Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2009 - VI ZR 281/08

bei uns veröffentlicht am20.10.2009
vorgehend
Landgericht Hannover, 14 O 269/07, 20.03.2008
Oberlandesgericht Celle, 11 U 69/08, 02.10.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 281/08
vom
20. Oktober 2009
in dem Rechtsstreit
Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll, Wellner, Stöhr und die Richterin
von Pentz

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Soweit das Berufungsgericht den Feststellungsantrag für zulässig und begründet erachtet hat, entspricht dies einer gefestigten Rechtsprechung. Danach muss der Gläubiger, der einen Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung geltend macht, dem Vollstreckungsgericht einen beim Prozessgericht erwirkten Titel vorlegen, aus dem sich ergibt, dass die titulierte Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Deshalb ist ein Feststellungsinteresse für einen entsprechenden Feststellungsantrag gegeben (vgl. BGHZ 109, 275, 276 ff.; 152, 166; BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04 - NJW 2006, 2922, 2923; Beschlüsse vom 26. September 2002 - IX ZB 208/02 - ZVI 2002, 422; vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05 - NJW 2005, 1663; BT-Drs. 3/768 S. 3). Entgegen der Auffassung des Beklagten muss im Streitfall nicht grundsätzlich geklärt werden, ob die Rücknahme des Widerspruchs gegen einen Mahnbescheid unzulässig ist, sobald gegenüber dem Antrag aus dem Mahnbescheid eine Klageerweiterung erfolgt ist. Eine Nichtzulassungsbeschwerde hat nämlich schon deswegen keine hinreichende Erfolgsaussicht, weil das Berufungsgericht bei der gegebenen Sachlage zu Recht das prozessuale Verhalten des Beklagten als Verstoß gegen den auch im Verfahrensrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) angesehen hat, der die Parteien zu redlicher Prozessführung verpflichtet und insbesondere den Tz. 11 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass sich für den Beklagten, der den begangenen Betrug eingeräumt hat, aus einer Aufspaltung des Verfahrens keine Vorteile ergeben. Andererseits war die Klägerin auf die Erlangung eines entsprechenden Titels durch das Prozessgericht angewiesen, weil durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheids der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg der §§ 850f Abs. 2 ZPO oder § 302 InsO nicht geführt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2005 - VII ZB 17/05 - NJW 2005, 1663, 1664). Unter diesen Umständen ist der Versuch des Beklagten, nach dem Scheitern der Güteverhandlung durch eine Aufspaltung des Verfahrens die Erlangung eines für die Beklagte notwendigen Titels durch das Prozessgericht zu verhindern, als rechtsmissbräuchlich anzusehen.
Galke Zoll Wellner Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 20.03.2008 - 14 O 269/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 02.10.2008 - 11 U 69/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2009 - VI ZR 281/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2009 - VI ZR 281/08

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Insolvenzordnung - InsO | § 302 Ausgenommene Forderungen


Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt: 1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gew

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850f Änderung des unpfändbaren Betrages


(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn1.der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigren
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2009 - VI ZR 281/08 zitiert 3 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Insolvenzordnung - InsO | § 302 Ausgenommene Forderungen


Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt: 1. Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gew

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850f Änderung des unpfändbaren Betrages


(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn1.der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigren

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04

bei uns veröffentlicht am 18.05.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 187/04 Verkündet am: 18. Mai 2006 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 256 Abs. 1, § 70

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 187/04
Verkündet am:
18. Mai 2006
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Widerspricht der Schuldner der rechtlichen Einordnung einer als "Forderung aus
vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" zur Tabelle angemeldeten, bereits
durch einen Vollstreckungsbescheid rechtskräftig titulierten Forderung, so kann
der Gläubiger Klage auf Feststellung des Forderungsgrundes erheben.

