Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2019 - 1 StR 646/18

bei uns veröffentlicht am10.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 646/18
vom
10. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:100419U1STR646.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 12. März 2019 in der Sitzung am 10. April 2019, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger als Vorsitzender, die Richter am Bundesgerichtshof Bellay, Dr. Bär und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Hohoff, Dr. Pernice,
Richterin am Landgericht – in der Verhandlung vom 12. März 2019 –, Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung am 10. April 2019 – als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 12. März 2019 – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 12. März 2019 – als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Juli 2018, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum Tatgeschehen – mit Ausnahme der Feststellungen zum Rücktritt – aufrechterhalten.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und den nicht revidierenden Mitangeklagten B. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die zuletzt nur noch auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg; jedoch haben die zum Tatgeschehen getroffenen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum Rücktritt Bestand.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen der Angeklagte und der Mitangeklagte, die nach dem vorangegangenen Besuch einer Diskothek alkoholisiert und dadurch in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt waren , am 3. Oktober 2017 um kurz nach 6 Uhr in der H. -D. -Straße in

N.

auf den Nebenkläger S. , der gerade sein Fahrzeug geparkt hatte und beim nahegelegenen Bahnhof seine Arbeit als Lokführer aufnehmen wollte. Die Angeklagten forderten den Nebenkläger auf, sie nach Hause zu fahren, worauf sich eine zunächst verbale Auseinandersetzung entwickelte, in deren Verlauf der Nebenkläger den immer aggressiver werdenden Angeklagten androhte, das von ihm mitgeführte Pfefferspray einzusetzen und die Polizei zu rufen, und der Mitangeklagte dem Nebenkläger mehrfach mit den Worten drohte : „wir schlagen dich zusammen“. Als der Nebenkläger an den Angeklagten vorbei ging, um zum Bahnhof zu gelangen, und die Angeklagten ihm erneut drohten: “jetzt prügeln wir Dich zusammen“, sprühte er Pfefferspray nach oben in die Luft, um sich zu verteidigen. Die Angeklagten sprangen daraufhin auf den
Nebenkläger zu. Der Mitangeklagte schlug mehrfach mit der Faust in Richtung des Gesichts des Nebenklägers, wobei es diesem gelang, den Schlägen auszuweichen , so dass er nur leicht am Kopf getroffen wurde. Während des Gerangels , in dessen Folge der Mitangeklagte und der Nebenkläger zu Boden gingen , sprühte der Nebenkläger wiederholt Pfefferspray in Richtung des Mitangeklagten. Auf dem Boden fixierte dieser den auf dem Rücken liegenden Nebenkläger , indem er sich so auf ihn legte, dass nur noch sein Kopf- und Schulterbereich frei war. Nun mischte sich der Angeklagte in die körperliche Auseinandersetzung ein, um diese zu beenden. Er schlug mehrfach mit der Faust in Richtung des Gesichts des Nebenklägers, traf jedoch nicht, weil es diesem gelang, den Kopf auf die andere Seite zu drehen. Der Angeklagte ging hierauf um den Nebenkläger herum auf dessen linke Seite und kickte aus Verärgerung über dessen vorangegangenes Verhalten mit voller Wucht mit seinem mit einem Sportschuh beschuhten Fuß gegen das Gesicht des noch immer vom Mitangeklagten am Boden fixierten Nebenklägers. Hierbei hielt er es für möglich, dass der Nebenkläger durch den massiven Fußtritt in sein Gesicht zu Tode kommen könnte, und nahm diese Folge billigend in Kauf.
3
Durch den Tritt, der den Nebenkläger zwischen linkem Auge und Ohr traf, erlitt dieser eine komplexe Mittelgesichtsfraktur links mit Trümmerbruch der linken Kieferhöhle, des Orbitabodens, der lateralen (seitlichen) Orbitawand links und des linken Jochbogens sowie ausgeprägte Prellmarken und Hämatome im Gesichtsbereich.
4
Unmittelbar nach dem Tritt rief der Nebenkläger mehrfach laut um Hilfe. „Aufgrundder Hilferufe“ ließ der Angeklagte vom Nebenkläger ab und begann wegzurennen, wobei er dem Mitangeklagten zurief: „D. , lauf“. Auch der Mit- angeklagte ließ darauf vom Nebenkläger ab und beide Angeklagte rannten ca. einen Kilometer weit davon.

II.


5
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg; die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand. Zwar ist das Landgericht rechtsfehlerfrei von einem bedingt vorsätzlichen Versuch des Totschlags zum Nachteil des Nebenklägers ausgegangen; die Ausführungen, mit denen die Strafkammer einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch verneint hat, halten jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Das Landgericht, das ersichtlich vom Vorliegen eines unbeendeten Tötungsversuchs ausgegangen ist, hat einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der Tötung des Nebenklägers mit der Begründung verneint , der Angeklagte habe die Tatbegehung nicht freiwillig aufgegeben, sondern deshalb, weil der Angeklagte wegen der Hilfeschreie des Nebenklägers das „Tatrisiko“ nicht mehr für vertretbar hielt (UA S. 27). Diese Wertung wird nicht von rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen.
7
a) Rechtsfehlerfrei ist allerdings der rechtliche Ansatz des Landgerichts, dass ein Rücktritt dann nicht mehr freiwillig ist, wenn der Täter von weiteren Ausführungshandlungen deshalb Abstand nimmt, weil er das mit einer weiteren Tatausführung verbundene Entdeckungsrisiko für nicht mehr vertretbar hält.
8
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt die Beurteilung der Frage, ob die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. BGH, Urteile vom 28. September 2017 – 4 StR 282/17, StraFo 2018, 31 f. mwN und vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279 mwN; Beschluss vom 24. Oktober 2018 – 1 StR 452/18 Rn. 7, juris).
Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten oder einem Verhalten des Geschädigten erfolgt, für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. September 2017 – 4 StR 282/17, StraFo 2018, 31 f. und vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299; Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2StR 289/13, StV 2014, 336 f.). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. September 2017 – 4 StR 282/17, StraFo 2018, 31 f. und vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299; Beschlüsse vom 7. März 2018 – 1 StR 83/18, NStZ-RR 2018, 169, 170 mwN; vom 3. April 2014 – 2 StR 643/13, NStZ-RR 2014, 241 mwN; vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172 und vom 10. Juli 2013 – 2 StR 289/13, StV 2014, 336 f.).
9
Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko, angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (vgl. BGH, Urteile vom 28. September 2017 – 4 StR 282/17, StraFo 2018, 31 f. mwN und vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 229/13, NStZ-RR 2014, 9, 10; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ-RR 2007, 136, 137). Eine Erhöhung des Entdeckungsrisikos rechtfertigt aber für sich genommen weder die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, noch steht sie grundsätzlich einer Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen, da ein Täter in der Zeit bis zum Eintreffen von feststellungsbereiten Dritten grundsätzlich noch ungehindert weitere Ausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass damit für ihn eine beträchtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 7. März 2018 – 1 StR 83/18, NStZ-RR 2018, 169, 170 mwN; vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17, StV 2018, 715 f. und vom 20. November 2013 – 3 StR 325/13, NStZ-RR 2014, 105; zu einer beträchtlichen Risikoerhöhung : BGH, Urteil vom 15. September 2005 – 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, 169; Beschlüsse vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ 2007, 265, 266 und vom 13. Juni 2006 – 4 StR 67/06, NStZ 2006, 685). Verbleibende Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zu Gunsten des Täters zu lösen (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2017 – 4 StR 282/17, StraFo 2018, 31 f.; Beschluss vom 27. Februar 2003 – 4 StR 59/02, NStZ-RR 2003, 199).
10
b) Die Feststellungen, auf deren Grundlage das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte das „Tatrisiko“ wegen der Hilfeschreie des Nebenklägers für nicht mehr vertretbar hielt und er deshalb nicht weiter auf den Nebenkläger eingewirkt hat, werden jedoch von der Beweiswürdigung nicht getragen.
11
aa) Die Beweiswürdigung ist allerdings Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Zu deren Überprüfung ist das Revisionsgericht nur eingeschränkt berufen und in der Lage. Es hat die tatrichterliche Würdigung grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten. Solche sind namentlich dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist oder wenn sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 2 StR 513/16 Rn. 20, juris; Urteil vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184). Dabei brauchen die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind.

12
Die Urteilsgründe müssen aber ergeben, dass alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in die Beweiswürdigung einbezogen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.; MüKo-StPO/Miebach, § 261 Rn. 108 mwN), und erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen nicht lediglich Vermutungen sind, für die es weder eine belastbare Tatsachengrundlage noch einen gesicherten Erfahrungssatz gibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2017 – 2 StR 513/16 Rn. 20, juris und vom 8. November 1996 – 2 StR 534/96, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung

26).

13
bb) Diesen Anforderungen genügt das landgerichtliche Urteil nicht. Das Landgericht hat sich nur unvollständig beweiswürdigend mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten nach Ausführung des Trittes gegen das Gesicht des Nebenklägers auseinandergesetzt. Die Annahme, der Angeklagte habe das Entdeckungsrisiko aufgrund der Schreie des Nebenklägers für unvertretbar hoch gehalten und daher keine andere Möglichkeit als die Flucht gesehen, ist nicht hinreichend belegt.
14
Allerdings ist im Ansatz nicht zu beanstanden, dass das Landgericht Schlüsse zum Vorstellungsbild des Angeklagten beim Rücktrittsgeschehen aus objektiven Umständen gezogen hat. Das Landgericht hat indes nicht alle für das Vorstellungsbild des Angeklagten maßgeblichen objektiven Umstände in seine Überlegungen einbezogen. Bei der vorliegend gegebenen Tatsituation wäre insbesondere zu erörtern gewesen, ob der Angeklagte von einer weiteren Einwirkung auf den Nebenkläger aus möglichen autonomen Gründen Abstand ge- nommen hat, etwa weil er wegen der einsetzenden Schreie desNebenklägers über sein Tun erschrocken war oder annahm, dem Nebenkläger bereits genug zugesetzt zu haben. Auch hätte sich das Landgericht hier angesichts der festgestellten Tatumstände (6 Uhr morgens an einem Feiertag im Oktober) und den Ausführungen des Landgerichts hierzu näher mit den örtlichen Verhältnissen und der Frage auseinandersetzen müssen, ob sich in der unmittelbaren Umgebung des Tatorts tatsächlich feststellungsbereite Dritte befanden oder sich nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten hätten befinden können, die – durch die Schreie des Geschädigten aufmerksam geworden – das Tatgeschehen und ihn, den Angeklagten, in kürzester Zeit hätten erkennen können. Der Hinweis auf die Nähe zum Bahnhof und das zufällige Eintreffen von zwei Personen nach der Tat genügt insoweit nicht.
15
c) Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Beschlüsse vom 7. März 2018 – 1 StR 83/18, NStZ-RR 2018, 169, 170 mwN und vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, StV 2017, 672, 673; Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14 Rn. 8, juris und vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
16
d) Der neue Tatrichter wird auch die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) erneut zu prüfen haben. Die Begründung, mit der das Landgericht das Vorliegen eines Hanges des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von alkoholischen Getränken verneint hat, genügt den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2018 – 1 StR 261/18 Rn. 7, juris und vom 6. Dezember 2017 – 1 StR 415/17 Rn. 10, NStZ-RR 2018, 105 [nur redaktioneller Leitsatz], jeweils mwN).

17
e) Der Aufhebung unterliegen auch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen. Die Urteilsfeststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite einschließlich des Tatvorsatzes sind jedoch – mit Ausnahme derjenigen zum objektiven Rücktrittsgeschehen und zum diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten – von dem zur Aufhebung des Urteils führenden Rechtsfehler nicht betroffen und haben daher Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

III.


18
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass im Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten in den Blick zu nehmen sein wird, dass dieser wegen des verfahrensgegenständlichen Tatgeschehens aus seinem Dienstverhältnis als Zeitsoldat entlassen wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. August 2015 – 3 StR 265/15, wistra 2016, 28 Rn. 9 und vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12, wistra 2013, 192 Rn. 3 mwN).

Jäger Bellay Bär
Hohoff Pernice

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2019 - 1 StR 646/18

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR40/14 vom 26. Februar 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2014
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2019 - 1 StR 646/18.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2020 - 2 StR 284/19

bei uns veröffentlicht am 14.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 284/19 vom 14. Januar 2020 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u. a. ECLI:DE:BGH:2020:140120B2STR284.19.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach An

