Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - X ZB 13/18

bei uns veröffentlicht am20.08.2019
vorgehend
Amtsgericht Kiel, 110 C 120/17, 29.05.2018
Landgericht Kiel, 7 S 21/18, 21.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 13/18
vom
20. August 2019
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Rechtsmittelführer darf die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung nur
dann erwarten, wenn es sich um den ersten Verlängerungsantrag handelt und er in
dem Antrag erhebliche Gründe für die beantragte Verlängerung darlegt. Der Wendung
, der Antrag werde "vorsorglich" gestellt, ist nicht zu entnehmen, aus welchen
Gründen eine Verlängerung begehrt wird.
BGH, Beschluss vom 20. August 2019 - X ZB 13/18 - LG Kiel
AG Kiel
ECLI:DE:BGH:2019:200819BXZB13.18.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. August 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann und die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 21. August 2018 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 823,40 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
I. Gegen das ihm am 31. Mai 2018 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2018, der am 1. August 2018 beim Landgericht eingegangen ist, hat er "vorsorglich" beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern.
2
Nach einem Hinweis des Vorsitzenden, der Verlängerungsantrag sei erst nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung eingegangen, hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu ausgeführt, sein Prozessbevollmächtigter habe den Schriftsatz am 25. Juli 2018 zur Mittagszeit in einen Briefkasten eingeworfen und darauf vertraut, dass der Schriftsatz vor dem Ablauf der Frist beim Berufungsgericht eingehe. Der Prozessbevollmächtigte sei wegen urlaubsbedingten Ausfalls von Personal und der Belastung mit einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren auf die Fristverlängerung angewiesen.
3
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, der die Beklagte entgegentritt.
4
II. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt : Eine Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung sei unterblieben, weil der entsprechende Antrag erst nach Ablauf der Frist eingegangen sei. Die Versäumung der Frist beruhe auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Dieser hätte dafür Sorge tragen müssen, dass ein Antrag auf Fristverlängerung das Gericht rechtzeitig erreiche, habe es jedoch versäumt, den Antrag auch per Telefax zu übermitteln. Auf eine rechtzeitige Übermittlung auf dem Postweg habe er sich nicht verlassen dürfen. Angesichts der unterbliebenen Übermittlung per Telefax hätte er spätestens am letzten Tag der Frist telefonisch nachfragen müssen, ob der Antrag eingegangen sei und er mit der beantragten Verlängerung rechnen könne.
5
III. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und rechtliches Gehör. Dieser gebietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflicht ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste. Der Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, ob er sich auf das Ergebnis auswirkt (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367; Beschluss vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08, NJW 2009, 1083 Rn. 13; Beschluss vom 7. März 2013 - I ZB 67/12, NJW-RR 2013, 1011; Beschluss vom 3. Dezember 2015 - V ZB 72/15, NJW 2016, 874 Rn. 5).
7
2. Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Berufung versäumt. In einem solchen Fall ist nach § 233 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Rechtsmittelführer ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten, weil er rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung dieser Frist gestellt hat und erwarten durfte, dass diesem Antrag entsprochen wird. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger danach die beantragte Wiedereinsetzung nicht versagt und seine Berufung daher nicht verworfen werden (nachfolgend zu a), doch stellt sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig dar (nachfolgend zu b).
8
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Erfolg des Wiedereinsetzungsgesuchs nicht entgegen, dass der Fristverlängerungsantrag nicht auch per Telefax, sondern nur per Briefpost übermittelt wurde.
9
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs dürfen einer Partei Verzögerungen der Briefbeförderung oder - zustellung nicht als Verschulden angerechnet werden (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 - V ZB 135/15, NJW 2016, 3789 Rn. 23 mwN). Danach darf die Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am 31. Juli 2018, einem Dienstag, ab. Nach dem anwaltlich versicherten Vorbringen des Klägers, welches das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, hat sein Prozessbevollmächtigter den Antrag auf Fristverlängerung vom 25. Juli 2018 noch am gleichen Tag in einen Postbriefkasten eingeworfen, so dass eine Postlaufzeit von sechs Kalendertagen zur Verfügung stand.
10
bb) Steht danach - wie hier - eine ausreichende Postlaufzeit zur Verfügung, kann es einer Partei weder als Verschulden angelastet werden, dass der Schriftsatz nicht auch per Telefax übermittelt wird, noch dass eine telefonische Nachfrage unter- bleibt, ob der Schriftsatz fristgerecht eingegangen ist (BGH, Beschluss vom 2. Februar 1983 - VIII ZB 1/83, NJW 1983, 1741; Beschluss vom 28. März 2001 - XII ZB 100/00, VersR 2002, 1045 Rn. 18; Beschluss vom 13. Dezember 2005 - VI ZB 52/05, VersR 2006, 568 Rn. 7; Beschluss vom 5. Juni 2012 - VI ZB 16/12, NJW 2012, 2522 Rn. 9 mwN).
11
b) Die Rechtsbeschwerde bleibt gleichwohl erfolglos, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 577 Abs. 3 ZPO).
12
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsmittelführer die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung nur dann erwarten, wenn es sich um den ersten Verlängerungsantrag handelt und der Rechtsmittelführer darin gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO erhebliche Gründe für die beantragte Verlängerung darlegt (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 11 f. mwN; Beschluss vom 20. Februar 2018 - VI ZB 47/17, NJW-RR 2018, 569 Rn. 7 f. mwN). Wird der Antrag nicht begründet, muss der Rechtsmittelführer hingegen damit rechnen, dass der Antrag deshalb abgelehnt wird (BGH, Beschluss vom 16. Juni 1992 - X ZB 6/92, NJW 1992, 2426; Beschluss vom 18. Juli 2007 - IV ZR 132/06, VersR 2007, 1583 Rn. 5). An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung sind bei einem ersten Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich reicht der Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Grundes - etwa Urlaubsabwesenheit, Arbeitsüberlastung oder das Erfordernis weiterer Abstimmung zwischen Prozessbevollmächtigtem und Partei - aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf (BGH NJW 2017, 2041 Rn. 12 f.; BGH NJW-RR 2018, 569 Rn. 8 mwN). Unter Umständen kann auch eine konkludente Darlegung der für eine Fristverlängerung erforderlichen Voraussetzungen genügen (BGH, Beschluss vom 12. April 2006 - XII ZB 74/05, NJW 2006, 2192; BGH NJW 2017, 2041 Rn. 15 ff.).
13
bb) In dem Antrag vom 25. Juli 2018 sind Gründe für die Erforderlichkeit einer Fristverlängerung um einen Monat nicht dargetan. Der Wendung, der Antrag werde "vorsorglich" gestellt, ist, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen eine Verlängerung begehrt wurde. Das Vorliegen eines erheblichen Grundes ist unter solchen Umständen auch nicht etwa ohne weiteres als Grund des Antrags zu vermuten (BGH VersR 2007, 1583 Rn. 7). Der Prozessbevollmächtigte , dessen Verschulden sich der Kläger zurechnen lassen muss, durfte deshalb nicht darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht die beantragte Fristverlängerung gewähren werde, sondern hätte Anlass gehabt, sich durch Nachfrage beim Gericht zu vergewissern, ob die Verlängerung wie beantragt gewährt werde (BGH VersR 2007, 1583 Rn. 8). Der nicht bereits im Antrag auf Fristverlängerung , sondern erst nach Fristablauf mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 3. August 2018 erfolgte Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers, er sei derzeit überlastet, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
14
cc) Danach hat das Berufungsgericht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt und die Berufung zutreffend als unzulässig verworfen, weil die Fristversäumung vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verschuldet worden ist.
15
Hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich spätestens am Tag vor Fristablauf nach der Bescheidung seines Antrags erkundigt, wäre aufgedeckt worden , dass der Antrag das Berufungsgericht nicht erreicht hatte, und hätte der Prozessbevollmächtigte noch rechtzeitig einen - ordnungsgemäß begründeten - Antrag per Telefax übermitteln können.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Kober-Dehm Marx
Vorinstanzen:
AG Kiel, Entscheidung vom 29.05.2018 - 110 C 120/17 -
LG Kiel, Entscheidung vom 21.08.2018 - 7 S 21/18 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - X ZB 13/18

