Bundesgerichtshof Urteil, 23. März 2006 - 1 StR 476/05

bei uns veröffentlicht am23.03.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 476/05
vom
23. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
21. März 2006 in der Sitzung am 23. März 2006, an denen teilgenommen haben
:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Betroffenen wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 10. Juni 2005 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Betroffenen die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet und ihn sogleich in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus überwiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Betroffenen, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der im Jahr 1934 geborene Betroffene erlitt 1955 bei einem Motorradunfall eine Schädelbasisfraktur, in deren Folge es bei ihm zu einer organischen Persönlichkeitsstörung kam. Ein schon damals festgestellter frontaler Hirnsubstanzdefekt führte zu einem fortschreitenden Persönlichkeitsabbau. 1994 wurde er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt, im selben Jahr auch wegen dreier Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte ein Kind jeweils auf den Arm genommen, ihm unter dem T-Shirt an die Brust und über der Kleidung an die Scheide gefasst und ihm schließlich Zungenküsse gegeben. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit konnte nicht ausgeschlossen werden. Nach Verlängerung der Bewährungszeit wurde die Freiheitsstrafe Ende 1997 erlassen.
4
Das Landgericht Passau verurteilte den Betroffenen schließlich am 16. März 1999 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (Einzelstrafen jeweils zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe; sog. Anlassverurteilung in dieser Sache). Er hatte im Sommer 1986 von der damals 12-jährigen Tochter einer Frau, deren Liebhaber er war, den Geschlechtsverkehr erzwungen, indem er dem Kind drohte, sonst seine Schwester "zu gebrauchen". Da sich das Mädchen nicht einschüchtern ließ und sich wehrte, packte er es, riss ihm die Hose herunter und warf es auf eine Couch. Er drückte es an den Schultern nieder und führte den ungeschützten Verkehr bis zum Samenerguss durch. Zwei Wochen nach diesem Vorkommnis wiederholte sich der Vorgang. Wegen zweier ähnlich liegender Taten zum Nachteil der Schwester des Opfers stellte das Landgericht das Verfahren wegen Verjährung ein.
5
Der Betroffene verbüßte die verhängte Freiheitsstrafe vollständig. Für die Zeit nach der Vollstreckung der Strafe ordnete das Landgericht Bayreuth mit Beschluss vom 6. Februar 2002 für die Dauer von fünf Jahren Führungsaufsicht an und brachte den Betroffenen darüber hinaus mit Beschluss vom 10. April 2002 nach dem Bayerischen Gesetz zur Unterbringung besonders rückfallgefährdeter hochgefährlicher Straftäter (BayStrUBG) unbefristet in einer Justiz- vollzugsanstalt unter. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 wurde der Vollzug dieser Anordnung für die Dauer eines Jahres ausgesetzt und dem Betroffenen auferlegt, in einem Seniorenhaus Aufenthalt zu nehmen. Da es dort im Januar und Februar 2004 zu sexuellen Übergriffen auf demente Mitbewohnerinnen kam, widerrief die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 26. März 2004 die Aussetzung. Der Betroffene wurde wieder in den Unterbringungsvollzug genommen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Bundesländern mit Urteil vom 10. Februar 2004 die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass landesrechtlicher sicherungsverwahrender Vorschriften aus verfassungsrechtlichen Gründen abgesprochen und die Geltung solcher Bestimmungen bis zum 30. September 2004 befristet hatte (BVerfGE 109, 190), überwies die Strafvollstreckungskammer den Betroffenen nach § 67a Abs. 2 StGB in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dort befindet er sich seither, mittlerweile aufgrund Unterbringungsbeschlusses nach § 275a Abs. 5 StPO.
6
2. Unter der Zwischenüberschrift "Neuere Entwicklung des Betroffenen" hat die Strafkammer sodann weiter festgestellt:
7
Der Betroffene unterzog sich während des Strafvollzugs nach seiner Verurteilung im Jahr 1999 wegen der beiden 1986 begangenen Vergewaltigungstaten keinerlei psychotherapeutischen Maßnahmen. Eine Sexualtherapie lehnte er stets ab. Ebenso stritt er auch in der Haft die Taten ab und entzog somit möglichen therapeutischen Maßnahmen jegliche Grundlage. Aufgrund bestehender Störungen im kognitiven Bereich und im Hinblick auf die während der Haftzeit fortgeschrittene hirnorganische Persönlichkeitsstörung vermag er die Grenzen zu sexuell deviantem Verhalten nicht zu erkennen und nicht zu reflektieren.
8
Dies führte dazu, dass er sich während seines Aufenthalts in dem Seniorenhaus wiederholt an Mitbewohnerinnen heranmachte, diese an Orte verbrachte , welche vom Pflegepersonal nicht beobachtet wurden, dort deren Unterkörper entkleidete und ihnen die Windelhose öffnete oder die Unterhose auszog , um sich daran sexuell zu ergötzen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorfälle:
9
- Am 14. Januar 2004 fand eine Pflegekraft die an ausgeprägter Demenzerkrankung leidende Heimbewohnerin B. im Zimmer des Betroffenen mit völlig entkleidetem Unterkörper vor, während sich der Betroffene im Badezimmer aufhielt und gerade dabei war seine Hose hochzuziehen.
10
- Am 2. Februar 2004 öffnete der Betroffene im Zimmer der ausgeprägt demenzkranken Bä. deren Windelhose und fasste sie am Intimbereich an. Dabei wurde er von einer Pflegerin angetroffen, die "ihn schimpfte" und fortschickte.
11
- Am 14. Februar 2004 kam eine Pflegekraft hinzu, als er Frau Bä. eine "doppelte Windelhose" machte, indem er ihr die Unterhose auszog und über der Windel eine grüne Windel anzog.
12
- An einem weiteren nicht näher bestimmbaren Tag im Januar oder Februar 2004 traf eine Pflegekraft den Betroffenen dabei an, wie er Frau Bä. auf dem Gang vor den Zimmern von oben in das T-Shirt langte und an ihrer Brust manipulierte.
13
3. Bei seiner Gesamtwürdigung hat das Landgericht angenommen, dass vom Betroffenen eine erhebliche Gefahr für die sexuelle Selbstbestimmung Anderer ausgehe. Krankheitsbedingt sei bei ihm keine Reflektionsfähigkeit mehr vorhanden. Aufgrund seiner organischen Persönlichkeitsstörung sei er nicht mehr in der Lage, im Sexualbereich Grenzen zu erkennen. Wegen seiner erstmals in der Haft aufgetretenen Erektionsstörungen sei auch nach Auffassung der beiden gehörten Sachverständigen erfahrungsgemäß mit der Zuwendung zu immer jüngeren Kindern als Ersatzobjekten zu rechnen, von denen kein unüberwindbarer Widerstand zu erwarten sei, ebenso aber auch mit Ersatzhandlungen und impulsiven Übersprungshandlungen. Diese Entwicklung des Betroffenen spiegele sich in seinen Taten im Seniorenheim wider, wo er sich zwar nicht mehr an Kindern, aber doch an widerstandsunfähigen Personen vergangen habe. Bei ihm liege eine sexuelle Störung mit Steigerung der sexuellen Appetenz vor. Auch wenn man Handlungen wie beispielsweise das "Begrabschen" nicht als erheblich einstufen wolle, so gehe vom Betroffenen gleichwohl eine erhebliche Gefahr für die sexuelle Selbstbestimmung Anderer aus. Angesichts der kognitiven Defizite und der mangelnden Reflektionsfähigkeit des Betroffenen bestehe situationsbedingt immer die konkrete Gefahr, dass sich - ausgehend von den Reaktionen des Opfers - auch gravierende Straftaten entwickeln könnten.
14
4. Das Landgericht geht bei seiner rechtlichen Würdigung vom Vorliegen der Voraussetzungen für die nachträgliche Sicherungsverwahrung aus und knüpft an die Verurteilung durch das Landgericht Passau vom 16. März 1999 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen an (§ 66b Abs. 1 StGB). Der Hang des Betroffenen, erhebliche Straftaten zu begehen, werde durch die Vorstrafen wegen der Vergewaltigung junger Mädchen belegt. Dieser Hang habe weder während der Haft noch wegen des fortgeschrittenen Alters des Betroffenen ein Ende gefunden. Aufgrund der organischen Persönlichkeitsstörung wirke sich das zunehmende Alter vielmehr sogar gefahrerhöhend aus.
15
Vor Ende der Haftzeit seien Tatsachen erkennbar geworden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinwiesen. Er habe während der Haftzeit jegliche Sexualtherapie verweigert und sei nicht therapiefähig , weil er die begangenen Taten immer geleugnet habe. Krankheitsbedingt fehle ihm die Reflektionsfähigkeit über ein mögliches sexualdeviantes Verhalten. Das beruhe auf der organischen Persönlichkeitsstörung als Nachwirkung eines unfallbedingten Hirnsubstanzdefekts, der zu einem fortschreitenden Persönlichkeitsabbau führe. Bei den genannten Gesichtspunkten handele es sich "allesamt um Umstände, die erst in der Haft aufgetreten bzw. - wie der hirnorganische Abbau - fortgeschritten" seien. Die Vorfälle im Seniorenheim belegten die geschilderten Tatsachen bezüglich der Entwicklung des Betroffenen , deren Ursachen und Fortschritt erst in der Haft erkennbar geworden seien.
16
5. Die mit dem Urteil ausgesprochene Überweisung des Betroffenen in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus begründet die Strafkammer damit, dass diese von beiden Sachverständigen ausdrücklich empfohlen worden sei. Die organische Persönlichkeitsstörung des Betroffenen und die Auffälligkeiten unterstrichen das Erfordernis einer hochqualifizierten therapeutischen und pflegerischen Betreuung. Dort könne auch erprobt werden, ob durch eine etwaige medikamentöse Intervention die Verhaltensauffälligkeiten gebessert werden könnten. Deshalb halte auch die Kammer die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus für sachgemäß. Dafür biete das Gesetz aber gegenwärtig keine ausdrückliche Möglichkeit. Zwar sei parallel zum gegenständlichen Verfahren betreffend die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung ein objektives Sicherungsverfahren nach den §§ 413 ff. StPO beim Landgericht Hof anhängig. Dessen Gegenstand sei der sexuelle Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person, nämlich der demenzkranken Frau Bä. (Manipulation an der Brust; vgl. oben, vierter Vorfall). Der Ausgang jenes Verfahrens sei für die Kammer jedoch nicht absehbar und nicht beeinflussbar. Die unmittelbare Anwendung des § 67a Abs. 2 StGB sei nicht möglich. Der Fall zeige jedoch, dass hier ein Bedürfnis für eine gleichzeitige resozialisie- rungsfördernde Überweisung in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bestehe, obgleich die Anordnungsvoraussetzungen für diese Maßnahme (§ 63 StGB) nicht vorlägen.

II.


17
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es läßt besorgen , das Landgericht könne Umstände als "neue Tatsachen" im Sinne der gesetzlichen Voraussetzungen für die nachträgliche Sicherungsverwahrung (§ 66b Abs. 1 StGB) behandelt haben, die von Rechts wegen nicht berücksichtigungsfähig sind oder bei denen dies nach den Urteilsgründen zumindest zweifelhaft ist und unklar bleibt. Das erweist sich als Darlegungs- und Erörterungsmangel , der zur Aufhebung des Urteils führt.
18
1. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung setzt voraus, dass vor Ende des Vollzuges der Freiheitsstrafe aus der Anlassverurteilung Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (§ 66b Abs. 1 StGB). "Neue Tatsachen" im Sinne des § 66b StGB sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Anlassverurteilung) und vor Ende des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind (vgl. BGH NJW 2005, 3078, 3080; NStZ 2005, 561, 562; NJW 2006, 531, 535). Aber auch Umstände, die für einen sorgfältigen Tatrichter bei der Anlassverurteilung erkennbar oder aufklärungsbedürftig waren, sind nicht neu im Sinne des § 66b StGB (BGH NStZ 2006, 155, 156). Darüber hinaus müssen die neuen Tatsachen eine "gewisse Erheblichkeitsschwelle" überschreiten (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887, S. 12). Sie müssen schon für sich Gewicht haben und ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdi- gung aller Umstände auf eine erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung des Lebens , der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Anderer durch den Betroffenen hindeuten (BGH NJW 2006, 531, 535).
19
2. Die vom Landgericht angeführte "neuere Entwicklung" des Betroffenen weist Tatsachen aus, die die Unterbringung in der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen vermögen.
20
Die Strafkammer hat in einem eigenständigen Abschnitt der Urteilsgründe die "neuere Entwicklung" des Betroffenen dargestellt. Dabei hat sie seine fehlende Therapiebereitschaft und sein Bestreiten der Anlasstaten auch in der Strafhaft, den fortschreitenden hirnorganischen Abbau sowie die sexualbezogenen Verhaltensweisen im Umgang mit demenzkranken pflegebedürftigen Frauen während seines Aufenthaltes in einem Seniorenheim angeführt. Diese Gesichtspunkte hat sie auch in der abschließenden rechtlichen Bewertung aufgegriffen , aber nicht verdeutlicht, ob sie in bestimmten Umständen etwa keine neuen Tatsachen gesehen und diese lediglich bei der Gesamtwürdigung und Prognose herangezogen hat. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe spricht eher dafür, dass sie in allen Umständen, die sie unter der "neueren Entwicklung" des Betroffenen aufgeführt hat, neue Tatsachen im Sinne des § 66b StGB gesehen hat. Insoweit gilt:
21
a) Die sexualbezogenen Vorfälle im Seniorenheim haben hier als "neue Tatsachen" von vornherein außer Betracht zu bleiben, weil sie sich nicht während des Vollzuges der Freiheitsstrafe ereignet haben. Vielmehr befand sich der Betroffene in dem in Rede stehenden Zeitraum in einer nachträglichen landes- rechtlichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die ausgesetzt war. Für diese sog. Übergangsfälle hat der Gesetzgeber nochmals ausdrücklich das bestätigt, was sich bereits aus dem Wortlaut des § 66b Abs. 1 StGB ergibt: Umstände aus der landesrechtlichen Unterbringung (nach BayStrUBG) sind keine neuen Tatsachen im Sinne des § 66b StGB (Art. 1a Satz 2 EGStGB; so auch die Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887, S. 20). Sie können allenfalls bei der anzustellenden Gefährlichkeitsprognose mit berücksichtigt werden (vgl. Gesetzesbegründung aaO).
22
b) Hinsichtlich der danach verbleibenden Umstände, die als "neue Tatsachen" im Sinne des Gesetzes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich berücksichtigungsfähig sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht eindeutig entnehmen, ob sie bereits für den früheren Tatrichter erkennbar oder ihm sogar bekannt waren. Die Strafkammer hat sich damit nicht in nachprüfbarer Weise auseinandergesetzt. In den Urteilsgründen klingt jedoch an, dass der Betroffene die Anlasstaten auch schon im Erkenntnisverfahren bestritten hat. Dies ist dem Senat auch aufgrund seiner Befassung mit der seinerzeitigen Revision des Betroffenen gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 16. März 1999 bekannt (1 StR 547/99). Damit liegt nahe, dass auch in der Therapieverweigerung des Betroffenen keine neue Tatsache gesehen werden kann; das wäre nur dann der Fall, wenn das Ursprungsgericht zum Zeitpunkt der Verurteilung davon hätte ausgehen können, der Betroffene werde sich im Strafvollzug einer Erfolg versprechenden Therapie unterziehen (BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05 = NStZ 2006, 155; Beschluss vom 19. Januar 2006 - 4 StR 393/05 - Umdruck S. 12; vgl. zur eingeschränkten Bedeutung fehlender Therapiebereitschaft weiter BVerfGE 109, 190, 241; BGH NJW 2005, 2022, 2024; Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 15/3346, S. 17).
23
c) Ähnlich liegt es für den vom Landgericht festgestellten frontalen Hirnsubstanzdefekt, der sich in der Folge eines schweren Motorradunfalls entwickelt hat, den der Betroffene bereits im Jahr 1955 erlitt. Schon in früherer Zeit war bei ihm ersichtlich in dessen Folge bei strafbaren Handlungen eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen. Das Landgericht hätte sich deshalb damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit es sich bei dieser Entwicklung um eine schon für den Tatrichter der Anlasstat erkennbare neue Tatsache gehandelt hat und, wenn ja, ob gegebenenfalls allein das Fortschreiten des Hirnsubstanzdefekts als einzig verbleibende neue Tatsache die Unterbringung in der nachträglichen Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnte (vgl. für einen erstmals festgestellten frontal betonten Hirnsubstanzdefekt als "neue Tatsache" BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05 - Umdruck S. 6 = NStZ 2006, 155, 156). Das Revisionsgericht vermag diese Bewertung, die tatrichterliche Aufgabe ist, grundsätzlich nicht zu ersetzen.
24
3. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung kann mithin keinen Bestand haben. Schon deshalb entfällt auch die zugleich ausgesprochene Überweisung des Betroffenen in den Vollzug der Maßregel nach § 63 StGB. Diese rechtliche Bewertung entspricht insoweit auch dem vom Generalbundesanwalt in der Revisionshauptverhandlung gestellten Antrag, der von seiner Antragsschrift abweicht.

III.


25
Der Senat sieht im Blick auf die erforderliche Neuverhandlung der Sache Anlass zu den nachfolgenden Hinweisen:
26
1. Das Landgericht, dem die durch den Bundesgerichtshof herausgebildeten Maßstäbe zur Auslegung des § 66b StGB zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht bekannt sein konnten, wird nunmehr zu prüfen haben, ob neue, erstmals in der Strafhaft des Betroffenen hervorgetretene erhebliche Tatsachen feststellbar sind, die bei Aburteilung der Anlasstaten nicht erkennbar waren. Auf dieser Grundlage wird die Frage eines Hanges des Betroffenen zur Begehung von Sexualstraftaten und seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB erneut zu beurteilen sein. Bei der Gefährlichkeitsprognose allerdings kann seine gesamte Entwicklung in den Blick genommen werden (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887, S. 20). Im Einzelnen wird das Landgericht auch Folgendes zu bedenken haben:
27
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist die schwerste Unrechtsfolge , die zum Strafrecht im weiteren Sinne gehört (BVerfGE 109, 190, 211 ff.; BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05 - Umdruck S. 7). Sie ist als letztes Mittel in seltenen Fällen für extrem gefährliche Täterpersönlichkeiten gerechtfertigt (BVerfGE 109, 190, 242). Ihre Anwendung ist nach dem Willen des Gesetzgebers restriktiv zu handhaben (Gesetzesbegründung, aaO, S. 10, 12 f.; BVerfGE aaO, S. 236; BGH aaO, S. 8 m.w.N.). Daran hat sich die Auslegung der Vorschrift zu orientieren.
28
Die neue Strafkammer wird weiter im Auge zu behalten haben, dass "neue Tatsachen" im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB schon für sich Gewicht haben und ungeachtet der notwendigen Gesamtwürdigung aller Umstände auf eine erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit , der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Anderer durch den Betroffenen hindeuten müssen (BGH NJW 2006, 531, 535). Soweit hier letztlich allein das Fortschreiten des Hirnabbaus des Betroffenen infrage stehen sollte, wird zudem zu verlangen sein, dass dieser sich nach außen während der Strafhaft in irgendeiner Form manifestiert und ausgedrückt hat. Der Senat weist in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit einer Rücknahme des Antrags der Staatsanwaltschaft hin (vgl. dazu BGH NJW 2006, 852, 853 Rdn. 10 f.).
29
2. Zudem wird es nahe liegen, dem objektiven Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO, § 63 StGB) beim Landgericht Hof Fortgang zu geben und gegebenenfalls dort einstweilige Maßnahmen zu treffen, mag in jenem Verfahren auch die Erheblichkeit der rechtswidrigen Tat besonders prüfungsbedürftig erscheinen (§ 184f Nr. 1 StGB; vgl. zur daneben bestehenden Möglichkeit der landesrechtlichen Unterbringung auch § 1 Abs. 1 BayUntbrG). Dem anhängigen Sicherungsverfahren kommt allerdings hier kein Vorrang zu, weil die dort gegenständlichen Vorfälle sich nach der Entlassung des Betroffenen aus der Strafhaft ereignet haben. Wäre dies anders und erwiesen sie sich zugleich als "neue Tatsachen" im Sinne des § 66b Abs. 1 StGB, so wäre das Sicherungsverfahren , das ebenfalls den Schutz der Allgemeinheit bezweckt, vorrangig zu betreiben (vgl. zum Vorrang des Erkenntnisverfahrens, wenn dort die Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung besteht: BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 - 5 StR 585/05 - Umdruck S. 10 f.).
30
3. Darüber hinaus weist der Senat darauf hin, dass die vom Landgericht sogleich ("uno actu") mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung erfolgte Überweisung des Betroffenen in die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (nach § 67a Abs. 2 StGB i. V. m. § 63 StGB) dem Zustand des Betroffenen zwar in praktischer Hinsicht Rechnung trägt, aber rechtlichen Bedenken begegnet. Diese hat das Landgericht gesehen, indes an- genommen, sie aus Gründen praktischer Bedürfnisse vernachlässigen zu dürfen.
31
Die Überweisung in die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus darf nicht zugleich mit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ausgesprochen werden. Der Gesetzgeber hat wohl im Grundsatz für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung die Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel offen halten wollen. Darauf deuten die Materialien hin, denen zufolge die Überweisungsvorschrift des § 67a Abs. 2 StGB auch bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung anwendbar sein soll (Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887, S. 14; in diese Richtung auch BVerfGE 109, 190, 242 f.). Für die Überweisung ist jedoch die Strafvollstreckungskammer zuständig. Bei einer Entscheidung durch die Strafkammer würde nicht der gesetzliche Richter tätig (so schon BGH, Beschluss vom 15. Februar 2006 - 2 StR 4/06 - Umdruck S. 10). Angesichts des Gewichts des Eingriffs einer nachträglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in das Freiheitsgrundrecht hält es der Senat zudem ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für nicht statthaft, durch eine "uno actu" ausgesprochene Überweisung in die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gewissermaßen auf diesem Umwege die nachträgliche Unterbringung in der Maßregel des § 63 StGB einzuführen. Hätte der Gesetzgeber diese Möglichkeit schaffen wollen, so hätte das ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung bedurft.
32
Hält man die Überweisungsvorschrift für anwendbar, so ist sie demzufolge ihrem Wortlaut gemäß auszulegen: Die Überweisung ist "nachträglich" möglich , wenn dadurch die Resozialisierung des Betroffenen besser gefördert werden kann (§ 67a Abs. 2 StGB), insbesondere die dort mögliche Behandlung oder auch nur Betreuung seinem Zustand am ehesten gerecht zu werden vermag.
33
Das Landgericht hat all dies im rechtlichen Ansatz selbst so gesehen, sich jedoch zur Schließung der von ihm angenommenen Gesetzeslücke berechtigt erachtet. Der Senat vermag dem nicht beizupflichten. Wahl Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. März 2006 - 1 StR 476/05

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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidu

Strafprozeßordnung - StPO | § 275a Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl


(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig
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(1) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, so kann das Gericht die untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann das Gericht nachträglich auch eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, in den Vollzug einer der in Absatz 1 genannten Maßregeln überweisen. Die Möglichkeit einer nachträglichen Überweisung besteht, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die Überweisung zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist, auch bei einer Person, die sich noch im Strafvollzug befindet und deren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten worden ist.