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 282/17
vom
28. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:280917U4STR282.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außer- dem hat es ihm die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf einer Frist von sechs Monaten das Recht zu erteilen, von seiner niederländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen und eine inländische Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe zu Unrecht nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und nicht auch wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist. Die Nebenklägerin strebt insoweit ebenfalls eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Die unbeschränkt eingelegte und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat zu der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin (Fall II. 1 der Urteilsgründe) die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Nebenklägerin und der Angeklagte heirateten im Mai 2009. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ende 2014 verschlechterte sich ihr Verhältnis. Am 7. September 2015 verließ die Nebenklägerin mit den gemeinsamen Kindern das eheliche Haus und betrieb die Scheidung. Der Angeklagte vermochte das Scheitern seiner Ehe nicht zu akzeptieren.
4
Am Morgen des 5. Februar 2016 holte der Angeklagte seinen Sohn bei der Nebenklägerin ab, um mit ihm den Tag zu verbringen. Als er bei dieser Gelegenheit mit ihr ein Gespräch über die familiäre Situation führen wollte, weigerte sie sich und fuhr mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeitsstelle. Gegen 16.50 Uhr fuhr der Angeklagte der Nebenklägerin mit einem Pkw auf deren Heimweg entgegen. Dabei befanden sich nun beide Kinder auf dem Rücksitz des Fahrzeugs.
5
Um 17.06 Uhr traf er auf die Nebenklägerin, die ihm auf dem Radweg mit ihrem Fahrrad entgegenkam. Sie bemerkte den Angeklagten, hielt die Begegnung aber für zufällig und setzte ihren Weg fort. Der Angeklagte, der davon ausging, bemerkt worden zu sein, fühlte sich missachtet und wollte dies nicht hinnehmen. Er fasste den Entschluss, auf die Nebenklägerin mit einem im Fahrzeug mitgeführten Baseballschläger einzuschlagen, um sie auf diese Weise zu töten. Der Angeklagte stellte sein Fahrzeug auf dem Radweg ab, weil seine Kinder die Tat nicht sehen sollten und er die Nebenklägerin überraschen wollte. Er verließ mit dem Baseballschläger das Fahrzeug und lief der Nebenklägerin hinterher. Ca. 470 Meter vom Abstellort seines Fahrzeugs entfernt holte der Angeklagte die Nebenklägerin ein, ohne dass diese sein Herannahen bemerkte. Der Angeklagte schlug nun der Nebenklägerin mit dem beidhändig geführten Baseballschläger von hinten wuchtig auf den Hinterkopf. Nach dem zweiten Schlag auf den Oberkopf stürzte sie vom Fahrrad und kam auf der Straßenfahrbahn zu liegen. Der Angeklagte versetzte ihr mindestens noch zwei weitere Schläge auf den Oberkopf. Einen der letzten Schläge versuchte die Nebenklägerin , die sich auf dem Boden liegend zu ihm umwandte und ihn erkannte , dadurch abzuwehren, dass sie ihren rechten Unterarm schützend hochhob. Der folgende, ebenfalls gegen den Kopf geführte Schlag traf ihren rechten Unterarm und brach die Elle mittig. Obwohl die gegen ihren Kopf geführten Schläge potentiell lebensgefährlich waren, bestand keine konkrete Lebensgefahr.
6
Noch während der Angeklagte auf die Nebenklägerin einschlug, näherte sich der Zeuge O. mit seinem Fahrzeug. Im Verlauf der Annäherung des Zeugen, der zumindest zwei Schläge des Angeklagten und den zur Abwehr er- hobenen Arm der Nebenklägerin beobachtet hatte, – „möglicherweise“ noch vor seinem ersten Hupen – stellte der Angeklagte – der „möglicherweise“ das Herannahen des Zeugen bemerkt hatte – die Schläge ein, entfernte sich zunächst einige Meter von der Nebenklägerin und kehrte sodann wieder zu ihr zurück. Als der Zeuge O. aus seinem Fahrzeug ausstieg, befand sich der Angeklagte wieder bei der Nebenklägerin. Er hatte sich noch vor dem Anhalten des Zeugen O. entschlossen, obwohl ihm dies noch möglich gewesen wäre, der Nebenklägerin keine weiteren potentiell tödlichen Schläge auf den Kopf zu versetzen, sondern zu versuchen, herannahende Personen, die der Nebenklägerin zu Hilfe kommen könnten, möglichst „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen. Der Angeklagte erklärte deshalb dem Zeugen O. , die Nebenklägerin habe einen Verkehrsunfall gehabt, und er wolle ihr helfen. Der Zeuge O. hielt dem Angeklagten vor, gesehen zu haben, dass er auf die Nebenklägerin eingeschlagen habe. Als der Zeuge O. sein Mobiltelefon zur Hand nahm, um die Polizei und den Rettungsdienst zu alarmieren, forderte ihn der Angeklagte auf, das Mobiltelefon einzustecken. Aus Angst vor möglichen Schlägen mit dem Baseballschläger folgte der Zeuge O. dieser Aufforderung. Als sich ein weiteres Fahrzeug und zwei Jogger näherten, erkannte der Angeklagte, dass er in Unterzahl zu geraten drohte. Er beschloss deshalb, sein Fahrzeug herbeizuholen und zu versuchen, die Nebenklägerin zum Einsteigen und zum Absehen von einer Anzeige zu bewegen. Nachdem er den Tatort verlassen hatte, verständigten die hinzugekommenen Zeugen Polizei und Rettungsdienst.
7
2. Die Strafkammer hat dies als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315c Abs. 3 Nr. 1a StGB gewertet. Von dem (unbeendeten) Versuch, die Nebenklägerin heimtückisch zu töten (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB), sei der Angeklagte nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten. Ein fehlgeschlagener Versuch liege nicht vor. Von einer Tatvollendung durch weitere Schläge habe der Angeklagte aus autonomen Motiven abgesehen. Dass für diesen Entschluss die Furcht vor Entdeckung ausschlaggebend gewesen sei, lasse sich nicht feststellen.

II.


8
Die Revision der Nebenklägerin und die wirksam auf die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
9
1. Die Annahme eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Die Beurteilung der Frage, ob die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, hängt davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279 mwN). Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 289/13, StV 2014, 336; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 229/13, NStZ-RR 2014, 9, 10; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ-RR 2007, 136, 137; Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279; Urteil vom 1. September 1992 – 1 StR 484/92, NStZ 1993, 76, 77). Verbleibende Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zu Gunsten des Täters zu lösen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 4 StR 59/02, NStZ-RR 2003, 199).
11
b) Von diesen Maßstäben ist das Landgericht zwar im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine hierzu getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung sind aber lückenhaft und unklar (zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2017 – 2 StR 132/17, Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 13; Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 215, st. Rspr.).
12
Soweit das Landgericht eine „Furcht vor Entdeckung“ als nicht ausschlaggebend für die Rücktrittsentscheidung des Angeklagten bewertet hat, weil er bei einem Überleben der Nebenklägerin ohnehin mit seiner Identifizierung habe rechnen müssen, bleibt außer Acht, dass der Angeklagte nach den Feststellungen von möglichen weiteren Schlägen Abstand nahm und stattdes- sen versuchen wollte, herannahende Personen „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen (UA 19). Dem entspricht es, dass der Angeklagte in der Folge auch tatsächlich versuchte, gegenüber dem Zeugen O. das Geschehen als Verkehrsunfall darzustellen. Dies legt die Annahme nahe, dass er zu diesem Zeitpunkt nach den vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen die bisher begangene Tat für noch nicht von Dritten entdeckt hielt. Danach hätte sich die Strafkammer mit der sich aufdrängenden Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte das bis zur letzten Ausführungshandlung für ihn entstandene Risiko, für seine bisher ausgeführten Schläge zur Verantwortung gezogen zu werden, noch für kontrollierbar hielt, für den Fall einer Fortsetzung der Tatausführung aber infolge des Herannahens Dritter von einer nicht mehr vertretbaren Gefährdung seiner Interessen ausging und sich allein deshalb von einer Tatvollendung gehindert sah.
13
Hinzu kommt, dass den Urteilsgründen auch nicht mit der für eine revisionsrechtliche Überprüfung erforderlichen Klarheit entnommen werden kann, ob der Angeklagte das Herannahen des Zeugen O. bereits bemerkt hatte, als er von der weiteren Tatausführung Abstand nahm. In den Feststellungen hält es die Strafkammer nur für „möglich“, dass der sich mit seinem Pkw annähernde Zeuge O. noch vor dem ersten Hupen sah, dass der Angeklagte die Schläge einstellte. Auch soll es nur „möglicherweise“ der Fall gewesen sein, dass der Angeklagte das Herannahen des Zeugen (zu diesem Zeitpunkt) bereits bemerkt hatte (UA 18/19). Dem steht die mitgeteilte und für glaubwürdig erachtete Einlassung des Zeugen O. entgegen, wonach der Angeklagte ihn bemerktund (dann) mit seinen Schlägen aufgehört habe (UA 51). Auch hält es die Strafkammer in ihren Erörterungen zur Freiwilligkeit eines Rücktritts „für nicht widerlegbar“ , dass der Angeklagte „durch das Herannahen eines Dritten zu einem Bedenken der bestehenden Situation (…) fand“ (UA 61). DiesenWiderspruch löst die Strafkammer nicht auf.
14
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da zwischen einer möglichen Verurteilung wegen versuchten Mordes und der – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die damit verbundene Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kam mit Rücksicht auf die aufgezeigten Unklarheiten nicht in Betracht. Der Maßregelausspruch wird von der Aufhebung nicht berührt.

III.


15
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), weil die weitere Überprüfung des Urteils keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.
Sost-Scheible RiBGH Cierniak ist im Urlaub Franke und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Bender Quentin
7
2. Die getroffenen Feststellungen tragen die hierauf vom Landgericht gestützte Annahme, der Ausführung der verabredeten Tat hätten „objektive Gründe“ entgegengestanden, weshalb die Aufgabe der Tatausführung nicht auf „autonomen“ Gründen beruht habe und damit „ein freiwilliges Aufgeben oder Verhindern der Tatausführung“ nicht vorliege (UA S. 12), nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 282/17
vom
28. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:280917U4STR282.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außer- dem hat es ihm die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf einer Frist von sechs Monaten das Recht zu erteilen, von seiner niederländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen und eine inländische Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe zu Unrecht nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und nicht auch wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist. Die Nebenklägerin strebt insoweit ebenfalls eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Die unbeschränkt eingelegte und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat zu der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin (Fall II. 1 der Urteilsgründe) die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Nebenklägerin und der Angeklagte heirateten im Mai 2009. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ende 2014 verschlechterte sich ihr Verhältnis. Am 7. September 2015 verließ die Nebenklägerin mit den gemeinsamen Kindern das eheliche Haus und betrieb die Scheidung. Der Angeklagte vermochte das Scheitern seiner Ehe nicht zu akzeptieren.
4
Am Morgen des 5. Februar 2016 holte der Angeklagte seinen Sohn bei der Nebenklägerin ab, um mit ihm den Tag zu verbringen. Als er bei dieser Gelegenheit mit ihr ein Gespräch über die familiäre Situation führen wollte, weigerte sie sich und fuhr mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeitsstelle. Gegen 16.50 Uhr fuhr der Angeklagte der Nebenklägerin mit einem Pkw auf deren Heimweg entgegen. Dabei befanden sich nun beide Kinder auf dem Rücksitz des Fahrzeugs.
5
Um 17.06 Uhr traf er auf die Nebenklägerin, die ihm auf dem Radweg mit ihrem Fahrrad entgegenkam. Sie bemerkte den Angeklagten, hielt die Begegnung aber für zufällig und setzte ihren Weg fort. Der Angeklagte, der davon ausging, bemerkt worden zu sein, fühlte sich missachtet und wollte dies nicht hinnehmen. Er fasste den Entschluss, auf die Nebenklägerin mit einem im Fahrzeug mitgeführten Baseballschläger einzuschlagen, um sie auf diese Weise zu töten. Der Angeklagte stellte sein Fahrzeug auf dem Radweg ab, weil seine Kinder die Tat nicht sehen sollten und er die Nebenklägerin überraschen wollte. Er verließ mit dem Baseballschläger das Fahrzeug und lief der Nebenklägerin hinterher. Ca. 470 Meter vom Abstellort seines Fahrzeugs entfernt holte der Angeklagte die Nebenklägerin ein, ohne dass diese sein Herannahen bemerkte. Der Angeklagte schlug nun der Nebenklägerin mit dem beidhändig geführten Baseballschläger von hinten wuchtig auf den Hinterkopf. Nach dem zweiten Schlag auf den Oberkopf stürzte sie vom Fahrrad und kam auf der Straßenfahrbahn zu liegen. Der Angeklagte versetzte ihr mindestens noch zwei weitere Schläge auf den Oberkopf. Einen der letzten Schläge versuchte die Nebenklägerin , die sich auf dem Boden liegend zu ihm umwandte und ihn erkannte , dadurch abzuwehren, dass sie ihren rechten Unterarm schützend hochhob. Der folgende, ebenfalls gegen den Kopf geführte Schlag traf ihren rechten Unterarm und brach die Elle mittig. Obwohl die gegen ihren Kopf geführten Schläge potentiell lebensgefährlich waren, bestand keine konkrete Lebensgefahr.
6
Noch während der Angeklagte auf die Nebenklägerin einschlug, näherte sich der Zeuge O. mit seinem Fahrzeug. Im Verlauf der Annäherung des Zeugen, der zumindest zwei Schläge des Angeklagten und den zur Abwehr er- hobenen Arm der Nebenklägerin beobachtet hatte, – „möglicherweise“ noch vor seinem ersten Hupen – stellte der Angeklagte – der „möglicherweise“ das Herannahen des Zeugen bemerkt hatte – die Schläge ein, entfernte sich zunächst einige Meter von der Nebenklägerin und kehrte sodann wieder zu ihr zurück. Als der Zeuge O. aus seinem Fahrzeug ausstieg, befand sich der Angeklagte wieder bei der Nebenklägerin. Er hatte sich noch vor dem Anhalten des Zeugen O. entschlossen, obwohl ihm dies noch möglich gewesen wäre, der Nebenklägerin keine weiteren potentiell tödlichen Schläge auf den Kopf zu versetzen, sondern zu versuchen, herannahende Personen, die der Nebenklägerin zu Hilfe kommen könnten, möglichst „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen. Der Angeklagte erklärte deshalb dem Zeugen O. , die Nebenklägerin habe einen Verkehrsunfall gehabt, und er wolle ihr helfen. Der Zeuge O. hielt dem Angeklagten vor, gesehen zu haben, dass er auf die Nebenklägerin eingeschlagen habe. Als der Zeuge O. sein Mobiltelefon zur Hand nahm, um die Polizei und den Rettungsdienst zu alarmieren, forderte ihn der Angeklagte auf, das Mobiltelefon einzustecken. Aus Angst vor möglichen Schlägen mit dem Baseballschläger folgte der Zeuge O. dieser Aufforderung. Als sich ein weiteres Fahrzeug und zwei Jogger näherten, erkannte der Angeklagte, dass er in Unterzahl zu geraten drohte. Er beschloss deshalb, sein Fahrzeug herbeizuholen und zu versuchen, die Nebenklägerin zum Einsteigen und zum Absehen von einer Anzeige zu bewegen. Nachdem er den Tatort verlassen hatte, verständigten die hinzugekommenen Zeugen Polizei und Rettungsdienst.
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2. Die Strafkammer hat dies als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315c Abs. 3 Nr. 1a StGB gewertet. Von dem (unbeendeten) Versuch, die Nebenklägerin heimtückisch zu töten (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB), sei der Angeklagte nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten. Ein fehlgeschlagener Versuch liege nicht vor. Von einer Tatvollendung durch weitere Schläge habe der Angeklagte aus autonomen Motiven abgesehen. Dass für diesen Entschluss die Furcht vor Entdeckung ausschlaggebend gewesen sei, lasse sich nicht feststellen.

II.


8
Die Revision der Nebenklägerin und die wirksam auf die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
9
1. Die Annahme eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Die Beurteilung der Frage, ob die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, hängt davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279 mwN). Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 289/13, StV 2014, 336; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 229/13, NStZ-RR 2014, 9, 10; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ-RR 2007, 136, 137; Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279; Urteil vom 1. September 1992 – 1 StR 484/92, NStZ 1993, 76, 77). Verbleibende Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zu Gunsten des Täters zu lösen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 4 StR 59/02, NStZ-RR 2003, 199).
11
b) Von diesen Maßstäben ist das Landgericht zwar im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine hierzu getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung sind aber lückenhaft und unklar (zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2017 – 2 StR 132/17, Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 13; Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 215, st. Rspr.).
12
Soweit das Landgericht eine „Furcht vor Entdeckung“ als nicht ausschlaggebend für die Rücktrittsentscheidung des Angeklagten bewertet hat, weil er bei einem Überleben der Nebenklägerin ohnehin mit seiner Identifizierung habe rechnen müssen, bleibt außer Acht, dass der Angeklagte nach den Feststellungen von möglichen weiteren Schlägen Abstand nahm und stattdes- sen versuchen wollte, herannahende Personen „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen (UA 19). Dem entspricht es, dass der Angeklagte in der Folge auch tatsächlich versuchte, gegenüber dem Zeugen O. das Geschehen als Verkehrsunfall darzustellen. Dies legt die Annahme nahe, dass er zu diesem Zeitpunkt nach den vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen die bisher begangene Tat für noch nicht von Dritten entdeckt hielt. Danach hätte sich die Strafkammer mit der sich aufdrängenden Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte das bis zur letzten Ausführungshandlung für ihn entstandene Risiko, für seine bisher ausgeführten Schläge zur Verantwortung gezogen zu werden, noch für kontrollierbar hielt, für den Fall einer Fortsetzung der Tatausführung aber infolge des Herannahens Dritter von einer nicht mehr vertretbaren Gefährdung seiner Interessen ausging und sich allein deshalb von einer Tatvollendung gehindert sah.
13
Hinzu kommt, dass den Urteilsgründen auch nicht mit der für eine revisionsrechtliche Überprüfung erforderlichen Klarheit entnommen werden kann, ob der Angeklagte das Herannahen des Zeugen O. bereits bemerkt hatte, als er von der weiteren Tatausführung Abstand nahm. In den Feststellungen hält es die Strafkammer nur für „möglich“, dass der sich mit seinem Pkw annähernde Zeuge O. noch vor dem ersten Hupen sah, dass der Angeklagte die Schläge einstellte. Auch soll es nur „möglicherweise“ der Fall gewesen sein, dass der Angeklagte das Herannahen des Zeugen (zu diesem Zeitpunkt) bereits bemerkt hatte (UA 18/19). Dem steht die mitgeteilte und für glaubwürdig erachtete Einlassung des Zeugen O. entgegen, wonach der Angeklagte ihn bemerktund (dann) mit seinen Schlägen aufgehört habe (UA 51). Auch hält es die Strafkammer in ihren Erörterungen zur Freiwilligkeit eines Rücktritts „für nicht widerlegbar“ , dass der Angeklagte „durch das Herannahen eines Dritten zu einem Bedenken der bestehenden Situation (…) fand“ (UA 61). DiesenWiderspruch löst die Strafkammer nicht auf.
14
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da zwischen einer möglichen Verurteilung wegen versuchten Mordes und der – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die damit verbundene Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kam mit Rücksicht auf die aufgezeigten Unklarheiten nicht in Betracht. Der Maßregelausspruch wird von der Aufhebung nicht berührt.