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2019 - X ZB 13/18 zitiert 6 §§.

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 28/03
vom
23. Oktober 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch der beschwerten
Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes, so ist die nach § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unabhängig davon zulässig
, ob sich der Rechtsverstoß auf das Endergebnis auswirkt.
Eine konkrete Anweisung des Anwalts im Einzelfall macht nur dann allgemeine organisatorische
Regelungen obsolet, wenn diese durch die Einzelanweisung ihre Bedeutung
für die Einhaltung der Frist verlieren; das ist nicht der Fall, wenn die Weisung
nur dahin geht, einen Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, die Fristüberschreitung
aber darauf beruht, daß es an ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen
dazu fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine Frist nach Übermittlung
fristwahrender Schriftsätze per Telefax als erledigt vermerkt werden darf.
BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03 - LG Konstanz
AGÜberlingen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 23. Oktober 2003 durch die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin
Dr. Stresemann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 2. April 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:


I.


Gegen das ihr am 7. November 2002 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist per Fax am 8. Januar 2003 bei dem Landgericht eingegangen.
Die Beklagte hat gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu folgendes ausgeführt : Ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Begründungsschriftsatz am 7. Januar gefertigt und unterzeichnet und die bei ihm beschäftigte Rechtsanwaltsfachangestellte W. gegen 17.15 Uhr angewiesen, ihn per Fax an das Landgericht zu senden. Diese habe zwar mehrfach versucht zu faxen, was aber , weil sie versehentlich eine falsche Nummer gewählt habe, erfolglos geblieben sei. Sie habe angenommen, das Empfängergerät sei belegt, und habe sich zunächst anderen Aufgaben zugewendet, darüber aber die Angelegenheit ver-
gessen. Später habe sie die Frist im Kalender als erledigt eingetragen, so daß dem Prozeßbevollmächtigten bei dessen Kontrolle gegen 20.00 Uhr das Versäumnis nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verlangt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
aa) Allerdings liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein Fall einer Divergenz zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2000 (VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006) vor. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Abweichung ist nämlich nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Entscheidung eines höherrangigen oder eines anderen gleichgeordneten Gerichts (Senat, BGHZ 151, 42; BGHZ 89, 149, 151). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht - im Einklang mit der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes - davon aus, daß üblicherweise in Anwaltskanzleien auftretende Schwankungen der Arbeitsbelastung die Sorgfalts-
pflicht des Prozeßbevollmächtigten im Hinblick auf die Organisation eines reibungslos und fehlerfrei funktionierenden Geschäftsbetriebs nicht erhöhen. Es meint lediglich, im konkreten Fall hätten Umstände vorgelegen, die über das Übliche einer Mehrbelastung hinausgingen und daher zu besonderen Maßnahmen Anlaß gegeben hätten. Ist diese Auffassung - wie hier (siehe im folgenden ) - falsch, so liegt darin zwar eine rechtsfehlerhafte Würdigung. Doch wird damit kein allgemeiner Rechtssatz aufgestellt, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entgegensteht.
bb) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht aber auf einer Würdigung , die der Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozeßordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. Senat, BGHZ 151, 221; Beschl. v. 20. Februar 2003, V ZB 60/02, NJW-RR 2003, 861; Beschl. v. 30. April 2003, V ZB 71/02, NJW 2003, 2388). Die Annahme, der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten habe angesichts der "besonderen Situation am Nachmittag" des 7. Januars 2003 eine eigenständige Prüfung der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist vornehmen müssen, entbehrt jeder Grundlage. Unscharf ist schon der Ansatz. Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist war an sich nicht gefährdet. Der Prozeßbevollmächtigte hatte den Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und dessen Übermittlung per Fax verfügt. Welche zusätzlichen Maßnahmen er hätte ergreifen sollen, worin sich die nach Auffassung des Berufungsgerichts gebotene erhöhte Sorgfaltspflicht hätte äußern sollen, wird in der angefochtenen Entscheidung nicht gesagt. Dafür ist auch nichts erkennbar. Die einfach zu erledigende Aufgabe einer Telefaxüber-
mittlung kann der Anwalt seinem Personal überlassen (BGH, Beschl. v. 11. Februar 2003, VI ZB 38/02, NJW-RR 2003, 935, 936 m. zahlr. Nachw.). Er braucht sie nicht konkret zu überwachen oder zu kontrollieren. Im übrigen ist hier nach dem Vorbringen der Beklagten sogar eine Kontrolle erfolgt, die aber wegen des falschen Erledigungsvermerks ohne Befund blieb.
Wenn man in dieser konkreten Situation ein Weiteres von dem Anwalt verlangen wollte, so überspannte man die Sorgfaltsanforderungen. Denn solche Maßnahmen könnten nur in einer Beaufsichtigung des Übermittlungsvorgangs selbst oder in einer sofortigen Kontrolle sogleich nach Durchführung bestehen. Dies kann höchstens ganz ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, NJW 2000, 3006), wenn ein geordneter Geschäftsbetrieb infolge besonderer Umstände nicht mehr gewährleistet ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt. Daß eine Rechtsanwaltsangestellte über ihre normale Dienstzeit hinaus arbeiten muß und daß drei fristgebundene Sachen zusätzlich zu bearbeiten sind, bedingt keine Situation, die ein ausreichend organisiertes Büro nicht bewältigen könnte. Im übrigen sollte die Übermittlung per Telefax zunächst, nur wenige Minuten nach dem üblichen Dienstschluß, erfolgen, und es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Bearbeitung weiterer Fristsachen, die sich bis 19.30 Uhr hinzog, diese einfache Tätigkeit hätte stören oder in einer Weise gefährden können, daß ein Eingreifen des Anwalts erforderlich gewesen wäre.
cc) Dieser Verstoß gegen das Gebot der Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes führt unabhängig davon zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde , ob er sich auf das Ergebnis auswirkt. Insoweit besteht ein Unterschied zum Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO), in dem eine nicht entscheidungserhebliche Frage auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision gebietet (Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181; Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 187/02, Umdruck S. 9, zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831). Dieser Unterschied beruht auf folgendem: Anders als das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Rechtsbeschwerde ein Rechtsmittel, das zur Entscheidung über die Sache führt. Dabei hängt - wie stets - die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht von Fragen der Begründetheit ab. Liegen die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO vor, so ist die Rechtsbeschwerde zulässig. Ob die angefochtene Entscheidung gleichwohl Bestand hat, ist eine Frage der Begründetheit. Beides miteinander zu verquicken, hieße, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu verneinen, weil es an der Begründetheit fehlt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es demgegenüber nicht um eine Entscheidung in der Sache selbst, sondern nur um die Frage, ob eine Sachüberprüfung im Revisionsverfahren geboten ist. Bei dieser Prüfung kann und muß berücksichtigt werden, ob die unter die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO subsumierbaren Rechts- oder Verfahrensfragen im konkreten Fall entscheidungserheblich sind oder nicht. Sind sie es nicht, besteht kein Anlaß für eine Zulassung; denn es kommt auf sie letztlich nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht versagt (§ 233 ZPO) und die Berufung infolgedessen zutreffend als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat nämlich nicht dargelegt , daß sie ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Es ist nicht ausgeräumt, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein eigenes (Organisations-) Verschulden vorzuwerfen ist,
