Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - XII ZB 138/12

bei uns veröffentlicht am31.07.2013
vorgehend
Amtsgericht Soest, 16 F 52/10, 19.03.2010
Oberlandesgericht Hamm, 7 WF 93/10, 10.08.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 138/12
vom
31. Juli 2013
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2013 durch den Vorsitzenden
Richter Dose, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Dem Antragsteller wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. August 2010, ergänzt durch den Beschluss vom 17. Dezember 2010, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Rechtsbeschwerde gegen den vorgenannten Beschluss wird zurückgewiesen. Wert: 2.880 €

Gründe:

I.

1
Der minderjährige Antragsteller hat für einen Antrag auf Kindesunterhalt gegen die Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe beantragt. Die Antragsgegnerin bezog bereits vor Einleitung des Verfahrens Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende), daneben erzielt sie aus Berufstätigkeit monatlich 400 €, von denen ihr 160 € nicht auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angerechnet worden sind. Der Antragsteller hat die Meinung vertreten, dass der Antragsgegnerin auch ihr weiteres Erwerbsein- kommen von 240 € nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II (nunmehr § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II) anrechnungsfrei zu belassen sei, wenn sie an ihn Unterhalt zahle.
2
Das Amtsgericht hat die Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Die vom Antragsteller eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf Anhörungsrüge des Antragstellers hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen , mit welcher dieser die Verfahrenskostenhilfebewilligung weiterverfolgt.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
4
1. Allerdings hat das Oberlandesgericht in unzulässiger Weise die Beantwortung einer rechtsgrundsätzlichen Frage in das Verfahrenskostenhilfeverfahren verlagert.
5
Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung von der Klärung einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängt, muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch dann, wenn es die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist (Senatsbeschlüsse vom 8. Mai 2013 - XII ZB 624/12 - zur Veröffentlichung bestimmt; vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - NJW 2004, 2022 und vom 12. Dezember 2012 - XII ZB 190/12 - FamRZ 2013, 369). Das gilt ebenso, wenn das Beschwerdegericht auf eine Anhörungsrüge die Rechtsbeschwerde nachträglich zulässt, nachdem es erkannt hat, dass es sich um eine noch nicht geklärte Rechtsfrage handelt.
6
Die Begründung des Beschwerdegerichts, die Verfahrenskostenhilfebewilligung sei nicht der gebotene Weg, weil es sich dabei um einen zeitraubenden Umweg handele, verkehrt nicht nur den von ihm erkannten Grundsatz in sein Gegenteil, sondern verkennt auch, dass der Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht - abgesehen von spezifischen Fragen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens - zur Klärung materieller Grundsatzfragen im Verfahrenskostenhilfeverfahren ebenfalls nicht berufen ist.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist dennoch zurückzuweisen. Der Senat hat die Rechtsfrage, ob sich die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners durch die Titulierung des Unterhalts und den darauf folgenden Bezug von (höheren ) Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhöhen lässt, inzwischen durch Beschluss vom 19. Juni 2013 (XII ZB 39/11 - zur Veröffentlichung bestimmt) geklärt. Der Beschluss des Oberlandesgerichts steht damit im Einklang.
8
Auch der Umstand, dass dem Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers bei Bewilligungsreife hätte entsprochen werden müssen, führt nach geklärter Rechtslage wegen der fehlenden Erfolgsaussicht in der Hauptsache nicht zur nachträglichen Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe (vgl. Senatsbeschluss vom 7. März 2012 - XII ZB 391/10 - FamRZ 2012, 964 Rn. 15 mwN). Dose Vézina Klinkhammer Günter Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Soest, Entscheidung vom 19.03.2010 - 16 F 52/10 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 10.08.2010 - II-7 WF 93/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - XII ZB 138/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - XII ZB 138/12

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen


(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dies
Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - XII ZB 138/12 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen


(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dies

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2013 - XII ZB 624/12

bei uns veröffentlicht am 08.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 624/12 vom 8. Mai 2013 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 114, 574; FamFG § 114 Abs. 2 1. Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der Auff

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2013 - XII ZB 39/11

bei uns veröffentlicht am 19.06.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS XII ZB 39/11 Verkündet am: 19. Juni 2013 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2004 - XII ZB 192/02

bei uns veröffentlicht am 17.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 192/02 vom 17. März 2004 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 114, 574 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 a) Ist das Beschwerdegericht in einem Prozeßkostenhilfeverfahren

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2012 - XII ZB 391/10

bei uns veröffentlicht am 07.03.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 391/10 vom 7. März 2012 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 114, 322 a) Bei der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe anzustellenden B

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(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 624/12
vom
8. Mai 2013
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
1. Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der Auffassung
, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
von der Klärung einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte
umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage
abhängt, muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen
Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch
dann, wenn es die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten
des Beschwerdeführers zu entscheiden ist (im Anschluss an Senatsbeschlüsse
vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - NJW 2004, 2022 und vom
12. Dezember 2012 - XII ZB 190/12 - FamRZ 2013, 369).
2. Auch in Verfahren der Verfahrenskostenhilfe kann eine Rechtsbeschwerde
zum Bundesgerichtshof wirksam nur durch einen beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (im Anschluss an Senatsbeschluss
vom 23. Juni 2010 - XII ZB 82/10 - FamRZ 2010, 1425).
BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013 - XII ZB 624/12 - KG
AG Pankow/Weißensee
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Mai 2013 durch den Vorsitzenden
Richter Dose, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 30. Oktober 2012 bewilligt.
Auf die Rechtsbeschwerde wird der vorgenannte Beschluss aufgehoben , soweit darin die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2012 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

1
Die 1989 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners. Sie besuchte seit August 2006 die gymnasiale Oberstufe und ging im Juni 2010 mit dem Erwerb des schulischen Teils der Fachhochschulreife vom Gymnasium ab. Im Anschluss an ihren Schulbesuch war sie zeitweise als Verkäuferin tätig und absolvierte seit September 2011 ein freiwilliges soziales Jahr bei dem Landesjugendring B. . Im August 2012 hat sie eine Ausbildung zur Erzieherin aufgenommen.
2
Mit Antrag vom 16. September 2011 hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner rückständigen und laufenden Kindesunterhalt geltend gemacht und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Das Amtsgericht hat der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverfolgung versagt. Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht nach Übertragung des Verfahrens durch die Einzelrichterin auf den Senat zurückgewiesen. Zugleich hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen, soweit der Rechtsverfolgung für die Dauer der Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2012 die Erfolgsaussichten abgesprochen worden sind. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die Klärung der - von ihm verneinten - Frage, ob die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres schon generell und ohne Zusammenhang mit einem konkreten Ausbildungskonzept des Kindes als angemessener Ausbildungsabschnitt im Rahmen einer Gesamtausbildung anzusehen sei, im Hinblick auf eine divergierende Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordere.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
4
1. Die Rechtsbeschwerde, deren Zulassung das Beschwerdegericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2012 beschränkt hat, ist statthaft (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.
5
Allerdings hätte die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen werden dürfen. Im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) oder der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZA 11/07 - FamRZ 2007, 1720 Rn. 6 und vom 4. August 2004 - XII ZA 6/04 - FamRZ 2004, 1633 f.; BGH Beschluss vom 22. November 2011 - VIII ZB 81/11 - NJW-RR 2012, 125 Rn. 10). Hängt die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aus Sicht des Beschwerdegerichts dagegen allein von der Frage ab, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann die Rechtsbeschwerde wegen dieser Frage nicht zugelassen werden. Indessen ist das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO auch an eine insoweit rechtsfehlerhafte Zulassung der Rechtsbeschwerde gebunden (Senatsbeschluss vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - NJW 2004, 2022; BGH Beschlüsse vom 21. November 2002 - V ZB 40/02 - NJW 2003, 1126 und vom 27. Februar 2003 - III ZB 30/02 - NJW-RR 2003, 1001).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Beschwerdegericht hätte die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin mit ihrem Unterhaltsbegehren beabsichtigten Rechtsverfolgung mit der gegebenen Begründung nicht verneinen dürfen.
7
Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, dass der volljährigen Antragstellerin für die Dauer ihres freiwilligen sozialen Jahres schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt zustehe, weil sie mangels Darlegung eines tragfähigen, an ihren Begabungen und Fähigkeiten orientierten Ausbildungskonzeptes nicht hinreichend belegt habe, inwieweit die Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres für ihre später beabsichtigte Berufsausbildung konkret nutzbar gemacht werden könnte. Ferner ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass es demgegenüber nach einer vom Oberlandesgericht Celle (OLG Celle FamRZ 2012, 995 f.) vertretenen Rechtsansicht zum Unterhaltsanspruch von Kindern während des freiwilligen sozialen Jahres solcher Darlegungen nicht bedürfe.
8
Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Verfahrenskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Verfahrenskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den das Rechtsstaatsprinzip erfordert, nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen (BVerfG NJW 1994, 241, 242 und NJW 2000, 1936, 1937; Senatsbeschluss vom 4. August 2004 - XII ZA 6/04 - FamRZ 2004, 1633, 1634 mwN). Ist das Beschwerdegericht daher - wie im vorliegenden Fall - der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung von der Klärung einer in der Recht- sprechung der Oberlandesgerichte umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängen, muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch dann, wenn das Beschwerdegericht die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist (BVerfG FamRZ 2013, 605, 606; 2013, 685, 686; Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2012 - XII ZB 190/12 - FamRZ 2013, 369). Verweigert es dem Beschwerdeführer dagegen Verfahrenskostenhilfe und lässt gleichzeitig wegen der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu, widerlegt es damit in aller Regel die Richtigkeit seiner eigenen Entscheidung. Dies muss grundsätzlich ohne nähere Sachprüfung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht führen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - NJW 2004, 2022; MünchKommZPO /Motzer 4. Aufl. § 127 Rn. 36; Musielak/Fischer ZPO 9. Aufl. § 127 Rn. 25).
9
3. Zur Rechtsmittelbelehrung des Beschwerdegerichts weist der Senat noch darauf hin, dass die unter Bezugnahme auf § 114 Nr. 4 Nr. 5 FamFG ausdrücklich erteilte Belehrung, wonach sich die Beteiligten im Verfahren der Rechtsbeschwerde in Verfahrenskostenhilfesachen nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, nicht zutreffend ist. Auch in Verfahren der Verfahrenskostenhilfe kann eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wegen § 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 82/10 - FamRZ 2010, 1425 Rn. 7; Keidel/Weber FamFG 17. Aufl. § 114 Rn. 11, 20; Prütting/Helms FamFG 2. Aufl. § 114 Rn. 34; Musielak/Borth FamFG 3. Aufl. § 114 Rn. 6). Dose Vézina Klinkhammer Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Berlin-Pankow/Weißensee, Entscheidung vom 09.02.2012 - 18 F 9113/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 30.10.2012 - 18 WF 74/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 192/02
vom
17. März 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ist das Beschwerdegericht in einem Prozeßkostenhilfeverfahren der Ansicht,
daß die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegen
, so muß es bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen Prozeßkostenhilfe
bewilligen.

b) Hat das Beschwerdegericht den Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgelehnt und
dennoch die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluß zugelassen, so ist
das Revisionsgericht zwar an die Zulassung gebunden (§ 574 Abs. 1 Nr. 2,
Abs. 3 Satz 2 ZPO). Der Beschluß ist jedoch aufzuheben, weil er gegen das
in Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Gebot der Rechtsschutzgleichheit
verstößt.
BGH, Beschluß vom 17. März 2004 - XII ZB 192/02 - OLG Dresden
LG Zwickau
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2004 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt sowie die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Oktober 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.

Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines Gewerberaummietvertrages, hilfsweise Feststellung, daß das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung der Antragsgegnerin zum 30. September 2001 beendet wurde und weiter hilfsweise Zahlung der Miete für die Zeit vom 1. Oktober 2001 bis einschließlich Februar 2002. Mit schriftlichem Mietvertrag vom 21./28. Juni 1995 vermietete der Antragsteller an die Antragsgegnerin eine Gesamtfläche von 1450 qm bestehend aus Räumlichkeiten, Hofflächen und Überfahrtsflächen zum Betrieb eines Reifen -Service für die Dauer von fünfzehn Jahren. Wegen der Maße und Lage des Mietgegenstandes wurde auf einen als Anlage I bezeichneten Lageplan verwie-
sen, in dem die vermieteten Flächen schraffiert gekennzeichnet sein sollten. Dieser Lageplan lag unstreitig bei Vertragsabschluß nicht vor. Mit Schreiben vom 20. Februar 2001 kündigte die Antragsgegnerin den Mietvertrag gemäß § 566 BGB in Verbindung mit § 565 Abs. 1 a BGB a.F. zum 30. September 2001. Der Antragsteller ist der Ansicht, die Antragsgegnerin könne sich nach Treu und Glauben nicht auf einen etwaigen Formmangel des Mietvertrages berufen. Der Antrag des Antragstellers auf Prozeßkostenhilfe ist vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter.

II.

Das Beschwerdegericht hat angenommen, daß zwischen den Parteien trotz Unterzeichnung des schriftlichen Mietvertrages zunächst kein Mietvertrag zustande gekommen sei, weil sich die Parteien nicht über den Mietgegenstand geeinigt hätten. Es sei offen geblieben, welche Teile des noch zu errichtenden Gebäudes und des Grundstücks der Antragsgegnerin zur Nutzung hätten überlassen werden sollen. Soweit sich aus der jahrelangen Nutzung des Gebäudes und des Grundstücks eine Einigung über das Mietobjekt und damit der Abschluß eines Mietvertrages ergebe, fehle es an der Einhaltung der Schriftform des § 566 BGB a.F. Die Antragsgegnerin dürfe sich auch auf den Formmangel berufen, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen. Die Rechtsbeschwerde hat es unter Hinweis auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wegen der Frage
zugelassen, ob der Antragsgegnerin aus Treu und Glauben eine Geltendmachung der Formnichtigkeit verwehrt sei.

III.

Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO) Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Das Beschwerdegericht hätte, wenn es der Ansicht ist, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, oder, daß die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfordert, bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen, Prozeßkostenhilfe bewilligen müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. November 2002 - V ZB 40/02 - NJW 2003, 1126, 27. Februar 2003 - III ZB 29/02 - AGS 2003, 213). In diesem Fall gebietet nämlich die in Art. 3 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozeßkostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes (BVerfGE 81, 347). Das nur einer
summarischen Prüfung unterliegende Prozeßkostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden (BVerfG FamRZ 2002, 665).
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB 39/11 Verkündet am:
19. Juni 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
(idF bis 31. März 2011) § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7; SGB II § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7

a) Endet die gesetzliche Verfahrensstandschaft eines Elternteils nach § 1629 Abs. 3
BGB mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, so kann das Kind als Antragsteller
in das Verfahren nur im Wege des gewillkürten Beteiligtenwechsels eintreten
(teilweise Aufgabe der Senatsurteile vom 23. Februar 1983 - IVb ZR 359/81 -
FamRZ 1983, 474 und vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 70/83 - FamRZ 1985, 471).
Dieser ist nicht von der Zustimmung des Antragsgegners abhängig.

b) Durch die sozialrechtliche Berücksichtigung titulierter Unterhaltspflichten bei einem
Antrag des Unterhaltspflichtigen auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
erhöht sich dessen unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht.
BGH, Beschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 39/11 - OLG Frankfurt a.M.
AG Marburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur

für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Dezember 2010 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Gründe:

A.

1
Die Beteiligten streiten um Kindesunterhalt für die Zeit ab November 2009.
2
Die Mutter der Antragstellerin und ursprüngliche Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners. Die im September 1994 geborene Antragstellerin ist deren aus der Ehe hervorgegangene Tochter.
3
Der 1953 geborene Antragsgegner ist gelernter Maler und Lackierer. Er war als solcher aber nie berufstätig, sondern übte Tätigkeiten auf verschiedenen anderen Berufsfeldern aus (u.a. als Zeitsoldat, Verkäufer, im Versicherungsaußendienst und - bis 2002 - als selbständiger Versicherungsvertreter, später projektweise als Mitarbeiter bei einem Jobcenter). Spätestens seit November 2009 ist er arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Die Parteien streiten darüber, ob dem Antragsgegner wegen Verstoßes gegen seine Erwerbsobliegenheit ein fiktives Einkommen zuzurechnen ist oder ob er für den Unterhalt deswegen hinreichend leistungsfähig ist, weil er die geforderten Beträge - bei Titulierung des Unterhalts - im Rahmen einer Nebentätigkeit auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende anrechnungsfrei hinzuverdienen könne.
4
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zum Unterhalt verpflichtet. Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde des Antragsgegners den Unterhaltsantrag abgewiesen. Dagegen hat die ursprüngliche Antragstellerin die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Die während des Rechtsbeschwerdeverfahrens volljährig gewordene Antragstellerin ist anstelle ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten. Sie verfolgt das Unterhaltsbegehren weiter.

B.

5
Rechtsbeschwerde und Unterhaltsantrag sind zulässig, haben aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

6
Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist in wirksamer Weise anstelle ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten. Die auf Seiten der ursprünglichen Antragstellerin bestehende Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB bestand zwar über die Scheidung hinaus zunächst noch fort (Senatsurteil BGHZ 109, 211 = FamRZ 1990, 283, 284). Sie ist aber mit Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin entfallen, was auch wegen des Unterhalts für die Vergangenheit gilt (Senatsurteil vom 23. Februar 1983 - IVb ZR 359/81 - FamRZ 1983, 474, 475). Indessen ist die Antragstellerin in zulässiger Weise anstelle ihrer Mutter in das Verfahren eingetreten.
7
1. Wie dem Wegfall der Verfahrensstandschaft bei Eintritt der Volljährigkeit des Kindes im Verfahren Rechnung zu tragen ist, ist umstritten. Nach der früheren Rechtsprechung des Senats trat - in Anlehnung an den Eintritt des Gemeinschuldners anstelle des Konkursverwalters nach Beendigung des Konkursverfahrens - ein Parteiwechsel kraft Gesetzes ein, durch den das unterhaltsberechtigte Kind ohne weitere prozessuale Erklärungen an die Stelle des Elternteils treten sollte (Senatsurteile vom 23. Februar 1983 - IVb ZR 359/81 - FamRZ 1983, 474, 475 und vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 70/83 - FamRZ 1985, 471, 473). Dagegen ist der Senat in einer neueren Entscheidung - bei Einlegung der Revision durch das volljährig gewordene Kind - davon ausgegangen, dass das Kind ein Recht hat, in den Prozess einzutreten , welches durch Erklärung geltend zu machen ist (Senatsurteil BGHZ 109, 211 = FamRZ 1990, 283, 284). Auch im Schrifttum ist in Zweifel gezogen worden , dass sich der Parteiwechsel schon kraft Gesetzes vollzieht (Johannsen/ Henrich/Jaeger Familienrecht 5. Aufl. § 1629 Rn. 12; Bamberger/Roth/Veit BGB 3. Aufl. § 1629 Rn. 51.1 mwN; Schwab/Streicher Handbuch des Scheidungsrechts 6. Aufl. I Rn. 568; Eschenbruch/Klinkhammer Unterhaltsprozess 5. Aufl. Kap. 5 Rn. 64 f.).
8
Der Senat hält an seiner eingangs genannten früheren Rechtsprechung nicht fest. Aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Prozess- bzw. Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB folgt vielmehr, dass es der freien Entscheidung des volljährig gewordenen Kindes überlassen bleiben muss, ob es sich am Verfahren beteiligt und dieses fortsetzt. Dass das Kind einerseits die Möglichkeit hat, dem Verfahren beizutreten, es andererseits hierzu aber auch nicht gezwungen werden darf, lässt sich nur durch einen gewillkürten Klägerbzw. Antragstellerwechsel sicherstellen. Entsprechend war in den genannten, vom Senat entschiedenen Fällen (Senatsurteile vom 23. Februar 1983 - IVb ZR 359/81 - FamRZ 1983, 474, 475 und vom 30. Januar 1985 - IVb ZR 70/83 - FamRZ 1985, 471, 473) das Verfahren jeweils vom volljährig gewordenen Kind fortgesetzt worden.
9
Die als zwingend ausgestaltete Regelung in § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB lässt die Geltendmachung des Unterhalts nur im eigenen Namen des sorgeberechtigten Elternteils zu und verfolgt den Zweck, das Kind aus dem Streit der Eltern herauszuhalten (BT-Drucks. 10/4514 S. 23; Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB [2007] § 1629 Rn. 44 mwN). Dem widerspräche es, wenn das Kind mit Eintritt seiner Volljährigkeit ohne Rücksicht auf seinen Willen zur Partei bzw. zum Beteiligten des Verfahrens würde. Sollte das Kind sich etwa entschließen, das Verfahren nicht weiterzuführen, müsste es den Unterhaltsantrag mit der Kostenfolge nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 269 Abs. 3 ZPO zurücknehmen. Eine einseitige Erledigungserklärung wäre mangels eines erledigenden Ereignisses unbegründet. Aber auch eine übereinstimmende Erledigungserklärung wäre für das Kind mit einem Kostenrisiko verbunden. Dagegen kann der ehemalige Verfahrensstandschafter den Antrag - abgesehen von einer etwaigen Antragsumstellung auf einen (in seiner Person entstandenen) familienrechtlichen Ausgleichsanspruch - notfalls einseitig für erledigt erklären, weil mit der Verfahrensführungsbefugnis eine Zulässigkeitsvoraussetzung nachträglich entfallen ist (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 5. Aufl. § 1629 Rn. 12; Bamberger/Roth/Veit BGB 3. Aufl. § 1629 Rn. 51.1 sowie Senatsurteil vom 26. April 1989 - IVb ZR 42/88 - FamRZ 1989, 850).
10
Durch einen hier allein möglichen gewillkürten Beteiligtenwechsel wird demnach nicht nur der Verfahrensherrschaft des (ursprünglichen) Antragstellers Rechnung getragen, sondern vor allem auch dem Umstand, dass das Kind nicht ohne seinen Willen Beteiligter des Verfahrens werden darf und aus dem Streit der Eltern herausgehalten werden soll.
11
2. Die Antragstellerin hat mit Zustimmung ihrer Mutter den Eintritt in das Verfahren erklärt. Da der Beteiligtenwechsel allein im Wegfall der Verfahrensführungsbefugnis begründet liegt und nicht mit einer Änderung des Streitstoffs verbunden ist, bedurfte es keiner Zustimmung des Antragsgegners (vgl. Senatsurteil BGHZ 109, 211 = FamRZ 1990, 283, 284; Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 - XII ZR 89/10 - FamRZ 2012, 1489 Rn. 11; vgl. auch BGHZ 123, 132 = NJW 1993, 3072). Im Gegensatz zum Parteiwechsel bei Einzelrechtsnachfolge (vgl. Senatsurteil vom 29. August 2012 - XII ZR 154/09 - FamRZ 2012, 1793 Rn. 15) ist der Beteiligtenwechsel nicht - wie gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO - kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung an die Zustimmung des Verfahrensgegners gebunden (vgl. BGHZ 123, 132 = NJW 1993, 3072). Der Beteiligtenwechsel ist dementsprechend auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zulässig (vgl. Senatsurteil BGHZ 109, 211 = FamRZ 1990, 283, 284; Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 - XII ZR 89/10 - FamRZ 2012, 1489 Rn. 11; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 34. Aufl. § 50 Vorbem. Rn. 24).

II.

12
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
13
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt auch nach den Anforderungen der gesteigerten Unterhaltspflicht gemäß § 1603 Abs. 2 BGB nicht leistungsfähig, denn er könne ohne Gefährdung seines eigenen Selbstbehalts von 900 € bzw. (ab Januar 2011) 950 € keine Beträge für den Kindesunterhalt erübrigen. Der Antragsgegner könne erst bei einem Bruttoeinkommen von 1.265 € (Stundenlohn von 7,30 €) bzw. 1.355 € (7,83 €) den ersten Euro an Unterhalt zahlen. Ein solches Einkommen könne er, ohne dass es auf seine gesundheitlichen Beschwerden ankomme, nicht erzielen. Aufgrund seiner bisherigen Erwerbsvita seien für ihn Ganztagsstellen, bei denen auch nur 7,30 € erzielt werden könnten, verschlossen. Der Antragsgegner sei beruflich gestrandet, aus welchen Gründen auch immer. Er sei in so vielen verschiedenen Berufen tätig gewesen, dass er nirgendwo eine wirkliche Qualifikation habe erwerben können. Auch nach dem von ihm gewonnenen persönlichen Eindruck sei es unwahrscheinlich, dass er noch eine nennenswerte Chance auf dem Arbeitsmarkt für Vollzeitstellen habe. Er werde auf Dauer unverschuldet arbeitslos sein.
14
Das bedeute aber nicht, dass er deshalb als leistungsfähig anzusehen sei, weil er gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II (aF) soviel hinzuverdienen könne, dass er den Mindestunterhalt für sein Kind sichern könne. Die Bestimmung lasse es zwar zu, dass titulierte Unterhaltspflichten vom Einkommen abzuziehen seien. Dies gelte aber nicht für in einem laufenden Verfahren noch zu erstellende, sondern lediglich für bei Eintritt der Arbeitslosigkeit schon vorhandene Titel. In den Gesetzesmaterialien zum Sozialgesetzbuch II lasse sich keine Stütze für das Gegenteil finden. Die Annahme eines fiktiven Einkommens in Höhe des Unterhaltsbetrages würde vielmehr zu dem absurden Ergebnis führen , dass der Unterhaltspflichtige sich im Interesse des Kindes auf keinen Fall um einen Arbeitsplatz bemühen dürfe, der ihm ein Einkommen oberhalb des titulierten Unterhalts ermögliche, er also arbeitslos bleiben müsse. Der "unter- haltsrechtlichen Bedarfsdeckung" komme der Vorrang gegenüber öffentlichrechtlichen Regelungen dieser Art zu. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II (aF) erhöhe die Leistungsfähigkeit nicht und dürfe dem Unterhaltspflichtigen auch nicht die Möglichkeit einer Abänderungsklage verschließen.
15
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
16
a) Die vom Oberlandesgericht getroffene Feststellung, dass der Antragsgegner kein Einkommen erzielen kann, das ihm die Zahlung von Kindesunterhalt ermöglicht, bewegt sich noch im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung.
17
aa) Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht). Darin liegt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht. Aus diesen Vorschriften und aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden (Senatsurteile BGHZ 189, 284 = FamRZ 2011, 1041 Rn. 29 und vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 Rn. 20; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 2 Rn. 366 ff.).
18
Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus (Senatsurteile BGHZ 189, 284 = FamRZ 2011, 1041 Rn. 30 f. und vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 Rn. 28). Schließlich darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist (BVerfG FamRZ 2010, 793).
19
bb) Die angefochtene Entscheidung genügt diesen Maßstäben.
20
Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner im Verlauf seiner wechselvollen Erwerbsbiografie keine Qualifikation erwerben konnte, die es ihm heute ermöglichen würde, eine Vollzeitstelle zu erlangen. Dafür hat es die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder aufgezeigt, in denen der Antragsgegner beschäftigt war und auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es ihm zuletzt (seit 2002) auf wechselnden Arbeitsstellen nicht mehr gelungen ist, eine Erwerbstätigkeit nachhaltig zu sichern. Auch soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, gerade die Vielseitigkeit der Tätigkeiten eröffne dem Antragsgegner eine reale Beschäftigungschance, bleibt die Würdigung des Oberlandesgerichts nach den Maßstäben des Rechtsbeschwerdeverfahrens noch vertretbar. Da das Oberlandesgericht nicht zuletzt das Alter des Antragsgegners und den persönlichen Eindruck, den es von ihm gewonnen hat, in die Würdigung einbezogen hat, verstößt seine tatrichterliche Würdigung weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104 Rn. 20).
21
b) Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zu Recht auch von der Zurechnung eines (fiktiven) Einkommens abgesehen, das dem Antragsgegner neben seinem Leistungsbezug gemäß dem Sozialgesetzbuch II anrechnungsfrei zu belassen wäre.
22
aa) Allerdings schließt der Bezug eines (Erwerbs-)Einkommens neben einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung für sich genommen noch nicht aus, dass das (Erwerbs-)Einkommen für den Unterhalt zur Verfügung stehen kann. Vielmehr kann der Unterhaltspflichtige unter Umständen auch dann unterhaltsrechtlich leistungsfähig sein, wenn er seinen unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt aus Sozialleistungen bestreiten und ein den Selbstbehalt übersteigendes Nebeneinkommen für den Unterhalt einsetzen kann (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 111 ff. mwN).
23
Davon ist im vorliegenden Fall aber nicht auszugehen. Zwar hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen dazu getroffen, dass es dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Antragsgegner nicht möglich sei, eine Geringverdienertätigkeit auszuüben (vgl. auch Senatsurteil vom 18. Januar 2012 - XII ZR 178/09 - FamRZ 2012, 517), durch die er neben der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein nach § 11 b Abs. 2, 3 SGB II (zuvor §§ 11 Abs. 2, 30 SGB II idF bis 31. Dezember 2010) teilweise anrechnungsfreies Einkommen erzielen könnte. Indessen hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt, dass dem Antragsgegner bei Zurechnung eines (fiktiven) Einkommens mehr als der sogenannte notwendige Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte (in diesem Fall Zwischenbetrag zwischen Erwerbstätigen - und Nichterwerbstätigenselbstbehalt) zur Verfügung stünde, so dass er für den Unterhalt teilweise leistungsfähig sein könnte.
24
bb) Zutreffend hat das Oberlandesgericht die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners auch nicht aus einer möglichen Titulierung des Kindesunterhalts hergeleitet.
25
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II in der bis 31. März 2011 geltenden Fassung (im Folgenden: § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II aF; nunmehr § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II) sind vom Einkommen eines Antragstellers der Grundsicherung für Arbeitsuchende Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag abzusetzen. Diese Regelung betrifft die Einkommensermittlung für Leistungsberechtigte der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sie knüpft an den Grundsatz an, dass die Sozialleistungsbedürftigkeit einer Person sich an den ihr zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln orientiert (vgl. BT-Drucks. 16/1410 S. 20).
26
Daraus ist von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung die Folgerung gezogen worden, dass den Unterhaltspflichtigen, der leistungsberechtigt für die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist, die unterhaltsrechtliche Obliegenheit treffe, eine Nebentätigkeit auszuüben und zugleich einen Titel errichten zu lassen, damit ihm das diesbezügliche Einkommen zur Unterhaltszahlung verbleibe (OLG Brandenburg FamRZ 2006, 1297, 1299; FamRZ 2007, 1905, 1906; FamRZ 2008, 2304, 2306 mwN; NJW 2008, 3366, 3368; OLG Schleswig NJW-RR 2010, 221, 222; KG FamRZ 2011, 1302).
27
Dem folgt der Senat nicht. Vielmehr kann durch die Titulierung des Unterhalts und den dadurch ermöglichten Abzug nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II aF (§ 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II) die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht erhöht werden (ebenso OLG Hamm FamRZ 2010, 570, 571 f.; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1740, 1741; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 8 Rn. 197).
28
Von der Einsetzbarkeit teilweise anrechnungsfreien Einkommens unterscheidet sich die vorliegende Fragestellung dadurch, dass der Unterhalt schon bei der Ermittlung der Sozialleistungsbedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen Berücksichtigung findet. Insoweit muss also zunächst geklärt werden, welches Einkommen dem Unterhaltspflichtigen nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zur Verfügung steht. Zur Vermeidung eines Zirkelschlusses kann dies nur ohne Berücksichtigung einer wegen des Unterhalts erhöhten Sozialleistung durchgeführt werden.
29
Dem entsprechen auch die sozialrechtlichen Wertungen. Indem der Gesetzgeber des Sozialgesetzbuchs II für die Höhe des vom Einkommen abzusetzenden Unterhaltsbetrags an den in einem Unterhaltstitel festgesetzten Unterhaltsanspruch als Obergrenze für die Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen als Abzugsbetrag anknüpft, unterstellt er lediglich im Sinne einer verwaltungspraktischen Anwendbarkeit der SGB II-Vorschriften zur Einkommensberücksichtigung typisierend, dass ein nach Maßgabe der §§ 1601 ff. BGB gegebener Unterhaltsanspruch auch in der festgelegten Höhe besteht. Es bedarf daher regelmäßig keiner eigenen Feststellungen des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der Sozialgerichte zur Höhe des Unterhaltsanspruchs (BSG FamRZ 2011, 810 Rn. 16). Damit setzt die sozialgesetzliche Regelung voraus, dass der bestehende Unterhaltstitel nach bürgerlichem Recht ermittelt worden ist und bestimmt zugleich, dass sowohl die zuständigen Behörden als auch die Sozialgerichte die Unterhaltshöhe grundsätzlich nicht zu überprüfen haben. Diese beschränken sich auf die Überprüfung, ob der titulierte Unterhalt tatsächlich gezahlt wird (BSG FEVS 60, 392, 395; BSG FamRZ 2011, 810 Rn. 13).
30
Daraus wird deutlich, dass der Unterhalt allein nach den §§ 1601 ff. BGB zu ermitteln ist, bevor die Sozialleistungsbedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen festgestellt wird. Es ist also nicht zulässig, für die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit den möglichen Bezug von Sozialleistungen unter Berücksichtigung eines nach zivilrechtlichen Kriterien unzutreffend bemessenen oder inzwischen durch die tatsächliche Entwicklung überholten Unterhaltstitels zu ermitteln.
31
Dieselben Grundsätze gelten im Übrigen auch in Abänderungsverfahren (aA OLG Koblenz FamRZ 2006, 546; AG Flensburg FamRZ 2012, 1910). Denn auch hier richtet sich die Bestimmung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit nach § 1603 BGB und ist die unterhaltsrechtliche Bewertung in Bezug auf die Frage, welcher Unterhalt nach § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB II (bzw. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II aF) abzugsfähig ist, vorrangig.
Dose Klinkhammer Schilling Günter Botur Vorinstanzen:
AG Marburg, Entscheidung vom 19.08.2010 - 72 F 19/10 UK -
OLG Frankfurt a.M., Entscheidung vom 22.12.2010 - 2 UF 274/10 -
15
Anders liegt der vom Senat entschiedene Fall, dass eine zunächst zweifelhafte Rechtsfrage während des Prozesskostenhilfeverfahrens höchstrichterlich geklärt worden ist (Senatsbeschluss vom 27. Januar 1982 - IVb ZB 925/80 - FamRZ 1982, 367; zur ähnlichen Fragestellung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vgl. BGH Beschluss vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02 - NJW-RR 2005, 438 mwN). Denn in diesem Fall ist anders als in der vorliegenden Fallkonstellation das Hauptverfahren nicht durchgeführt worden (s. dazu BGHZ 91, 311, 312 und BGHZ 159, 263, 265), so dass sich die Frage der Rechtskraftwirkung der Hauptsacheentscheidung nicht gestellt hat. Ob an der seinerzeit vertretenen Auffassung des Senats, dass auch zur Entlastung von bereits entstandenen Kosten eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht geboten ist, festzuhalten ist, bedarf daher hier keiner Entscheidung.