(3) Das Gericht kann eine Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Resozialisierung der untergebrachten Person dadurch besser gefördert werden kann. Eine Entscheidung nach Absatz 2 kann das Gericht ferner aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass mit dem Vollzug der in Absatz 1 genannten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden kann.

(4) Die Fristen für die Dauer der Unterbringung und die Überprüfung richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Unterbringung gelten. Im Falle des Absatzes 2 Satz 2 hat das Gericht bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 vorliegen.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, so kann das Gericht die untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann das Gericht nachträglich auch eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, in den Vollzug einer der in Absatz 1 genannten Maßregeln überweisen. Die Möglichkeit einer nachträglichen Überweisung besteht, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die Überweisung zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist, auch bei einer Person, die sich noch im Strafvollzug befindet und deren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten worden ist.

(3) Das Gericht kann eine Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Resozialisierung der untergebrachten Person dadurch besser gefördert werden kann. Eine Entscheidung nach Absatz 2 kann das Gericht ferner aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass mit dem Vollzug der in Absatz 1 genannten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden kann.

(4) Die Fristen für die Dauer der Unterbringung und die Überprüfung richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Unterbringung gelten. Im Falle des Absatzes 2 Satz 2 hat das Gericht bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 vorliegen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. „Neu“ im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b StGB sind nur
solche Tatsachen, die nach der letzten Möglichkeit, Sicherungsverwahrung
anzuordnen, erkennbar wurden (Vorrang
des Erkenntnisverfahrens).
2. Auch für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB ist Voraussetzung
die Feststellung eines „Hanges“ im Sinne von
3. Die Strafvollstreckungskammer kann entsprechend § 462a
Abs. 1 Satz 3 StPO die Entscheidung über Weisungen im
Rahmen von Führungsaufsicht der nach § 74f GVG zuständigen
Strafkammer für die Dauer des Verfahrens nach § 275a
StPO übertragen.
BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 – 5 StR 585/05
LG Cottbus –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Februar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2006

beschlossen:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 11. August 2005 wird nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung nachträglich gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Grundlage war eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren durch das Bezirksgericht Cottbus vom 29. Juli 1993 u. a. wegen Vergewaltigung (Einsatzstrafe sieben Jahre Freiheitsstrafe). Die Revision des Verurteilten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Im Alter von 14 und 15 Jahren missbrauchte der Verurteilte zwischen August 1980 und August 1981 in zehn Fällen seine zwei Jahre jüngere Schwester. Im September 1983 vergewaltigte er ein 17 Jahre altes Mädchen, das er zuvor in einer Diskothek kennen gelernt hatte. Deshalb und wegen mehrerer mittäterschaftlich begangener Einbruchsdiebstähle verurteilte ihn das Kreisgericht Cottbus-Stadt am 7. März 1984 zu einer Freiheitsstrafe von
einem Jahr und drei Monaten. Diese verbüßte er bis zur vorzeitigen Entlassung am 21. Februar 1985 unter Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung.
Im April 1985 versuchte der nunmehr 18jährige Verurteilte, eine 45 Jahre alte Schrankenwärterin zu vergewaltigen. Wegen dieser Straftat wurde er am 23. Juli 1985 durch das Kreisgericht Cottbus-Stadt zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; diese und die widerrufene Restfreiheitsstrafe aus der Vorverurteilung verbüßte er bis zum September 1987 vollständig. Wegen zweier Diebstahlstaten wurde er am 3. Juni 1988 durch das Kreisgericht Greifswald zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung durch Amnestie am 23. Dezember 1989 beendet wurde.
Im April 1992 vergewaltigte der Verurteilte ein ihm zuvor unbekanntes zwölf Jahre altes Mädchen. Wegen dieser und einer weiteren Tat (Gefangenenmeuterei ) wurde er am 29. Juli 1993 durch das Bezirksgericht Cottbus zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt; für die Sexualstraftat wurde die Einsatzstrafe von sieben Jahren Freiheitsstrafe verhängt (Anlassverurteilung).
Während des Strafvollzuges, der ab Ende 1993 in der JVA HamburgFuhlsbüttel erfolgte, missbrauchte der nunmehr 28jährige Verurteilte am 25. Mai 1995 einen 42 Jahre alten, ihm körperlich deutlich unterlegenen Mitgefangenen. Wegen dieser Tat wurde er am 2. Oktober 1996 durch das Landgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wurde in diesem Verfahren nicht verhängt, obgleich die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB nach damaligem Recht vorlagen.
Im November 1997 bedrängte der Verurteilte einen 26 Jahre alten Mitgefangenen sexuell. Wegen dieser Handlungen erließ das Amtsgericht Hamburg einen Strafbefehl wegen Beleidigung. Im Juli 1999 ohrfeigte der
Verurteilte einen Mitgefangenen, zu dem er sexuelle Kontakte unterhielt. Deswegen wurde er für zwei Monate auf eine geschlossene Station verlegt.
Von 1995 an beantragte der Verurteilte mehrfach erfolglos seine Aufnahme in sozial-therapeutische Anstalten bzw. sozial-therapeutische Stationen. Zu einer Aufnahme kam es nicht, weil der Verurteilte entweder als dafür nicht geeignet beurteilt wurde oder zu den behandelnden Psychologen kein Vertrauen fassen konnte. Zuletzt sollte er Ende 2003 in die sozialtherapeutische Abteilung der JVA verlegt werden. Zu einer Aufnahme kam es nicht, weil der Verurteilte seine zuvor gegebene Zustimmung zu einer Hormonbehandlung zurückzog.
In den Jahren 2001 und 2004 diagnostizierten zwei Gutachter bei dem Verurteilten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 60.2); sie stellten fest, dass der Verurteilte weiterhin gefährlich sei. Vor der Anlassverurteilung war ein anderer psychiatrischer Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Verurteilten keine Anzeichen für das Vorliegen einer pathologisch relevanten Persönlichkeitsstörung vorlägen. Seit Sommer 2002 unterhält der Verurteilte eine Beziehung zu einer Frau, die er während ihrer Ausbildung zur Juristin in der JVA kennen gelernt hatte. Beide wollen heiraten und eine Familie gründen.
Der Verurteilte verbüßte die Freiheitsstrafen aus den letzten beiden Urteilen vollständig bis zum 12. Dezember 2004, zuletzt den Rest der Gesamtfreiheitsstrafe aus der Anlassverurteilung. Seit dem 13. Dezember 2004 befindet er sich nach § 275a Abs. 5 StPO in einstweiliger Unterbringung.
Auf nicht näher begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 22. Oktober 2004 hat das Landgericht gegen den Verurteilten die Hauptverhandlung durchgeführt und in dem angefochtenen Urteil gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. In dem Verfahren wurden zwei neue psychiatrische Gut-
achten eingeholt, die beide zum Ergebnis kommen, dass der Verurteilte an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leide und aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur das Risiko einer Wiederholung gleich gelagerter erheblicher Straftaten sehr hoch sei.
Als „neue“ Tatsachen im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB hat das Landgericht Folgendes gewertet: die vom Landgericht Hamburg mit vier Jahren Freiheitsstrafe geahndete Sexualstraftat gegen einen Mitgefangenen; die erst während des Strafvollzuges gestellte Diagnose einer Persönlichkeitsstörung; die mit Geldstrafe durch Strafbefehl sanktionierte sexuelle Beleidigung gegenüber einem anderen Mitgefangenen; die erwähnte Tätlichkeit gegen einen weiteren Mitgefangenen; einen Brief teils sexuellen, teils die Anstaltsbediensteten beleidigenden Inhalts an einen Mitarbeiter der Gefangenenhilfe, mit dem der Verurteilte über einige Zeit homosexuelle Kontakte pflegte.

II.


Das angefochtene Urteil hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Es fehlt (im vorliegenden Übergangsfall) nicht an der Verfahrensvoraussetzung eines begründeten Antrags der Staatsanwaltschaft. Ein zulässiger Antrag der Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung setzt allerdings dessen Begründung unter Darlegung der neu erkennbar gewordenen Tatsachen voraus (BGH, Urteil vom 25. November 2005 – 2 StR 272/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, StV 2006, 67, 69; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. November 2005 – 3 StR 345/05). Indes ist den Staatsanwaltschaften aufgrund der insoweit nicht vorhersehbaren Rechtsentwicklung, die auf Mängeln der Gesetzesfassung beruht, bis zur Veröffentlichung der vorgenannten Ent-
scheidung des 2. Strafsenats eine Übergangsfrist zur Stellung formgerechter Anträge zuzubilligen (BGH StV 2006, 67, 69).
In diesem Zusammenhang sieht der Senat Anlass für den Hinweis, dass derartige Anträge der Staatsanwaltschaft möglichst so frühzeitig zu stellen sind, dass eine Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung noch während der regulären Vollzugszeit ergehen kann. Ob an die Nichteinhaltung der Soll-Vorschrift in § 275a Abs. 1 Satz 3 StPO, wonach der Antrag spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen Vollzugsende zu stellen ist, jedenfalls in Fällen, in denen eine Fristwahrung nicht durch erst kurzfristig bekannt gewordene maßgebliche neue Erkenntnisse gehindert war, negative prozessuale Konsequenzen zu knüpfen sind, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden; vorliegend handelt es sich ersichtlich um einen Übergangsfall, weil der Antrag nur wenige Monate nach Inkrafttreten der Neuregelung gestellt wurde.
2. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht – ersichtlich den Vorgaben des OLG Brandenburg folgend (vgl. NStZ 2005, 272) – die Straftat aus dem Jahr 1995 unzutreffend als bedeutende „neue Tatsache“ angesehen hat; auch die bloße Änderung der psychiatrischen Diagnose durfte als solche nicht ohne weiteres herangezogen werden.

