden Vermerke bei Vorlage der Handakten zur Fertigung der Berufungsschrift nicht auffallen, dass die Bürovorsteherin G. die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender unterlassen hatte. Denn auch bei einer solchen Kontrolle konnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aufgrund des Erledigungsvermerks davon ausgehen, dass die Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß im Fristenkalender notiert ist.
9
c) Nach den tatsächlichen Umständen ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht eine fehlerhaft unzureichende Organisation des Fristenwesens in seiner Kanzlei anzulasten, die für die Fristversäumnis ursächlich geworden wäre und die sich die Klägerin zurechnen lassen müsste (§ 85 Abs. 2 ZPO). Zwar hat der Anwalt die mit der Fristenkontrolle betrauten Angestellten darauf hinzuweisen, dass der Erledigungsvermerk erst erfolgen darf, wenn die entsprechende Handlung tatsächlich vorgenommen worden ist. Die Einhaltung dieser Weisung hat der Anwalt durch geeignete Kontrollen auch durchzusetzen. Deuten Umstände darauf hin, dass Erledigungsvermerke vorzeitig angebracht werden, muss der Anwalt dagegen einschreiten. Doch rügt die Rechtsbeschwerde mit Recht, dass das Berufungsgericht bei umfassender Berücksichtigung der vorgetragenen und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemachten Tatsachen nicht von einer mangelhaften Organisation des Fristenwesens in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ausgehen durfte. Vielmehr war die allgemeine Weisung an die betrauten Büroangestellten ausreichend, nach der sämtliche Haupt- und Vorfristen im Fristenkalender sofort zu notieren und diese Eintragungen entsprechend in der Akte zu vermerken waren, wobei bei Rechtsmittelsachen neben der Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfrist auch jeweils eine Vorfrist von einer Woche einzutragen war. Konkrete An- haltspunkte, aufgrund derer der Prozessbevollmächtigte hätte annehmen müssen , dass Erledigungsvermerke vorzeitig angebracht werden, wodurch eine wirksame Fristenkontrolle in Frage gestellt wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind ersichtlich nicht gegeben.
10
Auch wurde nach der eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Fristenkalender regelmäßig von ihm daraufhin kontrolliert , ob die Vermerke in der Handakte über die Eintragung im Fristenkalender mit den tatsächlichen Kalendereintragungen übereinstimmten. Bei dieser Sachlage fehlten Hinweise dafür, dass die Bürovorsteherin G. die Erledigung in der Handakte etwa auch in anderen Fällen ohne die erforderliche vorherige Eintragung im Fristenbuch vermerkt hätte (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02 - NJW 2003, 1815, 1816 unter II. 3. b).
11
Mithin hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass die Frist zur Berufungsbegründung ohne eigenes oder ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten versäumt worden ist. Daher war ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist, ist der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts damit gegenstandslos. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Heinsberg, Entscheidung vom 23.04.2007 - 16 C 301/05 -
LG Aachen, Entscheidung vom 01.08.2007 - 5 S 102/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 3/03
vom
12. Juli 2004
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juli 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der Zivilkammer 53 des Landgerichts Berlin vom 29. November 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe:


I. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Berufung des Klägers gegen das am 19. Juni 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg "gemäß § 522 Abs. 1 ZPO auf seine Kosten als unzulässig verworfen , weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR nicht übersteigt (§ 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO)". Weitere Ausführungen enthält der Beschluß nicht. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, mit der er
eine Grundsätzlichkeit in bezug auf den Rechtsmittelstreitwert in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten geltend macht sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG) und eine Verletzung seiner Verfahrensgrundrechte (Art. 103 GG) rügt; u.a. beanstandet er insoweit auch, daß die angefochtene Entscheidung willkürlich seine Wertangaben übergehe und "keine Gründe für die Abweichung von diesem Wert ... erkennen lasse".
II. Die gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 2, 574 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil der angefochtene Beschluß, wie der Kläger zu Recht beanstandet, nicht mit Gründen versehen ist (§ 576 Abs. 3 i.V.m. § 547 Nr. 6 ZPO n.F.). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben; anderenfalls sind sie nicht mit gesetzmäßigen Gründen versehen (BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, BGHReport 2002, 902 m.w.N.). Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 1, 4; § 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen, so ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Berufungsgerichts , die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne.
Im vorliegenden Fall lassen die minimalen "Ausführungen" des angefochtenen Beschlusses weder den Streitgegenstand noch die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen, so daß die Begründung des Landgerichts für die Verwerfung der Berufung, die darin liegen soll, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes angeblich 600,00 € nicht übersteigt, in keiner Weise nachvollziehbar ist.
In welchem Umfang etwa das Berufungsgericht auf erstinstanzliche Feststellungen oder bestimmte Aktenbestandteile und mögliche vorangegangene Zwischenentscheidungen Bezug nehmen darf (vgl. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO n.F.), kann hier offenbleiben. Denn der angefochtene Beschluß verweist in keiner Weise auf anderweitig festzustellende Tatsachen.
Wegen des bezeichneten Verfahrensfehlers hat der Senat von der Erhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren abgesehen (§ 8 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG n.F.). Im übrigen hat er bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit nach § 577 Abs. 4 Satz 3 ZPO n.F. Gebrauch gemacht.
Beschwerdewert: 1.500,00 €
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Gehrlein

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 1/05
vom
6. Februar 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein anwaltliches Organisationsverschulden liegt vor, wenn nicht nur eine bestimmte
qualifizierte Fachkraft der Anwaltskanzlei für die Fristennotierung im
Kalender und die Fristenüberwachung verantwortlich ist, sondern es vielmehr
möglich ist, dass mehrere Büroangestellte hierfür zuständig sind. Dasselbe gilt,
wenn Fristennotierung und -überwachung einer noch in der Ausbildung befindlichen
Kraft übertragen werden.
BGH, Beschluss vom 6. Februar 2006 - II ZB 1/05 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. Februar 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Münke, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 26. November 2004 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Streitwert: 106.956,42 €

Gründe:


1
I. Die Parteien betrieben vom 1. Juni 1985 bis 31. Dezember 1999 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Handwerksbetrieb. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung eines Anteils in Höhe von 106.956,42 € am Gewinn der Gesellschaft in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage durch Schlussurteil vom 23. Juli 2004 abgewiesen. Gegen die ihm am 26. Juli 2004 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 27. August 2004 Berufung eingelegt und wegen der Versäumung der Berufungsfrist um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt. Mit seiner - vom Berufungsgericht nicht zugelassenen - Rechtsbeschwerde will der Kläger gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen.
2
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Entgegen der Annahme des Klägers erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in dieser Sache nicht, weil der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang steht.
3
1. Nach Darstellung des Klägers beruht die Versäumung der Frist für die Berufungseinlegung darauf, dass die ordnungsgemäß im Fristenkalender der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten notierte Frist am Abend des 25. August 2004 bereits gestrichen war, als der Anwalt den Kalender gemeinsam mit seiner Sekretärin auf die am folgenden Tage anstehenden Termine und ablaufenden Fristen überprüfte. Wer die Streichung der Frist vorgenommen hat, kann nach dem Vortrag des Klägers nicht mehr geklärt werden; in Betracht hierfür kommen nach seinem Vorbringen sowohl die Sekretärin des Anwalts als auch eine Auszubildende im dritten Lehrjahr.
4
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist schuldhaft versäumt worden ist (BGH, Beschl. v. 14. Januar 1993 - VII ZB 18/92, VersR 1993, 772, 773). Um einen solchen Fall handelt es sich hier.
5
a) Von einem für die Fristversäumung ursächlichen anwaltlichen Organisationsverschulden ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszugehen , wenn nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen nicht festgestellt werden kann, dass nur eine bestimmte qualifizierte Fachkraft für die Fristennotierung im Kalender und die Fristenüberwachung verantwortlich ist, sondern es möglich ist, dass mehrere Büroangestellte und unzulässigerweise sogar eine noch auszubildende Kraft (BGH, Beschl. v. 20. Juni 1978 - VI ZB 7/78, VersR 1978, 959, 960) hierfür zuständig sind (BGH, Beschl. v. 8. Juli 1992 - XII ZB 55/92, NJW 1992, 3176 m.w.Nachw.). So liegt es hier.
6
b) In der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags heißt es, eine Kontrolle der Fristen erfolge in der Form, dass der Anwalt bei Büroschluss mit seinen Mitarbeitern, vor allem mit seiner Sekretärin, Frau K., den darauf folgenden Tag hinsichtlich Termine, Besprechungen und Fristen überprüfe. Aus dieser Formulierung ergibt sich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, dass allein Frau K. für die Fristenüberwachung zuständig war. Daran ändert es nichts, dass es im nächsten Absatz heißt, Frau K. nehme jeweils den Terminkalender zur Hand und teile dem Rechtsanwalt mit, welche Fristen anstünden. Auch der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 21. Oktober 2004, wonach Fristen normalerweise nur von der Mitarbeiterin K. des Prozessbevollmächtigten gestrichen werden, lässt nicht mit der notwendigen Klarheit erkennen, dass nach den Anweisungen seines Prozessbevollmächtigten allein Frau K. zur Fristenstreichung berechtigt war. Vielmehr lässt die Verwendung des Wortes "normalerweise" darauf schließen, dass Ausnahmen von der behaupteten Regel möglich sind.
7
c) Da das Wiedereinsetzungsbegehren des Klägers nicht daran scheitert, dass im Nachhinein nicht mehr aufgeklärt werden konnte, welches die Ursache der versehentlichen Friststreichung war, kommt es entgegen der Ansicht der Beschwerde auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. November 2004 (VIII ZB 32/04, NJW-RR 2005, 1006) nicht an, der zufolge es zur Glaubhaftmachung eines Versehens der Darlegung von Gründen, die das Versehen erklären könnten, nicht bedarf.
Goette Kurzwelly Münke
Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 23.07.2004 - 10 O 67/00 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 26.11.2004 - 12 U 1092/04 -

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 14/07
vom
27. September 2007
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter,
Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Cierniak und Dr. Fischer
am 27. September 2007

beschlossen:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. März 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Wiedereinsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.

Gründe:


I.


1
Die Berufung des Beklagten/Antragstellers ist durch Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen worden. Das Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten am 13. März 2007 zugestellt worden.
2
Mit einem am 23. Mai 2007 bei dem erkennenden Senat eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, ihm wegen der Versäumung der Einlegungs - und Begründungsfrist für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen. Zugleich hat er beantragt, ihm für das Verfahren auf Wiedereinsetzung Prozesskostenhilfe zu gewähren.
3
Den Wiedereinsetzungsantrag hat er wie folgt begründet: "Der Beklagtenvertreter … hat aufgrund eines Versehens seines Büros erst am 09.05.2007 festgestellt, dass die Fristen hinsichtlich einer Nichtzulassungsbeschwerde … im EDV-gestützten Fristenkalender nicht aufgenommen und damit nicht ausgedruckt worden sind. Dadurch kam es nicht zu der routinemäßigen Wiedervorlage, obwohl dahingehend seitens des bearbeitenden Rechtsanwalts schriftlich verfügt worden war. Das Urteil wurde daher nicht dem Mandanten zugeleitet, obwohl es eine allgemeine Anweisung gibt, alle Unterlagen an die Mandanten zuzuschicken."
4
Einen ausdrücklichen Antrag auf Zulassung der Revision hat der Antragsteller nicht gestellt. In der Begründung der Antragsschrift heißt es allerdings : "Der Antrag auf Zulassung der Revision ist für den Fall der Wiedereinsetzung auch begründet …"

II.


