Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2012 - XII ZB 344/12

bei uns veröffentlicht am14.11.2012
vorgehend
Landgericht Bonn, 4 T 9/12, 18.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 344/12
vom
14. November 2012
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen über die voraussichtliche
Dauer der Maßnahme (§ 280 Abs. 3 Nr. 5 FamFG) ist wesentlicher Anhaltspunkt
für die Bestimmung der Überprüfungsfrist für die angeordnete Betreuung
(§ 286 Abs. 3 FamFG). Weicht der Tatrichter von der gutachterlichen
Stellungnahme ab, indem er die Überprüfungsfrist zum Nachteil des Betroffenen
über die vom Sachverständigen als erforderlich bezeichnete Dauer der
Maßnahme hinaus ausdehnt, muss er die hierfür tragenden Gründe in dem Beschluss
darlegen.
BGH, Beschluss vom 14. November 2012 - XII ZB 344/12 - LG Bonn
AG Bonn
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. November 2012 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 18. Mai 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen. Verfahrenswert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Der 74 Jahre alte Betroffene leidet an einer langjährig bestehenden schizoaffektiven Störung, wegen derer das Amtsgericht eine rechtliche Betreuung eingerichtet hat. Mit Beschluss vom 7. September 2011 hat das Amtsgericht den bisherigen Betreuer entlassen, unter Erweiterung der Aufgabenkreise und Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts einen neuen Betreuer bestellt und die erneute Überprüfung der Notwendigkeit der Betreuung spätestens bis zum 7. September 2018 angeordnet.
2
Der Betroffene hat dagegen Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung sowie die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge entfallen lassen und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

II.

3
Die nach § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
4
1. Soweit es um die Aufrechterhaltung der angeordneten Betreuung in den vom Landgericht bestätigten Aufgabenkreisen geht, ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden und hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Der Senat hat auch die gerügten Verfahrensmängel geprüft, die Rügen aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 564 ZPO). Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
5
2. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde jedoch nicht stand, soweit mit ihr die vom Amtsgericht weiter getroffene Anordnung bestätigt wird, dass eine erneute Überprüfung der Notwendigkeit der Betreuung erst zum 7. September 2018 vorzunehmen sei.
6
a) Gemäß § 286 Abs. 3 FamFG ist der Zeitpunkt, bis zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 2 zu entscheiden hat, in der Beschlussformel zu bezeichnen.
7
aa) Durch die Bezeichnung der Frist wird festgelegt, wann eine erneute Überprüfung der Notwendigkeit von Amts wegen erfolgt. Dies begründet einen Anspruch des Betroffenen, mit Ablauf der Frist über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung von Amts wegen unter erneuter Durchführung tatsächlicher Ermittlungen (§ 26 FamFG) zu entscheiden.
8
bb) Die Anordnung einer zu lang bemessenen Überprüfungsfrist beeinträchtigt den Betroffenen in seinen Rechten.
9
Zwar steht es dem Betroffenen frei, jederzeit vor Ablauf der Überprüfungsfrist eine Aufhebung der Betreuung zu beantragen (§ 1908 d Abs. 1 BGB). Für die Durchführung tatsächlicher Ermittlungen in einem solchen Aufhebungsverfahren bedarf es jedoch greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuerbestellung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände, die - wenn sie dem Gericht nicht bereits auf anderem Wege bekannt gemacht worden sind - namentlich vom Betroffenen vorzubringen sind (Senatsbeschluss vom 2. Februar 2011 - XII ZB 467/10 - FamRZ 2011, 556). Daher vermittelt die Möglichkeit , einen Aufhebungsantrag nach § 1908 d Abs. 1 BGB zu stellen, keine Rechtsposition, die mit der von Amts wegen nach Fristablauf vorzunehmenden Überprüfung gleichwertig wäre.
10
cc) Die konkrete Bemessung der Überprüfungsfrist wird von der Erforderlichkeit der Maßnahme (§ 1896 Abs. 2 BGB) nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt (Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 286 Rn. 8). Diese Umstände hat der Tatrichter von Amts wegen zu ermitteln (§ 26 FamFG). Gemäß § 280 Abs. 3 Nr. 5 FamFG hat sich das über die Notwendigkeit der Betreuung einzu- holende Gutachten auch auf die voraussichtliche Dauer der Maßnahme zu erstrecken. Die gutachterliche Stellungnahme über die voraussichtliche Dauer der Maßnahme ist wesentlicher Anhaltspunkt für die Bestimmung der Überprüfungsfrist (Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch FamFG 3. Aufl. § 286 Rn. 8; Helms/Prütting/Fröschle FamFG 2. Aufl. § 286 Rn. 19). Will der Tatrichter von der gutachterlichen Stellungnahme abweichen, indem er die nach § 286 Abs. 3 FamFG festzusetzende Überprüfungsfrist zum Nachteil des Betroffenen über die vom Sachverständigen als erforderlich bezeichnete Dauer der Maßnahme hinaus ausdehnt, muss er die hierfür tragenden Gründe in dem Beschluss darlegen.
11
b) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Das Beschwerdegericht verhält sich zu den Voraussetzungen, unter denen es die vom Amtsgericht angeordnete siebenjährige Überprüfungsfrist bestätigt hat, nicht.
12
Zwar hatte der Sachverständige in seinem ersten, vom Amtsgericht eingeholten Gutachten eine Verlängerung der Betreuung für den längst möglichen Zeitraum empfohlen. Darauf fußend hat das Amtsgericht die gesetzliche Höchstdauer der Überprüfungsfrist ausgeschöpft. Mit seinem weiteren, im Beschwerdeverfahren eingeholten Gutachten vom 29. März 2012 hat der Sachverständige jedoch eine Besserung sowohl des körperlichen als auch des psychischen Zustands des Betroffenen attestiert und - in Abweichung von seiner früheren Stellungnahme - eine Fortführung der Betreuung nunmehr für einen Zeitraum von zunächst zwei Jahren für erforderlich gehalten. Mit dieser Neubewertung der erforderlichen Dauer der Maßnahme durch den Sachverständigen waren die tatsächlichen Grundlagen, auf die das Amtsgericht seine Anordnung der siebenjährigen Überprüfungsfrist gestützt hat, überholt oder wenigstens in Frage gestellt. Das Landgericht hätte deshalb die vom Amtsgericht angeordnete siebenjährige Überprüfungsfrist nicht bestätigen dürfen, ohne sich mit der veränderten Einschätzung des Sachverständigen über die erforderliche Dauer der Maßnahme in den Entscheidungsgründen auseinanderzusetzen.
13
Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, da der Senat die tatrichterliche Ermessensentscheidung über die anzuordnende Überprüfungsfrist nicht ersetzen kann.
Dose Vézina Schilling Nedden-Boeger Botur Vorinstanzen:
AG Bonn, Entscheidung vom 07.09.2011 - 37 XVII O 277 -
LG Bonn, Entscheidung vom 18.05.2012 - 4 T 9/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2012 - XII ZB 344/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2012 - XII ZB 344/12

Referenzen - Gesetze

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 70 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2012 - XII ZB 344/12 zitiert 8 §§.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 26 Ermittlung von Amts wegen


Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 280 Einholung eines Gutachtens


(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatri

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 286 Inhalt der Beschlussformel


(1) Die Beschlussformel enthält im Fall der Bestellung eines Betreuers auch1.die Bezeichnung des Aufgabenkreises des Betreuers unter Benennung der einzelnen Aufgabenbereiche;2.bei Bestellung eines Vereinsbetreuers die Bezeichnung als Vereinsbetreuer

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Nov. 2012 - XII ZB 344/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Referenzen

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.

(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.

(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:

1.
das Krankheits- oder Behinderungsbild einschließlich dessen Entwicklung,
2.
die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse,
3.
den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen,
4.
den aus medizinischer Sicht aufgrund der Krankheit oder Behinderung erforderlichen Unterstützungsbedarf und
5.
die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.

(1) Die Beschlussformel enthält im Fall der Bestellung eines Betreuers auch

1.
die Bezeichnung des Aufgabenkreises des Betreuers unter Benennung der einzelnen Aufgabenbereiche;
2.
bei Bestellung eines Vereinsbetreuers die Bezeichnung als Vereinsbetreuer und die des Vereins;
3.
bei Bestellung eines Behördenbetreuers die Bezeichnung als Behördenbetreuer und die der Behörde;
4.
bei Bestellung eines beruflichen Betreuers die Bezeichnung als beruflicher Betreuer.

(2) Die Beschlussformel enthält im Fall der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts die Bezeichnung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen.

(3) Der Zeitpunkt, bis zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 2 zu entscheiden hat, ist in der Beschlussformel zu bezeichnen.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Die Beschlussformel enthält im Fall der Bestellung eines Betreuers auch

1.
die Bezeichnung des Aufgabenkreises des Betreuers unter Benennung der einzelnen Aufgabenbereiche;
2.
bei Bestellung eines Vereinsbetreuers die Bezeichnung als Vereinsbetreuer und die des Vereins;
3.
bei Bestellung eines Behördenbetreuers die Bezeichnung als Behördenbetreuer und die der Behörde;
4.
bei Bestellung eines beruflichen Betreuers die Bezeichnung als beruflicher Betreuer.

(2) Die Beschlussformel enthält im Fall der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts die Bezeichnung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen.

(3) Der Zeitpunkt, bis zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 2 zu entscheiden hat, ist in der Beschlussformel zu bezeichnen.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 467/10
vom
2. Februar 2011
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Für die Durchführung tatsächlicher Ermittlungen im Verfahren auf Aufhebung einer
Betreuung bedarf es greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der
Betreuerbestellung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände, die - wenn sie
dem Gericht nicht bereits auf anderem Wege bekannt gemacht worden sind - namentlich
vom Betroffenen vorzubringen sind.

b) Im Aufhebungsverfahren ist weder die persönliche Anhörung des Betroffenen
noch die Einholung eines Sachverständigengutachtens obligatorisch. Ob solche
Verfahrenshandlungen im Einzelfall geboten sind, richtet sich vielmehr nach den
Grundsätzen der Amtsermittlung (§ 26 FamFG).

c) Mit dem Amtsermittlungsgrundsatz ist es nicht zu vereinbaren, wenn das Betreuungsgericht
dem Betroffenen auferlegt, ärztliche Atteste vorzulegen.
BGH, Beschluss vom 2. Februar 2011 - XII ZB 467/10 - LG Essen
AG Gelsenkirchen-Buer
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar 2011 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 12. August 2010 wird zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 Satz 2 KostO). Verfahrenswert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Die Betroffene begehrt die Aufhebung der für sie eingerichteten Betreuung.
2
Sie leidet seit rund 40 Jahren an einer psychischen Erkrankung. Seit dem Tod des Ehemanns im Jahr 2000 entwickelte sich bei ihr ein sekundärer Alkoholmissbrauch mit Verwahrlosungstendenzen. Ausweislich des in dem Betreuungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens vom 11. Dezember 2008 besteht bei der Betroffenen eine Psychose des schizophrenen Formenkreises, ausgeprägt als sog. schizoaffektive Psychose (gleichzeitiges Auftreten von psychotischen Phänomenen wie Wahnvorstellungen und ausgeprägten Antriebs- und Affektveränderungen). Der gegenwärtige Zustand der Betroffenen entspreche einem akuten Stadium und sei geprägt durch Denkzerfahrenheit , paranoides Denken und eine pathologische Auslenkung des Affektes im Sinne einer gereizten Manie. Die Betroffene sei durch die psychopathologischen Symptome in ihrer Fähigkeit zur Informationsaufnahme und -verarbeitung, insbesondere der Realitätskontrolle, schwergradig beeinträchtigt. Sie könne nicht mehr in logischen Zusammenhängen und zielgerichtet denken, daher nicht rational entscheiden und auf dieser Basis ihren Willen bestimmen. Sie werde vorwiegend durch krankhafte Impulse gesteuert und könne ihr Verhalten nicht an der Situation und ihren objektiven Interessen ausrichten. Bei ihr bestehe kein Krankheitsgefühl. Sie könne daher die Notwendigkeit einer nervenärztlichen Behandlung mit Verabreichung von antipsychotisch wirksamen Medikamenten nicht einsehen und ihr Verhalten nicht entsprechend steuern. Durch den sekundär betriebenen Alkoholmissbrauch werde die Kritikschwäche noch akzentuiert. Sie könne keine ihrer Angelegenheiten selbst interessengerecht besorgen. Die Betroffene könne nicht frei und auf der Basis vernünftiger Erwägungen ihren Willen bestimmen und sei in diesem Sinne als geschäftsunfähig anzusehen.
3
Mit Beschluss vom 12. Januar 2009 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten zu 2 zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis Bestimmung des Aufenthaltes im Rahmen der Gesundheitsfürsorge, Entgegennahme und Öffnen der Post, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen sowie Wohnungsangelegenheiten. Als Zeitpunkt, bis zu dem über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung zu entscheiden ist (§ 286 FamFG), hat das Amtsgericht den 11. Januar 2016 benannt.
4
Mit Beschluss vom 18. März 2009 genehmigte das Amtsgericht die geschlossene Unterbringung der Betroffenen vorläufig, längstens bis zum 29. April 2009.
5
Den im März 2010 durch einen Rechtsanwalt gestellten Antrag der Betroffenen auf Aufhebung ihrer Betreuung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 10. Mai 2010 zurückgewiesen. Amtsfähiger Bedarf zur Einholung eines neuen Gutachtens bestehe nicht, da keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Betreuung entfallen seien. Die Betroffene sei der gerichtlichen Aufforderung, ein entsprechendes ärztliches Attest einzureichen, das die Einholung eines neuen Gutachtens rechtfertigen könnte, nicht nachgekommen.
6
Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

7
Die gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
8
Die Betroffene macht mit ihrer Verfahrensrüge geltend, dass die Instanzgerichte sowohl ein neues Sachverständigengutachten hätten einholen als auch sie selbst hätten anhören müssen. Diesen Rügen bleibt der Erfolg versagt.
9
1. a) Gemäß § 294 Abs. 1 FamFG gelten für die Aufhebung der Betreuung die §§ 279, 288 Abs. 2 Satz 1 FamFG entsprechend. Nicht erfasst werden von der Verweisung § 278 Abs. 1 FamFG und § 280 FamFG, die die persönliche Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschreiben. Es verbleibt insoweit bei den allgemeinen Verfahrensregeln (Keidel/Budde FamFG 16. Aufl. § 294 Rn. 1).
10
Die Durchführung eines Verfahrens auf Aufhebung einer Betreuung wird daher maßgebend von den Grundsätzen der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) bestimmt. Nur nach den Maßstäben dieser Vorschrift bestimmt sich, ob im Einzelfall eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen oder ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen ist.
11
Für die Durchführung weiterer tatsächlicher Ermittlungen bedarf es greifbarer Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuerbestellung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände, die - wenn sie dem Gericht nicht bereits auf anderem Wege bekannt gemacht worden sind - namentlich vom Betroffenen vorzubringen sind (vgl. etwa Keidel/Budde aaO § 294 Rn. 3).
12
b) Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt zudem lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht. In welchem Umfang Tatsachen zu ermitteln sind, bestimmt sich aufgrund des § 26 FamFG, der die Ermittlung von Amts wegen regelt. Das Gericht hat danach von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben (Senatsbeschluss vom 28. April 2010 - XII ZB 81/09 - FamRZ 2010, 1060 Rn. 29 f.). Dabei muss dem erkennenden Gericht die Entscheidung darüber vorbehalten sein, welchen Weg es innerhalb der ihm vorgegebenen Verfahrensordnung für geeignet hält, um zu den für seine Entscheidung notwendigen Erkenntnissen zu gelangen (Senatsbeschluss aaO Rn. 40).
13
2. Unter Beachtung der vorstehenden Anforderungen ist die angegriffene Entscheidung rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
14
a) Sachverständigengutachten
15
aa) Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass für die Anwendung des § 1908 d Abs. 1 BGB entscheidungserheblich ist, ob die Voraussetzungen der Betreuung ganz oder teilweise weggefallen und dass die hierfür erforderlichen Feststellungen von Amts wegen zu treffen sind. Der Rechtsbeschwerde ist ebenfalls zuzugeben, dass es grundsätzlich mit dem Amtsermittlungsprinzip nicht zu vereinbaren ist, wenn das Betreuungsgericht - wie hier - der Betroffenen auferlegt, ärztliche Atteste vorzulegen. Andererseits kann das Gericht - wie oben bereits dargelegt - die Durchführung weiterer tatsächlicher Ermittlungen regelmäßig davon abhängig machen, dass sich aus dem Vorbringen der Verfahrensbeteiligten greifbare Anhaltspunkte für eine Veränderung der der Betreuerbestellung zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände ergeben. Will der Betroffene mithin erreichen, dass die Betreuung aufgehoben wird, muss er dem Gericht entsprechende Umstände benennen. Dem von der Betroffenen in Bezug genommenen Schriftsatz vom 6. Mai 2010 lassen sich solche greifbaren Anhaltspunkte für eine Veränderung der Situation der Betroffenen jedoch nicht entnehmen. Dass sich ihre psychischen Beeinträchtigungen gebessert haben sollten, wird darin nicht dargetan. Kernaussage der Beschwerde ist vielmehr , es sei nicht zu erkennen, dass durch die angeordnete Betreuung die Verhältnisse der Betroffenen in "geordneteren Bahnen" verliefen, als dies ohne die Betreuung der Fall wäre.
16
Soweit die Beschwerde damit der Sache nach Unzulänglichkeiten insbesondere bei der Vermögenssorge und bei der Gesundheitsfürsorge seitens des Betreuers rügt, vermag dies eine Aufhebung der Betreuung nicht zu rechtfertigen. Zu erwägen wäre insoweit allenfalls ein Betreuerwechsel. Die Betroffene strebt indes allein die Aufhebung der Betreuung an.
17
bb) Da die Betroffene sonach keine Gründe dargetan hat, die eine Aufhebung der Betreuung rechtfertigen könnten, war das Gericht auch nicht verpflichtet , ein neues Sachverständigengutachten einzuholen.
18
Zwar hat die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hingewiesen, dass das Bayerische Oberste Landesgericht im Jahre 2002 entschieden hat, dass in einem Aufhebungsverfahren nach § 12 FGG ein neues Gutachten einzuholen sei, wenn ein zeitnahes Gutachten nicht vorliege (BayObLG Beschluss vom 9. April 2002 - 3Z BR 65/02 - juris Rn. 9 f.). Jedoch hängt die Frage, ob bzw. inwieweit Ermittlungen aufzunehmen sind, von den Umständen des Einzelfalls ab. Je mehr nach dem Vortrag des Betroffenen und den sonstigen Umständen für eine Veränderung (zugunsten des Betroffenen) spricht, desto eher ist auch ein erneutes Gutachten einzuholen. Anderes gilt hingegen, wenn - wie im vorliegenden Fall - mehr für eine Verfestigung des vom Gutachter bei Einrichtung der Betreuung vorgefundenen Zustandes spricht. Hier kann die Zeitspanne, innerhalb derer ein neues Sachverständigengutachten einzuholen ist, durchaus über den vom Bayerischen Obersten Landesgericht vorgegebenen Rahmen hinausgehen.
19
cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es in diesem Kontext auch nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht aus der Tatsache , dass die Betroffene nach Anordnung der Betreuung weiterhin eine Vielzahl von Eingaben (u.a.) an das Gericht adressiert hat, den Schluss gezogen hat, dass deren Handeln, Fühlen und Denken von dem krankheitsbedingten Wahnerleben bestimmt werde.
20
b) Ebenso wenig bedenklich ist es, dass die Instanzgerichte von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen abgesehen haben. Zutreffend verweist die Rechtsbeschwerde darauf, dass das FamFG für das Aufhebungsverfahren eine persönliche Anhörung des Betroffenen nicht zwingend vorschreibt, wie sich aus § 294 FamFG ergibt. Hierzu kann im Wesentlichen auf das oben Gesagte zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verwiesen werden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die Gründe, die die Aufhebung der Betreuung bzw. die Anordnung einer erneuten Begutachtung rechtfertigen, nicht plausibel und nachvollziehbar vorgebracht und dargestellt worden (s. dazu die obigen Ausführungen unter a). Hahne Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
AG Gelsenkirchen-Buer, Entscheidung vom 10.05.2010 - 3 XVII B 1124 -
LG Essen, Entscheidung vom 12.08.2010 - 7 T 342/10 -

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein.

(2) Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Ergebnis einer Anhörung nach § 279 Absatz 2 Satz 2 hat der Sachverständige zu berücksichtigen, wenn es ihm bei Erstellung seines Gutachtens vorliegt.

(3) Das Gutachten hat sich auf folgende Bereiche zu erstrecken:

1.
das Krankheits- oder Behinderungsbild einschließlich dessen Entwicklung,
2.
die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse,
3.
den körperlichen und psychischen Zustand des Betroffenen,
4.
den aus medizinischer Sicht aufgrund der Krankheit oder Behinderung erforderlichen Unterstützungsbedarf und
5.
die voraussichtliche Dauer der Maßnahme.

(1) Die Beschlussformel enthält im Fall der Bestellung eines Betreuers auch

1.
die Bezeichnung des Aufgabenkreises des Betreuers unter Benennung der einzelnen Aufgabenbereiche;
2.
bei Bestellung eines Vereinsbetreuers die Bezeichnung als Vereinsbetreuer und die des Vereins;
3.
bei Bestellung eines Behördenbetreuers die Bezeichnung als Behördenbetreuer und die der Behörde;
4.
bei Bestellung eines beruflichen Betreuers die Bezeichnung als beruflicher Betreuer.

(2) Die Beschlussformel enthält im Fall der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts die Bezeichnung des Kreises der einwilligungsbedürftigen Willenserklärungen.

(3) Der Zeitpunkt, bis zu dem das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung einer Maßnahme nach Absatz 1 oder Absatz 2 zu entscheiden hat, ist in der Beschlussformel zu bezeichnen.