Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2007 - XII ZB 240/05

bei uns veröffentlicht am12.12.2007
vorgehend
Landgericht Essen, 3 O 306/05, 21.07.2005
Oberlandesgericht Hamm, 29 W 45/05, 13.12.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 240/05
vom
12. Dezember 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel I-VO Art. 34 Nr. 2

a) Der Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO ist im Rechtsbehelfsverfahren
nach Art. 43 Brüssel I-VO von Amts wegen auch ohne eine entsprechende
Rüge des Beklagten zu prüfen; dagegen besteht aber keine Verpflichtung
des Rechtsbehelfsgerichts, die für die Entscheidung erheblichen
Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln.

b) Hat der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig erhalten,
kommt es auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung bei der Prüfung des
Versagungsgrundes nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO - anders als nach Art. 27
Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ - nicht mehr an. Schwerwiegende Zustellungsmängel
(hier: Zustellung an den falschen Ort) sind aber regelmäßig ein starkes Indiz
dafür, dass dem Schuldner bei der Verfahrenseinleitung im Ursprungsstaat
kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt wurde.

c) Ein Beklagter, der sich auf das Verfahren im Ursprungsstaat nicht eingelassen
hat, besitzt im Sinne des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO die Möglichkeit der
Einlegung eines Rechtsbehelfs, wenn er von den Urteilsgründen nach einer
Zustellung der Säumnisentscheidung Kenntnis erlangt; eine Ordnungsmäßigkeit
dieser Zustellung ist dafür nicht erforderlich (vgl. EuGH Urteil vom
14. Dezember 2006 - Rs. C-283/05 - NJW 2007, 825 - ASML Netherlands
/SEMIS).
BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05 - OLG Hamm
LG Essen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Fuchs und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Dezember 2005 wird auf Kosten des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die Vollstreckbarerklärung nicht auf Ziffer 4 des Urteils des Tribunale di Udine vom 19. Januar 2004 (Deckung der Erziehungs - und Pflegekosten) erstreckt. Beschwerdewert: 120.000 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung der Unterhaltsentscheidung aus einem italienischen Verbundurteil im Verfahren über die Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett (separazione personale).
2
Die Parteien sind Eheleute britischer Staatsangehörigkeit; aus ihrer Ehe sind zwei - 1987 und 1991 geborene - Söhne J. und G. hervorgegangen. Ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten die Parteien in Fagagna (Italien). Der Antragsgegner arbeitet seit dem Jahre 2002 in Deutschland, wo er auch einen Wohnsitz hat.
3
Die Parteien trennten sich im Jahre 2003. Mit einer vom 13. Oktober 2003 datierten und am gleichen Tage bei Gericht eingereichten Klageschrift leitete die Antragstellerin bei dem Tribunale (Landgericht) di Udine das Trennungsverfahren ein. Als Anschrift des Antragsgegners war die letzte Ehewohnung der Parteien in Fagagna angegeben. Die Gerichtsvorsitzende beraumte eine mündliche Verhandlung auf den 26. November 2003 an; zu diesem Termin erschien für den Antragsgegner niemand. Die Gerichtsvorsitzende verfügte danach die erneute Zustellung der Klageschrift und vertagte die Verhandlung auf den 19. Januar 2004. Auch zu diesem Termin war für den Antragsgegner niemand erschienen. Am Schluss der Sitzung erließ die Gerichtsvorsitzende ein Urteil, welches die Antragstellerin zum Getrenntleben ermächtigte und ihr das Sorgerecht für die beiden Kinder übertrug. Ferner wurde der Ehemann zur Zahlung von Ehegatten- und Kindesunterhalt verurteilt und zur Übernahme von unbezifferten "Erziehungs- und notwendigen Pflegekosten" für die beiden Söhne verpflichtet.
4
Durch einen vom 15. Juli 2005 datierten Antrag auf Klauselerteilung nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001, Nr. L 12, S. 1 - im Folgenden : Brüssel I-VO) begehrte die Antragstellerin bei dem Landgericht, das Urteil des Tribunale di Udine vom 19. Januar 2004 mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen, soweit der Antragsgegner darin in Ziffer 3 zur Zahlung eines monatlichen Ehegattenunterhalts in Höhe von 2.500 € und eines monatlichen Kindesunterhalts in Höhe von jeweils 750 € für jeden der beiden Söhne J.
und G. sowie in Ziffer 4 zur Übernahme von "Erziehungs- und notwendigen Pflegekosten" verurteilt worden ist.
5
Dem Antrag der Antragstellerin lag keine Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO bei. Unter den beigefügten Unterlagen befanden sich eine Empfangsbestätigung (avviso di ricevimento) mit einem Poststempel des Postamtes Udine vom 11. Dezember 2003 sowie ein vom gleichen Tage datierter Zustellungsbericht (relazione di notifica) des Gerichtsvollziehers (ufficiale giudiziaro) aus den Akten, wonach an diesem Tage dem Antragsgegner unter der Anschrift der letzten Ehewohnung in Fagagna ein Schriftstück durch Hinterlegung auf dem Gemeindeamt (casa comunale) in Fagagna und durch Anschlagen einer Nachricht an der Haustür zugestellt worden sei.
6
Das Landgericht gab dem Antrag der Antragstellerin durch Beschluss vom 21. Juli 2005 statt.
7
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 23. September 2005. Im Beschwerdeverfahren machte der Antragsgegner geltend, dass er schon seit dem Jahre 2002 "einwohnerrechtlich" in Deutschland gemeldet sei. Seit die Antragstellerin das Haus in Italien verlassen habe, sei er nur noch unregelmäßig in mehrmonatigen Abständen dorthin zurückgekehrt. Deshalb habe er das bei einem Postamt niedergelegte Urteil des Tribunale di Udine vom 19. Januar 2004 erst gegen März 2004 "in Händen" gehalten. Er sei daher auch außerstande gewesen, das Urteil in Italien rechtzeitig anzufechten. Darüber hinaus habe er mit der Antragstellerin eine Vereinbarung getroffen, wonach aus dem Urteil des Tribunale di Udine nicht vollstreckt werden solle. Schließlich verstoße das Urteil des Tribunale di Udine gegen den deutschen ordre public, weil die dem Antragsgegner vom italienischen Gericht auferlegten Unterhaltsverpflichtungen nach den für die Unterhaltsbemessung in Deutschland geltenden Maßstäben eine erhebliche Überforderung des Antragsgegners darstellen würden.
8
Nach Eingang der Beschwerdebegründung erließ das Oberlandesgericht am 12. Oktober 2005 eine Hinweisverfügung. Darin wurde der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass seine Einwände gegen die Höhe der titulierten Unterhaltsforderungen nach Ansicht des Gerichts keine Unvereinbarkeit mit dem deutschen ordre public rechtfertigen würden. Weiter heißt es: "Zu prüfen ist allerdings der auf Art. 34 Nr. 2 EuGVVO gestützte Einwand. Die Kopie des Zustellungsbeleges mit Poststempel vom 11.12.2003 lässt nicht erkennen, was und vor allem an wen zugestellt worden ist. Nach den eigenen Angaben der Antragstellerin arbeitete und wohnte der Antragsgegner zum Zustellungszeitpunkt in Deutschland. Aus der Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO können keine weiteren Erkenntnisse gezogen werden, weil sie nicht vorgelegt worden ist. (…)"
9
Nach Stellungnahme der Parteien auf diesen Hinweis wies das Oberlandesgericht die Beschwerde des Antragsgegners durch Beschluss vom 13. Dezember 2005 zurück. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners , mit der er sein Ziel weiterverfolgt, dem Urteil des Tribunale di Udine vom 19. Januar 2004 bezüglich der darin titulierten Unterhaltsverpflichtungen die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu versagen.

II.

