Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2019 - VII ZR 175/18

bei uns veröffentlicht am18.12.2019
vorgehend
Landgericht München I, 5 O 307/01, 23.06.2015
Oberlandesgericht München, 9 U 2824/15, 24.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 175/18
vom
18. Dezember 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:181219BVIIZR175.18.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2019 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen
beschlossen:
Die Beklagte zu 1 wird, nachdem sie die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juli 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 1. Oktober 2018 und des Ergänzungsurteils vom 13. November 2018 zurückgenommen hat, dieses Rechtsmittels für verlustig erklärt. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Juli 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 1. Oktober 2018 und des Ergänzungsurteils vom 13. November 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 im Umfang von 36.124,47 € nebst Zinsen (Abzugsbetrag wegen eines anderen Wasserschadens in der Wohnung 32.2 Nr. 9, R. straße 16) zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerden, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin: 478.158,10 € Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu 1: bedarf noch der Festsetzung

Gründe:

I.

1
Die Klägerin erhielt 1999 den Auftrag zur Ausführung von Arbeiten an einem Bauvorhaben in O. . Sie beauftragte die Insolvenzschuldnerin (im Folgenden: Beklagte zu 1) mit der Ausführung der Brettstapeldecken sowie der sich anschließenden Errichtung der Dachstühle. Die Beklagte zu 2 wurde von der Klägerin mit Trockenbauarbeiten beauftragt. Den Verträgen lag jeweils die VOB/B zugrunde.
2
Während der Ausführung der Arbeiten der Beklagten zu 1 regnete es, was zu Terminverzögerungen führte. Die Frage, ob und wann aufgrund der Feuchte mit weiteren Arbeiten begonnen werden könne, war Gegenstand eines eingehenden Schriftwechsels und von Baustellenbesprechungen der Parteien. Letztendlich wurden die Arbeiten im September/Oktober 1999 durchgeführt.
3
In der Folgezeit zeigten sich Verformungen der Fußböden. Die Klägerin ist der Auffassung, dass für die Verformungen die Beklagten voll verantwortlich seien und sie kein Mitverschulden treffe. Ursächlich für die Verformungen der Fußböden sei die Durchfeuchtung, da kein ausreichender Schutz seitens der Beklagten zu 1 vorgenommen worden sei und der Beklagten zu 2 handwerkliche Fehler unterlaufen seien. Auf dieser Grundlage begehrt die Klägerin gegen die Beklagte zu 1 die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle in Höhe von 516.398,71 € und die Verurteilung der Beklagten zu 2 - gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1 - in Höhe von 516.398,71 €.
4
Das Landgericht hat die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 454.374,53 € verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben alle Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht hinsichtlich der Beklagten zu 1 eine Forderung von 370.323,09 € zur Insolvenztabelle festgestellt und die Beklagte zu 2 zur Zahlung von 38.240,61 € - gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 1 - verurteilt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.
5
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie ihre Klagebegehren weiterverfolgt.

II.

6
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat im Umfang von 36.124,47 € nebst Zinsen (Abzugsbetrag wegen eines anderen Wasserschadens in der Wohnung 32.2 Nr. 9, R. straße 16) Erfolg und führt in diesem Umfang gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
7
1. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Abzugsbetrags von 36.124,47 € ausgeführt:
8
Die Klägerin habe Sanierungskosten in Höhe von insgesamt 1.166.507 € geltend gemacht. Der Sachverständige sei zu tatsächlich erforderlichen und veranlassten Kosten in Höhe von 850.284,05 € gelangt. Von diesen Kosten habe der Sachverständige nachvollziehbar einen Betrag von 36.124,47 € in Abzug gebracht, da diese Sanierungskosten ausweislich der von ihm geprüften Unterlagen einen anderen Wasserschaden in der Wohnung 32.2 Nr. 9, R. straße 16, betroffen hätten, der nicht von der Beklagten zu 1 verursacht worden sei.
9
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin zur Berechtigung des Abzugsbetrages nicht erfasst und deshalb bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat.
10
a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dieses Gebot verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 27. August 2019 - VI ZR 460/17 Rn. 12).
11
b) Nach diesen Grundsätzen verletzt die Begründung des Berufungsgerichts zur Bejahung eines Abzugspostens von 36.124,47 € nebst Zinsen aufgrund eines anderen Wasserschadens in der Wohnung 32.2 Nr. 9, R. straße 16, die Klägerin in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
12
Die Klägerin hat sowohl vor dem Landgericht als auch im berufungsgerichtlichen Verfahren unter Beweisantritt vorgetragen, die Annahme des Sachverständigen , in den Kosten für die Wohnung 32.2 Nr. 9 seien die Kosten für die Behebung eines weiteren Wasserschadens enthalten, sei unzutreffend. Dieser weitere Wasserschaden habe einen Aufwand von 1.961,26 € verursacht. Die entsprechende Rechnung habe die Verursacherin unmittelbar ausgeglichen. In den geltend gemachten Sanierungskosten sei dementsprechend dieser Schadensbetrag nicht enthalten.
13
Diesen unter Beweis gestellten Vortrag zu einer der zentralen Fragen der Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht in keiner Weise erwogen. Stattdessen hat es ohne nähere Begründung allein darauf abgestellt, der Sachverständige habe "nachvollziehbar" einen Betrag von 36.124,47 € in Abzug gebracht. Dabei hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht beachtet, dass der Sachverständige in seinem Gutachten darauf hingewiesen hat, die Kosten für die Sanierung des weiteren Wasserschadens ergäben sich aus den ihm vorgelegten Unterlagen nicht.
14
c) Der dargestellte Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht sich nach einer gegebenenfalls notwendigen Beweisaufnahme von der Berechtigung der Klageforderung in Höhe von weiteren 36.124,47 € nebst Zinsen überzeugt hätte.

III.

15
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im Übrigen unbegründet. Sie zeigt insoweit nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.
Pamp Halfmeier Jurgeleit
Graßnack Brenneisen
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.06.2015 - 5 O 307/01 -
OLG München, Entscheidung vom 24.07.2018 - 9 U 2824/15 Bau -

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Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Aug. 2019 - VI ZR 460/17

bei uns veröffentlicht am 27.08.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 460/17 vom 27. August 2019 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 544 Abs. 7 Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu,

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

12
1. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dieses Gebot verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2018 - VII ZR 170/17, Rn. 16; vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 Rn. 7 mwN). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juli 2014 - VI ZR 243/10, juris Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 21. März 2018 - VII ZR 170/17, Rn. 16; vom 7. Juni 2018 - I ZB 70/17, Rn. 6; vom 28. September 2017 - V ZR 29/17 Rn. 6, vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, Rn. 8).

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.