Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2009 - VIII ZR 67/08

bei uns veröffentlicht am16.09.2009
vorgehend
Amtsgericht Kamen, 9 C 49/07, 15.08.2007
Landgericht Dortmund, 11 S 166/07, 24.01.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 67/08
vom
16. September 2009
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2009 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin
Dr. Milger, den Richter Dr. Achilles und die Richterin Dr. Fetzer

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe:

1
1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Voraussetzungen, unter denen einem ausländischen Mieter gegen den Vermieter ein Anspruch auf Genehmigung der Installation einer Parabolantenne zum Empfang ausländischer Fernseh- und Hörfunkprogramme zustehen kann, auch wenn das Haus mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet ist, sind durch die Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts geklärt (Senatsurteile vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 260/06, NJW 2008, 216; vom 16. Mai 2007 - VIII ZR 207/04, NJWRR 2007, 1243; vom 17. April 2007 - VIII ZR 63/04, WuM 2007, 380; vom 16. November 2005 - VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062; vom 2. März 2005 - VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596; BVerfGE 90, 27, 32 ff.; BVerfG, NJWRR 2005, 661; BVerfG, GE 2007, 902).
2
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
3
a) Einen Anspruch der Klägerin aus § 541 BGB auf Entfernung der von einem Nachbarn der Beklagten errichteten und in dessen Eigentum stehenden Satellitenempfangsanlage auf dem Dach des Hauses hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Der vertragswidrige Gebrauch der Mietsache durch die Beklagten besteht nicht in der Anbringung und Vorhaltung dieser Anlage, sondern darin, dass sie von ihrer Wohnung aus eine Zuleitung zu der Anlage gelegt haben. Mit Entfernung dieser Zuleitung, zu der die Beklagten durch die Vorinstanzen verurteilt worden sind, ist der vertragswidrige Gebrauch der Mietsache durch die Beklagten beendet.
4
b) Das Berufungsgericht hat auf die Widerklage der Beklagten auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, die Installation einer baurechtlich zulässigen Parabolantenne zum Empfang kurdischer Sender an einem von ihr zu bestimmenden Aufstellungsort zu genehmigen, soweit die Beklagten für die Versicherung Sorge tragen und die Rückbaukosten gegenüber der Klägerin sicherstellen.
5
Nach der oben (unter 1) aufgeführten Rechtsprechung ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das - gleichrangige - Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Die erforderliche Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 GG im konkreten Fall das Eigentumsrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG überwiegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar.
Das Berufungsgericht hat diese Abwägung ohne Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin vorgenommen.
6
aa) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagten, türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, durch den in ihrer Wohnung vorhandenen Anschluss an das Breitbandkabelnetz mittels zweier Zusatzpakete neun Programme in türkischer Sprache empfangen können, die sie neben der kurdischen Sprache ebenfalls beherrschen. Das Berufungsgericht hat in seine Abwägung rechtsfehlerfrei ein besonderes Interesse der Beklagten an den Vorgängen , an Sprache und Kultur ihrer kurdischen Heimatregion einbezogen und nicht lediglich darauf abgestellt, dass ihnen der Empfang eines Senders in kurdischer Sprache möglich sein müsse, obwohl sie auch türkisch sprechen. Dass allein der von den Beklagten benannte Sender Roj TV Programme in kurdischer Sprache und mit kurdischen Inhalten abstrahlt, räumt die Revision ausdrücklich ein. Das Interesse der Beklagten am Empfang des Senders Roj TV wird nicht dadurch aufgehoben, dass sie sich daneben über kurdische Themen aus anderen Quellen (Zeitungen, Internet) informieren können. Dass das Berufungsgericht gegenüber einer - eher geringen - rein optischen Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin durch die fachgerechte Anbringung einer Parabolantenne dem Informationsinteresse der Beklagten den Vorrang eingeräumt hat, ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
7
bb) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht auch zu Recht der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt, dass das Informationsinteresse der Beklagten deshalb nicht schützenswert ist, weil die von Roj TV ausgestrahlten Programme verfassungswidrig sind oder gegen das deutsche Strafrecht verstoßende Inhalte verbreiten. In dem Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2005, auf den die Klägerin verweist, ist der Sender Roj TV zwar als Fernsehsender der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten kurdischen Organisationen und Arbeiterpartei aufgeführt. Gleichzeitig ergibt sich aus dem Bericht jedoch, dass der Sender über eine dänische Sendelizenz verfügt.
8
Nach Art. 2a der Richtlinie 89/552/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, ABl. EG Nr. L 298 S. 23, zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007, ABl. EG Nr. L 332 S. 27, im Folgenden: Richtlinie) gewährleisten die Mitgliedstaaten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten (unter anderem Fernsehprogrammen) aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch diese Richtlinie koordiniert sind. Davon können sie bei Fernsehprogrammen nur unter eng begrenzten Voraussetzungen abweichen. Dementsprechend sieht § 23 des Landesmediengesetzes Nordrhein-Westfalen (GVBl. NRW 2002, 334) vor, dass in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union rechtmäßig veranstaltete Fernsehprogramme grundsätzlich in einer Kabelanlage zeitgleich, inhaltlich unverändert und vollständig weiterverbreitet werden dürfen.
9
Ob vor diesem Hintergrund im Rahmen der im Mietverhältnis für einen Anspruch des Mieters auf Genehmigung einer Parabolantenne erforderlichen Abwägung zwischen dessen Informationsinteresse und dem Eigentumsrecht des Vermieters bei einem Fernsehprogramm, das in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union lizenziert ist, überhaupt zulasten des Mieters berücksichtigt werden könnte, dass die Inhalte gegen das Grundgesetz oder das deutsche Strafrecht verstoßen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entschei- dung. Jedenfalls hat das Berufungsgericht angesichts dieser Rechtslage im Ergebnis zutreffend weitergehenden Vortrag der Klägerin zu unzulässigen, nicht mehr von einem legitimen Informationsinteresse der Beklagten gedeckten Programminhalten gefordert.
10
cc) Anders als die Revision meint, ist das Berufungsurteil schließlich auch nicht deshalb mit Rechtsfehlern behaftet, weil das Bundesinnenministerium durch Verfügung vom 13. Juni 2008 (Az: ÖS II 3 - 619 314 - 2/52, Bundesanzeiger 2008, 2142), also nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, gegenüber den Gesellschaften, die den Fernsehsender Roj TV betreiben, ein sofort vollziehbares Verbot einer Betätigung in Deutschland ausgesprochen hat. Allerdings können materiell-rechtliche Folgen von Umständen , die nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung eingetreten sind, in der Revisionsinstanz aus Gründen der Prozessökonomie zu berücksichtigen sein, sofern die Tatsachen unstreitig sind und nicht schützenswerte Belange einer Partei entgegenstehen (Senatsurteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 71/07, NJW 2008, 1661, Tz. 25; BGHZ 104, 215, 221). Das gilt insbesondere, wenn es sich bei den neuen Tatsachen um behördliche Akte oder gerichtliche Entscheidungen handelt (BGH, Urteil vom 3. April 1998 - V ZR 143/97, NJW-RR 1998, 1284, unter II 1; Urteil vom 12. Oktober 1984 - V ZR 31/83, MDR 1985, 394).
11
Die vorliegende Verbotsverfügung ist jedoch nicht bestandskräftig. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschlüsse vom 14. Mai 2009 (BVerwG, 6 VR 3.08 und 6 VR 4.08, juris) die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklagen , die die Betreiber gegen die Verbotsverfügung erhoben haben, wiederhergestellt. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, den Klagen könne eine Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden, weil viel dafür spreche, dass die von dem Ministerium herangezogenen deutschen Rechtsgrundlagen auf die grenzüberschreitende Sendetätigkeit nicht anwendbar seien, die Be- stimmung des deutschen Strafrechts, die das Ministerium durch den Sender verwirklicht sehe, sich nur auf in Deutschland ausgeübte Tätigkeiten beziehe und die Richtlinie für grenzüberschreitende Fernsehsendungen Mindestnormen enthalte, deren Einhaltung nicht vom "Empfangsstaat", sondern vom "Sendestaat" kontrolliert werde. Es steht deshalb nicht fest, ob die nach Schluss der mündlichen Verhandlung erlassene Verbotsverfügung Bestand haben wird. Das schließt es aus, sie aus prozessökonomischen Gründen zulasten der Beklagten im Revisionsverfahren zu berücksichtigen.
12
3. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Ball Dr.Frellesen Dr.Milger Dr.Fetzer Dr.Achilles Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG Kamen, Entscheidung vom 15.08.2007 - 9 C 49/07 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 24.01.2008 - 11 S 166/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2009 - VIII ZR 67/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2009 - VIII ZR 67/08

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2009 - VIII ZR 67/08 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 5


(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Fi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 541 Unterlassungsklage bei vertragswidrigem Gebrauch


Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2009 - VIII ZR 67/08 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2009 - VIII ZR 67/08 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Apr. 2007 - VIII ZR 63/04

bei uns veröffentlicht am 17.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZR 63/04 vom 17. April 2007 in dem Rechtsstreit Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Wolst sowie die Richterinnen Hermann

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Mai 2007 - VIII ZR 207/04

bei uns veröffentlicht am 16.05.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 207/04 Verkündet am: 16. Mai 2007 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerich

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2007 - VIII ZR 260/06

bei uns veröffentlicht am 10.10.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 260/06 Verkündet am: 10. Oktober 2007 Langendörfer-Kunz, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2008 - VIII ZR 71/07

bei uns veröffentlicht am 12.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 71/07 Verkündet am: 12. März 2008 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2009 - VIII ZR 67/08.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - VIII ZR 268/12

bei uns veröffentlicht am 14.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZR 268/12 vom 14. Mai 2013 in dem Rechtsstreit Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Frellesen und Dr. Achilles, die Richterin Dr

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2010 - VIII ZR 275/09

bei uns veröffentlicht am 21.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZR 275/09 vom 21. September 2010 in dem Rechtsstreit Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Frellesen und Dr. Achilles, die Richteri

Referenzen

Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 260/06 Verkündet am:
10. Oktober 2007
Langendörfer-Kunz,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verlangt der Vermieter von einem ausländischen Mieter (hier: türkischer
Staatsbürger alevitischen Glaubens) einer mit einem Breitbandkabelanschluss
ausgestatteten Wohnung die Entfernung einer auf dem Balkon der Wohnung
aufgestellten Parabolantenne, ist auch dann eine fallbezogene Abwägung des
Eigentumsrechts des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) mit den grundrechtlich
geschützten Interessen des Mieters erforderlich, wenn dieser sich nicht nur
auf sein Informationsrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG, sondern auch
auf das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 GG) beruft, weil
die im Breitbandkabelnetz angebotenen türkischsprachigen Programme nicht
über Inhalte des alevitischen Glaubens berichten.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 260/06 - LG Konstanz
AG Konstanz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Wiechers sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 8. September 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten, türkische Staatsangehörige alevitischen Glaubens, sind Mieter einer im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung der Klägerin in K. . Der Mietvertrag der Parteien vom 1. Mai 2001 enthält folgende von der Klägerin vorformulierte Klausel: "Ihre Wohnanlage hat Kabelanschluss und ist mit einer Satelliten-Anlage ausgestattet. Die Auswahl der zu empfangenden Programme wird vom Wohnungsunternehmen nach billigem Ermessen getroffen. Die Einrichtung einzelner Parabolantennen durch die Mieter ist grundsätzlich nicht gestattet."
2
In den Allgemeinen Vertragsbestimmungen, die Bestandteil des Mietvertrags sind, heißt es: "Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Mieter und im Interesse einer ordnungsmäßigen Bewirtschaftung des Hauses und der Wohnung bedarf der Mieter der vorherigen Zustimmung des Wohnungsunternehmens, wenn er …
f) Antennen anbringt oder verändert".
3
Über den in der Wohnung vorhandenen Anschluss an das Breitbandkabelnetz können mittels eines Decoders sechs staatliche türkische Fernsehsender empfangen werden. Diese berichten allerdings nicht über Inhalte des alevitischen Glaubens. Solche Informationen können nur mittels einer Parabolantenne von Sendern wie "Cem" oder "Halay" empfangen werden. Die Beklagten haben, nachdem sie zu Beginn des Mietverhältnisses eine Parabolantenne fest an der Fassade verschraubt, diese aber inzwischen wieder entfernt hatten, eine Parabolantenne auf einem Ständer auf dem Balkon der Wohnung aufgestellt.
4
Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem begehrt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die auf dem Balkon angebrachte Parabolantenne abzubauen und zu entfernen und es zu unterlassen, auf dem Balkon Antennen ohne Zustimmung der Klägerin zu installieren. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagten verurteilt , die von ihnen auf dem Balkon aufgestellte Parabolantenne zu entfernen sowie es zu unterlassen, ohne Genehmigung der Klägerin eine Antenne auf dem Balkon zu installieren; für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung hat das Berufungsgericht den Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € und ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
6
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Entfernung der Parabolantenne gemäß §§ 535, 541, 1004 Abs. 1 BGB zu. Die Parabolantenne auf dem Balkon der im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung sei von der Straße aus gut sichtbar. Sie befinde sich zwar auf einem beweglichen Ständer und sei nicht fest installiert, solle jedoch nicht in absehbarer Zeit entfernt werden. Durch die Größe und die Lage der Antenne werde das Erscheinungsbild des Gebäudes auf Dauer verändert und ästhetisch beeinträchtigt. Zudem liege unabhängig von einem Eingriff in die Gebäudesubstanz eine bauliche Veränderung vor. Durch den Eingriff in das ästhetische Erscheinungsbild der Wohnung werde das Eigentum der Klägerin beeinträchtigt.
7
Das Aufstellen der Parabolantenne stelle keinen vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne des § 535 Abs. 1 BGB dar. Es müsse daher von der Klägerin nicht ohne Genehmigung geduldet werden, unabhängig davon, ob die entsprechenden Klauseln des Mietvertrags wirksam seien. Eine Zustimmung der Klägerin hätten die Beklagten nicht bewiesen.
8
Den Beklagten stehe auch kein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung und Duldung der Antenne durch die Klägerin zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs sei im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des bürgerlichen Rechts eine fallbezogene Abwägung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG geschützten Interessen des Mieters, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, mit den von dem grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Eigentumsinteressen des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) vorzunehmen. Die dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer hätten zwar ein anerkennenswertes Interesse daran, die Programme ihres Heimatlandes zu empfangen, um sich über das dortige Geschehen zu unterrichten und die kulturelle und sprachliche Verbindung aufrecht erhalten zu können. Das Anwesen der Klägerin verfüge jedoch über einen Kabelanschluss, mit dem die Beklagten mittels eines Digitalreceivers sechs türkische Programme empfangen könnten. Bei dieser Sachlage sei den Beklagten unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Eigentumsrechte der Klägerin zuzumuten , die Kabelanlage als Zugang zu Programmen in türkischer Sprache zu nutzen.
9
Die Berücksichtigung von Art. 4 GG führe im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagten machten zwar unbestritten geltend, sie seien praktizierende Angehörige des alevitischen Glaubens und hätten daher ein besonderes Interesse an speziell auf ihre Religion und Kultur ausgerichteten privaten Fernsehprogrammen, das grundsätzlich durch Art. 4 GG geschützt sei. Auch insoweit sei jedoch eine Abwägung mit den Eigentumsinteressen des Vermieters erforderlich. Dabei sei zum einen zu berücksichtigen, dass von den beiden privaten Fernsehsendern Cem und Halay neben kulturellen und religiösen Sendungen auch Nachrichten, Spielfilme und sportliche Ereignisse gezeigt würden und damit das von den Beklagten im Rahmen des Art. 4 GG geltend gemachte besondere Informationsinteresse nur partiell bedient werde. Zum andern bleibe den Beklagten jede Möglichkeit, sich in anderer geeigneter Weise über Informationsmittel wie zum Beispiel Druckwerke, Radio, Internet und ähnliches sowie durch die aktive Praktizierung des alevitischen Glaubens in Deutschland am alevitischen Religions- und Kulturleben zu beteiligen. Dem gegenüber stehe der nicht unerhebliche Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläge- rin nach Art. 14 Abs. 1 GG. In der Abwägung sei dieser Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin gravierender als das Interesse der Beklagten, über das allgemeine Informationsinteresse hinaus im Rahmen der von ihnen ausgeübten Religion und Kultur in spezieller Art und Weise Informationen zu empfangen.
10
Im Ergebnis stehe den Beklagten daher kein Duldungsanspruch zu. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergebe sich ebenfalls aus §§ 535, 541, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB; die Wiederholungsgefahr werde durch den bisherigen Verstoß der Beklagten indiziert. Die Androhung des Ordnungsgeldes beruhe auf § 890 Abs. 2 ZPO.

II.

