Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2011 - VIII ZR 125/11
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Beklagte ist Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung der Klägerin in Berlin. Die Nettomiete beläuft sich auf 496,11 € im Monat. Zusätzlich monatlicher Vorauszahlungen in Höhe von 131 € auf die Heizkosten und in Höhe von 176 € auf die Betriebskosten ergibt sich eine Bruttomiete von 803,11 € monatlich. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung rückständiger Mieten und Nebenkostennachforderungen aus den Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für das Jahr 2008 sowie auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung in Anspruch.
- 2
- Der Beklagte zahlte in den Monaten Juli und August 2009 jeweils nur ei- ne um 142,47 €verringerte Miete und behielt auch im September 2009 einen Betrag von 120,47 € ein. Im Zeitraum von Oktober 2009 bis einschließlich Feb- ruar 2010 nahm er keine Mietkürzungen vor, wies allerdings mit E-Mail vom 1. Oktober 2009 darauf hin, dass Zahlungen nur unter Vorbehalt erfolgten. Im März 2010 entrichtete der Beklagte keine Miete. Insoweit hat er später die Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch wegen Mietminderungen in den Monaten Oktober 2009 bis einschließlich Februar 2010 erklärt. Im April 2010 entrichtete der Beklagte lediglich eine um 124,50 € verringerte Miete; die Miete für den Monat Mai 2010 kürzte er um 294,59 €. Auf die ihm in Rechnung gestellten Nachzahlungsbeträge aus den Heiz- und Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2008 in Höhe von 478,28 € und von 120,43 € erbrachteder Beklagte keine Zahlungen.
- 3
- Die Klägerin kündigte über ihre Hausverwaltung wegen der sich hieraus ergebenden Zahlungsdifferenz von 2.226,32 € das Mietverhältnis mit Schreiben vom 12. Mai 2010 fristlos, hilfsweise ordentlich.
- 4
- Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 1.784,56 € Zug um Zug gegen Beseitigung eines Mangels hinsichtlich der Wasserzähler in Bad und WC verurteilt und die weitergehende Zahlungsklage sowie die Räumungsklage abgewiesen. Auf die beiderseitigen Berufungen der Parteien und unter Berücksichtigung einer in zweiter Instanz erfolgten Klageerweiterung um 967,21 € (Mietrückstände von Juni 2010 bis einschließlich November 2010) hat das Landgericht den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und unter Abweisung der weitergehenden Klage und Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen zur Zahlung von 2.728,52 € nebst Zinsen sowie zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Hinsichtlich eines Betrages von 236,43 € hat es die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt, nachdem die Klägerin in diesem Umfang gegen Rückerstattungsansprüche des Beklagten aus den Heiz- und Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2009 die Aufrechnung erklärt hatte.
- 5
- Die Revision hat das Landgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag des Beklagten zu den von ihm gerügten Mängeln überspannt und infolgedessen von der gebotenen Beweiserhebung abgesehen habe.
II.
- 6
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO erreicht. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
- 7
- 1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
- Die vom Beklagten geschuldete Miete von 803,11 € monatlich sei wegen der bis zum 4. Oktober 2010 vorhanden gewesenen bedienungsunfreundlichen Anbringung von Wasserzählern in den betroffenen Monaten um 2 %, also um 16,06 €, gemindert.Hinsichtlich der weiteren vom Beklagten gerügten Mängel fehle es - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt habe - an einem ausreichend substantiierten Sachvortrag zum Vorhandensein von Mängeln oder jedenfalls zu deren Erheblichkeit. Den Beweisantritten des Beklagten sei daher nicht nachzugehen gewesen.
- 9
- Bei seiner Rüge, der Badewannenabfluss sei offen im Fliesenboden verlegt , weswegen nach Benutzung des Badezimmers unangenehme Fäkalgerüche entstünden, habe der Beklagte bereits einen Zusammenhang zwischen der Verlegung des Badewannenabflusses und dem Entstehen der Gerüche nicht dargelegt. Zudem weise sein Vortrag auch hinsichtlich Zeitpunkt, Häufigkeit und Intensität der beanstandeten Gerüche nicht die erforderliche Substanz auf. Auch sein Sachvortrag zum Vorhandensein eines durchgerosteten und undichten Zuleitungsrohrs zum WC genüge nicht den Substantiierungsanforderungen. Ohne eine konkrete Zustandsbeschreibung könne sich das Gericht kein Bild von einer möglichen Beeinträchtigung des Mieters und der Erheblichkeit des Mangels machen. Dies gelte sowohl für den Umfang des Rostbefalls als auch hinsichtlich der gerügten Undichtigkeit. Der Beklagte hätte im Einzelnen dartun müssen, was mit dem Vortrag "Undichtigkeit des Zuleitungsrohrs" gemeint sei. Auch dem Vorbringen des Beklagten, der Heizkörper in der Küche funktioniere nicht, fehle die notwendige Substanz. Da die Klägerin eine Fehlfunktion bestritten habe, hätte der Beklagte seinen Vortrag insoweit präzisieren müssen. In erster Instanz sei offen geblieben, ob ein Totalausfall des Heizkörpers vorgelegen habe oder nicht; der Beklagte habe es auch versäumt, unter Vorlage eines Protokolls konkret vorzutragen, welche Temperaturen innerhalb welcher Zeiträume hätten erreicht werden können. Der erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte Vortrag, der Heizkörper habe "gänzlich" nicht funktioniert, bleibe nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO unberücksichtigt.
- 10
- Soweit der Beklagte rüge, die Klägerin habe ihn vertragswidrig an der Nutzung des Gartens gehindert, lasse sein Vortrag über die Mitvermietung eines Gartenanteils ebenfalls die notwendige Substanz vermissen. Da eine Mitvermietung des Gartens im schriftlichen Mietvertrag keine Erwähnung gefunden habe und diese Urkunde die Vermutung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der darin getroffenen Regelungen begründe, hätte der Beklagte zum einen dartun müssen, wann und mit wem er eine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen habe, und zum anderen darlegen müssen, weshalb diese Abrede keinen Eingang in die Vertragsurkunde gefunden habe.
- 11
- Der Vortrag des Beklagten, im Winter 2009/2010 sei kein Winterdienst erfolgt, sei nur durch zwei Lichtbilder belegt worden. Diese seien als Momentaufnahmen nicht geeignet, seinen auf drei Monate bezogenen Sachvortrag zu substantiieren. Komme es innerhalb eines solchen Zeitraums in Anbetracht der bekannten Witterungsverhältnisse zu zwei Zeitpunkten zu einer verzögerten Schneeräumung, stelle dies noch keine erhebliche Beeinträchtigung des Mieters dar. Zudem habe die nicht im Mietobjekt ansässige Klägerin unstreitig ein anderes Unternehmen mit der Verrichtung des Winterdienstes betraut. Falls dieses Unternehmen seine Pflichten unzureichend erfüllt haben sollte, wäre der Beklagte daher gehalten gewesen, der Klägerin hiervon rechtzeitig Anzeige zu machen.
- 12
- Der weiter vom Beklagten beschriebene vernachlässigte Zustand des Gartens stelle keine erhebliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs dar. Gleiches gelte für die unstreitig defekte Gartentorbeleuchtung. Die nach dem Vorbringen des Beklagten unterlassene Regenrinnenreinigung lasse ebenfalls kei- ne erhebliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs erkennen. Der Beklagte habe keinen konkreten Wassereintritt im Bereich der Fenster geschildert, sondern halte einen solchen nur für möglich. Hinsichtlich der aus dem Keller dringenden, von einer defekten Toilette ausgehenden Fäkalgerüche lasse der Vortrag des Beklagten offen, wie lange die Gerüche andauerten und ob auch die vom Beklagten bewohnte Wohnung im ersten Obergeschoss hiervon tangiert worden sei.
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- 2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, weil es den von ihm gerügten Zustand des Badezimmerabflusses, des Zuleitungsrohrs zum WC und des Heizkörpers in der Küche, die von ihm beanstandete Verweigerung der Gartenmitbenutzung sowie die behauptete Geruchsbelästigung durch eine defekte Toilette im Keller mit der Begründung unberücksichtigt gelassen hat, ein zur Minderung berechtigender Mangel sei in diesen Fällen nicht substantiiert dargelegt worden. Das Berufungsgericht hat insoweit die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den entscheidungserheblichen Sachvortrag des Beklagten in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710 unter II 2; vom 2. Juni 2008 - II ZR 121/07, NJW-RR 2008, 1311 Rn. 2; vom 19. Juni 2008 - VII ZR 127/06, NZBau 2008, 644 Rn. 7 f.; vom 20. Mai 2010 - V ZR 201/09, juris Rn. 6)
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- a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888 unter II 1 a; vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97, NJW 1999, 1859 unter II 2 a mwN; Beschlüsse vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, aaO unter II 2 a; vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 8; vom 12. Juni 2008 - V ZR 223/07, juris Rn. 6 f.). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden , ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH, Urteile vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, aaO mwN; vom 13. Dezember 2002 - V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491 unter II 2 a). Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, aaO unter II 1 b; vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97, aaO unter II 2 b; Beschlüsse vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, aaO; vom 12. Juni 2008 - V ZR 223/07, aaO Rn. 7).
