Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2018 - VII ZR 195/14
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. August 2018 durch die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit, die Richterinnen Graßnack und Sacher und den Richter Röhl
beschlossen:
Gegenstandswert: 30.265,34 €
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger nehmen die Beklagte nach einem Wasserschaden in ihrem Einfamilienhaus auf Schadensersatz in Höhe von 26.265,34 € nebst Zinsen in Anspruch und verlangen Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche künftige Schäden aus dem Schadensereignis.
- 2
- Die Beklagte baute - auf der Grundlage eines von dem Kläger oder beiden Klägern erteilten Auftrags - in das Einfamilienhaus der Kläger eine Fußbodenheizung ein, die im Obergeschoss mehrere, jeweils mit Schaugläsern ausgestattete Durchflussvolumenanzeiger enthält. Am 9. Januar 2010 stellte der Kläger den Bruch eines Schauglases und einen Wasseraustritt im Heizkreisverteiler im Obergeschoss fest. Am 15. Januar 2010 wurde das Schauglas ausgetauscht. Im Estrich und den Wänden fand sich Feuchtigkeit. Im Obergeschoss war der Estrich dunkel verfärbt und es waren Feuchtigkeitsränder an den unteren Wandbereichen mit Schimmelbefall feststellbar. Im Erdgeschoss wiesen die Türlaibungen zum Wohn- und Schlafzimmer Spuren von herablaufendem Wasser auf.
- 3
- Die Kläger machen geltend, der Wasserschaden sei durch eine Undichtigkeit der Fußbodenheizung verursacht worden. Die Beklagte habe es unterlassen , die erforderliche Druckprobe durchzuführen, in deren Rahmen die Schwachstellen des Heizungssystems aufgefallen wären.
- 4
- Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Kläger nach Hinweis durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Kläger, die ihren Klageanspruch weiter verfolgen wollen.
II.
- 5
- Die Nichtzulassungsbeschwerde führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör , Art. 103 Abs. 1 GG.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
- 7
- Das der Klage zugrunde liegende Schadensbild könne nach dem Gutachten des Sachverständigen F. vom 12. Oktober 2013 nicht durch den am 9. Januar 2010 festgestellten Wasseraustritt aus dem zerbrochenen Schauglas und am Übergang zwischen dem Kunststoffgewinde und dem Plexiglasröhrchen verursacht worden sein.
- 8
- Der Sachverständige F. habe ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der Bekundungen des Zeugen D. und der Angaben des Privatgutachters B. von einem bereits voll entwickelten mikrobiologischen Schaden mit intensivem Befall mit schadenstypischen Schimmelpilzen und Bakterien an Holzbauteilen und in der Trittschalldämmung auszugehen sei. Der Befall sei sicher älter als 10 Tage, wahrscheinlich mehrere Monate alt gewesen. Die Ausbreitung des Schimmelpilzbefalls weise auf einen Wasseraustritt von mehr als 100 Litern hin. Nach den Ausführungen des Sachverständigen R. könne aber bei dem Bruch des Schauglases nur von einer ausgetretenen Wassermenge von 20 bis 30 Litern ausgegangen werden. Zudem sei zwischen den Parteien unstreitig, dass noch in den Tagen vor dem 9. Januar 2010 Arbeiten in dem Bereich des betroffenen Heizkreisverteilers ausgeführt und dabei keine Schäden festgestellt worden seien. Das Schadensbild lasse sich daher nicht mit dem Bruch des Schauglases und einem Wasseraustritt am Übergang zwischen dem Kunststoffgewinde und dem Plexiglasröhrchen erklären.
- 9
- Soweit die Kläger sich unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen F. zuletzt auf eine bereits über einen längeren Zeitraum bestehende Tropfwasserleckage als Schadensursache stützten, habe auch dies keinen Erfolg. Angesichts des Umstands, dass die vom Sachverständigen R. genannte Wasseraustrittsmenge anlässlich des Schadensereignisses vom 9. Januar 2010 maximal 30 Liter betragen habe, das Schadensbild aber auf einen Wasseraustritt von mehr als 100 Litern hinweise, seien die Kläger gehalten gewesen, ergänzend vorzutragen. Die Kläger hätten jedoch erstmals in der Berufung versucht, für die verbleibende Diskrepanz von 70 Litern einen annähernd plausiblen Grund anzuführen. Danach sei in den Monaten vor der Entdeckung des Schadens mehrfach, d.h. ca. alle vier bis sechs Wochen von ihnen und Mitarbeitern der Beklagten Wasser in das Heizsystem nachgefüllt worden, um einen Druckabfall zu vermeiden. Dieser Vortrag stehe aber zu dem erstinstanzlichen Vorbringen der Kläger in Widerspruch und sei zudem nach Maßgabe des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Nichtgeltendmachung im ersten Rechtszug auf Nachlässigkeit beruhe. Unabhängig hiervon beschränke sich ein Nachfüllen von Wasser zum Ausgleich von Druckverlusten auf wenige 100 Milliliter und könne nicht zu der für die Schadensverursachung erforderlichen Wassermenge von wenigstens 70 Litern führen. Im Übrigen hätte eine Tropfwasserleckage an dem Durchflussmesser bei den durchgeführten Arbeiten vor dem 9. Januar 2010 von den Mitarbeitern der Beklagten zwangsläufig bemerkt werden müssen, was nicht der Fall gewesen sei.