5
Wiedereinsetzungsantrag Der ist möglicherweise unzulässig. Gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Einen Antrag auf Zulassung der Revision hat der Antragsteller jedenfalls nicht ausdrücklich gestellt. Ob die Ausführungen in der Begründung dahin ausgelegt werden können, es habe bereits der Antrag auf Zulassung der Revision gestellt sein sollen, oder nur als Ankündigung für den Fall der Gewährung der Wiedereinsetzung verstanden werden können, ist zweifelhaft. Dies kann jedoch dahinstehen.

III.


6
Jedenfalls ist der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet. Nach den §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO hätte dem Beklagten/Antragsteller nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden können, wenn seinen Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung kein Verschulden träfe. Dies ist indessen nicht der Fall.
7
1. Nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers sind im Büro seines Prozessbevollmächtigten mindestens drei Fehler begangen worden:
8
Erstens sind die Fristen für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde - ein Monat bzw. zwei Monate nach Zustellung des Berufungsurteils (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO) - nicht im Fristenkalender eingetragen worden. Zweitens ist die angeblich schriftlich verfügte Wiedervorlage nicht ausgeführt worden, und drittens ist das Urteil entgegen einer angeblich bestehenden allgemeinen Anweisung nicht dem Mandanten zugeleitet worden.
In Ermangelung entsprechenden Vortrags muss davon ausgegangen werden, dass die drei Fehler unabhängig voneinander begangen worden sind. Dass es auch an einer Glaubhaftmachung fehlt, weil die Anlagen dem Wiedereinsetzungsschriftsatz nicht beigefügt waren, ist deshalb nicht entscheidungserheblich.
9
Nach 2. ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (BGH, Beschl. v. 5. November 2003 - XII ZR 140/02, BGHR ZPO § 233 - Fristberechnung 5 m.w.N.). Dazu fehlt jeder Vortrag.
10
Im Übrigen darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 22; v. 30. November 1994 - XII ZB 197/94, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1; v. 17. September 2002 - VI ZR 419/01, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 5; v. 5. November 2003 aaO). Dieses Sorgfaltsgebot hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers verletzt, als er am 13. März 2007 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne zuvor die Notierung der Rechtsmittelfrist sichergestellt zu haben. Sollte er seinerzeit - was aber nicht dargelegt ist - seine Bürokraft mündlich angewiesen haben, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen sein, dass die Anweisung nicht in Vergessenheit gerät (BGH, Beschl. v. 17. September 2002 aaO; v.
5. November 2002 - VI ZR 399/01, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 6; v. 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689). Dazu ist nichts vorgetragen.
11
angeblich Die schriftlich angeordnete - aber ebenfalls nicht befolgte - Verfügung der Wiedervorlage der Handakte reichte nicht aus. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen so notiert werden müssen, dass sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen deutlich abheben (BGH, Urt. v. 21. Dezember 1988 - VIII ZR 84/88, NJW 1989, 2393, 2394 m.w.N.; v. 29. Juli 2004 - III ZB 27/04, BGH-Report 2005, 44, 45). Hier kann nicht einmal angenommen werden, dass die Wiedervorlage rechtzeitig zur Entdeckung der fehlenden Eintragung im Fristenkalender geführt hätte. Weder hat der Antragsteller vorgetragen, für welchen Zeitpunkt die Wiedervorlage angeordnet, noch dass die Rechtsmittelfrist auf den Handakten notiert worden ist.

12
Besonderheiten Die eines elektronisch unterstützten Fristenkalenders (vgl. dazu etwa BGH, Beschl. v. 23. März 1995 - VII ZB 3/95, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 43; v. 10. Oktober 1996 - VII ZB 31/95, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 52; v. 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 63; v. 12. Dezember 2005 - II ZB 33/04, BGH-Report 2006, 449) haben sich nicht ausgewirkt, weil die Frist gar nicht erst in den Kalender eingegeben worden ist.
Ganter Kayser Gehrlein
Cierniak Fischer
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 05.01.2006 - 3 O 235/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 08.03.2007 - 2 U 155/06 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.