das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Das ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten:
Zum einen hat der Anwalt organisatorische Vorkehrungen zu treffen, daß Fristen im Fristenkalender erst dann mit einem Erledigungsvermerk versehen werden, wenn die fristwahrende Handlung auch tatsächlich erfolgt oder jedenfalls soweit gediehen ist, daß von einer fristgerechten Vornahme auszugehen ist (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1993, II ZB 7/93, VersR 1994, 703; Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 60 m.w.N.). Zum anderen muß der Anwalt bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax die Ausgangskontrolle organisatorisch dahin präzisieren , daß er die damit befaßten Mitarbeiter anweist, einen Einzelnachweis über den Sendevorgang ausdrucken zu lassen, der die ordnungsgemäße Übermittlung anzeigt, bevor die entsprechende Frist als erledigt vermerkt wird (Senat, Beschl. v. 9. Februar 1995, V ZB 26/94, VersR 1995, 1073, 1074). Er muß ferner Vorsorge für Störfälle treffen, um sicherzustellen, daß der Übermittlungsvorgang entweder vollständig wiederholt wird oder daß der Anwalt selbst über geeignete andere Maßnahmen entscheidet.
Ob solche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bestanden, ist nicht vorgetragen worden. Die bloße Angabe, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristen erledigt seien, erst danach werde die Frist gelöscht, genügt nicht den vorstehenden Anforderungen. Soweit die Beklagte in einem nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz nähere Angaben zur Ausgangskontrolle gemacht hat, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der Wiedereinsetzung beantragt, muß die Gründe, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vor-
bringen (BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1 Antragsbegründung 3). Zwar können erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (BGH aaO; Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 10/85, VersR 1985, 1184, 1185). Das hilft der Beklagten im konkreten Fall aber schon deswegen nicht, weil die ergänzenden Angaben nach Erlaß der Entscheidung gemacht worden sind und daher für das Rechtsbeschwerdegericht nicht verfügbar sind. Seiner Beurteilung unterliegt - anders als im früheren Verfahren der sofortigen Beschwerde (§ 577 ZPO a.F.) - nur der in den Tatsacheninstanzen festgestellte Sachverhalt sowie der auf Verfahrensrüge zu beachtende dortige Sachvortrag. Soweit die Rechtsbeschwerde den neuen Sachvortrag mit Hilfe einer Aufklärungsrüge einführen möchte, ist ihr nicht zu folgen. Es bestand für das Berufungsgericht keine Pflicht, die anwaltlich vertretene Beklagte auf die nicht ausreichenden Gründe ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Ausgangskontrolle und an die organisatorischen Maßnahmen bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluß darauf , daß entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das Fehlen organisatorischer Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze nicht deswegen unerheblich, weil der Prozeßbevollmächtigte eine konkrete Einzelweisung erteilt hat. Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß es auf allgemeine organisatorische Regelungen nicht entscheidend ankommt, wenn im Einzelfall
konkrete Anweisungen vorliegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte (BGH, Urt. v. 6. Oktober 1987, VI ZR 43/87, VersR 1988, 185, 186; Beschl. v. 26. September 1985, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Dabei ist jedoch auf den Inhalt der Einzelweisung und den Zweck der allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen Rücksicht zu nehmen. Weicht ein Anwalt von einer bestehenden Organisation ab und erteilt er stattdessen für einen konkreten Fall genaue Anweisungen, die eine Fristwahrung gewährleisten, so sind allein diese maßgeblich; auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht mehr an (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZB 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45; Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01, NJW-RR 2002, 1289). Anders ist es hingegen, wenn die Einzelweisung nicht die bestehende Organisation außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung behalten und geeignet sind, Fristversäumnissen entgegenzuwirken. So ersetzt z.B. die Anweisung, einen Schriftsatz sofort per Telefax zu übermitteln und sich durch einen Telefonanruf über den dortigen Eingang des vollständigen Schriftsatzes zu vergewissern, alle allgemein getroffenen Regelungen einer Ausgangskontrolle und macht etwa hier bestehende Defizite unerheblich (BGH, Beschl. v. 2. Juli 2001, II ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60). Ebenso liegt es, wenn der Anwalt von der Eintragung der Sache in den Fristenkalender absieht und die Anweisung erteilt, den fertiggestellten Schriftsatz in die Ausgangsmappe für die Post zum Berufungsgericht zu legen (BGH, Beschl. v. 26. September 1995, XI ZR 13/95, BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 45). Denn in diesem Fall würde eine Frist als erledigt vermerkt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdn. 23 S. 698).
Besteht hingegen - wie hier - die Anweisung nur darin, die Übermittlung eines Schriftsatzes sofort per Fax zu veranlassen, so fehlt es an Regelungen, die eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle überflüssig machen. Inhalt der Anweisung ist nur die Bestimmung des Mediums der Übermittlung und der Zeitpunkt ihrer Vornahme. Damit sind aber sonst etwa bestehende Kontrollmechanismen weder außer Kraft gesetzt noch obsolet. Es bleibt sinnvoll und notwendig , daß Anweisungen darüber bestehen, wie die Mitarbeiter eine vollständige Übermittlung per Telefax sicherzustellen haben und unter welchen Voraussetzungen sie eine Frist als erledigt vermerken dürfen. Bestehen sie nicht, entlastet es den Anwalt nicht, wenn er sich im konkreten Einzelfall darauf beschränkt , eine Übermittlung per Telefax anzuordnen. Dem entspricht es, daß z.B. der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 1. Juli 2002, II ZB 11/01) einen solchen Übermittlungsauftrag nur für ausreichend erachtet hat, wenn jedenfalls die betreffende Angestellte allgemein angewiesen war, die Telefaxübermittlung jeweils anhand des (auszudruckenden) Sendeberichts zu kontrollieren.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Tropf Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann
13
Die Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs führt zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unabhängig davon, ob sie sich auf das Ergebnis auswirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368; Zöller/Heßler, ZPO 27. Aufl. § 574 Rdn. 13 a).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 67/12
vom
7. März 2013
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Berufungsbegründungsfrist ist nicht ohne Verschulden im Sinne des § 233
ZPO versäumt, wenn ein Rechtsanwalt nicht alle ihm möglichen und zumutbaren
Maßnahmen zur Wahrung der Frist ergriffen hat und nicht festgestellt werden
kann, dass die Frist auch bei Durchführung dieser Maßnahmen versäumt
worden wäre.
BGH, Beschluss vom 7. März 2013 - I ZB 67/12 - LG Bonn
AG Siegburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. März 2013 durch die Richter
Prof. Dr. Büscher, Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 21. August 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Beschwerdewert: 2.959,90 €.