b) Ein rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid bindet das Gericht des Feststellungsprozesses
auch dann nicht, wenn er auf eine Anspruchsgrundlage Bezug nimmt,
die eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung voraussetzt.
BGH, Urteil vom 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04 - LG Lübeck
AG Reinbek
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 19. August 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Am 25. Februar 2002 erwirkte die Klägerin einen Vollstreckungsbescheid gegen den Beklagten über einen Betrag von 1.357,08 Euro nebst Zinsen und Kosten. Der Anspruch wurde wie folgt bezeichnet: "Schadensersatzanspruch gem. § 823 BGB i.V.m § 266a Abs. 1 und 14 Abs. 1 StGB wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Gesamtsozialversicherung für ehem. Arbeitnehmer der Firma K. GmbH für die Monate Januar 2000 bis April 2000 lt. Schreiben vom 06.11.2001 (DM-Angaben siehe Anlage)".
2
In der Folgezeit wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Am 26. November 2002 meldete die Klägerin den titulierten Anspruch zur Tabelle an. Die Forderung wurde zur Tabelle festgestellt. Der Schuldner widersprach jedoch ihrer Einordnung als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung.
3
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie gegen den Beklagten einen Anspruch in Höhe von 1.357,08 Euro nebst Zinsen und Kosten in Höhe von insgesamt 81,41 Euro aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung wegen der Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die Monate Januar bis April 2000 hat. Der Beklagte ist dem Anspruch mit der Begründung entgegengetreten, er sei in der GmbH nur "Strohmann" und für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nicht verantwortlich gewesen. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Landgericht hat ausgeführt: Der Klägerin fehle ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Sie sei bereits Inhaberin eines Titels, aus dem sich deutlich ergebe, dass ihr gegen den Beklagten ein Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zustehe. Die Feststellung zur Tabelle und der Widerspruch des Schuldners gegen den Rechtsgrund "vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung" ändere daran nichts. Der Vollstreckungsbescheid werde durch die Feststellung zur Tabelle nur insoweit "aufgezehrt", als er sich mit der Feststellung decke. Hinsichtlich des Schuldgrundes sei dies nicht der Fall.

II.


6
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
1. Das Berufungsurteil genügt gerade noch den Mindestanforderungen des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Zwar fehlt die Wiedergabe der Berufungsanträge, die von der Verweisung auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils nicht erfasst sein können. Die Entscheidungsgründe lassen jedoch erkennen, dass der Beklagte und Berufungskläger weiterhin die Abweisung der Klage betrieben und die Klägerin und Berufungsbeklagte an ihrem schon in erster Instanz gestellten Feststellungsantrag festgehalten hat. Das kann im Rahmen des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausreichen (vgl. BGHZ 154, 99; BGH, Urt. v. 11. März 2004 - IX ZR 178/03, WM 2004, 2216, 2217; v. 1. Dezember 2005 - IX ZR 95/04, WM 2006, 628, 629).
8
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht verneint werden.
9
a) Im rechtlichen Ausgangspunkt trifft das Berufungsurteil zu. Auch derjenige Gläubiger, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits einen Titel gegen den späteren Insolvenzschuldner erwirkt hatte, muss seine Forderung zur Tabelle anmelden, wenn er am Insolvenzverfahren teilnehmen will. Wird kein Widerspruch erhoben, gilt die Forderung als festgestellt (§ 178 Abs. 1 InsO). Durch den Auszug aus der Tabelle, aus dem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann (§ 201 Abs. 2 InsO), wird der frühere Titel "aufgezehrt" (vgl. BGH, Urt. v. 14. Mai 1998 - IX ZR 256/96, NJW 1998, 2364, 2365 unter 3.; RGZ 112, 297, 300; 132, 113, 115; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 164 Anm. 6). Das gilt jedoch nicht, wenn der Schuldner der Feststellung widersprochen hat. Ein Widerspruch des Schuldners steht zwar der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO). Aus dem Tabellenauszug kann jedoch dann, wenn der erhobene Widerspruch nicht beseitigt ist, die Zwangsvollstreckung nicht betrieben werden (§ 201 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO). Insoweit kann der Gläubiger auf den vorab erwirkten Titel zurückgreifen (BGH, Urt. v. 14. Mai 1998, aaO; Uhlenbruck /Vallender, InsO 12. Aufl. § 302 Rn. 23; Graf-Schlicker/Remmert NZI 2001, 569, 572).
10
b) Die Existenz eines solchen Titels allein lässt das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die jetzige Feststellungsklage jedoch nicht entfallen (vgl. OLG Hamm ZInsO 2005, 1329, 1330; LG Dresden ZInsO 2004, 988, 989; Kahlert ZInsO 2005, 192, 193; aA Uhlenbruck/Vallender, aaO Rn. 24; GrafSchlicker /Remmert aaO). Die Klägerin will ihre titulierte Forderung spätestens nach Ende der Wohlverhaltensperiode durchsetzen, und zwar auch dann, wenn dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt worden sein sollte. Der Widerspruch des Schuldners gegen die Einordnung der Forderung als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung macht deutlich, dass dieser eine - nach § 302 Nr. 1 InsO grundsätzlich zulässige - Zwangsvollstreckung wegen der Forderung nicht hinzunehmen bereit ist. Sein Verhalten lässt eine Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) erwarten, sobald die Klägerin nach Erteilung der Restschuldbefreiung aus ihrem Titel vorgeht. Wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass gegen einen vollstreckbaren Titel Vollstreckungsgegenklage erhoben werden wird, hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ergänzende Feststellungsklagen zugelassen (z.B. BGHZ 98, 127, 128; BGH, Urt. v. 22. September 1994 - IX ZR 165/93, NJW 1994, 3225, 3227). So liegt auch der vorliegende Fall. Der Widerspruch des Schuldners stellt einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass es früher oder später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid kommen wird (vgl. Nerlich/Römermann/Becker, InsO § 184 Rn. 12). Es besteht kein sachlicher Grund dafür, den Streit über die Rechtsnatur der angemeldeten und trotz des Widerspruchs des Schuldners zur Tabelle festgestellten Forderung auf die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben, im Ergebnis also dem Rechtsstreit über eine vom Schuldner zu erhebende Vollstreckungsgegenklage zu überlassen. Die Klärung dieser Frage möglichst noch vor der Entscheidung über die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO) dürfte regelmäßig im Interesse sowohl des Gläubigers als auch des Schuldners liegen (BTDrucks. 14/5680, S. 27; vgl. auch OLG Celle ZVI 2004, 46, 48; OLG Rostock ZInsO 2005, 1175, 1176; Hattwig, ZinsO 2004, 636, 638 mit weiteren Nachweisen ). Die Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig.