- 10
- 2. Mit dieser Argumentation verletzt das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör.
- 11
- Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht einen Kausalzusammenhang zwischen der Undichtigkeit der von der Beklagten eingebauten Fußbodenheizung und dem Wasserschaden ausgeschlossen hat, ohne die seiner Würdigung widersprechenden Ausführungen des Sachverständigen F., die sich die Kläger zu eigen gemacht haben, in Erwägung gezogen zu haben. Sie macht ferner zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht bei der Würdigung des Kausalzusammenhangs das unter Beweis gestellte Vorbringen der Kläger zum mehrmaligen Nachfüllen von Wasser in die Fußbodenheizung offenkundig fehlerhaft gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen hat.
- 12
- a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2016 - VII ZR 314/13 Rn. 14, BauR 2017, 306; Beschluss vom 20. Mai 2014 - VII ZR 187/13 Rn. 6; BVerfG, NJW 2009, 1584, juris Rn. 14, jeweils m.w.N.).
- 13
- Da eine Partei sich regelmäßig ein für sie günstiges Beweisergebnis zu eigen macht, verletzt das Übergehen eines solchen Beweisergebnisses deren Anspruch auf rechtliches Gehör, sofern es entscheidungserheblich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2016 - VII ZR 314/13 Rn. 14, BauR 2017, 306; Beschluss vom 28. Januar 2016 - VII ZR 126/13 Rn. 11 und Beschluss vom 3. Dezember 2015 - VII ZR 77/15 Rn. 14, BauR 2016, 713, jeweils m.w.N.). Die Nichtberücksichtigung eines solchen für eine Partei günstigen Beweisergebnisses bedeutet, dass das Berufungsgericht erhebliches Vorbringen dieser Partei übergangen und damit deren verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - VII ZR 77/15 Rn. 14, BauR 2016, 713). Ein Gehörsverstoß liegt dabei auch dann vor, wenn sich das Gericht über die einer Partei günstigen sachverständigen Beurteilungen mit Erwägungen hinwegsetzt, die Fachwissen voraussetzen, ohne hierzu ein (weiteres) Sachverständigengutachten einzuholen oder eigene besondere Sachkunde auszuweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 - VI ZR 204/14 Rn. 5, NJW 2015, 1311 m.w.N.).
- 14
- Ferner ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Verletzung des Anspruchs einer Partei auf rechtliches Gehör zu bejahen, wenn das Gericht von ihr vorgebrachte Angriffs- oder Verteidigungsmittel in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2017 - VII ZR 36/15 Rn. 17, BauR 2017, 1567 = NZBau 2017, 476; Beschluss vom 16. Mai 2017 - VI ZR 89/16 Rn. 8, NJW-RR 2017, 1018 und Beschluss vom 1. Oktober 2014 - VII ZR 28/13 Rn. 10, BauR 2015, 158 = NZBau 2014, 779, jeweils m.w.N.).
- 15
- b) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen.
- 16
- aa) Nach dem Gutachten des Sachverständigen F. weisen das Schadensbild und die Ausbreitung der Schimmelpilz- und Feuchteschäden auf einen über mehrere Wochen oder Monate vor dem 9. Januar 2010 erfolgten Wasseraustritt von mehr als 100 Litern hin, wobei die Durchfeuchtungen um den zentral liegenden Verteilerkasten darauf schließen ließen, dass sich die Leckagestelle dort befunden habe. Der Sachverständige F. hat auf dieser Grundlage eine Tropfwasserleckage am Durchflusszähler als die wahrscheinlichste Schadensursache angesehen. Dabei hat der Sachverständige F. seinem Gutachten zugrunde gelegt, dass vor dem 9. Januar 2010 keine sichtbaren Durchfeuchtungen beschrieben und bei den vor diesem Zeitpunkt durchgeführten Arbeiten am Verteilerkasten keine Auffälligkeiten festgestellt worden seien. Diese Ausführungen haben sich die Kläger - in der Berufungsbegründung auch ausdrücklich - zu eigen gemacht.
- 17
- bb) Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Kläger, eine Tropfwasserleckage der Fußbodenheizung sei für den eingetretenen Wasserschaden ursächlich, zwar zur Kenntnis genommen, sich jedoch mit Erwägungen darüber hinweggesetzt, die eine Gehörsverletzung begründen. Zum einen hat es ge- meint, eine Tropfwasserleckage habe vor dem 9. Januar 2010 bemerkt werden müssen, zum anderen hat es den in der Berufung gehaltenen und unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag der Kläger zum Nachfüllen von Wasser aufgrund Druckabfalls der Fußbodenheizung, der allein einen Wasseraustritt von ca. 100 Litern erklären könne, nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
- 18
- (1) Das Berufungsgericht hat damit den Inhalt des klägerischen Vortrags nicht ausgeschöpft. Es hat nicht hinreichend erwogen, dass auch der Sachverständige F. zugrunde gelegt hat, Durchfeuchtungen und eine Tropfwasserleckage seien vor dem 9. Januar 2010 nicht bemerkt worden, jedoch gleichwohl zu der Schlussfolgerung gelangt ist, dass eine Tropfwasserleckage am Durchflusszähler die wahrscheinlichste Schadensursache sei. Damit und mit den für die Schlussfolgerung des Sachverständigen angeführten Gründen - das Auftreten der massiven Durchfeuchtungen mit Schimmelpilzbefall in dem Bereich um den Verteilerkasten - hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Es hat auch keine Erklärung gegeben, warum das Nichtbemerken von Durchfeuchtungen und Undichtigkeiten gegen das Vorhandensein einer Tropfwasserleckage sprechen soll, obwohl nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass auf erhebliche Wasseraustritte zurückzuführende starke Durchfeuchtungen bereits über einen längeren Zeitraum vorgelegen haben. Darüber hinaus hat es sich mit dieser Erwägung über die fachliche Beurteilung des Sachverständigen F. hinweggesetzt, ohne ihn noch einmal dazu anzuhören, sich anderweitig sachverständig beraten zu lassen oder besondere eigene Sachkunde auszuweisen.
