Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2007 - VIII ZB 75/06

bei uns veröffentlicht am16.01.2007
vorgehend
Amtsgericht München, 413 C 3340/05, 19.01.2006
Landgericht München I, 14 S 3895/06, 16.06.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 75/06
vom
16. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 A, 522 Abs. 1
Über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung einer Frist zur Begründung
eines Rechtsmittels ist erst und nur dann zu entscheiden, wenn nicht festgestellt
werden kann, dass die Frist gewahrt ist.
BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - VIII ZB 75/06 - LG München I
AG München
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Januar 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger,
den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts München I, 14. Zivilkammer, vom 16. Juni 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.047,96 €

Gründe:

I.

1
Das Urteil des Amtsgerichts, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, einer Mieterhöhung zuzustimmen, ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 31. Januar 2006 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 27. Februar 2006 Berufung eingelegt. Auf den Antrag ihres Prozessbevollmächtigten vom 31. März 2006 hat das Berufungsgericht die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 2. Mai 2006 verlängert. http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE067803301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 3 -
2
Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2006, der bei dem Berufungsgericht am 8. Juni 2006 eingegangen ist, hat die Beklagte gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Berufungsbegründung - die dem Schriftsatz vom 7. Juni 2006 nochmals angeheftet war - von ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Mai 2006 in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden geworfen worden sei. Zur Glaubhaftmachung hat sie eine anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vorgelegt, in der dieser an Eides statt versichert , am 2. Mai 2006 die Berufungsbegründungsschrift angefertigt und dann persönlich gegen 18.00 Uhr in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen zu haben.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung der Beklagten durch Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Die Beklagte hat vorgetragen , die Berufungsbegründung sei von ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Mai 2006 - und damit noch rechtzeitig am Tag des Fristablaufs - in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden geworfen worden. Nach ihrem Vorbringen hat das Berufungsgericht den fristgerecht eingegangenen Schriftsatz nicht berücksichtigt und sie damit in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Zur Beseitigung dieser Ge- http://www.juris.de/jportal/portal/t/4m5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE061502301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - hörsverletzung erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (vgl. Senatsbeschluss vom 19. September 2006 - VIII ZB 42/05, juris, unter II 1).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
7
a) Das Berufungsgericht durfte die Berufung der Beklagten nicht ohne weitere Sachaufklärung mit der Begründung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verwerfen, eine Berufungsbegründung sei erst am 8. Juni 2006 - und damit verspätet - eingereicht worden. Das Berufungsgericht hätte von Amts wegen klären müssen, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift bereits am 2. Mai 2006 - und somit fristgerecht - in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen.
8
Das Berufungsgericht hat nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels gilt, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Begründung des Rechtsmittels geht, der so genannte Freibeweis (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99, NJW 2000, 814, unter II 2 m.w.Nachw.). Danach ist das Gericht weder von einem Beweisantritt der Parteien abhängig noch auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991 - VIII ZB 44/90, VersR 1991, 896, unter II 2 b m.w.Nachw.). Im Rahmen des Freibeweises können deshalb auch eidesstattliche Versicherungen berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02, NJW 2003, 2460, unter II 2; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO, jeweils m.w.Nachw.).
9
Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob die von der Beklagten vorgelegte anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten, in der dieser an Eides statt versichert, am 2. Mai 2006 die Berufungsbegründungsschrift angefertigt und dann persönlich gegen 18.00 Uhr in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen zu haben, hinreichenden Beweis für die entsprechende Behauptung der Beklagten erbringt.
10
Eine eidesstattliche Versicherung reicht allerdings für sich genommen regelmäßig nicht zum Nachweis der Fristwahrung aus (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO, m.w.Nachw.). Denn die eidesstattliche Versicherung ist lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt, für die schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des behaupteten Geschehensablaufs genügt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, unter II 2 a m.w.Nachw.). Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung muss indessen - wie auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels - zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden; an die Überzeugungsbildung werden insoweit keine geringeren oder höheren Anforderungen gestellt als sonst (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2000 - XII ZB 110/00, NJW-RR 2001, 280; Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, m.w.Nachw.).
11
Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die vorgelegte eidesstattliche Versicherung keinen vollen Beweis für die fristgerechte Einreichung der Berufungsbegründung erbringt, hätte es die Parteien hierauf hinweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, unter II 2 c m.w.Nachw.) und ihnen Gelegenheit geben müssen, Zeugenbeweis anzutreten oder auf andere Beweismittel zurückzugreifen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO). Sodann hätte es - auf Antrag der Beklagten oder von Amts wegen - über die behaupte- ten Umstände Beweis erheben müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO). Dabei wäre nach Lage der Dinge vor allem eine Vernehmung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Betracht zu ziehen gewesen.
12
b) Den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten durfte das Berufungsgericht gleichfalls nicht verwerfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Verfahrensstand vor Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist bei verständiger Würdigung nur für den Fall der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Über den Wiedereinsetzungsantrag ist daher erst und nur dann zu entscheiden , wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte die Frist zur Begründung der Berufung gewahrt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da noch ungeklärt ist, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung noch am 2. Mai 2006 in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen hat.
13
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann nach alledem keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
14
Bei der Prüfung, ob die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist gewahrt hat, wird das Berufungsgericht auch das Vorbringen der Rechtsbeschwerde zu würdigen haben, die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts habe die dem Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten vom 7. Juni 2006 angeheftete Berufungsbegründung vom 2. Mai 2006, die als Original bei den Akten hätte verbleiben müssen, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt; dies sei als Indiz zu werten, dass die Geschäftsstelle auch die am 2. Mai 2006 in den Nachtbriefkasten eingeworfene Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß zu den Akten genommen habe.
15
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, die Berufungsbegründungsfrist sei versäumt, wird es hinsichtlich des hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrags zu berücksichtigen haben, dass die Wiedereinsetzungsfrist nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - zwei Wochen, sondern einen Monat beträgt, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese Frist war bei Eingang des Wiedereinsetzungsantrags beim Berufungsgericht am 8. Juni 2006 nicht abgelaufen, gleich ob für den Fristbeginn (§ 234 Abs. 2 ZPO) auf den Tag abgestellt wird, an dem das Sekretariat des Beklagtenvertreters (16. Mai 2006) oder an dem der Beklagtenvertreter selbst (23. Mai 2006) Kenntnis von der Fristversäumung erlangte. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Koch Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 19.01.2006 - 413 C 3340/05 -
LG München I, Entscheidung vom 16.06.2006 - 14 S 3895/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2007 - VIII ZB 75/06

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2007 - VIII ZB 75/06

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2007 - VIII ZB 75/06 zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 77/02
vom
27. Mai 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Eines Wiedereinsetzungsantrags bedarf es nur dann, wenn eine der in § 233 ZPO
genannten Fristen versäumt wurde. Dies muß das Berufungsgericht klären, bevor es
über eine hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entscheidet.
BGH, Beschluß vom 27. Mai 2003 - VI ZB 77/02 - LG Erfurt
AG Gotha
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Mai 2003 durch die Vor-
sitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und
Stöhr

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 9. September 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.088,21

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die vom Kläger erhobene Klage durch Urteil vom 22. Mai 2002 abgewiesen. Die Zustellung dieses Urteils an den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers erfolgte mittels Empfangsbekenntnis gemäß § 212a ZPO a.F.. Das zu den Akten zurückgelangte, von dem Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Empfangsbekenntnis trägt das aufgestempelte Datum vom 1. Juni 2002; dabei handelte es sich um einen Samstag. Die Berufung des Klägers ist am 2. Juli 2002 beim Landgericht eingegangen und mit einem am 8. Juli 2002 eingegangenen Schriftsatz begründet worden.
Auf den Hinweis des Landgerichts, die Berufungseinlegung dürfte verfristet sein, hat der Kläger vorgetragen, die Berufung sei nicht verfristet und hilfsweise beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das amtsgerichtliche Urteil sei - wie auch in der Berufungsschrift angegeben - am 3. Juni 2002 zugestellt worden. Am Freitag, den 31. Mai 2002 habe eine Angestellte den Poststempel versehentlich auf den 1. Juni 2002 statt auf Montag, den 3. Juni 2002 umgestellt. Der das Empfangsbekenntnis unterzeichnende Rechtsanwalt habe das Versehen am Montag, den 3. Juni 2002, bei Vorlage der Akten mit der eingegangenen Tagespost nicht bemerkt. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Das angefochtene Urteil sei dem Klägervertreter ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 1. Juni 2002 zugestellt worden. Wenn sich der Kläger nunmehr darauf berufe, dieses Datum sei versehentlich aufgestempelt worden, während die Zustellung tatsächlich erst am 3. Juni 2002 erfolgt sei, so vermöge dies den Wiedereinsetzungsantrag nicht hinreichend zu begründen. Die Fristversäumung sei gerade nicht ohne Verschulden im Sinne des § 233 ZPO erfolgt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f.; NJW-RR 2002, 1004).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht durfte nicht offenlassen, ob das Berufungsurteil dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers wie im Empfangsbekenntnis ausgewiesen bereits am 1. Juni 2002 oder - wie vom Kläger vorgetragen – tatsächlich erst am 3. Juni 2002 zugestellt worden ist. Eines Wiedereinsetzungsantrags bedarf es nur dann, wenn eine der in § 233 ZPO genannten Fristen versäumt wurde, hier also die Berufung verspätet eingelegt worden ist. Nur dann wäre über den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Wiedereinsetzung zu entscheiden. Der ergangene Beschluß ist demgemäß schon deswegen aufzuheben, weil das Berufungsgericht insoweit keine Beweiswürdigung vorgenommen und keine Feststellungen getroffen hat. Die Auffassung des Berufungsgerichts, aus dem Versäumnis des Klägervertreters , das von seiner Angestellten versehentlich aufgestempelte Datum zu überprüfen, sei zu folgern, daß er das zugestellte Urteil mit dem Willen entgegengenommen habe, es als unter dem 1. Juni 2002 zugestellt gegen sich gelten zu lassen, ist bereits im Ansatz verfehlt. Die nach § 212a ZPO a.F. vorzunehmende Zustellung kann erst dann als bewirkt angesehen werden, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen und dies auch durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet. Zustellungsdatum ist also der Tag, an dem der Rechtsanwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (vgl. Senatsurteil vom 6. November 1984 - VI ZR 2/83 - VersR 1985, 142, 143; BGH, Beschluß vom 15. Juli 1998 - XII ZB 37/98 - NJWRR 1998, 1442, 1443 und Urteil vom 28. September 1994 - XII ZR 250/93 - FamRZ 1995, 799). Hierzu hat der Kläger unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen dargelegt, daß die Zustellung tatsächlich erst am 3. Juni 2002 erfolgt sei.
Zwar erbringt das Empfangsbekenntnis grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. April 2001 - VI ZR 258/00 - VersR 2001, 1262, 1263 und vom 18. Juni 2002 - VI ZR 448/01 - VersR 2002, 1171; BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 1996 - VII ZB 12/96 - NJW 1996, 2514, 2515 und vom 15. Juli 1998 - XII ZB 37/98 - aaO). Der Beweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist jedoch zulässig. An ihn sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Er verlangt, daß die Beweiswirkung des § 212a ZPO a.F. vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können; hingegen ist der Beweis des Gegenteils nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (vgl. z.B. Senatsurteile vom 24. April 2001 - VI ZR 258/00 - aaO und vom 18. Juni 2002 - VI ZR 448/01 - VersR 2002, 1171 f.). Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Zustellungsdatums genügen nicht (BVerfG NJW 2001, 1563, 1564). Bei dieser Sachlage hatte das Berufungsgericht zu würdigen, ob der Kläger den Beweis für die Unrichtigkeit des im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungsdatums geführt hat mit der Folge, daß in diesem Fall die Berufungsfrist nicht versäumt worden wäre. Diese Prüfung wird das Berufungsgericht nachzuholen und dabei folgendes zu beachten haben: Eidesstattliche Versicherungen können als Beweismittel berücksichtigt werden, da für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels - auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Einlegung und in diesem Rahmen um die Entkräftung des aus einem Empfangsbekenntnis ersichtlichen Zustellungsdatums geht - der sogenannte Freibeweis gilt. Ihr Beweiswert, der le-
diglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, wird aber zum Nachweis der Frist- wahrung regelmäßig nicht ausreichen. Insoweit muß dann auf die Vernehmung der Beweispersonen - etwa des Rechtsanwalts oder seines Personals - als Zeugen oder auf andere Beweismittel zurückgegriffen werden (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Dezember 1999 - VI ZB 30/99 - VersR 2000, 1129).
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 110/00
vom
5. Juli 2000
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Juli 2000 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Hahne, Sprick, WeberMonecke
und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluß des Thüringer Oberlandesgerichts vom 10. April 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 9.273 DM

Gründe:

Gegen das Urteil des Landgerichts haben die Kläger am 28. Januar 2000 Berufung eingelegt. Die Frist für die Berufungsbegründung wurde bis zum 28. März 2000 verlängert. Die Berufungsbegründungsschrift trägt das Datum des 28. März 2000 und den Posteingangsstempel des Oberlandesgerichts vom 29. März 2000. Das Oberlandesgericht hat den Parteien unter Hinweis auf das Posteingangsdatum Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und sodann die Berufung als unzulässig verworfen.
Die Kläger haben um Überprüfung des Eingangs der Berufungsbegründungsschrift gebeten und geltend gemacht, ihr Prozeßbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am 28. März 2000 unterzeichnet; seine langjährige Mitarbeiterin habe - was diese an Eides Statt versichert - die Schrift noch am selben Tag zwischen 17.30 Uhr und 17.45 Uhr in den Briefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen. Der Mitarbeiterin sei allerdings nicht mehr erinnerlich, ob sie die Schrift in den Nachtbriefkasten oder in den normalen Briefkasten des Oberlandesgericht eingeworfen habe. Das Oberlandesgericht hat den Parteien mit Schreiben vom 5. Mai 2000 mitgeteilt, daß "nach eingehender Recherche des Vorfalls" nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Begründung rechtzeitig eingegangen und der die Berufung verwerfende Beschluß aufgrund der Briefkastenverwechslung von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen sei. Eine Abänderung dieses Beschlusses liege aber nicht mehr in der Kompetenz des Oberlandesgerichts und sei nur im Wege der sofortigen Beschwerde zu erwirken. Der die Berufung verwerfende Beschluß des Oberlandesgerichts wurde den Klägern daraufhin am 11. Mai 2000 zugestellt. Gegen ihn haben die Kläger am 24. Mai 2000 sofortige Beschwerde eingelegt. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Sache ist zur weiteren Aufklärung der Rechtzeitigkeit der Berufung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Die Kläger haben vorgetragen, daß die Mitarbeiterin des Prozeßbevollmächtigten der Kläger die Berufungsbegründungsschrift am 28. März 2000 gegen 18 Uhr in den Briefkasten - möglicherweise allerdings in den Tagesbriefkasten - des Oberlandesgerichts eingeworfen hat. Dieser Briefkasten ist, wie
das Oberlandesgericht festgestellt hat, erst am Folgetag geleert worden; nach ständiger Übung wird die inliegende Post dabei - anders als die in den Nachtbriefkasten eingeworfene Post - (nur) mit dem Eingangsstempel des Folgetags versehen. Ausgehend vom Vortrag der Kläger hat der Einwurf der Berufungsbegründungsschrift in den Tagesbriefkasten die Berufungsbegründungsfrist gewahrt : Mit dem Einwurf in den normalen Briefkasten ist die Berufungsbegründungsschrift in die Verfügungsgewalt des Oberlandesgerichts gelangt; mehr verlangt die Fristwahrung nicht. Der Umstand, daß das Oberlandesgericht zusätzlich über einen besonderen Nachtbriefkasten verfügt und möglicherweise mit einer Leerung des Tagesbriefkastens noch am 28. März 2000 nicht mehr gerechnet werden konnte, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluß vom 7. Mai 1991 - 2 BvR 215/90 - NJW 1991, 2076; Senatsurteil vom 25. Januar 1984 - IVb ZR 43/82 - NJW 1984, 1237; BGH Beschluß vom 12. Februar 1981 - VII ZB 27/80 - NJW 1981, 1216, 1217). Die Kläger sind mit ihrem Vorbringen nicht durch § 418 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Zwar erbringt der Eingangsstempel auf der Berufungsbegründungsschrift nach dieser Vorschrift Beweis dafür, daß die Begründungsschrift erst am 29. März 2000 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Jedoch ist nach § 418 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig. Dabei genügt allerdings Glaubhaftmachung nicht; erst recht reicht nicht, wie dem Schreiben des Oberlandesgerichts vom 5. Mai 2000 entnommen werden könnte, die bloße Möglichkeit aus, daß die Begründungsschrift rechtzeitig eingegangen ist. Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung muß vielmehr zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden. Für die Beweiserhebung gilt
der sog. Freibeweis (Senatsurteil vom 31. Mai 1995 - XII ZR 206/94 - VersR 1995, 1467; Senatsbeschluß vom 7. Oktober 1992 - XII ZB 100/92 - BGHR ZPO § 519 Abs. 2 S. 2 "Fristablauf 1"; BGH Beschluß vom 4. Juni 1992 - IX ZB 10/92 - BGHR ZPO § 519b Abs. 1 "Freibeweis 1"). Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht Gelegenheit, diesem Vorbringen der Kläger nachzugehen. Dabei wird das Oberlandesgericht zu prüfen haben, ob es bereits aufgrund der vorliegenden Erklärungen und Erkenntnisse die erforderliche Überzeugung von der Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung gewinnen kann oder ob es einer Beweiserhebung bedarf (vgl. Thomas/Putzo/Reicholt, ZPO 22. Aufl., Rdn. 13 vor § 511 m.w.N.).
Blumenröhr Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.