Gründe:

1
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte in einer Transportrechtssache auf Freistellung von einer Schadensersatzforderung in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Frist zur Begründung der Berufung antragsgemäß um einen Monat bis zum 12. Juli 2012 verlängert.
2
Die Klägerin hat ihre Berufung mit einem am 26. Juli 2012 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet und zugleich wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig fertigstellen können, weil er aufgrund einer akuten Erkrankung arbeitsunfähig gewesen sei.
3
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.
4
II. Das Berufungsgericht hat die begehrte Wiedereinsetzung mit der Begründung abgelehnt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - dessen Verschulden diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse - habe die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt. Aus dem eingereichten ärztlichen Attest gehe hervor, dass er am 12. Juli 2012 und damit am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist erkrankt sei. Da er die Berufungsbegründungsfrist bis zum letzten Tag ausgeschöpft habe, hätte er auch für den Fall einer unvorhergesehenen Erkrankung für eine Vertretung sorgen müssen.
5
III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist zulässig (dazu 1), hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung ergibt zwar eine Rechtsverletzung (dazu 2); die Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (dazu 3).
6
1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und rechtliches Gehör. Dieser gebietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten zu versagen , die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen musste (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 - I ZB 3/09, MDR 2010, 779, 780; Beschluss vom 5. Juni 2012 - VI ZB 16/12, NJW 2012, 2522 Rn. 6, jeweils mwN).
7
2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Klägerin die beantragte Wiedereinsetzung nicht versagt und ihre Berufung daher nicht verworfen werden. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darin gesehen werden, dass dieser für den Fall seiner unvorhergesehenen Erkrankung keinen Vertreter bestellt hat. Ein Rechtsanwalt, der die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft, hat zwar wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden , um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss er sich aber nur dann durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er einen solchen Ausfall vorhersehen kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 18. September 2008 - V ZB 32/08, NJW 2008, 3571 Rn. 7 und 9; Beschluss vom 5. April 2011 - VIII ZB 81/10, NJW 2011, 1601, jeweils mwN). Er ist daher auch dann, wenn er eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpfen will, nicht gehalten, für den Fall einer unvorhergesehenen Erkrankung vorsorglich einen Vertreter zu bestellen.
8
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt, weil er nach seiner unvorhergesehenen Erkrankung nicht versucht hat, eine Verlängerung dieser Frist zu erreichen. Ein Rechtsanwalt muss auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung alle ihm dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, NJW 2008, 3571 Rn. 9 mwN). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zwar im Rechtsbeschwerdeverfahren anwaltlich versichert, er sei aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr imstande gewesen , selbst einfachste anwaltliche Tätigkeiten zu verrichten und habe seinen Versuch, die Berufungsbegründungsschrift abzufassen, deshalb bereits nach wenigen Minuten abbrechen müssen. Damit hat er aber nicht glaubhaft ge- macht, dass es ihm nicht möglich und zumutbar war, beim Berufungsgericht eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zu beantragen und - im Blick darauf, dass das Berufungsgericht diese Frist bereits antragsgemäß um einen Monat verlängert hatte und eine weitere Verlängerung nur mit Einwilligung des Gegners möglich war (§ 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO) - den Prozessbevollmächtigten der Beklagten um Zustimmung zur Fristverlängerung zu bitten. Es kann zwar nicht festgestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sich mit einer weiteren Fristverlängerung einverstanden erklärt hätte. Darauf kann sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin jedoch nicht mit Erfolg berufen. Hat ein Rechtsanwalt nicht alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Berufungsbegründungsfrist ergriffen, geht es zu seinen Lasten, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Frist auch bei Durchführung dieser Maßnahmen versäumt worden wäre.
9
IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den angegriffenen Beschluss zurückzuweisen (§ 577 Abs. 3 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Büscher Pokrant Schaffert Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 14.03.2012 - 118 C 408/11 -
LG Bonn, Entscheidung vom 21.08.2012 - 8 S 118/12 -
5
1. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), weil das Berufungsgericht die Anforderungen an das, was eine Partei veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, überspannt und dadurch den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 227 f.; BGH, Beschluss vom 12. November 2013 - VI ZB 4/13, NJW 2014, 700 Rn. 5 mwN).