- 19
- (2) Das Berufungsgericht hat ferner das in der Berufung unter Beweis gestellte Vorbringen der Kläger zum Nachfüllen von Wasser in den Heizkreislauf unter offenkundig fehlerhafter Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet.
- 20
- Die Kläger haben in der Berufungsinstanz vorgetragen, es sei bereits vor dem 9. Januar 2010 wegen Druckabfalls der Fußbodenheizung alle vier bis sechs Wochen durch Mitarbeiter der Beklagten, später auch durch die Kläger, Wasser nachgefüllt worden. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist dieser Vortrag wegen der Beweiskraft der tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils als neu anzusehen. Nach diesen Feststellungen haben die Kläger nicht behauptet, dass die Beklagten mehrfach Wasser nachgefüllt haben, und sind der Behauptung der Beklagten entgegengetreten, selbst Wasser nachgefüllt zu haben. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass sich das festgestellte Vorbringen auf den Zeitraum vor dem 9. Januar 2010 bezieht. Die Beweiskraft wird nicht gemäß § 314 Satz 2 ZPO durch das Sitzungsprotokoll entkräftet. Soweit sich die Beschwerde auf das Sitzungsprotokoll vom 13. Dezember 2012 stützen will, bleibt dies ohne Erfolg. Zum einen handelt es sich nicht um das Sitzungsprotokoll, aufgrund dessen das erstinstanzliche Urteil ergangen ist. Der widersprechende Inhalt eines früheren Sitzungsprotokolls vermag indessen die Beweiskraft der tatbestandlichen Feststellungen des Urteils grundsätzlich nicht zu entkräften (Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 314 Rn. 8 m.w.N.). Zum anderen ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 13. Dezember 2012 schon kein Widerspruch, da die Kläger danach nicht behauptet haben, auch vor dem 9. Januar 2010 Wasser nachgefüllt zu haben. Ein solcher Vortrag der Kläger ergibt sich schließlich auch nicht aus ihrem nach der letzten mündlichen Verhandlung im Rahmen des schriftlichen Verfahrens eingereichten Schriftsatz vom 2. April 2013.
- 21
- Allerdings liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung des klägerischen Vortrags gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO offensichtlich vor. Denn die Kläger mussten bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils nicht damit rechnen, dass aus fehlendem Vortrag zum Nachfüllen von Wasser in den Heizkreislauf vor dem Schadensereignis am 9. Januar 2010 - entgegen der Be- urteilung des Sachverständigen F. - der Schluss gezogen würde, eine Tropfwasserleckage sei nicht schadensursächlich. Einen entsprechenden Hinweis hatte das Landgericht nicht erteilt.
- 22
- Das Berufungsgericht kann eine Zurückweisung des Vorbringens auch nicht darauf stützen, dass die Kläger bezüglich des Nachfüllens von Wasser ihren Vortrag geändert hätten. Allein der Umstand, dass eine Partei ihren Vortrag ändert, rechtfertigt es nicht, von der Erhebung angebotener Beweise abzusehen. Darin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine Stütze findet. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrags kann regelmäßig nur im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. November 2016 - VII ZR 314/13 Rn. 22, BauR 2017, 306; Urteil vom 13. März 2012 - II ZR 50/09 Rn. 16, NJW-RR 2012, 728; Beschluss vom 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09 Rn. 6, VersR 2011, 1384; jeweils m.w.N.).
- 23
- Soweit das Berufungsgericht - hilfsweise - annimmt, ein Auffüllen von Wasser zum Ausgleich von Druckverlusten beschränke sich auf wenige 100 Milliliter, greift dies zum einen einer diesbezüglichen Beweisaufnahme vor und deckt sich zum anderen auch nicht mit der Einschätzung des Sachverständigen R. Der Sachverständige R. hat im Rahmen seiner Anhörung am 8. Dezember 2011 ausgeführt, dass zwar grundsätzlich bei einem Defekt am Durchflussvolumenanzeiger, der sich am höchsten Punkt des Heizungswasserkreislaufs im Haus befinde, höchstens 30 Liter Wasser austreten könnten, weil nach einer gewissen Zeit der Überdruck abgebaut sei und das in dem Heizkreislauf befindliche Wasser dann nicht mehr selbständig nach oben steige. Allerdings sei es möglich, dass bei einer geringen Austrittsstelle durch nachträgliches Wiederbefüllen der Heizungsanlage ein ausreichender Druck aufgebaut werde. Werde immer wieder Wasser aufgefüllt, könne es zu deutlich höheren Wasseraustritten kommen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen darauf schließen, dass es diese Angaben des Sachverständigen R. nicht erwogen hat.