10
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG statthaft. Sie ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache erfor- derlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). In der Sache hat die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg.
11
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, dass dem Antrag der Antragstellerin zwar keine Bescheinigung gemäß Art. 54 Brüssel I-VO beigefügt gewesen sei. Auf diese Bescheinigung habe aber gemäß Art. 55 Brüssel I-VO verzichtet werden können, weil sich auch aus anderen Unterlagen ergebe, dass keine Anerkennungshindernisse, auch nicht nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO, vorlägen. Ausweislich des in Ablichtung beigefügten "Rückscheines" sei der Antragsgegner am 13. Dezember 2003 (richtig: 11. Dezember 2003) zur mündlichen Anhörung am 19. Januar 2004 geladen worden. Der Antragsgegner habe selbst nicht behauptet, dass er die Klageschrift nicht erhalten habe, wobei die bei den Akten befindliche Ablichtung der Klageschrift auch einen Vermerk über deren Zustellung am 13. Dezember 2003 (richtig: 11. Dezember 2003) trage. Der zweite Halbsatz des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO (Möglichkeit eines Rechtsbehelfs im Ursprungsstaat) komme schon deshalb nicht zur Anwendung. Im Übrigen sei weder vorgetragen noch ersichtlich, warum eine Zustellung des Urteils im März 2004 den Antragsgegner an der Einlegung eines Rechtsmittels gehindert haben solle, denn auch nach italienischem Recht laufe die Rechtsmittelfrist ab Zustellung der Entscheidung.
12
Es sei auch unerheblich, wann der Antragsgegner das Urteil selbst erhalten habe, weil eine Vollstreckbarerklärung auch dann möglich wäre, wenn ihm das Urteil erstmals mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung zugestellt worden wäre. Die sachlichen Einwendungen gegen seine Unterhaltspflicht berührten den deutschen ordre public nicht, weil schon mangels hinreichenden Vortrags zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine zur "Enteignung" führende Zahlungsverpflichtung dargetan sei. Soweit sich der Antragsgegner auf eine mündliche Vereinbarung mit der Antragstellerin berufe, aus dem Urteil des Tribunale di Udine nicht zu vollstrecken, ergebe sich schon aus dem Vorgehen der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren, dass diese sich dadurch nicht (mehr) gebunden fühle. Es könne deshalb dahinstehen, ob solche Einwendungen im Verfahren der Vollstreckbarerklärung überhaupt berücksichtigt werden könnten.
13
Soweit das Landgericht auch die im Urteil des Tribunale di Udine zu Ziffer 4 des Tenors ausgesprochene Verpflichtung zur Übernahme der Erziehungs - und Pflegekosten für vollstreckbar erklärt habe, bedürfe es keiner Abänderung des angefochtenen Beschlusses, weil die mangelnde Vollstreckbarkeit dieser Verpflichtung offenkundig sei.
14
2. Zu Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass das Fehlen einer Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO der Vollstreckbarerklärung des italienischen Urteils nicht entgegensteht.
15
Das Rechtsbehelfsgericht darf grundsätzlich all diejenigen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung prüfen, die schon die erste Instanz hatte prüfen dürfen (Rauscher/Mankowski Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 45 Brüssel I-VO Rdn. 3). Dazu gehört insbesondere die zur Frage der Zulässigkeit gehörende Prüfung, ob die gemäß Art. 53 Brüssel I-VO erforderlichen Urkunden vorgelegt worden sind (vgl. Schlosser EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 43 EuGVVO Rdn. 13).
16
a) Gemäß Artt. 53 Abs. 2, 54 Brüssel I-VO hat die Partei, die eine Vollstreckbarerklärung beantragt, mit der Ausfertigung der Entscheidung eine Bescheinigung unter Verwendung eines Formblattes (Anhang V zur Brüssel I-VO) vorzulegen. Wird diese formularmäßige Bescheinigung nicht vorgelegt und verzichtet das Gericht auf eine Bestimmung einer Frist, innerhalb derer die Bescheinigung beizubringen ist, kann sich das Vollstreckungsgericht mit einer gleichwertigen Urkunde begnügen oder die Partei ausnahmsweise von der Beibringung der Bescheinigung befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält (Art. 55 Abs. 1 Brüssel I-VO). Nach diesen Maßstäben sind hier die Förmlichkeiten für eine Vollstreckbarerklärung des Urteils des Tribunale di Udine erfüllt.
17
b) Soweit es um die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Antragsgegner geht, liegt jedenfalls eine "gleichwertige Urkunde" im Sinne des Art. 55 Abs. 1 Brüssel I-VO vor. Als solche, der formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO gleichwertige Urkunden sind insbesondere beglaubigte Abschriften von Dokumenten aus den Gerichtsakten des Urteilsstaates anzusehen (Schlosser aaO Art. 55 EuGVVO Rdn. 4; Hk-ZPO/ Dörner Art. 55 EuGVVO Rdn. 2).
18
Nach Art. 140 der italienischen Zivilprozessordnung (Codice di Procedura Civile - im Folgenden: c.p.c.) erfolgt die (Ersatz-) Zustellung eines Schriftstückes durch den Gerichtsvollzieher gegenüber einem zeitweilig abwesenden Adressaten durch Hinterlegung einer Abschrift des Schriftstückes im Gemeindeamt sowie durch Anheften einer Hinterlegungsanzeige an der Tür der Wohnung , des Büros oder der Geschäftsräume des Adressaten und durch Sendung eines Einschreibens mit Rückschein an den Adressaten, in dem er nochmals über die Hinterlegung des Schriftstücks informiert wird.
19
Es ergibt sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Zustellungsbericht des Gerichtsvollziehers (Art. 148 c.p.c.), dass am 11. Dezember 2003 auf Ersuchen der italienischen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dem Antragsgegner ein Schriftstück unter der Anschrift der letzten Ehewohnung in Fagagna persönlich zugestellt werden sollte. Aus dem Zustellungsbericht ergibt sich weiter, dass das Schriftstück wegen der Abwesenheit des Adressaten auf dem Gemeindeamt in Fagagna hinterlegt, eine Mitteilung über die Hinterlegung an die Wohnungstür angeheftet und unter der Registernummer 09879346127-1 ein Einschreiben mit Rückschein zur Benachrichtigung des Adressaten über die Hinterlegung eines an ihn gerichteten Schriftstückes abgesendet wurde. Aus der in den Akten enthaltenen Ablichtung des Rückscheins lässt sich anhand des Poststempels entnehmen, dass durch den Gerichtsvollzieher ein Einschreiben mit gleicher Registernummer am 11. Dezember 2003 in Udine zur Post gegeben worden ist. Damit gilt die Zustellung als erfolgt; andere Informationen in Bezug auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks wären auch einer formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO nicht zu entnehmen gewesen. Ob die dadurch urkundlich belegte Zustellung vom 11. Dezember 2003 tatsächlich rechtzeitig und in einer die Verteidigung ermöglichenden Art und Weise vorgenommen wurde, ist für die Prüfung der Förmlichkeiten ohne Belang.
20
c) Allerdings erschöpfen sich die Informationen, die sich aus der Bescheinigung nach Art. 54 Abs. 1 Brüssel I-VO ergeben sollen, nicht auf das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Die Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaates, welche in dem Formblatt nach Art. 54 Brüssel I-VO ebenfalls zu bescheinigen ist, ergibt sich im vorliegenden Fall aber daraus, dass das Urteil des Tribunale di Udine mit einem Rechtskraftvermerk und der Vollstreckungsklausel versehen ist.
21
3. Ebenfalls im Ergebnis zutreffend ist die Beurteilung des Oberlandesgerichts , dass der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO einer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Tribunale di Udine nicht entgegensteht. Nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO wird eine Entscheidung nicht anerkannt und damit nach Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO nicht für vollstreckbar erklärt, wenn dem Beklagten, der sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.
22
a) Dabei ist es umstritten, ob der Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 Abs. 1 Brüssel I-VO von Amts wegen zu prüfen ist oder nur auf eine entsprechende Rüge des Beklagten berücksichtigt werden kann.
23
Teilweise wird angenommen, dass unter Berücksichtigung des besonderen Beschleunigungs- und Vereinfachungsgebots unter der Geltung der Brüssel I-VO keine Veranlassung besteht, das Rechtsbehelfsverfahren dadurch zu verzögern , dass das Beschwerdegericht von Amts wegen Anerkennungshindernisse prüft, auf die sich der Schuldner überhaupt nicht berufen hat. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der betroffene Versagungsgrund - wie in den Fällen der Versagung rechtlichen Gehörs im erststaatlichen Verfahren - allein dem Schutz des Beklagten, nicht aber auch innerstaatlichen Belangen des Vollstreckungsstaates dient (vgl. Geimer/Schütze/Geimer Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 101; Schlosser aaO Art. 34-36 EuGVVO Rdn. 21; Rauscher/Leible aaO Art. 34 Brüssel I-VO Rdn. 41; nun wohl auch Kropholler Europäisches Zivilverfahrensrecht 8. Aufl. vor Art. 33 EuGVO Rdn. 6 und Art. 34 EuGVO Rdn. 45).
24
Demgegenüber geht eine abweichende Ansicht davon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 Abs. 1 Brüssel I-VO eine verspätete oder mangelhafte Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks schon von Amts wegen berücksichtigt werden müsse (Musielak/Weth ZPO 5. Aufl. Art. 34 VO [EG] 44/2001 Rdn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 63. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 6; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 4. Aufl. Rdn. 882; Hk-ZPO/Dörner aaO Art. 45 EuGVVO Rdn. 1; Thomas/Putzo/ Hüßtege ZPO 28. Aufl. Art. 45 EuGVVO Rdn. 5; Bülow/Böckstiegel/Tschauner Der Internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 34 VO (EG) Nr. 44/2001 Rdn. 51), wie dies bereits der in Deutschland und Österreich herrschenden Ansicht und Rechtspraxis zu Art. 27 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 197- II, 774 - im Folgenden: EuGVÜ) entsprochen hat (vgl. zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ: OLG Köln VersR 1989, 727; OLG Koblenz IPRspr 1990, Nr. 203 und IPRspr 1990 Nr. 212; Linke RIW 1986, 409, 410; Stürner in: FS für Nagel (1987) S. 446, 452; Wiehe Zustellungen, Zustellungsmängel und Urteilsanerkennung am Beispiel fiktiver Inlandszustellungen in Deutschland, Frankreich und den USA (1993) S. 212 f.; Fahl Die Stellung des Gläubigers und des Schuldners bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach dem EuGVÜ (1993) S. 53; vgl. für Österreich: OGH Wien Entscheidung vom 20. September 2000 - 3 Ob 179/00w - ZfRV 2001, 114, 116; Czernich/ Tiefenthaler Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel Europäisches Gerichtsstands - und Vollstreckungsrecht Art. 27 LGVÜ/EuGVÜ Rdn. 20).
25
b) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung. Die Verpflichtung zur Prüfung von Amts wegen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 34 Brüssel I-VO ("wird nicht anerkannt, wenn"), der das Fehlen von Versagungsgründen ausdrücklich zur negativen Tatbestandsvoraussetzung bestimmt. Der Wortlaut des Art. 34 Brüssel I-VO hat insoweit gegenüber Art. 27 EuGVÜ keine Veränderungen erfahren. Hätte der EU-Verordnungsgeber eine Rügepflicht des Beklagten für das Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen statuieren wollen, hätte es nahegelegen, dies - wie in § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO - im Verordnungstext eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Für eine amtswegige Prüfung von Anerkennungsversagungsgründen unter der Geltung der Brüssel I-VO spricht ferner, dass die Urkundenvorlage nach Art. 53 Abs. 2, 54 Brüssel I-VO notwendige Förmlichkeit eines jeden Antrages auf Vollstreckbarerklärung ist. Das in dem Formblatt gemäß Art. 54 Brüssel I-VO dokumentierte Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes bei einseitigen Verfahren im Ursprungssaat kann indessen keinen anderen Sinn haben als den, den zuständigen Stellen im Vollstreckungsstaat für jeden Einzelfall die Prüfung zu ermöglichen , ob die Zustellung rechtzeitig im Sinne des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO erfolgt ist. Da dies den Gerichten erster Instanz wegen Art. 41 Satz 1 Brüssel I-VO ausdrücklich verwehrt ist, kann diese Prüfung nur durch die Rechtsbehelfsgerichte erfolgen.
26
c) Allerdings impliziert die Verpflichtung zur amtswegigen Prüfung der Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der Brüssel I-VO nicht gleichzeitig die Verpflichtung zu einer Amtsermittlung der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen. Die Art und Weise der Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung richtet sich grundsätzlich nach dem autonomen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates (Senatsbeschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 217/05 - zur Veröffentlichung bestimmt), so dass in Deutschland grundsätzlich vom allgemeinen zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz auszugehen ist (Kropholler aaO vor Art. 33 EuGVO Rdn. 8).
27
Soweit der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO betroffen ist, muss der Kläger des erststaatlichen Verfahrens im Hinblick auf die ihm gemäß Art. 53 Brüssel I-VO auferlegten Pflichten darlegen und durch Vorlage der formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel I-VO oder gleichwertiger Urkunden nachweisen, zu welchem Zeitpunkt die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes an den Beklagten erfolgte (OLG Hamm IPRspr 2003, Nr. 188; Rauscher/Leible aaO Art. 34 Brüssel I-VO Rdn. 42; Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. Art. 34 EG-VO Zivil- und Handelssachen Rdn. 27). Auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kommt es für Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO im Gegensatz zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht mehr an. Der EU-Verordnungsgeber hat es bewusst ausschließen wollen, dass ein bloß formaler und für die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners unmaßgeblicher Zustellungsfehler dazu führt, die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung zurückzuweisen (vgl. Begründung zu Art. 41 des Kommissionsentwurfs KOM 1999 (348) endg. BR-Drucks. 534/99, S. 24; EuGH Urteil vom 14. Dezember 2006 - Rs. C-283/05 - NJW 2007, 825, 826 Rdn. 20 - ASML Netherlands/SEMIS; BGH Beschluss vom 9. November 2006 - IX ZB 23/06 - NJW-RR 2007, 638).
28
Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kann unter der Geltung der Brüssel I-VO aber im Rahmen der Sachverhaltsermittlung weiterhin von Bedeutung sein. Schwerwiegende Mängel bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes werden regelmäßig ein starkes Indiz dafür sein, dass dem Schuldner im Ursprungsstaat kein ausreichendes rechtliches Gehör bei der Verfahrenseinleitung gewährt worden ist (vgl. auch Kropholler aaO Art. 34 EuGVO Rdn. 40). Es ist deshalb im Vollstreckbarerklärungsverfahren besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück trotz eines formellen Zustellungsfehlers so rechtzeitig erhalten hat oder erhalten konnte, dass er sich im ursprungsstaatlichen Verfahren effektiv zu verteidigen vermochte.
29
d) Bezüglich der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der Antragsgegner den Erhalt der Klageschrift nicht bestritten habe und die bei den Akten befindliche Ablichtung (der Klageschrift) einen Vermerk über deren Zustellung am 13. Dezember 2003 (richtig: 11. Dezember 2003) trage.
30
aa) Soweit das Oberlandesgericht daraus allerdings geschlossen hat, dass die Zustellung der Klageschrift im Hinblick auf den am 19. Januar 2004 anberaumten Verhandlungstermin rechtzeitig im Sinne des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO erfolgt sein muss, begegnet dies schon im Ausgangspunkt rechtlichen Bedenken. Richtig ist zwar, dass der zur Vorbereitung der Verteidigung geforderte Zeitraum im Regelfall mit der ordnungsgemäßen Zustellung am Wohnsitz des Beklagten oder an einem anderen Ort beginnt, wenn nicht ausnahmsweise außergewöhnliche Umstände die Annahme nahe legen, dass auch eine nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht ordnungsgemäße Zustellung nicht genügte, um den für die Verteidigung eingeräumten Zeitraum beginnen zu lassen (EuGH Urteil vom 16. Juni 1981 - Rs. 166/80 - Slg. 1981, 1593, 1601 Rdn. 19 - Klomps/Michel; Kropholler aaO Art. 34 EuGVO Rdn. 36). Auf diesen Erfahrungssatz konnte sich das Oberlandesgericht aber nur dann stützen, wenn die (Ersatz-) Zustellung durch Hinterlegung des Schriftstückes auf dem Gemeindeamt nach italienischem Verfahrensrecht ordnungsgemäß war. Dies setzt wiederum die Feststellung voraus, dass der Antragsgegner zum angenommenen (Ersatz-) Zustellungszeitpunkt am 11. Dezember 2003 in der Gemeinde, in der die Zustellung vorgenommen wurde, seinen Wohnsitz, wenigstens aber seinen Aufenthaltsort oder sein Domizil gehabt hat (vgl. Art. 139 c.p.c.). Dies allerdings erschien dem Oberlandesgericht - wie sein am 12. Oktober 2005 erteilter Hinweis ergibt - selbst zweifelhaft; eine Zustellung nach den für die Wohnsitzzustellung maßgebenden Vorschriften an einem Ort, an dem der Adressat tatsächlich keinen Wohnsitz (mehr) hat, leidet indessen an einem schwerwiegenden Mangel (vgl. OLG Köln IPRspr 2002, Nr. 196 = IPrax 2004, 115 ff.). Feststellungen dazu, wann der Antragsgegner trotz einer möglicherweise ordnungswidrigen Zustellung vom Inhalt der Klageschrift tatsächlich hätte Kenntnis nehmen können , hat das Oberlandesgericht nicht getroffen.
31
bb) Darüber hinaus macht die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend, dass das Oberlandesgericht angesichts des durch die Verfügung vom 12. Oktober 2005 erteilten Hinweises durch seine Entscheidung den Anspruch des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe.
32
Ein Gericht verletzt die aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und aus Art. 103 Abs. 1 GG herzuleitenden Prozessgrundrechte des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn es einen Hinweis zu einer entscheidungserheblichen Frage erteilt und anschließend entgegengesetzt entscheidet, ohne die Verfahrensbeteiligten auf die Änderung seiner aus dem Hinweis ersichtlichen Beurteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte hingewiesen und ihnen insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben (vgl. hierzu BVerfG NJW 1996, 3202 f.; BFH Beschluss vom 7. Juli 2003 - VIII B 228/02 - BFH/NV 2003, 1440 f.). Dies gilt auch für die von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte, für die § 139 Abs. 3 ZPO ausdrücklich eine Hinweispflicht des Gerichts vorsieht.
33
Das Oberlandesgericht hatte die Parteien durch Verfügung vom 12. Oktober 2005 unter anderem darauf hingewiesen, dass die Empfangsbestätigung mit Poststempel vom 11. Dezember 2003 nicht erkennen lasse, welches Schriftstück an welche Person zugestellt worden sei. Nach dem Inhalt dieser Verfügung konnten die Parteien davon ausgehen, dass die von der Antragstellerin bislang vorgelegten Nachweise nicht ausreichen würden, um dem Oberlandesgericht Feststellungen zum Zeitpunkt und zur Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Klageschrift zu ermöglichen. Dieser Beurteilung steht es entgegen , dass sich das Oberlandesgericht bei seiner Feststellung, die Zustellung der Klageschrift sei am 13. Dezember 2003 (richtig: 11. Dezember 2003) und damit rechtzeitig erfolgt, allein auf den Inhalt des Zustellungsberichts und damit auf den Aktenstoff gestützt hat, welcher ihm bereits vor der Erteilung der Hinweisverfügung vorlag.
34
cc) Auf diese Gesichtspunkte kommt es indessen nicht an, denn die Beurteilung des Oberlandesgerichts, dass ein Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO nicht gegeben sei, stellt sich aus anderem Grunde als richtig dar.
35
e) Der Beklagte kann sich nämlich auf die fehlende Rechtzeitigkeit oder eine ihn in seiner Verteidigung behindernde Art und Weise der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berufen, wenn er es versäumt, die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat einzulegen, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Ein Beklagter, der sich auf das Verfahren im Ursprungsstaat nicht eingelassen hat, hat dann die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen, wenn er von den Gründen des Urteils Kenntnis erlangt, was voraussetzt, dass ihm dieses Urteil zugestellt worden ist (EuGH Urteil vom 14. Dezember 2006 aaO S. 827 Rdn. 40). Indessen ist - ebenso wie bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks - die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Versäumnisentscheidung keine zwingende Voraussetzung dafür, dass der Beklagte die Möglichkeit hatte, einen Rechtsbehelf einzulegen; es genügt vielmehr jede rechtzeitige Zustellung in der Weise, dass der Beklagte sich vor den Gerichten des Ursprungsstaates verteidigen kann (EuGH Urteil vom 14. Dezember 2006 aaO S. 827 Rdn. 41 ff.).
36
aa) Angesichts der vom EuGH aufgezeigten Parallelen zwischen der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes und der Zustellung der Versäumnisentscheidung liegt es zwar nahe, dass der Kläger des erststaatlichen Verfahrens die Zustellung des im Ursprungsstaat ergangenen Urteils darlegen muss, zumal es dem Kläger in der Regel möglich und zumutbar ist, sich die erforderlichen Informationen über die Zustellung zu beschaffen und diese zu si- chern. Insoweit sind die maßgeblichen Tatsachen hier allerdings unstreitig. Der Antragsgegner hat selbst vorgetragen, das auf "einem Postamt" für ihn hinterlegte Urteil im Frühjahr 2004 erhalten zu haben, so dass er von diesem Zeitpunkt an jedenfalls nicht mehr durch die mangelnde Kenntnis von den Urteilsgründen an der Einlegung eines Rechtsbehelfs gehindert wurde.
37
bb) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Antragsgegner, nachdem ihm das Urteil zugestellt wurde, nach den einschlägigen Vorschriften des italienischen Verfahrensrechts (noch) die rechtliche Möglichkeit hatte, einen statthaften Rechtsbehelf gegen das Urteil des Tribunale di Udine einzulegen. Diese Frage ist nicht nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast zu beurteilen, denn ausländische Rechtsnormen sind Rechtssätze und keine Tatsachen und deshalb nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen zu ermitteln ; eine Verletzung dieser Ermittlungspflicht kann auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde mit der Verfahrensrüge beanstandet werden (vgl. zuletzt BGH Urteil vom 25. Oktober 2006 - VII ZB 24/06 - NJW-RR 2007, 574, 575).
38
Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Antragsgegner in Italien ein statthafter Rechtsbehelf gegen das Urteil des Tribunale di Udine zur Verfügung gestanden hat. Nach italienischem Zivilprozessrecht findet gegen Urteile der ersten Instanz das Rechtsmittel der Berufung statt (Artt. 323, 339 c.p.c.), das innerhalb von dreißig Tagen nach der Zustellung des Urteils erhoben werden muss (Artt. 325, 326 c.p.c.). Der Beginn der Rechtsmittelfrist setzt eine nach italienischem Verfahrensrecht ordnungsgemäße Zustellung voraus. Das Vorbringen des Antragsgegners zur Hinterlegung des Urteils auf dem Postamt in Italien lässt indessen darauf schließen, dass die Zustellung des Urteils nicht durch den Gerichtsvollzieher persönlich, sondern mit Hilfe der Post (Art. 1 des Gesetzes Nr. 890 vom 20. November 1982) an die Anschrift der vormaligen Ehewohnung in Fagagna erfolgte. Wenn der Antragsgegner - wie er selbst behauptet - dort keinen Wohnsitz, keinen Aufenthaltsort und kein Domizil hatte, war diese Zustellung nach italienischem Verfahrensrecht unwirksam und konnte demzufolge die dreißigtägige Berufungsfrist nicht in Lauf setzen. Unabhängig von der (wirksamen) Zustellung des Urteils kann die Berufung nach Ablauf eines Jahres ab der Veröffentlichung des Urteils - d.h. ab der Übergabe des vollständig abgefassten Urteils an die Geschäftsstelle - nicht mehr erhoben werden (Art. 327 Abs. 1 c.p.c.). Diese (absolute) Rechtsmittelfrist war noch nicht abgelaufen, als der Antragsgegner im Frühjahr 2004 von den Urteilsgründen Kenntnis erhielt.
39
cc) Demzufolge kann bereits auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts festgestellt werden, dass der Antragsgegner die Möglichkeit hatte, nach dem Empfang des auf dem Postamt hinterlegten Urteils das Rechtsmittel der Berufung einzulegen. Weitergehende Feststellungen sind nicht erforderlich; insbesondere kommt es - wovon der Antragsgegner in der Beschwerdeinstanz offensichtlich ausging - nicht darauf an, ob die ausländische Entscheidung noch im Zeitpunkt der Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens anfechtbar war.
40
4. Auch die Rüge, dass das Oberlandesgericht keine genügenden Feststellungen dazu getroffen habe, ob sich die Antragsgegnerin von dem "Vollstreckungsvertrag" mit dem Antragsgegner einseitig habe lösen können, verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.
41
a) Gemäß § 12 Abs. 1 AVAG kann der Verpflichtete mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen , als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der Entscheidung im Ursprungsstaat entstanden sind. Auf den vorliegenden Fall kann § 12 Abs. 1 AVAG schon deshalb nicht unmittelbar angewendet werden, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur solche materiell-rechtlichen Einwendungen erfasst, die sich gegen den titulierten Anspruch richten und ansonsten im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zu verfolgen wären. Dies trifft auf Vereinbarungen, mit denen sich der Gläubiger gegenüber dem Schuldner verpflichtet, von einem erwirkten Titel ganz, teilweise oder zeitweise keinen Gebrauch zu machen, grundsätzlich nur dann zu, wenn der Schuldner geltend macht, die vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung betreffe (auch) den materiell -rechtlichen Anspruch, habe also beispielsweise (auch) Erlass- oder Stundungswirkungen. Da sich dies dem Vorbringen des Antragsgegners nicht entnehmen lässt, kommt hier allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 12 AVAG in Betracht (vgl. zur analogen Anwendung von § 767 ZPO auf nur vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen: BGH Urteile vom 2. April 1991 - VI ZR 241/90 - NJW 1991, 2295, 2296 und vom 7. März 2002 - IX ZR 293/00 - NJW 2002, 1788; vgl. auch Karsten Schmidt in FS 50 Jahre Bundesgerichtshof Band III [2000] S. 498 ff.).
42
b) Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass der Wortlaut von Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO, wonach die Vollstreckbarerklärung nur aus den in Art. 34 und 35 Brüssel I-VO enumerierten Versagungsgründen aufgehoben oder versagt werden dürfe, einer Anwendung von § 12 AVAG in Verfahren nach der Brüssel I-VO nicht von vornherein entgegensteht. Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO beschreibt insoweit lediglich den Prüfungsrahmen, in dem die Rechtsbehelfsgerichte des Vollstreckungsstaates zum einen den materiellen Gehalt der Entscheidung und zum anderen ihr Zustandekommen überprüfen dürfen; im Übrigen gilt das Verbot der Nachprüfung in der Sache (révision au fond, Art. 45 Abs. 2 Brüssel I-VO). Die Behandlung von nachträglichen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen, die dem Gericht im Ursprungsstaat vor Erlass der Entscheidung nicht zur Überprüfung gestellt werden konnten und deren Berücksichtigung im Exequaturverfahren demzufolge auch keinen Verstoß gegen das Verbot der révision au fond darstellen würde, fällt nicht in den Regelungsbereich der Brüssel I-VO (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 14. März 2007 - XII ZB 174/04 - FamRZ 2007, 989, 992 = BGHZ 171, 310). Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ (EuGH Urteil vom 29. April 1999 - Rs. C-267/97 - Slg. 1999, I-2543, I-2570 Rdn. 24, I-2572 Rdn. 32 = IPrax 2000, 18 ff. - Coursier/Fortis Bank) hat der Senat den auf § 12 Abs. 1 AVAG gestützten Einwand der nachträglichen Erfüllung im Exequaturverfahren nach der Brüssel I-VO jedenfalls dann zugelassen, wenn die Erfüllung unstreitig geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. März 2007 aaO S. 992 f.).
43
c) Ob diese Grundsätze auch in Fällen anzuwenden sind, in denen der Schuldner eine nachträgliche vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung behauptet , bedarf hier jedoch keiner näheren Erörterung. Das Oberlandesgericht hat angenommen, das nicht näher substantiierte Vorbringen des Antragsgegners , es bestehe zwischen den Parteien ein Vollstreckungsvertrag, wonach aus dem Urteil des Tribunale di Udine nicht vollstreckt werden solle, schließe es nicht aus, dass sich die Antragstellerin von diesem Vertrag - etwa durch ordentliche Kündigung oder vorbehaltenen Rücktritt - wieder lösen könne. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
44
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass gerade bei solchen scheinbar eindeutigen Vereinbarungen, die als Verzicht oder in ähnlicher Weise gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet und den der Erklärung zu Grunde liegenden Umständen besondere Bedeutung beigemessen werden muss (BGH Urteile vom 10. Mai 2001 - VII ZR 356/00 - NJW 2001, 2325, 2326 und vom 15. Januar 2002 - X ZR 91/00 - NJW 2002, 1044, 1046). Denn die Lebenserfahrung spricht im Allgemeinen dagegen, dass ein Gläubiger sein Forderungsrecht wieder auf- geben will. Dies gilt umso mehr, wenn der Gläubiger bereits über einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Titel verfügt und sich durch einen Vollstreckungsverzicht der Möglichkeiten begibt, sein vor Gericht bereits erstrittenes Recht auch durchzusetzen. Es bedarf deshalb grundsätzlich der Darlegung eines plausiblen Grundes, warum der Gläubiger auf sein Recht verzichten sollte, wenn ein solcher Grund sonst nicht ersichtlich ist (vgl. BGH Urteil vom 10. Mai 2001 aaO).
45
Nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine Motivation der Antragstellerin zu einem Vollstreckungsverzicht lassen sich im Ansatz nur aus der von dem Antragsgegner vorgelegten außergerichtlichen Korrespondenz entnehmen. Soweit er sich insbesondere auf eine Erklärung der Antragstellerin beruft, wonach "ihr klar sei", dass "das italienische Urteil die finanziellen Möglichkeiten" des Antragsgegners überschreite, lässt dies nicht einmal ohne weiteres den Schluss auf einen Willen zur rechtlichen Bindung der Antragstellerin zu. Denn eine Erklärung dieses Inhalts könnte auch dahin verstanden werden, dass die Antragstellerin eine Abstandnahme von Zwangsvollstreckungshandlungen nur deshalb in Aussicht gestellt hat, weil ihr der Erfolg solcher Beitreibungsversuche angesichts der Einkommensverhältnisse des Antragsgegners zweifelhaft erschien, nicht aber, weil sie sich gegenüber dem Antragsgegner hierzu rechtlich verpflichten wollte. Da für die Antragstellerin kein einleuchtender Grund bestand, die rechtskräftige Entscheidung des Tribunale di Udine in der Sache nachprüfen zu lassen, kann diese Erklärung selbst bei Annahme eines Rechtsbindungswillens bei interessengerechter Auslegung durchaus in der Weise gewürdigt werden , dass die Antragstellerin ihre Vorstellung von der unterhaltsrechtlichen Leistungsunfähigkeit des Antragstellers zur Geschäftsgrundlage für eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung machen wollte. Dass sich diese Vorstellung bei Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens verändert haben muss, ergibt sich schon aus dem außergerichtlichen Schriftsatz der Prozessbe- vollmächtigten der Antragstellerin vom 13. September 2005, in dem behauptet wurde, dass der Antragsgegner nicht nur über das von ihm zugestandene Nettoeinkommen bei der Firma F. in monatlicher Höhe von 10.000 €, sondern auch über weitere Einkünfte aus "Firmen und Beteiligungen" in Höhe von "mindestens 100.000,00 € jährlich" verfüge.
Hahne Sprick Weber-Monecke Fuchs Dose

Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 21.07.2005 - 3 O 306/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 13.12.2005 - 29 W 45/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2007 - XII ZB 240/05

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2007 - XII ZB 240/05

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2007 - XII ZB 240/05 zitiert 11 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 767 Vollstreckungsabwehrklage


(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen. (2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 15 Statthaftigkeit und Frist


(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt. (2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen. (3) Die Rechtsbeschwerdefri

Zivilprozessordnung - ZPO | § 328 Anerkennung ausländischer Urteile


(1) Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen:1.wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind;2.wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 12 Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch im Beschwerdeverfahren


(1) Der Verpflichtete kann mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2007 - XII ZB 240/05 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2007 - XII ZB 240/05 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Jan. 2002 - X ZR 91/00

bei uns veröffentlicht am 15.01.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 91/00 Verkündet am: 15. Januar 2002 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Mai 2001 - VII ZR 356/00

bei uns veröffentlicht am 10.05.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 356/00 Verkündet am: 10. Mai 2001 Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2006 - IX ZB 23/06

bei uns veröffentlicht am 09.11.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 23/06 vom 9. November 2006 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richt
10 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2007 - XII ZB 240/05.

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Aug. 2011 - XII ZB 187/10

bei uns veröffentlicht am 03.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 187/10 vom 3. August 2011 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja EuGVVO (= Brüssel I-VO) Artt. 34 Nr. 2, 45; EuZVO 2000 Art. 8 a) Art. 34 Nr. 2 EuGVVO stellt nicht auf die

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Sept. 2009 - XII ZB 50/06

bei uns veröffentlicht am 02.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 50/06 vom 2. September 2009 in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja HUVÜ 73 Artt. 5 Nr. 1, 12; AVAG § 15 Abs. 1 Ein Unterhaltstitel, der erlassen wurde, nachd

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2012 - IX ZB 267/11

bei uns veröffentlicht am 12.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 267/11 vom 12. Juli 2012 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AVAG § 12 Abs. 1; Brüssel I-VO Art. 34, 35, 45 Beruft sich der Schuldner im Verfahren der Vollstreckbarerklärun

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - IX ZB 193/07

bei uns veröffentlicht am 21.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 193/07 vom 21. Januar 2010 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Brüssel I-VO Art. 34 Nr. 2, Art. 46 Abs. 1; EuGVÜ Art. 2

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen:

1.
wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind;
2.
wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte;
3.
wenn das Urteil mit einem hier erlassenen oder einem anzuerkennenden früheren ausländischen Urteil oder wenn das ihm zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist;
4.
wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist;
5.
wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.

(2) Die Vorschrift der Nummer 5 steht der Anerkennung des Urteils nicht entgegen, wenn das Urteil einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch betrifft und nach den deutschen Gesetzen ein Gerichtsstand im Inland nicht begründet war.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 23/06
vom
9. November 2006
in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Dr. Kayser, Cierniak und die Richterin
Lohmann
am 9. November 2006

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11. Januar 2006 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 49.717,55 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Antragsgegner (im Folgenden auch: Schuldner) wurde durch Urteil des Landgerichts Colmar vom 9. Oktober 2003 verurteilt, an die Antragstellerin (im Folgenden auch: Gläubigerin) mehrere Geldbeträge nebst Zinsen zu zahlen. Der Antragsgegner hatte sich auf das Verfahren in Frankreich nicht eingelassen. Die Gläubigerin möchte gegen den Schuldner, der nunmehr in Deutschland wohnt, hier vollstrecken.
2
Auf Antrag der Gläubigerin hat der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts das Urteil für vollstreckbar erklärt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.


3
Das gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig; denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
4
1. Mit Recht hat das Beschwerdegericht entschieden, dass der Schuldner durch die Zustellung der Klageschrift und der Ladung am 9. Juli 2003 unter der Anschrift in Ville nicht an seiner Verteidigung gehindert worden ist.
5
a) Nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO, der auch für Inlandszustellungen gilt (vgl. BGH, Beschl. v. 20. Januar 2005 - IX ZB 154/01, InVo 2005, 427, 428), wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO verlangt ebenso wie zuvor Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht den Nachweis, dass der Beklagte tatsächlich von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis erhalten hat (BGH, Beschl. v. 6. Oktober 2005 - IX ZB 27/02, IHR 2006, 259, 261). Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nach dem Recht des Erststaats ist nicht zu überprüfen (Geimer/Schütze, Euro- päisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 34 Rn. 91, 128; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 34 Rn. 33). Ein formaler Zustellungsfehler reicht nach der Begründung des Verordnungsentwurfs nicht aus, um die Anerkennung nach Art. 34 Nr. 2 EuGVVO zu versagen, wenn der Schuldner dadurch nicht an seiner Verteidigung gehindert war (BR-Drucks. 534/99 S. 24 zu Art. 41 EuGVVO-E; Geimer/Schütze, aaO Art. 34 Rn. 71; Kropholler, aaO Art. 34 Rn. 38, 40, 41). Vor dem Hintergrund, dass der Name des Schuldners nach wie vor auf der Klingel und dem Briefkasten stand, der Schuldner den Mietvertrag bis Ende 2003 zu erfüllen hatte und er sein in der Wohnung unterhaltenes Büro nicht sogleich schließen konnte, durfte das Beschwerdegericht aus den von ihm aufgeführten Indizien folgern, dass dem Beklagten die Möglichkeit der Verteidigung offen stand.
6
b) Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Schuldner jedenfalls ursprünglich unter der Zustellungsanschrift eine Wohnung unterhalten hatte. Das Beschwerdegericht führt sodann weiter aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Schuldner zur Zeit der Zustellung der Ladung und der Klageschrift diesen Wohnsitz tatsächlich aufgegeben habe. Soweit diese Beurteilung auf der Anwendung des Rechts des Urteilsstaats - hier also des französischen Rechts - über die Zustellung beruht (vgl. BGH, aaO; Geimer/Schütze, aaO Art. 34 Rn. 131 ff; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 2. Aufl. Art. 27 EuGVÜ Rn. 19, Art. 47 EuGVÜ Rn. 6; Kropholler, aaO Art. 59 Rn. 5), kann dies vom Bundesgerichtshof nicht überprüft werden (§ 17 Abs. 1 Satz 1 AVAG).
7
c) Im Übrigen liegt der gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht vor. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist aber erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Es ist dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerfGE 96, 205, 216 f). Damit sich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen lässt, müssen demnach besondere Umstände deutlich gemacht werden, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BGHZ 154, 288, 300 f m.w.N.). Daran fehlt es hier. Das gilt schon deshalb, weil die zur Ordnungsgemäßheit der Zustellung (nach französischem Recht) vorgebrachten Rügen des Schuldners für ein Eingreifen des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO unerheblich sind. Der Möglichkeit der Kenntnisnahme vom verfahrenseinleitenden Schriftstück steht der Vortrag des Schuldners nicht entgegen. Im Übrigen hat das Beschwerdegericht andere Schlüsse aus den im Verfahren vorgelegten Schriftstücken gezogen, als der Schuldner für richtig hält. Daraus folgt jedoch nicht, dass es sein Vorbringen nicht beachtet hätte. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1, 12; BVerfG NJW 2005, 3345, 3346). Danach kommt es auf die Herkunft der im Schriftsatz des Schuldners vom 7. November 2005 angegebenen Zahl von 49.743,55 € nicht an; selbst wenn dieser Umstand entfiele, ergäbe sich hieraus kein Beweisanzeichen für das Fehlen einer Verteidigungsmöglichkeit.
8
2. Fehlt es deshalb im Blick auf einen der den angefochtenen Beschluss tragenden Gründe an einem Zulässigkeitsgrund, kommt es auf weiteres nicht an. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass das Beschwerdegericht aus dem Schreiben der Gläubigerin vom 27. März 2003 die von ihm gezogenen Schlüsse ziehen durfte. Unerheblich ist, dass der Schuldner die Gläubigerin nach seinem Vortrag erst danach mündlich und schriftlich auf die Aufgabe seines Büros hingewiesen haben will. Denn nach seinem Vortrag sollen Wohnung und Büro bereits am 3. März 2003 leer gewesen sein. Das Schreiben vom 27. März 2003 durfte das Beschwerdegericht daher dahin würdigen, der Schuldner sei nach wie vor über die Adresse in Ville erreichbar gewesen, er habe mit der Einleitung rechtlicher Schritte gegen ihn rechnen und für die Kenntnisnahme entsprechender Schriftstücke Vorsorge treffen müssen. Das gilt besonders, weil der Name des Schuldners weiterhin auf Klingel und Briefkasten vermerkt war. Eine solche Berücksichtigung des Verhaltens des Schuldners ist dem Beschwerdegericht nicht verwehrt; eine Grundsatzfrage, ob Art. 34 Nr. 2 EuGVVO das ungeschriebene negative Tatbestandsmerkmal aufweise, dass die Unkenntnis des Schuldners von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück unverschuldet sein müsse, stellt sich damit nicht.
9
Das Beschwerdegericht hat sich weiter darauf berufen, dass die Zustellung in Frankreich den Schuldner auch deshalb nicht in seiner Verteidigung behindert habe, weil, wie die Gläubigerin unwidersprochen geltend gemacht habe, der Gerichtsvollzieher den Schuldner telefonisch auf den Inhalt der Klageschriften nebst Ladung hingewiesen habe. Der Vortrag der Gläubigerin und die Begründung des Beschwerdegerichts beruhen nicht allein auf dem Schriftsatz der Gläubigerin vom 30. November 2005. Vielmehr konnte dies auch der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners vom 31. Oktober 2005 entnommen werden , die dieser mit Schriftsatz vom 10. November 2005 vorgelegt hat. Von einer Behauptung ins Blaue hinein kann daher nicht die Rede sein. Auch durfte das Beschwerdegericht diesen Vortrag als unstreitig ansehen, weil der Schriftsatz der Gläubigerin vom 30. November 2005 dem Schuldner bereits am 1. Dezember 2005 übersandt, der angefochtene Beschluss indessen erst am 11. Januar 2006 gefasst wurde. Für einen Hinweis gemäß § 139 ZPO an den anwaltlich vertretenen Schuldner bestand kein Anlass. Damit ist die Rechtsbeschwerde auch deshalb unzulässig, weil im Blick auf diesen weiteren, die Entscheidung selbständig tragenden Grund kein Zulässigkeitsgrund gegeben ist.
10
3. Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Fischer Raebel Kayser
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 04.07.2005 - 15 O 279/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 11.01.2006 - 2 U 1283/05 -

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Der Verpflichtete kann mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden sind.

(2) Mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich oder einer öffentlichen Urkunde richtet, kann der Verpflichtete die Einwendungen gegen den Anspruch selbst ungeachtet der in Absatz 1 enthaltenen Beschränkung geltend machen.

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

(1) Der Verpflichtete kann mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden sind.

(2) Mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich oder einer öffentlichen Urkunde richtet, kann der Verpflichtete die Einwendungen gegen den Anspruch selbst ungeachtet der in Absatz 1 enthaltenen Beschränkung geltend machen.

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

(1) Der Verpflichtete kann mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlass der Entscheidung entstanden sind.

(2) Mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich oder einer öffentlichen Urkunde richtet, kann der Verpflichtete die Einwendungen gegen den Anspruch selbst ungeachtet der in Absatz 1 enthaltenen Beschränkung geltend machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 356/00 Verkündet am:
10. Mai 2001
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Das Angebot auf Abschluß eines Erlaßvertrags muß unmißverständlich erklärt werden.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - VII ZR 356/00 - OLG Frankfurt
LG Gießen
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. August 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht der A. GmbH Werklohnansprüche aus verschiedenen Bauaufträgen der Beklagten geltend. Die A. GmbH erstellte im Herbst 1997 die Schlußrechnungen über die Bauvorhaben und verlangte noch 424.404,27 DM. Die Klägerin informierte die Beklagte am 5. November 1997 über die Abtretung der Forderungen unter Hinweis darauf, daß deshalb mit schuldbefreiender Wirkung nur an sie gezahlt werden könne. Mit Schreiben vom 19. Januar 1998 teilte die Beklagte mit, daß die Restverbindlichkeit nach dem Ergebnis ihrer Rechnungsprüfung nach Ab-
zug der vertraglichen Sicherheitseinbehalte lediglich 146.954,41 DM betrage. Sie wies darauf hin, daß die V. GmbH aus einem verlängerten Eigentumsvorbehalt ebenfalls Ansprüche auf Zahlung geltend gemacht habe. Gleichzeitig forderte sie die Klägerin auf, ihr durch übereinstimmende Erklärung aller Anspruchsteller aufzugeben, wie die von ihr errechnete Restverbindlichkeit zu verteilen sei. Sie werde sonst den Betrag von 146.954,41 DM hinterlegen. Die A. GmbH legte am 24. Januar neue Schlußrechnungen vor, die unter Berücksichtigung des vorab abgezogenen Sicherheitseinbehalts noch eine Forderung von 327.817,78 DM ergaben und forderte die Beklagte zur Zahlung an die Klägerin auf. Die V. GmbH teilte am 29. Januar 1998 im Einverständnis mit der Klägerin mit, daß an sie noch 63.504,01 DM zu zahlen seien und die darüber hinausgehenden Beträge mit schuldbefreiender Wirkung an die Klägerin gezahlt werden könnten. Die Beklagte erbat daraufhin eine Stellungnahme der Klägerin , daß sie mit einer Verteilung der Restverbindlichkeit von 63.504,01 DM an die V. GmbH und 83.450,40 DM an sie einverstanden sei und die Auszahlung mit schuldbefreiender Wirkung an die Beteiligten erfolge. Die Klägerin erklärte sich mit der quotalen Aufteilung der Schuld zur Vermeidung des Hinterlegungsverfahrens einverstanden. Mit Schreiben vom 2. Februar 1998 erwiderte die Beklagte, sie verstehe das Schreiben der Klägerin so, daß nunmehr die Zahlung in der von der Beklagten vorgeschlagenen Weise erfolgen und mit schuldbefreiender Wirkung gezahlt werden könne. Sollte die Beklagte von der Klägerin nichts anderes hören, ginge sie von deren Einverständnis und der daraus resultierenden Schuldbefreiung für ihre Gesellschaft aus. Die Klägerin reagierte nicht. Die Zahlungen erfolgten.
Mit der Klage verlangt die Klägerin noch 165.248,57 DM Vergütung für die Leistungen der A. GmbH. Sie legt ihrer Berechnung die Schlußrechnungen vom 24. Januar 1998 zugrunde und hat die sich aus dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der V. GmbH ergebenden Forderungen in Höhe von 79.082,81 DM, die Zahlung von 83.450,40 DM sowie Sicherheitseinbehalte von 40.510,99 DM von vornherein abgezogen. Letztere macht sie gesondert zur Zahlung Zug um Zug gegen Stellung einer Bankbürgschaft geltend. Die Beklagte hat sich unter anderem auf den Standpunkt gestellt, mit der Zahlung von 83.450,40 DM an die Klägerin und 63.504,01 DM an die V. GmbH seien sämtliche Ansprüche aus den Bauvorhaben erledigt. Das Landgericht ist dem gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin die Zahlungsansprüche weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht meint, die Parteien hätten auf der Grundlage des Schriftwechsels Ende Januar/Anfang Februar 1998 eine Vereinbarung getroffen , nach deren Inhalt der Streit über weitere Forderungen mit der Zahlung der Beklagten über insgesamt 146.954,41 DM erledigt gewesen sei. Die Beklagte
habe in ihren Schreiben deutlich gemacht, daß die Zahlung an die Klägerin, wie auch an die andere Gläubigerin, mit schuldbefreiender Wirkung habe erfolgen sollen. Das sei nicht anders zu verstehen gewesen, als daß dadurch auf die Beklagte keine weiteren Forderungen zukommen sollten. Unerheblich sei, daß die A. GmbH noch am 24. Januar 1998 auf Bezahlung der neuen Rechnungen bestanden habe. Die A. GmbH sei dazu nicht autorisiert gewesen, da sie infolge der Abtretung nicht Forderungsinhaberin gewesen sei. Wenn die Klägerin eine Schuldbefreiung nicht gewollt haben sollte, hätte sie spätestens auf das Schreiben vom 2. Februar 1998 reagieren müssen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Rechtsirrig nimmt das Berufungsgericht eine Einigung der Parteien darüber an, daß die Klägerin keine Ansprüche aus den abgetretenen Forderungen mehr hat. Das Berufungsgericht hat Prozeßstoff übergangen und gegen das Gebot einer interessengerechten Auslegung verstoßen. Die Auffassung, die Beklagte habe durch ihre verschiedenen Schreiben deutlich zum Ausdruck gebracht , daß es ihr um eine endgültige Erledigung der Forderungen gehe, wird durch diese Schreiben und die ihnen zugrunde liegenden Umstände nicht belegt. 1. Die Beklagte hat in den Schreiben vom 19. Januar 1998 bis zum 2. Februar 1998 nicht zum Ausdruck gebracht, daß mit der Zahlung der von ihr errechneten Restverbindlichkeit von 146.954,41 DM mögliche weitere Forderungen der Klägerin ausgeschlossen sein sollten. Ein derartiger Ausschluß ist in den Schreiben nicht erwähnt. Aus dem mehrfachen Hinweis auf die er-
wünschte Schuldbefreiung ergibt er sich bei interessengerechter, alle Umstände berücksichtigenden Auslegung nicht.
a) Das Berufungsgericht berücksichtigt nicht das Schreiben der Klägerin vom 5. November 1997. Darin teilt diese mit, daß mit schuldbefreiender Wirkung nur an sie gezahlt werden könne. Die Beklagte hat auf dieses Schreiben am 19. Januar 1998 geantwortet. Mit der Bezugnahme auf das Schreiben vom 5. November 1997, dem Hinweis auf die angemeldete Forderung der V. GmbH und der Ankündigung der Hinterlegung wird deutlich, daß der Beklagten allein daran gelegen war, Sicherheit in einem möglichen Prätendentenstreit zu erhalten. So ist das Schreiben offenbar auch von den Forderungsinhabern verstanden worden. Eine Erklärung dahin, daß sie auf weitere Forderungen verzichten wollten, enthalten die Schreiben der Prätendenten nicht. Sie haben lediglich den von der Beklagten zugestandenen Betrag aufgeteilt.
b) Auch die Schreiben der Beklagten vom 29. Januar 1998 und 2. Februar 1998 geben nicht zu erkennen, daß diese unter der mehrfach erwähnten Schuldbefreiung die Aufforderung der Klägerin zu einem Verzicht auf etwaige weitergehende Ansprüche verstanden haben wollte. Die Auslegung des Berufungsgerichts führt dazu, daß die Klägerin auf Forderungen in erheblicher Höhe verzichtet hätte. Gegen dieses Verständnis spricht schon, daß die Beklagte keinen nachvollziehbaren Grund dargelegt hat, warum die Klägerin auf ihre restliche Forderung verzichten sollte. Eine Gegenleistung hat sie nicht angeboten. Sie besteht nicht in dem Verzicht der Beklagten auf Hinterlegung. Eine Verhandlung über die Mehrforderungen, wie sie sich aus den Rechnungen der A. GmbH vom 24. Januar 1998 ergaben, hat nicht stattgefunden. Gegen die Bereitschaft der Klägerin zu einem Verzicht spricht, daß die A. GmbH noch mit Schreiben vom 24. Januar 1998 die Rech-
nungskürzungen der Beklagten nur zum Teil anerkannt hatte und zu einer weitaus höheren Restforderung gekommen war. Unabhängig davon, ob die A. GmbH noch Forderungsinhaberin war, war für die Beklagte erkennbar, daß auch die Klägerin diese Forderung unterstützte. Denn diese war als Sicherungszessionarin verpflichtet, die Interessen der A. GmbH zu wahren. Das betrifft insbesondere den vom Berufungsgericht ebenfalls bejahten Verzicht auf die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts. Über diesen bestand kein Streit. In der von der Beklagten errechneten Summe von 146.954,41 DM war er nicht enthalten. Die Beklagte hat keine Gründe dargelegt, warum die Klägerin bereit gewesen sein sollte, zu Lasten ihrer Zedentin auf eine Forderung zu verzichten , die zwischen den Parteien unstreitig, jedoch nur deshalb noch nicht fällig war, weil die Gewährleistungsfristen noch nicht abgelaufen waren. 2. Ein Verzicht kann auch dann nicht angenommen werden, wenn die unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten zutreffen sollte, ihr Mitarbeiter F. habe dem Mitarbeiter W. der Klägerin auf dessen Nachfrage erklärt, die Beklagte wolle sicher gehen, daß die Angelegenheit mit der Zahlung der im Schriftverkehr erwähnten Teilbeträge endgültig geklärt sei. Diese Erklärung verdeutlicht ebenfalls nicht mit der nach Treu und Glauben gebotenen Klarheit, daß die Beklagte von der Klägerin erwartete, auf einen Großteil ihrer Forderung zu verzichten. Der Zeuge W. durfte die Erklärung so verstehen, daß sich die endgültige Klärung der Angelegenheit auf die bis dahin ungewisse Forderungszuständigkeit der Prätendenten bezog.

III.

Das Berufungsurteil hat keine Feststellungen zur Höhe der Forderungen getroffen. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ullmann Haß Hausmann Kuffer Kniffka

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 91/00 Verkündet am:
15. Januar 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht
nicht angenommen werden, ohne daß bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen
sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind.
BGH, Urt. v. 15. Januar 2002 - X ZR 91/00 - KG Berlin
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 3. April 2000 verkündete Urteil des 24. Zivilsenats des Kammergerichts im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als die Klage auch in Höhe eines Betrages von 10.442,63 Euro (20.424,-- DM, Anl. K 15, Position 4 nebst Mehrwertsteuer - GA I 109) nebst 12,5% Zinsen seit Klagezustellung abgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin beteiligte sich an einer Ausschreibung des Beklagten und erhielt den Auftrag (im folgenden: ursprünglicher Vertrag) zur Lieferung, Auf-
stellung und Installation eines Novell-Netzwerks für die Abteilung Volksbildung des Bezirksamts W.. Dabei vereinbarten die Parteien die Geltung der Besonderen Vertragsbedingungen-Kauf (BVB-Kauf) sowie, daß der Beklagte wegen nicht ausreichender Haushaltsmittel die u.a. ausgeschriebenen Verkabelungsarbeiten in eigener Zuständigkeit durchführe.
Bei der Ausführung des Auftrags kam es zu Verzögerungen und Unstimmigkeiten. Unter dem 26. August 1994 wies die Klägerin auf viele durch Veränderungen des Systems verursachte Probleme hin, die sie "schon seit sechs Monaten ständig" habe "beheben" müssen, und forderte die Unterzeichnung eines Wartungsvertrags. Mit Schreiben vom 1. September 1994 teilte die Klägerin dem Beklagten sodann im Zusammenhang mit der bevorstehenden Begutachtung ihrer Leistungen durch einen Sachverständigen mit:
"Wie gestern telefonisch vereinbart entstehen dem Bezirksamt W. keine Kosten für den Gutachter.
Nur für den Fall, daß das Bezirksamt W. Technik Soft- und Hardware und Installation nicht anerkennt und den BVB-Vertrag nicht erfüllt, kann ... Schadensersatz geltend gemacht werden.
Wie Sie wissen, haben wir von vornherein jegliche Fehler (PC 18 Supervisor, Printserver, Netzwerkkarten, Installation von Windows mit 2 bzw. 4 MB, nicht angeschlossenes Netzwerkkabel , Umtausch der Netzwerkkarte, Kabeltopologie, Multiconnecttreiber , Prisma-Office-Update vom DOS von 6.0 auf 6.2,
Einbauen einer Festplatte), die an unseren Systemen eingebaut wurden, ohne Probleme und bisher auch ohne Kosten beseitigt."
Am 9. November 1994 erklärte der Beklagte die Abnahme der von der Klägerin erbrachten Leistung. Die nach dem ursprünglichen Vertrag vorgesehene Vergütung wurde bis auf einen hier nicht mehr interessierenden Rest bezahlt.
Unter dem 21. November 1995 erteilte die Klägerin eine weitere Rechnung , die sich über sechs Positionen verhält. Als Position 4 verlangte die Klägerin für in einer beigefügten Aufstellung aufgeschlüsselte 148 Stunden an zusätzlicher Leistung in der Zeit vom 28. Januar bis 17. August 1994 einen Betrag von 20.424,-- DM (einschl. MwSt.).
Mit ihrer am 23. September 1997 zugestellten Zahlungsklage hat die Klägerin u.a. die Positionen 1 und 3 bis 6 dieser Rechnung und für die Jahre 1994 bis 1997 ein Wartungsentgelt gerichtlich geltend gemacht.
Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen teilweise entsprochen. Es hat die Positionen 1 und 3 der Rechnung vom 21. November 1995 für begründet erachtet, die Position 4 hingegen nur in Höhe eines Teilbetrages von 9.384,-- DM; insoweit habe die Klägerin dargelegt, daû 1994 aufgewendete Arbeitsstunden als Mehrleistung nur deswegen erforderlich gewesen seien, weil der Beklagte eine inkompatible Verkabelung verlegt habe. Ein Wartungsentgelt hat das Landgericht der Klägerin nur für das Jahr 1994 zugebilligt.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und auf Grund des behaupteten Wartungsvertrages einen weiteren Betrag verlangt. Der Beklagte hat sich der Berufung angeschlossen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung - auch im Umfang der Klageerweiterung - zurückgewiesen; die Anschluûberufung hatte hingegen im wesentlichen Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin lediglich einen Betrag von 2.318,40 DM (Positionen 1 u. 3 der Rechnung vom 21. November 1995) nebst Zinsen verlangen.
Wegen der Zurückweisung ihres Begehrens im übrigen hat die Klägerin Revision eingelegt. Der Senat hat die Revision nur angenommen, soweit mit dem Rechtsmittel ein Betrag von 20.424,-- DM nebst Zinsen weiterverfolgt wird.
Die Klägerin beantragt,
im Umfang der Revisionsannahme das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 10.442,63 Euro nebst 12,5 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe


1. Da die zulässige Revision im Übrigen nicht angenommen worden ist, ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Klägerin - wie von ihr mit Position 4
der Rechnung vom 21. November 1995 verlangt - für die in der Anlage zu diesem Schreiben aufgelisteten Arbeiten den berechneten Betrag von 10.442,63 Euro (= 20.424,-- DM) - nebst Zinsen - als Entgelt für Leistungen beanspruchen kann, die nicht bereits im Rahmen des ursprünglichen Vertrags zu erbringen waren und deshalb mit der insoweit vereinbarten und bezahlten Vergütung abgegolten sind. Diese Frage hat das Berufungsgericht verneint. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
2. Mangels tatrichterlicher Feststellungen hierzu ist bei dieser Überprüfung davon auszugehen, daû die Klägerin in der Zeit vom 28. Januar bis 17. August 1994 die in der Anlage zur Rechnung vom 21. November 1995 aufgelisteten und in der ebenfalls zu den Gerichtsakten gereichten Aufstellung gemäû Anlage K 14 näher bezeichneten Leistungen tatsächlich erbracht hat, die ergänzende Hardwareinstallationen, Softwareinstallationen, Besprechungen , Beseitigung von sogenannten Manipulationen am Netz, Gerätetests usw. betrafen. Diese Leistungen haben im wesentlichen werkvertraglichen Charakter und ihre Erbringung durch einen Unternehmer kann normalerweise nur gegen eine Vergütung erwartet werden. Dies hat zur Folge, daû die Klägerin jedenfalls die übliche Vergütung verlangen kann (§ 631 Abs. 1, 2, § 632 Abs. 1, 2 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung - im folgenden: a.F.), wenn sie diese Leistungen jeweils dem Wunsche des Beklagten entsprechend neben der Erfüllung des ursprünglichen Vertrages und damit auf konkludent geschaffener neuer vertraglicher Grundlage erbracht hat.
3. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht, weil die Klägerin nicht im einzelnen unter Beweisantritt dargetan habe , daû es sich bei den in der Anlage zur Rechnung vom 21. November 1995
im einzelnen bezeichneten Arbeiten um zusätzliche Leistungen gehandelt habe , die über die Erfüllung des ursprünglichen Vertrags, insbesondere die Beseitigung bei der Erfüllung dieses Vertrags aufgetretener Fehler hinausgingen.
Diese Bewertung ist nicht prozeûordnungsgemäû zustande gekommen. Zu Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe dabei wiederholte Darlegungen der Klägerin übersehen und das angefochtene Urteil enthalte keine Begründung, warum das Berufungsgericht selbst im Hinblick auf die Leistungen einen Zusatzauftrag nicht als dargetan erachtet habe, für die das Landgericht der Klägerin ein zusätzliches Entgelt zugesprochen habe. Jedenfalls für einen Groûteil der Werkleistungen, von denen revisionsrechtlich davon auszugehen ist, daû sie erbracht worden sind, kann dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ohne weiteres eine schlüssige Darstellung entnommen werden, daû die Arbeiten weder im ursprünglichen Vertrag vereinbart waren noch einer im Rahmen dieses Vertrages geschuldeten Mängelgewährleistung dienten. Da das Berufungsgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteil festgehalten hat, daû die Klägerin zur Begründung der beanspruchten Vergütung im einzelnen unter Beweisantritt vorgebracht habe, daû sie die betreffenden Mehrleistungen jeweils auf Wunsch und in Erfüllung zusätzlicher Forderungen des Beklagten erbracht habe, kann mithin die Bewertung des Berufungsgericht, das Vorbringen der Klägerin sei unsubstantiiert, keinen Bestand haben.

a) Die Klägerin hat beispielsweise schriftsätzlich geltend gemacht, der erste Installationsversuch sei gescheitert, weil der Beklagte einen anderen Kabeltyp verlegt habe als ursprünglich vorgesehen. Durch Einbau und Tests von neuen Netzwerkkarten sei zusätzlicher Zeitaufwand entstanden. Dies weist Arbeiten, die laut Anlage K 14 am 28. Januar, 25. Februar, 4., 17., 24. und
31. März 1994 erbracht worden sind, dem Bereich der zusätzlich zu vergütenden zu. Denn die Klägerin brauchte ohne entsprechenden Hinweis seitens des Beklagten nicht damit zu rechnen, daû die Verkabelung nicht wie vorgesehen ausgeführt werde. Mehraufwendungen, die durch diese Änderung entstanden sind, waren mithin vom ursprünglichen Vertrag nicht umfaût. Das Landgericht hat der Klägerin die auf die genannten Positionen entfallende Vergütung demgemäû auch zugesprochen. Das Berufungsurteil läût nicht erkennen, weshalb es diese Bewertung für falsch hält.

b) Die Klägerin hat auûerdem behauptet, der Beklagte habe zusätzliche Hard- und Software bestellt bzw. verlangt, daû die Netzwerkeinbindung von Geräten anders vorgenommen werde als ursprünglich vorgesehen. Das steht in erkennbarer Beziehung zu Leistungen, die laut Anlage K 14 am 8. März, 7. und 18. April, 25. Mai, 6. Juni, 12. Juli sowie 4. August 1994 erbracht worden sind, und läût ebenfalls einen zusätzlichen Vergütungsanspruch als entstanden erscheinen. Wenn der Beklagte nachträglich zusätzliche Geräte oder eine andere Einstellung von Netzwerkparametern begehrte, war auch dies vom ursprünglichen Auftrag nicht umfaût. Das Berufungsgericht durfte sich angesichts dessen nicht damit begnügen, den Vortrag der Klägerin pauschal als unsubstantiiert zu bewerten. Es hätte ihm vielmehr nachgehen, dann aber auch den Einwendungen des Beklagten Rechnung tragen müssen, wonach in einigen Fällen vereinbart gewesen sei, nur das Material ohne Arbeitszeit habe gezahlt werden sollen, der in Rechnung gestellte Aufwand sei zu hoch oder Änderungen seien rechtzeitig abgestimmt worden und hätten deshalb keinen Mehraufwand verursacht.

c) Ein Groûteil des übrigen Aufwandes (Leistungen vom 8. und 11. April, 1., 2., 13., 21., 24., 29. und 30. Juni, 6. und 27. Juli, 2., 12. und 17. August 1994 der Anlage K 14) ist nach Behauptung der Klägerin überdies dadurch entstanden, daû Mitarbeiter der Beklagten eigenmächtig die Netzwerkkonfiguration verändert haben, was zu Fehlern geführt habe. Die Klägerin habe den entsprechenden Zeitaufwand benötigt, um die Fehler aufzufinden und zu beheben. Auch dieser Vortrag macht einen zusätzlichen Vergütungsanspruch schlüssig. Der Beklagte war nicht befugt, die Konfiguration des Netzwerks eigenmächtig zu ändern. Zumindest seine zur Vertragsabwicklung eingesetzten Mitarbeiter waren insoweit seine Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 Satz 1 BGB. Für aus ihren eigenmächtigen Änderungen resultierende Mängel und deren Behebung hat deshalb im Zweifel der Beklagte einzustehen. Gemäû § 16 Nr. 2 der zwischen den Parteien vereinbarten Besonderen Vertragsbedingungen (BVB-Kauf, veröffentlicht u.a. in GMBl. 1974, 326 ff.), die der Senat als allgemeine Geschäftsbedingungen selbst auslegen kann (vgl. BGHZ 7, 365, 368; BGHZ 105, 24, 27), weil sie als öffentlichen Auftraggebern in Bund und Ländern zur Verwendung vorgegebene Regeln in Bezirken mehrerer Oberlandesgerichte angewendet werden, war der Beklagte als Auftraggeber verpflichtet , Änderungen an der Anlage der Klägerin als Auftragnehmerin rechtzeitig anzuzeigen. Daû dies geschehen sei, ist nicht festgestellt. Nach Abs. 3 der genannten Regel erlosch damit die Gewährleistung für Änderungen, die nicht im Einvernehmen mit dem Auftragnehmer durchgeführt wurden, es sei denn, daû ein Mangel erkennbar nicht auf die Änderung zurückzuführen ist.
Ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung entfällt entgegen der Meinung des Berufungsgerichts hingegen nicht schon deshalb, weil die Klägerin durch Mitarbeiter des Beklagten vorgenommene Netzwerkmanipulationen durch un-
zureichenden Paûwortschutz erst ermöglicht hat. Zum einen würde ein derartiges Verhalten der Klägerin die von ihr behauptete Veranlassung von Zusatzarbeiten des Beklagten nicht ohne weiteres ausräumen. Unabhängig davon rügt die Revision zu Recht, daû das Berufungsgericht auch zu diesem Streitpunkt den Vortrag der Klägerin nicht ausreichend gewürdigt hat. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung nämlich dargelegt, sie habe eigens ein Paûwort eingerichtet und dieses nur auf Verlangen des für die Vertragsabwicklung zuständigen Mitarbeiters des Beklagten an diesen bekannt gegeben. Die sog. Supervisor -Rechte, mit deren Hilfe die in Streit stehenden Veränderungen vorgenommen worden seien, habe dann ein Mitarbeiter der Beklagten vergeben.
4. Ob eine Vergütungspflicht auch für weitere der aufgelisteten Arbeiten als schlüssig dargetan anzunehmen ist, kann für die revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils dahinstehen. Bereits nach dem bisher Ausgeführten ist revisionsrechtlich davon auszugehen, daû der Klägerin wegen der Arbeiten in der Zeit vom 28. Januar bis 17. August 1994 ein zusätzlicher Vergütungsanspruch entstanden ist. Unter diesen Umständen kann auch die Feststellung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben, ein Anspruch der Klägerin sei wegen eines negativen Schuldanerkenntnisses i. S. v. § 397 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.
Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, in dem nach dem 17. August 1994 an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 1. September 1994 habe die Klägerin in Kenntnis, daû ihr wegen der erbrachten Leistungen möglicherweise ein Vergütungsanspruch gegen den Beklagten zustehe, anerkannt , daû insoweit ein Schuldverhältnis nicht bestehe. Denn aus dem Inhalt
des Schreibens gehe klar hervor, daû die Klägerin für die im einzelnen bezeichneten Tätigkeiten eine besondere Vergütung nicht beanspruchen wolle.
Diese Begründung ist nicht tragfähig, wie die Revision zu Recht geltend macht. Ein eindeutig auf einen Verzichtswillen der Klägerin hindeutender Wortlaut ist nicht gegeben. Die Formulierung "bisher auch ohne Kosten", aus der das Berufungsgericht seine Bewertung herzuleiten scheint, besagt zunächst nur, daû für die aufgeführten Tätigkeiten in der Vergangenheit nichts berechnet worden ist. Für die Feststellung, daû die Klägerin auch in Zukunft nichts habe verlangen wollen und dies auch erklärt habe, hätte es deshalb zusätzlicher Anhaltspunkte bedurft. Hiermit hat sich das Berufungsgericht jedoch nicht befaût, obwohl nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlaû oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden muû und die der Erklärung zugrundeliegenden Umstände besondere Bedeutung haben (neuerdings wieder BGH, Urt. v. 10.5.2001 - VII ZR 356/00, NJW 2001, 2325). Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, daû eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben (Sen.Urt. v. 18.4.1989 - X ZR 85/88, NJW-RR 1989, 1373, 1374; ebenso BGH, Urt. v. 16.11.1993 - XI ZR 70/93, NJW 1994, 379, 380; ähnlich - "strenge Anforderungen" - BGH, Urt. v. 22.6.1995 - VII ZR 118/94, NJW-RR 1996, 237). Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme. Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht deshalb nicht angenommen werden, ohne daû bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind.
Zu ihnen gehört im vorliegenden Fall, daû - wie aus dem ersten Satz des Schreibens vom 1. September 1994 hervorgeht - damals eine Begutachtung der von der Klägerin erbrachten Leistungen durch einen Sachverständigen bevorstand. Das konnte - auch für den Beklagten erkennbar - Grund für die Klägerin sein, das Ergebnis dieser Überprüfung erst einmal abzuwarten, bevor sie über die Vergütungsforderung disponierte. Die Erklärung der Klägerin, bisher keine Kosten für die genannten Arbeiten berechnet zu haben, könnte deshalb durchaus in ihrem wörtlichen Sinne und als indirekter Hinweis zu verstehen gewesen sein, daû eine nachträgliche Geltendmachung nicht ausgeschlossen sei, zumindest für den Fall, daû der Beklagte auf die anderweitigen Forderungen , insbesondere diejenige nach dem Abschluû eines entgeltpflichtigen Wartungsvertrags nicht eingehen werde. Diese Deutung würde auch im Einklang mit dem Umstand stehen, daû die Klägerin sich im zweiten Satz des Schreibens vom 1. September 1994 Schadensersatzansprüche vorbehalten hat, insoweit also durchaus auf Wahrung ihrer Rechte bedacht war.
5. Das angefochtene Urteil erweist sich im Umfang der Annahme auch nicht aus einem anderen Grund als richtig. Die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift gegenüber dem geltend gemachten zusätzlichen Vergütungsanspruch nicht.
Gemäû § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. unterliegt diese Forderung einer Verjährungsfrist von zwei Jahren, die gemäû §§ 201, 198 BGB a.F. am Schluû des Jahres beginnt, in dem der Anspruch zur Entstehung gelangte, worunter bei unbedingten Forderungen Fälligkeit zu verstehen ist (z.B. BGHZ 113, 193). Fällig konnte die zusätzliche Vergütung aber nicht werden, bevor die Klägerin sie mit Schreiben vom 21. November 1995 dem Beklagten in Rechnung stellte.
Dies folgt aus § 4 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 BVB-Kauf. Diese Regelung sieht vor, daû der Auftraggeber alle Rechnungen unverzüglich nach Eingang prüft, feststellt und den Betrag erst dann zahlt. Daraus ergibt sich, daû die Klägerin wegen der zusätzlichen Vergütung Zahlungsklage frühestens im Jahre 1995 hätte erheben können. Die hiernach bis zum 31. Dezember 1997 laufende Verjährung ist durch Klageerhebung am 23. September 1997 unterbrochen (§ 209 Abs. 1 BGB a.F.).
6. Die Sache ist deshalb zu weiterer Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die im Revisionsverfahren entstandenen Kosten zu übertragen ist.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf