Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Sept. 2004 - X ZR 112/00

bei uns veröffentlicht am08.09.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 112/00
vom
8. September 2004
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vo rsitzenden
Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin
Mühlens sowie den Richter Asendorf
am 8. September 2004

beschlossen:
Die Gegenvorstellung der Beklagten gegen das Urteil des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2. März 2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:


1. Die Beklagte ist Inhaberin der u.a. mit Wirkung fü r das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patente 0 247 983 und 0 496 437 sowie des DD-Ausschließungspatents 273 197, die eine pharmazeutische Formulierung des Wirkstoffs Omeprazol betreffen. Die Klägerinnen haben unter Vorlage zahlreicher Druckschriften geltend gemacht, die Gegenstände der Streitpatente seien nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beklagte hat die Streitpatente nur in eingeschränktem Umfang verteidigt. Das Bundespatentgericht hat der Klage nach Antrag stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat nach Beweisaufnahme durch Urteil vom 2. März 2004 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklag-
te mit ihrer Gegenvorstellung, zu deren Begründung sie auf die gleichzeitig eingelegte Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht verweist.
2. Die Beklagte macht geltend, das Urteil des Bundesger ichtshofs verletze den grundrechtlichen Anspruch der Beklagten auf faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Grundrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
Der Bundesgerichthof habe einen offensichtlich ungeeign eten Sachverständigen bestellt, der aufgrund seiner Unerfahrenheit und mangelnden Qualifikation nicht in der Lage gewesen sei, sachkundige Aussagen zum Wissen und Können eines Fachmanns zum maßgeblichen Zeitpunkt (Prioritätstag 30. April 1986) zu machen, und dies bei der Beweiswürdigung unter Außerachtlassung seiner eigenen Rechtsprechung nicht berücksichtigt. Er habe die Ausführungen und Wertungen des gerichtlichen Sachverständigen unkritisch übernommen. Zudem habe der Bundesgerichtshof das Vorbringen der Beklagten nicht berücksichtigt. Er habe sich mit den Argumenten der Beklagten nicht auseinandergesetzt und habe, obwohl die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen im einzelnen durch die Parteigutachter Prof. Dr. B. und Prof. Dr. Dr. M. widerlegt worden seien, hierzu keine Stellung genommen und sich den spekulativen Bemerkungen des gerichtlichen Sachverständigen angeschlossen.
3. Die Gegenvorstellung der Beklagten hat keinen Erfol g.

a) Es braucht hier nicht abschließend entschieden zu werde n, ob nach der Neuregelung des Rechtsmittelsystems durch das Zivilprozeßreformgesetz eine Gegenvorstellung gegen ein rechtskräftiges Urteil des Bundesgerichtshofs statthaft ist. In den verfahrensrechtlichen, das Nichtigkeitsverfahren betreffenden Vorschriften des Patentgesetzes und - ergänzend - in der Zivilprozeßordnung ist eine Gegenvorstellung auf Grund einer behaupteten Verletzung des grundrechtlichen Anspruchs auf faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gegen ein rechtskräftiges Berufungsurteil des Bundesgerichtshofs nicht vorgesehen. Dieses Rechtsschutzsystem genügt zwar nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Plenarbeschluß v. 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924) nur teilweise den für den Rechtsschutz bei der Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen, nämlich soweit eine Verletzung im allgemeinen Rechtsmittelsystem geltend gemacht werden kann. Auch erfüllten die von der Rechtsprechung der Fachgerichte zur Schließung der Lükke im Rechtmittelsystem entwickelten außerordentlichen Rechtsbehelfe nicht die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit. Deshalb müsse der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2004 eine Lösung finden.
Es kann auch dahinstehen, ob damit den Fachgerichten vor einer Neuregelung in Rechtsfortbildung freigestellt ist, ein rechtskräftiges Berufungsurteil wegen einer behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs zu überprüfen und mit der Rechtsfolge der Durchbrechung der Rechtskraft gegebenenfalls zu korrigieren.

b) Jedenfalls ist die Gegenvorstellung nicht zulässig. Aus G ründen der Rechtssicherheit ist es nämlich geboten, für die Verpflichtung des Gerichts,
seine gegen ein Verfahrensgrundrecht verstoßende Entscheidung selbst zu korrigieren, und damit für die Einlegung einer Gegenvorstellung eine zeitliche Grenze vorzusehen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.4.2001 - IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; BGH, Beschl. v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577). Diese ist in Anlehnung an die im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen vor dem Bundesgerichtshof geltende Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO; Sen.Beschl. v. 31.5.2000 - X ZR 154/99, GRUR 2000, 1010, 1011 - Schaltmechanismus ; Sen.Beschl. v. 17.10.2000 - X ZR 41/00, GRUR 2001, 271, 272 -Kreiselpumpe) mit zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung zu bemessen. Von dieser Frist ist auch der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 321a Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F. ausgegangen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat für den Fall nicht rechtzeitiger Neuregelung durch den Gesetzgeber eine Frist von 14 Tagen ab Zustellung der Entscheidung als angemessen angesehen (BVerfG aaO, NJW 2003, 1924, 1928)
Diese Frist hat die Beklagte versäumt. Das Urteil vom 2. März 2004 ist der Beklagten am 28. Mai 2004 zugestellt worden. Diese hat erst am 28. Juni 2004 und damit nach Ablauf der Frist Gegenvorstellung erhoben.
4. Unabhängig hiervon ist der Anspruch der Beklagten au f faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt.

a) Gegenstand der Streitpatente war nicht der Wirkstof f Omeprazol, der in den Streitpatenten als bekannt beschrieben wird, sondern Sach-, Verwendungs - und Verfahrensansprüche für eine spezifische Arzneizubereitung zur oralen Anwendung. Zur Klärung der in den Streitpatentschriften enthaltenen
technischen Begriffe sowie der Kenntnisse und des Könnens des einschlägigen Fachmanns hat der Senat einen Sachverständigen bestellt, gegen dessen Fachkenntnisse und Qualifikation die Beklagte trotz ausreichender Zeit und Gelegenheit weder nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens noch bei Erörterung in der mündlichen Verhandlung begründete Einwände erhoben hat. Angesichts der großen wirtschaftlichen Bedeutung der Streitpatente haben die Parten sehr umfassend und kontrovers vorgetragen. Beide Parteien haben zur Widerlegung der Argumente der Gegenseite Gutachten von ausgewiesenen Fachleuten vorgelegt, wobei für die Klägerinnen die Gutachter Prof. Dr. Ba. , Prof. Dr. Sch. und Prof. Dr. S. gefochten haben, während die Beklagte sich auf die Ausführungen von Prof. Dr. B. , Prof. Dr. Dr. M. und Dr. L. gestützt hat. In Gegenwart dieser Gutachter hat der Senat den gerichtlichen Sachverständigen zu den einzelnen streitigen Punkten befragt und den Parteien Gelegenheit gegeben, ihren Standpunkt im einzelnen zu erläutern, dem Sachverständigen Vorhaltungen zu machen sowie Fragen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zu stellen.

b) Dem Gericht obliegt die Beurteilung, ob eine tech nische Lehre patentwürdig ist, insbesondere ob sie auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Diese Wertung hat das Gericht auf Grund von Tatsachen zu treffen, welche die Parteien vortragen. Der Senat hat seine Überzeugung auf Grund des Vorbringens der Parteien, der vorgelegten Dokumente, des schriftlichen und mündlichen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen, der vorgelegten Parteigutachten sowie auf Grund des Inhalts der mündlichen Verhandlung gewonnen, in welcher der gerichtliche Sachverständige auf Grund dieses Vorbringens und der Privatgutachten im einzelnen befragt worden ist. Ausweislich der Entscheidungsgründe ist der Senat bei der Bestimmung des einschlägigen Fachmanns
von den durch Literaturstellen und die Parteigutachter bestätigten Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ausgegangen. Er hat ferner die dem Fachmann vor dem Prioritätstag zur Verfügung stehenden Kenntnisse und Fähigkeiten der in den Streitpatentschriften als Stand der Technik genannten Publikation von Pilbrant und Cederberg (Development of an oral formulation of omeprazole, Scand. J. Gastroentrol. 1985; 20 (Suppl. 108 S. 113 ff.), der europäischen Patentschrift 0 124 395 sowie der Publikation Bauer (Übersicht über Inkompatibilitätsmöglichkeiten, insbesondere bei der Umhüllung von Arzneizubereitungen , Deutsche Apotheker Zeitung 1978 S. 125 ff.) entnommen und sich mit den Argumenten der Beklagten, insbesondere mit den von dieser vorgetragenen Beweisanzeichen, befaßt. Daß die Beklagte den Senat von der Patentwürdigkeit ihrer Neuerungen nicht hat überzeugen können, begründet nicht die behauptete Verletzung von Grundrechten der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Asendorf

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Sept. 2004 - X ZR 112/00

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Sept. 2004 - X ZR 112/00

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321a Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör


(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Sept. 2004 - X ZR 112/00 zitiert 6 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

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Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2000 - X ZR 154/99

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 154/99 vom 31. Mai 2000 in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja PatG 1981 §§ 110 ff. (i.d.F. des 2. PatGÄ ndG v. 16.07.1998) Schaltmechanismus Im ein Patentnichtigkeitsverf

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 41/00 vom 17. Oktober 2000 in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja PatG 1981 §§ 110 ff. (i.d.F. des 2. PatGÄ ndG v. 16.07.1998); ZPO § 233 Fe Kreiselpumpe Ist zweifelha

Referenzen

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 154/99
vom
31. Mai 2000
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
PatG 1981 §§ 110 ff. (i.d.F. des 2. PatGÄ ndG v. 16.07.1998)
Schaltmechanismus
Im ein Patentnichtigkeitsverfahren betreffenden Berufungsverfahren vor dem
Bundesgerichtshof muß die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb
einer zweiwöchigen Frist beantragt werden (entspr. Anwendung von §§ 233,
234, 236 ZPO).
BGH, Beschl. v. 31. Mai 2000 - X ZR 154/99 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Mai 2000 durch
den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Dr. Melullis, Scharen,
Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

beschlossen:
Die Berufung gegen das am 6. Juli 1999 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Gründe:


I. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 10. Januar 1991 angemeldeten deutschen Patents 41 00 547 (Streitpatent), das ein Gelenk zwischen einem Getriebe und dessen Gang-Schaltmechanismus betrifft und fünf Patentansprüche umfaßt. Die Klägerin hat Nichtigkeitsklage mit dem Ziel erhoben , das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 1 für nichtig zu erklären. Diese Klage hat das Bundespatentgericht durch Urteil vom 6. Juli 1999 abgewiesen , das der Klägerin am 2. August 1999 zugestellt wurde.
Mit am 1. September 1999 beim Bundesgerichtshof als Telefax eingegangenem Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten Patentanwalts Dr. J. hat die Klägerin Berufung eingelegt und um Verlängerung der Berufungsbe-
gründungsfrist gebeten. Der Vorsitzende des beschließenden Senats hat die Frist zur Begründung der Berufung bis einschließlich 10. Dezember 1999 verlängert. Die Berufungsbegründung vom 10. Dezember 1999 ist beim Bundesgerichtshof - wiederum als Telefax - am 13. Dezember 1999 eingegangen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin wurde deshalb mit Schreiben vom 23. Dezember 1999 unter Angabe der betreffenden Daten darauf hingewiesen, daß die Berufungsbegründung verspätet sein dürfte. Auf dieses ihm nach eigener Angabe am 28. Dezember 1999 zugegangene Schreiben äußerte sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Januar 2000. Er bittet hierin für die Klägerin,
den tatsächlich verspätet eingegangenen Schriftsatz vom 10. Dezember 1999 dennoch als rechtzeitig eingegangen zu behandeln.
Diesem Begehren ist die Beklagte entgegengetreten.
II. 1. Die Berufung ist wegen Versäumung der Frist zu ihrer Begründung unzulässig (§ 113 Abs. 1 PatG). Eine Berufungsbegründung war gemäß § 111 Abs. 2 Satz 3 PatG bis zum 10. Dezember 1999 beim Bundesgerichtshof einzureichen. Der Schriftsatz vom 10. Dezember 1999 ist per Telefax erst am 13. Dezember 1999 eingegangen.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Klägerin nicht zu gewähren. Der Senat wertet den Schriftsatz vom 24. Januar 2000 zwar als Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungfrist. Dieser Antrag ist jedoch ebenfalls verspätet und im übrigen auch unbegründet.


a) Bis zum Inkrafttreten der Regelungen des 2. Gesetzes zur Ä nderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (2. PatGÄ ndG) vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1823 ff.) war die an den Bundesgerichtshof stattfindende Berufung gegen Urteile der Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts bei diesem Gericht einzulegen (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 112 Abs. 1, 113, 114 PatG jeweils a.F. - sogenanntes Vorschaltverfahren). Wer ohne Verschulden verhindert war, dem Bundespatentgericht gegenüber die Berufungsfrist von einem Monat einzuhalten , konnte deshalb gemäß § 123 Abs. 1 PatG innerhalb der in Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift vorgesehenen Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses in zulässiger Weise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. In der nunmehr geltenden Fassung des Patentgesetzes ist § 123 PatG im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen nicht mehr direkt anwendbar , weil er ausdrücklich nur für das Verfahren vor dem Deutschen Patent - und Markenamt sowie vor dem Bundespatentgericht gilt und das Rechtsmittel gemäß § 110 Abs. 2 PatG in der Fassung des 2. PatGÄ ndG durch Einreichung der Berufungsschrift beim Bundesgerichtshof eingelegt wird. Für das Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen fehlt damit eine gesetzliche Regelung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Statthaftigkeit dieses Rechtsbehelfs auch für das Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen ist jedoch ein aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip folgendes Gebot. Unter welchen Voraussetzungen im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, muß deshalb die analoge Anwendung eines geeigneten Regelwerks ergeben. In Betracht zu ziehen sind insoweit einmal der bereits erwähnte § 123 PatG sowie zum anderen die §§ 233, 234, 236 ZPO,
wonach die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Falle der Versäumung der Berufungsfrist als Notfrist oder der Frist zur Begründung der Berufung binnen deutlich kürzerer Frist, nämlich binnen zwei Wochen beantragt werden muß (§ 234 Abs. 1 ZPO).

b) Dazu, welcher Regelung nach der von ihm geschaffenen neuen Rechtslage der Vorzug zu geben sein könnte, läßt sich dem 2. PatGÄ ndG ein eindeutiger Hinweis nicht entnehmen. Die Tatsache, daß § 123 PatG a.F. - abgesehen von der hier nicht interessierenden Abs. 1 Satz 2 und Abs. 7 betreffenden Ä nderung - trotz Abschaffung des sogenannten Vorschaltverfahrens (§§ 112-114 PatG a.F.) vor dem Bundespatentgericht, in dessen Rahmen bisher im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden war, keine Novellierung erfahren hat, könnte zwar dahin gedeutet werden, daß die Anwendung dieser Vorschrift in dem nunmehr von Anfang an vor dem Bundesgerichtshof durchzuführenden Berufungsverfahren vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt ist; der gegenteilige Schluß ließe sich aber ebenfalls rechtfertigen, weil der Gesetzgeber es auch unterlassen hat, für das Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof eine dem § 106 Abs. 1 PatG entsprechende Regelung zu schaffen, nach welcher im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof die Vorschriften der ZPO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand analog anzuwenden sind. Ob sich die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen aus § 123 PatG oder den §§ 233, 234, 236 ZPO ergeben, ist deshalb danach zu entscheiden , welche Vorschriften nach dem allgemeinen Werturteil der in Betracht zu ziehenden Gesetze eher geeignet erscheinen, den ähnlich gelagerten Fall zu regeln und zu beherrschen (vgl. Engisch, Einführung in das juristische Den-
ken, Kapitel VII, I 2). Dies führt zur Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO (im Ergebnis ebenso Busse, PatG, 5. Aufl., § 121 Rdn. 18).

c) Die Entscheidung über Berufungen in Patentnichtigkeitsverfahren ist seit den Anfängen des deutschen Patentrechts dem obersten deutschen Gericht für Zivilsachen übertragen. Die Begründung zum Entwurf des 2. PatGÄ ndG (abgedruckt BlPMZ 1998, 393 ff.) betont, daß mit der Neufassung die Vorschriften über das Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof in Patentsachen an die in der Zivilprozeßordnung enthaltenen Vorschriften über das Verfahren vor den Berufungsgerichten angeglichen werden soll (BlPMZ 1998, 396 f.). Da die §§ 233, 234, 236 ZPO eine ausdrückliche Regelung für die Wiedereinsetzung in die eine Notfrist darstellende Berufungsfrist und in die Berufungsbegründungsfrist im Falle der Berufung an ein deutsches Zivilgericht beinhalten, spricht schon dies dafür, daß die zivilprozessualen Regelungen nach der gesetzlichen Wertung als sachgerechtere Normen angesehen werden müssen, die Geltendmachung dieses Rechtsbehelfs auch im Rahmen des bei Patentnichtigkeitssachen zugelassenen Rechtsmittels zu regeln. Im Hinblick auf die dabei einzuhaltende Frist ist zudem vor allem von Bedeutung, daß das 2. PatGÄ ndG die Verpflichtung wieder eingeführt hat, die Berufung zum Bundesgerichtshof zu begründen (§ 111 Abs. 1 PatG), und die mit der Einlegung der Berufung beginnende Frist für die Berufungsbegründung einen Monat beträgt (§ 111 Abs. 2 Satz 2 PatG). Dies soll die Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ermöglichen, wie es in der Begründung zum Entwurf des 2. PatGÄ ndG heißt (BlPMZ 1998, 397). Mit diesem Gesetzeszweck wäre die nach § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG vorgeschriebene Frist von zwei Monaten kaum vereinbar, weil sie die für die Berufungsbegründung gesetzlich vorgesehene Frist deutlich übersteigt. Wer die Berufungs-
begründungsfrist versäumt, hätte zur Nachholung der Begründung erheblich mehr Zeit zur Verfügung, als derjenige für die Berufungsbegründung hat, der die gesetzlich vorgesehene Frist einhält. Schließlich ist auch noch auf § 99 Abs. 1 PatG zu verweisen. Er regelt für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht , daß das erstinstanzlich zur Entscheidung in Nichtigkeitsverfahren berufene Gericht das GVG und die ZPO als subsidiäres Regelwerk anzuwenden haben, wenn dies durch die Besonderheiten des Verfahrens nicht ausgeschlossen wird. Für das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof kann ein solcher Ausschluß hinsichtlich der §§ 233, 234, 236 ZPO nicht festgestellt werden. Ihre Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechen im wesentlichen denen in § 123 PatG; ein praktischer Unterschied besteht lediglich hinsichtlich der Frist zur Geltendmachung des Rechtsbehelfs. Eine kürzere Frist einzuhalten als vor dem Bundespatentgericht, ist für die Partei, welche die Berufungsfrist oder die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat, jedoch zumutbar angesichts der gesetzlichen Notwendigkeit, sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen Rechtsanwalt oder einen Patentanwalt als Bevollmächtigten vertreten zu lassen (§ 111 Abs. 4 Satz 1 PatG). Rechtsanwälte sind ausgebildet und gewohnt, auch binnen kurzer Fristen das zur Wahrung der Belange ihrer Mandanten Erforderliche zu veranlassen. Von Patentanwälten, welche die Vertretung vor dem Bundesgerichtshof übernehmen, kann dies ebenfalls verlangt werden, weil sie gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 PatG dieselbe Stellung wie ein Rechtsanwalt haben.
Unter diesen Umständen muß in Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen hinsichtlich der Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der aus verschiedenen Verfahrensgesetzen (vgl. §§ 523, 557 ZPO, §§ 125 Abs. 1, 141 VwGO) ersichtliche und vom Senat in anderem Zu-
sammenhang auch für das vor ihm stattfindende Verfahren bereits angewandte (BGH, Beschl. v. 26.9.1996 - X ZR 17/94, GRUR 1997, 119 - Schwimmrahmenbremse ) Grundsatz zurücktreten, im Rechtsmittelverfahren notfalls die für die Vorinstanz geltenden Regeln heranzuziehen.

d) Die danach maßgebliche Zwei-Wochen-Frist hat die Klägerin nicht eingehalten. Nach eigener Angabe hat Patentanwalt Dr. J. den gerichtlichen Hinweis vom 23. Dezember 1999 über den verspäteten Eingang seiner Berufungsbegründung vom 10. Dezember 1999 am 28. Dezember 1999 erhalten ; jedenfalls damit war das behauptete Hindernis, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten, behoben (BGH, Beschl. v. 13.5.1992 - VIII ZB 3/92, NJW 1992, 2098). Gleichwohl ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist erst am 24. Januar 2000 beim Bundesgerichtshof eingegangen.

e) Es kann überdies nicht festgestellt werden, daß die Klägerin ohne Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, für dessen Verhalten sie einzustehen hat (vgl. § 85 Abs. 2 ZPO; Busse, PatG, 5. Aufl., § 123 PatG Rdn. 31 m.w.N.), verhindert war, die gesetzte Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Nach seinen Angaben will Patentanwalt Dr. J. am 10. Dezember 1999 zwar alles getan haben, damit das Faxgerät in seinem Büro um 23.00 Uhr dieses Tages die Berufungsbegründungsschrift an den Bundesgerichtshof sende. Damit war aber den Sorgfaltspflichten, die von einem anwaltlichen Vertreter verlangt werden können, nicht Genüge getan. Nach ständiger Rechtsprechung gehört hierzu im Falle der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax, für eine geeignete Ausgangskontrolle zu sorgen (etwa BGH, Beschl. v. 24.3.1993 - XII ZB 12/93, NJW 1993, 1655). Dies erfordert organisatorische
Maßnahmen des anwaltlichen Prozeßbevollmächtigten, die erwarten lassen, daß ein Fehler bei der Ausführung eines gegebenen Sendebefehls noch am Tage des Fristablaufs bemerkt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 15.4.1995 - XII ZB 38/95, FamRZ 1995, 1135). An diesen Maßstäben müssen sich auch die in Patentnichtigkeitssachen mit der Vertretung einer Partei vor dem Bundesgerichtshof betrauten Patentanwälte messen lassen, weil sie gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 PatG dieselbe Stellung wie ein Rechtsanwalt haben. Daß in der Praxis des Patentanwalts Dr. J. die für eine effektive Ausgangskontrolle der Telefaxversendung fristwahrender Schriftsätze notwendige Vorsorge getroffen gewesen sei, läßt sich dem patentanwaltlich versicherten Vorbringen im Schriftsatz vom 24. Januar 2000 jedoch nicht entnehmen. Patentanwalt Dr. J. hat lediglich angegeben, durch einen routinemäßigen Blick auf das ihm vertraute Faxgerät überprüft zu haben, daß seine freie Speicherkapazität erkennen lasse, der eingescannte Eingabetext sei richtig in den zum zeitversetzten Senden für 23.00 Uhr vorgesehenen Gerätespeicher gelangt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.
Rogge Melullis Scharen
Keukenschrijver Mühlens

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 41/00
vom
17. Oktober 2000
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
PatG 1981 §§ 110 ff. (i.d.F. des 2. PatGÄ ndG v. 16.07.1998); ZPO § 233 Fe
Kreiselpumpe
Ist zweifelhaft, welche Fristenregelung (hier: § 234 Abs. 1 ZPO oder § 123
Abs. 2 Satz 1 PatG) für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand anzuwenden ist, muß der anwaltliche Vertreter vorsorglich die kürzere
Frist beachten.
BGH, Beschluß vom 17. Oktober 2000 - X ZR 41/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Oktober 2000
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

beschlossen:
Der Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren, wird auf ihre Kosten als unzulässig zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:


I. Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 327 549 (Streitpatents ), das eine "Kreiselpumpe für heiße Medien" betrifft. Die von der Klägerin gegen das Streitpatent erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht abgewiesen. Gegen das ihr am 31. Januar 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 25. Februar 2000 eingegangenem Telefax Berufung eingelegt, die der Senat durch am 18. Mai 2000 zugestellten Beschluß vom 3. Mai 2000 als unzulässig verworfen hat, weil die Berufung nicht innerhalb der gesetzli-
chen Frist begründet wurde. Mit am 23. Mai 2000 per Telefax eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin unter Nachholung der Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie sich auf ein Versehen einer Büromitarbeiterin berufen, die die Frist fehlerhaft notiert und die Akte erst am 28. März 2000 und somit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist dem Patentanwalt vorgelegt habe. Auf gerichtlichen Hinweis, daß im Patentnichtigkeitsverfahren die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist der ZPO gelten dürfte, hat sich die Klägerin ergänzend geäußert. Die Beklagte tritt dem Wiedereinsetzungsantrag entgegen.
II. 1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, weil er nicht innerhalb der auch im Patentnichtigkeitsverfahren seit dessen Neuregelung durch das 2. Gesetz zur Ä nderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze vom 16. Juli 1998 (2. PatGÄ ndG) nach dem entsprechend anzuwendenden § 234 Abs. 1 ZPO geltenden Zweiwochenfrist eingereicht worden ist.

a) Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin von der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, die mit dem 27. März 2000 abgelaufen war, am 28. März 2000 Kenntnis erlangt. Der Wiedereinsetzungsantrag ist aber erst am 23. Mai 2000 bei Gericht eingegangen. Damit war die Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO, die mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis - hier: die unverschuldete Kenntnis von der Fristversäumung - behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO), nicht gewahrt.

b) Vergebens beruft sich die Klägerin darauf, daß die Frist für die Wiedereinsetzung nicht zwei Wochen, sondern zwei Monate betrage. Wie der Senat inzwischen entschieden hat, kommt die Zweimonatsfrist des § 123 Abs. 2
Satz 1 PatG im Patentnichtigkeitsverfahren, soweit sich das Verfahren nach der Neuregelung im Zweiten Gesetz zur Ä nderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze richtet, nicht mehr zur Anwendung. Der Senat hat hierzu ausgeführt (Beschluß vom 31.5.2000 – X ZR 154/99 – Schaltmechanismus, zur Veröffentlichung vorgesehen):
"Bis zum Inkrafttreten der Regelungen des 2. Gesetzes zur Ä nderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze (2. PatGÄ ndG) vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1823 ff.) war die an den Bundesgerichtshof stattfindende Berufung gegen Urteile der Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts bei diesem Gericht einzulegen (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 112 Abs. 1, 113, 114 PatG jeweils a.F. - sogenanntes Vorschaltverfahren). Wer ohne Verschulden verhindert war, dem Bundespatentgericht gegenüber die Berufungsfrist von einem Monat einzuhalten , konnte deshalb gemäß § 123 Abs. 1 PatG innerhalb der in Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift vorgesehenen Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses in zulässiger Weise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. In der nunmehr geltenden Fassung des Patentgesetzes ist § 123 PatG im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen nicht mehr direkt anwendbar , weil er ausdrücklich nur für das Verfahren vor dem Deutschen Patent - und Markenamt sowie vor dem Bundespatentgericht gilt und das Rechtsmittel gemäß § 110 Abs. 2 PatG in der Fassung des 2. PatGÄ ndG durch Einreichung der Berufungsschrift beim Bundesgerichtshof eingelegt wird. Für das Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen fehlt damit eine gesetzliche Regelung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Statthaftigkeit dieses Rechtsbehelfs auch für das Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen ist jedoch ein aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem
Rechtsstaatsprinzip folgendes Gebot. Unter welchen Voraussetzungen im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, muß deshalb die analoge Anwendung eines geeigneten Regelwerks ergeben. In Betracht zu ziehen sind insoweit einmal der bereits erwähnte § 123 PatG sowie zum anderen die §§ 233, 234, 236 ZPO, wonach die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Falle der Versäumung der Berufungsfrist als Notfrist oder der Frist zur Begründung der Berufung binnen deutlich kürzerer Frist, nämlich binnen zwei Wochen beantragt werden muß (§ 234 Abs. 1 ZPO).
Dazu, welcher Regelung nach der von ihm geschaffenen neuen Rechtslage der Vorzug zu geben sein könnte, läßt sich dem 2. PatGÄ ndG ein eindeutiger Hinweis nicht entnehmen. Die Tatsache, daß § 123 PatG a.F. - abgesehen von der hier nicht interessierenden Abs. 1 Satz 2 und Abs. 7 betreffenden Ä nderung - trotz Abschaffung des sogenannten Vorschaltverfahrens (§§ 112-114 PatG a.F.) vor dem Bundespatentgericht, in dessen Rahmen bisher im Falle der Berufung in Patentnichtigkeitssachen über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden war, keine Novellierung erfahren hat, könnte zwar dahin gedeutet werden, daß die Anwendung dieser Vorschrift in dem nunmehr von Anfang an vor dem Bundesgerichtshof durchzuführenden Berufungsverfahren vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt ist; der gegenteilige Schluß ließe sich aber ebenfalls rechtfertigen, weil der Gesetzgeber es auch unterlassen hat, für das Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof eine dem § 106 Abs. 1 PatG entsprechende Regelung zu schaffen, nach welcher im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof die Vorschriften der ZPO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand analog anzuwenden sind. Ob sich die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand in Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen aus § 123 PatG oder den §§ 233, 234, 236 ZPO ergeben, ist deshalb danach zu entscheiden , welche Vorschriften nach dem allgemeinen Werturteil der in Betracht zu ziehenden Gesetze eher geeignet erscheinen, den ähnlich gelagerten Fall zu regeln und zu beherrschen (vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken , Kapitel VII, I 2). Dies führt zur Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO (im Ergebnis ebenso Busse, PatG, 5. Aufl., § 121 Rdn. 18).
Die Entscheidung über Berufungen in Patentnichtigkeitsverfahren ist seit den Anfängen des deutschen Patentrechts dem obersten deutschen Gericht für Zivilsachen übertragen. Die Begründung zum Entwurf des 2. PatGÄ ndG (abgedruckt BlPMZ 1998, 393 ff.) betont, daß mit der Neufassung die Vorschriften über das Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof in Patentsachen an die in der Zivilprozeßordnung enthaltenen Vorschriften über das Verfahren vor den Berufungsgerichten angeglichen werden sollen (BlPMZ 1998, 396 f.). Da die §§ 233, 234, 236 ZPO eine ausdrückliche Regelung für die Wiedereinsetzung in die eine Notfrist darstellende Berufungsfrist und in die Berufungsbegründungsfrist im Falle der Berufung an ein deutsches Zivilgericht beinhalten, spricht schon dies dafür, daß die zivilprozessualen Regelungen nach der gesetzlichen Wertung als sachgerechtere Normen angesehen werden müssen, die Geltendmachung dieses Rechtsbehelfs auch im Rahmen des bei Patentnichtigkeitssachen zugelassenen Rechtsmittels zu regeln. Im Hinblick auf die dabei einzuhaltende Frist ist zudem vor allem von Bedeutung, daß das 2. PatGÄ ndG die Verpflichtung wieder eingeführt hat, die Berufung zum Bundesgerichtshof zu begründen (§ 111 Abs. 1 PatG), und die mit der Einlegung der Berufung beginnende Frist für die Berufungsbegründung einen Monat beträgt (§ 111 Abs. 2 Satz 2 PatG). Dies soll die Zusammenfassung und Be-
schleunigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ermöglichen, wie es in der Begründung zum Entwurf des 2. PatGÄ ndG heißt (BlPMZ 1998, 397). Mit diesem Gesetzeszweck wäre die nach § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG vorgeschriebene Frist von zwei Monaten kaum vereinbar, weil sie die für die Berufungsbegründung gesetzlich vorgesehene Frist deutlich übersteigt. Wer die Berufungsbegründungsfrist versäumt, hätte zur Nachholung der Begründung erheblich mehr Zeit zur Verfügung, als derjenige für die Berufungsbegründung hat, der die gesetzlich vorgesehene Frist einhält. Schließlich ist auch noch auf § 99 Abs. 1 PatG zu verweisen. Er regelt für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht , daß das erstinstanzlich zur Entscheidung in Nichtigkeitsverfahren berufene Gericht das GVG und die ZPO als subsidiäres Regelwerk anzuwenden haben, wenn dies durch die Besonderheiten des Verfahrens nicht ausgeschlossen wird. Für das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof kann ein solcher Ausschluß hinsichtlich der §§ 233, 234, 236 ZPO nicht festgestellt werden. Ihre Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechen im wesentlichen denen in § 123 PatG; ein praktischer Unterschied besteht lediglich hinsichtlich der Frist zur Geltendmachung des Rechtsbehelfs. Eine kürzere Frist einzuhalten als vor dem Bundespatentgericht, ist für die Partei, welche die Berufungsfrist oder die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat, jedoch zumutbar angesichts der gesetzlichen Notwendigkeit, sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen Rechtsanwalt oder einen Patentanwalt als Bevollmächtigten vertreten zu lassen (§ 111 Abs. 4 Satz 1 PatG). Rechtsanwälte sind ausgebildet und gewohnt, auch binnen kurzer Fristen das zur Wahrung der Belange ihrer Mandanten Erforderliche zu veranlassen. Von Patentanwälten, welche die Vertretung vor dem Bundesgerichtshof übernehmen, kann dies ebenfalls verlangt werden, weil sie gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 PatG dieselbe Stellung wie ein Rechtsanwalt haben.
Unter diesen Umständen muß in Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen hinsichtlich der Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der aus verschiedenen Verfahrensgesetzen (vgl. §§ 523, 557 ZPO, §§ 125 Abs. 1, 141 VwGO) ersichtliche und vom Senat in anderem Zusammenhang auch für das vor ihm stattfindende Verfahren bereits angewandte (BGH, Beschl. v. 26.9.1996 - X ZR 17/94, GRUR 1997, 119 - Schwimmrahmenbremse ) Grundsatz zurücktreten, im Rechtsmittelverfahren notfalls die für die Vorinstanz geltenden Regeln heranzuziehen."
Hieran hält der Senat fest.

c) Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist hat die Klägerin nicht gestellt. Auch insoweit kommt Wiedereinsetzung allerdings grundsätzlich in Betracht (BGH, Beschl. v. 4.10.1994 - VI ZB 17/93 - VersR 1995, 480 = BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 Prozeßhandlung , nachgeholte 3). Zudem könnte insoweit Wiedereinsetzung auch von Amts wegen bewilligt werden (§ 236 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO). Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin die Wiedereinsetzungsfrist versäumt hat, ohne daß ihre Vertreter hieran ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung zuzurechnendes Verschulden traf.
Ob nach der Neuregelung des Nichtigkeitsberufungsverfahrens hinsichtlich der Wiedereinsetzungsfrist die Zweiwochenfrist der Zivilprozeßordnung oder die Zweimonatsfrist des Patentgesetzes zur Anwendung kommt, mußte bis zur abschließenden Klärung in der Rechtsprechung, die erst durch die Senatsentscheidung vom 31. Mai 2000 erfolgt ist, als offen angesehen werden. Die - soweit ersichtlich - einzige Literaturstelle, die sich mit dieser Frage be-
faßte (Busse, PatG 5. Aufl. § 121 Rdn. 18), sprach sich für die Anwendung der Regelung in der ZPO aus. Auch wenn die Klägerin auf Gesichtspunkte verweisen kann, die für eine Anwendung der Regelung im Patentgesetz hätten sprechen können, war offen, wie die Rechtsprechung diesen Fall behandeln werde. Bei derart zweifelhafter Rechtslage mußte aber der Vertreter der Klägerin als Patentanwalt, für den keine anderen Maßstäbe gelten als für den Rechtsanwalt (Sen.Beschl. v. 31.5.2000 - X ZR 154/99 – Schaltmechanismus), vorsorglich so handeln, wie es bei einer für die von ihm vertretene Partei ungünstigen Entscheidung des Zweifels zur Wahrung ihrer Belange notwendig war (vgl. BGH, Beschl. v. 9.1.1989 - II ZB 11/88, BGHR ZPO § 233 - Verschulden 3; Beschl. v. 19.11.1992 - V ZB 37/92, NJW 1993, 332 f. = BGHR ZPO § 233 Postulationsfähigkeit 1; Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 233 Rdn. 23; Musielak/Grandel, ZPO § 233 Rdn. 44; MünchKomm. ZPO/Feiber § 233 Rdn. 58; vgl. schon - allerdings auf abweichender Rechtsgrundlage - BGHZ 8, 47; ebenso zu § 123 PatG Busse aaO, § 123 Rdn. 45) und im Zweifel den sicheren Weg wählen, nämlich die kürzere, sich bei Anwendung der Regelung in der Zivilprozeßordnung ergebende Frist beachten. Daß er dies nicht getan hat, begründet insoweit ein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 238 Abs. 4 ZPO, § 91 ZPO.

Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Keukenschrijver

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.