a) Einer nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB steht allerdings nicht bereits grundsätzlich entgegen, dass die Verhängung von Sicherungsverwahrung bei Aburteilung der Anlasstat nach Art. 1a EGStGB in der Fassung des Einigungsvertrags vom 31. August 1990 (i. V. mit dem Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990, BGBl II 885, 889, 955) nicht möglich war (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05 m.w.N.). Die damals gültigen Beschränkungen für die Verhängung von Sicherungsverwahrung bei Anlasstaten im Beitrittsgebiet durch Art. 1a Abs. 1 EGStGB a. F. gelten nicht mehr;
es besteht auch keine einschränkende Übergangsregelung für Altfälle mehr (vgl. auch BGH, Urteil vom 1. Juli 2005 – 2 StR 9/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, NStZ 2005, 684, 685). Mit dieser Änderung sollten im Lichte der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. und 10. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 und 190) für verzichtbar gehaltene zeitliche Beschränkungen beseitigt werden (Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887 S. 20). Ob diese Frage bei § 66b Abs. 1 StGB infolge der Verweisung auf „die übrigen Voraussetzungen des § 66“ etwa anders zu bewerten wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Mai 2005 – 1 StR 37/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, NStZ 2005, 561; BGH StV 2006, 67, 70; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05).
Der Gesetzgeber hat mit § 66b Abs. 2 StGB bewusst die Möglichkeit geschaffen, nachträglich Sicherungsverwahrung auch in solchen Fällen zu verhängen, in denen dies bei Aburteilung der Anlasstat nicht möglich gewesen wäre (vgl. Gesetzesbegründung aaO S. 13). Durchgreifende verfassungs - oder konventionsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift hat der Senat – nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen – nicht (vgl. BGH StV 2006, 67, 70 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 66b Rdn. 5 f.):
Die Vorschrift des § 66b StGB ermöglicht die nachträgliche Anordnung der schwersten Unrechtsfolge, die zum Strafrecht im weiteren Sinne gehört (vgl. BVerfGE 109, 190, 211 ff.): der zeitlich unbefristeten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Eine derart schwerwiegende nachträgliche Anordnung von Freiheitsentziehung geht mit einer massiven Einschränkung von Vertrauensschutz einher, da sich der Verurteilte, anders als in allen Regelfällen , nicht auf ein gesichertes Ende des Freiheitsentzugs auf der Grundlage seiner rechtskräftigen Verurteilung verlassen kann. Dieser gewichtige Eingriff in Freiheitsgrundrecht und Vertrauensschutz ist auch nach Abwägung mit den Anliegen einer effektiven Gefahrenabwehr zugunsten der Bürger, die vor drohenden Verletzungen gewichtiger Rechtsgüter durch gefährliche Wieder-
holungstäter geschützt werden sollen, nur dann verfassungsrechtlich hinnehmbar , wenn die Anwendung so restriktiv gehandhabt wird, wie dies der Gesetzgeber ausdrücklich wollte, die Anordnung sich also auf seltene Einzelfälle extrem gefährlicher Täterpersönlichkeiten beschränkt (Gesetzesbegründung aaO S. 10, 12 f.; vgl. auch BVerfGE 109, 190, 236; BGH NStZ 2005, 561, 562; StV 2006, 67, 71; BGH, Beschluss vom 9. November 2005 – 4 StR 483/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, StV 2006, 66). An diesem gesetzgeberischen Anliegen, das aus verfassungsrechtlichen Vorgaben folgt, hat sich die Auslegung und Anwendung von § 66b StGB vorrangig zu orientieren.
aa) Als „neue Tatsachen“ im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB kommen deshalb nur solche in Betracht, die aus Sicht des Gerichts schon für sich gesehen von besonderem prognoserelevanten Gewicht sind (BGH StV 2006, 67, 71) und in symptomatischem Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen (vgl. BGH StV 2006, 66, 67). Besondere Vorsicht ist bei der Bewertung von Vollzugsverhalten geboten, weil die besonderen Bedingungen langjähriger Unterbringung in geschlossenem Freiheitsentzug für Rückschlüsse auf die allgemeine Gefährlichkeit nur bedingt geeignet erscheinen (vgl. BGH StV 2006, 67, 71; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05).
bb) Beachtlich sind nach dem Wortlaut von § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB nur solche Tatsachen, die vor Ende des Vollzugs „erkennbar“ geworden sind. Umstände, die schon für den früheren Tatrichter erkennbar waren, die er aber nicht erkannt hat, scheiden als neue Tatsachen aus (BGH NStZ 2005, 561, 562 m. Anm. Ullenbruch; BGH NStZ 2005, 684, 686). In diesem Sinne „erkennbar“ sind auch solche Umstände, die ein Tatrichter nach Maßstab des § 244 Abs. 2 StPO für die Frage der Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel hätte aufklären müssen (BGH StV 2006, 66).
Die bloße neue (abweichende) Bewertung von bereits bei der Anlassverurteilung bekannten oder erkennbaren Tatsachen – insbesondere eine abweichende psychiatrische Diagnose auf bekannter Tatsachengrundlage – stellt keine „neue“ Tatsache dar (vgl. BGH NStZ 2005, 684, 686; BGH StV 2006, 66, 67; BGH, Urteile vom 19. Januar 2006 – 4 StR 222/05 sowie 393/05; Tröndle/Fischer aaO § 66b Rdn. 14). Rechtsfehler, die durch mangelnde Aufklärung oder infolge Nichtberücksichtigung bereits bekannter oder erkennbarer Tatsachen entstanden sind, dürfen nicht durch die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung korrigiert werden (BGH NStZ 2005, 561, 562; 684, 686; StV 2006, 66, 67).
cc) Entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Neuheit derartiger Tatsachen ist nicht stets die letzte Tatsachenentscheidung bei der Anlassverurteilung (vgl. BGH NStZ 2005, 684, 686; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05), sondern bei weiteren Verurteilungen die letzte Tatsachenverhandlung , in der eine Entscheidung über die primäre Anordnung von Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können (vgl. OLG Frankfurt NStZRR 2005, 106 m. Anm. Eisenberg StV 2005, 345; a. A. OLG Brandenburg NStZ 2005, 272, 275; Veh NStZ 2005, 307, 309 ff.). „Neu“ im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b Abs. 2 StGB können damit nur solche Tatsachen sein, die nach der letzten Möglichkeit, Sicherungsverwahrung anzuordnen, erkennbar wurden. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der Grundsatz, dass das Verfahren nach § 66b StGB nicht der Korrektur rechtsfehlerhafter früherer Entscheidungen dient, die von der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet wurden (BGH NStZ 2005, 561, 562; StV 2006, 67, 71), gilt nicht nur für die Anlassverurteilung, sondern auch für die Aburteilung späterer Straftaten, namentlich während des Strafvollzugs begangener. Lagen hier die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung vor und ist sie, aus welchem Grund auch immer, unterblieben , muss auch insoweit gelten, dass dieses Versäumnis nicht durch die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung behoben werden kann. Ist
nämlich in einem konkreten Strafverfahren von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen worden, obwohl dies grundsätzlich möglich gewesen wäre, ist durch die Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtsfolgen ein individueller Vertrauenstatbestand gesetzt worden. Ein derart im Einzelfall begründetes berechtigtes Vertrauen auf die Bestandskraft eines rechtskräftigen Urteils mit seinen freiheitsbeschränkenden Folgen, damit auch auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung darf nicht dadurch enttäuscht werden, dass eine solche Entscheidung trotz hiernach unveränderter Tatsachengrundlage nachträglich korrigiert wird.
Die Möglichkeiten primärer Verhängung von Sicherungsverwahrung gemäß §§ 66, 66a StGB müssen gegenüber der Möglichkeit nachträglicher Anordnung strikt vorrangig bleiben (vgl. Tröndle/Fischer aaO Rdn. 19 m.w.N.), die gleichsam als Wiederaufnahme zum Nachteil des Verurteilten ausgestaltete nachträgliche Sicherungsverwahrung (vgl. Ullenbruch in MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 41; Zschieschack/Rau JR 2006, 8, 12) darf stets nur subsidiär eingreifen. Eine zur primären Verhängung von Sicherungsverwahrung geeignete Tat kann deshalb grundsätzlich nicht als „neue Tatsache“ gelten. Dies muss auch dem Abschluss eines Verfahrens nach § 275a StPO i.V.m. § 66b StGB anlässlich einer Straftat im Vollzug entgegenstehen , solange nicht geklärt ist, ob die Tat durch Anklage und Hauptverhandlung zur Anordnung von Sicherungsverwahrung führt („Vorrang des Erkenntnisverfahrens“ ). Solche Verfahrensweise entspricht den Vorstellungen des Gesetzgebers; danach ist für die Relevanz neuer Tatsachen im Sinne des § 66b StGB entscheidend, ob sie für die Anordnung von Sicherungsverwahrung „erst zu diesem späten Zeitpunkt berücksichtigt werden konnten“ (Gesetzesbegründung aaO S. 12).
Der wesentliche Gesichtspunkt der Subsidiarität des besonderen Verfahrens nach § 66b StGB, § 275a StPO und der daraus herzuleitende strikte Vorrang des Erkenntnisverfahrens rechtfertigt den – auf den ersten Blick als Wertungswiderspruch imponierenden (vgl. Tröndle/Fischer aaO
§ 66b Rdn. 19) – Umstand, dass die nachträgliche Anordnung nach § 66b StGB aufgrund ihrerseits sicherungsverwahrungsbegründender neuer Straftaten ausscheidet, hingegen wegen weniger gewichtiger Straftaten in Betracht kommt. Da die schwerer wiegenden neuen Straftaten des Verurteilten bei hinreichender Gefährlichkeitsprognose im Sinne von § 66b StGB auch in einem neuen Erkenntnisverfahren fraglos zur Anordnung von Sicherungsverwahrung führen müssten (vgl. auch Streng StV 2006, 92, 97), liegt in Wahrheit materiell gar kein Wertungswiderspruch vor. Formell wird das besondere Verfahren nach § 66b StGB, § 275a StPO sachgerecht auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen die zum Schutz der Allgemeinheit unerlässliche Anordnung der Sicherungsverwahrung im ordentlichen Verfahren nicht durchsetzbar ist.
dd) Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung muss zudem die Feststellung eines Hanges zu erheblichen Straftaten sein. Dies gilt nicht nur für § 66b Abs. 1 StGB (BGH NStZ 2005, 561, 563), sondern muss auch für § 66b Abs. 2 StGB gelten (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 66b Rdn. 20; Zschieschack/Rau JR 2006, 8, 13; zu den anders lautenden Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren: Gesetzesbegründung aaO S. 13). Es wäre unplausibel, wenn sich die Anordnungsvoraussetzungen von § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB in diesem Punkt unterschieden (Tröndle/Fischer aaO). Zudem sollte ein derart schwerwiegender unbefristeter Freiheitseingriff wie die Sicherungsverwahrung lediglich bei solchen Straftätern in Betracht kommen, die eine intensive Neigung zu ganz erheblichen rechtswidrigen Taten aufweisen.
Nur eine Auslegung, wonach stets bei der Anordnung von Sicherungsverwahrung ein „Hang zu erheblichen Straftaten“ im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderlich ist, vermeidet auch Widersprüche zur Regelung in § 67d Abs. 3 StGB, die auch in Fällen nachträglicher Anordnung von Sicherungsverwahrung gilt (vgl. Gesetzesbegründung aaO S. 14). Danach wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn
Jahren für erledigt erklärt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte „infolge seines Hanges“ erhebliche Straftaten begehen wird (vgl. auch § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO). Die Gesetzesformulierung legt nahe, dass bei dem Untergebrachten jedenfalls einmal ein Hang in diesem Sinne festgestellt worden ist (vgl. § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO: „seines Hanges“; § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB: „eines Hanges“). Zudem können die materiellen Voraussetzungen der Erledigung inhaltlich nicht in einem entscheidenden Punkt von den Voraussetzungen der Maßregelanordnung abweichen (vgl. Streng StV 2006, 92, 96).
Dass insbesondere bei von § 66b Abs. 2 StGB auch erfassten Ersttätern eine schmalere Beurteilungsgrundlage gegeben sein kann als bei Mehrfachtätern im Sinne von § 66b Abs. 1 StGB (vgl. hierzu etwa Ullenbruch in MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 123), steht dem nicht entgegen (zutreffend Tröndle/Fischer aaO § 66b Rdn. 20). Zu erwägen wäre, ob in derartigen Fällen , in denen für die erforderliche Feststellung einer intensiven Neigung des Verurteilten zur Begehung besonders gewichtiger Straftaten vorrangig auf eine von ihm begangene besonders schwere Tat abzustellen sein wird, auf das von der Rechtsprechung für den Hang geforderte Kriterium eines „eingeschliffenen Verhaltensmusters“ zu verzichten ist (vgl. hierzu auch Tröndle /Fischer aaO § 66 Rdn. 18 ff.).

b) Nach diesen Kriterien kann die Begründung des Landgerichts für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben:
aa) Eine Berücksichtigung der Sexualstraftat im Justizvollzug 1995 als „neue Tatsache“ scheidet aus. Denn in dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg im Jahr 1996 lagen – anders als im Verfahren vor dem Bezirksgericht Cottbus – die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB vor. Weshalb in diesem Verfahren nicht Sicherungsverwahrung gegen den Verurteilten angeordnet wurde, ist aus dem angefochtenen
Urteil nicht ersichtlich, aber letztlich auch unerheblich. Es geht jedenfalls nicht an, ein etwaiges Versäumnis im vorangegangenen Strafverfahren durch nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu beheben.
bb) Nicht als „neue Tatsache“ kann auch eine bloße Änderung der psychiatrischen Diagnose gelten. Nach den Urteilsgründen liegt nahe, dass der Diagnose der Persönlichkeitsstörung des Verurteilten nur eine Änderung der Bewertung bereits erkannter und erkennbarer Tatsachen zugrunde lag; dies reicht für die Anwendung von § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB nicht aus (vgl. BGH StV 2006, 66, 67; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05 – und Urteile vom 19. Januar 2006 – 4 StR 222/05 sowie 393/05). Dass die jetzt verwertete psychiatrische Beurteilung etwa doch maßgeblich auf für den früheren Tatrichter nicht erkennbaren neuen Umständen beruhte (vgl. BGH StV 2006, 66, 67), wird in dem angegriffenen Urteil nicht belegt.
3. Der Senat sieht davon ab, in der Sache selbst zu erkennen. Als „neue Tatsachen“ verbleiben neben dem sonstigen Vollzugsverhalten (hierbei insbesondere der Weigerung, sich der vorgeschlagenen Hormonbehandlung als Voraussetzung weiterer Therapiemöglichkeiten zu unterziehen, UA S. 29 f.) zwei Übergriffe auf Mitgefangene, von denen einer zu strafrechtlicher Verurteilung mittels Strafbefehl geführt hat, und ein derb-anzüglicher Brief. Nach den Gesetzesmaterialien können derartige Umstände berücksichtigungsfähig sein (vgl. Gesetzesbegründung aaO S. 12). Grundsätzlich kann auch die (hier mittelbare) Verweigerung einer Therapie zu den in § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB genannten neuen Tatsachen gehören, die erst nach der Verurteilung und vor Ende des Vollzuges erkennbar werden und auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit nach seiner Entlassung hinweisen, wenn auch ein solcher Umstand für sich allein kaum einmal ausreichen wird, nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen (vgl. BGH NStZ 2005, 561, 562; Gesetzesbegrün-
dung aaO S. 13; BVerfGE 109, 190, 241). Eine Berücksichtigung der genannten Umstände, die vor dem Hintergrund der Sexualstraftaten des Verurteilten für die bei § 66b StGB vorzunehmende Prognose – stärker als es regelmäßig für im Vollzug nicht unübliche gewaltsame Auseinandersetzungen gilt – gewisses Gewicht erlangen können, erscheint dem Senat nicht sicher ausgeschlossen; zudem ist das Landgericht bislang nicht der Frage nachgegangen , ob die Änderung der psychiatrischen Beurteilung etwa doch auf früher nicht erkennbaren neuen Umständen beruht (vgl. BGH StV 2006, 66, 67).

III.


Für die einstweilige Unterbringung des Verurteilten gilt Folgendes:
1. In Anbetracht der deutlichen Beschränkung der Beurteilungsgrundlage durch die Senatsentscheidung wird der neue Tatrichter alsbald erneut über die vorläufigen Unterbringungsverhältnisse zu entscheiden haben (vgl. § 275a Abs. 5 Satz 4 StPO i.V.m. § 126a Abs. 3 Satz 1 StPO).
Allerdings ist tunlichst zu verhindern, dass für gefährlich gehaltene Straftäter nach langjähriger Haft ohne jede Vorbereitung, d. h. womöglich ohne Unterkunft und ohne rechtzeitige Benachrichtigung des etwa vorhandenen sozialen Umfeldes, sehenden Auges in einer Art und Weise aus dem Vollzug entlassen werden, die das Rückfallrisiko ganz beträchtlich steigern kann. Dies bedingt, dass in jedem Fall, in dem ein Verfahren nach § 275a StPO bei bestehendem Unterbringungsbefehl über das Strafende hinaus andauert , im Strafvollzug vorbereitende organisatorische Maßnahmen zu treffen sind, die für den Fall einer Anordnung der Entlassung sofort greifen. Auch mit Rücksicht auf dieses gravierende Organisationsproblem werden Staatsanwaltschaft und Gericht sich besonders intensiv darum zu bemühen haben, dass Verfahren nach § 66b StGB, § 275a StPO tunlichst vor Erreichen des Strafendes zum Abschluss gebracht werden.
Darüber hinaus ist dem genannten Anliegen ferner – unter Einbindung der hierfür zuständigen Strafvollstreckungskammer – durch verstärkte Ausschöpfung der im Rahmen von Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) möglichen Leitung des Verurteilten zu begegnen (vgl. auch BVerfGE 109, 190, 248 [abweichende Meinung]). Der Senat verkennt dabei nicht die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der derzeitigen Führungsaufsichtsregelung. Schon aus Verhältnismäßigkeitsgründen erscheint ein Ausbau der Führungsaufsicht (vgl. dazu Peglau JR 2006, 14, 17) zu einer effektiven Rückfallvorsorge durch engmaschige Anleitung des Verurteilten als milderes Mittel gegenüber einer etwa vermehrten nachträglichen Verhängung zeitlich unbefristeter Sicherungsverwahrung angezeigt. Ob der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit weitere Auswirkungen auf das Verfahren der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung hat, etwa statt dessen die Anordnung einer weniger schwerwiegenden Maßregel bei gleicher Erfolgsaussicht ermöglicht (vgl. § 67a Abs. 2 StGB; hierzu auch Gesetzesbegründung aaO S. 14), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
2. Aus Sicht des Senats sollte das nach § 74f GVG zuständige Gericht im Rahmen seines Verfahrens – insbesondere bei Aufhebung eines Unterbringungsbefehls nach § 275a Abs. 5 StPO, so namentlich im Zusammenhang mit der Ablehnung des staatsanwaltlichen Antrags durch Urteil – auch Entscheidungen über Weisungen im Rahmen der nach Entlassung aus dem Strafvollzug in aller Regel kraft Gesetzes (§ 68f StGB) eintretenden Führungsaufsicht treffen können.

a) Das nach § 74f GVG zuständige Gericht ist in diesem speziellen Fall sachnäher als die Strafvollstreckungskammer. In dem Verfahren über die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nach § 275a StPO i.V.m. § 66b StGB wird die Frage einer fortwirkenden Gefährlichkeit des Verurteilten im Falle der Haftentlassung mit sachverständiger Hilfe (§ 275a Abs. 4 StPO) besonders eingehend untersucht. Dieses in öffentlicher Hauptverhandlung
unter Mitwirkung eines Verteidigers durchgeführte prognostische Verfahren ist demjenigen der Strafvollstreckungskammer nach § 453 i.V.m. § 463 Abs. 2 StPO in vielerlei Hinsicht überlegen. Insbesondere können in diesem Verfahren – etwa unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten – auch Möglichkeiten einer zunächst engmaschigen Führung des Verurteilten nach Haftentlassung erörtert werden.

b) Zuständig für sämtliche Entscheidungen im Rahmen der gemäß § 68f StGB kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht ist – und bleibt bis zu deren Beendigung – die Strafvollstreckungskammer (vgl. § 463 Abs. 6 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StPO). Allerdings hat diese die Möglichkeit einer Abgabe einzelner Entscheidungen an das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 462a Abs. 1 Satz 3 StPO). Nach bisherigem Rechtsverständnis ist die Abgabemöglichkeit allerdings auf die in § 458 Abs. 1 StPO bezeichneten Fragen beschränkt, die in unmittelbar sachlichem Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Urteil stehen (vgl. BGHSt 26, 352).

c) Der Senat entnimmt den Regelungen in § 462a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 StPO das Anliegen des Gesetzgebers, in Fällen nachträglicher Entscheidungen eine Übertragungsmöglichkeit auf das sachnächste Gericht zu schaffen. Das Verfahren der nachträglichen Verhängung von Sicherungsverwahrung ist sachlich eng mit der Anlassverurteilung verknüpft, andererseits , wie ausgeführt, zugleich mit der nach Vollverbüßung eintretenden Führungsaufsicht. Im Gesetzgebungsverfahren hat der Gesetzgeber – soweit ersichtlich – die nahe liegende Möglichkeit einer hiermit zusammenhängenden Kompetenzübertragung nicht gesehen. Diese planwidrige Regelungslücke ist durch entsprechende Anwendung von § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO auf die im Rahmen der Führungsaufsicht nach den §§ 68a bis 68d StGB zu treffenden Entscheidungen auszufüllen. „Gericht des ersten Rechtszugs“ ist entsprechend § 462a Abs. 6 Alt. 2 StPO das nach § 74f GVG zuständige Gericht , weil das Verfahren zur nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in der Sache am ehesten mit einem Wiederauf-
nahmeverfahren (zuungunsten des Verurteilten) zu vergleichen ist (Ullenbruch in MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 41).

d) Durch entsprechende Weisungen an den Verurteilten (§ 68b StGB), gegebenenfalls auch durch Anweisungen an den zuständigen Bewährungshelfer oder die Führungsaufsichtsstelle (§ 68a Abs. 5 StGB) sollte das mit einer sofortigen Entlassung nach langjähriger Haft verbundene erhöhte Rückfallrisiko soweit wie möglich minimiert werden. Wurden von der Strafvollstreckungskammer bereits Entscheidungen nach §§ 68a ff. StGB getroffen , kann das für die Aufhebung des Unterbringungsbefehls zuständige Gericht nach Übertragung der Entscheidungsbefugnis gemäß § 68d StGB prüfen , ob insoweit Änderungen angezeigt sind.

e) Sinnvollerweise wird die Staatsanwaltschaft zugleich mit der Antragstellung gemäß § 275a Abs. 1 StPO bei der Strafvollstreckungskam-mer entsprechend § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO eine Übertragung der im Rahmen der Führungsaufsicht möglichen Entscheidungen nach §§ 68a, 68b, 68d StGB für die Dauer des Verfahrens nach § 275a StPO an das nach § 74f GVG zuständige Gericht anregen. Weil das übertragende Gericht die Abgabe nach § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO stets rückgängig machen kann, wenn es
dies für zweckmäßig hält (vgl. Fischer in KK, 5. Aufl. § 462a Rdn. 29), erscheint auch eine entsprechende anfängliche Begrenzung möglich.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Wer einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, beharrlich zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
1. „Neu“ im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b StGB sind nur
solche Tatsachen, die nach der letzten Möglichkeit, Sicherungsverwahrung
anzuordnen, erkennbar wurden (Vorrang
des Erkenntnisverfahrens).
2. Auch für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB ist Voraussetzung
die Feststellung eines „Hanges“ im Sinne von
3. Die Strafvollstreckungskammer kann entsprechend § 462a
Abs. 1 Satz 3 StPO die Entscheidung über Weisungen im
Rahmen von Führungsaufsicht der nach § 74f GVG zuständigen
Strafkammer für die Dauer des Verfahrens nach § 275a
StPO übertragen.
BGH, Beschluss vom 22. Februar 2006 – 5 StR 585/05
LG Cottbus –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 22. Februar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2006

beschlossen:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 11. August 2005 wird nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung nachträglich gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Grundlage war eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren durch das Bezirksgericht Cottbus vom 29. Juli 1993 u. a. wegen Vergewaltigung (Einsatzstrafe sieben Jahre Freiheitsstrafe). Die Revision des Verurteilten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Im Alter von 14 und 15 Jahren missbrauchte der Verurteilte zwischen August 1980 und August 1981 in zehn Fällen seine zwei Jahre jüngere Schwester. Im September 1983 vergewaltigte er ein 17 Jahre altes Mädchen, das er zuvor in einer Diskothek kennen gelernt hatte. Deshalb und wegen mehrerer mittäterschaftlich begangener Einbruchsdiebstähle verurteilte ihn das Kreisgericht Cottbus-Stadt am 7. März 1984 zu einer Freiheitsstrafe von
einem Jahr und drei Monaten. Diese verbüßte er bis zur vorzeitigen Entlassung am 21. Februar 1985 unter Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung.
Im April 1985 versuchte der nunmehr 18jährige Verurteilte, eine 45 Jahre alte Schrankenwärterin zu vergewaltigen. Wegen dieser Straftat wurde er am 23. Juli 1985 durch das Kreisgericht Cottbus-Stadt zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; diese und die widerrufene Restfreiheitsstrafe aus der Vorverurteilung verbüßte er bis zum September 1987 vollständig. Wegen zweier Diebstahlstaten wurde er am 3. Juni 1988 durch das Kreisgericht Greifswald zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung durch Amnestie am 23. Dezember 1989 beendet wurde.
Im April 1992 vergewaltigte der Verurteilte ein ihm zuvor unbekanntes zwölf Jahre altes Mädchen. Wegen dieser und einer weiteren Tat (Gefangenenmeuterei ) wurde er am 29. Juli 1993 durch das Bezirksgericht Cottbus zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt; für die Sexualstraftat wurde die Einsatzstrafe von sieben Jahren Freiheitsstrafe verhängt (Anlassverurteilung).
Während des Strafvollzuges, der ab Ende 1993 in der JVA HamburgFuhlsbüttel erfolgte, missbrauchte der nunmehr 28jährige Verurteilte am 25. Mai 1995 einen 42 Jahre alten, ihm körperlich deutlich unterlegenen Mitgefangenen. Wegen dieser Tat wurde er am 2. Oktober 1996 durch das Landgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wurde in diesem Verfahren nicht verhängt, obgleich die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB nach damaligem Recht vorlagen.
Im November 1997 bedrängte der Verurteilte einen 26 Jahre alten Mitgefangenen sexuell. Wegen dieser Handlungen erließ das Amtsgericht Hamburg einen Strafbefehl wegen Beleidigung. Im Juli 1999 ohrfeigte der
Verurteilte einen Mitgefangenen, zu dem er sexuelle Kontakte unterhielt. Deswegen wurde er für zwei Monate auf eine geschlossene Station verlegt.
Von 1995 an beantragte der Verurteilte mehrfach erfolglos seine Aufnahme in sozial-therapeutische Anstalten bzw. sozial-therapeutische Stationen. Zu einer Aufnahme kam es nicht, weil der Verurteilte entweder als dafür nicht geeignet beurteilt wurde oder zu den behandelnden Psychologen kein Vertrauen fassen konnte. Zuletzt sollte er Ende 2003 in die sozialtherapeutische Abteilung der JVA verlegt werden. Zu einer Aufnahme kam es nicht, weil der Verurteilte seine zuvor gegebene Zustimmung zu einer Hormonbehandlung zurückzog.
In den Jahren 2001 und 2004 diagnostizierten zwei Gutachter bei dem Verurteilten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 60.2); sie stellten fest, dass der Verurteilte weiterhin gefährlich sei. Vor der Anlassverurteilung war ein anderer psychiatrischer Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Verurteilten keine Anzeichen für das Vorliegen einer pathologisch relevanten Persönlichkeitsstörung vorlägen. Seit Sommer 2002 unterhält der Verurteilte eine Beziehung zu einer Frau, die er während ihrer Ausbildung zur Juristin in der JVA kennen gelernt hatte. Beide wollen heiraten und eine Familie gründen.
Der Verurteilte verbüßte die Freiheitsstrafen aus den letzten beiden Urteilen vollständig bis zum 12. Dezember 2004, zuletzt den Rest der Gesamtfreiheitsstrafe aus der Anlassverurteilung. Seit dem 13. Dezember 2004 befindet er sich nach § 275a Abs. 5 StPO in einstweiliger Unterbringung.
Auf nicht näher begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft Cottbus vom 22. Oktober 2004 hat das Landgericht gegen den Verurteilten die Hauptverhandlung durchgeführt und in dem angefochtenen Urteil gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. In dem Verfahren wurden zwei neue psychiatrische Gut-
achten eingeholt, die beide zum Ergebnis kommen, dass der Verurteilte an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung leide und aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur das Risiko einer Wiederholung gleich gelagerter erheblicher Straftaten sehr hoch sei.
Als „neue“ Tatsachen im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB hat das Landgericht Folgendes gewertet: die vom Landgericht Hamburg mit vier Jahren Freiheitsstrafe geahndete Sexualstraftat gegen einen Mitgefangenen; die erst während des Strafvollzuges gestellte Diagnose einer Persönlichkeitsstörung; die mit Geldstrafe durch Strafbefehl sanktionierte sexuelle Beleidigung gegenüber einem anderen Mitgefangenen; die erwähnte Tätlichkeit gegen einen weiteren Mitgefangenen; einen Brief teils sexuellen, teils die Anstaltsbediensteten beleidigenden Inhalts an einen Mitarbeiter der Gefangenenhilfe, mit dem der Verurteilte über einige Zeit homosexuelle Kontakte pflegte.

II.


Das angefochtene Urteil hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Es fehlt (im vorliegenden Übergangsfall) nicht an der Verfahrensvoraussetzung eines begründeten Antrags der Staatsanwaltschaft. Ein zulässiger Antrag der Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung setzt allerdings dessen Begründung unter Darlegung der neu erkennbar gewordenen Tatsachen voraus (BGH, Urteil vom 25. November 2005 – 2 StR 272/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, StV 2006, 67, 69; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. November 2005 – 3 StR 345/05). Indes ist den Staatsanwaltschaften aufgrund der insoweit nicht vorhersehbaren Rechtsentwicklung, die auf Mängeln der Gesetzesfassung beruht, bis zur Veröffentlichung der vorgenannten Ent-
scheidung des 2. Strafsenats eine Übergangsfrist zur Stellung formgerechter Anträge zuzubilligen (BGH StV 2006, 67, 69).
In diesem Zusammenhang sieht der Senat Anlass für den Hinweis, dass derartige Anträge der Staatsanwaltschaft möglichst so frühzeitig zu stellen sind, dass eine Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung noch während der regulären Vollzugszeit ergehen kann. Ob an die Nichteinhaltung der Soll-Vorschrift in § 275a Abs. 1 Satz 3 StPO, wonach der Antrag spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen Vollzugsende zu stellen ist, jedenfalls in Fällen, in denen eine Fristwahrung nicht durch erst kurzfristig bekannt gewordene maßgebliche neue Erkenntnisse gehindert war, negative prozessuale Konsequenzen zu knüpfen sind, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden; vorliegend handelt es sich ersichtlich um einen Übergangsfall, weil der Antrag nur wenige Monate nach Inkrafttreten der Neuregelung gestellt wurde.
2. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht – ersichtlich den Vorgaben des OLG Brandenburg folgend (vgl. NStZ 2005, 272) – die Straftat aus dem Jahr 1995 unzutreffend als bedeutende „neue Tatsache“ angesehen hat; auch die bloße Änderung der psychiatrischen Diagnose durfte als solche nicht ohne weiteres herangezogen werden.

a) Einer nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB steht allerdings nicht bereits grundsätzlich entgegen, dass die Verhängung von Sicherungsverwahrung bei Aburteilung der Anlasstat nach Art. 1a EGStGB in der Fassung des Einigungsvertrags vom 31. August 1990 (i. V. mit dem Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990, BGBl II 885, 889, 955) nicht möglich war (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05 m.w.N.). Die damals gültigen Beschränkungen für die Verhängung von Sicherungsverwahrung bei Anlasstaten im Beitrittsgebiet durch Art. 1a Abs. 1 EGStGB a. F. gelten nicht mehr;
es besteht auch keine einschränkende Übergangsregelung für Altfälle mehr (vgl. auch BGH, Urteil vom 1. Juli 2005 – 2 StR 9/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, NStZ 2005, 684, 685). Mit dieser Änderung sollten im Lichte der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. und 10. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 und 190) für verzichtbar gehaltene zeitliche Beschränkungen beseitigt werden (Gesetzesbegründung BTDrucks. 15/2887 S. 20). Ob diese Frage bei § 66b Abs. 1 StGB infolge der Verweisung auf „die übrigen Voraussetzungen des § 66“ etwa anders zu bewerten wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Mai 2005 – 1 StR 37/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, NStZ 2005, 561; BGH StV 2006, 67, 70; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05).
Der Gesetzgeber hat mit § 66b Abs. 2 StGB bewusst die Möglichkeit geschaffen, nachträglich Sicherungsverwahrung auch in solchen Fällen zu verhängen, in denen dies bei Aburteilung der Anlasstat nicht möglich gewesen wäre (vgl. Gesetzesbegründung aaO S. 13). Durchgreifende verfassungs - oder konventionsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift hat der Senat – nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen – nicht (vgl. BGH StV 2006, 67, 70 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 66b Rdn. 5 f.):
Die Vorschrift des § 66b StGB ermöglicht die nachträgliche Anordnung der schwersten Unrechtsfolge, die zum Strafrecht im weiteren Sinne gehört (vgl. BVerfGE 109, 190, 211 ff.): der zeitlich unbefristeten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Eine derart schwerwiegende nachträgliche Anordnung von Freiheitsentziehung geht mit einer massiven Einschränkung von Vertrauensschutz einher, da sich der Verurteilte, anders als in allen Regelfällen , nicht auf ein gesichertes Ende des Freiheitsentzugs auf der Grundlage seiner rechtskräftigen Verurteilung verlassen kann. Dieser gewichtige Eingriff in Freiheitsgrundrecht und Vertrauensschutz ist auch nach Abwägung mit den Anliegen einer effektiven Gefahrenabwehr zugunsten der Bürger, die vor drohenden Verletzungen gewichtiger Rechtsgüter durch gefährliche Wieder-
holungstäter geschützt werden sollen, nur dann verfassungsrechtlich hinnehmbar , wenn die Anwendung so restriktiv gehandhabt wird, wie dies der Gesetzgeber ausdrücklich wollte, die Anordnung sich also auf seltene Einzelfälle extrem gefährlicher Täterpersönlichkeiten beschränkt (Gesetzesbegründung aaO S. 10, 12 f.; vgl. auch BVerfGE 109, 190, 236; BGH NStZ 2005, 561, 562; StV 2006, 67, 71; BGH, Beschluss vom 9. November 2005 – 4 StR 483/05, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen, StV 2006, 66). An diesem gesetzgeberischen Anliegen, das aus verfassungsrechtlichen Vorgaben folgt, hat sich die Auslegung und Anwendung von § 66b StGB vorrangig zu orientieren.
aa) Als „neue Tatsachen“ im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB kommen deshalb nur solche in Betracht, die aus Sicht des Gerichts schon für sich gesehen von besonderem prognoserelevanten Gewicht sind (BGH StV 2006, 67, 71) und in symptomatischem Zusammenhang mit der Anlassverurteilung stehen (vgl. BGH StV 2006, 66, 67). Besondere Vorsicht ist bei der Bewertung von Vollzugsverhalten geboten, weil die besonderen Bedingungen langjähriger Unterbringung in geschlossenem Freiheitsentzug für Rückschlüsse auf die allgemeine Gefährlichkeit nur bedingt geeignet erscheinen (vgl. BGH StV 2006, 67, 71; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05).
bb) Beachtlich sind nach dem Wortlaut von § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB nur solche Tatsachen, die vor Ende des Vollzugs „erkennbar“ geworden sind. Umstände, die schon für den früheren Tatrichter erkennbar waren, die er aber nicht erkannt hat, scheiden als neue Tatsachen aus (BGH NStZ 2005, 561, 562 m. Anm. Ullenbruch; BGH NStZ 2005, 684, 686). In diesem Sinne „erkennbar“ sind auch solche Umstände, die ein Tatrichter nach Maßstab des § 244 Abs. 2 StPO für die Frage der Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel hätte aufklären müssen (BGH StV 2006, 66).
Die bloße neue (abweichende) Bewertung von bereits bei der Anlassverurteilung bekannten oder erkennbaren Tatsachen – insbesondere eine abweichende psychiatrische Diagnose auf bekannter Tatsachengrundlage – stellt keine „neue“ Tatsache dar (vgl. BGH NStZ 2005, 684, 686; BGH StV 2006, 66, 67; BGH, Urteile vom 19. Januar 2006 – 4 StR 222/05 sowie 393/05; Tröndle/Fischer aaO § 66b Rdn. 14). Rechtsfehler, die durch mangelnde Aufklärung oder infolge Nichtberücksichtigung bereits bekannter oder erkennbarer Tatsachen entstanden sind, dürfen nicht durch die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung korrigiert werden (BGH NStZ 2005, 561, 562; 684, 686; StV 2006, 66, 67).
cc) Entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Neuheit derartiger Tatsachen ist nicht stets die letzte Tatsachenentscheidung bei der Anlassverurteilung (vgl. BGH NStZ 2005, 684, 686; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05), sondern bei weiteren Verurteilungen die letzte Tatsachenverhandlung , in der eine Entscheidung über die primäre Anordnung von Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können (vgl. OLG Frankfurt NStZRR 2005, 106 m. Anm. Eisenberg StV 2005, 345; a. A. OLG Brandenburg NStZ 2005, 272, 275; Veh NStZ 2005, 307, 309 ff.). „Neu“ im Sinne der Rechtsprechung zu § 66b Abs. 2 StGB können damit nur solche Tatsachen sein, die nach der letzten Möglichkeit, Sicherungsverwahrung anzuordnen, erkennbar wurden. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der Grundsatz, dass das Verfahren nach § 66b StGB nicht der Korrektur rechtsfehlerhafter früherer Entscheidungen dient, die von der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet wurden (BGH NStZ 2005, 561, 562; StV 2006, 67, 71), gilt nicht nur für die Anlassverurteilung, sondern auch für die Aburteilung späterer Straftaten, namentlich während des Strafvollzugs begangener. Lagen hier die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung vor und ist sie, aus welchem Grund auch immer, unterblieben , muss auch insoweit gelten, dass dieses Versäumnis nicht durch die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung behoben werden kann. Ist
nämlich in einem konkreten Strafverfahren von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen worden, obwohl dies grundsätzlich möglich gewesen wäre, ist durch die Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtsfolgen ein individueller Vertrauenstatbestand gesetzt worden. Ein derart im Einzelfall begründetes berechtigtes Vertrauen auf die Bestandskraft eines rechtskräftigen Urteils mit seinen freiheitsbeschränkenden Folgen, damit auch auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung darf nicht dadurch enttäuscht werden, dass eine solche Entscheidung trotz hiernach unveränderter Tatsachengrundlage nachträglich korrigiert wird.
Die Möglichkeiten primärer Verhängung von Sicherungsverwahrung gemäß §§ 66, 66a StGB müssen gegenüber der Möglichkeit nachträglicher Anordnung strikt vorrangig bleiben (vgl. Tröndle/Fischer aaO Rdn. 19 m.w.N.), die gleichsam als Wiederaufnahme zum Nachteil des Verurteilten ausgestaltete nachträgliche Sicherungsverwahrung (vgl. Ullenbruch in MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 41; Zschieschack/Rau JR 2006, 8, 12) darf stets nur subsidiär eingreifen. Eine zur primären Verhängung von Sicherungsverwahrung geeignete Tat kann deshalb grundsätzlich nicht als „neue Tatsache“ gelten. Dies muss auch dem Abschluss eines Verfahrens nach § 275a StPO i.V.m. § 66b StGB anlässlich einer Straftat im Vollzug entgegenstehen , solange nicht geklärt ist, ob die Tat durch Anklage und Hauptverhandlung zur Anordnung von Sicherungsverwahrung führt („Vorrang des Erkenntnisverfahrens“ ). Solche Verfahrensweise entspricht den Vorstellungen des Gesetzgebers; danach ist für die Relevanz neuer Tatsachen im Sinne des § 66b StGB entscheidend, ob sie für die Anordnung von Sicherungsverwahrung „erst zu diesem späten Zeitpunkt berücksichtigt werden konnten“ (Gesetzesbegründung aaO S. 12).
Der wesentliche Gesichtspunkt der Subsidiarität des besonderen Verfahrens nach § 66b StGB, § 275a StPO und der daraus herzuleitende strikte Vorrang des Erkenntnisverfahrens rechtfertigt den – auf den ersten Blick als Wertungswiderspruch imponierenden (vgl. Tröndle/Fischer aaO
§ 66b Rdn. 19) – Umstand, dass die nachträgliche Anordnung nach § 66b StGB aufgrund ihrerseits sicherungsverwahrungsbegründender neuer Straftaten ausscheidet, hingegen wegen weniger gewichtiger Straftaten in Betracht kommt. Da die schwerer wiegenden neuen Straftaten des Verurteilten bei hinreichender Gefährlichkeitsprognose im Sinne von § 66b StGB auch in einem neuen Erkenntnisverfahren fraglos zur Anordnung von Sicherungsverwahrung führen müssten (vgl. auch Streng StV 2006, 92, 97), liegt in Wahrheit materiell gar kein Wertungswiderspruch vor. Formell wird das besondere Verfahren nach § 66b StGB, § 275a StPO sachgerecht auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen die zum Schutz der Allgemeinheit unerlässliche Anordnung der Sicherungsverwahrung im ordentlichen Verfahren nicht durchsetzbar ist.
dd) Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung muss zudem die Feststellung eines Hanges zu erheblichen Straftaten sein. Dies gilt nicht nur für § 66b Abs. 1 StGB (BGH NStZ 2005, 561, 563), sondern muss auch für § 66b Abs. 2 StGB gelten (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 66b Rdn. 20; Zschieschack/Rau JR 2006, 8, 13; zu den anders lautenden Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren: Gesetzesbegründung aaO S. 13). Es wäre unplausibel, wenn sich die Anordnungsvoraussetzungen von § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB in diesem Punkt unterschieden (Tröndle/Fischer aaO). Zudem sollte ein derart schwerwiegender unbefristeter Freiheitseingriff wie die Sicherungsverwahrung lediglich bei solchen Straftätern in Betracht kommen, die eine intensive Neigung zu ganz erheblichen rechtswidrigen Taten aufweisen.
Nur eine Auslegung, wonach stets bei der Anordnung von Sicherungsverwahrung ein „Hang zu erheblichen Straftaten“ im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderlich ist, vermeidet auch Widersprüche zur Regelung in § 67d Abs. 3 StGB, die auch in Fällen nachträglicher Anordnung von Sicherungsverwahrung gilt (vgl. Gesetzesbegründung aaO S. 14). Danach wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn
Jahren für erledigt erklärt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte „infolge seines Hanges“ erhebliche Straftaten begehen wird (vgl. auch § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO). Die Gesetzesformulierung legt nahe, dass bei dem Untergebrachten jedenfalls einmal ein Hang in diesem Sinne festgestellt worden ist (vgl. § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO: „seines Hanges“; § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB: „eines Hanges“). Zudem können die materiellen Voraussetzungen der Erledigung inhaltlich nicht in einem entscheidenden Punkt von den Voraussetzungen der Maßregelanordnung abweichen (vgl. Streng StV 2006, 92, 96).
Dass insbesondere bei von § 66b Abs. 2 StGB auch erfassten Ersttätern eine schmalere Beurteilungsgrundlage gegeben sein kann als bei Mehrfachtätern im Sinne von § 66b Abs. 1 StGB (vgl. hierzu etwa Ullenbruch in MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 123), steht dem nicht entgegen (zutreffend Tröndle/Fischer aaO § 66b Rdn. 20). Zu erwägen wäre, ob in derartigen Fällen , in denen für die erforderliche Feststellung einer intensiven Neigung des Verurteilten zur Begehung besonders gewichtiger Straftaten vorrangig auf eine von ihm begangene besonders schwere Tat abzustellen sein wird, auf das von der Rechtsprechung für den Hang geforderte Kriterium eines „eingeschliffenen Verhaltensmusters“ zu verzichten ist (vgl. hierzu auch Tröndle /Fischer aaO § 66 Rdn. 18 ff.).

b) Nach diesen Kriterien kann die Begründung des Landgerichts für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben:
aa) Eine Berücksichtigung der Sexualstraftat im Justizvollzug 1995 als „neue Tatsache“ scheidet aus. Denn in dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg im Jahr 1996 lagen – anders als im Verfahren vor dem Bezirksgericht Cottbus – die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB vor. Weshalb in diesem Verfahren nicht Sicherungsverwahrung gegen den Verurteilten angeordnet wurde, ist aus dem angefochtenen
Urteil nicht ersichtlich, aber letztlich auch unerheblich. Es geht jedenfalls nicht an, ein etwaiges Versäumnis im vorangegangenen Strafverfahren durch nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu beheben.
bb) Nicht als „neue Tatsache“ kann auch eine bloße Änderung der psychiatrischen Diagnose gelten. Nach den Urteilsgründen liegt nahe, dass der Diagnose der Persönlichkeitsstörung des Verurteilten nur eine Änderung der Bewertung bereits erkannter und erkennbarer Tatsachen zugrunde lag; dies reicht für die Anwendung von § 66b Abs. 1 oder Abs. 2 StGB nicht aus (vgl. BGH StV 2006, 66, 67; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 – 4 StR 485/05 – und Urteile vom 19. Januar 2006 – 4 StR 222/05 sowie 393/05). Dass die jetzt verwertete psychiatrische Beurteilung etwa doch maßgeblich auf für den früheren Tatrichter nicht erkennbaren neuen Umständen beruhte (vgl. BGH StV 2006, 66, 67), wird in dem angegriffenen Urteil nicht belegt.
3. Der Senat sieht davon ab, in der Sache selbst zu erkennen. Als „neue Tatsachen“ verbleiben neben dem sonstigen Vollzugsverhalten (hierbei insbesondere der Weigerung, sich der vorgeschlagenen Hormonbehandlung als Voraussetzung weiterer Therapiemöglichkeiten zu unterziehen, UA S. 29 f.) zwei Übergriffe auf Mitgefangene, von denen einer zu strafrechtlicher Verurteilung mittels Strafbefehl geführt hat, und ein derb-anzüglicher Brief. Nach den Gesetzesmaterialien können derartige Umstände berücksichtigungsfähig sein (vgl. Gesetzesbegründung aaO S. 12). Grundsätzlich kann auch die (hier mittelbare) Verweigerung einer Therapie zu den in § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB genannten neuen Tatsachen gehören, die erst nach der Verurteilung und vor Ende des Vollzuges erkennbar werden und auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit nach seiner Entlassung hinweisen, wenn auch ein solcher Umstand für sich allein kaum einmal ausreichen wird, nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen (vgl. BGH NStZ 2005, 561, 562; Gesetzesbegrün-
dung aaO S. 13; BVerfGE 109, 190, 241). Eine Berücksichtigung der genannten Umstände, die vor dem Hintergrund der Sexualstraftaten des Verurteilten für die bei § 66b StGB vorzunehmende Prognose – stärker als es regelmäßig für im Vollzug nicht unübliche gewaltsame Auseinandersetzungen gilt – gewisses Gewicht erlangen können, erscheint dem Senat nicht sicher ausgeschlossen; zudem ist das Landgericht bislang nicht der Frage nachgegangen , ob die Änderung der psychiatrischen Beurteilung etwa doch auf früher nicht erkennbaren neuen Umständen beruht (vgl. BGH StV 2006, 66, 67).

III.


Für die einstweilige Unterbringung des Verurteilten gilt Folgendes:
1. In Anbetracht der deutlichen Beschränkung der Beurteilungsgrundlage durch die Senatsentscheidung wird der neue Tatrichter alsbald erneut über die vorläufigen Unterbringungsverhältnisse zu entscheiden haben (vgl. § 275a Abs. 5 Satz 4 StPO i.V.m. § 126a Abs. 3 Satz 1 StPO).
Allerdings ist tunlichst zu verhindern, dass für gefährlich gehaltene Straftäter nach langjähriger Haft ohne jede Vorbereitung, d. h. womöglich ohne Unterkunft und ohne rechtzeitige Benachrichtigung des etwa vorhandenen sozialen Umfeldes, sehenden Auges in einer Art und Weise aus dem Vollzug entlassen werden, die das Rückfallrisiko ganz beträchtlich steigern kann. Dies bedingt, dass in jedem Fall, in dem ein Verfahren nach § 275a StPO bei bestehendem Unterbringungsbefehl über das Strafende hinaus andauert , im Strafvollzug vorbereitende organisatorische Maßnahmen zu treffen sind, die für den Fall einer Anordnung der Entlassung sofort greifen. Auch mit Rücksicht auf dieses gravierende Organisationsproblem werden Staatsanwaltschaft und Gericht sich besonders intensiv darum zu bemühen haben, dass Verfahren nach § 66b StGB, § 275a StPO tunlichst vor Erreichen des Strafendes zum Abschluss gebracht werden.
Darüber hinaus ist dem genannten Anliegen ferner – unter Einbindung der hierfür zuständigen Strafvollstreckungskammer – durch verstärkte Ausschöpfung der im Rahmen von Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) möglichen Leitung des Verurteilten zu begegnen (vgl. auch BVerfGE 109, 190, 248 [abweichende Meinung]). Der Senat verkennt dabei nicht die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der derzeitigen Führungsaufsichtsregelung. Schon aus Verhältnismäßigkeitsgründen erscheint ein Ausbau der Führungsaufsicht (vgl. dazu Peglau JR 2006, 14, 17) zu einer effektiven Rückfallvorsorge durch engmaschige Anleitung des Verurteilten als milderes Mittel gegenüber einer etwa vermehrten nachträglichen Verhängung zeitlich unbefristeter Sicherungsverwahrung angezeigt. Ob der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit weitere Auswirkungen auf das Verfahren der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung hat, etwa statt dessen die Anordnung einer weniger schwerwiegenden Maßregel bei gleicher Erfolgsaussicht ermöglicht (vgl. § 67a Abs. 2 StGB; hierzu auch Gesetzesbegründung aaO S. 14), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
2. Aus Sicht des Senats sollte das nach § 74f GVG zuständige Gericht im Rahmen seines Verfahrens – insbesondere bei Aufhebung eines Unterbringungsbefehls nach § 275a Abs. 5 StPO, so namentlich im Zusammenhang mit der Ablehnung des staatsanwaltlichen Antrags durch Urteil – auch Entscheidungen über Weisungen im Rahmen der nach Entlassung aus dem Strafvollzug in aller Regel kraft Gesetzes (§ 68f StGB) eintretenden Führungsaufsicht treffen können.

a) Das nach § 74f GVG zuständige Gericht ist in diesem speziellen Fall sachnäher als die Strafvollstreckungskammer. In dem Verfahren über die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nach § 275a StPO i.V.m. § 66b StGB wird die Frage einer fortwirkenden Gefährlichkeit des Verurteilten im Falle der Haftentlassung mit sachverständiger Hilfe (§ 275a Abs. 4 StPO) besonders eingehend untersucht. Dieses in öffentlicher Hauptverhandlung
unter Mitwirkung eines Verteidigers durchgeführte prognostische Verfahren ist demjenigen der Strafvollstreckungskammer nach § 453 i.V.m. § 463 Abs. 2 StPO in vielerlei Hinsicht überlegen. Insbesondere können in diesem Verfahren – etwa unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten – auch Möglichkeiten einer zunächst engmaschigen Führung des Verurteilten nach Haftentlassung erörtert werden.

b) Zuständig für sämtliche Entscheidungen im Rahmen der gemäß § 68f StGB kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht ist – und bleibt bis zu deren Beendigung – die Strafvollstreckungskammer (vgl. § 463 Abs. 6 i.V.m. § 462a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StPO). Allerdings hat diese die Möglichkeit einer Abgabe einzelner Entscheidungen an das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 462a Abs. 1 Satz 3 StPO). Nach bisherigem Rechtsverständnis ist die Abgabemöglichkeit allerdings auf die in § 458 Abs. 1 StPO bezeichneten Fragen beschränkt, die in unmittelbar sachlichem Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Urteil stehen (vgl. BGHSt 26, 352).

c) Der Senat entnimmt den Regelungen in § 462a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 StPO das Anliegen des Gesetzgebers, in Fällen nachträglicher Entscheidungen eine Übertragungsmöglichkeit auf das sachnächste Gericht zu schaffen. Das Verfahren der nachträglichen Verhängung von Sicherungsverwahrung ist sachlich eng mit der Anlassverurteilung verknüpft, andererseits , wie ausgeführt, zugleich mit der nach Vollverbüßung eintretenden Führungsaufsicht. Im Gesetzgebungsverfahren hat der Gesetzgeber – soweit ersichtlich – die nahe liegende Möglichkeit einer hiermit zusammenhängenden Kompetenzübertragung nicht gesehen. Diese planwidrige Regelungslücke ist durch entsprechende Anwendung von § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO auf die im Rahmen der Führungsaufsicht nach den §§ 68a bis 68d StGB zu treffenden Entscheidungen auszufüllen. „Gericht des ersten Rechtszugs“ ist entsprechend § 462a Abs. 6 Alt. 2 StPO das nach § 74f GVG zuständige Gericht , weil das Verfahren zur nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in der Sache am ehesten mit einem Wiederauf-
nahmeverfahren (zuungunsten des Verurteilten) zu vergleichen ist (Ullenbruch in MünchKomm-StGB § 66b Rdn. 41).

d) Durch entsprechende Weisungen an den Verurteilten (§ 68b StGB), gegebenenfalls auch durch Anweisungen an den zuständigen Bewährungshelfer oder die Führungsaufsichtsstelle (§ 68a Abs. 5 StGB) sollte das mit einer sofortigen Entlassung nach langjähriger Haft verbundene erhöhte Rückfallrisiko soweit wie möglich minimiert werden. Wurden von der Strafvollstreckungskammer bereits Entscheidungen nach §§ 68a ff. StGB getroffen , kann das für die Aufhebung des Unterbringungsbefehls zuständige Gericht nach Übertragung der Entscheidungsbefugnis gemäß § 68d StGB prüfen , ob insoweit Änderungen angezeigt sind.

e) Sinnvollerweise wird die Staatsanwaltschaft zugleich mit der Antragstellung gemäß § 275a Abs. 1 StPO bei der Strafvollstreckungskam-mer entsprechend § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO eine Übertragung der im Rahmen der Führungsaufsicht möglichen Entscheidungen nach §§ 68a, 68b, 68d StGB für die Dauer des Verfahrens nach § 275a StPO an das nach § 74f GVG zuständige Gericht anregen. Weil das übertragende Gericht die Abgabe nach § 462a Abs. 1 Satz 3 StPO stets rückgängig machen kann, wenn es
dies für zweckmäßig hält (vgl. Fischer in KK, 5. Aufl. § 462a Rdn. 29), erscheint auch eine entsprechende anfängliche Begrenzung möglich.
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(1) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, so kann das Gericht die untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann das Gericht nachträglich auch eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, in den Vollzug einer der in Absatz 1 genannten Maßregeln überweisen. Die Möglichkeit einer nachträglichen Überweisung besteht, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die Überweisung zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist, auch bei einer Person, die sich noch im Strafvollzug befindet und deren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten worden ist.

(3) Das Gericht kann eine Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Resozialisierung der untergebrachten Person dadurch besser gefördert werden kann. Eine Entscheidung nach Absatz 2 kann das Gericht ferner aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass mit dem Vollzug der in Absatz 1 genannten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden kann.

(4) Die Fristen für die Dauer der Unterbringung und die Überprüfung richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Unterbringung gelten. Im Falle des Absatzes 2 Satz 2 hat das Gericht bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 vorliegen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, so kann das Gericht die untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann das Gericht nachträglich auch eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, in den Vollzug einer der in Absatz 1 genannten Maßregeln überweisen. Die Möglichkeit einer nachträglichen Überweisung besteht, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die Überweisung zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist, auch bei einer Person, die sich noch im Strafvollzug befindet und deren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten worden ist.

(3) Das Gericht kann eine Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Resozialisierung der untergebrachten Person dadurch besser gefördert werden kann. Eine Entscheidung nach Absatz 2 kann das Gericht ferner aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass mit dem Vollzug der in Absatz 1 genannten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden kann.

(4) Die Fristen für die Dauer der Unterbringung und die Überprüfung richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Unterbringung gelten. Im Falle des Absatzes 2 Satz 2 hat das Gericht bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 vorliegen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, so kann das Gericht die untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann das Gericht nachträglich auch eine Person, gegen die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, in den Vollzug einer der in Absatz 1 genannten Maßregeln überweisen. Die Möglichkeit einer nachträglichen Überweisung besteht, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die Überweisung zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist, auch bei einer Person, die sich noch im Strafvollzug befindet und deren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten worden ist.

(3) Das Gericht kann eine Entscheidung nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Resozialisierung der untergebrachten Person dadurch besser gefördert werden kann. Eine Entscheidung nach Absatz 2 kann das Gericht ferner aufheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass mit dem Vollzug der in Absatz 1 genannten Maßregeln kein Erfolg erzielt werden kann.

(4) Die Fristen für die Dauer der Unterbringung und die Überprüfung richten sich nach den Vorschriften, die für die im Urteil angeordnete Unterbringung gelten. Im Falle des Absatzes 2 Satz 2 hat das Gericht bis zum Beginn der Vollstreckung der Unterbringung jeweils spätestens vor Ablauf eines Jahres zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 2 vorliegen.