11
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat der Klägerin rechtsfehlerfrei einen Anspruch auf Entfernung der von den Beklagten aufgestellten Parabolantenne und auf Unterlassung der Installation einer neuen Antenne ohne Genehmigung der Klägerin zuerkannt. Grundlage für diesen Anspruch ist allerdings allein § 541 BGB, der nach einer – nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen – Entscheidung des Senats (Beschluss vom 17. April 2007 – VIII ZB 93/06, NJW 2007, 2180, unter III
1) im Mietverhältnis Vorrang hat vor § 1004 BGB.
12
1. Gemäß § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung fortsetzt. Der Anspruch umfasst auch die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes (Senatsurteile vom 16. Mai 2007 – VIII ZR 207/04, WuM 2007, 381, unter II 1, und vom 16. November 2005 – VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062, unter II 2). Was jeweils im Einzelnen zum ver- tragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört , richtet sich in erster Linie nach den Abreden der Parteien. Das Berufungsgericht hat zu Recht offen gelassen, ob das grundsätzliche Verbot der Einrichtung einzelner Parabolantennen und der Genehmigungsvorbehalt für Antennen zugunsten der Klägerin im Mietvertrag der Parteien wirksam sind. Denn auch für den Fall der Unwirksamkeit dieser Vertragsbestimmungen hat das Berufungsgericht das Aufstellen der Parabolantenne durch die Beklagten rechtsfehlerfrei als vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache beurteilt, auf dessen Genehmigung bzw. Duldung durch die Klägerin die Beklagten keinen Anspruch haben.
13
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 90, 27; Beschluss vom 24. Januar 2005 – 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661; Beschluss vom 17. März 2005 – 1 BvR 42/03, BayVBl 2005, 691) ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das – gleichrangige – Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Das erfordert in der Regel eine fallbezogene Abwägung der von dem eingeschränkten Grundrecht und dem grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Interessen, die im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des bürgerlichen Rechts (§§ 535 Abs. 1 Satz 1 und 2, 242 BGB) vorzunehmen ist (BVerfGE 90, 27, 32 ff.; BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2005, aaO, unter II 2 b aa; Senatsurteil vom 16. November 2005, aaO, unter III 1 m.w.N.). Nichts anderes kann gelten, soweit sich der Mieter – wie hier – zusätzlich darauf beruft, durch die Versagung der Zustimmung zur Aufstellung einer Parabolantenne werde sein Grundrecht auf Religionsfrei- heit (Art. 4 GG) beeinträchtigt. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
14
3. Die Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 GG und/oder sein Grundrecht auf Religionsfreiheit aus Art. 4 GG im konkreten Fall das Eigentumsrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG überwiegen , ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (Senatsurteile vom 16. November 2005, aaO, unter III 3, und vom 2. März 2005 – VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596, unter II 2 b). Das Berufungsgericht hat diese Abwägung ohne Rechtsfehler zu Lasten der Beklagten vorgenommen.
15
a) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe dabei das Eigentumsinteresse der Klägerin als Vermieterin und Eigentümerin der Wohnung deutlich überzogen gewürdigt.
16
aa) Entgegen der Darstellung der Revision ist es nicht von einem Eingriff in die Bausubstanz, sondern lediglich von einer ästhetischen Beeinträchtigung durch die auf dem Balkon mobil aufgestellte Parabolantenne ausgegangen. Soweit es daneben eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 WEG angenommen hat, kommt es darauf für das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter nicht an. Eine dauerhafte Veränderung des Erscheinungsbildes des Gebäudes , wie sie das Berufungsgericht aufgrund der Größe und der Lage der von den Beklagten installierten Antenne festgestellt hat, bedeutet unabhängig davon , ob sie im Wohnungseigentumsrecht als bauliche Veränderung zu qualifizieren ist, eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts des Vermieters (Senatsurteil vom 16. Mai 2007, aaO, unter II 3 a). Mehr oder weniger weitgehende optische Beeinträchtigungen mögen zwar, wie die Revision meint, zwangsläufig mit jeder Nutzung eines Gebäudes durch den Mieter verbunden sein; das än- dert jedoch nichts daran, dass sie das Eigentum des Vermieters tangieren. Ob bei einer Installation, die nach der Art und der Aufstellung der Antenne - anders als es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der derzeitigen der Fall ist - keine oder nur eine geringfügige optische Beeinträchtigung der Gebäudeansicht verursacht, das Eigentumsrecht der Klägerin hinter dem Informationsinteresse der Beklagten zurückstehen müsste und die Beklagten Anspruch auf Genehmigung einer Parabolantenne durch die Klägerin hätten, kann offen bleiben (vgl. Senatsurteil vom 16. Mai 2007, aaO).
17
bb) Unbegründet ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen (§ 286 ZPO), die Parabolantenne sei von ihnen auf dem Hinterhofbalkon aufgestellt worden. An der von der Revision angegebenen Stelle in der Berufungserwiderung heißt es zwar, "eine Beeinträchtigung der Ästhetik der Fassade des Mietobjekts liege durch die Aufstellung der Antenne im Innenbereich des Hinterhofbalkons (ohne Herausragen über das Balkongeländer) nicht vor". Die davon abweichende Feststellung des Berufungsgerichts, die Parabolantenne sei von der Straße aus gut sichtbar, wird jedoch, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, jedenfalls teilweise gedeckt durch das Foto von der Gebäudeansicht, das dem Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat. Danach befindet sich der Spiegel der Parabolantenne mit einem relativ großen Durchmesser sichtbar oberhalb der Balkonbrüstung im ersten Obergeschoss. Dementsprechend macht die Revision auch nicht mehr geltend, die Antenne rage nicht über das Balkongeländer hinaus.
18
Die Behauptung, sie befinde sich auf einem nicht zur Straßenfront des Gebäudes, sondern auf einem zu einem Hinterhof hinausgehenden Balkon, steht zu der tatrichterlichen Feststellung, sie sei von der Straße aus – das heißt allgemein aus dem öffentlichen Verkehrsraum, nicht unbedingt von der Straße vor dem Gebäude aus – gut sichtbar, nicht zwingend in Widerspruch. Im Übrigen handelt es sich bei dieser Feststellung um aus dem Berufungsurteil ersichtliches (unstreitiges) Parteivorbringen im Sinne des § 559 Abs. 1 ZPO, das gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als tatbestandliche Darstellung im Rahmen der Urteilsgründe an die Stelle des früheren förmlichen Tatbestandes des Berufungsurteils getreten ist. Dieses aus dem Berufungsurteil ersichtliche Parteivorbringen erbringt nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der Berufungsinstanz. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden. Selbst bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen "tatbestandlichen" Feststellungen und in Bezug genommenem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze ginge der "Tatbestand" vor. Eine etwaige Unrichtigkeit derartiger tatbestandlicher Darstellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden. Eine Verfahrensrüge nach §§ 286, 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO, die auf ein im Berufungsurteil nur allgemein in Bezug genommenes schriftsätzliches Vorbringen gestützt wird, kommt zur Richtigstellung eines derartigen Mangels nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 – II ZR 334/04, BGHReport 2007, 572, unter II).
19