III.


15
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), weil die weitere Überprüfung des Urteils keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.
Sost-Scheible RiBGH Cierniak ist im Urlaub Franke und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 83/18
vom
7. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070318B1STR83.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 7. März 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 7. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die vollumfänglich Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
Die Ausführungen des Landgerichts zum Rücktritt vom versuchten Totschlag halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde und zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisierte Ange- klagte dem Geschädigten G. mit einem Teppichmesser eine etwa 15 cm lange, stark blutende Schnittverletzung am linken Halsbereich zufügte. Der abstrakt lebensgefährliche Schnitt durchtrennte die oberen Hautschichten und reichte bis in das Unterhautfettgewebe hinein. Nach diesem Schnitt versuchte der Angeklagte weiter auf den körperlich überlegenen Geschädigten in lebensgefährdender Weise einzustechen. Dies gelang ihm jedoch nicht, weil sich der Geschädigte G. zu diesem Zeitpunkt in einer Hecke befand und Hände sowie Äste schützend vor sich hielt. Der Angeklagte ließ sodann von weiteren Angriffen mit dem Messer ab, nachdem ein auf das Geschehen aufmerksam gewordener Anwohner rief, dass er die Polizei verständigt habe und die am Tatort anwesenden Zeugen E. und L. den Angeklagten verbal und auch durch Wegziehen von weiteren Stichen abhielten. Anschließend entschloss sich der Angeklagte zu fliehen und verließ den Tatort.
4
2. Im Hinblick auf dieses Geschehen hat das Landgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom versuchten Totschlag nicht vorlägen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Denn der Angeklagte, der im weiteren Verlauf von dem Geschädigten abgelassen habe, obwohl er noch nicht von dessen sicherem Tod habe ausgehen können, habe die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben. Zum einen sei er von den ZeugenE. und L. daran gehindert worden und zum anderen habe er mitbekommen, dass zwischenzeitlich die Polizei verständigt worden sei, mit deren Eintreffen vor Ort in Kürze zu rechnen gewesen sei. Dem Angeklagten sei deshalb klar gewesen, dass er ohne sofortige Flucht Gefahr laufe, noch am Tatort festgenommen zu werden.
5
3. Die knappen Ausführungen des Landgerichts zum Rücktritt vom versuchten Totschlag leiden an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn das Landgericht, das offensichtlich von einem unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB ausgeht, setzt sich nicht hinreichend mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung – dem sogenannten Rücktrittshorizont – auseinander. Soweit sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt, kann das Urteil einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. August 2017 – 5 StR 303/17, NStZ-RR 2018, 10; vom 23. November 2016 – 4 StR 471/16, JuS 2017, 550; vom 11. März 2014 – 1 StR 735/13, NStZ 2014,396; vom 29. September 2011 – 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263 und vom 11. Februar 2003 – 4 StR 8/03, StraFo 2003, 206; Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273).
6
4. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht nicht erörtert, ob der den Tatort verlassende Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs hätte vornehmen können, nachdem ihn die in seinem Lager stehenden Zeugen E. und L. , bei denen es sich um einen Freund und seinen jüngeren Bruder handelte, zunächst verbal und durch Wegziehen von weiteren Stichen abhielten. Auch hat das Landgericht für das Vorstellungsbild des Angeklagten bedeutsame konkrete Feststellungen zum objektiven Geschehen, insbesondere zum Eingreifen der Zeugen, zum Verbleib der Tatwaffe nach deren Eingreifen, zur Position der jeweiligen Beteiligten und zur genauen zeitlichen Abfolge nicht getroffen. Nach den bisherigen Feststellungen ist jedenfalls nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte auch nach Eingreifen der genannten Zeugen nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen hätte vornehmen können, bevor er sich entschloss, den Tatort zu verlassen (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 StR 299/17, NStZRR 2017, 335). In Anbetracht der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der obigen Maßstäbe mussten sich dem Landgericht derartige Erörterungen jedoch aufdrängen. Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen steht einer abschließenden Prüfung durch das Revisionsgericht entgegen.
7
5. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, StV 2017, 672; Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 und vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).

II.

8
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
9
1. Der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will und dementsprechend „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17 und vom 3. April 2014 – 2 StR 643/13, NStZ-RR 2014, 241 mwN).
10
2. Die Verständigung der Polizei und die Kenntnis des Angeklagten davon rechtfertigen für sich genommen weder die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, noch stehen sie grundsätzlich einer Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen, da ein Täter in der Zeit bis zum Eintreffen derselben grundsätzlich noch ungehindert weitere Ausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass damit für ihn eine beträchtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17; zu einer beträchtlichen Risikoerhöhung BGH, Urteil vom 15. September 2005 – 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, [169]; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ 2007, 265, [266]).
11
3. In Anbetracht der Versagung der Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB durch das Landgericht weist der Senat darauf hin, dass nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen ist. Dabei kann eine selbstverschuldete Trunkenheit die Versagung der Milderung im Einzelfall selbst dann tragen, wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls nicht festgestellt ist (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 – GSSt 3/17, NJW 2018, 1180).
Raum Graf Bellay Fischer Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 6 4 3 / 1 3
vom
3. April 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 3. April 2014 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten K. und I. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten I. wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
2
I. Die Verurteilung des Angeklagten K. wegen versuchten Totschlags hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es kann dahinstehen, ob schon - wie die Revision des Angeklagten K. meint - die Beweiswürdigung der Schwurgerichtskammer an durchgreifenden rechtlichen Mängeln leidet. Denn das Landgericht hat einen Rücktritt des Angeklagten K. vom versuchten Tötungsdelikt mit einer rechtsfehlerhaften Begründung abgelehnt.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gerieten der Angeklagte K. und der Geschädigte Kü. in einen Streit, der mit einer Beleidigung durch den Geschädigten, die der Angeklagte erwiderte, seinen Ausgang nahm und schließlich in eine körperliche Auseinandersetzung mündete. Der Geschädigte schlug den Angeklagten, der zu diesem Zeitpunkt bereits - vom Geschädigten zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht bemerkt - ein Einhandmesser in der Hand hielt, ins Gesicht, worauf sich beide gegenseitig an den Oberarmen griffen und miteinander rangen. Sie kamen zu Fall, setzten ihre Auseinandersetzung aber am Boden fort. Der Angeklagte führte das Messer nunmehr auch in Richtung des später Geschädigten, der die Hand zunächst abblocken konnte und schließlich - als der Angeklagte mit seiner anderen Hand nachgriff - aus Angst vor Stichen in den Ringfinger von dessen linker Hand biss. Zeitgleich oder unmittelbar auf den Biss folgend versetzte der Angeklagte dem weiter auf dem Boden liegenden Geschädigten mit dem Messer zwei Stiche in den Bereich des linken Mittelbauchs, wobei er den Tod des Opfers billigend in Kauf nahm. Mittlerweile war der Zeuge S. , der als zufälliger Passant auf das Geschehen aufmerksam geworden war, hinzugetreten. Er richtete eine von ihm mitgeführte pistolenähnliche Anscheinswaffe auf den Angeklagten und forderte ihn lautstark zum Aufhören auf. Dieser sah sich zur weiteren Tatausübung nicht mehr in der Lage, erhob und entfernte sich - das Tatmesser weiter in der Hand haltend - vom Tatort (UA S. 6 f.).
4
Das Landgericht, das offenbar vom Vorliegen eines unbeendeten Tötungsversuchs ausgegangen ist, hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Tötungsversuch verneint; der Angeklagte K. habe von der Fortführung der Tat nur deshalb abgelassen, weil der Zeuge S. ihn unter Vorhalten einer pistolenähnlichen Anscheinswaffe zum Aufhören aufgefordert habe. Die Tataufgabe sei deshalb nicht freiwillig erfolgt, ginge vielmehr auf das Einschreiten des Zeugen zurück (UA S. 40).
5
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon (vgl. nur BGH NStZ-RR 2014, 9 f. mwN). Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt (BGH NStZ-RR 2010, 366 f.) oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt (s. BGH NStZ 1988, 69 f.). Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - 2 StR 289/13).
6
Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs tragen die Feststellungen des Landgerichts den Ausschluss eines strafbefreienden, freiwilligen Rücktritts des Angeklagten nicht.
7
Das Landgericht hat insoweit lediglich festgestellt, dass der Zeuge S. den Angeklagten unter Vorhalten einer pistolenähnlichen Waffe zum Aufhören aufgefordert und dieser deshalb von der weiteren Tatbegehung abgelassen habe. Ob aber allein dieser Umstand geeignet war, eine äußere Zwangslage zu schaffen, die den Angeklagten hinderte, die Tat fortzusetzen, lässt sich den Feststellungen des Landgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen. Das Schwurgericht hat sich insoweit auf die Angaben des Zeugen S. gestützt, der angegeben hat, die Stiche wahrgenommen, nach Hinzutreten zu den am Boden Kämpfenden umgehend seine Anscheinswaffe auf den Angeklagten , der ihm den Rücken zugewandt habe, gerichtet und "Aufhören" ge- schrieen zu haben (UA S. 29). Auch wenn der Zeuge S. weiter versicherte , der Angeklagte habe ihn - entgegen dessen Bekundung - "wahrgenommen" , belegt dies noch nicht das Vorliegen einer äußeren Zwangslage, die das Landgericht in der Sache damit begründet hat, dass der Zeuge S. den Angeklagten unter Vorhalten einer pistolenähnlichen Anscheinswaffe zum Aufhören aufgefordert habe. Hätte der Angeklagte den Zeugen S. mit auf ihn gerichteter Waffe gesehen, könnte dies zwar die Annahme einer äußeren Zwangslage durch das Landgericht stützen; ob dies aber der Fall gewesen ist, lässt sich den insoweit nicht eindeutigen Äußerungen des Zeugen S. nicht entnehmen, der lediglich davon gesprochen hat, der Angeklagte habe ihn "wahrgenommen". Dies lässt offen, ob der Angeklagte nur das Rufen des Zeugen S. gehört oder ob er ihn auch gesehen hat. Sollte der Angeklagte aber nur die Rufe des herbeigeeilten Zeugen vernommen haben, ohne zu wissen , dass dieser seine Aufforderung mit einer gezogenen Waffe unterstützte, würde dies die Möglichkeit eines freiwilligen Rücktritts nicht ausschließen. Weitergehende Zweifel daran, dass der Angeklagte den Zeugen S. tatsächlich nicht gesehen hat, ergeben sich im Übrigen daraus, dass dieser nach den Feststellungen des Landgerichts im Rücken des Angeklagten stand (UA S. 29). Da sich auch aus anderen Umständen, insbesondere auch nicht aus den Angaben der Zeugin A. , deren Kenntnis es sich entzog, warum der Angeklagte aufgestanden und weggegangen sei (UA S. 30), nicht erschließt, dass der Angeklagte nicht freiwillig von der Tat abgelassen hat, bleibt letztlich offen, ob die gegenteilige Annahme des Landgerichts auf tragfähigen Feststellungen beruht.
8
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs sowie sämtlicher Feststellungen, die nicht nur hinsichtlich des Rücktrittgesche- hens, sondern auch in Bezug auf die eigentliche Tat auf die Bekundungen des Zeugen S. gestützt waren. Der neue Tatrichter soll Gelegenheit zu einer widerspruchsfreien und in sich schlüssigen Würdigung des Gesamtgeschehens erhalten.
9
II. Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten K. entzieht ohne Weiteres dem Schuldspruch gegen den Angeklagten I. die Grundlage. Auch insoweit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Schmitt Krehl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR40/14
vom
26. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 4. Oktober 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen stach der Angeklagte der Geschädigten, die im Wohnzimmer unmittelbar vor der geschlossenen Terrassentür stand, mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Messer mit einer ca. 20 cm lan- gen Klinge etwa mittig links in den Rücken. Die Geschädigte, bei der durch den Stich lediglich ihre Daunenjacke in einem Bereich von einem halben Zentimeter bis zur Innenseite beschädigt wurde, bemerkte von dem Auftreffen des Messers zunächst nichts. Nachdem sie sich umgedreht hatte, versuchte der Angeklagte, mit dem Messer den Oberkörper der Geschädigten von vorn zu treffen, wobei er weiterhin zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Die Geschädigte ergriff mit ihrer linken Hand die nach vorn spitz zulaufende und glatt geschliffene Messerklinge und konnte so das Eindringen des Messers in ihren Körper verhindern. Durch die Stoßbewegungen auf den linken Bauchbereich wurde sie jedoch mit Wucht rückwärts sitzend auf die Schreibtischplatte gedrängt, wobei der Angeklagte weiter versuchte, sie mit der Klinge in den Bauch zu stechen, was ihm jedoch ebenfalls nicht gelang. Die Geschädigte hielt mit äußerstem Kraftaufwand die Messerschneide gegen die von ihm durchgeführten kraftvollen , auf ihren Körper gerichteten Bewegungen und stellte dadurch ein Kräftegleichgewicht her. Durch die Hilfeschreie der Geschädigten alarmiert, erschien deren Tochter im Wohnzimmer und erkannte, dass der Angeklagte und ihre Mutter einen von ihr nicht näher identifizierbaren Gegenstand in den Händen hielten. Von der Geschädigten dazu aufgefordert, wählte sie den Notruf und forderte die Polizei auf, zur Wohnung zu kommen, da ihre Mutter von deren Lebensgefährten angegriffen werde. Während dieses Telefonats ließ der Angeklagte das Messer los und trat von der Geschädigten ein Stück zurück. Diese nutzte die Gelegenheit, um vom Schreibtisch aufzustehen, ihren Sohn zu nehmen und durch die Terrassentür und den Garten zu einer Nachbarin zu laufen. Da ihr bewusst wurde, dass ihre Tochter sich noch in der Wohnung aufhielt, kehrte sie zurück und forderte diese auf, mitzukommen, woraufhin die Tochter ihr nach draußen folgte. Während dieser Zeit telefonierte die Tochter der Geschädigten immer noch mit der Polizei.

