Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - XI ZB 11/11

bei uns veröffentlicht am20.12.2011
vorgehend
Landgericht Karlsruhe, 4 O 675/06, 25.06.2010
Oberlandesgericht Karlsruhe, 11 W 50/10, 14.04.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 11/11
vom
20. Dezember 2011
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Wiechers und die Richter Dr. Ellenberger, Maihold, Dr. Matthias und Pamp
am 20. Dezember 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. April 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 468,63 €.

Gründe:

I.

1
Der im Bezirk des Landgerichts Karlsruhe ansässige Kläger hat die beklagte Bank vor dem Landgericht Karlsruhe auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Kauf von Anteilen an einem Medienfonds in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage teilweise abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits zu 62% dem Kläger sowie zu 38% der Beklagten auferlegt. Das Revisionsverfahren endete mit dem Anerkenntnisurteil des erkennenden Senats, in dem der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden. Der Kläger ist von in Berlin ansässigen Rechts- anwälten vertreten worden, die er wegen ihrer Spezialisierung auf Fälle des Kapitalanlagerechts beauftragt hat und die bundesweit zahlreiche Anleger desselben Medienfonds vertreten. Er hat zum Kostenausgleich u.a. Reisekosten seiner Prozessbevollmächtigten für einen Verhandlungstermin beim Oberlandesgericht Karlsruhe in Höhe von 428,81 € nebst Umsatzsteuer angemeldet. Für die erste Instanz hatte er lediglich die Erstattung fiktiver Reisekosten verlangt.
2
Das Landgericht hat die Berücksichtigung dieser Kosten mit Ausnahme von fiktiven Reisekosten eines am Wohnsitz des Klägers ansässigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 35 € abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

II.

3
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
4
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beauftragung auswärtiger Rechtsanwälte in Fällen, in denen eine Partei im eigenen Gerichtsstand klage oder verklagt werde, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO regelmäßig nicht als erforderlich anzusehen sei. Dies gelte auch dann, wenn die Partei einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens bereits vorgerichtlich mit ihrer Interessenvertretung beauftragt gehabt habe. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liege nicht vor, da die Brauchbarkeit der vom Kläger eingewandten Spezialisierung seiner Anwälte wegen der im Kostenfestsetzungsverfahren gel- tenden typisierenden Betrachtung im Einzelfall nicht geprüft werden könne. Gerichtsbekannt hätten am Sitz des Landgerichts zahlreiche andere Rechtsanwälte mit Spezialkenntnissen im Bereich des Kapitalanlagerechts für eine ordnungsgemäße Vertretung des Klägers zur Verfügung gestanden, die sich in die Fragen einer fehlerhaften Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Beitritt zu einem Medienfonds hätten einarbeiten können.
5
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
6
Die über den zuerkannten Betrag hinaus geltend gemachten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers sind nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO).
7
a) Die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts, der zwar beim Prozessgericht auftreten kann, dort aber nicht zugelassen ist, ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht notwendig, wenn die Partei - wie hier - im eigenen Gerichtsstand klagt (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902, vom 22. Februar 2007 - VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071 Rn. 10 ff. und vom 22. April 2008 - XI ZB 20/07, juris Rn. 7 mwN).
8
b) Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, dass vorliegend besondere Gegebenheiten die Einschaltung der auswärtigen Prozessbevollmächtigten erforderlich gemacht hätten. Im Verfahren gehe es um einen Medienfonds, mithin um eine Spezialmaterie des Kapitalanlagerechts, in die sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die weit über hundert weitere Anleger desselben Fonds vertreten würden, mehrjährig eingearbeitet hätten. Da auch die Beklagte von einer spezialisierten Anwaltskanzlei mit erheblicher Prozesserfahrung im Bereich der Medienfonds vertreten werde, habe der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit die Hilfe eines spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch nehmen dürfen. Diese Einwände greifen nicht durch.
9
aa) Die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts erscheint nur dann ausnahmsweise als notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902; KG JurBüro 2010, 428, 429). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat das Beschwerdegericht - entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde - ausdrücklich festgestellt, dass am Sitz des Landgerichts und damit in unmittelbarer Nähe des Wohnortes des Klägers zahlreiche geeignete Rechtsanwälte zur Verfügung stehen.
10
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers vorprozessual staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten hinsichtlich des streitgegenständlichen Medienfonds gesichtet haben und weitere Anleger desselben Fonds in Parallelprozessen vertreten. Vielmehr ist der Umstand, dass der mit der Prozessvertretung beauftragte auswärtige Rechtsanwalt für die Partei in derselben Angelegenheit bereits vorprozessual tätig war, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht geeignet, die kostenträchtige Mandatierung eines auswärtigen Rechtsanwaltes zu rechtfertigen (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 903 und vom 22. Februar 2007 - VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071, 1072).
11
Zwar ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, dass es im Allgemeinen immer dann, wenn bereits ein auswärtiger Anwalt eingeschaltet ist, kostengünstiger ist, diesen Rechtsanwalt auch mit der Prozessvertretung zu beauftragen.
Für die Frage, ob eine bestimmte Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme notwendig ist, ist jedoch nicht erst auf den Zeitpunkt abzustellen , in dem der auswärtige Rechtsanwalt bereits vorprozessual tätig geworden ist. Vielmehr empfiehlt es sich aus der Sicht der vernünftigen und kostenorientierten Partei, schon vorprozessual einen in ihrer Nähe befindlichen Rechtsanwalt einzuschalten (BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 903 und vom 22. Februar 2007 - VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071, 1073).
12
cc) Auch die Tatsache, dass die inzwischen weit verbreitete Spezialisierung zu den Umständen zählt, derentwegen das Bundesverfassungsgericht die Singularzulassung von Rechtsanwälten bei den Oberlandesgerichten für verfassungswidrig erklärt hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - 1 BvR 335/97, BVerfGE 103, 1, 17 f.), rechtfertigt - entgegen der Rechtsansicht der Beschwerde - keine andere Beurteilung (BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2007 - VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071, 1072 und vom 22. April 2008 - XI ZB 20/07, juris Rn. 8 mwN).
13
c) Das Interesse, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertreten zu lassen, erlaubt es einer Partei nicht, ohne kostenrechtliche Nachteile einen auswärtigen Rechtsanwalt mit ihrer gerichtlichen Vertretung unabhängig davon zu beauftragen, wie weit dessen Kanzlei von ihrem Wohn- oder Geschäftssitz und dem Gerichtsort entfernt ist. Erstattungsfähig sind deshalb auch hier nur diejenigen Kosten eines Prozessbevollmächtigten, die aus einem Auseinanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts- oder Wohnsitz einer Partei andererseits entstehen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 - VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071 Rn. 14).
Wiechers Ellenberger Maihold Matthias Pamp
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.06.2010 - 4 O 675/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.04.2011 - 11 W 50/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - XI ZB 11/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - XI ZB 11/11

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab
Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - XI ZB 11/11 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

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Bundesverfassungsgericht Urteil, 13. Dez. 2000 - 1 BvR 335/97

bei uns veröffentlicht am 22.01.2024

Das Bundesverfassungsgericht erklärte § 25 der Bundesrechtsanwaltsordnung, der die Singularzulassung von Rechtsanwälten bei einem einzigen Gerichtstyp vorschreibt, für unvereinbar mit dem Grundgesetz, speziell mit dem Artikel 12,

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2002 - I ZB 29/02

bei uns veröffentlicht am 12.12.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 12. Dezember 2002 I ZB 29/02 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR : ja ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 Beauftragt eine Partei, die im eigenen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird, mit ihr

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom
12. Dezember 2002
I ZB 29/02
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Beauftragt eine Partei, die im eigenen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird, mit
ihrer Vertretung einen auswärtigen Rechtsanwalt, der beim Prozeßgericht zwar
postulationsfähig, aber nicht zugelassen ist, handelt es sich bei dem dadurch anfallenden
Mehraufwand regelmäßig nicht um Kosten, die für eine zweckentsprechende
Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig sind. Dies gilt auch dann,
wenn der auswärtige Anwalt bereits vorprozessual in derselben Angelegenheit tätig
war.
BGH, Beschl. v. 12. Dezember 2002 – I ZB 29/02 – OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Dezember 2002 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg
, Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8. Juli 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 83,18 esetzt.

Gründe:


I. Die bis Juli 2000 in Pfinztal-Söllingen im Landgerichtsbezirk Karlsruhe und danach in Eisenach ansässige Beklagte wurde vor dem Landgericht Karlsruhe mit Klage vom 5. Januar 2000 auf Unterlassung in Anspruch genommen. Mit ihrer Vertretung beauftragte sie die Rechtsanwälte einer u.a. in Stuttgart ansässigen überörtlichen Sozietät, die sie ständig vertreten und auch in dieser Sache bereits außergerichtlich für sie tätig geworden waren. Die beiden Verhandlungstermine vor dem Landgericht Karlsruhe nahm für sie ein Stuttgarter Rechtsanwalt dieser Sozietät wahr, der beim Landgericht Karlsruhe nicht zugelassen ist. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Karlsruhe hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Beklagte hat u.a. die Festsetzung folgender Kosten für die Wahrnehmung der beiden Verhandlungstermine vor dem Landgericht Karlsruhe durch ihre Prozeßbevollmächtigten begehrt:
Termin vom 18.10.2000: Fahrtkosten gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BRAGO (142 km × 0,52 DM) 73,84 DM Parkgebühren gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BRAGO 8,00 DM Abwesenheitsgeld gemäß § 28 Abs. 3 BRAGO 60,00 DM Termin vom 2.5.2001: Fahrtkosten gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BRAGO (142 km × 0,52 DM) 73,84 DM Abwesenheitsgeld gemäß § 28 Abs. 3 BRAGO 30,00 DM Summe 245,68 DM
Hiervon hat das Landgericht lediglich einen Betrag in Höhe von 42,44 83 DM) zuerkannt. Dies entspricht den Kosten, die der Beklagten im Falle der Beauftragung eines Karlsruher Rechtsanwalts für eine Informationsreise entstanden wären (Fahrtkosten: 20 km × 0,40 DM/km + Verdienstausfall: 3 St. × 25 DM/St.).
Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die – vom Beschwerdegericht zugelassene – Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie ihren Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der nicht zuerkannten Reisekosten in Höhe von 83,18 162,68 DM) nebst Zinsen weiterverfolgt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat die Mehrkosten, die im Streitfall durch die Beauftragung eines Stuttgarter statt eines Karlsruher Rechtsanwalts entstanden sind, als nicht erstattungsfähig angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Auch wenn seit dem 1. Januar 2000 nach § 78 Abs. 1 ZPO jeder bei einem Land-
gericht zugelassene Rechtsanwalt bei jedem anderen Landgericht postulationsfä- hig sei, seien nur die Kosten zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen seien. Denn die Erweiterung des örtlichen Tätigkeitsbereichs der Rechtsanwälte habe nichts daran geändert, daß Prozeßkosten nach § 91 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nur im Rahmen des Notwendigen zu erstatten seien. Die Zuziehung eines in Stuttgart ansässigen statt eines Karlsruher Rechtsanwalts sei in diesem Sinne nicht notwendig gewesen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die mit der Prozeßvertretung beauftragten Rechtsanwälte schon außergerichtlich für die Beklagte tätig gewesen seien.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

a) Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Reisekosten hängt allein davon ab, ob es für die Beklagte notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Prozeßvertretung zu beauftragen, der nicht am Ort des Prozeßgerichts, sondern in Stuttgart ansässig ist (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Die Bestimmung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, nach der die Reisekosten des beim Prozeßgericht zugelassenen , aber nicht am Ort des Prozeßgerichts ansässigen Rechtsanwalts generell nicht zu erstatten sind, findet im Streitfall – entgegen einer in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. OLG Hamburg OLG-Rep 2001, 96, 97; OLG Zweibrücken NJW-RR 2001, 1001, 1002; Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., § 91 Rdn. 18; Bischof, MDR 2000, 1357, 1359) – keine Anwendung. Wie der Bundesgerichtshof durch Beschluß vom 16. Oktober 2002 (VIII ZB 30/02, Umdruck S. 7 ff.) entschieden hat, steht der Wortlaut des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO einer unmittelbaren Anwendung, das Fehlen einer Regelungslücke einer entsprechenden Anwendung entgegen.

b) Für die Frage, ob die Zuziehung eines nicht beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalts im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO als zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig anzusehen ist, sind drei Fallkonstellationen zu unterscheiden. Der Streitfall zeichnet sich dadurch aus, daß die Beklagte im eigenen Gerichtsstand in Karlsruhe verklagt worden ist, mit ihrer Vertretung jedoch einen auswärtigen Rechtsanwalt beauftragt hat, der zwar vor dem Landgericht Karlsruhe auftreten konnte (§ 78 Abs. 1 ZPO), dort aber nicht zugelassen war. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen eine Partei bei einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, mit ihrer Vertretung jedoch einen am Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragt. Die dritte Kategorie betrifft die Fälle, in denen eine Partei bei einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird und mit ihrer Vertretung einen Rechtsanwalt beauftragt, der an einem dritten Ort – also weder am Wohn- oder Geschäftsort der Partei noch im Bezirk des Prozeßgerichts – ansässig ist.
Für die zweite Fallkonstellation hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, daß die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist (Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02, Umdruck S. 10 ff.). Diese Entscheidung sagt indessen nichts darüber aus, ob regelmäßig auch die Beauftragung eines auswärtigen, also nicht am Wohn- oder Geschäftssitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts als notwendig angesehen werden kann. Diese Frage ist jedenfalls für die hier allein zu entscheidende erste Konstellation zu verneinen, in der die Partei – wie vorliegend – im eigenen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird (ebenso OLG Frankfurt a.M. OLG-Rep 2000, 301, 302; OLG Koblenz JurBüro 2002, 202).
aa) Bei der Prüfung, ob eine bestimmte Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme notwendig ist i.S. von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO, ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist,
steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall mit Fug darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht.
bb) Als Regelfall kann davon ausgegangen werden, daß eine vernünftige, kostenbewußte Partei, die im Anwaltsprozeß am eigenen Sitz klagen möchte oder am eigenen Sitz verklagt wird, einen beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß die Beauftragung eines Rechtsanwalts, der seine Kanzlei in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsortes der Partei hat, in der Regel als notwendige Maßnahme der Rechtsverfolgung oder -verteidigung anzuerkennen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02, Umdruck S. 10 f.). Dies ist ausgesprochen worden für diejenigen Fälle, in denen eine Partei vor einem auswärtigen Gericht klagen möchte oder verklagt wird, gilt aber um so mehr für eine Partei, die einen Prozeß im eigenen Gerichtsstand führen möchte oder führen muß. Die Beauftragung eines beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalts empfiehlt sich hier in aller Regel nicht nur wegen der geringeren Kosten, sondern auch im Hinblick auf die einfacheren Möglichkeiten der persönlichen Unterrichtung und Beratung.
cc) Von der Regel, daß im allgemeinen allein die Beauftragung eines beim Prozeßgericht zugelassenen, in seinem Bezirk ansässigen Rechtsanwalts notwendig ist, kann es Ausnahmen geben. Im Streitfall liegt eine solche Ausnahme aber nicht vor.
Die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts erscheint dann als notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht
beauftragt werden kann (vgl. MünchKomm.ZPO/Belz, 2. Aufl., § 91 Rdn. 27; Zöller /Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichwort „Reisekosten des Anwalts“ m.w.N.). Dagegen rechtfertigt der Umstand, daß die Partei ständig mit dem beauftragten auswärtigen Rechtsanwalt zusammenarbeitet, kein Abweichen von der Regel. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Einschätzung der Notwendigkeit in diesen Fällen stets subjektiv geprägt ist. Für eine Partei mögen die zusätzlichen Reisekosten unerheblich erscheinen, solange sie nur den Anwalt ihres Vertrauens beauftragen kann. Doch muß sie in diesem Fall bereit sein, diese Zusatzkosten auch dann selbst zu tragen, wenn dem Gegner die Prozeßkosten auferlegt worden sind.
Der Umstand, daß der mit der Prozeßvertretung beauftragte auswärtige Rechtsanwalt bereits für die Partei in derselben Angelegenheit vorprozessual tätig war, stellt ebenfalls keinen Grund dar, von der beschriebenen Regel abzuweichen (a.A. OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 998; NJW-RR 2001, 998, 999). Zwar ist der Rechtsbeschwerde einzuräumen, daß es im allgemeinen immer dann, wenn bereits ein auswärtiger Anwalt eingeschaltet ist, kostengünstiger ist, diesen Rechtsanwalt auch mit der Prozeßvertretung zu beauftragen. Denn die bereits entstandene Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO wird auf die im gerichtlichen Verfahren entstehende Prozeßgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO angerechnet (§ 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO), während bei Beauftragung eines anderen Anwalts beide Gebühren nebeneinander geschuldet werden. Doch ist für die Frage , ob eine bestimmte Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme notwendig ist, nicht erst auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der auswärtige Rechtsanwalt bereits vorprozessual tätig geworden ist. Vielmehr empfiehlt es sich aus der Sicht der vernünftigen und kostenorientierten Partei, schon vorprozessual einen in ihrer Nähe befindlichen Rechtsanwalt einzuschalten (vgl. OLG Frankfurt a.M. OLG-Rep 2000, 301, 302). Im übrigen ist für die Frage der Notwendigkeit be-
stimmter Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahmen auch auf die Sicht der Gegenseite abzustellen, die diese Kosten ganz oder teilweise zu tragen hat. Aus deren Sicht gibt es keine Kostenersparnis durch Beauftragung eines auswärtigen, bereits vorprozessual tätig gewesenen Anwalts, weil diese Kosten nicht zu den Kosten des Rechtsstreits gehören und daher in keinem Fall erstattungsfähig sind.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Starck
Bornkamm Schaffert