- 24
- cc) Indem das Berufungsgericht sich - ohne erneute Anhörung des Sachverständigen F. oder eine anderweitige sachverständige Beratung - über die fachliche Beurteilung des Sachverständigen F. hinweggesetzt und sich mit den für die Beweiswürdigung erheblichen und für die Kläger günstigen Umständen nicht befasst hat, hat es den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Gleiches gilt für die Nichtberücksichtigung des unter Beweis gestellten Vorbringens der Kläger zum Nachfüllen von Wasser. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei umfassender Berücksichtigung des Vorbringens und nach weiterer Beweiserhebung zu einer für die Kläger günstigeren Entscheidung gelangt wäre.
III.
- 25
- Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht im Rahmen der von ihm erneut vorzunehmenden Beweiswürdigung auch zu erwägen haben wird, ob der Beweis des ersten Anscheins zugunsten der Kläger eingreift. Durch den Beweis des ersten Anscheins wird die dem Geschädigten grundsätzlich obliegende Beweisführung der Ursächlichkeit eines bestimmten Lebenssachverhalts für den eingetretenen Schaden erleichtert. Er greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist (vgl. z.B. BGH, Versäumnisurteil vom 10. April 2014 - VII ZR 254/13 Rn. 9, NZBau 2014, 496 und Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09 Rn. 8, NJW 2010, 1072, jeweils m.w.N.). Im Wege des Anscheinsbeweises kann auch von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlossen werden (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09 Rn. 8, NJW 2010, 1072, und Urteil vom 5. November 1996 - VI ZR 343/95, BauR 1997, 326, juris Rn. 7, jeweils m.w.N.). Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, was allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (vgl. z.B. BGH, Versäumnisurteil vom 10. April 2014 - VII ZR 254/13 Rn. 9, NZBau 2014, 496; Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09 Rn. 8, NJW 2010, 1072, und Urteil vom 5. November 1996 - VI ZR 343/95, NJW 1997, 528, juris Rn. 9, jeweils m.w.N.). Das Berufungsgericht wird daher zu klären haben, ob das Schadensbild , auf das auch der Sachverständige F. seine Schlussfolgerung gestützt hat, unter Berücksichtigung des räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit der Installation der Fußbodenheizung typischerweise auf einen Wasseraustritt infolge einer Undichtigkeit derselben zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang wird es weiter das klägerische Vorbringen zu berücksichtigen haben, dass die Mitarbeiter der Beklagten eine Druckprüfung, die die Dichtigkeit der Heizung sicherstellen soll, nicht oder jedenfalls in nur unzureichender Weise vorgenommen haben sollen. Schließlichwird im Rahmen der Bestimmung des typischen Lebenssachverhalts auch von Bedeutung sein, ob konkrete Anhaltspunkte für eine andere Ursache als die, die die Kläger vorgetragen haben, bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09 Rn. 13, NJW 2010, 1072, m.w.N.).
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 27.02.2014 - 2 O 306/10 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 01.08.2014 - 3 U 351/14 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2018 - VII ZR 195/14
Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2018 - VII ZR 195/14
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Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2018 - VII ZR 195/14 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Tenor
-
1. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 15. Februar 2016 im Kostenpunkt mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1 im Urteil des Landgerichts Kiel vom 27. Februar 2015 zurückgewiesen worden ist.
-
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
3. Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen den vorgenannten Beschluss des 4. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zurückgewiesen.
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4. Die Klägerin trägt die dem Beklagten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten (§ 97 Abs. 1 ZPO).
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5. Der Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird auf bis 65.000 € festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche nach einer im Haus der Beklagten zu 1 vom Beklagten zu 2 durchgeführten Schilddrüsenresektion geltend.
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Bei der 1966 geborenen Klägerin war im Jahr 1985 aufgrund eines papillären Schilddrüsenkarzinoms eine subtotale Schilddrüsenresektion durchgeführt worden. Im Februar 2011 wurden im Rahmen einer in der Klinik für Nuklearmedizin der Beklagten zu 1 durchgeführten Kontrolluntersuchung (Sonographie) in der Restschilddrüse drei auffällige Herdbefunde festgestellt. Zur Überprüfung einer möglichen Zellveränderung wurde eine Feinnadelpunktion vorgenommen. Die pathologische Untersuchung des entnommenen Gewebes ergab den Nachweis atypischer, bösartiger Zellen, wobei das Zellbild als vereinbar mit einem papillären Schilddrüsenkarzinom oder dessen follikulärer Variante beschrieben wurde. Die Klägerin stellte sich mit diesem Befund Anfang März 2011 bei dem Beklagten zu 2, Oberarzt in der Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie der Beklagten zu 1, vor, der ihr zu einer totalen Schilddrüsenentfernung riet und diesen Eingriff dann auch durchführte. Im Rahmen des operationsbegleitenden Neuromonitorings wurde auf der linken Seite des Nervus vagus ein Signalverlust festgestellt; eine Quetschmarke des Recurrensnervs konnte nicht ausgeschlossen werden. Postoperativ zeigten sich eine Stimmbandparese links und eine Minderbeweglichkeit des Stimmbandes rechts. Die pathologische Untersuchung des im Rahmen der Operation entfernten Präparats ergab keinen Nachweis eines Schilddrüsenkarzinoms; es fand sich lediglich ein 1,2 cm messendes mikrofollikuläres Adenom ohne Anhalt auf Malignität. Insbesondere mit der Behauptung, fehlerhaft behandelt worden zu sein, nimmt die Klägerin die Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch.
- 3
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Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines chirurgischen Sachverständigengutachtens im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe einen Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der im Jahr 2011 in der Klinik der Beklagten zu 1 erfolgten Behandlung an der Schilddrüse nicht bewiesen. Soweit sie erstmals im Schriftsatz vom 28. Januar 2015 einen Fehler der Pathologie der Beklagten zu 1 bei der Befundung des durch die Feinnadelpunktion gewonnenen Gewebes geltend mache, sei das Vorbringen gemäß § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Klägerin habe die Information, dass es sich bei den im Rahmen der Feinnadelpunktion festgestellten atypischen Zellen auch um Milchglaszellen handeln könne, bereits im März 2011 erhalten. Gleichwohl habe sie den ihr danach bekannt gewesenen Behandlungsfehlervorwurf weder mit ihrer Klage noch nach Erhalt des im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens innerhalb der vom Gericht zum Gutachten gesetzten Stellungnahmefrist erhoben.
- 4
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Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
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II.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist sie unbegründet.
- 6
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1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung insbesondere ausgeführt, Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts bestünden nicht. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Behandlung der Klägerin in der Klinik der Beklagten zu 1 fehlerhaft gewesen sei. Die Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 28. Januar 2015, beim Feinnadelpunktat seien Milchglaszellen mit malignen Krebszellen verwechselt worden, habe das Landgericht zu Recht gemäß § 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen, weshalb der Vortrag im Berufungsverfahren gemäß § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen sei.
- 7
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2. Die Klägerin rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass es ihre Behauptung, die Pathologie der Beklagten zu 1 habe bei der Untersuchung des Feinnadelpunktats Milchglaszellen fehlerhaft mit Krebszellen verwechselt, zurückgewiesen habe.
- 8
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a) Nach ständiger höchstrichterlicher und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung liegt ein Gehörsverstoß dann vor, wenn der Tatrichter Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2015 - VI ZR 305/15, NJW 2016, 3785 Rn. 11; vom 3. März 2015 - VI ZR 490/13, NJW-RR 2015, 1278 Rn. 7; BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1999 - 2 BvR 1292/96, NJW 2000, 945, 946). Das ist vorliegend der Fall. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung des dargestellten Sachvortrags der Klägerin nach § 531 Abs. 1 ZPO lagen offenkundig nicht vor.
- 9
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b) Nach § 531 Abs. 1 ZPO bleiben Angriffsmittel, die im ersten Rechtszug zurückgewiesen worden sind, im zweiten Rechtszug nur dann ausgeschlossen, wenn die Zurückweisung im ersten Rechtszug zu Recht erfolgt ist. Das ist bezüglich der dargestellten Behauptung der Klägerin nicht der Fall; sie hätte - wie die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend darlegt - schon im ersten Rechtszug nicht gemäß § 296 Abs. 1, § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO zurückgewiesen werden dürfen.
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c) Die Zurückweisung eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels nach § 296 Abs. 1 ZPO setzt - auch in Verbindung mit § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO - voraus, dass das betreffende Angriffs- oder Verteidigungsmittel erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist vorgebracht wurde. Im Streitfall war für die Zurückweisung der Behauptung, in der Pathologie der Beklagten zu 1 sei es zu einem Fehler gekommen, also Voraussetzung, dass auch sie von der bei Übersendung des Gutachtens vom Landgericht nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzten Frist erfasst wurde. Dies ist bereits nach dem Wortlaut des die Frist setzenden Beschlusses - und damit offenkundig - nicht der Fall.
- 11
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aa) Das Landgericht hatte zur Frage von Behandlungsfehlern ein schriftliches viszeralchirurgisches Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige führte im Gutachten unter anderem aus, auf der Grundlage der vorliegenden Befunde - sonografisch echoarmer Knoten, zytologisch atypische (bösartige) Zellen, vereinbar mit einem papillären Schilddrüsenkarzinom - und der Vorgeschichte habe vom Vorliegen eines papillären Schilddrüsenkarzinoms ausgegangen werden müssen, das die vorgenommene Schilddrüsenentfernung indiziert habe. Das Ergebnis der pathologischen Untersuchung des Feinnadelpunktats legte der chirurgische Sachverständige dabei erkennbar als richtig zugrunde; ihre Überprüfung war - dem Grundsatz der fachgleichen Begutachtung entsprechend (vgl. Senatsbeschluss vom 8. November 2016 - VI ZR 512/15, VersR 2017, 316 Rn. 12) - nicht Gegenstand des Gutachtens.
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bb) Mit der Klägerin am 13. August 2014 zugestelltem Beschluss vom 5. August 2014 setzte das Landgericht den Parteien unter Hinweis auf § 411 Abs. 4, § 296 Abs. 1, 4 ZPO eine Frist von sechs Wochen,
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"zu […] dem Gutachten des Sachverständigen […] Stellung zu nehmen, insbesondere eventuelle Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem Gutachten mitzuteilen".
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Bereits nach dem Wortlaut des Beschlusses bezog sich die gesetzte Frist damit allein auf eine Stellungnahme, Einwendungen, Anträge und Ergänzungsfragen zum Gutachten, das sich - wie dargelegt - allein mit der Frage nach einem etwaigen Behandlungsfehler in der Chirurgie der Beklagten zu 1 befasste. Mit ihrer Behauptung, in der Pathologie der Beklagten zu 1 sei es zu einem Behandlungsfehler gekommen, hat sich die Klägerin aber gerade nicht mit der sachverständigen Bewertung ihrer Behandlung in der chirurgischen Abteilung der Beklagten zu 1 auseinandergesetzt, sondern einen anderen, von der chirurgischen Behandlung und ihrer Bewertung unabhängigen Behandlungsfehler in der Pathologie geltend gemacht. Ihr entsprechender Vortrag war damit von der vom Landgericht gesetzten Frist nicht erfasst.
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3. Der in der Zurückweisung des dargelegten Sachvortrags der Klägerin liegende Gehörsverstoß ist in Bezug auf eine Haftung der Beklagten zu 1 entscheidungserheblich. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des dargestellten Vortrags und nach ergänzender Einholung eines pathologischen Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die Behauptung der Klägerin zutrifft und dass in der behaupteten Verwechslung von Milchglas- und Krebszellen in der Pathologie der Beklagten zu 1 nicht nur ein für die Haftung der Beklagten zu 1 unbeachtlicher Diagnoseirrtum, sondern ein haftungsbegründender Behandlungsfehler (zur Abgrenzung von bloßem Diagnoseirrtum und Behandlungsfehler vgl. nur Senatsurteil vom 8. Juli 2003 - VI ZR 304/02, NJW 2003, 2827 f., mwN) liegt.
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4. Zurückzuweisen war die Nichtzulassungsbeschwerde hingegen, soweit sie sich auch gegen den Beklagten zu 2 richtet.
- 16
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Dass der Beklagte zu 2 als in der Klinik für Allgemeine Chirurgie und Thoraxchirurgie der Beklagten zu 1 tätiger Oberarzt für den von der Klägerin behaupteten Fehler in der Pathologie verantwortlich sein könnte, zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde schon nicht auf. Der dargestellte Gehörsverstoß ist damit insoweit nicht entscheidungserheblich. Auch im Übrigen legt die Nichtzulassungsbeschwerde in Bezug auf den Beklagten zu 2 nicht dar, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.
-
Galke
Offenloch
Oehler
Roloff
Klein
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 29. August 2013 aufgehoben.
-
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Der klagende Versicherer nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus einem Werkvertrag zwischen diesem und seinem Versicherungsnehmer auf Grund eines Wasserschadens aus übergegangenem Recht in Anspruch.
- 2
-
Der Beklagte baute im Wohnzimmer des Anwesens des Versicherungsnehmers am 15. Oktober 2008 eine Unterkonstruktion für einen Parkettfußboden und Trockenestrichelemente ein und verließ anschließend die Baustelle. Am 17. Oktober 2008 verlegte er das Parkett. Vier Tage später stellte der Versicherungsnehmer aufsteigende Feuchtigkeit an den Wänden des Wohnzimmers fest. Ursächlich hierfür war ein in den Trockenestrich geschlagener Stahlnagel, der ein direkt unter dem Trockenestrich verlaufendes, wasserführendes Heizungsrohr beschädigt hatte. Die Klägerin regulierte den Schaden in Höhe der Klageforderung.
- 3
-
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
- 4
-
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
-
I.
- 5
-
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Zwar fehlt es angesichts der auf die Umstände des Einzelfalles abstellenden Entscheidung des Berufungsgerichts an einem Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO; ein solcher wird vom Berufungsgericht auch nicht begründet. Der Senat ist an die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht aber gebunden, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
-
II.
- 6
-
1. Das Berufungsgericht sieht den Vollbeweis einer schadensursächlichen Pflichtverletzung des Beklagten als durch die Klägerin nicht erbracht an. Das nimmt die Revision hin und ist aus revisionsrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden.
- 7
-
Das Berufungsgericht ist weiter der Meinung, dass für die Klägerin kein Beweis des ersten Anscheins streite. Dies setze voraus, dass der Gläubiger bei der Abwicklung des Vertrages geschädigt worden sei (Bezug auf BGH, Urteile vom 18. Dezember 1952 - VI ZR 54/52, BGHZ 8, 239, 241; vom 29. Oktober 1959 - VII ZR 176/58, VersR 1960, 344, 345; vom 17. Februar 1964 - II ZR 98/62, BGHZ 41, 151, 153; vom 18. Juni 1985 - X ZR 71/84, BauR 1985, 704, 705). Die bisher entschiedenen Sachverhalte seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da in jenen Fällen der Schaden jeweils in Ausführung der vertraglichen Tätigkeit entstanden sei. Hier stehe jedoch gerade nicht fest, dass der Nagel eingeschlagen wurde, während die Mitarbeiter des Beklagten Trockenestrichelemente verlegten. Denn die Mitarbeiter des Beklagten, die am Objekt vom 14. bis zum 20. Oktober 2008 gearbeitet hätten, seien in der Zeit vom Nachmittag des 15. Oktober 2008 bis zum 17. Oktober 2008 nicht vor Ort gewesen. In dieser Zeit seien die Arbeitsräume aber für im Haus befindliche Personen frei zugänglich gewesen. Aufgrund dieser zeitlichen Zäsur sei der unmittelbare Zusammenhang zwischen werkvertraglicher Ausführungstätigkeit und Entstehung des Schadens nicht mehr gegeben. Es sei nicht auszuschließen, dass in dieser Zwischenzeit von einer anderen Person der Nagel in die Trockenestrichplatte geschlagen worden sei.
- 8
-
2. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Grundsätze des Anscheinsbeweises verkannt.
- 9
-
a) Nach ständiger Rechtsprechung greift der Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH, Urteile vom 29. Januar 1974 - VI ZR 53/71, VersR 1974, 750; vom 9. November 1977 - IV ZR 160/76, VersR 1978, 74, 75; vom 28. Februar 1980 - VII ZR 104/79, VersR 1980, 532; vom 18. Oktober 1983 - VI ZR 55/82, VersR 1984, 63, 64; vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, VersR 2010, 392 Rn. 8; vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 409/12, MDR 2014, 155 Rn. 14, jeweils m.w.N.). Dieser Schluss setzt eine Typizität des Geschehensablaufs voraus, was in diesem Zusammenhang allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles sehr groß ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, aaO, m.w.N.).
- 10
-
b) Das Berufungsgericht hat nicht erwogen, ob es eine solche Typizität des Geschehensablaufes im vorliegenden Fall gibt. Es hat nicht überprüft, ob Estrich- und Parkettleger abgebrochene oder lose Teile einer Trockenestrichplatte üblicherweise mit Nägeln oder in vergleichbarer Art im Boden fixieren, bevor sie auf ihnen das Parkett verlegen. In diesem Fall würde ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der Nagel von den Mitarbeitern des Beklagten eingeschlagen wurde.
- 11
-
Das Berufungsgericht war von dieser Prüfung nicht durch die von ihm zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht enthoben. Der Bundesgerichtshof hat in diesen oder anderen Entscheidungen die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht in dem Sinne beschränkt, dass der Gläubiger "bei Abwicklung des Vertrages geschädigt" worden sein müsse und diese Voraussetzung sodann in den Fällen verneint werden müsse, in denen der Schaden nicht "in Ausführung der Tätigkeit" entstanden sei, was bedeute, dass der Anscheinsbeweis immer dann ausscheide, wenn nicht feststehe, dass sich das schädigende Ereignis während der werkvertraglichen Arbeiten ereignet habe und eine zeitliche Zäsur zwischen den Ausführungsarbeiten und dem Schadenseintritt liege. Während sich die Entscheidungen vom 29. Oktober 1959 (VII ZR 176/58, aaO), vom 17. Februar 1964 (II ZR 98/62, aaO) und vom 18. Juni 1985 (X ZR 71/84, aaO) überhaupt nicht mit dem Beweis ersten Anscheins beschäftigen, ging es bei der Entscheidung vom 18. Dezember 1952 (VI ZR 54/52, aaO) um die Anwendung des Anscheinsbeweises bei einem Verkehrsunfall mit der Haftung aus unerlaubter Handlung und einem Beförderungsvertrag. Auch in dieser Entscheidung findet sich die vom Berufungsgericht formulierte Einschränkung des Anscheinsbeweises nicht. Im Gegenteil ist der Zweck der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises gerade die Überwindung der Beweisschwierigkeiten im Ursachenzusammenhang, wenn sich nicht völlig ausschließen lässt, dass auch andere als die vom Gläubiger genannten, nach typischem Geschehensablauf wahrscheinlichen Ursachen für die Schadensverursachung in Betracht kommen. Seine Anwendung ist durch zeitliche Zäsuren von mehreren Tagen oder sogar Wochen nicht gehindert (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1957 - VI ZR 139/56, MDR 1958, 326).
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Kniffka Eick Halfmeier
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Jurgeleit Graßnack
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 29. August 2013 aufgehoben.
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Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der klagende Versicherer nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus einem Werkvertrag zwischen diesem und seinem Versicherungsnehmer auf Grund eines Wasserschadens aus übergegangenem Recht in Anspruch.
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Der Beklagte baute im Wohnzimmer des Anwesens des Versicherungsnehmers am 15. Oktober 2008 eine Unterkonstruktion für einen Parkettfußboden und Trockenestrichelemente ein und verließ anschließend die Baustelle. Am 17. Oktober 2008 verlegte er das Parkett. Vier Tage später stellte der Versicherungsnehmer aufsteigende Feuchtigkeit an den Wänden des Wohnzimmers fest. Ursächlich hierfür war ein in den Trockenestrich geschlagener Stahlnagel, der ein direkt unter dem Trockenestrich verlaufendes, wasserführendes Heizungsrohr beschädigt hatte. Die Klägerin regulierte den Schaden in Höhe der Klageforderung.
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Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I.
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Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Zwar fehlt es angesichts der auf die Umstände des Einzelfalles abstellenden Entscheidung des Berufungsgerichts an einem Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO; ein solcher wird vom Berufungsgericht auch nicht begründet. Der Senat ist an die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht aber gebunden, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
-
II.
- 6
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1. Das Berufungsgericht sieht den Vollbeweis einer schadensursächlichen Pflichtverletzung des Beklagten als durch die Klägerin nicht erbracht an. Das nimmt die Revision hin und ist aus revisionsrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden.
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Das Berufungsgericht ist weiter der Meinung, dass für die Klägerin kein Beweis des ersten Anscheins streite. Dies setze voraus, dass der Gläubiger bei der Abwicklung des Vertrages geschädigt worden sei (Bezug auf BGH, Urteile vom 18. Dezember 1952 - VI ZR 54/52, BGHZ 8, 239, 241; vom 29. Oktober 1959 - VII ZR 176/58, VersR 1960, 344, 345; vom 17. Februar 1964 - II ZR 98/62, BGHZ 41, 151, 153; vom 18. Juni 1985 - X ZR 71/84, BauR 1985, 704, 705). Die bisher entschiedenen Sachverhalte seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da in jenen Fällen der Schaden jeweils in Ausführung der vertraglichen Tätigkeit entstanden sei. Hier stehe jedoch gerade nicht fest, dass der Nagel eingeschlagen wurde, während die Mitarbeiter des Beklagten Trockenestrichelemente verlegten. Denn die Mitarbeiter des Beklagten, die am Objekt vom 14. bis zum 20. Oktober 2008 gearbeitet hätten, seien in der Zeit vom Nachmittag des 15. Oktober 2008 bis zum 17. Oktober 2008 nicht vor Ort gewesen. In dieser Zeit seien die Arbeitsräume aber für im Haus befindliche Personen frei zugänglich gewesen. Aufgrund dieser zeitlichen Zäsur sei der unmittelbare Zusammenhang zwischen werkvertraglicher Ausführungstätigkeit und Entstehung des Schadens nicht mehr gegeben. Es sei nicht auszuschließen, dass in dieser Zwischenzeit von einer anderen Person der Nagel in die Trockenestrichplatte geschlagen worden sei.
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2. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Grundsätze des Anscheinsbeweises verkannt.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung greift der Beweis des ersten Anscheins bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH, Urteile vom 29. Januar 1974 - VI ZR 53/71, VersR 1974, 750; vom 9. November 1977 - IV ZR 160/76, VersR 1978, 74, 75; vom 28. Februar 1980 - VII ZR 104/79, VersR 1980, 532; vom 18. Oktober 1983 - VI ZR 55/82, VersR 1984, 63, 64; vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, VersR 2010, 392 Rn. 8; vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 409/12, MDR 2014, 155 Rn. 14, jeweils m.w.N.). Dieser Schluss setzt eine Typizität des Geschehensablaufs voraus, was in diesem Zusammenhang allerdings nur bedeutet, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles sehr groß ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, aaO, m.w.N.).
- 10
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b) Das Berufungsgericht hat nicht erwogen, ob es eine solche Typizität des Geschehensablaufes im vorliegenden Fall gibt. Es hat nicht überprüft, ob Estrich- und Parkettleger abgebrochene oder lose Teile einer Trockenestrichplatte üblicherweise mit Nägeln oder in vergleichbarer Art im Boden fixieren, bevor sie auf ihnen das Parkett verlegen. In diesem Fall würde ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der Nagel von den Mitarbeitern des Beklagten eingeschlagen wurde.
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Das Berufungsgericht war von dieser Prüfung nicht durch die von ihm zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht enthoben. Der Bundesgerichtshof hat in diesen oder anderen Entscheidungen die Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises im Werkvertragsrecht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht in dem Sinne beschränkt, dass der Gläubiger "bei Abwicklung des Vertrages geschädigt" worden sein müsse und diese Voraussetzung sodann in den Fällen verneint werden müsse, in denen der Schaden nicht "in Ausführung der Tätigkeit" entstanden sei, was bedeute, dass der Anscheinsbeweis immer dann ausscheide, wenn nicht feststehe, dass sich das schädigende Ereignis während der werkvertraglichen Arbeiten ereignet habe und eine zeitliche Zäsur zwischen den Ausführungsarbeiten und dem Schadenseintritt liege. Während sich die Entscheidungen vom 29. Oktober 1959 (VII ZR 176/58, aaO), vom 17. Februar 1964 (II ZR 98/62, aaO) und vom 18. Juni 1985 (X ZR 71/84, aaO) überhaupt nicht mit dem Beweis ersten Anscheins beschäftigen, ging es bei der Entscheidung vom 18. Dezember 1952 (VI ZR 54/52, aaO) um die Anwendung des Anscheinsbeweises bei einem Verkehrsunfall mit der Haftung aus unerlaubter Handlung und einem Beförderungsvertrag. Auch in dieser Entscheidung findet sich die vom Berufungsgericht formulierte Einschränkung des Anscheinsbeweises nicht. Im Gegenteil ist der Zweck der Rechtsfigur des Anscheinsbeweises gerade die Überwindung der Beweisschwierigkeiten im Ursachenzusammenhang, wenn sich nicht völlig ausschließen lässt, dass auch andere als die vom Gläubiger genannten, nach typischem Geschehensablauf wahrscheinlichen Ursachen für die Schadensverursachung in Betracht kommen. Seine Anwendung ist durch zeitliche Zäsuren von mehreren Tagen oder sogar Wochen nicht gehindert (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1957 - VI ZR 139/56, MDR 1958, 326).
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Kniffka Eick Halfmeier
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Jurgeleit Graßnack