b) Die Revision wendet ferner vergeblich ein, das Berufungsgericht habe die Interessen und Rechte der Beklagten nur unzureichend und rechtlich fehlerhaft gewürdigt. Dabei kann offen bleiben, ob das Grundrecht der Beklagten aus Art. 4 GG, also ihre Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs.1 GG) oder ihr Recht auf ungestörte Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG), überhaupt betroffen sind, soweit sie lediglich ein Recht auf Information über Inhalte des alevitischen Glaubens beanspruchen. Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, betrifft Art. 4 GG insbesondere die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, und die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten , und damit das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Leh- ren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfGE 108, 282, 297). Selbst wenn dennoch dadurch, dass den Beklagten der Zugang zu bestimmten Informationsquellen in Bezug auf ihre Religion verschlossen ist, – neben demjenigen oder anstelle desjenigen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG – der Schutzbereich von Art. 4 GG berührt ist, ist die Abwägung durch das Berufungsgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
20
aa) Das gilt entgegen der Ansicht der Revision zunächst, soweit es dem Umstand Bedeutung beigemessen hat, dass die von den Beklagten gewünschten Programme Cem und Halay nicht ausschließlich Inhalte des alevitischen Glaubens zum Gegenstand haben, sondern auch Nachrichten, Spielfilme und sportliche Ereignisse umfassen. Daraus folgt jedenfalls, dass diese Sender nicht für sich in Anspruch nehmen, speziell ein bestimmtes religiöses Interesse zu bedienen. Weiter durfte das Berufungsgericht auch berücksichtigen, dass den Beklagten andere Informationsträger wie Druckwerke und das Internet zur Verfügung stehen, um sich über ihren Glauben und ihre Kultur zu unterrichten. Die Beklagten machen nicht geltend, dass die genannten privaten Fernsehprogramme Inhalte vermittelten, von denen sie nicht auf andere zumutbare Weise Kenntnis erlangen könnten, oder dass ihnen diese Programme über die reine Informationsvermittlung hinaus eine besondere Möglichkeit zur Ausübung ihrer Religion oder zur Teilhabe an ihrer Kultur böten.
21
Dass die über das Breitbandkabelnetz empfangbaren türkischen Programme für die religiösen Bedürfnisse der Beklagten unzureichend sind, hat das Berufungsgericht in seine Abwägung einbezogen, indem es die Feststellung des Amtsgerichts zugrunde gelegt hat, diese Sender berichteten nicht über Inhalte des alevitischen Glaubens, derartige Inhalte verbreiteten nur Sender wie Cem und Halay. Ob dies darauf beruht, dass im Breitbandkabelnetz nur staatli- che Programme vertreten sind und dass der türkische Staat die alevitische Kultur nicht anerkennt, wie die Revision unter Hinweis auf entsprechenden Sachvortrag der Beklagten geltend macht, ist für die Feststellungen und die Wertungen des Berufungsgerichts zu den insgesamt gegebenen Informationsmöglichkeiten nicht von Bedeutung.
22
bb) Schließlich macht die Revision geltend, die Beklagten hätten bereits bei ihrem Einzug eine Parabolantenne angeschafft, als in ihrer Wohnung noch kein Breitbandkabelanschluss zur Verfügung gestanden habe; die Klägerin könne deshalb nicht verlangen, dass sie nunmehr eine Investition, die sie seinerzeit hätten tätigen dürfen, aufgäben, ohne deren Nutzen voll ausschöpfen zu können. Auch damit dringt die Revision nicht durch.
23
Sie beruft sich insoweit auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, nach dem zum Zeitpunkt des Einzugs der Beklagten in der Wohnung kein Breitbandkabelanschluss vorhanden gewesen ist. Das steht jedoch in Widerspruch zu den vom Amtsgericht ebenfalls in den Tatbestand aufgenommen, oben genannten Regelungen im Mietvertrag. Es ist weiter unvereinbar mit dem – von den Parteien zum Bestandteil des Mietvertrags erklärten und von den Beklagten gleichzeitig mit dem Mietvertrag unterzeichneten – Übergabeprotokoll , nach dem die Wohnung mit einem Anschluss an das Breitbandkabelnetz für Hörfunk/Fernsehen ausgestattet war. Die Revisionserwiderung weist deshalb zu Recht darauf hin, dass der Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils, auf den das Landgericht Bezug genommen hat, zur Frage des Zeitpunkts der Einrichtung des Breitbandkabelanschlusses in der Wohnung der Beklagten in sich widersprüchlich ist mit der Folge, dass ihm insoweit keine Beweiskraft (§ 314 ZPO) und damit auch keine Bindung für das Revisionsgericht zukommt (BGH, Urteil vom 19. November 1998 – IX ZR 116/97, NJW 1999, 641, unter II 1 a).
24
Sachvortrag der Beklagten, nach dem die von ihnen im Juni 2001 bezogene Wohnung ursprünglich nicht mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet war, zeigt die Revision nicht auf. Nach dem von der Revisionserwiderung angeführten erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten hatten diese lediglich die Parabolantenne, die sie bei ihrem Einzug auf dem Balkon installiert haben, vorher bereits in einer anderen von der Klägerin gemieteten Wohnung genutzt. Daraus lässt sich ein Anspruch auf Errichtung der Antenne auch in der neuen Wohnung nicht ableiten. Ball Wiechers Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Konstanz, Entscheidung vom 20.03.2006 - 9 C 940/05 -
LG Konstanz, Entscheidung vom 08.09.2006 - 11 S 52/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 207/04 Verkündet am:
16. Mai 2007
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Wolst,
die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin vom 1. Juni 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind Mieter einer der Klägerin gehörenden Wohnung in B. . Die Wohnung ist mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestattet. Die Beklagten stellten auf dem Balkon der Wohnung eine Parabolantenne auf. Sie steht jedenfalls seit Januar 2004 ohne feste Verbindung zum Gebäude auf dem Fußboden des Balkons. Gemäß § 5 des Mietvertrages vom 20. Juli 1998 gelten ergänzend Allgemeine und Besondere Vertragsbestimmungen der Klägerin. Nr. 3 der Besonderen Vertragsbestimmungen lautet: "(1) Ist die Wohnung an eine Gemeinschaftsantenne oder an eine mit einem Breitbandkabelnetz verbundene Verteilanlage angeschlossen, darf der Mieter außerhalb seiner Wohnung keine eigene Antenne für Hörfunk oder Fernsehen anbringen. (…)"
2
Nr. 7 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen lautet: "(1) Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Mieter und im Interesse einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Hauses und der Wohnung bedarf der Mieter der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Wohnungsunternehmens, wenn er (…)
e) Antennen anbringt oder verändert, (…) (2) Das Wohnungsunternehmen wird eine Zustimmung nicht verweigern, wenn Belästigungen anderer Hausbewohner und Nachbarn sowie Beeinträchtigungen der Mietsache und des Grundstücks nicht zu erwarten sind. (…)"
3
Die Klägerin forderte die Beklagten vergeblich zur Entfernung der Antenne auf. Mit ihrer im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Klage nimmt sie die Beklagten auf Entfernung der Parabolantenne sowie auf Unterlassung der Aufstellung oder Installation einer Parabolantenne in Anspruch. Sie behauptet, die Antenne sei weithin sichtbar und beeinträchtige das optische Erscheinungsbild des Hauses ständig und erheblich.
4
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie meinen, dass die Klägerin jedenfalls zu einer Genehmigung der Antennenaufstellung verpflichtet sei.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht (LG Berlin GE 2004, 1097) hat ausgeführt:
6
Durch Nr. 3 der Besonderen Vertragsbestimmungen sei der vertragsgemäße Gebrauch der Wohnung dahin eingeschränkt, dass die Beklagten außerhalb ihrer Wohnung keine Parabolantenne für Hörfunk oder Fernsehen anbringen dürften. Diese Allgemeine Geschäftsbedingung sei wirksam und umfasse auch das Aufstellen einer mobilen Parabolantenne auf dem Balkon. Der vertragsgemäße Gebrauch der Wohnung werde den Beklagten nur eingeschränkt gewährt. Das Verbot sei auch unter Berücksichtigung von Art. 5 des Grundgesetzes nicht zu beanstanden. Die Informationsinteressen der Beklagten seien in Abwägung ihrer Grundrechte mit den Interessen der Vermieterin an der Fassadengestaltung nicht beeinträchtigt und müssten zurückstehen. Über das Kabelnetz , dessen entgeltpflichtige Nutzung den Beklagten zumutbar sei, könnten sechs türkische Sender empfangen werden. Es könne dahinstehen, ob in das Kabelnetz ein griechischer Sender eingespeist werde. Dass der Beklagte zu 2. seine Kindheit in Griechenland verbracht habe, reiche für ein besonderes Interesse am Empfang griechischer Programme nicht aus, da er keine tieferen griechischen Wurzeln haben dürfte. Er habe auch nicht die griechische Staatsangehörigkeit angenommen.

II.

7
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen einen Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der auf dem Boden des Balkons aufgestellten Parabolantenne der Beklagten bejaht (§ 541 BGB).
8
1. Gemäß § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung fortsetzt. Der Anspruch umfasst auch die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes (Senatsurteil vom 16. November 2005 - VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062, unter II 2). Die Aufstellung einer mobilen Parabolantenne auf dem mitvermieteten Balkon der Wohnung ist vertragswidrig , wenn sie sich nicht im Rahmen des dem Mieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB zu gewährenden vertragsgemäßen Gebrauchs hält. Was jeweils im Einzelnen zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters von Wohnraum gehört, richtet sich in erster Linie nach den Abreden der Parteien. Maßgebend sind bei deren – auch ergänzender - Auslegung die gesamten Umstände des Mietverhältnisses , insbesondere die Mietsache in ihrer Eigenart und deren beabsichtigte Nutzung sowie die Verkehrssitte unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. OLG Karlsruhe WuM 1993, 525, 526; Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 535 Rdnr. 35).
9
2. Wie die Revision mit Erfolg rügt, ist das Berufungsgericht zu Unrecht der Auffassung, ein vertragswidriger Gebrauch liege schon deshalb vor, weil die Aufstellung einer Parabolantenne auf dem Balkon der an die Beklagten vermieteten Wohnung durch Nr. 3 der Besonderen Vertragsbestimmungen der Klägerin untersagt sei.
10
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Regelung die hier vorliegende Fallgestaltung überhaupt erfasst, weil es zum einen wegen der mobilen Aufstellung bereits an einer Anbringung im Sinne der Klausel fehlen, zum anderen aber auch der mitvermietete Balkon als Teil der Wohnung anzusehen sein könnte (§ 305c Abs. 2 BGB). Nr. 3 der Besonderen Vertragsbestimmungen hält in jeder der in Betracht kommenden Auslegungsalternativen einer Inhaltskontrolle nicht stand (§ 307 BGB; BGHZ 106, 42, 44 f.), weil die Klausel dem Mieter die Anbringung einer eigenen Antenne immer und ausnahmslos dann untersagt , wenn die Wohnung an eine Gemeinschaftsantenne oder an eine mit einem Breitbandkabelnetz verbundene Verteilanlage angeschlossen ist.
11
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 90, 27 ff.; BVerfG NJW-RR 2005, 661; BVerfG, Beschluss vom 17. März 2005 - 1 BvR 42/03, BeckRS 2005, Nr. 25459) ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in zivilgerichtlichen Streitigkeiten über die Anbringung von Satellitenempfangsanlagen an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das - gleichrangige - Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Das erfordert in der Regel eine fallbezogene Abwägung der von dem eingeschränkten Grundrecht und dem grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten Interessen, die im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des bürgerlichen Rechts (§ 535 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 242 BGB) vorzunehmen ist. Diese Grundsätze fordern eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, für die sich jede schematische Lösung verbietet (Senatsurteil vom 16. November 2005, aaO, unter III 1 m.w.N.).
12
Die in Nr. 3 der Besonderen Vertragsbedingungen der Klägerin getroffene Regelung schließt die Vornahme einer solchen Abwägung von vornherein aus. Sie umfasst auch Fälle, in denen ein (ausländischer) Mieter aufgrund seiner grundrechtlich geschützten Interessen einen Anspruch auf die Anbringung oder Aufstellung einer Parabolantenne hat, weil sein Interesse am Empfang von Programmen seines Herkunftslandes nicht - wie beispielsweise bei Mietern mit türkischer Staatsangehörigkeit in Berlin (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 661, 663) - durch ein kostenpflichtiges zusätzliches digitales Kabelprogramm gedeckt werden kann. Sie ist deshalb wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters insgesamt unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB; vgl. auch LG Essen WuM 1998, 344).
13
3. Es kann dahinstehen, ob das Aufstellen einer mobilen Antenne auf dem Balkon der Mietwohnung gemäß Nr. 7 Abs. 1 e), Abs. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen der Klägerin unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Klägerin steht oder ob diese Regelung die hier vorliegende Fallgestaltung von vornherein nicht erfasst, weil es an einem Anbringen im Sinne der Klausel fehlt, die - beispielsweise für Schilder gemäß Nr. 7 Abs. 1 b) und für Waschmaschinen , Trockenautomaten und Geschirrspülmaschinen gemäß Nr. 7 Abs. 1 d) - ausdrücklich zwischen Anbringen, Abstellen und Aufstellen unterscheidet (§ 305c Abs. 2 BGB; vgl. auch LG Berlin GE 2003, 1330). Es kann ferner dahinstehen , ob - wie die Revision meint - die Regelung in Verbindung mit Nr. 3 der Besonderen Vertragsbedingungen intransparent und schon deshalb unwirksam ist (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB) oder ob sich ihre Unwirksamkeit daraus ergibt, dass sie alle vom Mieter auch innerhalb der Wohnung angebrachten Antennen, von denen eine Beeinträchtigung der Interessen des Vermieters von vornherein nicht ausgehen kann, umfasst (vgl. LG Berlin GE 2003, 1330). Die Klägerin hat zwar einer Aufstellung der Antenne durch die Beklagten, wie es in Nr. 7 Abs. 2 ihrer Allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehen ist, nicht zugestimmt. Ihre Klage ist aber in jedem Fall unbegründet, wenn den Beklagten ein Anspruch auf Duldung der Antenne zusteht. Ist Nr. 7 Abs. 1 e), Abs. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar oder unwirksam, fehlt es an einem vertragswidrigen Gebrauch durch die Beklagten , wenn die Klägerin verpflichtet ist, die Antenne zu dulden. Ist Nr. 7 Abs. 1 e), Abs. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen dagegen anwendbar, kann sich die Klägerin auf ihre fehlende Zustimmung nicht berufen, wenn sie diese hätte erteilen müssen (Senatsurteil vom 16. November 2005, aaO, unter II 2 a). Ob ein Anspruch der Beklagten auf Duldung der Antenne besteht, kann im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht abschließend beurteilt werden, weil es dazu an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen fehlt.
14
a) Der Wohnung kommt als Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen besondere Bedeutung zu. Auf den Gebrauch der Wohnung ist der Mieter zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen. Das verpflichtet die Mietvertragsparteien nicht nur zu größtmöglicher Rücksichtnahme, sondern gebietet ihnen auch, bei nur unerheblicher Beeinträchtigung der eigenen Belange den Interessen des anderen Vertragsteils Vorrang einzuräumen. Bei Wohnraummietverhältnissen ist demnach das Ermessen des Vermieters durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebunden, der es gebietet, dass der Vermieter nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter Einrichtungen versagt, die diesem das Leben in der Mietwohnung angenehmer gestalten können, durch die er als Vermieter nur unerheblich beeinträchtigt und durch die die Mietsache nicht verschlechtert wird (BVerfG NJW 1992, 493, 494; Senatsurteil vom 25. März 1964 - VIII ZR 211/62, WM 1964, 563, unter II 1; BayObLG NJW 1981, 1275, 1277; OLG Karlsruhe WuM 1993, 525, 526).
15
Bei der Verfügbarkeit eines Kabelanschlusses ist allerdings regelmäßig ein sachbezogener Grund zur Versagung der Genehmigung einer zusätzlichen Parabolantenne gegeben (Senatsurteil vom 16. November 2005, aaO, unter III 2 a m.w.N.). Dies gilt auch für ständig in Deutschland lebende Ausländer, wenn diese ihr Informationsinteresse am Empfang von Programmen ihrer Herkunftsländer durch Bezug eines zusätzlichen digitalen Kabelprogramms befriedigen können (BVerfG NJW-RR 2005, 661, 662; BVerfG, Beschluss vom 17. März 2005, aaO; Senatsurteil vom 2. März 2005 - VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596, unter II 2 b).
16
Wenn aber weder eine Substanzverletzung noch eine nennenswerte ästhetische Beeinträchtigung des Eigentums des Vermieters zu besorgen ist, sondern die Antenne keine oder lediglich geringfügige optische Beeinträchtigungen verursacht, beispielsweise weil sie im Innern des Gebäudes am Fenster (vgl. AG Gladbeck NZM 1999, 221 f.) oder auf dem Fußboden im hinteren Bereich auf einem durch Vorder- und Seitenwände sichtgeschützten Balkon aufgestellt ist (vgl. AG Herne-Wanne WuM 2001, 277; AG Siegen WuM 1999, 454; Schmid/Harsch, Mietrecht, 2006, § 535 Rdnr. 233; weitergehend LG Hamburg WuM 1999, 454; LG Berlin GE 2003, 1330; Staudinger/Emmerich, aaO, § 535 Rdnr. 47; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 535 Rdnr. 216; MünchKommBGB /Schilling, 4. Aufl., § 535 Rdnr. 87), kann der Vermieter wegen des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interesses des Mieters am zusätzlichen Empfang von (ausländischen) Satellitenprogrammen (vgl. BVerfGE 90, 27, 32 f.) nach Treu und Glauben verpflichtet sein, einer solchen Aufstellung zuzustimmen (§ 242 BGB). Anders kann es dagegen liegen, wenn eine auf dem Balkon aufgestellte Parabolantenne von außen deutlich sichtbar ist und dadurch zu einer ästhetischen Beeinträchtigung des im Eigentum des Vermieters stehenden Gebäudes führt (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 661, 662; BVerfG, Beschluss vom 17. März 2005, aaO).
17
b) Dies hat das Berufungsgericht vorliegend verkannt. Es ist - wie die Revision zu Recht rügt - ohne weiteres von einer Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Gebäudes ausgegangen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu dem Ausmaß der durch die Antenne konkret verursachten optischen Beeinträchtigung zu treffen und ohne sich mit der Feststellung des Amtsgerichts auseinanderzusetzen, die ohne Eingriff in die Bausubstanz auf dem Boden des - wie auf den vorgelegten Lichtbildern erkennbar ist - sichtgeschützten Balkons aufgestellte Antenne wirke von außen nicht störender als ein Klapptisch. Es hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass eine - revisionsrechtlich zu unterstellende - von außen kaum erkennbare und im Verhältnis zu der zulässigen Aufstellung von beispielsweise Gartenmöbeln und der restlichen Fassadengestaltung nicht weiter ins Gewicht fallende optische Beeinträchtigung des Gebäudes der Klägerin ohne weiteres das durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Interesse der Beklagten am Empfang der von ihnen ausgewählten ausländischen Satellitenprogramme überwiege.
18
c) Nach alledem kommt es auf die - von der Revision nicht angegriffene - Feststellung des Berufungsgerichts nicht an, ein besonderes Interesse des Beklagten zu 2. am Empfang griechischer Programme mittels der Parabolantenne bestehe nicht.

III.

19
Aus den dargelegten Gründen kann die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Das Berufungsurteil ist daher auf die Revision der Beklagten aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen zu dem Ausmaß der durch die Antenne konkret verursachten optischen Beeinträchtigungen und die Abwägung der widerstreitenden, grundrechtlich geschützten Interessen der Parteien nachzuholen haben. Ball Dr. Wolst Hermanns Dr. Milger Dr. Koch
Vorinstanzen:
AG Neukölln, Entscheidung vom 09.02.2004 - 4 C 302/03 -
LG Berlin, Entscheidung vom 01.06.2004 - 64 S 117/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 63/04
vom
17. April 2007
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Wolst sowie die Richterinnen
Hermanns und Dr. Milger
einstimmig beschlossen:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 13. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Der Streitwert wird auf 1.000,- € festgesetzt.

Gründe:

1
Die Revision ist gemäß § 552a ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und das Rechtsmittel darüber hinaus keine Aussicht auf Erfolg bietet.
2
Zur Begründung wird auf den Hinweis der damaligen Vorsitzenden vom 13. Juni 2006 Bezug genommen (§ 552a Satz 2, § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO). Die Ausführungen der Revision im Schriftsatz vom 22. Juni 2006 rechtfertigen keine andere Beurteilung.
3
1. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht bei der von ihm vorgenommenen Interessenabwägung nicht von vornherein den Eigen- tumsinteressen der Beklagten Vorrang vor den Informationsinteressen der Kläger eingeräumt. Es hat vielmehr das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentumsinteresse der Beklagten an der auch optisch ungeschmälerten Erhaltung ihres Wohnhauses (vgl. BVerfGE 90, 27, 33 f.) und die Informationsinteressen der Kläger berücksichtigt und die erforderliche einzelfallbezogene Interessenabwägung vorgenommen. Diese ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar und lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Verfügbarkeit eines Kabelanschlusses regelmäßig ein sachbezogener Grund zur Versagung der Genehmigung einer Parabolantenne gegeben ist (Senatsurteil vom 16. November 2005 - VIII ZR 5/05, NJW 2006, 1062, unter III 2 a). Dies gilt auch für ständig in Deutschland lebende Ausländer, wenn diese ihr Informationsinteresse am Empfang von Programmen ihrer Heimatländer durch Bezug eines zusätzlichen digitalen Kabelprogramms befriedigen können (Senatsurteil vom 2. März 2005 - VIII ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596, unter II 2 b).
4
So liegt es hier. Dem Informationsbedürfnis der Kläger ist entgegen der Ansicht der Revision Genüge getan. Die Kläger haben selbst vorgetragen, dass sie mit Hilfe eines Decoders drei spanische Fernsehsender - TVE Internacional, Canal 24 Horas und TVE Internacional Asia-Africa - und mit Hilfe eines zusätzlich zum Decoder zu erwerbenden Schlüssels weitere vier spanische Fernsehsender - Canal Clasico, Tele Deporte, Canal Nostalgia und Grandes Documentales (GA, Blatt 29) - empfangen können. Der Empfang von insgesamt sieben Fernsehsendern ihres Herkunftslandes reicht jedenfalls aus, um das bestehende Informationsinteresse der Kläger zu befriedigen, auch wenn sich die Programminhalte dreier dieser Sender überschneiden sollten (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 661, 662; BVerfG, Beschluss vom 17. März 2005, BeckRS 2005, Nr. 25459; Senatsurteil vom 2. März 2005, aaO, unter II 2 b). Dem steht nicht entgegen, dass den Klägern für den Bezug von zusätzlichen Programmpaketen Zusatzkosten entstehen. Die Informationsfreiheit gewährleistet den Zugang zu Informationsquellen im Rahmen der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), aber nicht dessen Kostenlosigkeit (BVerfG NJW-RR 2005, 661, 662; BVerfG, Beschluss vom 17. März 2005, aaO). Dass ihnen die Aufbringung der für die entsprechenden Programmpakete zu entrichtenden Zusatzkosten nicht möglich ist (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 661, 662; BVerfG, Beschluss vom 17. März 2005, aaO), haben die Kläger nicht dargelegt.
5
2. Das Berufungsgericht hat auch den Vortrag der Kläger, im Haus und in der Nachbarschaft verfügten mehrere Familien über eine Satellitenempfangsanlage , bei seiner Interessenabwägung nicht rechtsfehlerhaft übergangen. Auf an Häusern in der Nachbarschaft angebrachte Parabolantennen kommt es bei der Abwägung der Interessen der Parteien nicht an. Soweit sich am Gebäude der Beklagten - wie in der Revisionsinstanz durch die vorgelegten Bilder unstreitig geworden ist - drei Parabolantennen befinden, ist ebenfalls unstreitig, dass die beiden auf dem Dach angebrachten Antennen Teil der Breitbandanlage sind, über welche insgesamt 60 Mietwohnungen der Beklagten über das Breitbandkabelnetz mit Hörfunk- und Fernsehprogrammen versorgt werden, und dass die Beklagte den Mieter, der die dritte Antenne am Gebäude angebracht hat, auf Entfernung derselben in Anspruch nimmt. Ein Anspruch der Kläger, ihrerseits eine Parabolantenne am Gebäude anbringen zu dürfen, lässt sich daraus nicht herleiten. Ball Wiechers Dr. Wolst Hermanns Dr. Milger
Vorinstanzen:
AG Arnsberg, Entscheidung vom 22.10.2003 - 12 C 93/03 -
LG Arnsberg, Entscheidung vom 13.01.2004 - 5 S 131/03 -

Setzt der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung des Vermieters fort, so kann dieser auf Unterlassung klagen.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 71/07 Verkündet am:
12. März 2008
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 550, 573c Abs. 1 und 4; EGBGB Art. 229 § 3 Abs. 10 Satz 2;

a) Im Rahmen eines am 1. September 2001 bestehenden Mietverhältnisses
über Wohnraum, das auf bestimmte Zeit eingegangen und bei dem formularmäßig
vereinbart ist, dass es sich jeweils um einen bestimmten Zeitraum
verlängert, wenn es nicht mit einer in Anlehnung an § 565 Abs. 2 Satz 2 BGB
a.F. vertraglich vereinbarten, nach Mietdauer gestaffelten Frist gekündigt
wird, gilt für den Vermieter unverändert die vereinbarte Kündigungsfrist. Dem
stehen § 573c Abs. 4 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 3 Abs. 10 Satz 2
EGBGB nicht entgegen, weil nach § 573c Abs. 4 BGB eine von § 573c
Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung nur "zum Nachteil des Mieters" unwirksam
ist.

b) Ist dem Mieter als Nebenraum zu der vermieteten Wohnung ein nicht näher
bezeichneter Kellerraum ("… 1 Keller …") vermietet, so unterliegt eine mündliche
Absprache der Mietvertragsparteien darüber, um welchen von mehreren
, im Wesentlichen gleichartigen Kellerräumen es sich handelt, nicht dem
Schriftformerfordernis des § 550 BGB.

c) Das Revisionsgericht hat bei der Entscheidung über eine Klage auf Räumung
und Herausgabe von Mieträumen, die auf eine Kündigung des Mietverhältnisses
gestützt wird, den während des Revisionsverfahrens eingetretenen
Ablauf der Kündigungsfrist zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 71/07 - LG Gießen
AG Gießen
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß
§ 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 25. Januar 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Ball, den Richter Wiechers sowie die Richterinnen Hermanns,
Dr. Milger und Dr. Hessel

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Gießen - 1. Zivilkammer - vom 14. Februar 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist aufgrund eines Mietvertrags vom 16. August 1979 mit den Rechtsvorgängern der Kläger seit dem 1. September 1979 Mieterin einer Wohnung in G. . Die Mietsache ist im Mietvertrag wie folgt beschrieben: "1. Obergeschoss …: 4 Zimmer, 1 Küche, 1 Diele (Flur),1 Bad/Duschraum, … 1 Keller….". Unter § 2 (Mietzeit) ist bestimmt: "3. Der Mietvertrag wird für die Dauer von 36 Monaten geschlossen und läuft bis zum 31. August 1982. Er verlängert sich um jeweils 12 Monate, falls er nicht von den Parteien mit den Fristen der Ziff. 4 gekündigt wird. 4. Die Kündigungsfrist beträgt … 12 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 10 Jahre vergangen sind."
2
Im Keller befinden sich neben der Waschküche, dem Heizungskeller und einem Vorraum vier weitere Kellerräume, die zwischen zehn und vierzehn Quadratmeter groß sind. Bei Mietbeginn erhielt die Beklagte den Schlüssel zu einem dieser Räume.
3
Mit Anwaltsschreiben vom 30. September 2005 kündigten die Kläger das Mietverhältnis unter Berufung auf Eigenbedarf. Im Kündigungsschreiben heißt es unter anderem: "Die Kündigung erfolgt zum nächst zulässigen Termin. Dies entspricht bei Zugrundelegung der Kündigungsfrist von neun Monaten einem Kündigungstermin zum 30. Juni 2006."
4
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Räumungsverlangen weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
7
Das Amtsgericht habe zu Recht einen gegenwärtigen Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung nach § 546 Abs. 1 BGB verneint. Das Mietverhältnis habe sich am 31. August 2006 nochmals um ein Jahr bis zum 31. August 2007 verlängert, weil es von den Klägern nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist zum 31. August 2006 gekündigt worden sei.
8
Das Mietverhältnis könne von den Klägern lediglich zum 31. August eines jeden Jahres gekündigt werden. Das folge aus § 2 Ziffer 3 des Mietvertrags , wonach das am 1. September 1979 begonnene Mietverhältnis am 31. August 1982 ende und sich jeweils um ein Jahr verlängere, wenn es nicht gekündigt werde. Die nach § 2 Ziffer 4 einzuhaltende Frist, die für die Kläger zwölf Monate betragen habe, weil das Mietverhältnis seit mehr als zehn Jahren bestehe, sei auf den 31. August eines jeden Jahres als Stichtag bezogen. Die Kündigung vom 30. September 2005 zum 31. August 2006 habe diese Frist nicht gewahrt.
9
Die in § 2 Ziffer 3 und 4 des Mietvertrags getroffenen Vereinbarungen seien wirksam, soweit sie nicht zu Lasten des Mieters gingen. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 573c Abs. 4 BGB erfüllt, wonach eine von Abs. 1 abweichende Vereinbarung unwirksam sei. Denn nach § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB sei die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig. Die Regelung in § 2 Ziffer 3 des Mietvertrags stehe hiermit nicht in Einklang, weil die Klausel eine Kündigung nicht zum Ende eines beliebigen Kalendermonats - wie es das Gesetz vorsehe -, sondern lediglich zum 31. August eines jeden Jahres zulasse. Die Vorschrift des § 573c Abs. 4 BGB finde nach der in Art. 229 § 3 Abs. 10 Satz 2 EGBGB enthaltenen Übergangsregelung Anwendung, weil die Kündigungsfristen im Mietvertrag durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart worden seien. Nach § 573c Abs. 4 BGB seien aber nur die zum Nachteil des Mieters getroffenen Vereinbarungen unwirksam. Daher sei die vertragliche Vereinbarung nur insoweit unwirksam, als die Kündigungsmöglichkeiten des Mie- ters über § 573c Abs. 1 BGB unwirksam seien. Im Ergebnis blieben die Kläger an die längeren vertraglichen Kündigungsfristen gebunden.
10
Unzutreffend sei die Ansicht der Kläger, dass der schriftliche Mietvertrag die vermieteten Räumlichkeiten, nämlich die Lage des Kellerraums, nicht genau bezeichne, mit der Folge, dass die Schriftform nicht eingehalten sei, das Mietverhältnis gemäß § 550 BGB nF daher als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte und mit den gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden könne. Die Schriftform sei gewahrt. Ein für längere Zeit als ein Jahr geschlossener Mietvertrag im Sinne von § 550 BGB genüge dann der Schriftform, wenn sich die wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere Mietgegenstand, Miethöhe sowie die Dauer des Mietverhältnisses - aus der Vertragsurkunde ergäben. Das Mietobjekt müsse durch präzise Angaben über die Örtlichkeit hinreichend bestimmbar bezeichnet sein. Abreden, die für den Inhalt des Vertrags nur von nebensächlicher Bedeutung seien, bedürften aber nicht der Schriftform.
11
Sollten sich die damaligen Vertragsparteien bei Abschluss des Mietvertrags nicht darüber einig gewesen sein, welcher der Kellerräume an die Beklagte vermietet werden solle, so könne eine stillschweigende Vereinbarung der Parteien dahin angenommen werden, dass den damaligen Vermietern ein Bestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB eingeräumt werden solle, welches die damaligen Vermieter durch schlüssige Handlung, etwa durch die Schlüsselübergabe , ausgeübt hätten. Eine Bestimmung nach § 315 Abs. 2 BGB sei auch bei einem formbedürftigen Rechtsgeschäft formlos gültig.
12
Selbst wenn sich die Mietvertragsparteien ohne Einhaltung der Schriftform über die bestimmte Lage des Kellerraums geeinigt hätten, führe dies nicht dazu, dass nunmehr der gesamte Mietvertrag gemäß § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen anzusehen sei. Die Vereinbarung, welcher der - vorliegend annähernd gleich großen - Kellerräume von dem Mieter genutzt werden solle, zähle nicht zu den Essentialia des Mietvertrags, die dem Formzwang des § 550 BGB unterlägen. Vorliegend habe jede der drei in dem Anwesen befindlichen Wohnungen auch einen dazugehörigen Kellerraum. Welcher der vier Kellerräume einer Wohnung zuzuordnen sei, sei für einen etwaigen Grundstückserwerber allenfalls von marginaler Bedeutung. Es erscheine daher gerechtfertigt , das Schriftformerfordernis für die genaue Lage des Kellerraums nicht gelten zu lassen.

II.

