Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2010 - 1 StR 454/09

bei uns veröffentlicht am27.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 454/09
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. April 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einem Verkürzungsumfang von insgesamt mehr als 180.000 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
In der Anklageschrift vom 22. Dezember 2008 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in 29 Fällen Umsatzsteuer und in 34 Fällen Lohnsteuer hinterzogen zu haben sowie in 35 Fällen im Sinne von § 266a StGB Arbeitsentgelt vorenthalten zu haben.
3
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, vom Jahr 2000 bis zum dritten Quartal des Jahres 2005 als Geschäftsführer der F. GmbH (im Folgenden: F. GmbH) fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt zu haben , die entweder überhaupt nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden seien oder für die er den zuständigen Einzugsstellen niedrigere als tatsächlich gezahlte Löhne gemeldet habe. Die insoweit nicht gemeldeten Lohnaufwendungen habe er auch in den Lohnsteueranmeldungen der Gesellschaft nicht angegeben.
4
Um zu verschleiern, dass die von der F. GmbH gezahlten Löhne „schwarz“ ausgezahlt worden seien, habe der Angeklagte veranlasst, dass Scheinrechnungen (Abdeckrechnungen) der Firmen „D. “, „K. -Bau“, „I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ in die Buchhaltung der F. GmbH aufgenommen worden seien. Die in den Rechnungen enthaltenen Umsatzsteuern habe der Angeklagte zu Unrecht in die Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH aufgenommen.
5
Schließlich habe der Angeklagte von der F. GmbH an die Kl. GmbH sowie die Firma E. erbrachte Umsätze nicht gegenüber den Finanzbehörden angemeldet und dadurch Umsatzsteuern hinterzogen.
6
Insgesamt habe der Angeklagte hierdurch mehr als 316.000 Euro an Umsatzsteuern und 327.000 Euro an Lohnsteuern verkürzt sowie Beitragsanteile zur Sozialversicherung von mehr als 304.000 Euro nicht an die Einzugsstellen abgeführt.

II.

7
1. Das Landgericht hat den Angeklagten aufgrund seines Geständnisses wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einer Gesamtverkürzungssumme von 180.000 Euro an Umsatzsteuern verurteilt. Die Verurteilung bezieht sich auf die Voranmeldungszeiträume November und Dezember 2003 und April bis Juli 2004 sowie auf das II. und III. Quartal 2005. Das Landgericht hat insoweit festgestellt , dass der Angeklagte in diesen Zeiträumen Ausgangsumsätze an die Kl. GmbH im Umfang von insgesamt mehr als 103.000 Euro und an die Firma E. in der Höhe von mehr als 1,2 Mio. Euro nicht in die für die F. GmbH beim Finanzamt einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hatte.
8
2. Hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume August bis Dezember 2004 und I. Quartal 2005 hat das Landgericht das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.
9
3. Bezüglich des Teilfreispruchs hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
Der Angeklagte ist seit der Gründung der F. GmbH im Jahr 2000 einziger Gesellschafter und eingetragener Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Die F. GmbH wurde in den Jahren 2000 bis 2005 im Bereich Trockenbau tätig und erbrachte hierbei im Wesentlichen Trockenbau- und Verputzarbeiten. Dabei setzte die Gesellschaft sowohl eigene Arbeitnehmer als auch Subunternehmer ein. Dass der Angeklagte hierbei zu Unrecht Vorsteuern aus Scheinrechnungen der Firmen „D. “, „K. -Bau“, I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ geltend gemacht habe, konnte das Landgericht „nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit“ feststellen. Dasselbe gilt für den Vorwurf, der Angeklagte habe die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge als „Schwarzlöhne“ an Arbeitnehmer der F. GmbH ausbezahlt. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass die genannten Firmen nicht ausschließbar als Subunternehmer der F. GmbH tätig gewesen und die Rechnungsbeträge an diese Firmen auch ausbezahlt worden sind.
11
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es ist der Ansicht, dass dem Angeklagten - abgesehen von der Umsatzsteuerhinterziehung hinsichtlich der nicht angemeldeten Ausgangsumsätze - die ihm vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten.

III.

12
Die Staatsanwaltschaft hat die Revision wirksam auf den Teilfreispruch beschränkt. Damit sind auch die Strafaussprüche hinsichtlich der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Voranmeldungszeiträumen November und Dezember 2003 sowie April bis Juli 2004 und das II. und III. Quartal 2005 vom Revisionsangriff ausgenommen. Denn die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Nichtanmeldung von Ausgangsumsätzen einerseits und durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern andererseits stellt für jeden Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Tat der Steuerhinterziehung im materiell -rechtlichen Sinn dar. Maßgeblich für den materiell-rechtlichen Tatbegriff sind die steuerlichen Erklärungspflichten (vgl. zur Hinterziehung von Einkommensteuer BGH wistra 2009, 465). Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist deshalb grundsätzlich als einheitliche, selbständige Tat im Sinne des § 53 StGB zu werten; bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist ebenfalls im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von einer selbständigen Tat auszugehen (vgl. BGH wistra 2005, 30 und wistra 2008, 266; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 305).
13
Die Strafaussprüche werden hier auch nicht etwa deswegen vom Revisionsangriff umfasst, weil die von der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorgebrachten Einwände die von der Verurteilung erfassten Voranmeldungszeiträume ebenfalls betreffen. Denn der Wortlaut der Beschränkung der Revision auf den „Teilfreispruch“ ist eindeutig; zudem können die vom Teilfreispruch erfassten Tatvorwürfe losgelöst von den vom Schuldspruch umfassten Taten beurteilt werden.
14
Auch bei einer Tatserie von Steuerhinterziehungen bleiben die Einzeltaten rechtlich und tatsächlich selbständig und sind einer isolierten Bewertung zugänglich. Ist dies aber der Fall, gebietet die den Rechtsmittelberechtigten eingeräumte Gestaltungsmacht über den Verfahrensgegenstand, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Das Revisionsgericht kann und darf diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird, wenn und soweit der angegriffene Entscheidungsteil trennbar ist, also losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft und beurteilt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGHSt 29, 359, 364). So verhält es sich auch hier.
15
Hätte die Staatsanwaltschaft neben den Teilfreisprüchen auch - soweit der Angeklagte verurteilt worden ist - die Strafaussprüche angreifen wollen, um im Hinblick auf ungerechtfertigte Vorsteueranmeldungen und damit einen größeren Schuldumfang höhere Einzelstrafen erreichen zu können (vgl. dazu BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 17), hätte sie dies bei der Revisionsbeschränkung klar zum Ausdruck bringen müssen.

IV.

16
Der Teilfreispruch hat keinen Bestand; er leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
17
Es kann dahinstehen, ob - was nahe liegt - das Urteil bereits den formellen Anforderungen, die an eine Freispruchsbegründung zu stellen sind (vgl. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5, 10) nicht genügt. Jedenfalls hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jew. m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jew. m.w.N.). Der revisionsge- richtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jew. m.w.N.).
19
2. Gemessen an diesen Maßstäben kann die Beweiswürdigung keinen Bestand haben.
20
a) In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Dabei muss sich aus den Urteilsgründen selbst ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat. Denn die Indizien können in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln, auch wenn eine Mehrzahl von Beweisanzeichen jeweils für sich allein nicht zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht (BGH NStZ-RR 2003, 369 f. m.w.N.).
21
Hier hat sich das Landgericht mit den einzelnen den Angeklagten belastenden Indizien lediglich isoliert auseinandergesetzt und dabei jeweils die Wertung getroffen, dass hiermit der Beweis für einen den Angeklagten belastenden Geschehensablauf nicht zu führen sei. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45; BGH, Beschl. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09).
22
b) Die Beweiswürdigung ist auch deswegen durchgreifend rechtsfehlerhaft , weil das Landgericht mehrere dem Angeklagten günstige Umstände als „nicht ausschließbar“ unterstellt hat, obwohl hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben waren. Zudem hat es auch Einlassungen des Angeklagten als „nicht zu widerlegen“ angesehen, für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
23
So hielt das Landgericht etwa für nicht ausschließbar, dass die Arbeiter der verschiedenen Gewerke jeweils nacheinander auf der Baustelle ihre Tätigkeiten verrichteten und sich daher auch nicht kannten (UA S. 36). Zudem hielt es für nicht ausgeschlossen, dass eine Person namens „Ka. oder auch ein anderer“ die Firma Kö. ohne das Wissen der Inhaberin dieser Firma für eigene Zwecke benutzt habe (UA S. 37). Auch sonst könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Namen der als „Scheinfirmen“ bezeichneten Firmen von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39). Der „Nachweis von Scheinrechnungen“ lasse sich auch nicht dadurch führen, dass auf dem Computer des Angeklagten Blankorechnungsformulare der Firma Kö. gefunden worden sind. Vielmehr sei die Einlassung des Angeklagten „nicht zu widerlegen“, er habe „aus Gefälligkeit“ Rechnungen für andere Firmen ausgedruckt (UA S. 27, 37). Ebenso sei dem Angeklagten „nicht zu widerlegen“, dass Mängelrügen bereits vor der Rechnungsstellung mit den Subunternehmern besprochen worden seien, so dass „ein Nachweis“ von Scheinrechnungen aufgrund unterlassener Korrekturen in diesen Rechnungen nicht zu führen sei (UA S. 38). Die Vermutung, die von der Staatsanwaltschaft als Scheinfirmen angesehenen Firmen hätten mit den bei den Sozialbehörden gemeldeten Arbeitnehmern die in der Buchhaltung der F. GmbH erfassten Umsätze nicht erwirtschaften können, könne „schon deshalb nicht bewiesen“ werden, weil „nicht ausgeschlossen“ sei, dass diese Firmen ihrerseits Subunternehmer oder Arbeitnehmer beschäftigten, die nicht bei den Sozialbehörden angemeldet ge- wesen seien (UA S. 38). Auch wenn sich bei Zugrundelegung tatsächlicher Fremdleistungen der Firmen Kö. und K. -Bau ein kalkulatorischer Verlust ergebe, sei dies „zum Nachweis“ der dem Angeklagten angelasteten Vorwürfe nicht geeignet; denn „unwiderlegt“ habe der Angeklagte sich eingelassen, es würden regelmäßig beim Arbeitsamt überhöhte Auftragssummen genannt, um ausländische Arbeitnehmer nicht nur bei den vom Arbeitsamt genehmigten, sondern auch an anderen Baustellen einsetzen zu können (UA S. 38).
24
Diese Ausführungen lassen besorgen, das Landgericht habe nicht beachtet , dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZRR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). Jedenfalls stellt es einen Rechtsfehler dar, wenn eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urt. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09). So verhält es sich hier. Insbesondere für die fernliegende Annahme des Landgerichts, alle vier verfahrensgegenständlichen vom Angeklagten als Subunternehmer bezeichneten Firmen könnten von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39), sind vom Landgericht keine tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt worden.
25
c) Unter diesen Umständen ist auch die sehr knapp gehaltene Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände (UA S. 39) rechtsfehlerhaft.
26
Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt zwar nicht, dass das Tatgericht im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Verwirft es jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss in der Gesamtwürdigung erkennbar werden , dass sich das Tatgericht dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 248 f.). So verhält es sich hier. Die Sache bedarf daher neuer tatgerichtlicher Prüfung und Entscheidung, soweit das Landgericht den Angeklagten freigesprochen hat. Nack Wahl Hebenstreit Graf Jäger

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2010 - 1 StR 454/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2010 - 1 StR 454/09

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2010 - 1 StR 454/09 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 266a Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt


(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldst

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2010 - 1 StR 454/09 zitiert oder wird zitiert von 21 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2010 - 1 StR 454/09 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2009 - 1 StR 491/09

bei uns veröffentlicht am 16.12.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 491/09 vom 16. Dezember 2009 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember 2009, an der teilgenommen habe

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06

bei uns veröffentlicht am 21.06.2007

5 StR 532/06 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 21. Juni 2007 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 20. und 21. Juni 2007, an der teilge
19 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 27. Apr. 2010 - 1 StR 454/09.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Aug. 2011 - 1 StR 153/11

bei uns veröffentlicht am 23.08.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 153/11 vom 23. August 2011 BGHSt: ja zu A II. 3. a BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Art. 34 Nach Übernahme eines Ermittlungsver

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2012 - 1 StR 88/12

bei uns veröffentlicht am 08.08.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 88/12 vom 8. August 2012 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Okt. 2010 - 1 StR 424/10

bei uns veröffentlicht am 07.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 424/10 vom 7. Oktober 2010 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________ StGB § 266a Abs. 1 StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei der V

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2012 - 1 StR 415/12

bei uns veröffentlicht am 18.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 415/12 vom 18. Dezember 2012 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja _________________________ StGB § 68b Abs. 1, § 145a 1. Ein nach § 145a Satz 1 StGB tatbestandsmäßige

Referenzen

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 491/09
vom
16. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten V. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 29. Januar 2009 aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in neun Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Strafkammer konnte sich keine sichere Überzeugung von einem vorsätzlichen Handeln der Angeklagten im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellgeschäften verschaffen. Gegen diese Freisprüche wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen , die sie auf formelle und sachlich-rechtliche Beanstandungen stützt. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.

2
1. Den Angeklagten wird in der Anklage vom 20. Juli 2006 vorgeworfen, bewusst an einem Umsatzsteuerkarussell teilgenommen und dadurch Umsatzsteuern in Höhe von mehr als einer Million DM hinterzogen zu haben. Ihnen liegt zur Last, im Zeitraum von September 2000 bis einschließlich Juli 2001 gemeinschaftlich handelnd als Geschäftsführer der Firma T. GmbH mit Sitz in G. (im Folgenden: T. GmbH) gegenüber dem Finanzamt Gi. mit Hinterziehungsvorsatz in neun Fällen unrichtige monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben zu haben, indem sie aus Rechnungen der Firma R. mit Sitz in F. über die Lieferung von Computerteilen jeweils zu Unrecht Vorsteuern in einer Höhe zwischen 11.583 DM (für September 2000) und 617.967 DM (für Juni 2001) geltend gemacht haben. Hierdurch seien zu Unrecht Vorsteuerbeträge erstattet und geschuldete Umsatzsteuern verkürzt worden. Eine Vorsteuerabzugsberechtigung habe insoweit nicht bestanden, weil die Angeklagten zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die behaupteten Warenlieferungen gehabt und damit keine Lieferungen im Sinne von § 15 UStG erhalten hätten. Vielmehr hätten die Rechnungen der Firma R. lediglich zur Erschleichung von Vorsteuern im Rahmen eines "Umsatzsteuerkarussells" gedient.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Die Angeklagten waren jahrelang in der Computerbranche als Einkaufsleiter (S. ) bzw. im Verkauf (V. ) beschäftigt. Um selbständig tätig werden zu können, gründeten sie gemeinsam die T. GmbH und nahmen mit ihr seit Ende März / Anfang April des Jahres 2000 am Rechtsverkehr teil. Die Geschäftsführung oblag den Angeklagten gemeinsam. Eingetra- gener Unternehmenszweck war unter anderem "Import und Export jeder Art sowie Vermittlung von Import- und Exportgeschäften im In- und Ausland".
5
Das Geschäftsprinzip der T. GmbH bestand darin, durch aquisitorische Maßnahmen (z.B. per Telefon, Telefax oder E-Mail) für von Kundenseite gesuchte Artikel Lieferanten und für Anbieter Kunden zu suchen. Im Gegensatz zu einer bloßen Vermittlung von Geschäftsabschlüssen wurden die Geschäfte dergestalt abgewickelt, dass die T. GmbH sowohl gegenüber den Lieferanten als auch gegenüber den Abnehmern als Vertragspartner auftrat. Die Angeklagten kauften bei günstigen Anbietern Computerteile ein, für die sie Abnehmer hatten. Lieferanten und Abnehmer waren ganz überwiegend Firmen aus Deutschland, Österreich, Italien und England. Bei übereinstimmenden Angeboten und Nachfragen wurde das Geschäft jeweils "kaufmännisch" abgewickelt, d.h. einerseits wurden die Waren beim Lieferanten bestellt, andererseits wurde die Kundenanfrage bestätigt. Die Leistungen erbrachte die T. GmbH gegenüber den Lieferanten und den Erwerbern jeweils im eigenen Namen. Dabei entschieden die Angeklagten, wie die Lieferungen zu erfolgen hatten. Ganz überwiegend beauftragten sie große Logistikfirmen mit dem Transport der Waren. Sie wiesen die Firmen an, die Waren direkt bei den Lieferanten abzuholen und unmittelbar zu den Kunden oder für diese zur Abholung zu einem nahe gelegenen Speditionslager zu bringen.
6
Obwohl die Geschäftsabwicklung weitgehend "störungsfrei" erfolgte, kam es in einzelnen Fällen zu Mängelrügen oder Korrespondenz wegen Mengendifferenzen in den Leistungsverhältnissen. Geschäftsbeziehungen der T. GmbH bestanden auch zu der in Deutschland ansässigen Firma R. und zu mehreren italienischen Firmen, die - unter Einschaltung der T. GmbH - Umsatzsteuerkarussellgeschäfte von und nach Italien betrieben. Nach Einschätzung der Strafkammer stellten sich aus Sicht der Angeklagten die Geschäfts- vorgänge mit der Lieferantin, der Firma R. , und den italienischen Abnehmern als normale und unverdächtige Vorgänge dar. Die T. GmbH habe bestimmt, wer die Waren wohin zu transportieren hatte und wie in Gewährleistungsfällen zu verfahren war. Sie hatte deshalb nach Auffassung der Strafkammer auch die Verfügungsmacht über die gehandelten Waren.
7
b) Die Geschäftsräume der T. GmbH befanden sich in G. in einem scheunenartigen Gebäude. Ob die im Erdgeschoss befindlichen Lagerräume tatsächlich regelmäßig genutzt wurden, konnte nicht geklärt werden. Das Gebäude stand im Eigentum der Mutter der Angeklagten V. ; die steuerliche Beratung im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung und die Finanzbuchhaltung lag in den Händen eines Steuerberaterbüros.
8
Das Belegwesen der T. GmbH war im Zeitraum von Mai bis November 2000 sehr unübersichtlich und unvollständig. Im September 2000 fand bei der Gesellschaft eine Umsatzsteuerprüfung statt, bei der beanstandet wurde, dass teilweise nicht steuerbare Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt worden waren. Der Steuerberater der T. GmbH empfahl deshalb den Angeklagten, die zu einzelnen Geschäftsabwicklungen (Ein- und Verkauf) gehörenden Unterlagen zusammen aufzubewahren. Für jeden Monat wurden danach sog. Monatsordner angelegt. Gleichwohl wurde das Ablagesystem nicht konsequent verfolgt, sodass häufig der Nachweis des jeweiligen Einkaufs oder des Verkaufs fehlte und die Waren nicht vollständig zugeordnet werden konnten. Transportbelege befanden sich teilweise nicht beim Vorgang, sondern bei "losen" Unterlagen. Die Frachtunterlagen enthielten regelmäßig nur Angaben zu Anzahl und Gewicht der Packstücke sowie zu Absender und Empfänger und ließen deshalb keinen "zweifelsfreien" Rückschluss auf den Inhalt der Sendungen zu. Eine lückenlose Zuordnung der Frachtunterlagen zu den einzelnen Geschäftsunterlagen war der Strafkammer daher nicht möglich. Die Sortierung der Papiere, die Erstellung von Ablichtungen und die Vorbereitung der Unterlagen für das Steuerbüro oblag der als Halbtagskraft bei der T. GmbH beschäftigten Zeugin C. , der Schwester der Angeklagten V. .
9
c) Seit Beginn der Geschäftstätigkeit der T. GmbH gehörte die italienische Firma K. mit Sitz in der Provinz Ba. (im Folgenden: Firma K. ) zu ihren Kunden. Die Firma K. war Teil eines von Italien aus operierenden "Umsatzsteuerkarussells". Davon hatten die Angeklagten jedoch keine Kenntnis. Die Firma K. wurde von den italienischen Staatsbürgern P. und B. geleitet. Den Kontakt der T. GmbH zu B. hatte der Zeuge D. , der Betreiber der Firma R. , vermittelt. Die Firma K. trat gegenüber der T. GmbH sowohl als Käuferin als auch als Verkäuferin von Waren auf. Erst geraume Zeit nach Begründung der Geschäftsbeziehung mit der Firma K. kam es dann auch zum geschäftlichen Kontakt mit der Firma R. . Die Frachtunterlagen dokumentieren Kontakte zwischen den beiden Firmen seit September 2000. Den Angeklagten war nach den Urteilsfeststellungen nicht bekannt, dass hinter der Firma R. wiederum die Firma K. stand.
10
In der Folgezeit kam es zwischen der Firma R. und der T. GmbH zu einer lebhaften Geschäftsbeziehung. Die von der Firma R. in einem Inlandsgeschäft gekauften Waren lieferte die T. GmbH umsatzsteuerfrei weiter an Firmen im übrigen Gemeinschaftsgebiet. Empfänger von Warenlieferungen waren hauptsächlich deutsche, österreichische und italienische Firmen sowie ein Unternehmen aus England. Obwohl Teile aus einer Gesamtlieferung, die die Firma R. der T. GmbH in Rechnung gestellt hatte, an eine österreichische und eine englische Firma geliefert worden waren, standen nach den Feststellungen der Strafkammer am Ende der durchgeführten Ermittlungen nur die italienischen Firmen im Verdacht, dem Umsatzsteuerkarussell anzugehören.
In der überwiegenden Zahl der Fälle handelte die T. GmbH mit "Warenpaketen" ; d.h. es bestand eine Übereinstimmung zwischen der von der Firma R. gelieferten und der von der T. GmbH weiterverkauften Ware. Nur in einzelnen Fällen wurde ein bei der Firma R. eingekauftes "Warenpaket" in Teillieferungen an verschiedene Abnehmer aufgesplittet.
11
Die in der Anklage bezeichneten Geschäftsvorgänge betreffen Warenbewegungen , bei denen die Firma R. als Lieferantin für die T. GmbH auftrat. Dabei stammten die Waren jeweils von der italienischen Firma K. , die wie die Firma R. von B. beherrscht wurde. Als Zwischenhändler zwischen den Firmen K. und R. wurden die auf Veranlassung B. s in Deutschland gegründeten Firmen PC und Pa. eingeschaltet , die gegenüber den deutschen Steuerbehörden als importierende Firmen auftraten. Ihrer Pflicht, die Umsatzsteuer auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe der von der Firma K. aus Italien bezogenen Waren an das Finanzamt anzumelden und abzuführen, kamen diese Firmen nicht nach. Vielmehr berechneten sie die Waren unter Einkaufspreis an die Firma R. weiter, der dadurch ein Wettbewerbsvorteil verschafft wurde. Die T. GmbH veräußerte die jeweils von der Firma R. erworbenen Waren mit unterschiedlichen Preisaufschlägen an ihre Kunden weiter.
12
d) In neun Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September 2000 bis Juli 2001 (mit Ausnahme der Monate Oktober 2000 und Januar 2001) machte die T. GmbH Vorsteuerbeträge von jeweils etwa 30.000 DM bis 694.000 DM geltend. Der Ausgleich von Erstattungsforderungen erfolgte durch Überweisung auf eines der Firmenkonten oder durch Verrechnung mit anderweitigen Steuerforderungen.
13
Auf die hohen Erstattungsforderungen reagierte das Finanzamt Gi. bereits seit dem Monat Mai 2000 mit Kontrollmitteilungen, darunter auch an das für die Firma R. zuständige Finanzamt F. . Obwohl das Finanzamt F. noch nicht geantwortet hatte, wies das Finanzamt Gi. im Hinblick auf bislang unverdächtige Reaktionen anderer Finanzämter auf die Kontrollmitteilungen auch eine für den Monat Juni 2001 geltend gemachte Erstattungssumme von mehr als 694.000 DM an.
14
e) Die seit August 2001 gegen die Verantwortlichen der Firmen R. , PC und Pa. geführten Ermittlungsverfahren führten trotz bestehender Haftbefehle und einer internationalen Fahndung nicht zur Ergreifung der mutmaßlichen Täter. Nach Auffassung der Strafkammer ermöglichte die "spezifische Handelstätigkeit" der T. GmbH, die in einer ständig "offenen" Suche nach Lieferanten und Abnehmern bestanden habe, den Drahtziehern des Umsatzsteuerkarussells, der T. GmbH gezielt neue Geschäftskontakte zuzuführen. Hierdurch habe diese Gesellschaft "instrumentalisiert" werden können, ohne dass "notwendigerweise" die Angeklagten hiervon Kenntnis erhielten.
15
3. Im Ermittlungsverfahren haben die Angeklagten die Tatvorwürfe bestritten; in der Hauptverhandlung haben sie sich zu den ihnen zur Last liegenden Taten nicht eingelassen.
16
4. Die Strafkammer hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Sie ist der Ansicht, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme seien nicht zu überwindende Zweifel an der Kenntnis der Angeklagten von ihrer Ein- bindung in das von Italien aus gesteuerte Umsatzsteuerkarussell bzw. an einer fehlenden Verfügungsmacht hinsichtlich der gehandelten Waren verblieben.

II.

17
Die Freisprüche haben keinen Bestand. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge Erfolg; denn die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
18
a) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jeweils m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich der Tatrichter bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jeweils m.w.N.). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.).
19
b) Hier erweist sich die Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.
20
aa) Das Landgericht hat überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt. Es hat im Rahmen der Würdigung einzelner Indizien mehrfach die Formulierung verwendet, dass belastende Schlüsse, die aus der jeweiligen Hilfstatsache gezogen werden können, nicht zwingend seien (z.B. UA S. 31, 32, 81, 85, 97). Es hat dann diese die Angeklagten belastenden Schlüsse nicht gezogen. Damit hat es unrichtige Maßstäbe an die tatrichterliche Überzeugungsbildung angelegt. Diese Vorgehensweise legt die Annahme nahe, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45).
21
Dieser Fehler ist auch nicht im Hinblick auf die vom Landgericht als Gesamtwürdigung (UA S. 104 ff.) bezeichneten abschließenden Erwägungen ohne Auswirkung geblieben. Denn das Landgericht geht auch hier von einem unrichtigen Ansatz aus. Es stellt erkennbar die Indizien nicht mit ihrem jeweiligen Beweiswert in die Gesamtwürdigung ein, sondern prüft, ob die nach der bisherigen Beweiswürdigung verbliebenen belastenden Indizien geeignet sind, seine "verbleibenden Zweifel" zu beseitigen. Umstände, die das Landgericht bereits nach der Einzelwürdigung der Indizien als für einen Tatnachweis nicht ausreichend ausgeschieden hat, werden in diese abschließende Würdigung nicht mehr einbezogen. So werden belastende Umstände wie, dass die T. GmbH lediglich für die belieferte Firma A. eine Warenkreditversicherung abgeschlossen hat (UA S. 94), dass die Angeklagten bei den Firmen Ve.
und Pam. die Umsatzsteueridentifikationsnummern nicht überprüft haben (UA S. 68) und dass von einem auf den Betreiber der am Umsatzsteuerkarussell beteiligten Firma PC registrierten Mobiltelefon mit der T. GmbH telefoniert worden ist - was ein Hinweis auf Direktkontakte sein konnte (UA S. 103) -, nicht mehr erwähnt. Das Gericht hat dabei nicht beachtet, dass Belastungsindizien, die isoliert für einen Tatnachweis nicht ausreichen, in ihrer Gesamtheit eine tragfähige Grundlage für die Überzeugung von der Täterschaft sein und die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können. An der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände fehlt es hier (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jeweils m.w.N.).
22
bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts enthält weitere Wertungsfehler.
23
Nach Auffassung der Strafkammer stellt der Umstand, dass die T. GmbH Steuern und Sozialversicherungsabgaben zahlte, ein die Angeklagten entlastendes Indiz dar (UA S. 107), weil hierdurch zum Ausdruck komme, dass die Gesellschaft nicht nur für kurze Dauer und lediglich zur Umsatzsteuerhinterziehung gegründet worden sei (UA S. 99). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn in dem von der Strafkammer festgestellten Umsatzsteuerkarussell nimmt die von den Angeklagten geleitete Gesellschaft nicht die Funktion eines "Missing Traders", sondern die des "Distributors" wahr. Missing Trader waren die Firmen PC sowie Pa. , weil sie die Computerteile umsatzsteuerfrei aus Italien bezogen und unter dem Einkaufspreis an den "Buffer", die Firma R. , weiterverkauften. Lediglich Missing Trader verschwinden aber zumeist bereits nach kurzer Zeit wieder vom Markt, da sie keine Umsatzsteuer abführen, obwohl sie Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis schreiben, und deshalb schneller entdeckt werden können. Bei den übrigen Firmen in einem Umsatzsteuerkarussell ist es eher von Vorteil, wenn sie sich zumindest formal steuerehrlich und rechtstreu verhalten, weil bei ihnen die Steuererstattungen anfallen. Sie können daher länger am Markt aktiv sein und sogar zusätzlich legale Geschäfte betreiben. Es ist damit für diese Firmen von großer Bedeutung, dass sie nicht als Teil eines Umsatzsteuerkarussells erkannt werden. Der Umstand, dass die T. GmbH Steuern und Sozialabgaben abgeführt hat, durfte daher allenfalls als neutral, nicht aber als für die Angeklagten entlastend gewertet werden.
24
cc) Die Beweiswürdigung kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil sie insgesamt lückenhaft ist.
25
(1) Es fehlt bereits an einer ausreichenden Auseinandersetzung mit der Frage nach einem möglichen Tatmotiv. Die Strafkammer beschränkt sich auf die nicht näher belegte Feststellung, dass ein Motiv der Angeklagten für einen Einstieg in ein Umsatzsteuerkarussell im September 2000 nicht erkennbar sei (UA S. 25). Sie berücksichtigt hierbei nicht, dass die zu hohen (UA S. 23) und betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigten (UA S. 100) Geschäftsführergehälter ein Motiv für die Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell mit zusätzlichen Umsätzen und Gewinnen sein konnten. Es hätte im Hinblick darauf, dass die Angeklagten mehrjährige Erfahrungen in der sog. Computerbranche gesammelt hatten, der Erörterung bedurft, aus welchen Gründen die Angeklagten sich von der Ertragslage nicht gedeckte Geschäftsführergehälter genehmigten und diese selbst in einer schweren Liquiditätskrise der Gesellschaft nicht verringerten. Die Feststellung, die Festsetzung der Höhe der Geschäftsführergehälter sei eine falsche unternehmerische Entscheidung gewesen, die nicht zu bewerten sei, genügt angesichts der Branchenkenntnisse der Angeklagten den an die Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen nicht.
26
(2) Die Beweiswürdigung ist auch deshalb lückenhaft, weil die Strafkammer - obwohl sie vom Vorliegen eines Umsatzsteuerkarussells ausgeht - sich mit der Frage nicht auseinandersetzt, worin der Vorteil der italienischen Drahtzieher des Umsatzsteuerkarussells lag. Es liegt fern, dass diese den deutschen Geschäftspartnern hohe Vorsteuererstattungen verschaffen wollten, ohne selbst hieran zu partizipieren. Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Geschäftsführergehälter deshalb überhöht waren, um auf diese Weise von der T. GmbH erlangte Erstattungsbeträge unauffällig den italienischen Hintermännern zuzuleiten. Zwar fällt der wesentliche "Gewinn" eines Umsatzsteuerkarussells zumeist bei den als Importeuren auftretenden Missing Tradern an; jedoch sind - wie auch hier festgestellt - die Umsatzsteuerkarusselle oft so ausgestaltet , dass auch die übrigen an dem Karussell beteiligten Firmen eine Gewinnspanne haben, die sich aus einem unterschiedlichen Nettopreis bei Anund Verkauf ergibt. Sollen diese Gewinne ganz oder zum Teil an Hintermänner weitergegeben werden, müssen sie über Entnahmen, Geschäftsführergehälter oder aufgrund von Scheinrechnungen aus den Firmen entnommen werden.
27
(3) Lückenhaft ist auch die Würdigung der Aussage der Zeugin C. . Nach deren Angaben waren beide Angeklagte urlaubsbedingt abwesend, als Anfang März 2001 bei der T. GmbH eine Rechnung der Firma R. über gelieferte Drucker einging. Dieser Rechnung waren Frachtpapiere beigefügt, aus denen erkennbar war, dass die erworbenen Drucker von der Firma K. stammten und zunächst zu einem deutlich höheren Preis an die Firma PC verkauft worden waren, als dem, den die Firma R. dann der T. GmbH in Rechnung stellte (UA S. 61). Nach der Würdigung der Strafkammer war den Angeklagten dieser Umstand wegen ihrer gleichzeitigen Urlaubsabwesenheit nicht aufgefallen. Diese Würdigung ist lückenhaft, weil die Strafkammer die Möglichkeit nicht erwogen hat, dass es sich bei der Aussage der Zeugin C. , der Schwester der Angeklagten V. , um eine Gefällig- keitsaussage handeln könnte. Denn es ist eher fern liegend, dass die beiden Geschäftsführer die Abwicklung eines derartigen Geschäfts während einer schweren Liquiditätskrise der Gesellschaft einer als Halbtagskraft eingesetzten gelernten Kosmetikerin (UA S. 12) allein überlassen haben.
28
(4) Bei der Frage, ob die Angeklagten einen Tatvorsatz hatten, hätte sich die Strafkammer mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass nach den von ihr getroffenen Feststellungen die Warenströme in beide Richtungen liefen, weil die Firma K. gegenüber der T. GmbH sowohl als Käuferin als auch als Verkäuferin auftrat (UA S. 12). Da der übliche Weg einer Ware vom Hersteller , ggf. über einen Importeur, zu einem Großhändler und von diesem über einen Einzelhändler zum Kunden führt, ist der Handel in umgekehrter Richtung oder zwischen zwei Händlern auf derselben Handelsebene nur in Ausnahmefällen - z.B. zur Ergänzung des Warensortiments - sinnvoll. Die Kammer hätte daher erörtern müssen, worin sich die Computerteile, die die Firma K. von der T. GmbH kaufte, von denen unterschieden, welche sie an die T. GmbH lieferte. Handelte es sich im Wesentlichen um gleichartige Produkte, wäre dies ein Umstand, der den Angeklagten hätte auffallen müssen.
29
(5) Die Ausführungen der Strafkammer zur Aufspaltung der Kaufpreiszahlungen durch die T. GmbH in einen sofort gezahlten Rechnungsnettobetrag und die erst später gezahlte Umsatzsteuer (UA S. 70 ff.), beziehen ebenfalls nicht alle rechtlich bedeutsamen Aspekte ein. Das Landgericht sieht in dieser Aufspaltung im Hinblick auf die angespannte Liquiditätssituation der T. GmbH "plausible wirtschaftliche Gründe" (UA S. 73). Es berücksichtigt dabei aber die steuerliche Bedeutung der Umsatzsteuer für Unternehmer als bloß durchlaufender Posten nicht. Die T. GmbH als Unternehmerin konnte die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bereits im Rahmen der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung gegenüber dem Finanzamt geltend machen und entspre- chende Erstattungen erhalten. Im Hinblick auf die für Unternehmer gegebene Kostenneutralität der Umsatzsteuer lag es somit eher fern, gerade die Umsatzsteuer erst später an den Verkäufer zu zahlen. Bei Liquiditätsschwierigkeiten hätte es genügt, einen beliebigen Teil des Bruttopreises zu stunden. Es hätte daher der Erörterung durch das Landgericht bedurft, aus welchem Grund die Aufspaltung gerade zwischen Nettopreis und Umsatzsteuer vorgenommen worden ist. Die Abspaltung der Umsatzsteuer deutet eher auf unseriöses Geschäftsgebaren hin. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den Feststellungen der Strafkammer die Angeklagte V. per E-Mail mit B. die Zahlung des "Mehrwertsteuerbetrages" an diesen und nicht etwa an die als Verkäuferin auftretende Firma R. vereinbart hat.
30
(6) Soweit die Strafkammer ausführt, sie habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass ein Treffen vom 5. bis 7. Juni 2001 im Hotel M. in Br. , an dem unter anderem die Italiener B. und P. für die Firma K. , der Zeuge D. für die Firma R. und für die Firma Au. deren Inhaber L. teilgenommen haben (UA S. 25 f., 52), ein "konspiratives Treffen" gewesen sei, enthält die Beweiswürdigung ebenfalls Erörterungsmängel. Die Strafkammer hat zwar berücksichtigt, dass die von der T. GmbH bezahlten Übernachtungs- und Verzehrrechnungen über mehr als 1.200 DM ein gegen die Angeklagten sprechendes Indiz sei. Sie hält es dabei aber für eine bloße Vermutung, dass vor den festgestellten Überweisungen von 1,3 Mio. DM noch Gesprächsbedarf bestand (UA S. 57). Die Strafkammer hat bei dieser Bewertung nicht in die Beweiswürdigung einbezogen , dass das Geschäftsessen mit den nach den Feststellungen der Strafkammer zu den Umsatzsteuerkarussell gehörenden Geschäftspartnern genau in dem Monat stattfand, als einmalig der weitaus höchste Vorsteuerbetrag von mehr als 617.000 DM geltend gemacht wurde. Dieser Umstand durfte bei der Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben.
31
dd) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Erwägungen der Strafkammer zu einem E-Mail-Verkehr mit dem Drahtzieher im Umsatzsteuerkarussell B. .
32
(1) Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). So verhält es sich auch hier.
33
Bei dem E-Mail-Verkehr zwischen B. und der Angeklagten V. handelt es sich um einen Schriftverkehr, der von EDV-Experten der Steuerfahndung F. auf dem sichergestellten Firmencomputer der Firma R. aus gelöschten Dateien ("posta eliminata") wiederhergestellt werden konnte (UA S. 28). Die E-Mails waren von dem Rechner der Firma K. an die Firma R. weitergeleitet worden. Aus diesen E-Mails ergibt sich unter anderem, dass B. die Angeklagte V. gebeten hatte, ihm den steuerpflichtigen Betrag sofort und die Mehrwertsteuer erst innerhalb von 30 Tagen zu bezahlen. Die Angeklagte V. war damit einverstanden, bat aber, statt 1 DM pro Artikel zukünftig 2 DM zu erhalten, da sie ansonsten "zu auffällig" wären, und es viel besser sei, die Aufmerksamkeit von niemandem zu wecken. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat dieser E-Mail-Verkehr auch in der Geschäftskorrespondenz zwischen der Firma R. und der T. GmbH ihren Niederschlag gefunden, da anschließend die T. GmbH von der Firma R. bezogene Waren mit einem Aufschlag von 2 DM pro Artikel an die Firma Ve. in N. weiterverkaufte.
34
Die Strafkammer hat zwar erkannt, dass dieser Ablauf nicht einer normalen Geschäftsabwicklung entspricht, sondern einen gesteuerten Warendurchfluss darstellt. Sie hält es aber für nicht zwingend, dass die Angeklagten den kriminellen Hintergrund durchschauten. Als Grund hierfür nennt die Strafkammer "wettbewerbsrechtliche Gründe", die die Firma K. abgehalten haben könnten, die Firma Ve. direkt zu beliefern, sondern ein "Umgehungsgeschäft" durchzuführen. Gegen eine systematische Kontrolle der Warenlieferungen und Preisgestaltung im Verhältnis der Firmen K. und T. GmbH spreche, dass sich der sichergestellte E-Mail-Verkehr nur auf eine konkrete Lieferung beziehe (UA S. 31 f.). Eine aktive Steuerung des Umsatzsteuerkarussells durch B. über einen längeren Zeitraum hätte aber weitere Auffälligkeiten erwarten lassen, die nicht vorhanden seien (UA S. 104). Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
35
Für die Annahme, dass "wettbewerbsrechtliche Gründe" die Ursache für die Einschaltung deutscher Firmen in den Handel zwischen zwei italienischen Firmen gewesen sein könnten, liefern die vom Landgericht getroffenen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte. Lediglich der Zeuge D. hat angegeben, dass B. die Lieferumwege mit "Gebietsschutzgründen" erklärt habe (UA S. 50). Selbst wenn aus der Sicht der Angeklagten solche wettbewerbsrechtlichen Gründe bestanden haben könnten, hätte das Landgericht aber jedenfalls erörtern müssen, aus welchen Gründen es dann aus der Sicht der Angeklagten für die Umgehung einer "Herstellerklausel" (UA S. 32) der Einschaltung gleich mehrerer deutscher Firmen in einer Lieferkette bedurft hatte. Denn mehrere Zwischenhändler verteuern die Ware nur unnötig.
36
(2) Soweit das Landgericht zugunsten der Angeklagten gewertet hat, dass kein weiterer verdächtiger E-Mail-Verkehr aufgefunden worden ist, lässt es außer Betracht, dass es nahe liegt, dass solche E-Mails zu Verdeckungszwe- cken jeweils sofort gelöscht wurden. Auch der bei der Firma R. sichergestellte E-Mail-Verkehr entstammte Dateien, die bereits gelöscht waren und nur durch EDV-Experten mit Spezialsoftware wiederhergestellt werden konnten. Das Landgericht hätte daher bei der Frage des Tatvorsatzes der Angeklagten erörtern müssen, ob es mit der Annahme, die Angeklagten seien gutgläubig gewesen, vereinbar ist, wenn sie den Schriftverkehr über so wichtige Fragen wie die der Preisgestaltung mit der Firma K. gerade nicht in die Firmenunterlagen der T. GmbH aufgenommen haben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Art der Geschäftsabwicklung und Preisgestaltung nicht dem Geschäftskonzept der Gesellschaft entsprach, von einander unabhängige Käufer und Verkäufer zu finden, um dann jeweils selbst als Vertragspartner aufzutreten.
37
c) Die Freisprüche können auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht zu hohe rechtliche Anforderungen an die subjektive Tatseite gestellt hat. Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO bedarf es keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt , dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Entgegen der Ansicht der Strafkammer (UA S. 109) war es daher für einen Tatvorsatz nicht erforderlich, dass die Angeklagten ihre Einbindung in ein objektiv vorliegendes Umsatzsteuerkarussell sicher erkannt hatten. Bedingter Tatvorsatz kam vielmehr auch dann in Betracht, wenn die Angeklagten angesichts der ihnen bekannten Umstände die Einbindung der T. GmbH in ein Umsatzsteuerkarussell mit den Firmen R. und K. für möglich hielten und dies auch billigten.

III.

38
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
39
Sollte sich auch die neue Strafkammer nicht von einem Tatvorsatz der Angeklagten überzeugen können, wird sie Gelegenheit haben, gemäß § 82 Abs. 1 OWiG die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu beurteilen. Bestehen - wie hier - Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagten zumindest leichtfertig verhalten haben, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob sich die Angeklagten einer Ordnungswidrigkeit der leichtfertigen Steuerhinterziehung im Sinne von § 378 AO schuldig gemacht haben.
40
aa) Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (vgl. Jäger in Klein, AO 10. Aufl. 2009 § 378 Rdn. 20 m.w.N.). Dies liegt hier bei den in der Computerbranche erfahrenen Angeklagten nicht fern.
41
Von Bedeutung kann insoweit insbesondere sein, ob die Angeklagten für die von ihren italienischen Vertragspartnern verwendeten UmsatzsteuerIdentifikationsnummern gemäß § 18e UStG Bestätigungsabfragen an das Bundesamt für Finanzen (jetzt: Bundeszentralamt für Steuern) gerichtet haben. Auch Mängel in der Buchführung und der Dokumentation der Transportvorgänge können für ein sorgfaltswidriges Vorgehen im Hinblick auf steuerliche Pflichten sprechen.
42
bb) Eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 378 AO kommt bei nicht vorsätzlichem Handeln der Angeklagten allerdings nur in Betracht, wenn der Vorsteuerabzug unzulässig war, weil es sonst an einer Steuerverkürzung fehlt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) steht allein der Umstand, dass eine Lieferung an einen Steuerpflichtigen vorgenommen wird, der weder wissen konnte noch wissen musste, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen war, dem Vorsteuerabzug nicht entgegen (vgl. die Nachweise bei BFH DStR 2007, 1524, 1528). Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, können auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (EuGH, Urt. vom 6. Juli 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel u.a., DStR 2006, 1274, Rz. 52; vom 12. Januar 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen Ltd. u.a., DStR 2006, 133, Rz. 55; vgl. auch EuGH, Urt. vom 11. Mai 2006, C-384/04, Federation of Technological Industries, DStR 2006, 897, 900, Rz. 33; BFH DStR 2007, 1524, 1528; DStRE 2005, 43).
43
Selbst wenn der Umsatz den objektiven Kriterien einer Lieferung genügt (Verschaffung der Verfügungsmacht an den betreffenden Gegenständen, vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, § 3 Abs. 1 UStG 1999) und die Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen wäre, ist der Vorsteuerabzug jedoch zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte , der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (EuGH, Optigen, aaO, Rz. 52 und 55 sowie EuGH, Kittel u.a., aaO, Rz. 60 und 61).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander
5 StR 532/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 21. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 20. und 21. Juni 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Richterin
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 21. Juni 2007 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 14. Juli 2006 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in sieben Fällen – I. 2. d, I. 2. e aa bis cc, I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe – freigesprochen worden ist.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil werden verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen wird, trägt die Staatskasse die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung, des weiteren wegen Betrugs in 15 Fällen sowie wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von dem Betrugsvorwurf in weiteren zehn Fällen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Mit Ausnahme der drei Fälle I. 2. f ee der Urteilsgründe (Betrug zum Nachteil der Firma W. im Zeitraum 26. Juli bis 31. Juli 2004) wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten wird, gegen die – verbleibenden sieben – Teilfreisprüche. Daneben greift die Staatsanwaltschaft (insoweit nicht vertreten) die Annahme der Fremdnützigkeit (statt Eigennützigkeit) in einem Betrugsfall, die Strafzumessung in drei weiteren Fällen sowie die Gesamtstrafbildung an. Dieses Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte wollte sich mit seiner Einzelfirma im Bauelementehandel mit dem Einbau von Bauelementen selbständig machen. Da er dabei zum Erwerb der Baumaterialien in Vorleistung treten musste und weder „Aussichten auf weitere zeitnahe und gewinnträchtige Aufträge“ (UA S. 13) noch sonst irgendwie gesicherte Gewinnerwartungen hatte, versuchte er auf unterschiedliche Weise, den Vorfinanzierungsbedarf zu decken.
4
a) Er gab für die Monate November 2003, Januar und Februar 2004 jeweils unter Beifügung gefälschter Eingangsrechnungen Voranmeldungen mit erfundenen Vorsteuerbeträgen ab. Dadurch erlangte er unberechtigte Steuervergütungen von insgesamt rund 5.500 Euro. Bezüglich des für Februar 2004 geltend gemachten Vorsteuerüberhanges in Höhe von rund 2.200 Euro kam es infolge einer Umsatzsteuersonderprüfung nicht mehr zur Auszahlung. Diese letzte Tat hat das Landgericht im Hinblick auf die gewerbsmäßige Begehungsweise aus dem Strafrahmen des § 267 Abs. 3 StGB mit einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten – in den beiden vorhergehenden Fällen jeweils acht Monate – geahndet, ohne das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO zu erörtern.
5
b) Wegen seiner fortbestehenden Zahlungsschwierigkeiten zog der Angeklagte im Zeitraum von Ende März bis 21. Juni 2004 über seine Ehefrau nach deren Zulassung zum Lastschriftverfahren im Online-Banking zu Lasten der Sparkasse O. mehrfach Geldbeträge ein, obwohl ihm bewusst war, dass das Lastschriftverfahren für diese mit den Lastschriftgebern vereinbarten kurzfristigen Kreditgewährungen nicht vorgesehen war. Die Sparkasse , die die Lastschriften von den Banken der Geldgeber nach dem (zu erwartenden) Widerruf der Belastungen innerhalb von sechs Wochen zurücknehmen musste, fiel mit über 86.000 Euro aus. Für diese Tat hat das Landgericht die Einsatzstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Um die Mitarbeiter der Sparkasse von der Schuldenbeitreibung abzuhalten, legte der Angeklagte im Juli 2004 ein von ihm gefälschtes Schreiben der S. I. KG vor, mit dem angeblich der Eingang von 63.498,43 Euro bestätigt wurde.
6
c) Im April 2004 stellte der Angeklagte den Zeugen L. ein, wobei er ihm vorspiegelte, ein festes Bruttogehalt in Höhe von 1.900 Euro monatlich zu zahlen. Tatsächlich wollte der Angeklagte den Zeugen L. nur im Fall der erfolgreichen Vermittlung von Werkaufträgen entlohnen. Gleichwohl stellte der Angeklagte bei der Agentur für Ar- beit am 22. April 2004 einen Antrag auf monatlichen Einstellungszuschuss in Höhe von 60 % des Bruttogehalts, der ihm in Höhe von insgesamt 5.700 Euro für den Zeitraum Juni bis Oktober 2004 ausgezahlt wurde. Entgegen dem im Bescheid der Agentur für Arbeit enthaltenen Hinweis verwendete der Angeklagte die Zuschüsse weder für den Arbeitslohn noch für die Sozialversicherungsbeiträge. Für die Betrugstat zu Lasten des Zeugen L. hat das Landgericht aus dem Grundtatbestand des Betrugs nach einer Gesamtschau trotz der Indizwirkung des angenommenen Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit im Hinblick auf mehrere strafmildernde Umstände (insbesondere hatte der Angeklagte Schulden des Zeugen L. im Juni 2004 in Höhe von über 2.000 Euro übernommen) eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten verhängt.
7
d) Im Zeitraum vom 4. Juni 2004 bis April 2005 bezog der Angeklagte für seine Einzelfirma von acht Lieferanten unterschiedliche Vermögensgegenstände wie einen Computer, Werkzeuge, Materialien für den Fensterbau und Treibstoff, ohne diese zu bezahlen, und verursachte bei den Gläubigern einen Forderungsausfall von über 13.000 Euro. Im Hinblick auf die bis zum 21. Juni 2004 erfolgten Lastschrifteinzüge hat sich das Landgericht von einem Betrugsvorsatz des Angeklagten nicht überzeugen können und ihn daher insoweit von dem Vorwurf, in sieben Fällen Waren in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit und in Zahlungsunwilligkeit bestellt zu haben, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (Fälle I. 2. d, I. 2. e aa bis cc sowie I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe). Nur für die Bestellungen nach dem 21. Juni 2004 hat das Landgericht Betrugsvorsatz beim Angeklagten angenommen ; es ist damit – mit Ausnahme der drei nicht mehr verfahrensgegenständlichen Taten – zu neun Betrugstaten gelangt, die es im Hinblick auf die gewerbsmäßige Begehungsweise aus dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB mit Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs und acht Monaten geahndet hat.
8
e) Schließlich stellte der Angeklagte im September 2004 den Zeugen W. ein, obwohl er weder fähig noch willens war, dessen Lohn zu zahlen. Zudem führte er für einen weiteren Arbeitnehmer die für die Monate September 2004 bis Dezember 2004 angefallenen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von jeweils 400 Euro nicht an die AOK Northeim ab, obwohl er auch für diesen Angestellten dafür vorgesehene Einstellungszuschüsse erhielt.
9
f) Obwohl er im November 2004 die eidesstattliche Versicherung in einem Zwangsvollstreckungsverfahren abgegeben hatte, beauftragte der Angeklagte im Dezember 2004 die J. D. und V. GmbH mit dem Druck und der Veröffentlichung von Stellenangeboten und blieb den Werklohn in Höhe von rund 200 Euro schuldig (Fall I. 2. n der Urteilsgründe). Für diese Betrugstat hat das Landgericht aus dem Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB unter Verneinung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Monat verhängt.
10
g) Im letzten Betrugsfall (Fall I. 2. p der Urteilsgründe) erwarb der Angeklagte , über dessen Vermögen am 27. Juni 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, im Januar 2006 von der Autohaus P. GmbH einen Mercedes Sprinter nebst Winterreifen, ohne zahlungswillig und -fähig zu sein. Die Autofirma erlitt durch den Entzug der Nutzung und im Hinblick auf den letztendlich gescheiterten Verkauf getätigte vergebliche Aufwendungen einen Vermögensverlust von rund 1.500 Euro. In Abweichung von der unverändert zugelassenen Anklage hat das Landgericht, das der geständigen Einlassung des Angeklagten gefolgt ist, in diesem Fall einen fremdnützigen Betrug zugunsten eines Vorunternehmers des Angeklagten und daher keinen besonders schweren Fall des Betrugs nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB angenommen.
11
2. Der Angeklagte hat sich hinsichtlich des Betrugsvorwurfs zu Lasten der Firma E. (Fall I. 2. d der Urteilsgründe) damit verteidigt, er habe diesen Lieferanten mit Geldmitteln, die er sich mittels höherer Kreditaufnahme im Lastschriftverfahren hätte beschaffen müssen, bezahlen wollen. Bezüglich der weiteren Betrugsfälle zu Lasten der Firma H. D. GmbH & Co. KG (Fälle I. 2. e der Urteilsgründe) und der Firma We. (Fälle I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe) hat sich der Angeklagte „speziell nicht eingelassen“, jedoch im Rahmen seiner „Angaben zu den Warenbestellungen im Allgemeinen ... eingeräumt, bei Vertragsschluss nicht in der Lage gewesen zu sein, den Kaufpreis zu zahlen und nur die Hoffnung gehabt zu haben“ (UA S. 93), aus zukünftigen Bauaufträgen liquide zu werden. Bis dahin habe er nur die am stärksten drängenden Gläubiger bezahlen wollen.
12
Diese Einlassung hat das Landgericht als nicht mit einer für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit widerlegt erachtet, weil das Bankkonto bei der Sparkasse bis zum 21. Juni 2004 – und damit auch bei den jeweiligen Vertragsschlüssen – überwiegend im Haben geführt worden sei; erst danach sei es vom Angeklagten nach dem endgültigen Scheitern der Kreditaufnahmen mittels zweier Barabhebungen in Höhe von insgesamt 16.200 Euro „abgeräumt“ worden. Daher sei der Angeklagte bis zu diesem Zeitpunkt als zahlungsfähig anzusehen; jedenfalls sei ein entsprechender Betrugsvorsatz des Angeklagten nicht erwiesen, auch wenn er selbst bezüglich der beiden letztgenannten Gläubiger (zu seinen eigenen Lasten) sich nicht auf die Einkünfte aus dem Lastschriftverfahren berufen und damit „insoweit – aus welchen Gründen auch immer – nicht ausreichend hinsichtlich der unterschiedlichen Zeiträume differenziert“ habe (UA S. 92).

II.


13
Die auf die allgemeine Sachrüge vorgenommene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

III.


14
Die wirksam auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, soweit sie mit der Sachrüge in den Freispruchsfällen I. 2. d, I. 2. e aa bis cc und I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe die Beweiswürdigung beanstandet. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
15
1. Die Beweiswürdigung, die den sieben Teilfreisprüchen vom Vorwurf des Lieferantenkreditbetruges zugrunde liegt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
16
a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH wistra 2007, 18, 19; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt). Der Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; BGH NStZ 2004, 35, 36; BGH wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.). Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen , dass eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH NStZ 2004, 35, 36).
17
b) Hier erweist sich die Beweiswürdigung, worauf die Revision und der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen haben, als widersprüchlich, unklar und lückenhaft. Soweit das Landgericht – in den Betrugsfällen zu Lasten der Firmen D. und W. sogar entgegen der Einlassung des Angeklagten – von dessen Zahlungsfähigkeit ausgeht, ist diese Bewertung nicht hinreichend mit Tatsachen belegt.
18
Der Angeklagte hatte von Beginn seiner werbenden Tätigkeit an keine Geldmittel, um seine Lieferanten zu bezahlen. Er hatte, wie er wusste, für sein Einzelunternehmen kein stimmiges Betriebskonzept und musste von vornherein mit Straftaten, beginnend mit den erschlichenen Vorsteuervergütungen , den erheblichen Vorfinanzierungsbedarf decken. Es war ihm, wie er glaubhaft eingeräumt hat, allenfalls möglich, nur die hartnäckigsten Gläubiger zu bezahlen.
19
Vor diesem Hintergrund durfte sich das Landgericht nicht mit Hinweisen auf die aus dem Lastschriftverfahren missbräuchlich erlangten Zahlungseingänge und auf die Barzahlung eines Betriebsfahrzeuges über 12.800 Euro beschränken, um Zahlungsfähigkeit bis zum 21. Juni 2004 anzunehmen. Die lückenhafte Darstellung der Vermögenssituation des Angeklagten ermöglicht dem Senat keine Überprüfung der Zahlungsfähigkeit. Zwar waren die Geldmittel aus dem Lastschriftbetrug zu berücksichtigen. Jedoch wäre ein etwaiges Bankguthaben, dessen Höhe das Landgericht nicht mitteilt, zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit unbeachtlich, wenn absehbar wäre, dass jenes Bankkonto zum Zeitpunkt der vorgesehenen Begleichung der eingegangenen Verbindlichkeiten keine entsprechende Deckung aufwies. Das Landgericht hätte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte für sein Einzelunternehmen nicht Buch führte, seine Einlassung einer kritischen Prüfung unterziehen müssen, warum bei den Bestellungen bis zum 21. Juni 2004 im Unterschied zu den anderen Fällen eine Bezahlung möglich und gewollt gewesen sei. Die bloße Hoffnung, später zahlungsfähig zu werden, lässt den Täuschungsvorsatz hinsichtlich der Er- klärung uneingeschränkter Zahlungsfähigkeit nicht entfallen (Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 263 Rdn. 106).
20
Wollte der Angeklagte bereits ab dem 4. Juni 2004 – und damit im gesamten Tatzeitraum – nur die am stärksten auf Zahlung drängenden Gläubiger befriedigen, kommt ein Betrugsvorsatz auch für die Bestellungen vor dem 21. Juni 2004 in Betracht. Das Landgericht hat hier nicht bedacht, dass Zahlungsunwilligkeit allein – unabhängig von der Frage der Zahlungsfähigkeit – den Betrug begründen kann.
21
2. Die Verurteilung wegen (fremdnützigen) Betrugs im Fall II. 2. p der Urteilsgründe hält der rechtlichen Nachprüfung noch stand.
22
a) Die nur für diesen Fall erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der beanstandet wird, dass der Vorunternehmer S. nicht als Zeuge zu der Frage gehört worden ist, ob die Besitzerschleichung an dem Kleinlaster zu seinen Gunsten erfolgte, genügt bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist daher unzulässig. Denn sie teilt nicht die ladungsfähige Anschrift dieses Zeugen mit und bezeichnet damit das Beweismittel nur unvollständig (BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag

40).


23
b) Die Annahme eines fremd- und nicht eigennützigen Betrugs zu Lasten des Autohauses P. GmbH beruht auf einer noch tragfähigen Beweisgrundlage. Soweit die Staatsanwaltschaft das Einlassungsverhalten des Angeklagten und sein festgestelltes Verhalten gegenüber der Verkäuferin anführt , zeigt sie damit keine Widersprüchlichkeiten, Unklarheiten oder Lücken, sondern nur andere mögliche Schlüsse auf, die das Landgericht nicht ziehen musste. So konnten insbesondere die Ankündigung Ende 2005, den Kleinlaster für eine eigene Firma zu erwerben, sowie die eigenhändige Entgegennahme und Rückgabe gerade der Festigung der Legende, wonach der S. nach außen nicht in Erscheinung treten sollte, gedient haben. Allein der Um- stand, dass der Angeklagte als Subunternehmer selbst über ein Transportfahrzeug verfügt haben muss, um sinnvollerweise Bauaufträge annehmen zu können, hätte eine Erörterungspflicht des Landgerichts auslösen können. Indes ist es auch im Rahmen eines Subunternehmervertrages möglich, dass der Angeklagte nur seine Arbeitskraft, der Vorunternehmer S. aber sämtliche Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellen sollte.
24
3. Die Strafzumessung in dem angefochtenen Umfang begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
25
a) Ob es rechtsfehlerhaft ist, dass das Landgericht im Fall der versuchten Umsatzsteuerhinterziehung für den Monat Februar 2004 – unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 35, 374, 376; BGH wistra 1998, 265, 266 und 1990, 26, 27) – das Regelbeispiel der fortgesetzten Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO) und damit einen möglichen Strafschärfungsgrund nicht erörtert hat, kann dahinstehen. Jedenfalls beruht das Urteil nicht hierauf. Das Landgericht hat, wie in den beiden vorangegangenen Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung auch, rechtsfehlerfrei wegen der (vollendeten und gewerbsmäßigen) Urkundenfälschung den Strafrahmen des § 267 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, der mit demjenigen des § 370 Abs. 3 AO übereinstimmt. Dass das Landgericht bei der dritten Steuerstraftat eine geringere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hat, rechtfertigt sich daraus, dass die Tat wegen der fehlenden Zustimmung des Finanzamtes zur Auszahlung des geltend gemachten Vorsteuerüberhanges und der damit unterbliebenen Herbeiführung der Festsetzungswirkung (vgl. § 168 Satz 2 AO und BGH wistra 2005, 56, 57; BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 2) nicht über das Versuchsstadium hinaus gelangt ist.
26
b) Die Gesamtwürdigung im Betrugsfall zu Lasten des Angestellten L. , aufgrund derer das Landgericht die Indizwirkung der bejahten Gewerbsmäßigkeit verneint hat, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Das Landgericht hat ausreichend dargelegt, warum es in diesem Fall die Indizwirkung der angenommenen Gewerbsmäßigkeit als widerlegt angesehen hat. Rechtsfehler hat die Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
27
c) Dass das Landgericht im Betrugsfall zu Lasten der J. D. und V. GmbH unter Hinweis auf die einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofs in wistra 1999, 465 das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit verneint hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar genügt es zur Bejahung von Gewerbsmäßigkeit, dass die Tat – wie etwa beim Ankauf von Rauschgift oder Schmuggelgut zum gewinnbringenden Weiterverkauf – mittelbar als Einnahmequelle dient (BGH aaO und BGH NStZ 1999, 622, 623; BGH wistra 1994, 230, 232; BGH MDR bei Holtz 1983, 621, 622). Ein solcher mittelbarer Zusammenhang ist hier aber zu verneinen. Denn die Urteilsfeststellungen belegen noch nicht ausreichend, auch nicht in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der Warenkreditbetrügereien im April 2005, dass der Angeklagte die zu werbenden Außendienstmitarbeiter in gleicher betrügerischer Weise anstellen wollte wie den Zeugen W. .

IV.


28
Nach alledem bedarf die Sache in den sieben genannten freigesprochenen Betrugsfällen (I. 2. d, I. 2. e aa bis cc, I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe ) neuer Aufklärung und Bewertung, sofern der neue Tatrichter nicht von der Möglichkeit des § 154 Abs. 2 StPO Gebrauch macht. Für den Fall einer gegebenenfalls neu vorzunehmenden Gesamtstrafbildung weist der Senat darauf hin, dass das von der Staatsanwaltschaft gerügte Eingehen auf die finanzielle Situation des Angeklagten und auf dessen Geldbedarf im Tatzeitraum ersichtlich nur dazu diente, den „situativen Zusammenhang“ bei der straffen Zusammenführung der Einzelstrafen zu erläutern (UA S. 149). Dies stellt daher keine widersprüchliche Verwertung eines an sich strafschärfenden Gesichtspunkts dar.
Basdorf Gerhardt Raum Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 491/09
vom
16. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten V. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 29. Januar 2009 aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in neun Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Strafkammer konnte sich keine sichere Überzeugung von einem vorsätzlichen Handeln der Angeklagten im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellgeschäften verschaffen. Gegen diese Freisprüche wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen , die sie auf formelle und sachlich-rechtliche Beanstandungen stützt. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.

2
1. Den Angeklagten wird in der Anklage vom 20. Juli 2006 vorgeworfen, bewusst an einem Umsatzsteuerkarussell teilgenommen und dadurch Umsatzsteuern in Höhe von mehr als einer Million DM hinterzogen zu haben. Ihnen liegt zur Last, im Zeitraum von September 2000 bis einschließlich Juli 2001 gemeinschaftlich handelnd als Geschäftsführer der Firma T. GmbH mit Sitz in G. (im Folgenden: T. GmbH) gegenüber dem Finanzamt Gi. mit Hinterziehungsvorsatz in neun Fällen unrichtige monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben zu haben, indem sie aus Rechnungen der Firma R. mit Sitz in F. über die Lieferung von Computerteilen jeweils zu Unrecht Vorsteuern in einer Höhe zwischen 11.583 DM (für September 2000) und 617.967 DM (für Juni 2001) geltend gemacht haben. Hierdurch seien zu Unrecht Vorsteuerbeträge erstattet und geschuldete Umsatzsteuern verkürzt worden. Eine Vorsteuerabzugsberechtigung habe insoweit nicht bestanden, weil die Angeklagten zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die behaupteten Warenlieferungen gehabt und damit keine Lieferungen im Sinne von § 15 UStG erhalten hätten. Vielmehr hätten die Rechnungen der Firma R. lediglich zur Erschleichung von Vorsteuern im Rahmen eines "Umsatzsteuerkarussells" gedient.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Die Angeklagten waren jahrelang in der Computerbranche als Einkaufsleiter (S. ) bzw. im Verkauf (V. ) beschäftigt. Um selbständig tätig werden zu können, gründeten sie gemeinsam die T. GmbH und nahmen mit ihr seit Ende März / Anfang April des Jahres 2000 am Rechtsverkehr teil. Die Geschäftsführung oblag den Angeklagten gemeinsam. Eingetra- gener Unternehmenszweck war unter anderem "Import und Export jeder Art sowie Vermittlung von Import- und Exportgeschäften im In- und Ausland".
5
Das Geschäftsprinzip der T. GmbH bestand darin, durch aquisitorische Maßnahmen (z.B. per Telefon, Telefax oder E-Mail) für von Kundenseite gesuchte Artikel Lieferanten und für Anbieter Kunden zu suchen. Im Gegensatz zu einer bloßen Vermittlung von Geschäftsabschlüssen wurden die Geschäfte dergestalt abgewickelt, dass die T. GmbH sowohl gegenüber den Lieferanten als auch gegenüber den Abnehmern als Vertragspartner auftrat. Die Angeklagten kauften bei günstigen Anbietern Computerteile ein, für die sie Abnehmer hatten. Lieferanten und Abnehmer waren ganz überwiegend Firmen aus Deutschland, Österreich, Italien und England. Bei übereinstimmenden Angeboten und Nachfragen wurde das Geschäft jeweils "kaufmännisch" abgewickelt, d.h. einerseits wurden die Waren beim Lieferanten bestellt, andererseits wurde die Kundenanfrage bestätigt. Die Leistungen erbrachte die T. GmbH gegenüber den Lieferanten und den Erwerbern jeweils im eigenen Namen. Dabei entschieden die Angeklagten, wie die Lieferungen zu erfolgen hatten. Ganz überwiegend beauftragten sie große Logistikfirmen mit dem Transport der Waren. Sie wiesen die Firmen an, die Waren direkt bei den Lieferanten abzuholen und unmittelbar zu den Kunden oder für diese zur Abholung zu einem nahe gelegenen Speditionslager zu bringen.
6
Obwohl die Geschäftsabwicklung weitgehend "störungsfrei" erfolgte, kam es in einzelnen Fällen zu Mängelrügen oder Korrespondenz wegen Mengendifferenzen in den Leistungsverhältnissen. Geschäftsbeziehungen der T. GmbH bestanden auch zu der in Deutschland ansässigen Firma R. und zu mehreren italienischen Firmen, die - unter Einschaltung der T. GmbH - Umsatzsteuerkarussellgeschäfte von und nach Italien betrieben. Nach Einschätzung der Strafkammer stellten sich aus Sicht der Angeklagten die Geschäfts- vorgänge mit der Lieferantin, der Firma R. , und den italienischen Abnehmern als normale und unverdächtige Vorgänge dar. Die T. GmbH habe bestimmt, wer die Waren wohin zu transportieren hatte und wie in Gewährleistungsfällen zu verfahren war. Sie hatte deshalb nach Auffassung der Strafkammer auch die Verfügungsmacht über die gehandelten Waren.
7
b) Die Geschäftsräume der T. GmbH befanden sich in G. in einem scheunenartigen Gebäude. Ob die im Erdgeschoss befindlichen Lagerräume tatsächlich regelmäßig genutzt wurden, konnte nicht geklärt werden. Das Gebäude stand im Eigentum der Mutter der Angeklagten V. ; die steuerliche Beratung im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung und die Finanzbuchhaltung lag in den Händen eines Steuerberaterbüros.
8
Das Belegwesen der T. GmbH war im Zeitraum von Mai bis November 2000 sehr unübersichtlich und unvollständig. Im September 2000 fand bei der Gesellschaft eine Umsatzsteuerprüfung statt, bei der beanstandet wurde, dass teilweise nicht steuerbare Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt worden waren. Der Steuerberater der T. GmbH empfahl deshalb den Angeklagten, die zu einzelnen Geschäftsabwicklungen (Ein- und Verkauf) gehörenden Unterlagen zusammen aufzubewahren. Für jeden Monat wurden danach sog. Monatsordner angelegt. Gleichwohl wurde das Ablagesystem nicht konsequent verfolgt, sodass häufig der Nachweis des jeweiligen Einkaufs oder des Verkaufs fehlte und die Waren nicht vollständig zugeordnet werden konnten. Transportbelege befanden sich teilweise nicht beim Vorgang, sondern bei "losen" Unterlagen. Die Frachtunterlagen enthielten regelmäßig nur Angaben zu Anzahl und Gewicht der Packstücke sowie zu Absender und Empfänger und ließen deshalb keinen "zweifelsfreien" Rückschluss auf den Inhalt der Sendungen zu. Eine lückenlose Zuordnung der Frachtunterlagen zu den einzelnen Geschäftsunterlagen war der Strafkammer daher nicht möglich. Die Sortierung der Papiere, die Erstellung von Ablichtungen und die Vorbereitung der Unterlagen für das Steuerbüro oblag der als Halbtagskraft bei der T. GmbH beschäftigten Zeugin C. , der Schwester der Angeklagten V. .
9
c) Seit Beginn der Geschäftstätigkeit der T. GmbH gehörte die italienische Firma K. mit Sitz in der Provinz Ba. (im Folgenden: Firma K. ) zu ihren Kunden. Die Firma K. war Teil eines von Italien aus operierenden "Umsatzsteuerkarussells". Davon hatten die Angeklagten jedoch keine Kenntnis. Die Firma K. wurde von den italienischen Staatsbürgern P. und B. geleitet. Den Kontakt der T. GmbH zu B. hatte der Zeuge D. , der Betreiber der Firma R. , vermittelt. Die Firma K. trat gegenüber der T. GmbH sowohl als Käuferin als auch als Verkäuferin von Waren auf. Erst geraume Zeit nach Begründung der Geschäftsbeziehung mit der Firma K. kam es dann auch zum geschäftlichen Kontakt mit der Firma R. . Die Frachtunterlagen dokumentieren Kontakte zwischen den beiden Firmen seit September 2000. Den Angeklagten war nach den Urteilsfeststellungen nicht bekannt, dass hinter der Firma R. wiederum die Firma K. stand.
10
In der Folgezeit kam es zwischen der Firma R. und der T. GmbH zu einer lebhaften Geschäftsbeziehung. Die von der Firma R. in einem Inlandsgeschäft gekauften Waren lieferte die T. GmbH umsatzsteuerfrei weiter an Firmen im übrigen Gemeinschaftsgebiet. Empfänger von Warenlieferungen waren hauptsächlich deutsche, österreichische und italienische Firmen sowie ein Unternehmen aus England. Obwohl Teile aus einer Gesamtlieferung, die die Firma R. der T. GmbH in Rechnung gestellt hatte, an eine österreichische und eine englische Firma geliefert worden waren, standen nach den Feststellungen der Strafkammer am Ende der durchgeführten Ermittlungen nur die italienischen Firmen im Verdacht, dem Umsatzsteuerkarussell anzugehören.
In der überwiegenden Zahl der Fälle handelte die T. GmbH mit "Warenpaketen" ; d.h. es bestand eine Übereinstimmung zwischen der von der Firma R. gelieferten und der von der T. GmbH weiterverkauften Ware. Nur in einzelnen Fällen wurde ein bei der Firma R. eingekauftes "Warenpaket" in Teillieferungen an verschiedene Abnehmer aufgesplittet.
11
Die in der Anklage bezeichneten Geschäftsvorgänge betreffen Warenbewegungen , bei denen die Firma R. als Lieferantin für die T. GmbH auftrat. Dabei stammten die Waren jeweils von der italienischen Firma K. , die wie die Firma R. von B. beherrscht wurde. Als Zwischenhändler zwischen den Firmen K. und R. wurden die auf Veranlassung B. s in Deutschland gegründeten Firmen PC und Pa. eingeschaltet , die gegenüber den deutschen Steuerbehörden als importierende Firmen auftraten. Ihrer Pflicht, die Umsatzsteuer auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe der von der Firma K. aus Italien bezogenen Waren an das Finanzamt anzumelden und abzuführen, kamen diese Firmen nicht nach. Vielmehr berechneten sie die Waren unter Einkaufspreis an die Firma R. weiter, der dadurch ein Wettbewerbsvorteil verschafft wurde. Die T. GmbH veräußerte die jeweils von der Firma R. erworbenen Waren mit unterschiedlichen Preisaufschlägen an ihre Kunden weiter.
12
d) In neun Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September 2000 bis Juli 2001 (mit Ausnahme der Monate Oktober 2000 und Januar 2001) machte die T. GmbH Vorsteuerbeträge von jeweils etwa 30.000 DM bis 694.000 DM geltend. Der Ausgleich von Erstattungsforderungen erfolgte durch Überweisung auf eines der Firmenkonten oder durch Verrechnung mit anderweitigen Steuerforderungen.
13
Auf die hohen Erstattungsforderungen reagierte das Finanzamt Gi. bereits seit dem Monat Mai 2000 mit Kontrollmitteilungen, darunter auch an das für die Firma R. zuständige Finanzamt F. . Obwohl das Finanzamt F. noch nicht geantwortet hatte, wies das Finanzamt Gi. im Hinblick auf bislang unverdächtige Reaktionen anderer Finanzämter auf die Kontrollmitteilungen auch eine für den Monat Juni 2001 geltend gemachte Erstattungssumme von mehr als 694.000 DM an.
14
e) Die seit August 2001 gegen die Verantwortlichen der Firmen R. , PC und Pa. geführten Ermittlungsverfahren führten trotz bestehender Haftbefehle und einer internationalen Fahndung nicht zur Ergreifung der mutmaßlichen Täter. Nach Auffassung der Strafkammer ermöglichte die "spezifische Handelstätigkeit" der T. GmbH, die in einer ständig "offenen" Suche nach Lieferanten und Abnehmern bestanden habe, den Drahtziehern des Umsatzsteuerkarussells, der T. GmbH gezielt neue Geschäftskontakte zuzuführen. Hierdurch habe diese Gesellschaft "instrumentalisiert" werden können, ohne dass "notwendigerweise" die Angeklagten hiervon Kenntnis erhielten.
15
3. Im Ermittlungsverfahren haben die Angeklagten die Tatvorwürfe bestritten; in der Hauptverhandlung haben sie sich zu den ihnen zur Last liegenden Taten nicht eingelassen.
16
4. Die Strafkammer hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Sie ist der Ansicht, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme seien nicht zu überwindende Zweifel an der Kenntnis der Angeklagten von ihrer Ein- bindung in das von Italien aus gesteuerte Umsatzsteuerkarussell bzw. an einer fehlenden Verfügungsmacht hinsichtlich der gehandelten Waren verblieben.

II.

17
Die Freisprüche haben keinen Bestand. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge Erfolg; denn die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
18
a) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jeweils m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich der Tatrichter bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jeweils m.w.N.). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.).
19
b) Hier erweist sich die Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.
20
aa) Das Landgericht hat überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt. Es hat im Rahmen der Würdigung einzelner Indizien mehrfach die Formulierung verwendet, dass belastende Schlüsse, die aus der jeweiligen Hilfstatsache gezogen werden können, nicht zwingend seien (z.B. UA S. 31, 32, 81, 85, 97). Es hat dann diese die Angeklagten belastenden Schlüsse nicht gezogen. Damit hat es unrichtige Maßstäbe an die tatrichterliche Überzeugungsbildung angelegt. Diese Vorgehensweise legt die Annahme nahe, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45).
21
Dieser Fehler ist auch nicht im Hinblick auf die vom Landgericht als Gesamtwürdigung (UA S. 104 ff.) bezeichneten abschließenden Erwägungen ohne Auswirkung geblieben. Denn das Landgericht geht auch hier von einem unrichtigen Ansatz aus. Es stellt erkennbar die Indizien nicht mit ihrem jeweiligen Beweiswert in die Gesamtwürdigung ein, sondern prüft, ob die nach der bisherigen Beweiswürdigung verbliebenen belastenden Indizien geeignet sind, seine "verbleibenden Zweifel" zu beseitigen. Umstände, die das Landgericht bereits nach der Einzelwürdigung der Indizien als für einen Tatnachweis nicht ausreichend ausgeschieden hat, werden in diese abschließende Würdigung nicht mehr einbezogen. So werden belastende Umstände wie, dass die T. GmbH lediglich für die belieferte Firma A. eine Warenkreditversicherung abgeschlossen hat (UA S. 94), dass die Angeklagten bei den Firmen Ve.
und Pam. die Umsatzsteueridentifikationsnummern nicht überprüft haben (UA S. 68) und dass von einem auf den Betreiber der am Umsatzsteuerkarussell beteiligten Firma PC registrierten Mobiltelefon mit der T. GmbH telefoniert worden ist - was ein Hinweis auf Direktkontakte sein konnte (UA S. 103) -, nicht mehr erwähnt. Das Gericht hat dabei nicht beachtet, dass Belastungsindizien, die isoliert für einen Tatnachweis nicht ausreichen, in ihrer Gesamtheit eine tragfähige Grundlage für die Überzeugung von der Täterschaft sein und die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können. An der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände fehlt es hier (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jeweils m.w.N.).
22
bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts enthält weitere Wertungsfehler.
23
Nach Auffassung der Strafkammer stellt der Umstand, dass die T. GmbH Steuern und Sozialversicherungsabgaben zahlte, ein die Angeklagten entlastendes Indiz dar (UA S. 107), weil hierdurch zum Ausdruck komme, dass die Gesellschaft nicht nur für kurze Dauer und lediglich zur Umsatzsteuerhinterziehung gegründet worden sei (UA S. 99). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn in dem von der Strafkammer festgestellten Umsatzsteuerkarussell nimmt die von den Angeklagten geleitete Gesellschaft nicht die Funktion eines "Missing Traders", sondern die des "Distributors" wahr. Missing Trader waren die Firmen PC sowie Pa. , weil sie die Computerteile umsatzsteuerfrei aus Italien bezogen und unter dem Einkaufspreis an den "Buffer", die Firma R. , weiterverkauften. Lediglich Missing Trader verschwinden aber zumeist bereits nach kurzer Zeit wieder vom Markt, da sie keine Umsatzsteuer abführen, obwohl sie Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis schreiben, und deshalb schneller entdeckt werden können. Bei den übrigen Firmen in einem Umsatzsteuerkarussell ist es eher von Vorteil, wenn sie sich zumindest formal steuerehrlich und rechtstreu verhalten, weil bei ihnen die Steuererstattungen anfallen. Sie können daher länger am Markt aktiv sein und sogar zusätzlich legale Geschäfte betreiben. Es ist damit für diese Firmen von großer Bedeutung, dass sie nicht als Teil eines Umsatzsteuerkarussells erkannt werden. Der Umstand, dass die T. GmbH Steuern und Sozialabgaben abgeführt hat, durfte daher allenfalls als neutral, nicht aber als für die Angeklagten entlastend gewertet werden.
24
cc) Die Beweiswürdigung kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil sie insgesamt lückenhaft ist.
25
(1) Es fehlt bereits an einer ausreichenden Auseinandersetzung mit der Frage nach einem möglichen Tatmotiv. Die Strafkammer beschränkt sich auf die nicht näher belegte Feststellung, dass ein Motiv der Angeklagten für einen Einstieg in ein Umsatzsteuerkarussell im September 2000 nicht erkennbar sei (UA S. 25). Sie berücksichtigt hierbei nicht, dass die zu hohen (UA S. 23) und betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigten (UA S. 100) Geschäftsführergehälter ein Motiv für die Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell mit zusätzlichen Umsätzen und Gewinnen sein konnten. Es hätte im Hinblick darauf, dass die Angeklagten mehrjährige Erfahrungen in der sog. Computerbranche gesammelt hatten, der Erörterung bedurft, aus welchen Gründen die Angeklagten sich von der Ertragslage nicht gedeckte Geschäftsführergehälter genehmigten und diese selbst in einer schweren Liquiditätskrise der Gesellschaft nicht verringerten. Die Feststellung, die Festsetzung der Höhe der Geschäftsführergehälter sei eine falsche unternehmerische Entscheidung gewesen, die nicht zu bewerten sei, genügt angesichts der Branchenkenntnisse der Angeklagten den an die Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen nicht.
26
(2) Die Beweiswürdigung ist auch deshalb lückenhaft, weil die Strafkammer - obwohl sie vom Vorliegen eines Umsatzsteuerkarussells ausgeht - sich mit der Frage nicht auseinandersetzt, worin der Vorteil der italienischen Drahtzieher des Umsatzsteuerkarussells lag. Es liegt fern, dass diese den deutschen Geschäftspartnern hohe Vorsteuererstattungen verschaffen wollten, ohne selbst hieran zu partizipieren. Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Geschäftsführergehälter deshalb überhöht waren, um auf diese Weise von der T. GmbH erlangte Erstattungsbeträge unauffällig den italienischen Hintermännern zuzuleiten. Zwar fällt der wesentliche "Gewinn" eines Umsatzsteuerkarussells zumeist bei den als Importeuren auftretenden Missing Tradern an; jedoch sind - wie auch hier festgestellt - die Umsatzsteuerkarusselle oft so ausgestaltet , dass auch die übrigen an dem Karussell beteiligten Firmen eine Gewinnspanne haben, die sich aus einem unterschiedlichen Nettopreis bei Anund Verkauf ergibt. Sollen diese Gewinne ganz oder zum Teil an Hintermänner weitergegeben werden, müssen sie über Entnahmen, Geschäftsführergehälter oder aufgrund von Scheinrechnungen aus den Firmen entnommen werden.
27
(3) Lückenhaft ist auch die Würdigung der Aussage der Zeugin C. . Nach deren Angaben waren beide Angeklagte urlaubsbedingt abwesend, als Anfang März 2001 bei der T. GmbH eine Rechnung der Firma R. über gelieferte Drucker einging. Dieser Rechnung waren Frachtpapiere beigefügt, aus denen erkennbar war, dass die erworbenen Drucker von der Firma K. stammten und zunächst zu einem deutlich höheren Preis an die Firma PC verkauft worden waren, als dem, den die Firma R. dann der T. GmbH in Rechnung stellte (UA S. 61). Nach der Würdigung der Strafkammer war den Angeklagten dieser Umstand wegen ihrer gleichzeitigen Urlaubsabwesenheit nicht aufgefallen. Diese Würdigung ist lückenhaft, weil die Strafkammer die Möglichkeit nicht erwogen hat, dass es sich bei der Aussage der Zeugin C. , der Schwester der Angeklagten V. , um eine Gefällig- keitsaussage handeln könnte. Denn es ist eher fern liegend, dass die beiden Geschäftsführer die Abwicklung eines derartigen Geschäfts während einer schweren Liquiditätskrise der Gesellschaft einer als Halbtagskraft eingesetzten gelernten Kosmetikerin (UA S. 12) allein überlassen haben.
28
(4) Bei der Frage, ob die Angeklagten einen Tatvorsatz hatten, hätte sich die Strafkammer mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass nach den von ihr getroffenen Feststellungen die Warenströme in beide Richtungen liefen, weil die Firma K. gegenüber der T. GmbH sowohl als Käuferin als auch als Verkäuferin auftrat (UA S. 12). Da der übliche Weg einer Ware vom Hersteller , ggf. über einen Importeur, zu einem Großhändler und von diesem über einen Einzelhändler zum Kunden führt, ist der Handel in umgekehrter Richtung oder zwischen zwei Händlern auf derselben Handelsebene nur in Ausnahmefällen - z.B. zur Ergänzung des Warensortiments - sinnvoll. Die Kammer hätte daher erörtern müssen, worin sich die Computerteile, die die Firma K. von der T. GmbH kaufte, von denen unterschieden, welche sie an die T. GmbH lieferte. Handelte es sich im Wesentlichen um gleichartige Produkte, wäre dies ein Umstand, der den Angeklagten hätte auffallen müssen.
29
(5) Die Ausführungen der Strafkammer zur Aufspaltung der Kaufpreiszahlungen durch die T. GmbH in einen sofort gezahlten Rechnungsnettobetrag und die erst später gezahlte Umsatzsteuer (UA S. 70 ff.), beziehen ebenfalls nicht alle rechtlich bedeutsamen Aspekte ein. Das Landgericht sieht in dieser Aufspaltung im Hinblick auf die angespannte Liquiditätssituation der T. GmbH "plausible wirtschaftliche Gründe" (UA S. 73). Es berücksichtigt dabei aber die steuerliche Bedeutung der Umsatzsteuer für Unternehmer als bloß durchlaufender Posten nicht. Die T. GmbH als Unternehmerin konnte die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bereits im Rahmen der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung gegenüber dem Finanzamt geltend machen und entspre- chende Erstattungen erhalten. Im Hinblick auf die für Unternehmer gegebene Kostenneutralität der Umsatzsteuer lag es somit eher fern, gerade die Umsatzsteuer erst später an den Verkäufer zu zahlen. Bei Liquiditätsschwierigkeiten hätte es genügt, einen beliebigen Teil des Bruttopreises zu stunden. Es hätte daher der Erörterung durch das Landgericht bedurft, aus welchem Grund die Aufspaltung gerade zwischen Nettopreis und Umsatzsteuer vorgenommen worden ist. Die Abspaltung der Umsatzsteuer deutet eher auf unseriöses Geschäftsgebaren hin. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den Feststellungen der Strafkammer die Angeklagte V. per E-Mail mit B. die Zahlung des "Mehrwertsteuerbetrages" an diesen und nicht etwa an die als Verkäuferin auftretende Firma R. vereinbart hat.
30
(6) Soweit die Strafkammer ausführt, sie habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass ein Treffen vom 5. bis 7. Juni 2001 im Hotel M. in Br. , an dem unter anderem die Italiener B. und P. für die Firma K. , der Zeuge D. für die Firma R. und für die Firma Au. deren Inhaber L. teilgenommen haben (UA S. 25 f., 52), ein "konspiratives Treffen" gewesen sei, enthält die Beweiswürdigung ebenfalls Erörterungsmängel. Die Strafkammer hat zwar berücksichtigt, dass die von der T. GmbH bezahlten Übernachtungs- und Verzehrrechnungen über mehr als 1.200 DM ein gegen die Angeklagten sprechendes Indiz sei. Sie hält es dabei aber für eine bloße Vermutung, dass vor den festgestellten Überweisungen von 1,3 Mio. DM noch Gesprächsbedarf bestand (UA S. 57). Die Strafkammer hat bei dieser Bewertung nicht in die Beweiswürdigung einbezogen , dass das Geschäftsessen mit den nach den Feststellungen der Strafkammer zu den Umsatzsteuerkarussell gehörenden Geschäftspartnern genau in dem Monat stattfand, als einmalig der weitaus höchste Vorsteuerbetrag von mehr als 617.000 DM geltend gemacht wurde. Dieser Umstand durfte bei der Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben.
31
dd) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Erwägungen der Strafkammer zu einem E-Mail-Verkehr mit dem Drahtzieher im Umsatzsteuerkarussell B. .
32
(1) Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). So verhält es sich auch hier.
33
Bei dem E-Mail-Verkehr zwischen B. und der Angeklagten V. handelt es sich um einen Schriftverkehr, der von EDV-Experten der Steuerfahndung F. auf dem sichergestellten Firmencomputer der Firma R. aus gelöschten Dateien ("posta eliminata") wiederhergestellt werden konnte (UA S. 28). Die E-Mails waren von dem Rechner der Firma K. an die Firma R. weitergeleitet worden. Aus diesen E-Mails ergibt sich unter anderem, dass B. die Angeklagte V. gebeten hatte, ihm den steuerpflichtigen Betrag sofort und die Mehrwertsteuer erst innerhalb von 30 Tagen zu bezahlen. Die Angeklagte V. war damit einverstanden, bat aber, statt 1 DM pro Artikel zukünftig 2 DM zu erhalten, da sie ansonsten "zu auffällig" wären, und es viel besser sei, die Aufmerksamkeit von niemandem zu wecken. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat dieser E-Mail-Verkehr auch in der Geschäftskorrespondenz zwischen der Firma R. und der T. GmbH ihren Niederschlag gefunden, da anschließend die T. GmbH von der Firma R. bezogene Waren mit einem Aufschlag von 2 DM pro Artikel an die Firma Ve. in N. weiterverkaufte.
34
Die Strafkammer hat zwar erkannt, dass dieser Ablauf nicht einer normalen Geschäftsabwicklung entspricht, sondern einen gesteuerten Warendurchfluss darstellt. Sie hält es aber für nicht zwingend, dass die Angeklagten den kriminellen Hintergrund durchschauten. Als Grund hierfür nennt die Strafkammer "wettbewerbsrechtliche Gründe", die die Firma K. abgehalten haben könnten, die Firma Ve. direkt zu beliefern, sondern ein "Umgehungsgeschäft" durchzuführen. Gegen eine systematische Kontrolle der Warenlieferungen und Preisgestaltung im Verhältnis der Firmen K. und T. GmbH spreche, dass sich der sichergestellte E-Mail-Verkehr nur auf eine konkrete Lieferung beziehe (UA S. 31 f.). Eine aktive Steuerung des Umsatzsteuerkarussells durch B. über einen längeren Zeitraum hätte aber weitere Auffälligkeiten erwarten lassen, die nicht vorhanden seien (UA S. 104). Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
35
Für die Annahme, dass "wettbewerbsrechtliche Gründe" die Ursache für die Einschaltung deutscher Firmen in den Handel zwischen zwei italienischen Firmen gewesen sein könnten, liefern die vom Landgericht getroffenen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte. Lediglich der Zeuge D. hat angegeben, dass B. die Lieferumwege mit "Gebietsschutzgründen" erklärt habe (UA S. 50). Selbst wenn aus der Sicht der Angeklagten solche wettbewerbsrechtlichen Gründe bestanden haben könnten, hätte das Landgericht aber jedenfalls erörtern müssen, aus welchen Gründen es dann aus der Sicht der Angeklagten für die Umgehung einer "Herstellerklausel" (UA S. 32) der Einschaltung gleich mehrerer deutscher Firmen in einer Lieferkette bedurft hatte. Denn mehrere Zwischenhändler verteuern die Ware nur unnötig.
36
(2) Soweit das Landgericht zugunsten der Angeklagten gewertet hat, dass kein weiterer verdächtiger E-Mail-Verkehr aufgefunden worden ist, lässt es außer Betracht, dass es nahe liegt, dass solche E-Mails zu Verdeckungszwe- cken jeweils sofort gelöscht wurden. Auch der bei der Firma R. sichergestellte E-Mail-Verkehr entstammte Dateien, die bereits gelöscht waren und nur durch EDV-Experten mit Spezialsoftware wiederhergestellt werden konnten. Das Landgericht hätte daher bei der Frage des Tatvorsatzes der Angeklagten erörtern müssen, ob es mit der Annahme, die Angeklagten seien gutgläubig gewesen, vereinbar ist, wenn sie den Schriftverkehr über so wichtige Fragen wie die der Preisgestaltung mit der Firma K. gerade nicht in die Firmenunterlagen der T. GmbH aufgenommen haben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Art der Geschäftsabwicklung und Preisgestaltung nicht dem Geschäftskonzept der Gesellschaft entsprach, von einander unabhängige Käufer und Verkäufer zu finden, um dann jeweils selbst als Vertragspartner aufzutreten.
37
c) Die Freisprüche können auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht zu hohe rechtliche Anforderungen an die subjektive Tatseite gestellt hat. Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO bedarf es keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt , dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Entgegen der Ansicht der Strafkammer (UA S. 109) war es daher für einen Tatvorsatz nicht erforderlich, dass die Angeklagten ihre Einbindung in ein objektiv vorliegendes Umsatzsteuerkarussell sicher erkannt hatten. Bedingter Tatvorsatz kam vielmehr auch dann in Betracht, wenn die Angeklagten angesichts der ihnen bekannten Umstände die Einbindung der T. GmbH in ein Umsatzsteuerkarussell mit den Firmen R. und K. für möglich hielten und dies auch billigten.

III.

38
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
39
Sollte sich auch die neue Strafkammer nicht von einem Tatvorsatz der Angeklagten überzeugen können, wird sie Gelegenheit haben, gemäß § 82 Abs. 1 OWiG die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu beurteilen. Bestehen - wie hier - Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagten zumindest leichtfertig verhalten haben, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob sich die Angeklagten einer Ordnungswidrigkeit der leichtfertigen Steuerhinterziehung im Sinne von § 378 AO schuldig gemacht haben.
40
aa) Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (vgl. Jäger in Klein, AO 10. Aufl. 2009 § 378 Rdn. 20 m.w.N.). Dies liegt hier bei den in der Computerbranche erfahrenen Angeklagten nicht fern.
41
Von Bedeutung kann insoweit insbesondere sein, ob die Angeklagten für die von ihren italienischen Vertragspartnern verwendeten UmsatzsteuerIdentifikationsnummern gemäß § 18e UStG Bestätigungsabfragen an das Bundesamt für Finanzen (jetzt: Bundeszentralamt für Steuern) gerichtet haben. Auch Mängel in der Buchführung und der Dokumentation der Transportvorgänge können für ein sorgfaltswidriges Vorgehen im Hinblick auf steuerliche Pflichten sprechen.
42
bb) Eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 378 AO kommt bei nicht vorsätzlichem Handeln der Angeklagten allerdings nur in Betracht, wenn der Vorsteuerabzug unzulässig war, weil es sonst an einer Steuerverkürzung fehlt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) steht allein der Umstand, dass eine Lieferung an einen Steuerpflichtigen vorgenommen wird, der weder wissen konnte noch wissen musste, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen war, dem Vorsteuerabzug nicht entgegen (vgl. die Nachweise bei BFH DStR 2007, 1524, 1528). Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, können auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (EuGH, Urt. vom 6. Juli 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel u.a., DStR 2006, 1274, Rz. 52; vom 12. Januar 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen Ltd. u.a., DStR 2006, 133, Rz. 55; vgl. auch EuGH, Urt. vom 11. Mai 2006, C-384/04, Federation of Technological Industries, DStR 2006, 897, 900, Rz. 33; BFH DStR 2007, 1524, 1528; DStRE 2005, 43).
43
Selbst wenn der Umsatz den objektiven Kriterien einer Lieferung genügt (Verschaffung der Verfügungsmacht an den betreffenden Gegenständen, vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, § 3 Abs. 1 UStG 1999) und die Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen wäre, ist der Vorsteuerabzug jedoch zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte , der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (EuGH, Optigen, aaO, Rz. 52 und 55 sowie EuGH, Kittel u.a., aaO, Rz. 60 und 61).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander