Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2007 - XII ZB 178/06

bei uns veröffentlicht am15.08.2007
vorgehend
Amtsgericht Zwickau, 10 F 1463/04, 14.06.2006
Oberlandesgericht Dresden, 20 UF 503/06, 13.09.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 178/06
vom
15. August 2007
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. August 2007 durch den
Richter Sprick, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz,
die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 13. September 2006 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 10.319 €

Gründe:

I.

1
Der Beklagte ist durch das ihm am 24. Juni 2006 zugestellte Urteil des Familiengerichts zu Unterhaltszahlungen verurteilt worden. Die hiergegen gerichtete Berufungsschrift ging am 25. Juli 2006 (Dienstag) beim Oberlandesgericht ein. Darauf wies der Vorsitzende des Berufungssenats den Beklagten mit am 10. August 2006 zugegangener Verfügung hin.
2
Der Beklagte, der sich als Rechtsanwalt in beiden Vorinstanzen selbst vertrat, befand sich vom 24. Juli bis 28. August 2006 auf Geschäftsreisen und anschließend im Jahresurlaub, ohne gemäß § 53 Abs. 1 BRAO einen Vertreter bestellt zu haben. Auf die gerichtliche Verfügung bat seine freie Mitarbeiterin, die am Oberlandesgericht nicht zugelassene Rechtsanwältin P., mit am gleichen Tage per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 24. August 2006, das Da- tum des Eingangs der Berufungsschrift zu überprüfen, da diese bereits am 20. Juli 2006 (Donnerstag) zur Post gegeben worden sei, und fügte eine Kopie des entsprechenden Eintrags im Postausgangsbuch (genauer: der Kostenerfassung für die Portokosten) bei.
3
Mit am gleichen Tage per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 7. September 2006 beantragte der Beklagte, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Zugleich bat er, die bis zum 25. September 2006 verlängerte Frist zur Begründung nochmals zu verlängern, und zwar bis einen Monat nach rechtskräftiger Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch. Dieser Antrag ist bislang nicht beschieden.
4
Mit Beschluss vom 13. September 2006 wies das Oberlandesgericht das Wiedereinsetzungsgesuch zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

5
Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung richtet, ist sie gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Gleiches gilt gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs richtet.
6
Sie ist jedoch insgesamt unzulässig, weil es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - an einem Zulassungsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Ein solcher ist auch erforderlich, soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss richtet (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 155, 21, 22).
7
Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Insbesondere hat das Berufungsgericht dem Kläger auch nicht den Zugang zur Berufungsinstanz aufgrund überspannter Anforderungen versagt (vgl. BGHZ 151, 221, 226 f.).
8
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte die Frist zur Einlegung der Berufung versäumt hat und dahinstehen kann, ob das Schreiben der Rechtsanwältin P. vom 24. August 2006 als Antrag auf Wiedereinsetzung auszulegen ist, weil sie nicht am Berufungsgericht zugelassen war und schon deshalb ein solches Gesuch nicht wirksam stellen konnte. Dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
9
Auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kam nicht in Betracht, da innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein rechtzeitiger Posteinwurf der Berufungsschrift, der die Verspätung als unverschuldet hätte erscheinen lassen können, nicht glaubhaft gemacht war. Die am 24. August 2006 übersandte Kopie aus dem "Posteingangsbuch" belegt nur, dass am 20. Juli 2006 Portokosten in dieser Sache erfasst wurden, nicht aber, dass die Berufungsschrift auch tatsächlich noch an diesem Tage in den Briefkasten eingeworfen wurde. Die erforderliche Glaubhaftmachung erfolgte insoweit erst mit dem Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten vom 7. September 2006.
10
2. Es stellt auch keinen Zulassungsgrund dar, dass das Berufungsgericht das Wiedereinsetzungsgesuch vom 7. September 2006 als verspätet angesehen hat, weil die unverschuldete Unkenntnis vom verspäteten Eingang der Be- rufungsschrift bereits mit dem Zugang des gerichtlichen Hinweises am 10. August 2006 entfallen sei, und insoweit auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewährt hat.
11
a) Die Rechtsbeschwerde sieht unter anderem die Frage als rechtsgrundsätzlich an, ob den Beklagten an der Fristversäumnis (hier: der Wiedereinsetzungsfrist ) schon deshalb ein Verschulden trifft, weil er für die Zeit seiner Abwesenheit keinen ebenfalls vor dem Oberlandesgericht postulationsfähigen Vertreter bestellt hat. Sie macht insoweit geltend, dessen hätte es nicht bedurft, weil das vorliegende Verfahren das einzige vom Beklagten geführte Berufungsverfahren gewesen sei und er davon habe ausgehen dürfen, dass in dieser Sache bis zu seiner Urlaubsrückkehr keine weitere Tätigkeit erforderlich gewesen sei.
12
Diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Bei mehr als einwöchiger Abwesenheit hat der Rechtsanwalt für seine Vertretung zu sorgen, § 53 Abs. 1 BRAO. Hatte er keinen Rechtsanwalt, auch nicht Rechtsanwältin P., mit seiner Vertretung beauftragt, liegt bereits darin ein Organisationsverschulden , dessen Ursächlichkeit für die Fristversäumnis nicht ausgeschlossen werden kann. Hatte er Rechtsanwältin P. hingegen allgemein oder zumindest in dieser Sache mit seiner Vertretung beauftragt, muss er sich deren Verschulden nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2001 - XI ZB 14/00 - NJW 2001, 1575 f.).
13
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist ein Zulassungsgrund auch weder darin zu sehen, dass das Berufungsgericht den Zugang seines Hinweises am 10. August 2006 als den Zeitpunkt angesehen hat, in dem die Unkenntnis vom verspäteten Eingang der Berufungsschrift mit der Folge entfiel, dass die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO mit die- sem Tage begann, noch darin, dass das Berufungsgericht auch deren Versäumung als unverschuldet hätte ansehen müssen.
14
Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde insoweit geltend, unter den hier gegebenen Umständen (Absendung der Berufungsschrift vier Werktage vor Fristablauf) habe Rechtsanwältin P. den Hinweis des Gerichts als Versehen ansehen und zunächst Nachfrage halten dürfen, ob die Berufungsschrift tatsächlich erst am 25. Juli 2006 bei Gericht eingegangen sei. Deshalb habe die Wiedereinsetzungsfrist erst am 28. August 2006 zu laufen begonnen, als dem Beklagten auf telefonische Nachfrage vom Vorsitzenden des Berufungssenats bestätigt worden sei, dass das mitgeteilte Eingangsdatum zutreffe und insoweit kein Irrtum vorliege.
15
Anlass zu einer Nachfrage bei Gericht mag für den Rechtsanwalt bestehen , wenn ihm trotz frühzeitiger Absendung einer Rechtsmittelbegründung eine Mitteilung des Gerichts zugeht, die Begründungsfrist sei abgelaufen, ohne dass bislang eine Begründungsschrift eingegangen sei. Dann mag immerhin nicht ganz fernliegend erscheinen, dass der Schriftsatz vorliegt, aber versehentlich noch nicht zu der dem Berufungsgericht bereits vorliegenden Akte gelangt ist. Auch dies entbindet den Rechtsanwalt jedoch nicht von der Pflicht, vorsorglich rechtzeitig Wiedereinsetzung zu beantragen (oder durch einen anderen postulationsfähigen Anwalt beantragen zu lassen), wenn ihm innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist keine Bestätigung zugeht, dass der Schriftsatz inzwischen aufgefunden worden sei und die Begründungsfrist gewahrt habe.
16
Ist jedoch eine Berufungsschrift bei Gericht eingegangen und teilt der Vorsitzende des Berufungssenats dem Rechtsanwalt wie hier unter Angabe des Eingangsdatums mit, sie sei verspätet eingegangen, liegt die Annahme eines Irrtums fern. Der Rechtsanwalt handelt daher schuldhaft, wenn er nicht schon aufgrund dieses Hinweises innerhalb von zwei Wochen Wiedereinsetzung beantragt , sondern erst, nachdem ihm die Richtigkeit des Hinweises bestätigt wurde.
17
Die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO beginnt nämlich bereits mit der bloßen gerichtlichen Mitteilung des Eingangsdatums, wenn der Rechtsanwalt daraus unschwer erkennen kann, dass die Berufung verspätet eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Mai 1992 - VIII ZB 3/92 - NJW 1992, 2098, 2099). Dies gilt erst recht, wenn nicht etwa die Geschäftsstelle das Eingangsdatum ohne weiteren Hinweis mitteilt, sondern der Vorsitzende des Berufungssenats das Eingangsdatum mitteilt und zugleich ausdrücklich darauf hinweist, damit sei die Berufungsfrist nicht gewahrt.
Sprick Weber-Monecke Wagenitz Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Zwickau, Entscheidung vom 14.06.2006 - 10 F 1463/04 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 13.09.2006 - 20 UF 503/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2007 - XII ZB 178/06

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2007 - XII ZB 178/06

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 53 Bestellung einer Vertretung


(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er 1. länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder2. sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will. (2) Die Vertretung soll einem anderen Recht
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2007 - XII ZB 178/06 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 238 Verfahren bei Wiedereinsetzung


(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken. (2) A

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 53 Bestellung einer Vertretung


(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er 1. länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder2. sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will. (2) Die Vertretung soll einem anderen Recht

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2001 - XI ZB 14/00

bei uns veröffentlicht am 06.02.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZB 14/00 vom 6. Februar 2001 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________ BRAO § 53; ZPO §§ 85, 233 Ga a) Ein bei einem Oberlandesgericht zugelassener Rechtsanwalt kann gemäß § 53 Ab

Referenzen

(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er

1.
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder
2.
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will.

(2) Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden. Sie kann auch durch Personen erfolgen, die die Befähigung zum Richteramt erworben oder mindestens zwölf Monate des Vorbereitungsdienstes nach § 5b des Deutschen Richtergesetzes absolviert haben. In den Fällen des Satzes 2 gilt § 7 entsprechend.

(3) Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen. Soll die Vertretung durch eine andere Person erfolgen oder findet der Rechtsanwalt keine Vertretung, so ist die Vertretung auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu bestellen.

(4) Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des Absatzes 1 unterlassen, eine Vertretung zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen, so soll die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung von Amts wegen bestellen. Zuvor soll sie den Rechtsanwalt auffordern, die Vertretung selbst zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen. Ein Rechtsanwalt, der von Amts wegen als Vertretung bestellt wird, kann die Vertretung nur aus wichtigem Grund ablehnen.

(5) Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.

(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.

(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er

1.
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder
2.
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will.

(2) Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden. Sie kann auch durch Personen erfolgen, die die Befähigung zum Richteramt erworben oder mindestens zwölf Monate des Vorbereitungsdienstes nach § 5b des Deutschen Richtergesetzes absolviert haben. In den Fällen des Satzes 2 gilt § 7 entsprechend.

(3) Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen. Soll die Vertretung durch eine andere Person erfolgen oder findet der Rechtsanwalt keine Vertretung, so ist die Vertretung auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu bestellen.

(4) Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des Absatzes 1 unterlassen, eine Vertretung zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen, so soll die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung von Amts wegen bestellen. Zuvor soll sie den Rechtsanwalt auffordern, die Vertretung selbst zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen. Ein Rechtsanwalt, der von Amts wegen als Vertretung bestellt wird, kann die Vertretung nur aus wichtigem Grund ablehnen.

(5) Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 14/00
vom
6. Februar 2001
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________

a) Ein bei einem Oberlandesgericht zugelassener Rechtsanwalt kann
gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO selbst nur einen Rechtsanwalt zu
seinem Vertreter bestellen, der bei demselben Oberlandesgericht
zugelassen ist.

b) Eine Prozeßpartei muß sich im Rahmen der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden auch eines
bei ihrem Prozeßbevollmächtigten zur selbständigen Bearbeitung
von Sachen angestellten Rechtsanwalts oder eines Urlaubvertreters
zurechnen lassen, wenn dieser als nicht beim Oberlandesgericht zugelassener
Rechtsanwalt eine für dieses Gericht bestimmte Rechtsmittelschrift
unterzeichnet, ohne seine Postulationsfähigkeit zu prüfen.
BGH, Beschluß vom 6. Februar 2001 - XI ZB 14/00 - OLG Stuttgart
LG Ravensburg
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und
Dr. Wassermann
am 6. Februar 2001

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. August 2000 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 250.000 DM.

Gründe:


I.


Das Landgericht hatte die auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage durch Urteil vom 31. März 2000 abgewiesen. Diese Entscheidung wurde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 7. April 2000 zugestellt. Durch Anwaltsschriftsatz vom 4. Mai 2000 legte die Klägerin Berufung gegen das Urteil ein. Die am 5. Mai 2000 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangene Berufungsschrift weist im Briefkopf den Rechtsanwalt S. und die Rechtsanwältin K. aus und ist von der beim Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassenen Rechtsanwältin K. unterschrieben.
Nach einem entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichts vom 15. August 2000 beantragte die Klägerin am 18. August 2000 durch Rechtsanwalt S. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, ihr Prozeßbevollmächtigter, Rechtsanwalt S., habe bereits vor einem vom 21. April bis zum 6. Mai 2000 dauernden Auslandsaufenthalt die Berufungsschrift diktiert und unterzeichnet gehabt. Zur Ausschöpfung der Berufungsfrist habe er die Rechtsanwaltsgehilfin D. angewiesen, die Berufungsschrift erst am 4. Mai 2000 abzusenden. Im Hinblick auf das Ausscheiden des Rechtsanwalts B. aus der bisherigen Kanzlei S. und B. zum 30. April 2000 und den Eintritt von Rechtsanwältin K. in die Kanzlei mit Wirkung ab Mai 2000 habe sich die Rechtsanwaltsgehilfin veranlaßt gesehen, den im Computer gespeicherten Text der Berufungsschrift unter dem neuen Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei neu auszudrucken und zugleich die von Rechtsanwalt S. bereits unterschriebene Berufungsschrift zu vernichten. Die neu ausgedruckte Berufungsschrift habe sie mit anderen Schriftsätzen der Rechtsanwältin K. vorgelegt, die sie ungelesen unterzeichnet habe. Aufgrund der Zuverlässigkeit der Rechtsanwaltsgehilfin D. habe sich Rechtsanwalt S. darauf verlassen dürfen, daß der von ihm bereits unterschriebene Berufungsschriftsatz rechtzeitig abgesandt und nicht vernichtet werden würde.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der innerhalb der Berufungsfrist eingegangene Berufungsschriftsatz sei nicht formgerecht , weil er von der beim Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassenen Rechtsanwältin K. unterzeichnet sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei der Klägerin zu versagen, da ihre Säumnis nicht un-
verschuldet im Sinne des § 233 ZPO sei. Rechtsanwältin K. habe die Berufungsschrift nicht unterschreiben dürfen, sondern die Rechtsanwaltsgehilfin D. auf ihre fehlende Zulassung beim Oberlandesgericht hinweisen müssen. Dieses Verschulden der Rechtsanwältin habe sich die Klägerin zurechnen zu lassen, da Rechtsanwalt S. die Rechtsanwältin K. zu seiner allgemeinen Vertreterin bestellt habe.
Gegen diesen Beschluß hat die Klägerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht vor allem geltend, da Rechtsanwalt S. die Rechtsanwältin K. zu seiner allgemeinen Vertreterin bestellt habe, sei diese berechtigt gewesen, sämtliche anwaltlichen Befugnisse des Vertretenen auszuüben, also auch als Vertreterin des beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts S. die Berufungsschrift vom 4. Mai 2000 zu unterzeichnen. Ein Vertretungszusatz sei in diesem Zusammenhang nicht erforderlich gewesen. Jedenfalls sei die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtsfehlerhaft. Der beim Oberlandesgericht Stuttgart postulationsfähige Rechtsanwalt S. habe mit der Unterzeichnung des Rechtsmittelschriftsatzes und der konkreten Anweisung, diesen am 4. Mai 2000 zur Post zu geben, alles zur fristgerechten Berufungseinlegung Erforderliche veranlaßt. Ein Rechtsanwalt dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Kanzleiangestellte , die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe, derartige konkrete Einzelanweisungen auch befolge.

II.


Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht als unzulässig verworfen (§ 519 b Abs. 1 ZPO). Die von Rechtsanwältin K. am 4. Mai 2000 unterzeichnete Berufungsschrift entspricht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dazu hätte sie von einem beim zuständigen Oberlandesgericht Stuttgart zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein müssen (§ 518 Abs. 1, 4, § 78 Abs. 1 ZPO); Rechtsanwältin K. war jedoch beim Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassen.

a) An der Unwirksamkeit der Unterschrift von Rechtsanwältin K. ändert auch der Umstand nichts, daß sie von Rechtsanwalt S. für die Zeit seiner Ortsabwesenheit im Mai 2000 zu seiner allgemeinen Vertreterin bestellt worden ist. Dabei ist es zu einer Vertreterbestellung durch die Landesjustizverwaltung gemäß § 53 Abs. 3, 4 BRAO nicht gekommen, da Rechtsanwalt S. dies nicht beantragt hat. Er hat vielmehr seine Vertreterin gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO selbst bestellt. Das ist nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift jedoch nur dann möglich, wenn die Vertretung von einem bei demselben Gericht zugelassenen Rechtsanwalt übernommen wird. Die Bestellung von Rechtsanwältin K. zur allgemeinen Vertreterin des Rechtsanwalts S. war daher insoweit unwirksam, als sie dessen anwaltliche Tätigkeit beim Oberlandesgericht Stuttgart betraf, da Rechtsanwältin K. bei diesem Gericht nicht zugelassen war.

b) Auch eine wirksame Vertreterbestellung im Einzelfall lag nicht vor. § 52 Abs. 1 BRAO sieht vor, daß der zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt die Vertretung nur auf einen Rechtsanwalt übertragen kann, der selbst in dem Verfahren zum Prozeßbevollmächtigten bestellt werden kann. Deshalb ist eine Berufungsschrift, die - wie hier - ein nicht beim Berufungsgericht zugelassener Rechtsanwalt un-
terschrieben hat, auch dann nicht ordnungsgemäß, wenn er im Auftrag des beim Berufungsgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet hat (BGH, Beschluß vom 19. Februar 1976 - VII ZB 1/76, VersR 1976, 689).
2. Auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (§ 233 ZPO) hat das Oberlandesgericht der Klägerin zu Recht versagt. Rechtsanwältin K. trifft an der Fristversäumung ein Verschulden, das die Klägerin sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß.

a) Rechtsanwältin K. war im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO Bevollmächtigte der Klägerin. Als Bevollmächtigte einer Partei, deren Verschulden dem Parteiverschulden gemäß § 85 Abs. 2 ZPO gleichsteht, sind nicht nur ein Sozius des Prozeßbevollmächtigten, sondern auch bei ihm zur selbständigen Bearbeitung von Sachen angestellte Rechtsanwälte sowie Urlaubsvertreter anzusehen (BGHZ 124, 47, 49; BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 1982 - VIII ZB 4/82, VersR 1982, 770 f., vom 18. Mai 1982 - VI ZB 1/82, VersR 1982, 848 f., vom 10. November 1983 - VII ZB 14/83, VersR 1984, 87, vom 23. Februar 1984 - III ZR 33/83, VersR 1984, 443, vom 18. Dezember 1985 - I ZR 171/85, VersR 1986, 468, 469 und vom 14. November 1990 - XII ZB 35/90, FamRZ 1991, 318). Der Umstand, daß der Rechtsanwalt, der die Fristversäumung zu vertreten hat, nicht beim Berufungsgericht zugelassen ist, steht weder seiner Einbeziehung in das Mandatsverhältnis noch der Anwendung des § 85 ZPO entgegen (BGH, Urteil vom 14. Februar 1979 - VIII ZR 269/77, VersR 1979, 446, 447; BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 1982 - VI ZB 1/82, VersR 1982, 848 f. und vom 10. November 1983 - VII ZB 14/83, VersR 1984, 87). Ohne Belang ist hier deshalb, daß das Mandat zur Durchführung eines Berufungsverfahrens offenbar bereits im April
2000 erteilt worden ist, während Rechtsanwältin K. erst mit Wirkung ab Mai 2000 in die Rechtsanwaltskanzlei S. eingetreten ist.

b) Rechtsanwältin K. hat bei Unterzeichnung der Berufungsschrift vom 4. Mai 2000 auch schuldhaft gehandelt. Ein Rechtsanwalt hat bei Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift nicht nur deren Richtigkeit und Vollständigkeit, sondern auch seine eigene Postulationsfähigkeit bei dem angerufenen Gericht zu prüfen (BGH, Beschluß vom 6. Mai 1992 - XII ZB 39/92, VersR 1993, 79; Beschluß vom 30. Juni 1994 - III ZB 22/94, BGHR ZPO § 233 Verschulden 24 m.w.Nachw.). Daß Rechtsanwältin K. die Berufungsschrift pflichtwidrig ungelesen unterzeichnet haben soll, ändert an ihrem Verschulden selbstverständlich nichts. Sie hätte vielmehr ihre fehlende Postulationsfähigkeit beim Oberlandesgericht Stuttgart bemerken und von einer Unterzeichnung der Berufungsschrift Abstand nehmen müssen. Nach Rückkehr von Rechtsanwalt S. wäre am 8. Mai 2000, einem Montag, noch eine fristgerechte Berufungseinlegung - gegebenenfalls per Telefax - möglich gewesen.

c) Das schuldhafte Verhalten der Rechtsanwältin K. ist für die Versäumung der Berufungsfrist auch ursächlich geworden. Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, daß ein Verschulden der Rechtsanwältin K. deshalb ohne Belang sei, weil Rechtsanwalt S. durch eine Einzelanweisung für eine fristgerechte Einlegung der Berufung ausreichend Sorge getragen habe, die Bestellung von Rechtsanwältin K. zur Vertreterin überobligationsmäßig gewesen sei und aus der überobligatorischen Sorgfalt keine Nachteile erwachsen dürften. Die Bestellung von Rechtsanwältin K. war nicht überobligationsmäßig. Da Rechtsanwalt S. vom 21. April bis zum 6. Mai 2000, also länger als eine Woche, ununterbrochen ortsabwesend war, mußte er gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 2
BRAO für die gesamte Zeit seiner Abwesenheit für seine Vertretung sorgen.

d) Die Klägerin war demnach nicht ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden einer Bevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob sich die Klägerin ein Organisationsverschulden ihres Prozeßbevollmächtigten, des Rechtsanwalts S., zurechnen lassen muß, weil dieser nicht für seine wirksame Vertretung beim Oberlandesgericht Stuttgart gesorgt hat (vgl. BGH, Beschluß vom 14. März 1973 - VIII ZB 6/73, NJW 1973, 901).
3. Die sofortige Beschwerde der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Nobbe Siol Bungeroth
Müller Wassermann

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.