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- b) Den beschriebenen Anforderungen werden die Mängelrügen des Beklagten hinsichtlich des Badezimmerabflusses, des Zuleitungsrohrs zum WC, des Heizkörpers in der Küche, der verweigerten Gartenmitbenutzung sowie der Geruchsbelästigung durch eine defekte Toilette im Keller gerecht. Die gegenteilige Beurteilung des Berufungsgerichts beruht auf einem gravierenden Fehlverständnis der Substantiierungslast des Beklagten.
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- Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1991 - XII ZR 47/90, NJW-RR 1991, 779 unter 2 c; BGH, Beschluss vom 11. Juni 1997 - XII ZR 254/95, WuM 1997, 488 unter b mwN; jeweils zu § 537 BGB aF). Von ihm ist auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen ("Mangelsymptome" ) hinaus die - ihm häufig nicht bekannte - Ursache dieser Symptome bezeichnet (vgl. BGH, Urteile vom 3. Juli 1997 - VII ZR 210/96, NJW-RR 1997, 1376 unter II 1; vom 3. Dezember 1998 - VII ZR 405/97, NJW 1999, 1330 unter II 1; jeweils zum Beseitigungsverlangen von Baumängeln).
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- Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht die Anforderungen an einen substantiierten und schlüssigen Sachvortrag in mehrfacher Weise überspannt. Es hat abweichend von den beschriebenen Grundsätzen (weiteren) Vortrag des Beklagten zum Umfang und zur Intensität der Gebrauchsbeeinträchtigungen verlangt. Außerdem hat es unter Missachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine konkrete Darlegung der Mängelursachen (Art der Fehlfunktion bei der Heizung; Zusammenhang zwischen Badezimmerabfluss und gerügten Fäkalgerüchen) oder jedenfalls eine detaillierte Beschreibung der Mängel (Umfang der Durchrostung und Undichtigkeit des Zuleitungsrohrs zum WC; Umstände des Vertragsschlusses über ein Recht zur Gartenmitbenutzung) für erforderlich gehalten.
- 18
- aa) Das Berufungsgericht hätte dem unter Beweis gestellten Vorbringen des Beklagten zu dem offen im Fliesenboden verlegten Badewannenabfluss und dem Entstehen von Fäkalgerüchen bei Benutzung des Badezimmers nachgehen müssen. Der Beklagte hat unter Vorlage eines Lichtbilds dargelegt, der Badewannenabfluss sei offen im Fliesenboden verlegt, weswegen nach Benutzung des Badezimmers unangenehme Fäkalgerüche entstünden. Zum Nachweis dieser Mängelrüge hat er sich auf die Einnahme eines Augenscheins und auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen. Der Beklagte hat damit ausreichend eine unsachgemäße Installation des Badewannenabflusses und ein damit nach seiner Auffassung verbundenes Auftreten von unangenehmen Gerüchen dargetan. Weitere Einzelheiten, wie etwa die Schilderung der Intensität und der Häufigkeit entstehender Gerüche und die Darlegung eines Zusammenhangs zwischen Geruchsbildung und offener Verlegung des Abflusses , sind von ihm nicht zu fordern. Diese Fragen sind im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären.
- 19
- bb) Auch über den vom Beklagten beanstandeten Zustand des Zuleitungsrohrs zum WC, den der Beklagte als "durchgerostet und undicht" beschrieben hat, hätte das Berufungsgericht Beweis erheben müssen. Es hat zu Unrecht konkrete Angaben über den Umfang der Roststelle und darüber vermisst , was mit der behaupteten Undichtigkeit des Zuleitungsrohrs gemeint sei. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend anführt, finden die spekulativen Erwägungen des Berufungsgerichts über den Umfang der Korrosion ("kleine oder größere Roststelle") und der Undichtigkeit des Rohrs ("ganz oder teilweise undicht") im Sachvortrag keine Stütze. Nach dem Vorbringen des Beklagten ist das Rohr "durchrostet", weist also nicht nur eine kleinere Roststelle auf, sondern hat seine ursprüngliche Materialfestigkeit eingebüßt. Außerdem ist es "undicht" , was bedeutet, dass Wasser austritt. Für seine Behauptungen hat der Beklagte in der Berufungsbegründung rechtzeitig Beweis durch Einnahme eines Augenscheins und Einholung eines Sachverständigengutachtens angetreten. Diese Beweismittel sind nicht nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO in der Berufungsinstanz ausgeschlossen, denn der Beklagte hat nach Zugang des das Vorliegen eines Mangels bestreitenden Schriftsatzes der Klägerin vom 28. Juli 2010 in erster Instanz keine Gelegenheit mehr erhalten, sein Vorbringen unter Beweis zu stellen. Der zu den Mängelrügen des Beklagten Stellung nehmende Schriftsatz der Klägerin vom 28. Juli 2010 wurde dem Beklagtenvertreter erst in der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2010 übergeben; das von ihm hierauf beantragte Schriftsatzrecht (§ 283 ZPO) wurde nicht gewährt.
- 20
- cc) Das unter Beweis gestellte Vorbringen des Beklagten zum Defekt des Heizkörpers in der Küche hat das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerhaft und gehörswidrig zurückgewiesen. Mit seinem Vorbringen, der Heizkörper funktioniere nicht, hat der Beklagte bereits in erster Instanz seiner Darlegungslast genügt. Von ihm war nicht zu fordern, dass er die Art der Fehlfunktion oder gar die erzielten Temperaturen näher darlegt. Die Rüge, der Heizkörper funktioniere nicht, ist bei verständiger Würdigung gleichbedeutend mit der Aussage, das Gerät gebe keine Heizwärme ab. Das Berufungsgericht verkennt die Anforderungen an die Darlegungslast eines Mieters, wenn es zusätzlich Angaben darüber verlangt, ob ein Totalausfall des Heizkörpers vorgelegen habe oder ob und in welchem Umfang und über welchen Zeitraum hinweg die Heizleistung reduziert gewesen sei. Der Beklagte war auch nicht - anders als das Berufungsgericht meint - deswegen gehalten, sein Vorbringen zu ergänzen, weil die Klägerin einen Defekt des Heizkörpers bestritten hat. Denn eine Partei, die ein Recht beansprucht, ist nicht schon deshalb, weil der Gegner ihr Vorbringen bestreitet, gezwungen, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben (BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, aaO unter II 1 a; Beschlüsse vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, aaO; vom 12. Juni 2008 - V ZR 223/07, aaO Rn. 8).
- 21
- Bei den Angaben in der Berufungsbegründung, der Heizkörper "funktioniere gänzlich nicht" handelt es sich nach alledem nicht um einen neuen Tatsachenvortrag , der nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre, sondern nur um eine jederzeit zulässige Klarstellung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - VII ZR 279/05, NJW 2007, 1531 Rn. 7 mwN). Das Berufungsgericht hätte daher die angebotenen Beweise (Augenschein bzw. Sachverständigengutachten) erheben müssen.
- 22
- dd) Ebenfalls zu Unrecht hat das Berufungsgericht substantiierten Vortrag des Beklagten zu der von ihm behaupteten mündlichen Abrede über die Nutzung der Gartenfläche vermisst. Dem schriftlichen Mietvertrag vom 26. Februar /1. März 2004, in dem keine Regelung über eine Gartennutzung getroffen worden ist, kommt zwar als eine über ein Rechtsgeschäft errichtete Privaturkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit zu (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164 unter II 1 a mwN; KG, GE 2002, 930). Dies bedeutet aber nicht, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen könnte, er habe mit der ursprünglichen Vermieterin bei Abschluss des Mietvertrages eine mündliche Nebenabrede über die Nutzung der Gartenfläche getroffen.
- 23
- Das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung hat der Beklagte ausreichend dargelegt und unter Beweis gestellt. Er hat vorgetragen, dass ihm - wie allen anderen Mietern auch - bei Vertragsschluss das Recht zur Nutzung der Gartenfläche eingeräumt worden sei, ohne dass dies schriftlich fixiert worden sei, und hat dies in das Wissen der Zeugin P. gestellt, die nach seinem Vorbringen bei den Vertragsverhandlungen zugegen war. Soweit zusätzlich zur Darlegung einer Willensübereinstimmung bei Vertragsschluss (vgl. hierzu BAG, NZA 2005, 1298, 1301) in der obergerichtlichen Rechtsprechung eine Erklärung dafür gefordert wird, weshalb die Parteien davon abgesehen haben, eine behauptete mündliche Nebenabrede in die Vertragsurkunde aufzunehmen (vgl. KG, aaO mwN), stehen diese Anforderungen in Widerspruch dazu, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung für den Umfang der Darlegungslast regelmäßig ohne Bedeutung ist (vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 2002 - V ZR 359/01, aaO; vom 12. Juni 2008 - V ZR 223/07, aaO Rn. 7; jeweils mwN). Unabhängig davon genügt das Vorbringen des Beklagten selbst diesen strengen Substantiierungsanforderungen , denn er hat dargetan, dass die ursprüngliche Vermieterin auch mit den übrigen Mietern des Anwesens entsprechende mündliche Nebenabreden über die Gartennutzung getroffen habe. Dieser Vortrag enthält bei vernünftiger Betrachtung die die unterbliebene Aufnahme der Nebenabrede in den Vertragstext erklärende Aussage, das von den Vertragsparteien gewählte Vorgehen habe der üblichen Handhabung entsprochen. Das Berufungsgericht hat somit rechtsfehlerhaft und gehörswidrig von der Vernehmung der Zeugin P. abgesehen.
- 24
- ee) Weiter hat das Berufungsgericht die Substantiierungsanforderungen überspannt, soweit es den Vortrag des Beklagten als unzureichend bewertet hat, aus einer alten, defekten Toilette im Keller mache sich durchdringender Fäkalgeruch im Haus breit. Anders als das Berufungsgericht meint, ist es für einen substantiierten Vortrag nicht erforderlich, dass der Beklagte die Dauer der Gerüche im Einzelnen schildert und zudem darlegt, ob von der Geruchsentwicklung auch die von ihm genutzte Wohnung betroffen war. Durch den beschriebenen und mit Lichtbildern belegten Zustand der Toilette im Keller hat er den in den hiervon ausgehenden Geruchsbeeinträchtigungen liegenden Sachmangel hinreichend dargelegt. Seinem Vortrag ist zu entnehmen, dass der beanstandete Zustand der Toilette erstmals mit E-Mail vom 22. Juni 2009 gerügt worden und im Juli 2010 noch - durch Lichtbilder belegt - vorhanden war. Sein Vorbringen ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil er eine Beeinträchtigung seiner im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung nicht dargetan hat. Denn wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht, müssen auch bei der Benutzung des Treppenhauses und des Kellers Fäkalgerüche von Mietern nicht hingenommen werden.
- 25
- 3. Soweit das Berufungsgericht dagegen den vom Beklagten beschriebenen Zustand des Gartens und das unstreitig defekte Gartentorlicht als unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigungen gewertet hat, lässt dies Rechtsfehler nicht erkennen. Gleiches gilt für die vom Beklagten geschilderten Beeinträchtigungen durch verstopfte Regenrinnen. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass die vom Beklagten befürchtete, sich aber bislang nicht verwirklichte Gefahr von Wassereintritten im Bereich der Fenster keine erhebliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs darstellt, hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung. Dies gilt auch, wenn man zusätzlich die vom Beklagten gerügte Verschmutzung der angrenzenden Fensterscheiben berücksichtigt. Soweit der Beklagte eine unzureichende Ausführung des an ein Fremdunternehmen übertragenen Winterdiensts im Zeitraum von Dezember 2009 bis Februar 2010 rügt, hat das Berufungsgericht ein Minderungsrecht des Beklagten rechtsfehlerfrei am Unterlassen einer nach § 536c Abs. 1 BGB gebotenen Anzeige dieses Mangels scheitern lassen (vgl. § 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB).
- 26
- 4. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten zu den unter II. 2 aufgeführten Mängeln der Mietsache zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, ist das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.
- 27
- Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 12. Mai 2010 der Beklagte für die Monate Juli, August und September 2009 Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von jeweils 131 € schuldete, denn die Klägerin hat im Berufungsverfahren die auf den 4. März 2010 datierte Heizkostenabrechnung für das Jahr 2009 vorlegt. War diese Abrechnung dem Beklag- ten vor der Kündigung zugegangen, sind nur noch die sich aus der Abrechnung ergebenden Beträge maßgebend; ein Anspruch auf Vorauszahlungen besteht dann nicht mehr (vgl. Senatsurteile vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 258/09, NJW 2011, 145 Rn. 22; vom 30. März 2011 - VIII ZR 133/10, NJW 2011, 1957 Rn. 14 für den Fall des Eintritts der Abrechnungsreife).
- 28
- Sollte sich nach Durchführung einer Beweisaufnahme kein höherer Minderungsbetrag als der vom Berufungsgericht bereits berücksichtigte ergeben, wird dieses im Rahmen der Räumungsklage zu prüfen haben, ob der zum Zeitpunkt der Kündigung aufgelaufene Zahlungsrückstand auch angesichts der bestehenden Schätzungsunsicherheiten bei der Bemessung der Minderung für die bedienungsunfreundliche Anbringung von Wasserzählern (das Amtsgericht hat 5 % angesetzt, das Berufungsgericht 2 %), und im Hinblick auf das erst mit Behebung dieses Mangels am 4. Oktober 2010 erloschene Zurückbehaltungsrecht (vgl. auch Senatsurteil vom 3. November 2010 - VIII ZR 330/09, NJW-RR 2011, 447 Rn. 11 f.) des Beklagten als schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu werten ist. Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 31.08.2010 - 226 C 111/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 11.03.2011 - 65 S 357/10 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2011 - VIII ZR 125/11
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.
(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.
(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.
(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Herausgabe und Schadensersatz wegen unterschlagenen Wohnmobiliars. Mit Vertrag vom 14. April 1993 vermietete der Kläger sein zuvor selbst bewohntes Einfamilienhaus an die Beklagten. Bei seinem Auszug ließ er Teile seines eigenen Hausrats zurück, die sodann von den Beklagten genutzt wur-den. Nachdem die Beklagten die Mietzinszahlungen ab April 1994 eingestellt hatten, kündigte der Kläger das Mietverhältnis fristlos und erstritt ein Versäumnisurteil auf Räumung und Mietzinszahlung. Im Rahmen der Zwangsvollstrekkung wurde am 27. März 1995 festgestellt, daß die Beklagten bereits ausgezogen waren und keinerlei Hausrat zurückgelassen hatten. Die Beklagten haben zunächst bestritten, alle vom Kläger behaupteten Hausratsgegenstände in Besitz genommen zu haben. Die übernommenen Gegenstände seien teilweise defekt gewesen und deswegen auf Veranlassung des Klägers entsorgt worden, teilweise seien sie von ihm nach D. geholt, teilweise Dritten überlassen und von diesen abgeholt sowie teilweise den Beklagten zum Ausgleich einer Darlehensschuld übereignet worden. Dabei handle es sich um zehn noch vorhandene Hausratsgegenstände, deren vom Kläger angegebener Wert von den Beklagten zugleich bestritten wird. Das Landgericht hatte die Beklagten zunächst verurteilt, an den Kläger 86.090 DM nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen, weil die Schadenshöhe ohne hinreichend greifbare Anhaltspunkte ermittelt worden sei. Daraufhin hat das Landgericht den Parteien aufgegeben, ergänzend zum Zeitwert der betreffenden Gegenstände Stellung zu nehmen. Auf der Grundlage des weiteren klägerischen Vortrags hat es die Beklagten erneut verurteilt, an den Kläger 86.090 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die erneute Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht im wesentlichen zurückgewiesen; es hat lediglich den Urteilstenor dahingehend umgestellt, daß die Beklagten verurteilt werden, an den Kläger die zehn noch vorhandenen Hausratsgegenstände herauszugeben, ersatzweise an ihn 15.000 € nebst Zinsen zu zahlen sowie an den Kläger weitere 26.610,61 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich
die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Zulassung der Revision und im Ergebnis weiterhin Klagabweisung begehren.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im übrigen zulässig (§§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie ist auch begründet, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung Teile des unter Beweis gestellten Sachvortrags der Beklagten übergangen und damit deren rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist deswegen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich (zur Zulassung der Revision vgl. BGH Beschlüsse vom 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03 - unveröffentlicht, vom 15. Februar 2005 - XI ZR 21/04 - unveröffentlicht, vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03 - insoweit in FamRZ 2005, 700 nicht abgedruckt, vom 24. Februar 2005 - VII ZR 340/03 - BauR 2005, 908, vom 21. April 2005 - I ZR 88/04 - unveröffentlicht und vom 25. Mai 2005 - III ZR 380/04 - unveröffentlicht; Zöller/Gummer ZPO 25. Aufl. § 544 Rdn. 19; vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 15/3706 S. 17, wonach der Bundesgerichtshof in den Fällen entscheidungserheblicher Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Berufungsinstanz einer hierauf gestützten Nichtzulassungsbeschwerde stattzugeben hat und § 544 Abs. 7 ZPO ihm zur Beschleunigung des Verfahrens und zur Entlastung die Möglichkeit einräumen soll, "in dem der (Nichtzulassungs-) Beschwerde stattgebenden Beschluß" das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen). Wegen des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör kann das Revisionsge-richt nach der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Vorschrift des § 544 Abs. 7 ZPO - eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) - das angefochtene Urteil zugleich aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen (so im Ergebnis auch in den die Zurückverweisung tragenden Gründen BGH Beschlüsse vom 5. April 2005 - VIII ZR 160/04 - BB 2005, 1248, vom 14. April 2005 - V ZR 152/04 - unveröffentlicht, vom 3. Mai 2005 - VI ZR 206/04 - unveröffentlicht und vom 31. Mai 2005 - XI ZR 90/04 - unveröffentlicht). 2. Die Beklagten rügen zu Recht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Verfahren des Berufungsgerichts. Das Berufungsgericht hat es bewußt abgelehnt, zu mehreren Behauptungen der Beklagten den dafür angebotenen Beweis zu erheben, weil der Sachvortrag nicht hinreichend schlüssig sei. Das verletzt die Verfahrensgrundrechte der Beklagten, weil ihr Beweisvortrag erheblich und hinreichend substantiiert ist.