13
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung zwar stand, trägt das angefochtene Urteil wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Ablaufs der Kündigungsfrist jedoch nicht.
14
1. Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass eine Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund der Kündigungserklärung vom 30. September 2005 nicht bereits zum 30. Juni 2006 möglich war.
15
a) Dies ergibt sich aus der am 1. September 2001 außer Kraft getretenen , auf den vorliegenden Fall gemäß Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB aber weiterhin anzuwendenden Bestimmung des § 565a Abs. 1 BGB in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung (künftig BGB aF). Danach können die Kläger das Mietverhältnis nur zu dem im Vertrag vereinbarten Ablauftermin, hier dem 31. August eines jeden Jahres, kündigen (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 2007 - VIII ZR 257/06, NJW 2007, 2760).
16
aa) Mit dem im August 1979 geschlossenen Vertrag sind die Parteien ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen, bei dem vereinbart ist, dass es sich mangels Kündigung jeweils um zwölf Monate verlängert. Bei solchen Zeitverträgen mit Verlängerungsklausel tritt gemäß § 565a Abs. 1 BGB aF "die Ver- längerung des Mietverhältnisses ein, wenn es nicht nach den Vorschriften des § 565 BGB gekündigt wird". Dem entspricht die Regelung in § 2 Nr. 4 des Mietvertrags , nach der sich der am 31. August 1982 ablaufende Mietvertrag jeweils um zwölf Monate verlängert, falls er nicht zum Ablauf einer näher bestimmten Kündigungsfrist gekündigt wird; die vereinbarten Kündigungsfristen entsprechen denen des § 565 Abs. 2 Satz 2 BGB aF. Eine solche vertragliche Regelung war nach dem bis zum 31. August 2001 geltenden Recht wirksam; sie verstieß insbesondere nicht gegen § 565 Abs. 2 Satz 4 BGB aF (Senatsurteile vom 20. Juni 2007, aaO, Tz. 9; vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 145/06, NJW-RR 2007, 668, Tz. 10).
17
bb) Wie der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils entschieden hat, haben das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) und das Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 26. Mai 2005 (BGBl. I S. 1425) diese Rechtslage für ein am 1. September 2001 bereits bestehendes Mietverhältnis wie das vorliegende nicht geändert. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB ist § 565a Abs. 1 BGB aF auf ein am 1. September 2001 bestehendes Mietverhältnis auf bestimmte Zeit in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Um ein Mietverhältnis auf bestimmte Zeit im Sinne von § 565a Abs. 1 BGB aF handelt es sich auch dann, wenn der ursprüngliche Ablauftermin verstrichen ist. Nach diesem Termin setzt sich das Mietverhältnis nicht auf unbestimmte Zeit fort, sondern verlängert sich jeweils um zwölf Monate (Senatsurteil vom 20. Juni 2007, aaO, Tz. 10 ff.). Zum Zeitpunkt der Kündigung am 30. September 2005 war mithin mangels vorheriger Kündigung der nächste Ablauftermin der 31. August 2006.
18
b) Zu Unrecht meint die Revision, die Kündigung der Kläger vom 30. September 2005 habe das Mietverhältnis deshalb zum 30. Juni 2006 been- den können, weil der Mietvertrag wegen eines Mangels der Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB566 Satz 2 BGB aF) als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelte und deshalb gemäß § 542 Abs. 1 BGB mit der gemäß § 573c Abs. 1 Satz 2 BGB maßgeblichen Frist von neun Monaten habe ordentlich gekündigt werden können. Die Revision begründet ihre Auffassung damit, dass Lage und Größe des der Beklagten überlassenen Kellerraums im schriftlichen Mietvertrag nicht bestimmt seien. Mit Recht hat das Berufungsgericht insoweit darauf abgestellt , dass die Lage des Kellerraums und seine Größe nicht beurkundungsbedürftig waren.
19
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Schriftform des § 550 BGB allerdings nur gewahrt, wenn sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen , unter anderem der Mietgegenstand, die Höhe der Miete und die Parteien des Mietverhältnisses, aus der Urkunde ergeben. Der Schriftform bedürfen hingegen nicht solche Abreden, die für den Vertragsinhalt, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind (BGHZ 142, 158, 161 f.; BGH, Urteil vom 19. September 2007 - XII ZR 198/05, NJW 2008, 365, Tz. 11, jeweils m.w.N.).
20
Dass der Beklagten ein Kellerraum zustehen sollte, ist im schriftlichen Mietvertrag geregelt ("…1 Keller…"). Damit sind die Anforderungen an die Schriftform im vorliegenden Fall gewahrt. Das Berufungsgericht hat zwar offen gelassen, ob sich die Parteien bei Abschluss des Mietvertrags mündlich darüber geeinigt haben, welcher der vier im Wesentlichen gleichartigen Kellerräume künftig von der Beklagten genutzt werden sollte. Darauf kommt es indes nicht an.
21
aa) Sofern sich die Vertragsparteien nicht mündlich über die Nutzung eines bestimmten Kelleraums durch die Beklagte geeinigt haben, haben sie mit der Vereinbarung im schriftlichen Mietvertrag, dass der Beklagten ein - nicht näher bestimmter - Kellerraum zustehen soll, zugleich ein Leistungsbestimmungsrecht des Vermieters im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB vereinbart und beurkundet. Vertragsinhalt, der grundsätzlich aus der Sicht des Zeitpunkts der Unterzeichnung zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 2. Mai 2007 - XII ZR 178/04, WM 2007, 1993, Tz. 26), ist in einem solchen Fall, dass der Vermieter dem Mieter einen Kellerraum zuweist, wenn - wie hier - mehrere Kellerräume zur Verfügung stehen (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 535 BGB Rdnr. 28). Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 315 Abs. 2 BGB - hier in Gestalt der Zuweisung des Kellerraums - bedarf regelmäßig keiner Form (BGH, Urteil vom 8. November 1968 - V ZR 58/65, WM 1968, 1394, unter II b; BGH, Urteil vom 21. Oktober 1983 - V ZR 121/82, NJW 1984, 612, unter II 2 m.w.N.; MünchKommBGB/Gottwald, 5. Aufl., § 315 Rdnr. 34; Palandt/ Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 315 Rdnr. 11; Staudinger/Rieble, BGB (2004), § 315 Rdnr. 272).
22
bb) Sofern sich die Vertragsparteien dagegen mündlich auf die Nutzung eines bestimmten Kellerraums durch die Beklagte geeinigt haben, ist das Schriftformerfordernis gleichwohl gewahrt. Zwar muss unter anderem grundsätzlich feststellbar sein, welche Räume vermietet sind (BGHZ 55, 248, 249; BGH, Urteil vom 2. November 2005 - XII ZR 233/03, WM 2006, 499, Tz. 20). Eine Vereinbarung über die Lage und die Größe eines von mehreren Kellerräumen außerhalb der Wohnung, der - wie hier - nicht zu Wohnzwecken dient, sondern Neben- bzw. Zubehörraum der Wohneinheit ist, ist aber nicht beurkundungsbedürftig. Eine Vereinbarung dieses Inhalts gehört wegen der untergeordneten Bedeutung eines solches Kellerraums grundsätzlich nicht zu den wesentlichen Bestandteilen (essentialia negotii) eines Wohnraummietvertrags. Auch für einen möglichen Grundstückserwerber, dessen Informationsbedürfnis das Schriftformerfordernis des § 550 BGB vor allem dient (Senatsurteil vom 4. April 2007 - VIII ZR 223/06, NJW 2007, 1742, Tz. 17; BGH, Urteil vom 19. September 2007 - XII ZR 121/05, WM 2007, 2167, Tz. 13, jeweils m.w.N.), ist eine Vereinbarung dieser Art in der Regel nicht wesentlich.
23
2. Die Kündigung vom 30. September 2005 ist auch nicht zum 31. August 2006 wirksam geworden. Im Rahmen eines am 1. September 2001 bestehenden Mietverhältnisses über Wohnraum, das auf bestimmte Zeit eingegangen und bei dem formularmäßig vereinbart ist, dass es sich jeweils um einen bestimmten Zeitraum verlängert, wenn es nicht mit einer vertraglich vereinbarten , nach Mietdauer gestaffelten Frist gekündigt wird, kommt dem Vermieter entgegen der Ansicht der Revision nicht zugute, dass sich die Kündigungsfrist für ihn nach neuem Recht gemäß § 573c Abs. 1 Satz 2 BGB auf höchstens neun Monate verlängert. Für die Kläger ist die Kündigungsfrist von zwölf Monaten , die die Parteien in Anlehnung an § 565 Abs. 2 Satz 2 BGB aF vereinbart haben, maßgeblich. Diese Vereinbarung bindet die Kläger auch nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes. Aus § 573c Abs. 4 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 3 Abs. 10 Satz 2 EGBGB können sie nichts zu ihren Gunsten herleiten. Nach § 573c Abs. 4 BGB ist eine von § 573c Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung nur "zum Nachteil des Mieters" unwirksam. Danach hat eine wie hier vom Vermieter formularmäßig vorformulierte Vereinbarung, wonach die Kündigungsfrist für den Vermieter ebenso wie für den Mieter zwölf Monate betragen soll, zur Folge, dass der Vermieter an die vereinbarten längeren Kündigungsfristen gebunden bleibt (MünchKommBGB/Häublein, aaO, § 573c Rdnr. 15; Schmidt-Futterer/Blank, aaO, § 573c BGB Rdnr. 23; Schmid/Gahn, Mietrecht, 2006, § 573c Rdnr. 12; Palandt/Weidenkaff, aaO, § 573c Rdnr. 3; Börstinghaus, NJW 2005, 1900, 1901; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 573c Rdnr. 38; für Allgemeine Geschäftsbedingungen nunmehr ebenso: Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 573c Rdnr. 54).
24
3. Das Berufungsgericht musste nicht darüber entscheiden, ob die Beklagte die Mieträume mit Ablauf des 31. August 2007 zu räumen und an die Kläger herauszugeben hatte. Denn dabei hätte es sich im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - hier am 24. Januar 2007 - um eine Entscheidung über eine künftige Räumung gehandelt. Eine Klage auf künftige Räumung von Wohnraum kann gemäß §§ 257, 259 ZPO aber nur dann erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Dazu fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts; übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.

III.

25
Zwischenzeitlich ist jedoch mit Ablauf des 31. August 2007 die Frist verstrichen , mit deren Ablauf das Mietverhältnis durch die von den Klägern "zum nächst zulässigen Termin" ausgesprochene Kündigung vom 30. September 2005 beendet worden sein kann. Der Ablauf der Kündigungsfrist ist zwar ein Umstand, der erst während des Revisionsverfahrens entstanden ist; er ist gleichwohl vom Revisionsgericht zu berücksichtigen. Dieses hat seiner Entscheidung gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwar grundsätzlich den Sach- und Streitstand der letzten mündlichen Verhandlung zweiter Instanz zugrunde zu legen. Hiervon hat die Rechtsprechung jedoch aus prozesswirtschaftlichen Gründen nicht wenige Ausnahmen zugelassen. So hat das Revisionsgericht unter anderem auch materiell-rechtlich relevante Tatsachen zu berücksichtigen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht entstanden sind, wenn sie unstreitig sind und schützenswerte Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen (BGHZ 104, 215, 221 m.w.N.). So verhält es sich hier. Die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, aus denen sich ergibt, dass die von den Klägern einzuhaltende Kündigungsfrist - spätestens - am 31. August 2007 abgelaufen ist, sind unstreitig, der zwischenzeitlich hinzugetretene Zeitablauf ist nicht bestreitbar. Schützenswerte Belange der Beklagten stehen der Berücksichtigung des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht entgegen. Ihr schutzwürdiges Interesse an der Fortsetzung des Mietverhältnisses ist dadurch gewahrt, dass nunmehr zu prüfen sein wird, ob die Kläger, wie von ihnen geltend gemacht, wegen Eigenbedarfs zur Kündigung berechtigt waren. Demgegenüber wäre es weder prozesswirtschaftlich noch im Hinblick auf die schützenswerten Belange der Kläger vertretbar, diese auf eine erneute Kündigung zu verweisen, die das Mietverhältnis frühestens zum 31. August 2009 beenden könnte.

IV.

26
Da die Abweisung der Räumungsklage wegen des zwischenzeitlich eingetretenen , vom Revisionsgericht zu berücksichtigenden Ablaufs der Kündigungsfrist in den vom Berufungsgericht dazu festgestellten Tatsachen keine ausreichend tragfähige Grundlage mehr findet, ist das Berufungsurteil aufzuheben. Der Senat kann nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden, da es dazu weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ball Wiechers Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Gießen, Entscheidung vom 16.08.2006 - 45-M C 402/06 -
LG Gießen, Entscheidung vom 14.02.2007 - 1 S 296/06 -