Bundesgerichtshof Beschluss, 30. März 2005 - X ZB 23/04

bei uns veröffentlicht am30.03.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 23/04
vom
30. März 2005
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und
die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Kirchhoff
am 30. März 2005

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. September 2004 aufgehoben.

Gründe:


I. Die Klägerin nimmt den beklagten Landwirt mit Ermächtigung der Rechtsinhaber auf Auskunft darüber in Anspruch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beklagte in der Vegetationsperiode 1998/99 Nachbau einer Vielzahl von teils nach Gemeinschaftsrecht, teils nach dem Sortenschutzgesetz geschützter Getreide-, Futterpflanzen- und Kartoffelsorten betrieben hat.
Das Landgericht hat die Klage im wesentlichen abgewiesen und den Beklagten nur - im Wege des Versäumnisurteils - hinsichtlich einzelner Sorten antragsgemäß verurteilt.
Das Berufungsgericht hat die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Verfahren vor dem Bundesgerichtshof mit den Aktenzeichen X ZR 149/03, X ZR 158/03, X ZR 191/03 und X ZR 70/04 ausgesetzt.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
1. Das Berufungsgericht hat die Aussetzung der Verhandlung, der der Beklagte, nicht aber die Klägerin zugestimmt hat, damit begründet, daß zur Reichweite und zum Umfang des Auskunftsanspruchs bei "Nachzuchten" zahlreiche stark abweichende, widerstreitende Urteile sowohl im OLG-Bezirk Koblenz wie auch in anderen OLG-Bezirken vorlägen. Der Bundesgerichtshof sei als Revisionsinstanz inzwischen mit zumindest vier Verfahren befaßt, in denen der Umfang des Auskunftsanspruchs der Klägerin zu klären sei, und möglicherweise würden dann "die Revisionsurteile noch europarechtlich überprüft werden". Bei dieser Sachlage erachte es der Senat gerade auch im Interesse der Parteien (u.a. im Kosteninteresse) für angemessen, die Verhandlung entsprechend § 148 ZPO auszusetzen, da in den vier beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren abschließend über den geltendgemachten Auskunftsanspruch der Klägerin in gleichgelagerten Fällen entschieden werde.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen
Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen , daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (Baumbach /Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 148 Rdn. 4; Musielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 148 Rdn. 5; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 148 Rdn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 148 Rdn. 5; vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.7.2003 - VII ZB 32/02, NJW 2003, 3057). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, da den beim Senat anhängigen anderen Verfahren, an denen der Beklagte nicht beteiligt ist, im Hinblick auf das Streitverfahren allenfalls die Bedeutung eines Musterprozesses zukommt.
Soweit in der Literatur eine Aussetzung bereits dann für möglich gehalten wird, wenn ein rein tatsächlicher Einfluß in Betracht kommt, den Vorgänge in einem anderen Prozeß, wie etwa eine Beweisaufnahme, oder die Entscheidung des anderen Verfahrens auf die Entscheidung in dem zweiten Verfahren ausüben könnten (in diesem Sinne etwa Peters in MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 148 Rdn. 10), kann dem nicht gefolgt werden. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren , sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im übrigen auch ein konturenloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozeßparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde.

b) Die Aussetzung der Verhandlung wird aber auch nicht durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 148 ZPO, wie sie das Berufungsgericht für möglich gehalten hat, gerechtfertigt.
aa) Daß in einem anderen Verfahren über einen gleich oder ähnlich gelagerten Fall nach Art eines Musterprozesses entschieden werden soll, rechtfertigt für sich genommen noch keine Analogie zu der in § 148 ZPO geregelten Fallkonstellation. Denn die Vorschrift dient zwar auch der Prozeßökonomie , indem sie die Gerichte vor der doppelten Befassung mit zumindest teilweise identischem Streitstoff bewahrt (Sen.Beschl. v. 6.4.2004 - X ZR 272/02 - GRUR 2004, 710 - Druckmaschinen-Temperierungssystem, für BGHZ 158, 372 vorgesehen; BGH, Beschl. v. 25.3.1998 - VIII ZR 337/97, NJW 1998, 1957; Beschl. v. 17.12.1997 - XII ARZ 32/97, FamRZ 1998, 1023). Darin erschöpft sich der Zweck der Norm jedoch nicht; § 148 ZPO enthält keine allgemeine Ermächtigung, die Verhandlung eines Rechtsstreits zur Abwendung einer vermeidbaren Mehrbelastung des Gerichts auszusetzen. Vielmehr ist die Aussetzung grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn die Entscheidung in dem einen Rechtsstreit die Entscheidung des anderen rechtlich beeinflussen kann.
bb) Ist die Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes Gegenstand einer anhängigen Verfassungsbeschwerde oder Richtervorlage , ist es hiernach zulässig, die Verhandlung in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen, solange sich das erkennende Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes überzeugt hat (BGH, Beschl. v. 18.7.2000 - VIII ZR 323/99, RdE 2001, 20; Beschl. v. 25.3.1998 aaO; s. auch BVerfG, NJW 2000, 1484). Denn wird das entscheidungserhebliche Gesetz für nichtig erklärt, wirkt dies erga omnes und beeinflußt damit notwendigerweise das ausgesetzte Verfahren rechtlich.
cc) Ob darüber hinaus Fälle denkbar sind, in denen der rechtlich erhebliche Einfluß des Verfahrens, bis zu dessen Entscheidung ausgesetzt wird, durch einen anderen, über bloße Prozeßwirtschaftlichkeit hinausreichenden Wertungsgesichtspunkt ersetzt werden kann, muß im Streitfall nicht abschließend entschieden werden. Es kann auch dahinstehen, ob bei "Massenverfahren" die Unmöglichkeit einer angemessenen Bewältigung der Gesamtheit der Verfahren das Gewicht verfahrenswirtschaftlicher Erwägungen gegebenenfalls so zu erhöhen vermag, daß hierin ein nicht nur quantitativ, sondern qualitativ anderer Wertungsgesichtspunkt als die "normale" Prozeßökonomie hervortritt (s. dazu Stürner, JZ 1978, 499, 501; Musielak/Stadler aaO, § 148 Rdn. 5; Peters aaO, § 148 Rdn. 9; LG Freiburg, NJW 2003, 3424; ablehnend Kähler, NJW 2004, 1132, 1136; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 148 Rdn. 16). Denn die angefochtene Entscheidung läßt keinen Wertungsgesichtspunkt erkennen , der die Aussetzung der Verhandlung rechtfertigen könnte.
Die Revisionsverfahren X ZR 158/03 und X ZR 191/03, bis zu deren "rechtskräftiger" Entscheidung das Berufungsgericht die Verhandlung (auch) ausgesetzt hat, betreffen nicht einmal Auskunftsansprüche gegen Landwirte wegen Nachbaus geschützter Sorten. Der Rechtsstreit X ZR 158/03, in dem der Senat zwischenzeitlich dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vier Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2, 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 24. Juli 1995 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (Sen.Beschl. v. 11.10.2004; s. auch die Parallelentscheidung von demselben Tage in der Sache X ZR 156/03, GRUR 2005, 240 - Nachbauentschädigung) geht es vielmehr um die Angemessenheit der für den Nachbau sortenschutzrechtlich geschützten Saatguts zu zahlenden Entschädigung. Irgendein ent-
scheidungserheblicher Zusammenhang mit dem Streitfall ist nicht zu erkennen. Das Revisionsverfahren X ZR 191/03 betrifft Auskunfts- und Unterlassungsansprüche gegenüber einem Aufbereiter und damit gleichfalls nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der Landwirt von dem Sortenschutzinhaber auf Auskunft in Anspruch genommen werden kann. Schon deshalb kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben.
Aber auch die Verfahren X ZR 149/03 und X ZR 70/04 rechtfertigen die Aussetzung der Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht. Sie betreffen zwar Auskunftsansprüche wegen Nachbaus gegenüber Landwirten. Die bloße Übereinstimmung in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage erlaubt jedoch die Aussetzung jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht mit Zustimmung beider Parteien erfolgt, und nichts anderes gilt für die vom Berufungsgericht angeführten "zahlreichen" einander widerstreitenden Entscheidungen. Zwar spricht das Berufungsgericht abschließend bei der Begründung der Zulassung der Rechtsbeschwerde (in Anführungszeichen) auch von Massenverfahren. Daß das Berufungsgericht mit einer schlechthin nicht zu bewältigenden Vielzahl von gleichgelagerten Berufungsverfahren befaßt wäre, läßt seine Entscheidung jedoch nicht erkennen; andere gegebenenfalls relevante Gründe für eine Aussetzung führt es nicht an.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. März 2005 - X ZB 23/04

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. März 2005 - X ZB 23/04

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde
Bundesgerichtshof Beschluss, 30. März 2005 - X ZB 23/04 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Referenzen - Urteile

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Referenzen

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 32/02
vom
10. Juli 2003
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Die Aussetzung eines Rechtsstreits gegen mehrere Beklagte wegen eines anderweitig
anhängigen selbständigen Beweisverfahrens kommt jedenfalls dann nicht in Betracht
, wenn das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens deshalb nicht verwertbar
ist, weil nicht alle Beklagten an diesem Verfahren beteiligt sind.
BGH, Beschluß vom 10. Juli 2003 - VII ZB 32/02 - KG Berlin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2003 durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr.
Kniffka und Bauner

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 17. Juni 2002 ist erledigt. Soweit zum Nachteil der Kläger entschieden worden ist, ist der angefochtene Beschluß des Kammergerichts gegenstandslos. Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelzüge. Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 9.000

Gründe:

I.

Die Kläger sind Eigentümer eines Hauses mit einem mangelbehafteten Keller. Sie verlangen im vorliegenden Rechtsstreit von den beiden beklagten Architekten Schadensersatz wegen mangelhafter Bauüberwachung. In dem Verfahren des Kammergerichts 4 U 6060/98, in dem sich die Kläger gegen die Restwerklohnklage des Bauunternehmers u.a. mit Gewährleistungsansprüchen wegen des mangelhaften Kellers verteidigen, hat das Kammergericht ein selbständiges Beweisverfahren angeordnet, an dem die Kläger als Antragsteller und der Bauunternehmer sowie der Beklagte zu 1 als Antragsgegner beteiligt waren. Mit dem einzuholenden Gutachten sollte sich der Sach-
verständige zu den Mängeln und auch zur technischen Verursachung äußern. Daraufhin hat das Landgericht das vorliegende Verfahren nach § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits 4 U 6060/98 der Kläger ausgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde hat das Kammergericht den Beschluß insoweit neu gefaßt, als der Rechtsstreit nur bis zum Abschluß des gegen den Beklagten zu 1 gerichteten selbständigen Beweisverfahrens ausgesetzt wird. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger. Nachdem aufgrund übereinstimmenden Vortrags im Rechtsbeschwerdeverfahren der Aussetzungsgrund entfallen ist und der Rechtsstreit beim Landgericht fortgesetzt werden kann, haben die Kläger das Rechtsbeschwerdeverfahren für erledigt erklärt und beantragt, den Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Diese widersprechen der Erledigungserklärung.

II.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist erledigt. Eine einseitige Rechtsmittelerledigungserklärung ist zulässig; dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Rechtsmittel durch ein nachträgliches prozessuales Ereignis die Grundlage entzogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – XI ZR 219/97, NJW 1998, 2453). Das ist hier der Fall. Der Aussetzungsgrund ist nach Vorlage des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren entfallen. Die Rechtsbeschwerde der Kläger war bis zum erledigenden Ereignis begründet. Dies führt dazu, daß die Rechtsbeschwerde erledigt ist und der angefochtene Beschluß des Kammergerichts, soweit zum Nachteil der Kläger entschieden worden ist, gegenstandslos ist.
Die Beschwerde und die Rechtsbeschwerde waren bis zum Abschluß des selbständigen Beweisverfahrens begründet. Das Landgericht durfte, auch soweit das Kammergericht den angefochtenen Aussetzungsbeschluß des Landgerichts nicht bereits zugunsten der Kläger abgeändert hat, den Rechtsstreit nicht gemäß § 148 ZPO aussetzen. Dabei braucht die in Rechtsprechung und Literatur streitige Frage, ob ein Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO analog ausgesetzt werden darf, wenn die vom Gericht der Hauptsache für beweiserheblich gehaltenen Tatsachen in einem selbständigen Beweisverfahren geklärt werden sollen (verneinend: z.B. OLG Dresden, BauR 1998, 595; bejahend: z.B. KG, KGR 2000, 266), nicht entschieden zu werden. Selbst wenn die letztere Auffassung , die den Gedanken der Prozeßökonomie in den Vordergrund stellt, zutreffen sollte, so setzt das voraus, daß das im selbständigen Beweisverfahren einzuholende Sachverständigengutachten im anhängigen Rechtsstreit gemäß § 493 Abs. 1 ZPO uneingeschränkt verwertbar ist. Nur in diesem Fall kann dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie Bedeutung zukommen. Das nunmehr vorliegende Gutachten im selbständigen Beweisverfahren ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht uneingeschränkt verwertbar. Das Beweisergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens dient der Vorbereitung und beweismäßigen Vereinfachung des Hauptsacheverfahrens; es ist daher bei Identität der Beteiligten wie ein vor dem Prozeßgericht erhobener Beweis zu behandeln (Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 493 Rdn. 1). Ausweislich des Akteninhalts ist der Beklagte zu 2 an dem selbständigen Beweisverfahren weder als Antragsgegner noch als Streitverkündeter beteiligt gewesen. Er kann sich daher vorliegend mit den ihm zur Verfügung stehenden Beweismitteln uneingeschränkt verteidigen. Die im Interesse der Verfahrensbeschleunigung geltenden Einschränkungen gemäß §§ 360, 398, 411 Abs. 4, 412 ZPO treffen auf ihn nicht zu.
Die Kosten des Verfahrens, soweit darüber noch nicht entschieden worden ist, tragen die Beklagten, § 91 ZPO.
Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 272/02
vom
6. April 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Druckmaschinen-Temperierungssystem
Ist ein Patentnichtigkeitsverfahren anhängig, kann im Patentverletzungsrechtsstreit
die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Nichtzulassung der
Revision bis zur Entscheidung in dem Patentnichtigkeitsverfahren ausgesetzt
werden.
BGH, Beschl. v. 6. April 2004 - X ZR 272/02 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. April 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

beschlossen:
Die Entscheidung über die Beschwerde der Beklagen gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das am 14. November 2002 verkündete Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die unter dem Az. 4 Ni 17/03 beim Bundespatentgericht anhängige Nichtigkeitsklage ausgesetzt.

Gründe:


I. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 602 312 (Klagepatents), das auf einer Anmeldung vom 8. Dezember 1992 beruht, mit der eine deutsche Priorität vom 30. Januar 1992 in Anspruch genommen worden ist.
Patentanspruch 1 des in der Verfahrenssprache Deutsch erteilten Klagepatents lautet wie folgt:
"Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen:
1.1. Es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen eine eine FeuchtwasserAuftragsvorrichtung (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem Feuchtwasser (124) auf den betreffenden Rotationskörper (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche des betreffenden Rotationskörpers (6, 107) der Druckmaschine ist;
1.2. die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter (132) für das Feuchtwasser (124);
1.3. die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter (80) für das Kaltwasser (130);
1.4. eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmeaustauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser (130);
1.5. Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum wahlweisen Umschalten zwischen der Betriebsart 'Feuchtwasser-Offsetdruck' unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitige Kühlung durch die KaltwasserKühlvorrichtung und der Betriebsart 'wasserloser Offsetdruck' unter Verwendung der Kaltwasser-Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die FeuchtwasserAuftragsvorrichtung."
Die Beklagte stellt in der Bundesrepublik Deutschland her und vertreibt hier sogenannte Kombinations-Temperiergeräte für Druckmaschinen. Zwei Ausführungsformen dieser Geräte hält die Klägerin für patentverletzend. Beide Ausführungsformen weisen keine Mittel für eine Blasluftkühlung auf; im Kaltwassernetz haben sie jeweils ein Ausdehnungsgefäß.
Das Landgericht hat die auf Unterlassung, Rechnungslegung sowie Feststellung einer Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht gerichtete Patentverletzungsklage abgewiesen, weil es Patentanspruch 1 entnommen hat, die beanspruchte Kaltwasser-Kühlvorrichtung verlange ihrerseits eine zweifache Kühlung, nämlich sowohl die Kühlung der Farbauftragswalzen als auch mittels gekühlter Blasluft die Kühlung des Druckplattenzylinders. Das ergebe sich aus der in der Beschreibung des Klagepatents genannten Aufgabenstellung, daraus, daß übereinstimmend mit der Aufgabenformulierung auch in den Vorteilsangaben als zur Auswahl des Anwenders stehend drei Kühlungsarten erwähnt seien, und ferner aus dem Umstand, daß das betreffende Merkmal nicht dahingehend formuliert sei, daß zwei Kühlvorrichtungen vorgesehen seien, von denen die eine eine Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung und die andere Kühlvor-
richtung eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung sei. Der sich hieraus ergebende Sinngehalt habe seinen Niederschlag in Patentanspruch 1 aber auch insoweit gefunden , als im Zusammenhang mit der geforderten Kaltwasser-Kühlvorrichtung ausdrücklich sowohl auf die Bezugsziffer (2), welche die Blasluftkühlvorrichtung identifiziere, als auch auf die Bezugsziffer (107) verwiesen sei, mit der die gekühlten Farbauftragswalzen bezeichnet seien.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht mit Urteil vom 14. November 2002 das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, weil Patentanspruch 1 insgesamt nur (mindestens) zwei Kühlungsarten voraussetze und bei den angegriffenen Vorrichtungen in Form des Ausdehnungsgefäßes auch der ferner erforderliche Vorratsbehälter vorhanden sei. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Hiergegen wendet sich nunmehr die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30. April 2003 Nichtigkeitsklage erhoben. Hierin hält sie dem Klagepatent unter anderem als offenkundig vorbenutzt ein Temperierungssystem mit einer Kälteanlage entgegen. Außerdem macht sie den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung geltend. Sie macht sich das Verständnis des Oberlandesgerichts vom Sinngehalt des Patentanspruchs 1 des Klagepatents zu eigen. Bei diesem Sinngehalt sei die Stammanmeldung erweitert worden, weil nach ihrem Inhalt stets eine Blasluftkühlvorrichtung gegeben sein müsse.
Die Beklagte beantragt im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage,
das Verfahren bis zu deren rechtskräftiger Entscheidung auszusetzen.
Die Klägerin tritt diesem Aussetzungsantrag ebenso wie der Nichtzulassungsbeschwerde entgegen.
II. 1. Das Klagepatent betrifft den Bereich der Kühlung (Temperierung) beim Rotations-Offsetdruck. Beim Offsetdruck unterscheidet man prinzipiell zwei Arten, den Feuchtwasser-Offsetdruck und den wasserlosen Offsetdruck. Beim Feuchtwasser-Offsetdruck wird das Feuchtwasser zur Kühlung auf bestimmte Bereiche der Oberfläche der Druckplatte aufgebracht. Beim wasserlosen Offsetdruck durchströmt Kaltwasser als Kühlflüssigkeit die Farbauftragswalzen. Die Kühlung der Druckfarben und der Oberfläche der Druckplatte geschieht durch Wärmeaustausch. Zusätzlich kann beim wasserlosen Offsetdruck die Oberfläche der Druckplatte mit Kaltluft gekühlt werden, die ihrerseits vom Kaltwasser gekühlt sein kann.
Patentanspruch 1 des Klagepatents verlangt nach der Merkmalsgliederung des Oberlandesgerichts bei einem Druckmaschinen-Temperierungssystem für Rotationskörper einer Druckmaschine folgende Merkmale:
1. Es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrichtungen vorgesehen, von welchen

a) die eine Kühlvorrichtung eine FeuchtwasserAuftragsvorrichtung zum Aufbringen von temperiertem
Feuchtwasser auf den betreffenden Rotationskörper der Druckmaschine und

b) die andere Kühlvorrichtung eine Kaltwasser-Kühlvorrichtung zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche des betreffenden Rotationskörpers der Druckmaschine ist.
2. Die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung enthält einen ersten Vorratsbehälter für das Feuchtwasser.
3. Die Kaltwasser-Kühlvorrichtung enthält einen zweiten Vorratsbehälter für das Kaltwasser.
4. Eine Kühlanlage weist auf

a) einen einzigen Kälteerzeuger zur Kühlung von Kältemittel und

b) eine Wärmetauschervorrichtung zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Feuchtwasser sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser.
5. Es sind Mittel vorgesehen zum wahlweisen Umschalten zwischen

a) der Betriebsart "Feuchtwasser-Offsetdruck" unter Verwendung der Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung mit oder ohne gleichzeitige Kühlung durch die Kaltwasser-Kühlvorrichtung und

b) der Betriebsart "wasserloser Offsetdruck" unter Verwendung der Kaltwasser-Kühlvorrichtung ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die Feuchtwasser-Auftragsvorrichtung.
2. Auf den Aussetzungsantrag der Beklagten hin ist die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde auszusetzen.

a) Bereits die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil in einem Patentverletzungsprozeß kann ausgesetzt werden.
Im Patentverletzungsrechtsstreit ist eine Aussetzung nach § 148 ZPO wegen eines anhängigen Patentnichtigkeitsverfahrens auch noch während des Revisionsrechtszugs zulässig (BGH, Beschl. v. 08.10.1957 - I ZR 164/56, GRUR 1958, 75 - Tonfilmwand), weil auch im Revisionsrechtszug jede Änderung der Patentlage zu berücksichtigen ist (BGHZ 81, 397 - Verbauvorrichtung) und im Falle einer rechtskräftigen Nichtigerklärung des Klagepatents auch eine bisher erfolgreiche Verletzungsklage ohne weiteres abweisungsreif ist (BGH, Beschl. v. 28.03.1963 - Ia ZR 19/63, GRUR 1963, 494 - Rückstrahlerdreieck). Dabei galt nach der Rechtsprechung des Senats zu § 554 b Abs. 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, daß die Aussetzung eines Patentverletzungsprozesses im Revisionsverfahren wegen der Vorgreiflichkeit der Entscheidung im Patentnichtigkeitsverfahren die Entscheidung über die An-
nahme der Revision oder deren Ablehnung offen läßt (BGHZ 81, 397 - Verbauvorrichtung ). Die Aussetzung des Patentverletzungsrechtsstreits nach § 148 ZPO durch den Senat war also vor dessen Entscheidung über die Annahme der Revision zulässig (BGHZ 81, 397, 399 - Verbauvorrichtung). Diese Möglichkeit zu nutzen, war auch sachgerecht, weil hierdurch in prozeßwirtschaftlicher Weise die Entstehung widerstreitender Rechtstitel zu verhindern ist (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl., § 140 Rdn. 18 m.w.N.).
Die Neuordnung des Revisionsrechts gibt keine Veranlassung, in Abweichung von dieser sachgerechten Praxis eine Aussetzung des Patentverletzungsrechtsstreits erst nach der nunmehr geforderten Entscheidung über die Zulassung der Revision auszusprechen. Es liegt vielmehr im Sinn der Zulassungsrevision , daß der Senat auch die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO in einem Patentverletzungsrechtsstreit aussetzen kann, obwohl es sich bei dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde - anders als es beim bisherigen sog. Annahmeverfahren der Fall war (BGHZ 81, 397, 399 - Verbauvorrichtung) - um ein eigenständiges Verfahren handelt, an das sich nur im Falle der Zulassung als weiteres Verfahren das Revisionsverfahren anschließt.
Der Patentverletzungsrechtsstreit ist durch die Bindung des Richters an das erteilte Patent gekennzeichnet (Sen.Beschl. v. 12.11.2002 - X ZR 176/01, GRUR 2003, 550 - Richterablehnung). Trotz anhängigen Patentnichtigkeitsverfahrens müßte die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb nach Maßgabe der bestehenden Patentlage getroffen werden. Erscheint aus diesem Grund eine Nichtzulassung der Revision geboten, droht ein Widerspruch des zu treffenden Beschlusses mit der Nichtigerklärung des Patents, die
in dem Patentnichtigkeitsverfahren ausgesprochen werden kann. Dies stünde nicht im Einklang mit dem Interesse an der Vermeidung widerstreitender Entscheidungen , das in dem Revisionsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zum Ausdruck kommt und auch ein Grund für die Regelung in § 148 ZPO ist. Diesem Interesse kann andererseits durch eine Zulassung der Revision wegen des anhängigen Patentnichtigkeitsverfahrens nicht sachgerecht genügt werden, weil diese das Revisionsverfahren auch für den Fall eröffnete, daß die Nichtigkeitsklage abgewiesen wird, es also bei der im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren maßgeblichen Patentlage bleibt. Das widerspräche dem gerade auch durch § 148 ZPO zum Ausdruck kommenden Gebot der Prozeßökonomie , wenn auf der Grundlage der bestehenden Patentlage ein Zulassungsgrund nicht besteht.
Der Senat leitet aus dieser, sich aus Besonderheiten des geltenden Revisionsrechts ergebenden Sachlage die Anwendbarkeit dieser Vorschrift, ferner aber auch ab, daß in Fällen, in denen Patentnichtigkeitsverfahren und Patentverletzungsrechtsstreit parallel geführt werden, in letzterem auf zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hin die Revision zuzulassen ist, wenn das den Prozessen zugrundeliegende Patent ganz oder teilweise für nichtig erklärt worden ist und diese Entscheidung Auswirkung auf diejenige im Verletzungsrechtsstreit haben kann.

b) Die mit der Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung, die bei der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist (BGH, Beschl. v. 07.05.1992 - V ZR 192/91, MDR 1992, 1083 m.w.N.), bildet im Streitfall keinen Grund, die beantragte Maßnahme abzulehnen, obwohl die Beklagte die Nichtigkeitsklage erst nach Abschluß der Tatsacheninstanzen ein-
geleitet hat (vgl. zu Fällen dieser Art BGH, Beschl. v. 08.10.1957 - I ZR 164/56, GRUR 1958, 75 - Tonfilmwand). Denn angesichts der Auslegung des Patentanspruchs 1 durch das Oberlandesgericht ist die Nichtigkeitsklage jedenfalls wegen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrunds der unzulässigen Erweiterung erfolgversprechend und kann ihre Erhebung nicht als bloße Maßnahme der Verzögerung des Verletzungsrechtsstreits angesehen werden.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 156/03 Verkündet am:
27. Juni 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nachbauentschädigung II
GemSortV (Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen
Sortenschutz vom 27. Juli 1994) Art. 14 Abs. 3; NachbauV (Verordnung
(EG) Nr. 1768/95 vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14
Abs. 3 der VO (EG) Nr. 2100/94) Art. 5
Für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 kann von Landwirten, die Nachbau hinsichtlich
gemeinschaftsrechtlich geschützter Pflanzensorten betreiben, aber der Vereinbarung
zwischen dem Bundesverband der Pflanzenzüchter und dem Deutschen
Bauernverband vom 3. Juni 1996 (veröffentlicht im Amtsblatt des Gemeinschaftlichen
Sortenamts vom 16.8.1999; auszugsweise auch im Senatsurteil
vom 13.9.2005 - X ZR 170/04, GRUR 2006, 47 f. - Auskunftsanspruch bei
Nachbau II - abgedruckt) nicht beigetreten sind, in Deutschland eine Nachbauentschädigung
grundsätzlich nur bis zur Höhe von 50 % der Z-Lizenzgebühr
verlangt werden.
BGH, Urt. v. 27. Juni 2007 - X ZR 156/03 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 25. September 2003 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eine in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte Vereinigung von Sortenschutzberechtigten; sie ist von diesen mit der Wahrnehmung ihrer Schutzrechte, insbesondere mit der Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsansprüchen in eigenem Namen, beauftragt worden.
2
Der im Verlauf des Rechtsstreits verstorbene und von den jetzigen Beklagten beerbte ursprüngliche Beklagte (nachfolgend: der Beklagte) baute in seinem landwirtschaftlichen Betrieb im Wirtschaftsjahr 1998/1999 nach Ge- meinschaftsrecht geschützte Sorten, und zwar Wintergerste der Sorte "Theresa" sowie Winterweizen der Sorten "Bandit", "Contur" und "Ritmo" nach.
3
Über diesen Nachbau erteilte der Beklagte der Klägerin Auskunft. Den Abschluss einer Nachbauvereinbarung gemäß dem am 3. Juni 1996 zwischen dem Deutschen Bauernverband e.V. und dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. geschlossenen und am 16. August 1999 im Amtsblatt des Gemeinschaftlichen Sortenamts veröffentlichten Kooperationsabkommen Landwirtschaft und Pflanzenzüchtung (im folgenden: Kooperationsabkommen 1996), das in der Folgezeit durch neue Abkommen mit abweichenden Vergütungssätzen abgelöst worden ist, lehnte er ab.
4
Die Klägerin bemisst die Nachbauentschädigung für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 bei Landwirten, die keine Nachbauvereinbarung geschlossen haben, auf 80 % der Z-Lizenzgebühr, d.h. des Lizenzsatzes, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial derselben Sorte in Lizenz verlangt wird (Art. 14 Abs. 3 4. Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 27.7.1994 - GemSortV). Auf der Grundlage der vom Beklagten erteilten Auskunft verlangte sie mit Rechnung vom 22. November 1999 von diesem eine Nachbaugebühr in Höhe von insgesamt 2.317,19 DM (gleich 1.184,76 EUR).
5
Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 1.003,35 EUR nebst Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der diese Zahlung weiterer 181,41 EUR nebst Zinsen verlangt hat, zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter, soweit er ihr nicht bereits in den Vorinstanzen zugesprochen worden ist.

6
Der Senat hat zunächst eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 EGV zu folgenden Fragen eingeholt (Beschl. v. 11.10.2004 - X ZR 156/03, GRUR 2005, 240 - Nachbauentschädigung I): 1. Ist dem Erfordernis für die Bemessung einer Nachbauentschädigung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95, sie müsse "deutlich niedriger" als der Betrag sein, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial derselben Sorte in Lizenz verlangt wird, auch dann genügt, wenn die Vergütung pauschal mit 80 % dieses Betrages bemessen wird? 2. Enthält Art. 5 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 eine wertmäßige Festlegung für die Höhe der Nachbauentschädigung bei gesetzlicher Veranlagung? Falls ja: Gilt diese Festlegung als Ausdruck eines allgemeinen Gedankens auch für Nachbauhandlungen, die vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 erfolgten? 3. Schließt die Leitlinienfunktion einer Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Sortenschutzinhabern und Landwirten im Sinne von Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 ein, dass diese bei gesetzlicher Veranlagung in ihren wesentlichen Kernelementen (Berechnungsparameter) auch dann übernommen wird, wenn dem Sortenschutzinhaber bei der Berechnung der gesetzlichen Vergütung nicht alle in der Sphäre des Nachbauers liegenden für die Berechnung auf Grundlage der Vereinbarung erforderlichen Parameter bekannt sind und ihm insoweit auch ein Anspruch auf Mitteilung der entsprechenden Tatsachen gegen den Landwirt nicht zusteht? Falls ja: Setzt eine solche Vereinbarung, soweit sie Leitlinienfunktion in diesem Sinne ausüben soll, für ihre Wirksamkeit die Einhaltung der in Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 bestimmten Anforderungen auch dann voraus, wenn sie vor Inkrafttreten dieser Verordnung geschlossen wurde? 4. Setzt Art. 5 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 eine obere Grenze der Entschädigung für vertragliche und/oder gesetzliche Entschädigungsregelungen? 5. Kann eine Vereinbarung zwischen berufsständischen Vereinigungen als Leitlinie im Sinne von Art. 5 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 herangezogen werden, wenn sie den Entschädigungssatz von 50 % des Betrages gemäß Art. 5 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 überschreitet?
7
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat die Sache mit zwei weitgehend parallelen Rechtssachen verbunden und sodann durch Urteil seiner Zweiten Kammer vom 8. Juni 2006 (verbundene Rechtssachen 7/05-- 9/05, Slg. 2006 I 5045; auch veröffentlicht in GRUR 2006, 750 und GRUR Int. 2006, 742) wie folgt erkannt: 1. Im Fall der Inanspruchnahme der Ausnahme für die Landwirtschaft nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz genügt die pauschale Entschädigung in Höhe von 80 % des Betrages, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz derselben Sorte der untersten zur amtlichen Zertifizierung zugelassenen Kategorie verlangt wird, nicht der Voraussetzung, dass - vorbehaltlich der Beurteilung der anderen erheblichen Umstände der einzelnen Ausgangsrechtsstreitigkeiten durch das nationale Gericht - diese Entschädigung im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 "deutlich niedriger" sein muss als der Betrag, der für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz verlangt wird. 2. Die Kriterien, nach denen der Betrag der Entschädigung des Inhabers eines gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts bemessen werden kann, werden in Artikel 5 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung Nr. 2605/98 definiert. Diese Kriterien sind nicht rückwirkend anwendbar, können aber als Anhaltspunkt für die Berechnung der entspre- chenden Entschädigung in Bezug auf einen Nachbau vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98 dienen. 3. Eine Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Inhabern und von Landwirten im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung Nr. 2605/98 kann nur dann mit allen ihren Parametern als Leitlinie dienen, wenn sie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften mitgeteilt und im Amtsblatt des Gemeinschaftlichen Sortenamts veröffentlicht wurde, was auch dann gilt, wenn die Vereinbarung vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98 geschlossen wurde. Eine solche Vereinbarung kann für die Entschädigung einen anderen Satz festlegen als den hilfsweise in Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung Nr. 2605/98 vorgesehenen. 4. Wenn keine Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Inhabern und von Landwirten vorliegt, ist die Entschädigung des Inhabers eines gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts nach Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung Nr. 2605/98 nach einem festen Satz zu bemessen, der weder eine obere noch eine untere Grenze darstellt.

Entscheidungsgründe:


8
Dem Rechtsmittel muss der Erfolg versagt bleiben.
9
I. Die Revision meint, Landwirte, die sich nach dem Gesetz veranlagen ließen, schuldeten den Sortenschutzinhabern eine Nachbauentschädigung in Höhe von 80 % der Z-Lizenzgebühr. Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 sei die für den Nachbau zu zahlende Entschädigung ausdrücklich an den Betrag geknüpft, der in demselben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz verlangt bzw. vereinbart werde. Die von der Klägerin verlangten 80 % der Z-Lizenzgebühr seien im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 "deutlich niedriger" als die übliche Lizenzgebühr.

10
Bei der Bemessung der Entschädigung für den Nachbau der nach der GemSortV geschützten Wintergetreidesorten komme Art. 5 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 nicht zur Anwendung, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt das Kooperationsabkommen vom 3. Juni 1996 bereits wirksam vorgelegen habe. Für Art. 5 Abs. 5 der Verordnung sei die Existenz, nicht aber die Publizierung des Abkommens entscheidend. Es könne nicht angenommen werden, dass die schon bei Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 am 24. Dezember 1998 begründete Sperrwirkung der Vereinbarung durch diese Verordnung auch nur für eine Übergangszeit habe außer Kraft gesetzt werden sollen.
11
Die Klägerin macht nunmehr geltend, dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sei nicht abschließend zu entnehmen, wie die Nachbaugebühren letztlich zu berechnen seien. Das müsse gelten, obgleich das Kooperationsabkommen erst im Jahr 1999 der Kommission mitgeteilt und veröffentlicht worden sei. Die alsbaldige Mitteilung und Veröffentlichung nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 reichten indessen aus, um die Leitlinienfunktion der Vereinbarung auszulösen; dem entsprächen auch die Erwägungen des Gerichtshofs, wonach eine Anhaltspunktwirkung gegeben sei. Andererseits gelte der starre Prozentsatz des Art. 5 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 ergänzten Fassung für den hier fraglichen Zeitraum noch nicht, vielmehr sei die Vereinbarung als Leitlinie oder Anhaltspunkt auch heranzuziehen, soweit sich aus ihr ein höherer Satz als 50 % der Lizenzgebühr ergebe. Der Satz von 80 % folge aus der Vereinbarung für den Fall, dass der Landwirt nur in einem Umfang von bis zu 20 % Saatgutwechsel betreibe; er basiere auf der Formel: durchschnittliche Saatstärke mal pauschale Lizenz mal 80 %.
12
II. Der Beklagte erwidert, daraus, dass zur Bestimmung der Entschädigung auf die Marktverhältnisse abzustellen sei, folge nicht, dass die Entschädigung 80 % der Z-Lizenzgebühr betragen dürfe. Der Gerichtshof sehe diesen Wert vielmehr als zu hoch an. Das Berufungsgericht habe zutreffend auf den Marktpreis abgestellt. Wenn nach den gesetzlichen Vorgaben die Entschädigung deutlich geringer als die Z-Lizenzgebühr sein müsse, sei eine rechnerische Anknüpfung an die Z-Lizenzgebühr nicht erforderlich. Parameter des Kooperationsabkommens 1996 sei nicht die Z-Lizenzgebühr, sondern eine nicht sortenspezifische fiktive Nachbaugebühr.
13
III. 1. Der Senat versteht die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften dahin, dass ausgehend von der Regelung in Art. 14 Abs. 3 4. Gedankenstrich GemSortV den Sortenschutzinhabern Anspruch auf eine angemessene Entschädigung zusteht, deren Höhe sich weiter nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 bemisst. Dabei spielt die in Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene zwischen dem Betriebsinhaber und dem Landwirt vereinbarte Vergütung in der Praxis in Deutschland in der hier interessierenden Zeit keine Rolle. Auf die Leitlinienfunktion des Kooperationsabkommens kann für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 noch nicht abgestellt werden , weil dieses Abkommen noch nicht veröffentlicht war. Demnach muss auf die Regelung in Art. 5 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 ergänzten Fassung zurückgegriffen werden, wonach sich entgegen der Auffassung der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 50 % des für die Erzeugung des Vermehrungsmaterials in Lizenz verlangten Betrags als fester Satz ergibt.
14
2. Das Berufungsgericht hat den Satz, der sich nach dem Kooperationsabkommen 1996 als Höchstsatz ergibt, und der rechnerisch zwischen den Parteien unstreitig ist, der Klageforderung zugrunde gelegt, soweit diese der Kläge- rin zugesprochen worden ist. Damit hat es letztlich auf das Kooperationsabkommen 1996 zurückgegriffen, wie dies für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 nach der für das weitere Verfahren bindenden Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften noch nicht möglich war. Der Senat versteht Nr. 3 des Tenors dieser Entscheidung dahin, dass vor Mitteilung und Veröffentlichung der Vereinbarung diese dem Vergütungsanspruch nicht - und damit auch nicht als Anhaltspunkt - zugrunde gelegt werden kann.
15
Vielmehr hätte sich nach dem Erkenntnis des Gerichtshofs das Berufungsgericht für dieses Wirtschaftsjahr auf die Vorgaben in Art. 5 Abs. 2, Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 ergänzten Fassung stützen und 50 % der für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz derselben Sorte der untersten zur amtlichen Zertifizierung zugelassenen Kategorie als festen Satz (Gerichtshof Rdn. 46, 47) zubilligen müssen, da diese als Anhaltspunkt für die Berechnung der entsprechenden Entschädigung in Bezug auf einen Nachbau vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98 dienen können (Gerichtshof, Tenor Nr. 2).
16
3. Danach hätte sich indessen keine höhere Entschädigungsverpflichtung des Beklagten als die Entschädigung ergeben, die das Berufungsgericht der Klägerin zugesprochen hat. Zugrunde zu legen ist entsprechend den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 ein Lizenzsatz in Höhe von 50 % der Z-Lizenz. Dieser Lizenzsatz ist für die Folgezeit für den Fall gesetzlich normiert, dass eine Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Sortenschutzinhabern und von Landwirten nicht vorliegt (Art. 5 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 ergänzten Fassung); für die Zeit vor Mitteilung und Veröffentlichung der Vereinbarung muss das ebenso gelten (vgl. Gerichtshof Rdn. 43). Er stellt zugleich die angemessene Entschädigung im Sinn des Art. 14 Abs. 3 4. Gedankenstrich GemSortV dar. Nr. 3 des Tenors der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften schließt es nämlich aus, auf die zwar schon abgeschlossene, aber noch nicht mitgeteilte und veröffentlichte Vereinbarung auch nur als Anhaltspunkt zurückzugreifen. Dagegen hat der Gerichtshof einen Rückgriff auf die mithin noch verbleibende subsidiäre Regelung in Art. 5 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 ergänzten Fassung selbst als möglichen Anhaltspunkt genannt. Mangels anderer greifbarer, insbesondere besser geeigneter Anhaltspunkte sieht der Senat die dort genannte Entschädigung als die angemessene im Sinn des Art. 14 Abs. 3 4. Gedankenstrich GemSortV an. Darauf, dass die Werte der genannten Bestimmung in den mittlerweile geltenden Vereinbarungen z.T. deutlich unterschritten werden, kommt es dabei nicht in entscheidungserheblicher Weise an.
17
4. Auf dieser Grundlage ergibt sich zugunsten der Klägerin eine Hauptsacheforderung , die den von den Vorinstanzen der Klägerin zuerkannten Betrag jedenfalls nicht überschreitet. Das Berufungsurteil ist deswegen nicht zugunsten der Klägerin abzuändern.
18
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 13.11.2002 - 9 O 3278/01 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 25.09.2003 - 2 U 188/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 191/03 Verkündet am:
30. März 2005
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Aufbereiter
GemSortV Art. 14 Abs. 3; SortG § 10a Abs. 6

a) Wer Saatgut aufbereitet, ist zur Auskunft darüber, ob er Erntegut einer
bestimmten geschützten Sorte aufbereitet hat, und über den Umfang der
Aufbereitungshandlungen nur dann verpflichtet, wenn der Sortenschutzinhaber
über Anhaltspunkte dafür verfügt, daß der Aufbereiter Erntegut, das
ein Landwirt durch Anbau von Vermehrungsgut dieser Sorte gewonnen
hat, zum Zweck des Nachbaus aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt.

b) Die Auskunft ist erstmals für dasjenige Wirtschaftsjahr zu erteilen, für das
der Sortenschutzinhaber über die notwendigen Anhaltspunkte verfügt.
BGH, Urteil vom 30. März 2005 - X ZR 191/03 - OLG Zweibrücken
LG Kaiserslautern
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. März 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 4. Dezember 2003 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin verlangt im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft für eine Vielzahl von Inhabern von Sortenschutzrechten, die entweder zu ihren Gesellschaftern gehören oder Mitglieder des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e.V. sind, der seinerseits Gesellschafter der Klägerin ist, Auskunft von der Beklagten. Diese bereitet für Landwirte Erntegut auf. Für die in den Klageanträgen bezeichneten Getreide- und Futterpflanzensorten besteht oder bestand Sortenschutz nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts oder nach nationalem Recht. Die Klägerin begehrt von
der Beklagten Auskunft darüber, ob sie in den Wirtschaftsjahren 1997/98, 1998/99, 1999/2000 und 2000/2001 die in den Klageanträgen genannten - jeweils etwa 500 - geschützten Sorten zum Zwecke des Anbaus aufbereitet hat, wer jeweils die Auftraggeber waren und welche Mengen von welcher geschützten Sorte aufbereitet wurden. Ferner macht sie für eine Vielzahl von Gemeinschaftssorten Unterlassungsansprüche geltend. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, das Oberlandesgericht die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. I. Das Berufungsgericht hat die Klägerin für befugt erachtet, die Klageansprüche in gewillkürter Prozeßstandschaft in eigenem Namen geltend zu machen. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, bestehen keine Bedenken dagegen, daß die Klägerin im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft die Rechte von Sortenschutzinhabern geltend macht, die zu ihren Gesellschaftern zählen oder die Mitglied einer Vereinigung sind, die wiederum Gesellschafterin der Klägerin ist. Zum einen besteht das hierfür erforderliche eigene wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Geltendmachung der fremden Rechte. Zum anderen sind, soweit die Klägerin Rechte geltend macht, die nach der
Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227 vom 1.9.1994 S. 1, im folgenden GemSortV ) geschützt sind, auch die Voraussetzungen erfüllt, die Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Art. 14 Abs. 3 GemSortV (ABl. L 173 v. 25.7.1995, S. 14, im folgenden NachbauV) für die Geltendmachung der Nachbauvergütung sowie der ihrer Ermittlung dienenden Auskunftsansprüche aufstellt (BGH, Urt. v. 11.5.2004 - KZR 37/02, GRUR 2004, 763 - Nachbauvergütung). II. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen, die geltend gemachten Auskunftsansprüche setzten nicht voraus, daß die Beklagte hinsichtlich jeder Sorte, für die der Anspruch geltend gemacht wird, darlege, daß eine Nachbauhandlung vorliege oder zu erwarten sei. Es genüge vielmehr sowohl nach Gemeinschafts- als auch nach deutschem Recht, wenn der Erbringer den Nachbau vorbereitender Dienstleistungen überhaupt die Aufbereitung geschützter Sorten betreibe. Diese Voraussetzung sei erfüllt, da die Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts Saatgut der gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorten "Bandit", "Charger", "Tilburi", "Carola" , "Ritmo", "Semper" und "Theresa" sowie der nach dem Sortenschutzgesetz geschützten Sorten "Avanti", "Milva", "Jumbo" und "Loreley" aufbereitet habe. Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Nach Art. 14 Abs. 3 sechster Spiegelstrich GemSortV übermitteln die Erbringer vorbereitender Dienstleistungen den Inhabern des Sortenschutzes auf Verlangen relevante Informationen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Oktober 2004 in der Rechtssache C-336/02 (GRUR 2005, 236 - Saatgut-Treuhand/Brangewitz) können diese Vorschrift und die ihrer Ausfüllung dienenden Bestimmungen des Art. 9 NachbauV nicht dahin ausgelegt werden, daß sie dem Sortenschutzinhaber das Recht ge-
ben, die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Informationen von einem Aufbereiter (auch dann) zu verlangen, wenn der Sortenschutzinhaber nicht über Anhaltspunkte dafür verfügt, daß der Aufbereiter ein Ernteerzeugnis, das Landwirte durch Anbau von Vermehrungsgut einer dem Sortenschutzinhaber gehörenden gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorte gewonnen haben, zum Zweck des Anbaus aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt. Die Sortenschutzinhaber , deren Rechte die Klägerin geltend macht, können daher den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht damit begründen, daß die Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen bestimmte Sorten anderer Berechtigter aufbereitet hat. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin mit den festgestellten Aufbereitungshandlungen Ansprüche der Inhaber der betreffenden Sorten wegen der Aufbereitung anderer Sorten derselben Rechtsinhaber begründen will. Vielmehr begründet die bereits erfolgte oder die zu erwartende Aufbereitung den Anspruch immer nur hinsichtlich derjenigen gemeinschaftsrechtlich geschützten Sorte, für die die notwendigen Anhaltspunkte festgestellt sind. Denn der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften spricht ausdrücklich aus, daß der Sortenschutzinhaber berechtigt ist, von einem Aufbereiter Auskünfte über eine seiner Sorten zu verlangen, sobald er über einen Anhaltspunkt dafür verfügt, daß dieser das durch Anbau von Vermehrungsgut dieser Sorte gewonnene Ernteerzeugnis zum Zweck des Anbaus aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt (Rdn. 53 der Entscheidungsgründe). Insoweit muß der Aufbereiter allerdings die relevanten Informationen nicht nur über diejenigen Landwirte übermitteln, bezüglich deren der Sortenschutzinhaber über Anhaltspunkte für die Aufbereitung der Sorte verfügt, sondern auch über alle anderen Landwirte, für die er Ernteerzeugnisse dieser Sorte aufbereitet hat oder aufzubereiten beabsichtigt, sofern dem Aufbereiter die Sorte angegeben wurde oder auf andere Weise bekannt war.
2. Entsprechendes gilt nach § 10a Abs. 6 SortG, soweit die Klageansprüche auf deutsche Sortenschutzrechte gestützt werden. Denn auch das deutsche Recht verpflichtet (nur) Landwirte, die von der Möglichkeit des Nachbaus Gebrauch machen, sowie die von ihnen beauftragten Aufbereiter zur Auskunft über den Umfang des Nachbaus und setzt damit voraus, daß hinsichtlich einer bestimmten geschützten Sorte Anhaltspunkte dafür bestehen, daß von der Berechtigung zum Nachbau Gebrauch gemacht wird (vgl. BGHZ 149, 165 - Auskunftsanspruch bei Nachbau). Soweit der Senat in dieser Entscheidung zum Auskunftsanspruch gegen den Landwirt noch offengelassen hat, ob insoweit zu verlangen ist, daß der Anspruchsberechtigte darlegt, daß der Landwirt bestimmte für den Sortenschutzinhaber geschützte Sorten nachbaut, oder ob es ausreicht, wenn er allgemein den tatsächlichen Nachbau einer Sorte - unabhängig davon, ob diese für den Sortenschutzinhaber geschützt ist - behauptet, ist diese Frage nunmehr im ersteren Sinne zu entscheiden. Das entspricht der Selbständigkeit der einzelnen Sortenschutzrechte und der aus ihnen resultierenden Ansprüche (vgl. BGHZ 117, 264, 272 f., 275 ff. - Nicola) und stellt im übrigen den vom deutschen Gesetzgeber gewollten Einklang mit dem gemeinschaftsrechtlichen Sortenschutz sicher. 3. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts tragen hiernach die ausgesprochene Verurteilung auch hinsichtlich derjenigen Sorten nicht, hinsichtlich derer festgestellt ist, daß sie von der Beklagten aufbereitet worden sind. Denn das Berufungsgericht hat nicht die notwendigen Feststellungen dazu getroffen, in welchen Wirtschaftsjahren die Aufbereitung erfolgt ist.
a) Die Auskunftsverpflichtung des Aufbereiters nach Art. 14 Abs. 3 sechster Spiegelstrich GemSortV setzt voraus, daß der Berechtigte ein entsprechendes Auskunftsverlangen an den Aufbereiter richtet, und besteht nur für das Wirtschaftsjahr, in dem der Auskunftsanspruch geltend gemacht wird. Nach
Art. 9 Abs. 3 Satz 1 NachbauV können zwar gegebenenfalls auch Angaben für bis zu drei vergangene Wirtschaftsjahre verlangt werden. Das setzt jedoch nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 NachbauV voraus, daß der Berechtigte in dem ersten der vergangenen Jahre bereits ein Auskunftsverlangen an den Aufbereiter gerichtet hat. Soweit im deutschen Text der Verordnung davon die Rede ist, daß es sich bei dem ersten Jahr, auf das sich die Information beziehen soll, um das Jahr handeln "soll", in dem erstmals ein Auskunftsverlangen zu der betreffenden Sorte und dem betreffenden Aufbereiter gestellt worden ist, folgt daraus nicht, daß der Berechtigte gegebenenfalls auch für zurückliegende Zeiten, für die die Voraussetzungen des Verlangens nicht erfüllt sind, Ansprüche geltend machen kann. Das zeigen etwa die französischen, englischen, italienischen, spanischen und niederländischen Textfassungen des Art. 9 Abs. 3, nach denen das erste auskunftspflichtige Wirtschaftsjahr dasjenige des ersten Auskunftsverlangens ist bzw. zu sein hat. Als erstes Auskunftsverlangen in diesem Sinne wiederum kann nach Sinn und Zweck der Regelung nur ein solches Auskunftsverlangen angesehen werden, das den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 sechster Spiegelstrich GemSortV entspricht. Da der Berechtige Auskunft nach dieser Vorschrift aber nur dann verlangen kann, wenn er über Anhaltspunkte für einen Nachbau bzw. eine Aufbereitung für den Nachbau verfügt (EuGH, Urt. v. 10.4.2003 - C-305/00, Slg. 2003, I 3525 = GRUR Int. 2003, 736 Rdn. 72 - Schulin/Saatgut-Treuhand; Urt. v. 14.10.2004 - C-336/02, GRUR 2005, 236 Rdn. 54 - Saatgut-Treuhand/Brangewitz), ist ein erstes Auskunftsverlangen nur dann beachtlich, wenn es seinerseits auf entsprechenden Anhaltspunkten beruht. Da Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu fehlen, kann die Verurteilung der Beklagten auch hinsichtlich der Sorten "Bandit", "Charger", "Tilburi", "Carola", "Ritmo", "Semper" und "Theresa" nicht bestehenbleiben.

b) Hinsichtlich der nach dem Sortenschutzgesetz geschützten Sorten "Avanti", "Milva", "Jumbo" und "Loreley" gilt im Ergebnis nichts anderes. Da der Auskunftsanspruch auch nach deutschem Recht Anhaltspunkte für die Aufbereitung einer geschützten Sorte erfordert, erstreckt er sich nicht auf Wirtschaftsjahre , für die solche Anhaltspunkte nicht dargetan sind. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats zum zeitlichen Umfang des Auskunftsanspruchs, der sich aus der Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts ergibt. Zwar begründet insoweit jede Verletzungshandlung dem Grunde nach die Verpflichtung des Verletzers, über alle anderen - vergangenen und künftigen - Handlungen Auskunft zu erteilen, die in gleicher Weise durch den sich aus der konkreten Verletzungshandlung und die angegriffene Ausführungsform ergebenden Verletzungstatbestand gekennzeichnet sind (BGHZ 117, 264, 278 f. - Nicola; Sen.Urt. v. 4.5.2004 - X ZR 234/02, GRUR 2004, 755, 756 - Taxameter [für BGHZ 159, 66 vorgesehen]). Der mit der Klage geltend gemachte Auskunftsanspruch ist indessen nicht auf eine Sortenschutzverletzung gegründet. Dem Sortenschutzinhaber ist es nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a SortG vorbehalten, Vermehrungsmaterial der geschützten Sorte für Vermehrungszwecke aufzubereiten. Die Wirkung des Sortenschutzes erstreckt sich nach § 10a Abs. 2 aber nicht auf Erntegut, das ein Landwirt durch Anbau von Vermehrungsmaterial einer zum Nachbau zugelassenen geschützten Sorte im eigenen Betrieb gewonnen hat und dort als Vermehrungsmaterial verwendet, soweit der Landwirt seinen Verpflichtungen nach § 10a Abs. 3 und 6 nachkommt. Dieses sortenschutzfreie Erntegut darf auch zum Zwecke des Nachbaus aufbereitet werden (§ 10a Abs. 2 Satz 2 SortG) und bleibt unabhängig davon sortenschutzfrei, ob der Aufbereiter den nach § 10a Abs. 6 auch ihn treffenden Auskunftsanspruch erfüllt. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich somit nicht, daß die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 37b SortG oder eines auf § 242 BGB gegründeten, der Beziffe-
rung eines Schadensersatzanspruchs dienenden und zusätzlich Verschulden voraussetzenden Auskunftsanspruchs gegeben wären. III. Nach dem zu II 1 und II 3 a Ausgeführten kann auch die Zuerkennung der auf Art. 94 Abs. 1 Buchst. a GemSortV gestützten geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht bestehenbleiben. Nach dieser Vorschrift kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer hinsichtlich einer Sorte, für die ein gemeinschaftlicher Sortenschutz erteilt wurde, eine der in Art. 13 Abs. 2 genannten Handlungen vornimmt , ohne dazu berechtigt zu sein. Nach Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b GemSortV hat der gemeinschaftliche Sortenschutz unter anderem die Wirkung, daß allein der Sortenschutzinhaber zur Aufbereitung zum Zwecke der Vermehrung berechtigt ist, wobei diese Wirkung durch das Landwirteprivileg des Art. 14 Abs. 1 GemSortV eingeschränkt wird. Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens kann die - gegebenenfalls nicht ohne eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu entscheidende - Frage offenbleiben, ob und inwieweit die Erfüllung der von Art. 14 Abs. 3 GemSortV vorgesehenen und in der Nachbauverordnung konkretisierten Pflichten, die nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GemSortV zu den Bedingungen für das Eingreifen des Landwirteprivilegs des Art. 14 Abs. 1 GemSortV gehören, Voraussetzung für die Rechtfertigung der Aufbereitung zum Zwecke des Nachbaus ist und ob insoweit auf die Erfüllung der Auskunftspflicht des Aufbereiters, der Verpflichtungen des Landwirts oder aber der Verpflichtungen beider abzustellen ist. Denn zu alledem fehlen hinreichende Feststellungen des Berufungsgerichts. IV. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat insgesamt verwehrt. Die Klägerin hat die von den Tatsacheninstanzen festgestellten Aufbereitungshandlungen in der Meinung, damit die Klageansprüche ausreichend
zu rechtfertigen, ausdrücklich nur beispielhaft vorgetragen. Das Berufungsgericht hatte nach seinem Rechtsstandpunkt keine Veranlassung, der Klägerin Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls auch zu den übrigen Sorten, hinsichtlich derer sie Ansprüche geltend macht, Anhaltspunkte für Aufbereitungshandlungen der Beklagten darzulegen. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, dies nachzuholen. Zugleich hat das Berufungsgericht damit Gelegenheit zur Prüfung, inwieweit die Angaben der Beklagten zur Aufbereitung der von der Klägerin konkret genannten Sorten zum Zwecke der Auskunftserteilung gemacht worden sind und inwieweit sie den geltend gemachten Auskunftsanspruch erledigen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Kirchhoff