a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klaganspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Solches kann allenfalls dann bedeutsam werden , wenn der Gegenvortrag dazu Anlaß bietet. Das bedeutet aber entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht, daß derjenige, der ein Recht beansprucht , schon deshalb, weil der Gegner bestreitet, gezwungen ist, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben. Dem Grundsatz, daß
der Umfang der Darlegungslast sich nach der Einlassung des Gegners richtet, liegt nicht etwa der Gedanke zugrunde, ein Kläger sei zur Förderung der Wahrheitsermittlung und zur Prozeßbeschleunigung verpflichtet, den Gegner in die Lage zu versetzen, sich möglichst eingehend auf die Klagebehauptungen einzulassen. Der Grundsatz besagt vielmehr nur, daß dann, wenn infolge der Einlassung des Gegners der Tatsachenvortrag unklar wird und nicht mehr den Schluß auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zuläßt, er der Ergänzung bedarf (BGH Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 - NJW 1984, 2888). Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Zeugenbeweises ist darüber hinaus nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, daß ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmißbrauch darstellen. Zu einer näheren Darstellung kann eine Partei allerdings dann gezwungen sein, wenn die Gegenpartei ihre Darstellung substantiiert angreift. Denn der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung des Sachvortrags bestimmt sich aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH Urteil vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97 - NJW 1999, 1859).
b) Gegen diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht in mehreren Punkten verstoßen. Das gilt insbesondere für den folgenden Vortrag:
aa) Die Beklagten haben vorgetragen, der Kläger habe ihnen die im Haus zurückgelassenen Gegenstände "zur Schuldentilgung" überlassen, also wohl übereignet. Dazu haben die Beklagten im einzelnen unter Beweisantritt Zahlungen für den Kläger vorgetragen und zwar an dessen namentlich benannten Steuerberater, an die Gemeindewerke H., an die Vollstreckungsstelle des Finanzamts H. und an das Finanzamt E. Während sich der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Zahlungen an die Landesbezirkskasse I. durch dessen Auskunft vom 29. Juli 1998 als unzutreffend herausgestellt hat, ist das Berufungsgericht den weiteren Beweisangeboten nicht nachgegangen. Indem es dieses Vorgehen damit begründet, es fehle den angeblichen Zahlungen jegliche Konkretisierung , hat es den Vortrag der Beklagten nicht hinreichend ausgeschöpft. Die weitere Begründung, der Vortrag lasse "insbesondere einschlägige Belege vermissen", kann das Absehen von der Beweisaufnahme schon deswegen nicht begründen, weil es sich dabei nicht um die Schlüssigkeit des Vortrags, sondern um zusätzliche Beweisanzeichen handelt. Die von den Beklagten behaupteten Zahlungen auf Verbindlichkeiten des Klägers sind wiederum nicht unerhebliche Indizien für die behauptete Eigentumsübertragung. bb) Hinsichtlich der nach ihrem Vortrag nicht mehr vorhandenen Gegenstände haben die Beklagten unter Beweisantritt behauptet, der Kläger habe die - jeweils konkret benannten - Gegenstände selbst abgeholt bzw. entsorgt, an Dritte übereignet, die diese dann abgeholt hätten, und die Beklagten angewiesen , beschädigte und unbrauchbare Gegenstände zu entsorgen. Weitere konkret benannte Gegenstände seien im Haus zurückgeblieben bzw. stünden ohnehin nicht im Eigentum des Klägers, sondern der P. Beteiligungs- und Vermögensverwaltungs GmbH (Schriftsatz vom 8. Oktober 2001 S. 5 ff.). Dieser Vortrag ist entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts hinreichend individualisiert. Daß dieser neue Vortrag der Beklagten teilweise ihrem früheren Vortrag widerspricht, kann zwar einen nicht unwesentlichen Gesichtspunkt im Rah-
men der Beweiswürdigung bilden. Es käme aber einer vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich, die von den Beklagten angebotenen Beweise im Hinblick darauf nicht zu erheben. Die Beklagten hatten nämlich schon im dem Schriftsatz vom 8. Juni 2000 behauptet, die von ihnen benannten Zeugen seien bei den "Abholaktionen" zugegen gewesen und hätten "jeweils mit angepackt". Soweit das Berufungsgericht gleichwohl "jeglichen Aufschluß" dazu vermißt, inwieweit die vier benannten Zeugen zu den behaupteten diversen Vorgängen etwas bekunden können, hat es diesen Vortrag offensichtlich übergangen. cc) Letztlich hat das Berufungsgericht auch die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes nicht ohne Rechtsverstoß ermittelt. Bei der Wertermittlung hat es sich im wesentlichen auf die vom Kläger gefertigte Aufstellung der entwendeten Gegenstände gestützt, die mit einem Gesamtwert von 86.590 DM abschließt, weil diese "erheblich realistischer" sei, als die später erteilte Inventarliste mit einem Zeitwert von insgesamt 135.280 DM. Schon die bloße Anknüpfung an den bestrittenen Vortrag des Klägers bildet trotz der Beweiserleichterung nach § 287 ZPO keine hinreichende Grundlage für die Wertermittlung durch das Berufungsgericht. Im übrigen hat das Berufungsgericht auch insoweit den unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten übergangen, die Wertansätze des Klägers seien durchgehend weit übersetzt und mit weit weniger als der Hälfte der angesetzten Beträge zu bemessen. Jedenfalls die noch vorhandenen Gegenstände könnten durch einen Sachverständigen begutachtet werden.
3. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden, weil das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten übergangen hat und es deswegen weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Das Berufungsgericht wird deswegen den unter Beweis gestellten Behauptungen der Beklagten weiter nachgehen müssen.
Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Herausgabe und Schadensersatz wegen unterschlagenen Wohnmobiliars. Mit Vertrag vom 14. April 1993 vermietete der Kläger sein zuvor selbst bewohntes Einfamilienhaus an die Beklagten. Bei seinem Auszug ließ er Teile seines eigenen Hausrats zurück, die sodann von den Beklagten genutzt wur-den. Nachdem die Beklagten die Mietzinszahlungen ab April 1994 eingestellt hatten, kündigte der Kläger das Mietverhältnis fristlos und erstritt ein Versäumnisurteil auf Räumung und Mietzinszahlung. Im Rahmen der Zwangsvollstrekkung wurde am 27. März 1995 festgestellt, daß die Beklagten bereits ausgezogen waren und keinerlei Hausrat zurückgelassen hatten. Die Beklagten haben zunächst bestritten, alle vom Kläger behaupteten Hausratsgegenstände in Besitz genommen zu haben. Die übernommenen Gegenstände seien teilweise defekt gewesen und deswegen auf Veranlassung des Klägers entsorgt worden, teilweise seien sie von ihm nach D. geholt, teilweise Dritten überlassen und von diesen abgeholt sowie teilweise den Beklagten zum Ausgleich einer Darlehensschuld übereignet worden. Dabei handle es sich um zehn noch vorhandene Hausratsgegenstände, deren vom Kläger angegebener Wert von den Beklagten zugleich bestritten wird. Das Landgericht hatte die Beklagten zunächst verurteilt, an den Kläger 86.090 DM nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Oberlandesgericht dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen, weil die Schadenshöhe ohne hinreichend greifbare Anhaltspunkte ermittelt worden sei. Daraufhin hat das Landgericht den Parteien aufgegeben, ergänzend zum Zeitwert der betreffenden Gegenstände Stellung zu nehmen. Auf der Grundlage des weiteren klägerischen Vortrags hat es die Beklagten erneut verurteilt, an den Kläger 86.090 DM nebst Zinsen zu zahlen. Die erneute Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht im wesentlichen zurückgewiesen; es hat lediglich den Urteilstenor dahingehend umgestellt, daß die Beklagten verurteilt werden, an den Kläger die zehn noch vorhandenen Hausratsgegenstände herauszugeben, ersatzweise an ihn 15.000 € nebst Zinsen zu zahlen sowie an den Kläger weitere 26.610,61 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich
die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Zulassung der Revision und im Ergebnis weiterhin Klagabweisung begehren.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im übrigen zulässig (§§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO). Sie ist auch begründet, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung Teile des unter Beweis gestellten Sachvortrags der Beklagten übergangen und damit deren rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist deswegen eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich (zur Zulassung der Revision vgl. BGH Beschlüsse vom 18. Januar 2005 - XI ZR 340/03 - unveröffentlicht, vom 15. Februar 2005 - XI ZR 21/04 - unveröffentlicht, vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03 - insoweit in FamRZ 2005, 700 nicht abgedruckt, vom 24. Februar 2005 - VII ZR 340/03 - BauR 2005, 908, vom 21. April 2005 - I ZR 88/04 - unveröffentlicht und vom 25. Mai 2005 - III ZR 380/04 - unveröffentlicht; Zöller/Gummer ZPO 25. Aufl. § 544 Rdn. 19; vgl. auch die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 15/3706 S. 17, wonach der Bundesgerichtshof in den Fällen entscheidungserheblicher Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Berufungsinstanz einer hierauf gestützten Nichtzulassungsbeschwerde stattzugeben hat und § 544 Abs. 7 ZPO ihm zur Beschleunigung des Verfahrens und zur Entlastung die Möglichkeit einräumen soll, "in dem der (Nichtzulassungs-) Beschwerde stattgebenden Beschluß" das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen). Wegen des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör kann das Revisionsge-richt nach der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Vorschrift des § 544 Abs. 7 ZPO - eingeführt durch Art. 1 des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) - das angefochtene Urteil zugleich aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen (so im Ergebnis auch in den die Zurückverweisung tragenden Gründen BGH Beschlüsse vom 5. April 2005 - VIII ZR 160/04 - BB 2005, 1248, vom 14. April 2005 - V ZR 152/04 - unveröffentlicht, vom 3. Mai 2005 - VI ZR 206/04 - unveröffentlicht und vom 31. Mai 2005 - XI ZR 90/04 - unveröffentlicht). 2. Die Beklagten rügen zu Recht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Verfahren des Berufungsgerichts. Das Berufungsgericht hat es bewußt abgelehnt, zu mehreren Behauptungen der Beklagten den dafür angebotenen Beweis zu erheben, weil der Sachvortrag nicht hinreichend schlüssig sei. Das verletzt die Verfahrensgrundrechte der Beklagten, weil ihr Beweisvortrag erheblich und hinreichend substantiiert ist.
a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klaganspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Solches kann allenfalls dann bedeutsam werden , wenn der Gegenvortrag dazu Anlaß bietet. Das bedeutet aber entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht, daß derjenige, der ein Recht beansprucht , schon deshalb, weil der Gegner bestreitet, gezwungen ist, den behaupteten Sachverhalt in allen Einzelheiten wiederzugeben. Dem Grundsatz, daß
der Umfang der Darlegungslast sich nach der Einlassung des Gegners richtet, liegt nicht etwa der Gedanke zugrunde, ein Kläger sei zur Förderung der Wahrheitsermittlung und zur Prozeßbeschleunigung verpflichtet, den Gegner in die Lage zu versetzen, sich möglichst eingehend auf die Klagebehauptungen einzulassen. Der Grundsatz besagt vielmehr nur, daß dann, wenn infolge der Einlassung des Gegners der Tatsachenvortrag unklar wird und nicht mehr den Schluß auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zuläßt, er der Ergänzung bedarf (BGH Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 - NJW 1984, 2888). Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Zeugenbeweises ist darüber hinaus nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, daß ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmißbrauch darstellen. Zu einer näheren Darstellung kann eine Partei allerdings dann gezwungen sein, wenn die Gegenpartei ihre Darstellung substantiiert angreift. Denn der Umfang der jeweils erforderlichen Substantiierung des Sachvortrags bestimmt sich aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH Urteil vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97 - NJW 1999, 1859).
b) Gegen diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht in mehreren Punkten verstoßen. Das gilt insbesondere für den folgenden Vortrag:
aa) Die Beklagten haben vorgetragen, der Kläger habe ihnen die im Haus zurückgelassenen Gegenstände "zur Schuldentilgung" überlassen, also wohl übereignet. Dazu haben die Beklagten im einzelnen unter Beweisantritt Zahlungen für den Kläger vorgetragen und zwar an dessen namentlich benannten Steuerberater, an die Gemeindewerke H., an die Vollstreckungsstelle des Finanzamts H. und an das Finanzamt E. Während sich der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Zahlungen an die Landesbezirkskasse I. durch dessen Auskunft vom 29. Juli 1998 als unzutreffend herausgestellt hat, ist das Berufungsgericht den weiteren Beweisangeboten nicht nachgegangen. Indem es dieses Vorgehen damit begründet, es fehle den angeblichen Zahlungen jegliche Konkretisierung , hat es den Vortrag der Beklagten nicht hinreichend ausgeschöpft. Die weitere Begründung, der Vortrag lasse "insbesondere einschlägige Belege vermissen", kann das Absehen von der Beweisaufnahme schon deswegen nicht begründen, weil es sich dabei nicht um die Schlüssigkeit des Vortrags, sondern um zusätzliche Beweisanzeichen handelt. Die von den Beklagten behaupteten Zahlungen auf Verbindlichkeiten des Klägers sind wiederum nicht unerhebliche Indizien für die behauptete Eigentumsübertragung. bb) Hinsichtlich der nach ihrem Vortrag nicht mehr vorhandenen Gegenstände haben die Beklagten unter Beweisantritt behauptet, der Kläger habe die - jeweils konkret benannten - Gegenstände selbst abgeholt bzw. entsorgt, an Dritte übereignet, die diese dann abgeholt hätten, und die Beklagten angewiesen , beschädigte und unbrauchbare Gegenstände zu entsorgen. Weitere konkret benannte Gegenstände seien im Haus zurückgeblieben bzw. stünden ohnehin nicht im Eigentum des Klägers, sondern der P. Beteiligungs- und Vermögensverwaltungs GmbH (Schriftsatz vom 8. Oktober 2001 S. 5 ff.). Dieser Vortrag ist entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts hinreichend individualisiert. Daß dieser neue Vortrag der Beklagten teilweise ihrem früheren Vortrag widerspricht, kann zwar einen nicht unwesentlichen Gesichtspunkt im Rah-
men der Beweiswürdigung bilden. Es käme aber einer vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich, die von den Beklagten angebotenen Beweise im Hinblick darauf nicht zu erheben. Die Beklagten hatten nämlich schon im dem Schriftsatz vom 8. Juni 2000 behauptet, die von ihnen benannten Zeugen seien bei den "Abholaktionen" zugegen gewesen und hätten "jeweils mit angepackt". Soweit das Berufungsgericht gleichwohl "jeglichen Aufschluß" dazu vermißt, inwieweit die vier benannten Zeugen zu den behaupteten diversen Vorgängen etwas bekunden können, hat es diesen Vortrag offensichtlich übergangen. cc) Letztlich hat das Berufungsgericht auch die Höhe des zugesprochenen Schadensersatzes nicht ohne Rechtsverstoß ermittelt. Bei der Wertermittlung hat es sich im wesentlichen auf die vom Kläger gefertigte Aufstellung der entwendeten Gegenstände gestützt, die mit einem Gesamtwert von 86.590 DM abschließt, weil diese "erheblich realistischer" sei, als die später erteilte Inventarliste mit einem Zeitwert von insgesamt 135.280 DM. Schon die bloße Anknüpfung an den bestrittenen Vortrag des Klägers bildet trotz der Beweiserleichterung nach § 287 ZPO keine hinreichende Grundlage für die Wertermittlung durch das Berufungsgericht. Im übrigen hat das Berufungsgericht auch insoweit den unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Beklagten übergangen, die Wertansätze des Klägers seien durchgehend weit übersetzt und mit weit weniger als der Hälfte der angesetzten Beträge zu bemessen. Jedenfalls die noch vorhandenen Gegenstände könnten durch einen Sachverständigen begutachtet werden.
3. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden, weil das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten übergangen hat und es deswegen weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Das Berufungsgericht wird deswegen den unter Beweis gestellten Behauptungen der Beklagten weiter nachgehen müssen.
Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger war an dem Erwerb von Immobilien zum Zweck der Kapitalanlage interessiert. Über den anderweit verklagten Vermittler B. erlangte er Kenntnis von Immobilien im Wohnpark B. -A. . Er schloß im Oktober und November 1998 mit der Beklagten notarielle Kaufverträge über die Wohnung Nr. 6 zum Preis von 200.000 DM und die Wohnung Nr. 21 zum Preis von 410.000 DM. Den Kaufpreis für die Wohnung Nr. 21 zahlte der Kläger. Im Februar 1999 wurde er als Eigentümer der Wohnung Nr. 21 in das Grundbuch eingetragen. Den Kaufpreis für die Wohnung Nr. 6 zahlte der Kläger nicht.