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

23
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der anderen Obersten Gerichtshöfe dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden (BVerfG, NJW 1995, 1210, 1211; 2001, 1566; 2003, 1516; Senat, Beschluss vom 13. Mai 2004 - V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217, 1218; jeweils mwN). Er darf vielmehr grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden (Senat, Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 226/12, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - V ZB 187/12, juris Rn. 9, jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 100/00
vom
28. März 2001
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. März 2001 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Hahne, Sprick, Weber
-
Monecke und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 22. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 20. März 2000 aufgehoben. Beschwerdewert: 24.624 DM.

Gründe:

I.

Gegen das ihr am 1. September 1999 zugestellte Urteil des Landgerichts , durch das sie zur Zahlung von 24.624,45 DM nebst Zinsen verurteilt wurde, legte die Beklagte am 1. Oktober 1999 Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 1999, im Original bei Gericht eingegangen am 5. November 1999, beantragte sie, die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat zu verlängern, und begründete die Berufung am 1. Dezember 1999.
Die Beklagte macht geltend, den aus einer Seite bestehenden Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung rechtzeitig am 29. Oktober 1999 per Fax an das Gericht übermittelt zu haben, und beruft sich insoweit auf ein Sendeprotokoll des Faxgerätes ihres Prozeßbevollmächtigten, demzufolge an diesem Tag um 16.50 Uhr eine Seite bei einer Übermittlungsdauer von 38 Sekunden an den Faxanschluß der Briefannahmestelle des Kammergerichts versandt wurde; die Spalte "Ergebnis" des Sendeprotokolls weist den Vermerk "OK" aus. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein entsprechendes Fax vom dortigen Faxgerät weder gespeichert noch ganz oder teilweise ausgedruckt worden. Das Journal dieses Faxgerätes weist für 16.49 Uhr - mit einer Dauer von 23 Sekunden - eine Verbindung mit dem Faxgerät des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten aus, der die laufende Dateinummer 223 zugeordnet ist. Die Anzahl der Seiten ist darin mit "1" angegeben. In der Rubrik "Komm." ist anstelle des üblichen OK-Vermerks die Zahl "495" ausgewiesen, was nach der Bedienungsanleitung dieses Geräts bedeutet, daß die Telefonverbindung unterbrochen wurde. In der Rubrik "Diagnose" ist der Code 0050270577000 angegeben. Bei kurz zuvor übermittelten Schriftätzen von einer Seite Umfang sind Übermittlungsdauern zwischen 27 und 47 Sekunden verzeichnet. Mit Verfügung vom 29. Dezember 1999, die dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 10. Januar 2000 zuging, wies das Kammergericht auf die fehlgeschlagene Übermittlung vom 29. Oktober 1999 hin. Am 14. Januar 2000 beantragte die Beklagte daraufhin vorsorglich, ihr Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren; dieser Schriftsatz enthält zugleich eine eidesstattliche Versicherung ihres Prozeßbe-
vollmächtigten, die dieser unterschrieben hat. Der nachstehende Wiedereinsetzungsantrag ist an der dafür vorgesehenen Stelle am Ende des Schriftsatzes nicht unterzeichnet. Das Kammergericht verwarf die Berufung mangels rechtzeitiger Begründung durch Beschluß als unzulässig und wies den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung zurück, die zweiwöchige Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO sei nicht gewahrt. Spätestens seit dem 1. Dezember 1999 sei die Unkenntnis von der Versäumung der Frist nicht mehr unverschuldet gewesen, weil der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten an diesem Tage anläßlich der Fertigung der Berufungsbegründung habe erkennen können und müssen, daß die Frist auf seinen Antrag vom 29. Oktober 1999 hin bislang nicht verlängert worden war. Angesichts dieses ungewöhnlichen Umstandes habe er auch dann, wenn das ihm vorliegende Sendeprotokoll keine Unregelmäßigkeiten erkennen ließ, auf den rechtzeitigen Eingang seines Fristverlängerungsantrages nicht mehr vertrauen dürfen, sondern sich durch Nachfrage bei Gericht vergewissern müssen. Bei entsprechender Nachfrage hätte er innerhalb einer Woche erfahren , daß sein Fax nicht eingegangen sei. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Beklagte geltend macht, ihr Antrag auf Fristverlängerung sei rechtzeitig eingegangen, und hilfsweise ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiterverfolgt.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß es einer Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag nicht bedurfte und die Berufung sogleich als unzulässig zu verwerfen war, wenn dieser Antrag erst nach Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung bei Gericht eingegangen war. Hiervon durfte das Berufungsgericht indes nicht ausgehen, wie die sofortige Beschwerde zu Recht rügt. Zwar ist ein fristwahrender Schriftsatz, der per Fax übermittelt wird, grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt eingegangen, in dem er vom Empfangsgerät des Gerichts ausgedruckt wird. Wenn jedoch Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die abgesandten Signale im Empfangsgerät des Gerichts vollständig eingegangen sind und ihr Ausdruck nur infolge eines Fehlers oder fehlerhafter Handhabung des Empfangsgerätes nicht zu einem Ausdruck geführt haben, ist der Zugang zu fingieren (vgl. BVerfG NJW 1996, 2857; BGHZ 105, 40, 44 ff.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Inhalt des übermittelten Schriftsatzes - wie hier anhand des am 5. November 1999 bei Gericht eingegangenen Originals - anderweit einwandfrei zu ermitteln ist (vgl. BGH, Beschluß vom 19. April 1994 - VI ZB 3/94 - NJW 1994, 1881 f.). Es ist bereits fraglich, ob allein der Umstand, daß ein Faxausdruck des Verlängerungsantrages nicht zu den Akten gelangt ist, die von der sofortigen Beschwerde angegriffene Feststellung des Berufungsgerichts zu tragen vermag , ein Ausdruck dieses Schriftsatzes habe nicht stattgefunden. Zumindest aber die weitere Feststellung, wegen einer Unterbrechung der Telefonverbindung seien die übermittelten Daten im Empfangsgerät nicht gespeichert worden , findet in dem hierfür allein angeführten Empfangsjournal keine ausreichende Stütze.
Es mag dahinstehen, worauf es zurückzuführen ist, daß das Sendeprotokoll eine Verbindungsdauer von 38 Sekunden, das Empfangsjournal hingegen nur eine solche von 23 Sekunden ausweist. Jedenfalls läßt die Verbindungsdauer darauf schließen, daß in dieser Zeit Daten vom Sendegerät zum Empfangsgerät übermittelt wurden. Da ausweislich des Empfangsjournals andere Schriftsätze von einer Seite Umfang bei vergleichbarer Übermittlungsdauer vollständig eingegangen sind, kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß der Verlängerungsantrag vollständig, das heißt zumindest einschließlich der Unterschrift des Rechtsanwalts, eingegangen war, bevor die Telefonverbindung abbrach. Der Umstand, daß der Übermittlung laut Empfangsjournal die laufende Dateinummer 223 zugewiesen wurde, deutet ferner darauf hin, daß das Empfangsgerät über einen internen Speicher verfügt und die übermittelten Daten darin einige Zeit lang abrufbar bereitstanden. Zwar trägt im Grundsatz der Berufungskläger die Beweislast dafür, daß sein fristwahrender Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1977 - VIII ZR 286/75 - VersR 1977, 721; Zöller/ Gummer, ZPO 22. Aufl. § 518 Rdn. 20 m.w.N.). Gemäß § 519 b Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht jedoch von Amts wegen zu prüfen, ob die Frist eingehalten ist. Prüfung von Amts wegen in diesem Sinne bedeutet zwar nicht, daß uneingeschränkt der Untersuchungsgrundsatz gilt und der entscheidungserhebliche Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln ist. Das Berufungsgericht muß aber alle aus dem Akteninhalt ersichtlichen Anhaltspunkte prüfen und würdigen , die für die Entscheidung der Frage von Bedeutung sein können, ob der fristwahrende Schriftsatz rechtzeitig eingegangen ist oder nicht (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2001 - XII ZR 51/99 -, unveröffentlicht; BGH, Beschlüsse vom
19. April 1994 aaO und vom 25. Oktober 1979 - III ZB 13/79 - VersR 1980, 90 f., jeweils m.N.). Das Berufungsgericht hätte daher - erforderlichenfalls durch Nachfrage beim Hersteller des Empfangsgerätes - aufklären müssen, ob und in welchem Umfang bis zur Unterbrechung der Verbindung eingegangene Daten im Empfangsgerät gespeichert werden und gegebenenfalls noch abrufbar sind, ob das verwendete Empfangsgerät in einem solchen Fall die eingegangenen Daten ausdruckt oder nicht, und welche Bedeutung der im Journal ausgewiesene Diagnosecode hat. 2. Da das Berufungsgericht diesen entscheidungserheblichen Fragen nicht nachgegangen ist, kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Da die aufzuklärenden Fragen tatsächlicher Art sind und am besten an Ort und Stelle geklärt werden können, ist es zweckmäßig, die weitere Sachaufklärung und Entscheidung dem Berufungsgericht zu übertragen und die Sache deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2001 aaO; BGH, Beschluß vom 25. Oktober 1979 aaO S. 91). Für den Fall, daß sich die Frage des rechtzeitigen Eingangs des vollständigen Fristverlängerungsantrages nicht aufklären läßt, weist der Senat für die dann erneut zu prüfende Frage der Wiedereinsetzung vorsorglich auf Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichts hin, die Sorgfaltspflicht des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten hätte es erfordert, bei Fertigung der Berufungsbegründung am 1. Dezember 1999 angesichts des noch nicht beschiedenen Verlängerungsantrages bei Gericht nachzufragen, ob dieser rechtzeitig eingegangen sei. Wird ein erstmaliger, mit ausreichender Begründung versehener Verlängerungsantrag mit einfacher Post so rechtzeitig abgesandt, daß mit seinem fristwahrenden Eingang bei Gericht zu rechnen ist, besteht re-
gelmäßig - ebenso wie bei der Einlegung eines Rechtsmittels - keine Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts, sich nach dem rechtzeitigen Eingang zu erkundigen (vgl. BGH, Beschluß vom 2. Februar 1983 - VIII ZB 1/83 - NJW 1983, 1471). Dies gilt ebenso, wenn sich sein Vertrauen auf den rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Eingang des Schriftsatzes auf ein entsprechendes FaxSendeprotokoll mit OK-Vermerk stützt. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Schriftstück ungeachtet eines solchen Sendeprotokolls den Empfänger nicht erreicht hat, ist jedenfalls so gering, daß sich dem Rechtsanwalt diese Möglichkeit auch dann nicht aufdrängen muß, wenn er nach Ablauf eines Monats noch keine Nachricht darüber erhalten hat, ob seinem Verlängerungsantrag stattgegeben wurde. Blumenröhr Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz
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Auch im Übrigen traf den Prozessbevollmächtigten keine Erkundigungspflicht , da er auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten vertrauen durfte und deshalb damit rechnen konnte, dass sein Verlängerungsantrag rechtzeitig bei Gericht einging (vgl. Senatsbeschluss vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02 - VersR 2004, 354). Über einen rechtzeitig bei Gericht eingegangen Fristverlängerungsantrag kann im Übrigen - was auch das Berufungs- gericht annimmt - auch noch nach Ablauf der Frist entschieden werden (BGHZ 83, 217, 219 ff.), so dass nicht entscheidend ist, ob der Antrag am letzten Tag der Frist tatsächlich bearbeitet worden wäre.
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aa) Den Prozessbevollmächtigten einer Partei trifft im Regelfall kein Verschulden an dem verspäteten Zugang eines Schriftsatzes, wenn er veranlasst, dass der Schriftsatz so rechtzeitig in den Briefkasten eingeworfen wird, dass er nach den normalen Postlaufzeiten fristgerecht bei dem Gericht hätte eingehen müssen. Wenn dem Prozessbevollmächtigten keine besonderen Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen können , darf er darauf vertrauen, dass diese eingehalten werden (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02, VersR 2004, 354, 355; BGH, Beschlüsse vom 5. Juli 2001 - VII ZB 2/00, juris Rn. 6; vom 9. Februar 1998 - II ZB 15/97, VersR 1998, 1301, 1302). Er ist dann auch nicht gehalten, sich vor Fristablauf durch Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Gerichts von einem rechtzeitigen Eingang zu überzeugen (BVerfGE 79, 372, 375 f.; BVerfG, NJW 1992, 38; Senatsbeschluss vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02, aaO; BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2008 - XII ZB 155/07, VersR 2009, 1096 Rn. 10; vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 238/08, juris Rn. 10). Denn der Prozessbevollmächtigte ist bereits in besonderem Maße verpflichtet, für eine zuverlässige Ausgangskontrolle zu sorgen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 25/11, juris Rn. 9). Dann kann er regelmäßig nicht auch noch gehalten sein, den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen (BVerfGE 79, 372, 375 f.; BVerfG, NJW 1992, 38; Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2011 - VI ZB 28/11, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 238/08, aaO Rn. 10).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

11
a) Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungsführer grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Daher kann er sich im Wiedereinsetzungsverfahren nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2007 - IV ZR 132/06, FamRZ 2007, 1808 Rn. 5; vom 9. Juli 2009 - VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 Rn. 8; jeweils mwN; vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 7. Oktober 1992 - VIII ZB 28/92, NJW 1993, 134 unter [III] 2 a; vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98, VersR 1999, 1559 unter [II] 2 a [jeweils zu § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO aF]).
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a) Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden,wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungsführer grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Daher kann er sich im Wiedereinsetzungsverfahren nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 11; vom 26. Januar 2017 - IX ZB 34/16, NJW-RR 2017, 564 Rn. 10; vom 9. Juli 2009 - VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 Rn. 8; jeweils mwN).
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1. a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Rechtsmittelführer das Risiko zu tragen, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens die Verlängerung der Begründungsfrist versagt; er kann daher im Wiedereinsetzungsverfahren grundsätzlich nicht geltend machen, er habe mit der beantragten Fristverlängerung rechnen dürfen. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn es sich um einen ersten Verlängerungsantrag handelt und darin erhebliche, die beantragte Verlängerung rechtfertigende Gründe oder aber eine Einwilligung des Gegners dargelegt werden (vgl. u.a. BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 1992 - VIII ZB 28/92 - NJW 1993, 134 unter 2 a.; vom 4. März 2004 - IX ZB 121/03 - NJW 2004, 1742 unter 2; vom 22. März 2005 - XI ZB 36/04 - NJW-RR 2005, 865 unter II 1).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 74/05
vom
12. April 2006
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners in die
Verlängerung der Begründungsfrist muss, wenn der Gegner sie nicht selbst gegenüber
dem Gericht erklärt, in dem Fristverlängerungsantrag im Regelfall ausdrücklich
dargelegt werden. Ausnahmsweise reicht eine konkludente Darlegung
aus, etwa wenn sich die Einwilligung des Gegners zweifelsfrei aus dem Zusammenhang
des Antrags mit bereits zuvor gestellten Verlängerungsanträgen
ergibt.
BGH, Beschluss vom 12. April 2006 - XII ZB 74/05 - OLG Brandenburg
AG Nauen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose beschlossen:
beschlossen: Der Klägerin wird als Rechtsbeschwerdeführerin für das Rechtsbeschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Scheuch beigeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 3. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. April 2005 aufgehoben. Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um Unterhalt. Die Klägerin hat gegen das ihr am 16. September 2004 zugestellte teilweise klagabweisende Urteil des Amtsgerichts fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungfrist ist wiederholt verlängert worden, und zwar zunächst wegen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bis zum 15. Dezember 2004. Auf am 13. Dezember 2004 und 12. Januar 2005 eingegangene Anträge der Klägerin ist die Frist er- neut, und zwar bis zum 13. Januar und sodann bis zum 3. Februar 2005, verlängert worden. In der Begründung beider Anträge ist ausgeführt, dass zwischen den Parteien Vergleichsverhandlungen schwebten und die Gegenseite mit der Fristverlängerung einverstanden sei.
2
In einem am 2. Februar 2005 eingegangenen Schriftsatz vom 1. Februar 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine erneute Fristverlängerung bis zum 3. März 2005 beantragt, weil die Vergleichsverhandlungen kurz vor dem Abschluss stünden, die Parteien jedoch noch Zeit benötigten, den Vergleich abschließend abzustimmen. Der Vorsitzende des Senats des Berufungsgerichts hat am 4. Februar 2005 verfügt, dass ein Abdruck dieses Antrags dem gegnerischen Anwalt zugeleitet wird; zugleich hat er mit dem Vermerk "Zust. GE?" eine Wiedervorlage nach zwei Wochen angeordnet. Außerdem hat er an diesem Tage den Prozessbevollmächtigten der Klägerin telefonisch darauf hingewiesen , dass dem Verlängerungsantrag nicht stattgegeben werden könne, weil die Einwilligung der Gegenseite nicht dargelegt sei. Am 1. März 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin "mit versichertem Einverständnis der Gegenseite" beantragt, die Frist für die Berufungsbegründung bis zum 17. März 2005 zu verlängern.
3
Die Klägerin hat am 15. März 2005 die Berufung begründet. Mit FaxSchreiben vom 16. März 2005 hat der Vorsitzende des Senats des Berufungsgerichts dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass ein zulässiger Antrag auf weitere Fristverlängerung nicht gestellt worden und die Berufungsbegründung deshalb verfristet sei. Die Klägerin hat daraufhin am 24. März 2005 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Diesen Antrag hat das Oberlandesgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

II.

4
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 238 Abs. 2 i.V. mit § 522 Abs. 1, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig, da der angefochtene Beschluss die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
5
2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin die begehrte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu Unrecht versagt.
6
a) Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin es versäumt, rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ein Fristverlängerungsgesuch anzubringen, das einer positiven Bescheidung zugänglich ist. Der Antrag vom 1. Februar 2005 erfülle diese Voraussetzung nicht. Diesem Antrag hätte nur mit Einwilligung des Gegners stattgegeben werden können. Dabei genüge nicht, dass diese Einwilligung tatsächlich vorliege. Der Beantragende müsse diese zwingende Voraussetzung in seinem Verlängerungsgesuch (zumindest) auch darlegen. Diese Darlegung habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dessen Verschulden der Klägerin zuzurechnen sei, unterlassen. Hinzu komme, dass das Wiedereinsetzungsgesuch nicht innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist von zwei Wochen eingereicht worden sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe spätestens durch den - nach seiner Angabe am 4. Februar 2005 erfolgten - telefonischen Hinweis des Vorsitzenden des Senats des Oberlandesgerichts Kenntnis erlangt, dass die beantragte Fristverlängerung nicht ohne schriftliche Darlegung der Zustimmung des Gegners gewährt werden könne. Er habe deshalb nicht bis zum schriftlichen Hinweis des Senatsvorsitzenden vom 16. März 2005 darauf vertrauen dürfen, die Fristverlängerung sei stillschweigend gewährt worden.
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b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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aa) Die Klägerin war ohne ihr Verschulden an der fristgerechten Berufungsbegründung gehindert; denn sie durfte darauf vertrauen, dass ihren Anträgen , diese Frist bis zum 3. März 2005 bzw. weiter bis zum 17. März 2005 zu verlängern, entsprochen würde.
9
Da die Berufungsbegründungfrist bereits zuvor über einen Monat hinaus verlängert worden war, konnte diese Frist nur mit Einwilligung des Gegners erneut verlängert werden (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss diese Einwilligung nicht schriftlich und gegenüber dem Berufungsgericht erklärt werden; sie kann vielmehr auch vom Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers eingeholt werden (BGH Beschluss vom 9. November 2004 - XI ZB 6/04 - FamRZ 2005, 267). In diesem Fall muss die Erteilung der Einwilligung in dem Fristverlängerungsantrag dargelegt werden (BGH Beschluss vom 22. März 2005 - XI ZB 36/04 - FamRZ 2005, 1082 m.w.N.).
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Dem Fristverlängerungsgesuch der Klägerin vom 1. Februar 2005 lässt sich konkludent die Erklärung entnehmen, der gegnerische Anwalt habe auch in die nunmehr erneut beantragte Fristverlängerung eingewilligt. Dafür spricht der Zusammenhang dieses Antrags mit den vorangegangenen Verlängerungsgesuchen , in denen der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die schwebenden Vergleichsverhandlungen hingewiesen und ausdrücklich die Einwilligung des gegnerischen Anwalts dargelegt hat. Der Fristverlängerungsantrag der Klägerin vom 1. Februar 2005 stellt ausdrücklich den Abschluss dieser Vergleichsverhandlungen in Aussicht und betont, dass "die Parteien" - also auch der Be- klagte - die Fristverlängerung benötigten, um den Vergleich abschließend abzustimmen und zur Protokollierung im schriftlichen Verfahren vorzulegen.
11
bb) Die Klägerin hat auch rechtzeitig auf die Wiedereinsetzung angetragen und die hierfür maßgebenden Gründe fristgerecht geltend gemacht.
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Die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist muss - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - nicht innerhalb von zwei Wochen, sondern, wie sich aus § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergibt, binnen eines Monats beantragt werden. Diese Frist begann nicht, wie das Oberlandesgericht meint, schon deshalb am 4. Februar 2005, weil der Vorsitzende des Senats des Oberlandesgerichts an diesem Tag den Prozessbevollmächtigten der Klägerin angerufen und ihm - auf dessen Rückruf - mitgeteilt hat, dass dem Fristverlängerungsgesuch vom 1. Februar 2005 nicht entsprochen werden könne.
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Zum Inhalt dieses durch Nachweis der Telefongesellschaft belegten Telefonats hat die Klägerin glaubhaft gemacht, ihr Prozessbevollmächtigter habe dem Senatsvorsitzenden ausdrücklich versichert, dass der Beklagten-Vertreter in die Fristverlängerung eingewilligt und zugesagt habe, diese Einwilligung unmittelbar und rechtzeitig dem Oberlandesgericht zu übermitteln. Der Senatsvorsitzende habe sich daraufhin erkundigt, ob denn tatsächlich begründete Hoffnung bestehe, den Rechtsstreit durch Vergleich zu beenden. Der Prozessbevollmächtigte habe dies bejaht.
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Ausweislich des Akteninhalts hat der Senatsvorsitzende am selben Tag (4. Februar 2005) verfügt, dass ein Abdruck des Fristverlängerungsgesuchs dem gegnerischen Anwalt zugeleitet wird; zugleich hat er mit dem Vermerk "Zust. GE?" eine Wiedervorlage nach zwei Wochen angeordnet. Bei Würdigung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits aufgrund des mit dem Senatsvorsitzenden geführten Telefonge- sprächs zu dem Ergebnis kommen musste, dass sein Fristverlängerungsgesuch endgültig abschlägig beschieden worden sei. Vielmehr ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde der Vortrag der Klägerin zu unterstellen, sie habe dem Telefongespräch entnehmen können, über die begehrte Fristverlängerung werde erst später und unter Berücksichtigung ihrer Darlegungen zur Einwilligung des Beklagtenvertreters entschieden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte deshalb bis zu einer endgültigen abschlägigen Entscheidung darauf vertrauen , dass seinem Gesuch um Fristverlängerung entsprochen würde, und konnte deshalb mit einem Wiedereinsetzungsgesuch zunächst zuwarten.
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Dieses Vertrauen war erst dann nicht mehr gerechtfertigt, nachdem der Vorsitzende des Senats des Oberlandesgerichts mit Fax-Schreiben vom 16. und 24. März 2005 eine Fristverlängerung endgültig abgelehnt hatte. Die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist begann deshalb frühestens am 16. März 2005; sie wurde durch das am 24. März 2005 eingegangene Wiedereinsetzungsgesuch in Verbindung mit der zuvor eingegangenen Berufungsbegründung gewahrt.
Hahne Sprick Wagenitz Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Nauen, Entscheidung vom 10.09.2004 - 21 F 70/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 13.04.2005 - 15 UF 227/04 -