III.


11
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 ZPO). Sie muss deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dazu weist der Senat auf folgenden rechtlichen Gesichtspunkt hin:
12
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zusteht, ist das Berufungsgericht nicht an den Vollstreckungsbescheid vom 25. Februar 2002 gebunden. Wie der Bundesgerichtshof zu § 850f Abs. 2 ZPO bereits entschieden hat (Beschl. v. 5. April 2005 - VII ZB 17/05, WM 2005, 1326), ist der auf einem Mahnbescheid beruhende Vollstreckungsbescheid nicht geeignet, die rechtliche Einordnung des in ihm geltend gemachten Anspruchs festzulegen. Der Mahnbescheid beruht auf den einseitigen, vom Gericht nicht materiellrechtlich geprüften Angaben des Gläubigers. Das entspricht dem Sinn und Zweck des Mahnverfahrens, das wegen eines Anspruchs auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme eingeleitet wird (§ 688 Abs. 1 ZPO) und dem Gläubiger schnell und kostengünstig zu einem Vollstreckungstitel verhelfen soll. Will der Gläubiger nicht nur vollstrecken, sondern weitergehend das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO in Anspruch nehmen, muss er ein Feststellungsurteil erwirken, das im ordentlichen Verfahren ergeht und mindestens eine Schlüssigkeitsprüfung durch einen Richter voraussetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 5. April 2005, aaO S. 1327). Die Anwendung der Vorschrift des § 302 Nr. 1 InsO, nach der Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt werden, wird den Schuldner oft härter treffen als eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850f Abs. 2 ZPO. Für sie kann daher nichts anderes gelten.
13
Dass im Vollstreckungsbescheid ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a Abs. 1, § 14 StGB tituliert ist, ändert im Ergebnis nichts (entgegen OLG Hamm ZInsO 2005, 1329, 1330 f). Wird ein Geschäftsführer persönlich wegen nicht an den Sozialversicherungsträger abgeführter Arbeitnehmeranteile in Anspruch genommen, kommt zwar ein anderer Rechtsgrund als derjenige einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht in Betracht. Für den Schuldner stellt sich im Mahnverfahren also nicht die Frage, ob er Widerspruch oder Einspruch nur deshalb einlegen soll, um eine Abänderung der rechtlichen Einordnung der Forderung zu erreichen (vgl. BGH, Beschl. v. 5. April 2005, aaO). Die Folgen, welche die Titulierung einer derartigen Forderung in einem späteren Restschuldbefreiungsverfahren nach sich zieht, wird der Schuldner in der Regel jedoch nicht überblicken. Für eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 InsO besteht im Mahnverfahren noch kein Anlass. Der Schuldner könnte deshalb aus Nachlässigkeit oder auch in der Erwartung eines ihm bevorstehenden Insolvenzverfahrens einen Vollstreckungsbescheid rechtskräftig werden lassen, ohne dessen Folgen - die bei Annahme einer Bindungswirkung wegen § 302 Nr. 1 InsO insoweit nicht eintretende Restschuldbefreiung - zu überblicken. Entgegen Hattwich (ZinsO 2004, 636, 640) verlangt Art. 103 Abs. 1 GG zwar nicht die Unwirksamkeit jeglicher Titel, die ein Gläubiger wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit ohne eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 InsO erwirkt hat. Titel, die ohne eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung aufgrund einseitiger Angaben des Gläubigers ergangen sind, vermögen die weit reichenden Folgen des § 302 Nr. 1 InsO jedoch nicht zu rechtfertigen.
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann

Vorinstanzen:
AG Reinbek, Entscheidung vom 10.12.2003 - 5 C 284/03 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 19.08.2004 - 16 S 3/04 -

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn

1.
der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,
2.
besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder
3.
der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern
und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

(2) Wird die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betrieben, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen bestimmen; dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

(3) (weggefallen)

Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:

1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden;
2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners;
3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.