Mit Schreiben vom 26. November 1999 erklärte der Kläger die Anfechtung der Kaufverträge wegen arglistiger Täuschung. Er strebt die Rückabwicklung des Kaufvertrags über die Wohnung Nr. 21 und die Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrags über die Wohnung Nr. 6 an. Er hat behauptet, daß die beiden Wohnungen überteuert verkauft worden seien. Sämtliche Berechnungs - und Bewertungsgrundlagen hätten sich als falsch erwiesen. Die Wohnung Nr. 21 sei in Wirklichkeit nur 100.000 DM wert gewesen, die Wohnung Nr. 6 nur 60.000 DM. Die Wohnungen seien in erheblichem Umfang renovierungsbedürftig , während ihm versichert worden sei, die Wohnungen seien gerade renoviert worden. Auch seien derzeit noch verschiedene Verwalter tätig, was die Hausgelder verteure. Dies alles hätten die Geschäftsführer der Beklagten auch gewußt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt er seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint die Nichtigkeit der Kaufverträge nach § 138 BGB. Der Kläger habe schon nicht schlüssig dargetan, daß die beiden Wohnungen weit über Wert verkauft worden seien. Seine Behauptungen seien aus der Luft gegriffen. Der Kläger habe nicht dargelegt, weshalb ein hierzu von
der Beklagten vorgelegtes Gutachten unrichtig sein solle. Dies habe im einzel- nen dargelegt werden müssen.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstoßen und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der begünstigte Vertragspartner die schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt oder wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, daß sich der andere nur in Unkenntnis der wahren Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einläßt. Ist das Mißverhältnis besonders grob, so ist allein deswegen der Schluß auf bewußte oder grob fahrlässige Ausnutzung irgendeines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung zulässig. Von einem besonders groben Mißverhältnis ist auszugehen , wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung des Begünstigten (vgl. nur Senat, BGHZ 146, 298, 301, 302 m. w. N.; Senatsurt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 430 f.). Die tatsächliche Vermutung kann aber durch besondere Umstände erschüttert sein und damit nicht die Schlußfolgerung auf eine verwerfliche Gesinnung eröffnen. Solche Umstände können sich namentlich aus sachgerechten, eine Übervorteilung regelmäßig ausschließenden Bemühungen zur Ermittlung eines den
Umständen nach angemessenen Leistungsverhältnisses ergeben, wie etwa bei einem (fehlerhaften) Verkehrswertgutachten als Grundlage der Kaufpreisbemessung (Senat, BGHZ 146, 298, 305; Senatsurt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156 und v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166).
2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht angewendet, weil der Kläger schon das grobe Mißverhältnis von Kaufpreis und Grundstückswert nicht schlüssig dargelegt habe. Damit hat das Berufungsgericht aber, wie die Revision mit Erfolg rügt, die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags überspannt.
a) Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und damit als Prozeßstoff erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das mit der Klage geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muß in der Lage sein, auf Grund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen. Der Sachvortrag bedarf im Hinblick auf die Erwiderung des Gegners nur dann der Ergänzung, wenn er infolge dieser Einlassung unklar wird und nicht mehr den Schluß auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zuläßt. Eine Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen darf nicht abgelehnt werden, wenn die Behauptung konkret genug ist, um eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen und die Erheblichkeit des Vorbringens zu
beurteilen (Senatsurt. v. 22. November 1996, V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270 und v. 20. September 2002, V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, jeweils m. w. N.). Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ohne Bedeutung (Senatsurt. v. 8. Mai 1992, V ZR 95/91, NJW 1992, 3106; und v. 14. Juni 1996, V ZR 150/95, NJW-RR 1996, 1402 jew. m.w.N.).
b) Richtig ist zwar der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, wonach es im Zivilprozeß wegen Rechtsmißbrauchs unzulässig ist, eine Behauptung ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam "ins Blaue hinein" aufzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 1995, VIII ZR 227/94, NJW 1996, 394; Urt. v. 13. März 1996, VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541, 1542; Urt. v. 1. Juli 1999, VII ZR 202/98, NJW-RR 2000, 208). Bei der Annahme eines solch mißbräuchlichen Verhaltens ist aber Zurückhaltung geboten; denn oftmals wird es einer Partei nicht erspart bleiben, in einem Zivilprozeß Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse haben kann, die sie nach Lage der Dinge aber für wahrscheinlich hält (BGH, Urt. v. 25. April 1995, VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111, 2112). In der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf einer Behauptung "ins Blaue hinein" rechtfertigen können (BGH, Urt. v. 25. April 1995, aaO).
c) Hieran gemessen überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen des Klägers. Ihm ist zwar einzuräumen, daß der Kläger in erster Instanz ein objektiv bestehendes grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in beiden Verträgen zwar behauptet, aber nicht näher erläutert hat. In zweiter Instanz hat er indessen vorgetragen, daß die
Wohnung Nr. 21 bei einem Kaufpreis von 410.000 DM nur 100.000 DM und die Wohnung Nr. 6 bei einem Kaufpreis von 200.000 DM nur 60.000 DM wert und dieser Umstand den Organen der Beklagten auch bekannt gewesen sei. Diese Behauptung wäre nur dann unbeachtlich, wenn diese Angaben ersichtlich aus der Luft gegriffen wären. Das ist, worauf die Revision mit Recht hinweist , nicht der Fall. Der Kläger hat sich in seiner Berufungsbegründung mit dem von Beklagtenseite vorgelegten Gutachten U. auseinandergesetzt und dargelegt, worin er dessen Fehler sieht. Sie sollen, was auch näher erläutert wird, in dem angesetzten Boden- und Ertragswert und vor allem darin liegen, daß in dem Gutachten ein guter Erhaltungszustand vorausgesetzt werde , wohingegen in Wirklichkeit erheblicher Sanierungsbedarf bestehe. Der Vortrag wird in das Wissen von Zeugen gestellt, die als Geschäftsführer der Fa. K. Grundbesitz-Verwaltungs-GmbH, welche die Wohnanlage „I. W. “ in B. verwaltet und betreut, Sachkenntnis haben sollen. Außerdem wird Augenscheins- und Sachverständigenbeweis angeboten. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts brauchte sich der Kläger nicht noch intensiver mit den Einzelheiten des der Preisbildung zugrundeliegenden Wertgutachtens auseinanderzusetzen. Dieses Gutachten ist nicht sonderlich ausführlich und bietet kaum mehr Ansatzpunkte für eine sachliche Auseinandersetzung , als sie der Kläger auch genutzt hat. Auch deshalb genügte es, wenn sich der Kläger mit den aus seiner Sicht wesentlichen Einwänden auseinandersetzte und dieses als Kaufanreiz qualifizierte. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, daß sein Vortrag wegen der unterschiedlichen Kaufpreise der zudem unterschiedlichen Wohnungen unstimmig sei. Denn der Kläger will gerade geltend machen, daß sie jetzt wegen des Erhaltungszustands wertmäßig nahezu gleichwertig geworden sind. Dem Vorbringen des Klägers läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß es ihm nur um eine Geldan-
lage gegangen sei. Denn dies steht der Annahme der Sittenwidrigkeit nicht von vornherein entgegen. Dies gilt auch für die Bereitschaft des Klägers, dem Vergleichsvorschlag des Landgerichts zu folgen. Die Bereitschaft einer Partei zur Annahme eines Vergleichsvorschlags des Gerichts hängt entscheidend davon ab, wie die Partei angesichts des Vorschlags ihre Prozeßaussichten beurteilt. Rückschlüsse darauf, wie der Wert der Wohnungen vor und bei Abschluß eines streitig gewordenen Kaufvertrags war, läßt eine solche Bereitschaft nicht zu.
3. Da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft die Durchführung einer Beweisaufnahme über die Höhe des von dem Kläger behaupteten Verkehrswertes unterlassen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch
(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.
(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.
(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.
(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
(1) Der Mieter wird von der Entrichtung der Miete nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert wird. Der Vermieter muss sich jedoch den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechnen lassen, die er aus einer anderweitigen Verwertung des Gebrauchs erlangt.
(2) Solange der Vermieter infolge der Überlassung des Gebrauchs an einen Dritten außerstande ist, dem Mieter den Gebrauch zu gewähren, ist der Mieter zur Entrichtung der Miete nicht verpflichtet.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Kann sich eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann; gleichzeitig wird ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Eine fristgemäß eingereichte Erklärung muss, eine verspätet eingereichte Erklärung kann das Gericht bei der Entscheidung berücksichtigen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 31 des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelinstanzen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellen Verträgen vom 16. Dezember 1998 kaufte die Klägerin von dem Beklagten zwei bebaute Grundstücke zu Preisen von 403.000 DM und 635.000 DM und beauftragte jeweils die G. W. - und F. bau (GWF), die Gebäude zu sanieren; der Sanierungsaufwand betrug 1.065.530 DM und 1.535.420 DM. Mit weiteren notariellen Urkunden vom
22. Dezember 1998 ergänzten die drei Beteiligten die Verträge vom 16. Dezember 1998 dahingehend, "daû die Vertretene zu 3 (scil. Klägerin) das Recht hat, von diesem (scil. vom jeweiligen) Vertrag bis zum 31. März 1999 einseitig zurückzutreten, wenn eine Finanzierung für den Kaufpreis - einschlieûlich des Sanierungsanteils - nicht möglich ist". Für die Zeitspanne vom 30. Dezember 1998 bis 1. März 1999 finanzierte die Hausbank der Klägerin die Objekte, nachdem der Beklagte und GWF Bankbürgschaften erbracht hatten, ohne Eigenkapitalbeteiligung der Klägerin. Die mit der Vermittlung der endgültigen Finanzierung beauftragte Firma B. Finanz teilte der Klägerin am 10. März 1999 mit, daû eine Beleihung ohne Eigenkapitalbeteiligung nicht erreicht werden könne. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und GWF "unter Bezugnahme auf die Änderung bzw. Ergänzung der ... Verträge durch die URNrn. ..., alle vom 22. Dezember 1998 ... den Rücktritt von den ... Verträgen".
Die Klägerin, die sich wegen der Zahlung der Kaufpreise der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, hat Vollstreckungsgegenklage erhoben und diese (u.a.) auf den am 10. März 1999 erklärten Rücktritt gestützt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts erstrebt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die notariellen Urkunden vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein "freies" Rücktrittsrecht ein, da sie einen Rücktrittsgrund bezeichneten. Mangels eindeutigen Wortlauts der Rücktrittsvereinbarungen könne sich die Klägerin für ihre Auffassung, bereits der Umstand , daû ihr keine Finanzierung ohne Eigenkapital gelungen sei, habe sie zum Rücktritt berechtigt, nicht auf die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunden stützen. Die Beweisaufnahme über die vor und bei den notariellen Verhandlungen abgegebenen Erklärungen lasse eine Feststellung im Sinne der Klägerin nicht zu.
Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.
II.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, die ergänzenden Vereinbarungen vom 22. Dezember 1998 räumten der Klägerin kein Rücktrittsrecht ein, dessen Ausübung allein in ihrem Belieben stehe. Die Vereinbarungen bezeichnen vielmehr einen Rücktrittsgrund. Die Bezeichnung des Rücktrittsgrundes in den Urkunden begründet indessen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, die Vermutung dafür, daû das Rücktrittsrecht der Klägerin an keine weitere Voraussetzung gebunden war, als das Scheitern der Finanzierung als solches. Die Vermutung umfaût mithin auch den
Fall des Unvermögens der Klägerin, die Finanzierungsmittel ohne Eigenkapitalbeteiligung zu erlangen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (BGHZ 20, 109, 111; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1999, III ZR 203/98, ZIP 1999, 1887, 1888). Die Partei, die sich auf auûerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (Senatsurt. v. 5. Februar 1999, V ZR 353/97, WM 1999, 965). Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt allerdings voraus, daû der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Dies bedeutet aber nicht, daû das Beurkundete, wovon das Berufungsgericht (möglicherweise) ausgeht, in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, daû für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt (vgl. BGHZ 25, 318, 319; 80, 246, 250; krit. MünchKomm-BGB/MayerMaly /Busche, 4. Aufl., § 133 Rdn. 46). Denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Die auûerhalb der Urkunde liegenden Mittel der Auslegung, die Begleitumstände des Vertragsabschlusses, dessen Entstehungsgeschichte , Äuûerungen der Parteien auûerhalb der Urkunde u.a., ble i-
ben hierbei allerdings auûer Betracht. Sie sind Hilfsmittel zur Widerlegung der durch die Urkunde begründeten Vermutung des Geschäftsinhalts.
b) Dem wird das Berufungsurteil nicht gerecht. Das Berufungsgericht gründet seine Zweifel am Inhalt der Urkunde darauf, daû der beurkundende Notar das Rücktrittsrecht nicht an die Finanzierung des "gesamten Kaufpreises" , sondern an das Scheitern "einer" Finanzierung "für" den Kaufpreis geknüpft hat. Dabei bleibt es, entgegen dem Gebot des § 133 BGB, am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haften und läût den wirklichen Willen der Beteiligten unerforscht. Nach § 433 Abs. 2 BGB hat der Käufer für die Zahlung des Kaufpreises als Geldschuld einzustehen. Wie er die erforderlichen Mittel aufbringt, insbesondere ob er hierzu ganz oder teilweise Eigenkapital einsetzt, ist seine Sache. Behält er sich den Rücktritt für den Fall des Scheiterns der Kaufpreisfinanzierung vor, so ist, wenn sich aus der Urkunde nichts anderes ergibt, davon auszugehen, daû der Grund des Scheiterns, in den Grenzen der §§ 162 entspr., 242 BGB, keine Rolle spielt. Der Verkäufer kann, wenn er nicht darauf besteht, den Rücktrittsgrund weiter einzugrenzen, nicht davon ausgehen , daû der Käufer sich in seiner Dispositionsfreiheit, auf welchem Wege und in welcher Weise er die Kaufpreismittel aufbringt, Einschränkungen unterzogen hat. Im Streitfalle hat die Klägerin ihr Rücktrittsrecht daran geknüpft, daû ihr die Finanzierung von Kaufpreis und Sanierungsaufwand "nicht möglich ist". Einschränkungen ihrer Dispositionsbefugnis dahin, daû sie die Kreditmöglichkeiten , welche einem Darlehensnehmer am Markt schlechthin zur Verfügung stehen , ausschöpfen, also auch Eigenkapital einsetzen müsse, hat sie sich nicht unterworfen. Insoweit zu Recht meint das Berufungsgericht, ob und in welchem Umfang Eigenmittel hätten zum Einsatz kommen sollen, sei von den Gegebenheiten des Falles abhängig gewesen. Im Sinne des Rücktrittsgrundes ist der
Klägerin die Finanzierung auch dann nicht möglich, wenn ihr Eigenkapital nicht zur Verfügung steht oder dieses anderweit eingesetzt wird. Eine Grenze wäre nur dann überschritten, wenn die Finanzierung des Kauf- und Sanierungsvorhabens der Parteien ohne Einsatz von Eigenmitteln auûerhalb der Grenzen der Verkehrssitte läge. Hiervon kann aber weder im allgemeinen noch gerade im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin ausgegangen werden. Diese hatte, was unstreitig ist, vorher ein Vorhaben ähnlichen Zuschnitts allein mit Fremdmitteln verwirklicht.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht über die für die Auslegung des Rücktrittsgrundes erheblichen Begleitumstände Beweis erhoben. Denn auch ein Beweisergebnis, welches die Behauptung der Beklagten gestützt hätte, die Klägerin habe vor Erklärung des Rücktritts Eigenkapital einsetzen müssen, wäre rechtlich beachtlich gewesen. Es hätte in der Urkunde einen, wenn auch nur andeutungsweisen, Niederschlag gefunden und hätte mithin dem Urkundserfordernis des § 313 Satz 1 BGB a.F. genügt. Da das Berufungsgericht Feststellungen in der einen oder anderen Richtung nicht zu treffen vermochte, ist die Sache im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts entscheidungsreif (§ 565 Abs. 3 ZPO a.F.).
Die Gegenrüge des Beklagten ändert hieran nichts. Der Beklagte vermag nicht auf einen Beweisantrag zu verweisen, zum Begriff der Finanzierung sachverständigen Rat einzuholen. Daû die besonderen Voraussetzungen vorgelegen hätten, unter denen das Gericht entweder Beweis von Amts wegen zu erheben (§ 144 ZPO) oder auf die Stellung eines Beweisantrags hinzuwirken (§ 139 ZPO) hat (zum Sachverständigenbeweis: BGH, Urt. v. 16. Oktober 1986, III ZR 121/85, NJW 1987, 591), legt die Revision nicht dar.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf RiBGH Prof. Dr. Krüger ist wegen Urlaubsabwesenheit gehindert, zu unterschreiben Karlsruhe, den 09.07.2002 Wenzel Klein Lemke
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger war an dem Erwerb von Immobilien zum Zweck der Kapitalanlage interessiert. Über den anderweit verklagten Vermittler B. erlangte er Kenntnis von Immobilien im Wohnpark B. -A. . Er schloß im Oktober und November 1998 mit der Beklagten notarielle Kaufverträge über die Wohnung Nr. 6 zum Preis von 200.000 DM und die Wohnung Nr. 21 zum Preis von 410.000 DM. Den Kaufpreis für die Wohnung Nr. 21 zahlte der Kläger. Im Februar 1999 wurde er als Eigentümer der Wohnung Nr. 21 in das Grundbuch eingetragen. Den Kaufpreis für die Wohnung Nr. 6 zahlte der Kläger nicht.
Mit Schreiben vom 26. November 1999 erklärte der Kläger die Anfechtung der Kaufverträge wegen arglistiger Täuschung. Er strebt die Rückabwicklung des Kaufvertrags über die Wohnung Nr. 21 und die Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrags über die Wohnung Nr. 6 an. Er hat behauptet, daß die beiden Wohnungen überteuert verkauft worden seien. Sämtliche Berechnungs - und Bewertungsgrundlagen hätten sich als falsch erwiesen. Die Wohnung Nr. 21 sei in Wirklichkeit nur 100.000 DM wert gewesen, die Wohnung Nr. 6 nur 60.000 DM. Die Wohnungen seien in erheblichem Umfang renovierungsbedürftig , während ihm versichert worden sei, die Wohnungen seien gerade renoviert worden. Auch seien derzeit noch verschiedene Verwalter tätig, was die Hausgelder verteure. Dies alles hätten die Geschäftsführer der Beklagten auch gewußt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt er seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint die Nichtigkeit der Kaufverträge nach § 138 BGB. Der Kläger habe schon nicht schlüssig dargetan, daß die beiden Wohnungen weit über Wert verkauft worden seien. Seine Behauptungen seien aus der Luft gegriffen. Der Kläger habe nicht dargelegt, weshalb ein hierzu von
der Beklagten vorgelegtes Gutachten unrichtig sein solle. Dies habe im einzel- nen dargelegt werden müssen.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstoßen und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der begünstigte Vertragspartner die schwächere Lage des anderen Teils bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt oder wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, daß sich der andere nur in Unkenntnis der wahren Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einläßt. Ist das Mißverhältnis besonders grob, so ist allein deswegen der Schluß auf bewußte oder grob fahrlässige Ausnutzung irgendeines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung zulässig. Von einem besonders groben Mißverhältnis ist auszugehen , wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung des Begünstigten (vgl. nur Senat, BGHZ 146, 298, 301, 302 m. w. N.; Senatsurt. v. 5. Oktober 2001, V ZR 237/00, NJW 2002, 429, 430 f.). Die tatsächliche Vermutung kann aber durch besondere Umstände erschüttert sein und damit nicht die Schlußfolgerung auf eine verwerfliche Gesinnung eröffnen. Solche Umstände können sich namentlich aus sachgerechten, eine Übervorteilung regelmäßig ausschließenden Bemühungen zur Ermittlung eines den
Umständen nach angemessenen Leistungsverhältnisses ergeben, wie etwa bei einem (fehlerhaften) Verkehrswertgutachten als Grundlage der Kaufpreisbemessung (Senat, BGHZ 146, 298, 305; Senatsurt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156 und v. 19. Juli 2002, V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, 3166).
2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht angewendet, weil der Kläger schon das grobe Mißverhältnis von Kaufpreis und Grundstückswert nicht schlüssig dargelegt habe. Damit hat das Berufungsgericht aber, wie die Revision mit Erfolg rügt, die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags überspannt.
a) Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und damit als Prozeßstoff erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das mit der Klage geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind. Das Gericht muß in der Lage sein, auf Grund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen. Der Sachvortrag bedarf im Hinblick auf die Erwiderung des Gegners nur dann der Ergänzung, wenn er infolge dieser Einlassung unklar wird und nicht mehr den Schluß auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zuläßt. Eine Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen darf nicht abgelehnt werden, wenn die Behauptung konkret genug ist, um eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen und die Erheblichkeit des Vorbringens zu
beurteilen (Senatsurt. v. 22. November 1996, V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270 und v. 20. September 2002, V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, jeweils m. w. N.). Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ohne Bedeutung (Senatsurt. v. 8. Mai 1992, V ZR 95/91, NJW 1992, 3106; und v. 14. Juni 1996, V ZR 150/95, NJW-RR 1996, 1402 jew. m.w.N.).
b) Richtig ist zwar der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, wonach es im Zivilprozeß wegen Rechtsmißbrauchs unzulässig ist, eine Behauptung ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam "ins Blaue hinein" aufzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 8. November 1995, VIII ZR 227/94, NJW 1996, 394; Urt. v. 13. März 1996, VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541, 1542; Urt. v. 1. Juli 1999, VII ZR 202/98, NJW-RR 2000, 208). Bei der Annahme eines solch mißbräuchlichen Verhaltens ist aber Zurückhaltung geboten; denn oftmals wird es einer Partei nicht erspart bleiben, in einem Zivilprozeß Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse haben kann, die sie nach Lage der Dinge aber für wahrscheinlich hält (BGH, Urt. v. 25. April 1995, VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111, 2112). In der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf einer Behauptung "ins Blaue hinein" rechtfertigen können (BGH, Urt. v. 25. April 1995, aaO).
c) Hieran gemessen überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen des Klägers. Ihm ist zwar einzuräumen, daß der Kläger in erster Instanz ein objektiv bestehendes grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in beiden Verträgen zwar behauptet, aber nicht näher erläutert hat. In zweiter Instanz hat er indessen vorgetragen, daß die
Wohnung Nr. 21 bei einem Kaufpreis von 410.000 DM nur 100.000 DM und die Wohnung Nr. 6 bei einem Kaufpreis von 200.000 DM nur 60.000 DM wert und dieser Umstand den Organen der Beklagten auch bekannt gewesen sei. Diese Behauptung wäre nur dann unbeachtlich, wenn diese Angaben ersichtlich aus der Luft gegriffen wären. Das ist, worauf die Revision mit Recht hinweist , nicht der Fall. Der Kläger hat sich in seiner Berufungsbegründung mit dem von Beklagtenseite vorgelegten Gutachten U. auseinandergesetzt und dargelegt, worin er dessen Fehler sieht. Sie sollen, was auch näher erläutert wird, in dem angesetzten Boden- und Ertragswert und vor allem darin liegen, daß in dem Gutachten ein guter Erhaltungszustand vorausgesetzt werde , wohingegen in Wirklichkeit erheblicher Sanierungsbedarf bestehe. Der Vortrag wird in das Wissen von Zeugen gestellt, die als Geschäftsführer der Fa. K. Grundbesitz-Verwaltungs-GmbH, welche die Wohnanlage „I. W. “ in B. verwaltet und betreut, Sachkenntnis haben sollen. Außerdem wird Augenscheins- und Sachverständigenbeweis angeboten. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts brauchte sich der Kläger nicht noch intensiver mit den Einzelheiten des der Preisbildung zugrundeliegenden Wertgutachtens auseinanderzusetzen. Dieses Gutachten ist nicht sonderlich ausführlich und bietet kaum mehr Ansatzpunkte für eine sachliche Auseinandersetzung , als sie der Kläger auch genutzt hat. Auch deshalb genügte es, wenn sich der Kläger mit den aus seiner Sicht wesentlichen Einwänden auseinandersetzte und dieses als Kaufanreiz qualifizierte. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, daß sein Vortrag wegen der unterschiedlichen Kaufpreise der zudem unterschiedlichen Wohnungen unstimmig sei. Denn der Kläger will gerade geltend machen, daß sie jetzt wegen des Erhaltungszustands wertmäßig nahezu gleichwertig geworden sind. Dem Vorbringen des Klägers läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß es ihm nur um eine Geldan-
lage gegangen sei. Denn dies steht der Annahme der Sittenwidrigkeit nicht von vornherein entgegen. Dies gilt auch für die Bereitschaft des Klägers, dem Vergleichsvorschlag des Landgerichts zu folgen. Die Bereitschaft einer Partei zur Annahme eines Vergleichsvorschlags des Gerichts hängt entscheidend davon ab, wie die Partei angesichts des Vorschlags ihre Prozeßaussichten beurteilt. Rückschlüsse darauf, wie der Wert der Wohnungen vor und bei Abschluß eines streitig gewordenen Kaufvertrags war, läßt eine solche Bereitschaft nicht zu.
3. Da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft die Durchführung einer Beweisaufnahme über die Höhe des von dem Kläger behaupteten Verkehrswertes unterlassen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch
(1) Zeigt sich im Laufe der Mietzeit ein Mangel der Mietsache oder wird eine Maßnahme zum Schutz der Mietsache gegen eine nicht vorhergesehene Gefahr erforderlich, so hat der Mieter dies dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Das Gleiche gilt, wenn ein Dritter sich ein Recht an der Sache anmaßt.
(2) Unterlässt der Mieter die Anzeige, so ist er dem Vermieter zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Soweit der Vermieter infolge der Unterlassung der Anzeige nicht Abhilfe schaffen konnte, ist der Mieter nicht berechtigt,
- 1.
die in § 536 bestimmten Rechte geltend zu machen, - 2.
nach § 536a Abs. 1 Schadensersatz zu verlangen oder - 3.
ohne Bestimmung einer angemessenen Frist zur Abhilfe nach § 543 Abs. 3 Satz 1 zu kündigen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.