II.


3
Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Totschlagsversuch (§ 24 Abs. 1 StGB) abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
1. Das Landgericht hat angenommen, der Versuch sei fehlgeschlagen. Der Angeklagte habe sich zwar dahin eingelassen, das Messer erst wahrgenommen zu haben, als er es zum Rücken der Geschädigten geführt habe. Er habe Angst gehabt, ansonsten aber an nichts gedacht. Nachdem die Geschädigte in das Messer gegriffen habe, habe er es ihr vergeblich aus der Hand ziehen wollen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe aber objektiv fest, dass der Angeklagte, nachdem er die Geschädigte auf die Schreibtischplatte gedrängt hatte, wiederholt versucht habe, mit der Klinge in ihren Bauch zu stechen , was ihm aber auf Grund der erheblichen Gegenwehr der Geschädigten nicht gelungen sei. Seine erfolglosen Bemühungen habe er erst aufgegeben, nachdem die zu Hilfe gerufene Tochter der Geschädigten das Telefon ergriffen und die Notrufnummer gewählt habe. Da die Geschädigte zu diesem Zeitpunkt das Wohnzimmer mit ihrem Sohn über die Terrasse verlassen habe, habe der Angeklagte nach der objektiven Sachlage aus seiner Sicht die Tötung der Geschädigten nicht mehr mit dem bereits eingesetzten Mittel erreichen können, weil die Tochter die Tat durch Erscheinen im Wohnzimmer entdeckt habe und auf Grund des abgesetzten Notrufs mit dem baldigen Erscheinen der Polizei zu rechnen gewesen sei.
5
2. Diese Begründung trägt den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts nicht.
6
a) Ausgehend von diesen Feststellungen des Landgerichts war der Versuch des Totschlags unbeendet. Der Angeklagte konnte daher Strafbefreiung grundsätzlich durch bloßes Aufgeben der begonnenen Tathandlung erlangen. Ein strafbarer fehlgeschlagener Versuch hätte nur dann vorgelegen, wenn der Angeklagte die versuchte Tat als endgültig gescheitert angesehen hätte, weil er sie, wie er wusste, mit dem bereits eingesetzten oder anderen ihm zur Hand liegenden Mitteln nicht vollenden konnte. Dabei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (sogenannter Rücktrittshorizont; vgl. nur Senatsurteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Senatsbeschlüsse vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628, und vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Dazu, ob der Angeklagte den Tötungsversuch als endgültig gescheitert ansah, als er die Schneide des Messers nach seiner letztmaligen Stichbewegung gegen den Körper der Geschädigten losließ, verhält sich das Urteil nicht. Danach bleibt offen, ob es ihm objektiv oder zumindest aus seiner Sicht möglich gewesen wäre , das Messer wiederzuerlangen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen oder ob er die weitere Tatausführung angesichts der kraftvollen Abwehr der Geschädigten als endgültig aussichtslos ansah.
7
b) Ebenso wenig lässt sich den bisher getroffenen Feststellungen entnehmen , dass der Angeklagte unfreiwillig von weiteren Tötungshandlungen abließ. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich auf Grund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen (zum Maßstab vgl. SSW-StGB/Kudlich/ Schuhr, 2. Aufl., § 24 Rn. 63 ff. m. Nachw. z. Rspr.) nicht mehr in der Lage gesehen hätte, weitere Stiche zu setzen. Die Erwägung des Landgerichts, nach der objektiven Sachlage habe der Angeklagte aus seiner Sicht die Tötung der Geschädigten nicht mehr mit dem bereits eingesetzten Mittel erreichen können, weil deren Tochter die Tat entdeckt hatte und auf Grund des von ihr abgesetzten Notrufs mit dem baldigen Eintreffen der Polizei zu rechnen gewesen sei, trägt die Annahme der Unfreiwilligkeit für sich genommen nicht. Dass der Angeklagte gerade deshalb von weiteren Einwirkungen auf die Geschädigte absah, war im vorliegenden Fall schon deshalb näher zu erörtern, weil sich der Angeklagte nach den Feststellungen in Kenntnis der in Kürze eintreffenden Polizei zunächst weiter in der Wohnung aufhielt und sodann das Haus verließ, um telefonischen Kontakt zu seiner Rechtsanwältin aufzunehmen, die die Polizei von seinem Aufenthaltsort in Kenntnis setzte.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 289/13
vom
10. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Juli 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von drei Jahren verhängt. Die hiergegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts trat der Angeklagte wiederholt und massiv gegen den Kopf des am Boden liegenden Geschädigten und fügte diesem dadurch zahlreiche schwere Gesichtsschädelfrakturen zu. Nachdem der Angeklagte von einer unbekannt gebliebenen Person von der körperlichen Auseinandersetzung weggezogen worden war, ließ er von dem Geschädigten ab und begab sich in eine Diskothek.
3
2. Die Feststellungen des Landgerichts tragen zwar die Annahme eines versuchten Totschlags durch den Angeklagten, nicht aber den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts von diesem Versuch.
4
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative StGB wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Voraussetzung ist zunächst, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt (Rücktrittshorizont) noch nicht mit einem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs rechnet (unbeendeter Versuch), seine Herbeiführung aber noch für möglich hält (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227f.). Scheitert – wie vorliegend – der Versuch, so kommt es darauf an, ob der Täter nach anfänglichem Misslingens des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu der Annahme gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder bereitstehenden Mittel die Tat noch vollenden. Nur dann liegt kein fehlgeschlagener, sondern ein unbeendeter Versuch vor, von dem der Täter noch durch freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung zurücktreten kann (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 4StR 67/06, NStZ 2006, 685 mwN). Da die Freiwilligkeit des Rücktritts eine autonom getroffene Willensentscheidung des Täters voraussetzt, darf diese dem Täter zwar nicht durch die äußeren Umstände aufgezwungen worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399, 400). Die Tatsache aber, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, stellt für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters ebenso wenig in Frage (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1987 – 5 StR 534/87, NStZ 1988, 69, 70; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299) wie der Umstand, dass ein Täter zunächst von dem Tatopfer weggezogen werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 – 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393). Maßgebend ist auch in diesen Fällen, ob der Täter trotz des Eingreifens oder der Anwesenheit Dritter noch "aus freien Stücken" handelt oder aber ob Umstände vorliegen, die zu einer ihn an der Tatausführung hindernden äußeren Zwangslage oder inneren Unfähigkeit einer Tatvollendung führen (BGH, Beschluss vom 27. August 2009 – 4 StR 306/09, NStZ-RR 2009, 366, 367).
5
b) Unter Zugrundlegung dieses rechtlichen Maßstabs tragen die Feststellungen des Landgerichts den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten nicht.
6
Das Landgericht hat insoweit lediglich festgestellt, dass der Angeklagte von einem unbekannten Dritten von dem Geschädigten "weggezogen" wurde. Ob aber schon allein dieser Umstand eine äußere Zwangslage schaffte, die den Angeklagten tatsächlich hinderte, die Tat fortzusetzten – weil sich etwa der unbekannte Dritte ihm weiterhin eingriffsbereit und präsent gegenüberstellte –, lässt sich den insoweit dürftigen Feststellungen des Landgerichts nicht entnehmen. Es ist nach den Feststellungen ebenso wenig ausgeschlossen, dass es dem Angeklagten – etwa aufgrund körperlicher Überlegenheit oder weil sich der Dritte sogleich entfernte – möglich gewesen wäre, die Tat fortzusetzen, er davon aber – durch das Eingreifen des Dritten motiviert – nunmehr aus freien Stücken abgesehen hat. Auch soweit das Landgericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung erwähnt hat, der Angeklagte sei von einer unbekannten Person von weiteren Tathandlungen abgehalten und aus der Auseinandersetzung herausgezogen worden, bleibt offen, ob ein "Abhalten" auch noch in der Situation nach dem "Herausziehen" stattfand.
7
Bei dieser Sachlage wäre es erforderlich gewesen, weitere Feststellungen insbesondere auch zum Vorstellungsbild des Angeklagten zu treffen. Dies ist nicht geschehen. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
8
3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Strafzumessung – entgegender verbalen Beteuerung in den Urteilsgründen – eine tatsächliche Berücksichtigung des Erziehungsgedankens nicht erkennen lässt. Zwar erscheint die Höhe der gegen den Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe im Ergebnis nicht unangemessen hoch. Angesichts dessen aber, dass die Tat zum Zeitpunkt des Urteilserlasses bereits über zweieinhalb Jahre zurücklag, wäre es geboten gewesen, auch die weitere Entwicklung des zur Tatzeit 18jährigen Angeklagten, der zwischenzeitlich eine Ausbildung begonnen hatte, in die Strafzumessung miteinzubeziehen.
Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 282/17
vom
28. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:280917U4STR282.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außer- dem hat es ihm die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf einer Frist von sechs Monaten das Recht zu erteilen, von seiner niederländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen und eine inländische Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe zu Unrecht nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und nicht auch wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist. Die Nebenklägerin strebt insoweit ebenfalls eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Die unbeschränkt eingelegte und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat zu der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin (Fall II. 1 der Urteilsgründe) die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Nebenklägerin und der Angeklagte heirateten im Mai 2009. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ende 2014 verschlechterte sich ihr Verhältnis. Am 7. September 2015 verließ die Nebenklägerin mit den gemeinsamen Kindern das eheliche Haus und betrieb die Scheidung. Der Angeklagte vermochte das Scheitern seiner Ehe nicht zu akzeptieren.
4
Am Morgen des 5. Februar 2016 holte der Angeklagte seinen Sohn bei der Nebenklägerin ab, um mit ihm den Tag zu verbringen. Als er bei dieser Gelegenheit mit ihr ein Gespräch über die familiäre Situation führen wollte, weigerte sie sich und fuhr mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeitsstelle. Gegen 16.50 Uhr fuhr der Angeklagte der Nebenklägerin mit einem Pkw auf deren Heimweg entgegen. Dabei befanden sich nun beide Kinder auf dem Rücksitz des Fahrzeugs.
5
Um 17.06 Uhr traf er auf die Nebenklägerin, die ihm auf dem Radweg mit ihrem Fahrrad entgegenkam. Sie bemerkte den Angeklagten, hielt die Begegnung aber für zufällig und setzte ihren Weg fort. Der Angeklagte, der davon ausging, bemerkt worden zu sein, fühlte sich missachtet und wollte dies nicht hinnehmen. Er fasste den Entschluss, auf die Nebenklägerin mit einem im Fahrzeug mitgeführten Baseballschläger einzuschlagen, um sie auf diese Weise zu töten. Der Angeklagte stellte sein Fahrzeug auf dem Radweg ab, weil seine Kinder die Tat nicht sehen sollten und er die Nebenklägerin überraschen wollte. Er verließ mit dem Baseballschläger das Fahrzeug und lief der Nebenklägerin hinterher. Ca. 470 Meter vom Abstellort seines Fahrzeugs entfernt holte der Angeklagte die Nebenklägerin ein, ohne dass diese sein Herannahen bemerkte. Der Angeklagte schlug nun der Nebenklägerin mit dem beidhändig geführten Baseballschläger von hinten wuchtig auf den Hinterkopf. Nach dem zweiten Schlag auf den Oberkopf stürzte sie vom Fahrrad und kam auf der Straßenfahrbahn zu liegen. Der Angeklagte versetzte ihr mindestens noch zwei weitere Schläge auf den Oberkopf. Einen der letzten Schläge versuchte die Nebenklägerin , die sich auf dem Boden liegend zu ihm umwandte und ihn erkannte , dadurch abzuwehren, dass sie ihren rechten Unterarm schützend hochhob. Der folgende, ebenfalls gegen den Kopf geführte Schlag traf ihren rechten Unterarm und brach die Elle mittig. Obwohl die gegen ihren Kopf geführten Schläge potentiell lebensgefährlich waren, bestand keine konkrete Lebensgefahr.
6
Noch während der Angeklagte auf die Nebenklägerin einschlug, näherte sich der Zeuge O. mit seinem Fahrzeug. Im Verlauf der Annäherung des Zeugen, der zumindest zwei Schläge des Angeklagten und den zur Abwehr er- hobenen Arm der Nebenklägerin beobachtet hatte, – „möglicherweise“ noch vor seinem ersten Hupen – stellte der Angeklagte – der „möglicherweise“ das Herannahen des Zeugen bemerkt hatte – die Schläge ein, entfernte sich zunächst einige Meter von der Nebenklägerin und kehrte sodann wieder zu ihr zurück. Als der Zeuge O. aus seinem Fahrzeug ausstieg, befand sich der Angeklagte wieder bei der Nebenklägerin. Er hatte sich noch vor dem Anhalten des Zeugen O. entschlossen, obwohl ihm dies noch möglich gewesen wäre, der Nebenklägerin keine weiteren potentiell tödlichen Schläge auf den Kopf zu versetzen, sondern zu versuchen, herannahende Personen, die der Nebenklägerin zu Hilfe kommen könnten, möglichst „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen. Der Angeklagte erklärte deshalb dem Zeugen O. , die Nebenklägerin habe einen Verkehrsunfall gehabt, und er wolle ihr helfen. Der Zeuge O. hielt dem Angeklagten vor, gesehen zu haben, dass er auf die Nebenklägerin eingeschlagen habe. Als der Zeuge O. sein Mobiltelefon zur Hand nahm, um die Polizei und den Rettungsdienst zu alarmieren, forderte ihn der Angeklagte auf, das Mobiltelefon einzustecken. Aus Angst vor möglichen Schlägen mit dem Baseballschläger folgte der Zeuge O. dieser Aufforderung. Als sich ein weiteres Fahrzeug und zwei Jogger näherten, erkannte der Angeklagte, dass er in Unterzahl zu geraten drohte. Er beschloss deshalb, sein Fahrzeug herbeizuholen und zu versuchen, die Nebenklägerin zum Einsteigen und zum Absehen von einer Anzeige zu bewegen. Nachdem er den Tatort verlassen hatte, verständigten die hinzugekommenen Zeugen Polizei und Rettungsdienst.
7
2. Die Strafkammer hat dies als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315c Abs. 3 Nr. 1a StGB gewertet. Von dem (unbeendeten) Versuch, die Nebenklägerin heimtückisch zu töten (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB), sei der Angeklagte nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten. Ein fehlgeschlagener Versuch liege nicht vor. Von einer Tatvollendung durch weitere Schläge habe der Angeklagte aus autonomen Motiven abgesehen. Dass für diesen Entschluss die Furcht vor Entdeckung ausschlaggebend gewesen sei, lasse sich nicht feststellen.

II.


8
Die Revision der Nebenklägerin und die wirksam auf die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
9
1. Die Annahme eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Die Beurteilung der Frage, ob die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, hängt davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279 mwN). Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 289/13, StV 2014, 336; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 229/13, NStZ-RR 2014, 9, 10; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ-RR 2007, 136, 137; Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279; Urteil vom 1. September 1992 – 1 StR 484/92, NStZ 1993, 76, 77). Verbleibende Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zu Gunsten des Täters zu lösen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 4 StR 59/02, NStZ-RR 2003, 199).
11
b) Von diesen Maßstäben ist das Landgericht zwar im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine hierzu getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung sind aber lückenhaft und unklar (zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2017 – 2 StR 132/17, Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 13; Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 215, st. Rspr.).
12
Soweit das Landgericht eine „Furcht vor Entdeckung“ als nicht ausschlaggebend für die Rücktrittsentscheidung des Angeklagten bewertet hat, weil er bei einem Überleben der Nebenklägerin ohnehin mit seiner Identifizierung habe rechnen müssen, bleibt außer Acht, dass der Angeklagte nach den Feststellungen von möglichen weiteren Schlägen Abstand nahm und stattdes- sen versuchen wollte, herannahende Personen „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen (UA 19). Dem entspricht es, dass der Angeklagte in der Folge auch tatsächlich versuchte, gegenüber dem Zeugen O. das Geschehen als Verkehrsunfall darzustellen. Dies legt die Annahme nahe, dass er zu diesem Zeitpunkt nach den vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen die bisher begangene Tat für noch nicht von Dritten entdeckt hielt. Danach hätte sich die Strafkammer mit der sich aufdrängenden Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte das bis zur letzten Ausführungshandlung für ihn entstandene Risiko, für seine bisher ausgeführten Schläge zur Verantwortung gezogen zu werden, noch für kontrollierbar hielt, für den Fall einer Fortsetzung der Tatausführung aber infolge des Herannahens Dritter von einer nicht mehr vertretbaren Gefährdung seiner Interessen ausging und sich allein deshalb von einer Tatvollendung gehindert sah.
13
Hinzu kommt, dass den Urteilsgründen auch nicht mit der für eine revisionsrechtliche Überprüfung erforderlichen Klarheit entnommen werden kann, ob der Angeklagte das Herannahen des Zeugen O. bereits bemerkt hatte, als er von der weiteren Tatausführung Abstand nahm. In den Feststellungen hält es die Strafkammer nur für „möglich“, dass der sich mit seinem Pkw annähernde Zeuge O. noch vor dem ersten Hupen sah, dass der Angeklagte die Schläge einstellte. Auch soll es nur „möglicherweise“ der Fall gewesen sein, dass der Angeklagte das Herannahen des Zeugen (zu diesem Zeitpunkt) bereits bemerkt hatte (UA 18/19). Dem steht die mitgeteilte und für glaubwürdig erachtete Einlassung des Zeugen O. entgegen, wonach der Angeklagte ihn bemerktund (dann) mit seinen Schlägen aufgehört habe (UA 51). Auch hält es die Strafkammer in ihren Erörterungen zur Freiwilligkeit eines Rücktritts „für nicht widerlegbar“ , dass der Angeklagte „durch das Herannahen eines Dritten zu einem Bedenken der bestehenden Situation (…) fand“ (UA 61). DiesenWiderspruch löst die Strafkammer nicht auf.
14
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da zwischen einer möglichen Verurteilung wegen versuchten Mordes und der – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die damit verbundene Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kam mit Rücksicht auf die aufgezeigten Unklarheiten nicht in Betracht. Der Maßregelausspruch wird von der Aufhebung nicht berührt.

III.


15
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), weil die weitere Überprüfung des Urteils keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.
Sost-Scheible RiBGH Cierniak ist im Urlaub Franke und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Bender Quentin
5 StR 229/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Oktober 2012 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Nichtverurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts, hilfsweise auch die Strafzumessung angreift. Das vom Generalbundesanwalt hinsichtlich der primären Beanstandung vertretene Rechtsmittel bleibt erfolglos.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Am 11. Februar 2012 gegen 17.40 Uhr verfolgte der Angeklagte den Nebenkläger heimlich in den zu dieser Zeit menschenleeren Eingangsbereich eines U-Bahnhofs in Hamburg hinein. Aus seiner Sicht hatte sich der Nebenkläger bei Auseinandersetzungen mit der schwangeren Lebensgefähr- tin des Angeklagten, bei der es sich um die geschiedene Ehefrau des Nebenklägers handelt, nicht akzeptabel benommen und sie unter anderem geschubst. Dafür wollte ihn der Angeklagte bestrafen und zumindest für gewis- se Zeit außer Gefecht setzen. Weil er „eine körperliche Auseinandersetzung in Form einer Mann-gegen-Mann-Situation vermeiden“ wollte (UA S. 7), hatte er ein klappbares Messer mit einer Klingenlänge von 7,3 cm und einer maximalen Klingenbreite von 2,8 cm eingesteckt.
4
Der Angeklagte hielt die Situation für günstig und lief schneller. Der Nebenkläger bemerkte, dass sich jemand mit schnellen Schritten näherte. Auf den in russischer Sprache erfolgten Ausruf „Hallo” des Angeklagten dreh- te er den Kopf leicht zur Seite, um sich umzusehen. Der Angeklagte befand sich etwa auf gleicher Höhe einer Treppe. Er stach dem Nebenkläger mit dem Messer 4 cm tief in die linke Halsseite, wobei er die Hauptschlagader knapp verfehlte. Dessen Tod nahm er zumindest billigend in Kauf.
5
Durch die Wucht des Stichs fiel der Nebenkläger kurzzeitig nach vorn, ging jedoch nicht zu Boden. Der Angeklagte wandte sich ab und flüchtete, um nicht erkannt zu werden. Dabei rutschte er auf den Treppenstufen aus, wodurch der Nebenkläger sein Gesicht sehen konnte. Der Nebenkläger rannte dem Angeklagten nach, um ihn zur Rede zu stellen oder ihn ebenfalls zu schlagen. Spätestens jetzt ging der Angeklagte davon aus, dass der Stich nicht ausgereicht hatte, um den Tod des Nebenklägers herbeizuführen.
6
Unmittelbar danach standen sich die Kontrahenten vor dem U-BahnEingang in einer Entfernung von zwei bis drei Metern gegenüber. Der Nebenkläger erkannte das Messer in der Hand des Angeklagten und rief, dass er „das mit dem Messer lassen“ solle (UA S. 9). Der Angeklagte sagte, der Nebenkläger solle seine Lebensgefährtin in Ruhe lassen. Der Nebenkläger fürchtete einen weiteren Angriff und nahm eine abwehrende Körperhaltung ein; er wies den Angeklagten auf eine nahe Sparkasse und vorhandene Kameras hin. Aus Angst, der Angeklagte werde mit dem Messer abermals ei- nen Angriff unternehmen, flüchtete er und rief „Polizei Hilfe!“. Der Angeklagte lief ihm mit dem Messer in der Hand ein kurzes Stück hinterher, unternahm jedoch keine weiteren Stich- bzw. Schlagbewegungen. Dann verließ er den Tatort.
7
Der Nebenkläger erreichte den Bahnsteig, verständigte die Polizei und bemerkte erst jetzt die Stichwunde am Hals, die bei einer Notoperation am selben Abend versorgt wurde.
8
b) Die Schwurgerichtskammer hat angenommen, der Angeklagte sei freiwillig vom Versuch eines Tötungsdelikts zurückgetreten. Sie vermochte nicht auszuschließen, dass ihm ein nochmaliger Messerangriff möglich war und er hiervon freiwillig Abstand nahm. Dass er wegen körperlicher Überlegenheit des Nebenklägers nach dem ersten Stich keinen Angriff mehr auszuführen imstande gewesen sei, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden; der Nebenkläger sei nur 7 cm größer und von weitgehend ähnlicher Statur.
9
2. Die Ausführungen, mit denen die Schwurgerichtskammer einen fehlgeschlagenen Versuch abgelehnt und einen Rücktritt vom unbeendeten Mordversuch im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB angenommen hat, halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
10
a) Die Schwurgerichtskammer hat ihrer Prüfung des Fehlschlags des Tötungsversuchs zutreffende rechtliche Maßstäbe zugrunde gelegt, nach denen ein solcher gegeben ist, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln ohne zeitliche Zäsur nicht mehr vollenden kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 Rn. 32 mwN). Unter Würdigung sämtlicher relevanter Gesichtspunkte (insbesondere: der An-geklagte hielt das Messer weiter in der Hand, Nähe zum Nebenkläger, sehr rascher Geschehensablauf) hat sie die weitere Vollendbarkeit aus der maßgeblichen Tätersicht zumindest nicht ausschließen können. Auch mit dem durch die Revision hervorgehobenen Aspekt der körperlichen Überlegenheit des Nebenklägers hat sie sich befasst und ihn vertretbar gewürdigt (UA S. 30). Soweit die Beschwerdeführerin hiergegen anführt, der Tatplan des Angeklagten sei zwingend auf einen Angriff auf den Nebenkläger in schutzloser Lage beschränkt gewesen und nach dessen erfolgloser Durchführung endgültig gescheitert, ermangelt es für eine solche Annahme einer tragfähigen Grundlage in den tatgerichtlichen Feststellungen. Die Beschwerdeführerin setzt vielmehr ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
11
b) Die Annahme eines unbeendeten Versuchs wegen Korrektur des Rücktrittshorizonts ist hier im Hinblick auf das Fehlen jeglicher erkennbarer Beeinträchtigung beim Nebenkläger nach Ausführung des Stichs ungeachtet des gesetzten Treffers rechtsfehlerfrei. Dies gilt auch für die weitere Annahme des Landgerichts, der Rücktritt sei freiwillig erfolgt. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechens- plans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 1992 – 3 StR 187/92,BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 16 mwN, und vom 8. August 2013 – 5 StR 316/13 Rn. 2). Dabei ist maßgebliche Beurteilungsgrundlage nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon; die äußeren Gegebenheiten sind jedoch, was die Beschwerdeführerin zu verkennen scheint, insoweit von Bedeutung, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters ermöglichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 1992 – 3 StR 187/92, aaO, und vom 22. Mai 2013 – 4 StR 170/13, StraFo 2013, 342 Rn. 9).
12
Das Landgericht hat aus dem Umstand, dass sich der noch immer das Messer haltende Angeklagte und der Nebenkläger vor der Sparkasse nahe gegenüberstanden, die Möglichkeit abgeleitet, dass der Angeklagte unschwer ein weiteres Mal hätte zustechen können, davon aber aus autonomen Gründen Abstand genommen haben kann. Dieser Schluss ist möglich und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Schwurgerichtskammer habe sich mit einer für den Angeklagten als letztlich unvertretbar darstellenden Risikoerhöhung nicht befasst, sind den Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte in diese Richtung zu entnehmen (zu den Anforderungen vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 1992 – 3 StR 187/92, aaO, und vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ 2007, 265, 266). Der bloße Hinweis des Nebenklägers auf die Sparkasse und auf Kameras genügt hierfür nicht, zumal – allgemein bekannt – weite Bereiche von U-Bahnhöfen ohnehin videoüberwacht sind. Entsprechendes gilt für die Hilferufe des Nebenklägers. Dass sich etwa – unter Umständen eingreifbereite – Passanten oder Sicherheitskräfte in der Nähe befanden , findet in den Feststellungen keinen Niederschlag. Die Beschwerdeführerin trägt auch nicht vor, dass sie insoweit Beweisanträge gestellt hat; eine Aufklärungsrüge hat sie nicht erhoben.
13
3. Die Strafzumessung weist – in Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts – durchgreifende Rechtsfehler weder zum Vorteil des Angeklagten noch zu dessen Nachteil (§ 301 StPO) auf.
Basdorf Sander Schneider Dölp König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 537/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 19. Juli 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit der zum Nachteil des Rechtsanwalts und Notars L. begangenen gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden. Dagegen hält die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten versuchten Mordes rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat der Angeklagte den gezielten Schuss auf den Kopf des Tatopfers nach den auch insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen heimtückisch und mit Tötungsabsicht abgegeben. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet aber die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben, weil er sich hieran durch äußere Umstände gehindert gesehen habe, insbesondere deswegen, weil das Opfer fast sein Haus erreicht habe, aber auch aus Furcht vor einer Entdeckung der Tat angesichts des nach Angaben des Tatopfers zu dieser Zeit noch lebhaften Autoverkehrs.
3
Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht die Frage eines strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB geprüft , der die freiwillige Aufgabe der weiteren Ausführungen der Tat voraussetzt. Nach der für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch maßgeblichen Vorstellung des Angeklagten (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGHSt 39, 221, 227 m.N.) war der Mordversuch nicht beendet, weil der Angeklagte nach der Abgabe des Schusses auf Grund der Reaktion des Tatopfers nicht mit dem Eintritt des angestrebten tatbestandsmäßigen Erfolges rechnete. Die Revision beanstandet jedoch zu Recht, dass weder die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei davon ausgegangen, es werde ihm nicht gelingen, noch einmal in Schussnähe an das Tatopfer heranzukommen, noch die Annahme, der Angeklagte habe befürchtet, dass seine Tat von einem der vorbeifahrenden Autoinsassen entdeckt werden könne, hinreichend belegt ist.
4
Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass der Angeklagte davon ausging , es werde ihm nicht gelingen, "noch einmal auf Schussnähe" an das Tatopfer heranzukommen, läge ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein Rücktritt gemäß § 24 StGB nach der Rechtsprechung ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt 39, 221, 228 m.N.). Worauf das Landgericht die Annahme stützt, dass der Angeklagte davon ausging, die Tat nicht mehr vollenden zu können, lässt sich den Urteilsgründen jedoch nicht entnehmen. Das Landgericht hat weder Feststellungen zu der von dem Tatopfer bis zu dem Eingang zu seinem Haus noch zurückzulegenden Entfernung getroffen, noch dazu, wieweit sich der Angeklagte von dem Tatopfer wegbewegt hatte, als er sah, dass es, nachdem es nach vorne zu Boden gefallen war, "sofort wieder aufstand und auf sein Haus zuging." Dass sich der Angeklagte nicht mehr in "Schussnähe" befunden hat, als das Tatopfer aufstand und auf sein Haus zuging, liegt nach den bisherigen Feststellungen eher fern.
5
Ging der Angeklagte aber davon aus, die Tat mit der von ihm benutzten Pistole noch vollenden zu können, weil diese, wovon mangels gegenteiliger Feststellungen zu Gunsten des Angeklagten auszugehen ist, nach Abgabe des Schusses noch mit weiterer Munition versehen war, wäre ein freiwilliges Aufgeben der Tat, für das der Zweifelsgrundsatz gilt (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 199; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 26), nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00 - m.N.). Zwar kann die Aufgabe der Tat unfreiwillig sein, wenn sich der Täter nach Tatbeginn mit einer ihm, verglichen mit der Tatplanung, derart ungünstigen Risikoerhöhung konfrontiert sieht, so dass er das mit der Tat verbundene Wagnis nunmehr als unvertretbar hoch einschätzt (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 16). Dass dem Angeklagten die Fortsetzung der Tat zu risikoreich erschien, weil er befürchtete, seine Tat könne "von einem der vorbeifahrenden Autoinsassen" entdeckt werden, ist jedoch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Revision beanstandet zu Recht, dass sich die zu den Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen nicht ohne Weiteres damit vereinbaren lassen, dass der Angeklagte zu Beginn des Angriffs auf das Tatopfer - außer diesem - "der einzige Fußgänger in diesem Bereich der Kaiserstraße, die in diesen Augenblicken auch nicht von Kraftfahrzeugen befahren wurde", gewesen ist (UA 11).
Das Landgericht hätte daher in eingehender Beschreibung der örtlichen Verhältnisse und der Nachtatsituation im Einzelnen feststellen müssen, ob und in welcher Weise sich die Verkehrsverhältnisse auf der Kaiserstraße in Tatortnähe nach Abgabe des Schusses verändert hatten.
6
Die Sache bedarf daher neuer Entscheidung. Im Hinblick auf die vom Landgericht angenommene tateinheitliche Verwirklichung von versuchtem Mord, gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe hat der aufgezeigte Rechtsfehler die Aufhebung des Urteils insgesamt zur Folge (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 83/18
vom
7. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070318B1STR83.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 7. März 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 7. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die vollumfänglich Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
Die Ausführungen des Landgerichts zum Rücktritt vom versuchten Totschlag halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde und zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisierte Ange- klagte dem Geschädigten G. mit einem Teppichmesser eine etwa 15 cm lange, stark blutende Schnittverletzung am linken Halsbereich zufügte. Der abstrakt lebensgefährliche Schnitt durchtrennte die oberen Hautschichten und reichte bis in das Unterhautfettgewebe hinein. Nach diesem Schnitt versuchte der Angeklagte weiter auf den körperlich überlegenen Geschädigten in lebensgefährdender Weise einzustechen. Dies gelang ihm jedoch nicht, weil sich der Geschädigte G. zu diesem Zeitpunkt in einer Hecke befand und Hände sowie Äste schützend vor sich hielt. Der Angeklagte ließ sodann von weiteren Angriffen mit dem Messer ab, nachdem ein auf das Geschehen aufmerksam gewordener Anwohner rief, dass er die Polizei verständigt habe und die am Tatort anwesenden Zeugen E. und L. den Angeklagten verbal und auch durch Wegziehen von weiteren Stichen abhielten. Anschließend entschloss sich der Angeklagte zu fliehen und verließ den Tatort.
4
2. Im Hinblick auf dieses Geschehen hat das Landgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom versuchten Totschlag nicht vorlägen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Denn der Angeklagte, der im weiteren Verlauf von dem Geschädigten abgelassen habe, obwohl er noch nicht von dessen sicherem Tod habe ausgehen können, habe die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben. Zum einen sei er von den ZeugenE. und L. daran gehindert worden und zum anderen habe er mitbekommen, dass zwischenzeitlich die Polizei verständigt worden sei, mit deren Eintreffen vor Ort in Kürze zu rechnen gewesen sei. Dem Angeklagten sei deshalb klar gewesen, dass er ohne sofortige Flucht Gefahr laufe, noch am Tatort festgenommen zu werden.
5
3. Die knappen Ausführungen des Landgerichts zum Rücktritt vom versuchten Totschlag leiden an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn das Landgericht, das offensichtlich von einem unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB ausgeht, setzt sich nicht hinreichend mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung – dem sogenannten Rücktrittshorizont – auseinander. Soweit sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt, kann das Urteil einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. August 2017 – 5 StR 303/17, NStZ-RR 2018, 10; vom 23. November 2016 – 4 StR 471/16, JuS 2017, 550; vom 11. März 2014 – 1 StR 735/13, NStZ 2014,396; vom 29. September 2011 – 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263 und vom 11. Februar 2003 – 4 StR 8/03, StraFo 2003, 206; Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273).
6
4. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht nicht erörtert, ob der den Tatort verlassende Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs hätte vornehmen können, nachdem ihn die in seinem Lager stehenden Zeugen E. und L. , bei denen es sich um einen Freund und seinen jüngeren Bruder handelte, zunächst verbal und durch Wegziehen von weiteren Stichen abhielten. Auch hat das Landgericht für das Vorstellungsbild des Angeklagten bedeutsame konkrete Feststellungen zum objektiven Geschehen, insbesondere zum Eingreifen der Zeugen, zum Verbleib der Tatwaffe nach deren Eingreifen, zur Position der jeweiligen Beteiligten und zur genauen zeitlichen Abfolge nicht getroffen. Nach den bisherigen Feststellungen ist jedenfalls nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte auch nach Eingreifen der genannten Zeugen nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen hätte vornehmen können, bevor er sich entschloss, den Tatort zu verlassen (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 StR 299/17, NStZRR 2017, 335). In Anbetracht der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der obigen Maßstäbe mussten sich dem Landgericht derartige Erörterungen jedoch aufdrängen. Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen steht einer abschließenden Prüfung durch das Revisionsgericht entgegen.
7
5. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, StV 2017, 672; Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 und vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).

II.

8
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
9
1. Der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will und dementsprechend „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17 und vom 3. April 2014 – 2 StR 643/13, NStZ-RR 2014, 241 mwN).
10
2. Die Verständigung der Polizei und die Kenntnis des Angeklagten davon rechtfertigen für sich genommen weder die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, noch stehen sie grundsätzlich einer Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen, da ein Täter in der Zeit bis zum Eintreffen derselben grundsätzlich noch ungehindert weitere Ausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass damit für ihn eine beträchtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17; zu einer beträchtlichen Risikoerhöhung BGH, Urteil vom 15. September 2005 – 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, [169]; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ 2007, 265, [266]).
11
3. In Anbetracht der Versagung der Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB durch das Landgericht weist der Senat darauf hin, dass nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen ist. Dabei kann eine selbstverschuldete Trunkenheit die Versagung der Milderung im Einzelfall selbst dann tragen, wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls nicht festgestellt ist (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 – GSSt 3/17, NJW 2018, 1180).
Raum Graf Bellay Fischer Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 393/17
vom
24. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:241017B1STR393.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 27. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit rechtlich zusammentreffender gefährlicher Körperverletzung, versuchter Körperverletzung, Sachbeschädigung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit der Sachrüge Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte begehrte nach dem Ende der kurzen Beziehung zu der späteren Geschädigten einen finanziellen Ausgleich für Investitionen in die ehemals gemeinsame Wohnung. Nachdem seine ehemalige Lebensgefährtin dies erneut abgelehnt hatte und sich weigerte, die Haustür zu öffnen und mit ihm zu sprechen, trat er die Tür ein und kündigte an, sie nun umzubringen. Die Geschädigte flüchtete in den Garten. Der Angeklagte warf sie zu Boden und würgte sie mit beiden Händen. Sie wurde bewusstlos. Eine herbeigeeilte Nachbarin schubste den Angeklagten von der Geschädigten herunter. Der Angeklagte stieß die Nachbarin zur Seite, packte die Geschädigte an den Haaren und schwang sie durch die Luft. Sie schlug auf dem Boden auf. Der Angeklagte setzte sich wieder auf ihren Oberkörper und würgte sie erneut mit beiden Händen am Hals. Die Nachbarin stieß ihn erneut von der Geschädigten herunter und rief um Hilfe. Der Angeklagte ging jedoch wieder auf die Nachbarin und die Geschädigte zu. In diesem Augenblick riefen vom zweiten und dritten Stock des Hauses zwei Zeuginnen, sie hätten bereits die Polizei verständigt bzw. sie würden die Polizei holen und fragten, ob ein Krankenwagen erforderlich sei. Der Angeklagte sah nun keine Möglichkeit zur Tatrealisierung mehr, drehte sich um, ging zu seinem Auto, fuhr zu einem Arbeitskollegen, erzählte ihm, dass er seine ehemalige Lebensgefährtin hatte umbringen wollen und fuhr dann zur Polizei.
4
Die Geschädigte erlitt insbesondere eine Einblutung in den Kehlkopf, Schwellungen, Schürfwunden, Hautrötungen, andere kleinere Hautdefekte und Einblutungen. Ein Krankenhausaufenthalt war nicht erforderlich.
5
2. Das Landgericht wertete dieses Geschehen tateinheitlich als versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, versuchte Körperverletzung und Nötigung, letztere zum Nachteil der Nachbarin. Einen Rücktritt vom Tötungsversuch schloss das Landgericht aus, da der Angeklagte die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben habe.

II.


6
Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt (vgl. hierzu z.B. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470, jeweils mwN).
7
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Ein unbeendeter Versuch eines Tötungsdelikts, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, liegt vor, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich ist. Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
8
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Auch dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsvorgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (vgl. hierzu z.B. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687). Scheidet ein Fehlschlag aus, kommt es auf die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687).
9
Allen Fällen aber ist gemeinsam, dass das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt von maßgebender Bedeutung ist. Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten , das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273 und vom 13. August 2015 – 4 StR 99/15, StraFo 2015, 470, jeweils mwN). So liegt der Fall hier.
10
Den Urteilsausführungen ist bereits nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte davon ausging, bereits die beigefügten Verletzungen und das Würgen seien dazu geeignet gewesen, den Tod des Opfers herbeizuführen, oder ob er der Ansicht war, dazu seien weitere Maßnahmen erforderlich gewesen.
11
Die Urteilsfeststellungen schließen auch einen freiwilligen Rücktritt vom Tötungsversuch nicht aus. Die Strafkammer ist zwar davon ausgegangen, dass dem Angeklagten durch die Rufe der Nachbarinnen im zweiten und dritten Stockwerk bewusst geworden sei, dass er bei weiterer Fortsetzung seines Angriffs Gefahr laufen würde, von der Polizei angetroffen zu werden. Allein der Umstand der Entdeckung und die sich anschließende Flucht können die Annahme unfreiwilliger Tataufgabe jedoch nicht tragen.
12
Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon. Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder das Abstandnehmen von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687, 688 Rn. 9 mwN).
13
Ob der Angeklagte die Tötung des Opfers noch für möglich gehalten oder ob er sich nach den Rufen der Nachbarn außerstande gesehen hat, sein Ziel noch zu erreichen, hätte das Landgericht näher erörtern müssen. Es lag nicht auf der Hand, dass sich der Angeklagte in dieser Situation ohne Weiteres gehindert sah, den Tod des Opfers noch herbeizuführen. Die der Geschädigten zur Hilfe kommende Nachbarin hatte ihn bis dahin nicht an weiteren Angriffen auf die Geschädigte hindern können, die Bewohnerinnen des zweiten und dritten Stockwerks hatten die Verständigung der Polizei gerade erst mitgeteilt, der Angeklagte hatte zumindest einmal das Tatmittel gewechselt und es verblieb noch eine gewisse Zeit bis zum Eintreffen der Polizei.
14
Zu der Vorstellung des Angeklagten nach den Rufen aus dem zweiten und dritten Stockwerk enthält das Urteil keine konkreten Feststellungen. Der Senat kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen , dass der Angeklagte in seinem Rücktrittshorizont eine Vollendung der Tat mit gleichen oder anderen Mitteln nicht mehr für möglich hielt. Der Senat hält es daher nicht für fernliegend, dass der Angeklagte seinen Tötungsvorsatz noch hätte weiterverfolgen können, wenn er dies noch gewollt hätte.
15
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags; erfasst werden auch die an sich rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Verurteilungen. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch die Grundlage.
16
Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer fälschlich (und ohne Begründung) der Auffassung war, der über § 21 StGB und § 23 StGB doppelt gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB sei günstiger als der des § 213 StGB; denn bei einem sonst minder schweren Fall im Sinne von § 213 2. Alt. StGB hätte sich ein minder schwerer Fall aus den allgemeinen Milderungsgründen , gegebenenfalls zusammen mit einem vertypten Strafmilderungsgrund , ergeben können. Dann wäre über den zweiten Strafmilderungsgrund eine weitere Verschiebung des Strafrahmens möglich gewesen. Dies wäre für den Angeklagten günstiger gewesen. Nur, wenn die tatrichterliche Beurteilung zu dem Ergebnis geführt hätte, dass beide vertypten Strafmilderungsgründe zur Begründung eines sonst minder schweren Falls im Sinne von § 213 StGB erforderlich seien, wäre der doppelt gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB günstiger gewesen.
17
Der Senat hat sämtliche Feststellungen aufgehoben. Dies ermöglicht dem neuen Tatrichter, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen, auch im Hinblick auf die Dauer der Bewusstlosigkeit der Geschädigten unter Berücksichtigung ihrer eigenen Angaben und der der Zeuginnen.

III.


18
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass angesichts des Verzichts des Angeklagten auf eigene Ansprüche gegen die Geschädigte aus der Finanzierung und Einrichtung der ehemals gemeinsamen Wohnung und seiner Verpflichtung, Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen, auch eine Prüfung der Voraussetzungen eines TäterOpfer -Ausgleichs nach § 46a StGB veranlasst ist.
Raum Bellay Fischer Bär Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 325/13
vom
20. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
20. November 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 6. Mai 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die auf die all- gemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ausdrücklich vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, hat in dem sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts schlug der Angeklagte die Scheibe eines geparkten Fahrzeugs ein und entwendete eine Collegemappe aus Leder sowie eine weitere Ledermappe im Gesamtwert von 150 €, die er entweder gewinnbringend verkaufen oder anders nutzen wollte. Er packte die Beute in seinen Rucksack und fuhr mit einem Fahrrad davon. Dem Eigentümer des Fahrzeugs, der unverzüglich über den Diebstahl und den Fluchtweg des Täters von einer Nachbarin in Kenntnis gesetzt worden war, gelang es, den Angeklagten zu stellen und festzuhalten. Er forderte ihn auf, das Eintreffen der herbeigerufenen Polizei abzuwarten. Der Angeklagte, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits der Diebesbeute entledigt hatte, stritt den Diebstahl ab und versuchte sich loszureißen. Als er das Martinshorn des herannahenden Polizeifahrzeugs hörte, zog er aus seiner Hosentasche ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 10 Zentimetern und führte in Hüfthöhe zwei Stichbewegungen gegen den Fahrzeugeigentümer, der getroffen worden wäre, wenn er nicht ausgewichen wäre. Nun wurde der Angeklagte aggressiver und stach mindestens zwei weitere Male - diesmal in Höhe von Gesicht und Oberkörper - in Richtung des Zeugen, der wiederum ausweichen konnte. Jedenfalls bei diesen letzten beiden Stichbewegungen nahm der Angeklagte in Kauf, den Zeugen zu verletzen. Dieser ließ aus Furcht vor weiteren Stichen den Angeklagten los, der daraufhin zu Fuß floh.
4
2. Das Landgericht hat nicht erörtert, ob der Angeklagte vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist. Dies ist rechtsfehlerhaft, denn die Urteilsgründe drängten zu einer Prüfung der Rücktrittsfrage.
5
Nach den getroffenen Feststellungen kommt ein Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch der gefährlichen Körperverletzung in Betracht (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Angeklagte hatte den Zeugen mit allen vier Stichen verfehlt und damit ersichtlich noch nicht alles getan, um den von ihm jedenfalls bei den beiden letzten Stichbewegungen billigend in Kauf genommenen Körperverletzungserfolg herbeizuführen. Den Urteilsgründen lassen sich keine Umstände entnehmen, die ihn daran gehindert haben konnten, weitere Stiche gegen den Zeugen zu führen; ein Fehlschlag des Körperverletzungsversuchs ist daher nicht belegt. Ebenso wenig lässt sich den Feststellungen entnehmen , dass der Angeklagte nur unfreiwillig von weiteren Körperverletzungshandlungen abließ. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich aufgrund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen nicht mehr in der Lage gesehen hätte, weitere Stiche zu setzen. Dazu verhält sich das Urteil nicht. Insbesondere bleibt offen, ob der Angeklagte eventuell aufgrund der sich nähernden Polizeisirenen von weiteren Einwirkungen auf den Zeugen absah, weil er allein durch eine sofortige Flucht seiner Festnahme entgehen zu können glaubte. Dass der Angeklagte sein mit den Messerstichen verfolgtes außertatbestandliches Ziel, sich aus dem Griff des Zeugen zu lösen, nach dem vierten Stich erreicht hatte, schließt letztlich ebenso einen Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht aus (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221; Beschluss vom 20. September 2012 - 3 StR 367/12, NStZ-RR 2013, 105).
6
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung lässt auch die - von diesem Rechtsfehler nicht betroffene - Verurteilung wegen der tateinheitlich dazu begangenen Nötigung entfallen KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 353 Rn. 12 mwN). Der Wegfall der für diese Tat verhängten Einzelstrafe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 216/05
vom
15. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15. September 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. September 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord, gefährlicher Körperverletzung und mit Schwangerschaftsabbruch zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision allein gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das vom Generalbundesanwalt vertretene, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat dagegen Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen hatte der zur Tatzeit 61 Jahre alte Angeklagte seinen Sohn Ralf W. nach dessen Rückkehr aus dem Ausland im Jahre 2000 bei der Begleichung seiner Altschulden und beim Aufbau eines eigenen Betriebes finanziell unterstützt. Ende 2002/Anfang 2003 wurden die Firmen des Angeklagten und seines Sohnes zusammengelegt und das Eigentum an dem Familienanwesen neu aufgeteilt, so dass sich die zusammengelegten Firmen im Alleineigentum des Sohnes des Angeklagten befanden. Im Gegenzug wurde dem Angeklagten die Geschäftsführung übertragen und ihm ein monatlicher unkündbarer Lohn von 3.000 Euro versprochen. Im März 2003 erteilte Ralf W. dem Angeklagten Baustellen- und Büroverbot. Im Mai 2003 stellte er die monatlichen Zahlungen von 3.000 Euro an den Angeklagten ein und kündigte schließlich die Krankenversicherungen seiner Eltern. Der Angeklagte reagierte darauf mit beleidigenden Äußerungen gegenüber seinem Sohn, dessen Ehefrau Petra, die zur Tatzeit in der 30. Woche schwanger war, und deren Eltern. Er erstattete mehrfach anonym Strafanzeige gegen seinen Sohn, unter anderem wegen angeblichen Drogenhandels und Steuerhinterziehung. Der Angeklagte, der annahm, bei den Besuchern seines Sohnes handele es sich um Mitglieder der „Hells-Angels“ oder der „MC-Outlaws“, beobachtete und fotografierte regelmäßig – bei Dunkelheit unter Verwendung eines Nachtsichtgerätes - die Wohnung seines Sohnes. Anfang Oktober 2003 erklärte der
Angeklagte einem langjährigen Mitarbeiter bei einem Telefongespräch, er wolle die Firma von seinem Sohn zurück haben und kündigte an, er werde diesen erschießen. Bevor das Kind der Ehefrau seines Sohnes auf die Welt komme, "erschieße er sie beide". Etwa sechs Wochen vor der Tat bedrohte der Angeklagte auf dem Familienanwesen seinen Sohn mit einem Revolver und forderte ihn auf, sein Fahrzeug umzuparken. Als Ralf W. dies ignorierte und entgegnete, der Angeklagte solle doch schießen, drehte dieser seine Waffe um und bot seinem Sohn an, dieser solle auf ihn schießen.
Am späten Nachmittag des 26. November 2003 stellte der Angeklagte fest, dass die Nummernschilder von dem Firmenwagen, den er privat nutzte, abgeschraubt waren. An der Windschutzscheibe des Autos befand sich ein Zettel mit der Nachricht: "Auto wird abgemeldet. MfS Ralf". In dem Angeklagten "reifte nun endgültig die Überzeugung seinen Sohn töten zu müssen. Er setzte sich gegen 18.00 Uhr in seine Küche - von der aus er den Hof überblicken konnte - und wartete auf die Heimkehr seines Sohnes". Gegen 21.30 Uhr kamen RalfW. und seine Ehefrau Petra durch den hinteren Durchgang in den Innenhof. Der Angeklagte, der den Lichtkegel des Autos seines Sohnes gesehen hatte, war zur Hintertür seiner Wohnung hinuntergegangen, hatte diese geöffnet und sich, ohne die über der Tür angebrachte Beleuchtung einzuschalten , auf die Treppe vor der Tür gestellt. Er wollte seinen Sohn mit seinem mit fünf Vollmantelkegelspitzgeschossen geladenen Revolver erschießen, sobald dieser den Innenhof betrat. Als er sah, dass seine Schwiegertochter neben seinem Sohn ging, zögerte er einen Augenblick. Da er befürchtete, sein Vorhaben könne scheitern und er abermals „versagen“, schoss der Angeklagte ohne Vorwarnung zweimal auf Ralf und Petra W. , die sich kurz vor der
zu ihrer Wohnung führenden Außentreppe befanden. Dabei konnte er, weil es im Hofraum dunkel war, lediglich unklare Umrisse zweier Personen erkennen.
"Da sich das Ehepaar in Bewegung befand, dem Angeklagten vor Aufregung die Hände zitterten, er von dem unerwarteten Auftauchen der Petra W. überrascht und es insgesamt relativ dunkel war, konnte er - wie er wusste - keinen gezielten Schuss auf seinen Sohn abgeben. Er konnte die beiden Personen im Moment der Abgabe der beiden Schüsse nicht einmal genau voneinander unterscheiden. Er hatte gehofft bei den ersten beiden Schüssen auf die beiden Personen seinen Sohn zu treffen, die Gefahr der Tötung seiner Schwiegertochter war ihm aber bewusst und er nahm sie in Kauf. Nahezu gleichzeitig, allenfalls Bruchteile einer Sekunde vor den beiden Schüssen, wurde dem Ralf W. eine Person in der Haustür seines Vaters gewahr, was ihn veranlasste sich in diese Richtung zu drehen. Einer der beiden Schüsse durchschlug zunächst den linken Unterarm der Petra W. , streifte anschließend den rechten Unterarm des Ralf W. bevor er schließlich nach Eintreten in ihre linke Brust ihr Herz durchdrang und im Brustkorb stecken blieb. Das zweite Geschoss verfehlte die beiden und bohrte sich in die Wand des Hauses".
Ralf und Petra W. liefen in Richtung der Treppe zu ihrer Wohnung. Die tödlich getroffene Petra W. kam auf der Treppe zu Fall und begann zu schreien. Ralf W. versuchte vergeblich, seine Ehefrau hochzuziehen und lief dann die Treppe hinauf zu seiner Wohnung. Der Angeklagte schoss zwei weitere Male auf Ralf W. , traf diesen jedoch nicht. Dieser lief in seine Wohnung und kehrte mit einem schnurlosen Telefon in der Hand vor die Wohnungstür zurück. Er trat mehrmals einige Schritte vor und gleich wieder zurück und tat dabei so, als ziele er mit dem Telefon in der Hand auf den Angeklagten. Dieser zielte jeweils erneut auf Ralf W. , schoss jedoch nicht. Nach einigen Minuten ging der Angeklagte in seine Wohnung,
alarmierte mit den Worten "Ich habe meinen Sohn erschossen" telefonisch die Polizei und forderte sie kurz danach mit einem weiteren Telefonanruf auf, einen Notarzt zu verständigen. Das von Petra W. vor ihrem Tode entbundene Mädchen verstarb zwei Stunden nach seiner Geburt.
Nach Auffassung des Landgerichts ist eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht auszuschließen. Aus dem Inhalt der Hauptverhandlung ergäben sich ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt „im Zustand einer affektbedingten Störung seiner Bewusstseinstätigkeit gehandelt haben könnte.“
II. Revision des Angeklagten
1. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls unbegründet.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.

a) Der Schuldspruch ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einwendungen, rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten von dem Mordversuch zum Nachteil seines Sohnes verneint, dies jedoch nicht näher begründet hat. Dass „der Tötungsversuch des Angeklagten spätestens dann fehlgeschlagen war“, als sich sein Sohn in seine Wohnung hatte flüchten können, liegt hier nahe. Denn ein Fehlschlag, der
nach der Rechtsprechung einen Rücktritt ausschließt (vgl. BGHSt 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 228), liegt vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur vollenden kann (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGHSt 41, 368, 369; BGH NStZ-RR 2002, 168), so dass ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zu dem gewünschten Ziel zu gelangen (vgl. BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369). Selbst wenn der Angeklagte, was nach den Feststellungen fern liegt, nach Abgabe des vierten Schusses davon ausgegangen sein sollte, dass er die Tat ohne zeitliche Zäsur noch hätte vollenden können, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Freiwilligkeit des Rücktritts. Hat sich aus der Sicht des Täters durch nicht vorhergesehene Umstände das für ihn mit der Tatbegehung verbundene Risiko beträchtlich erhöht und sieht er deshalb von der weiteren Tatausführung ab (BGH NStZ 1993, 76, 77 und 279 jew. m. w. Nachw.), ist der Rücktritt nicht freiwillig. So liegt es hier.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, als es seinem Sohn gelang , in seine Wohnung zu flüchten, nur noch einen Schuss zu Verfügung. Er wusste, dass sein Sohn eine Schusswaffe besaß. Bei dieser Sachlage war eine weitere Ausführung der Tat aus der Sicht des Angeklagten mit einem erheblichen Risiko verbunden. Nach den vorangegangenen Fehlschüssen konnte der Angeklagte wegen der Entfernung und der Lichtverhältnisse nicht sicher sein, seinen Sohn zu treffen, als dieser jeweils kurz aus seiner Wohnung kam und seinerseits ein Zielen vortäuschte. Eine Möglichkeit, ohne Eigengefährdung zunächst die Distanz zu verringern, um mit der letzten Patrone sicher treffen zu können, bestand nicht. Dass der Angeklagte nicht wegen des nunmehr (vermeintlich ) erhöhten Risikos, sondern aus anderen Gründen von der Abgabe eines weiteren Schusses absah, liegt nach dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe, insbesondere im Hinblick auf seine Angaben nach seiner Festnahme , so fern, dass es hierzu keiner näheren Darlegung bedurfte.

b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers begegnet auch die Strafzumessungserwägung, der Angeklagte habe nicht „nur“ seine an seiner Situation unschuldige Schwiegertochter erschossen, sondern darüber hinaus tateinheitlich einen versuchten Mord begangen und dazu das Leben eines – zunächst ungeborenen – Kindes vernichtet, keinen rechtlichen Bedenken. Die strafschärfende Berücksichtigung der tateinheitlichen Verwirklichung des § 218 Abs. 1 StGB verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung ist jedenfalls dann ein Grund, die Tat innerhalb des Strafrahmens der insoweit bestimmenden Norm nachteiliger zu bewerten, wenn das tateinheitlich verwirklichte Delikt – wie hier - selbständiges Unrecht verkörpert (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20; BGH NStZ 1993, 434).
Auch hat das Landgericht mit der Erwägung, der Angeklagte habe nicht „nur“ seine „an seiner Situation unschuldige Schwiegertochter erschossen“, nach dem Gesamtzusammenhang nicht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes straferschwerend berücksichtigt, sondern den Umstand, dass der Angeklagte , um seinen an der Situation schuldigen Sohn wie geplant erschießen zu können, die Tötung eines weiteren – unbeteiligten - Menschen in Kauf nahm. Das ist hier ein tauglicher Strafzumessungsgrund (vgl. BGHSt 34 345, 350 ff.).
III. Revision der Staatsanwaltschaft
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Die Annahme einer affektbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, „ausgehend von den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen“ könne es „im Zweifel zugunsten des Angeklagten nicht ausschließen, dass er sich zur Tatzeit in einem die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Zustand der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung befunden hat und er deshalb bei Begehung der Tat nur vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB war.“ Zu den Ausführungen des Sachverständigen teilt das Urteil mit, dass sich für diesen im Rahmen der Exploration die Schwierigkeit ergeben hat, „dass sich wegen der Verteidigungsstrategie aus der Einlassung des Angeklagten und den ihn vermeintlich schützenden Bekundungen seiner Tochter und seiner Ehefrau kein umfassendes psychopathologisches Bild ergeben hat.“ Dies lässt besorgen, dass das Landgericht, was rechtlich bedenklich ist (vgl. BGH NStZ 2005, 149), bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit lediglich auf Gesichtspunkte abgestellt hat, die nach den Ausführungen des Sachverständigen abstrakt für oder gegen einen Affekt sprechen können. Den Urteilsausführungen lässt sich nicht entnehmen, ob sich der Sachverständige in der Hauptverhandlung mit dem für ihn neuen, der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt auseinandergesetzt und zu den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen konkret auf den Angeklagten bezogene Ausführungen gemacht hat. Hierzu hätte sich das Urteil aber insbesondere deshalb verhalten müssen, weil das Landgericht – insoweit zutreffend (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234) - nicht von dem
klassischen Fall eines schuldrelevanten Affekts, sondern von einer affektbedingten Bewusstseinsstörung infolge „einer irrealen Fokussierung und Fixierung“ des Angeklagten auf seinen Sohn ausgegangen ist (zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit bei einer Ausweitung einer „überwertigen Idee“ vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 25).
Das Landgericht hat sich zudem nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen am Tattage, nachdem er sich entschlossen hatte, seinen Sohn zu erschießen, etwa dreieinhalb Stunden auf dessen Rückkehr gewartet hat. Auch dies kann aber ebenso wie die vorangegangene Tatplanung und die zielgerichtete Vorgehensweise bei der Tatausführung ein deutliches Anzeichen dafür sein, dass er nicht infolge einer Bewusstseinstörung gehandelt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234 m. w. N.). Gegen eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung sprechen kann ferner ein rationales und umsichtiges Verhalten nach der Tat (vgl. BGH NStZ 1990, 231), insbesondere dann, wenn - wie hier - Anzeichen für eine den Affektabbau begleitende schwere seelische Erschütterung des Täters fehlen (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 7). Das Landgericht hätte sich deshalb damit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte, der nach Beendigung der Tat in seine Wohnung gegangen war, dort nicht nur zwei Telefongespräche mit der Polizei führte, sondern auch die Hülsen der verschossenen Munition aus seinem Revolver entfernte, und er sich dann bis zum Eintreffen der Polizei hinter einem Wohnmobil versteckte, weil er fürchtete, sein Sohn werde seine Pistole holen, um ihn zu erschießen.

b) Die Urteilsausführungen lassen zudem besorgen, dass das Landgericht den Zweifelssatz auch auf die Rechtsfrage, ob die nach seiner Auffassung vorliegende Beeinträchtigung des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB "erheb-
lich" ist, angewendet hat. Eine Rechtsfrage kann aber nicht auf der Grundlage des Zweifelssatzes beantwortet werden (st. Rspr., vgl. BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ 2005, 149, 150). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung im Sinne des § 21 StGB fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2004, 437 f. m.w.N.), bei vorsätzlichen Tötungsdelikten also besonders hoch (BGH NStZ 2005, 149, 150).
2. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die danach notwendige erneute Prüfung lässt den Schuldspruch unberührt. Es fehlt an jeglichem Anhalt, der Angeklagte könne zur Tatzeit im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig gewesen sein.
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 282/17
vom
28. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:280917U4STR282.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außer- dem hat es ihm die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf einer Frist von sechs Monaten das Recht zu erteilen, von seiner niederländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen und eine inländische Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe zu Unrecht nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und nicht auch wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist. Die Nebenklägerin strebt insoweit ebenfalls eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Die unbeschränkt eingelegte und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat zu der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin (Fall II. 1 der Urteilsgründe) die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Nebenklägerin und der Angeklagte heirateten im Mai 2009. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ende 2014 verschlechterte sich ihr Verhältnis. Am 7. September 2015 verließ die Nebenklägerin mit den gemeinsamen Kindern das eheliche Haus und betrieb die Scheidung. Der Angeklagte vermochte das Scheitern seiner Ehe nicht zu akzeptieren.
4
Am Morgen des 5. Februar 2016 holte der Angeklagte seinen Sohn bei der Nebenklägerin ab, um mit ihm den Tag zu verbringen. Als er bei dieser Gelegenheit mit ihr ein Gespräch über die familiäre Situation führen wollte, weigerte sie sich und fuhr mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeitsstelle. Gegen 16.50 Uhr fuhr der Angeklagte der Nebenklägerin mit einem Pkw auf deren Heimweg entgegen. Dabei befanden sich nun beide Kinder auf dem Rücksitz des Fahrzeugs.
5
Um 17.06 Uhr traf er auf die Nebenklägerin, die ihm auf dem Radweg mit ihrem Fahrrad entgegenkam. Sie bemerkte den Angeklagten, hielt die Begegnung aber für zufällig und setzte ihren Weg fort. Der Angeklagte, der davon ausging, bemerkt worden zu sein, fühlte sich missachtet und wollte dies nicht hinnehmen. Er fasste den Entschluss, auf die Nebenklägerin mit einem im Fahrzeug mitgeführten Baseballschläger einzuschlagen, um sie auf diese Weise zu töten. Der Angeklagte stellte sein Fahrzeug auf dem Radweg ab, weil seine Kinder die Tat nicht sehen sollten und er die Nebenklägerin überraschen wollte. Er verließ mit dem Baseballschläger das Fahrzeug und lief der Nebenklägerin hinterher. Ca. 470 Meter vom Abstellort seines Fahrzeugs entfernt holte der Angeklagte die Nebenklägerin ein, ohne dass diese sein Herannahen bemerkte. Der Angeklagte schlug nun der Nebenklägerin mit dem beidhändig geführten Baseballschläger von hinten wuchtig auf den Hinterkopf. Nach dem zweiten Schlag auf den Oberkopf stürzte sie vom Fahrrad und kam auf der Straßenfahrbahn zu liegen. Der Angeklagte versetzte ihr mindestens noch zwei weitere Schläge auf den Oberkopf. Einen der letzten Schläge versuchte die Nebenklägerin , die sich auf dem Boden liegend zu ihm umwandte und ihn erkannte , dadurch abzuwehren, dass sie ihren rechten Unterarm schützend hochhob. Der folgende, ebenfalls gegen den Kopf geführte Schlag traf ihren rechten Unterarm und brach die Elle mittig. Obwohl die gegen ihren Kopf geführten Schläge potentiell lebensgefährlich waren, bestand keine konkrete Lebensgefahr.
6
Noch während der Angeklagte auf die Nebenklägerin einschlug, näherte sich der Zeuge O. mit seinem Fahrzeug. Im Verlauf der Annäherung des Zeugen, der zumindest zwei Schläge des Angeklagten und den zur Abwehr er- hobenen Arm der Nebenklägerin beobachtet hatte, – „möglicherweise“ noch vor seinem ersten Hupen – stellte der Angeklagte – der „möglicherweise“ das Herannahen des Zeugen bemerkt hatte – die Schläge ein, entfernte sich zunächst einige Meter von der Nebenklägerin und kehrte sodann wieder zu ihr zurück. Als der Zeuge O. aus seinem Fahrzeug ausstieg, befand sich der Angeklagte wieder bei der Nebenklägerin. Er hatte sich noch vor dem Anhalten des Zeugen O. entschlossen, obwohl ihm dies noch möglich gewesen wäre, der Nebenklägerin keine weiteren potentiell tödlichen Schläge auf den Kopf zu versetzen, sondern zu versuchen, herannahende Personen, die der Nebenklägerin zu Hilfe kommen könnten, möglichst „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen. Der Angeklagte erklärte deshalb dem Zeugen O. , die Nebenklägerin habe einen Verkehrsunfall gehabt, und er wolle ihr helfen. Der Zeuge O. hielt dem Angeklagten vor, gesehen zu haben, dass er auf die Nebenklägerin eingeschlagen habe. Als der Zeuge O. sein Mobiltelefon zur Hand nahm, um die Polizei und den Rettungsdienst zu alarmieren, forderte ihn der Angeklagte auf, das Mobiltelefon einzustecken. Aus Angst vor möglichen Schlägen mit dem Baseballschläger folgte der Zeuge O. dieser Aufforderung. Als sich ein weiteres Fahrzeug und zwei Jogger näherten, erkannte der Angeklagte, dass er in Unterzahl zu geraten drohte. Er beschloss deshalb, sein Fahrzeug herbeizuholen und zu versuchen, die Nebenklägerin zum Einsteigen und zum Absehen von einer Anzeige zu bewegen. Nachdem er den Tatort verlassen hatte, verständigten die hinzugekommenen Zeugen Polizei und Rettungsdienst.
7
2. Die Strafkammer hat dies als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315c Abs. 3 Nr. 1a StGB gewertet. Von dem (unbeendeten) Versuch, die Nebenklägerin heimtückisch zu töten (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB), sei der Angeklagte nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten. Ein fehlgeschlagener Versuch liege nicht vor. Von einer Tatvollendung durch weitere Schläge habe der Angeklagte aus autonomen Motiven abgesehen. Dass für diesen Entschluss die Furcht vor Entdeckung ausschlaggebend gewesen sei, lasse sich nicht feststellen.

II.


8
Die Revision der Nebenklägerin und die wirksam auf die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
9
1. Die Annahme eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Die Beurteilung der Frage, ob die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, hängt davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279 mwN). Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 289/13, StV 2014, 336; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 229/13, NStZ-RR 2014, 9, 10; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ-RR 2007, 136, 137; Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279; Urteil vom 1. September 1992 – 1 StR 484/92, NStZ 1993, 76, 77). Verbleibende Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zu Gunsten des Täters zu lösen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 4 StR 59/02, NStZ-RR 2003, 199).
11
b) Von diesen Maßstäben ist das Landgericht zwar im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine hierzu getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung sind aber lückenhaft und unklar (zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2017 – 2 StR 132/17, Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 13; Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 215, st. Rspr.).
12
Soweit das Landgericht eine „Furcht vor Entdeckung“ als nicht ausschlaggebend für die Rücktrittsentscheidung des Angeklagten bewertet hat, weil er bei einem Überleben der Nebenklägerin ohnehin mit seiner Identifizierung habe rechnen müssen, bleibt außer Acht, dass der Angeklagte nach den Feststellungen von möglichen weiteren Schlägen Abstand nahm und stattdes- sen versuchen wollte, herannahende Personen „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen (UA 19). Dem entspricht es, dass der Angeklagte in der Folge auch tatsächlich versuchte, gegenüber dem Zeugen O. das Geschehen als Verkehrsunfall darzustellen. Dies legt die Annahme nahe, dass er zu diesem Zeitpunkt nach den vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen die bisher begangene Tat für noch nicht von Dritten entdeckt hielt. Danach hätte sich die Strafkammer mit der sich aufdrängenden Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte das bis zur letzten Ausführungshandlung für ihn entstandene Risiko, für seine bisher ausgeführten Schläge zur Verantwortung gezogen zu werden, noch für kontrollierbar hielt, für den Fall einer Fortsetzung der Tatausführung aber infolge des Herannahens Dritter von einer nicht mehr vertretbaren Gefährdung seiner Interessen ausging und sich allein deshalb von einer Tatvollendung gehindert sah.
13
Hinzu kommt, dass den Urteilsgründen auch nicht mit der für eine revisionsrechtliche Überprüfung erforderlichen Klarheit entnommen werden kann, ob der Angeklagte das Herannahen des Zeugen O. bereits bemerkt hatte, als er von der weiteren Tatausführung Abstand nahm. In den Feststellungen hält es die Strafkammer nur für „möglich“, dass der sich mit seinem Pkw annähernde Zeuge O. noch vor dem ersten Hupen sah, dass der Angeklagte die Schläge einstellte. Auch soll es nur „möglicherweise“ der Fall gewesen sein, dass der Angeklagte das Herannahen des Zeugen (zu diesem Zeitpunkt) bereits bemerkt hatte (UA 18/19). Dem steht die mitgeteilte und für glaubwürdig erachtete Einlassung des Zeugen O. entgegen, wonach der Angeklagte ihn bemerktund (dann) mit seinen Schlägen aufgehört habe (UA 51). Auch hält es die Strafkammer in ihren Erörterungen zur Freiwilligkeit eines Rücktritts „für nicht widerlegbar“ , dass der Angeklagte „durch das Herannahen eines Dritten zu einem Bedenken der bestehenden Situation (…) fand“ (UA 61). DiesenWiderspruch löst die Strafkammer nicht auf.
14
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da zwischen einer möglichen Verurteilung wegen versuchten Mordes und der – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die damit verbundene Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kam mit Rücksicht auf die aufgezeigten Unklarheiten nicht in Betracht. Der Maßregelausspruch wird von der Aufhebung nicht berührt.

III.


15
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), weil die weitere Überprüfung des Urteils keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.
Sost-Scheible RiBGH Cierniak ist im Urlaub Franke und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Bender Quentin

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

20
2. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Zu deren Überprüfung ist das Revisionsgericht nur eingeschränkt berufen und in der Lage. Es hat die tatrichterliche Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten. Diese sind namentlich dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft , in sich widersprüchlich, unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184). Dabei brauchen die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen aber ergeben, dass alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, in die Beweiswürdigung einbezogen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 159 f.; Miebach in MüKo-StPO, § 261 Rn. 108 mwN) und erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen nicht lediglich Vermutungen sind, für die es weder eine belastbare Tatsachengrundlage noch einen gesicherten Erfahrungssatz gibt (vgl. Senat, Beschluss vom 8. November 1996 – 2 StR 534/96, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 78/16
vom
1. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verdachts des Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010217U2STR78.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 25. Januar 2017 in der Sitzung am 1. Februar 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten C. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Pflichtverteidiger für den Angeklagten K. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreter der Nebenkläger N. R. und St. K. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreterin der Nebenkläger L. F. und S. B. , Rechtsanwalt in der Verhandlung vom 25. Januar 2017 als Vertreter der Nebenkläger I. B. und A. B. ,
Justizangestellte in der Verhandlung vom 25. Januar 2017, Justizangestellte in der Sitzung am 1. Februar 2017 als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger N. R. und St. K. wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 5. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revisionen der Nebenkläger I. B. und A. B. und der Nebenkläger L. F. und S. B. wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Tat zu Lasten der Geschädigten S. K. betrifft. Im Übrigen werden die Revisionen dieser Nebenkläger als unzulässig verworfen. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten C. B. vom Vorwurf des Totschlags und den Angeklagten K. B. vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Nebenkläger haben, soweit sie sich im Rahmen ihrer jeweiligen Nebenklagebefugnis halten, mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I. B. und A. B. und der Nebenkläger L. F. und S. B. sind unzulässig, soweit sie die Tat zum Nachteil des Geschädigten H. K. betreffen.

I.

2
Die zugelassene Anklage legt den Angeklagten folgendes zur Last:
3
Am 6. Juni 2014 habe der Angeklagte C. B. auf der „M. “ in Ma. im Rahmen eines Streits mit anschließender Rangelei dem Geschädigten H. K. ein von diesem mitgeführtes Messer abgenommen und hiermit insgesamt 17 Mal auf den Bauch- und Rückenbereich des Geschädigten eingestochen, bis dieser infolge der massiven Stichverletzungen verstorben sei.
4
Die Ehefrau des H. K. , die Geschädigte S. K. , habe mit einem Beil bewaffnet die Auseinandersetzung aus unmittelbarer Nähe beobachtet , ohne in das Geschehen einzugreifen. Der Angeklagte K. B. sei sodann von einem hinteren Teil des Geländes zu dem Kampfgeschehen hinzugekommen und habe erkannt, dass sein Sohn C. den Geschä- digten H. K. getötet habe. Daraufhin habe er sich entschlossen, die Geschädigte S. K. durch gezielte Kopfschüsse aus einer von ihm mitgeführten Pistole zu töten, um die Überführung seines Sohnes zu verhindern. In Ausführung seines Tatplans habe der Angeklagte K. B. daraufhin der Geschädigten aus kurzer Distanz zweimal hintereinander in deren Arm /Schulter-/Kopfbereich geschossen, wodurch S. K. sofort, wie vom Angeklagten K. B. beabsichtigt, verstorben sei. Die Angeklagten hätten anschließend die Kampfspuren zu verwischen gesucht, die Tatwerkzeuge beiseite geschafft und das getötete Ehepaar zunächst unter einem Sandhaufen, in der Nacht darauf in einer Jauchegrube vor der Ranch vergraben. Das Auto der Getöteten habe der Angeklagte K. B. auf einem Supermarktparkplatz in Ma. abgestellt.

II.

5
Zu den den Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
6
1. Der Geschädigte H K. und seine Tochter waren seit Mai 2007 Pächter der „M. “, eines sich außerhalb des Stadtrands von Ma. befindlichen Grundstücks mit direktem Zugang zum Mainufer. Im März 2012 schlossen der Geschädigte und seine Ehefrau, die Geschädigte S. K. , mit den beiden Angeklagten einen Untermietvertrag, der diesen gegen einen Mietzins von monatlich 906 Euro in bar das Recht einräumen sollte, ein auf dem Anwesen befindliches Gebäude zu Wohnzwecken und Teile des Grundstücks für Tierhaltung zu nutzen. Den Geschädigten war bekannt, dass sie zu dieser Untervermietung nicht berechtigt waren und das Grundstück zu Wohnzwecken nicht genutzt werden durfte.
7
Ab dem Jahr 2013 verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Angeklagten und den Geschädigten zunehmend. Grund hierfür war zum einen, dass die Angeklagten aufgrund ihrer äußerst angespannten finanziellen Situation den vereinbarten Mietzins nicht immer pünktlich zum jeweiligen Monatsanfang an die Geschädigten zahlen konnten. Die Geschädigten, die nur über geringe Einkünfte verfügten, waren auf diese Zahlungen dringend angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und den Mietzins für eine von ihnen auf Mallorca angemietete Wohnung entrichten zu können. Infolge der unregelmäßigen Zahlung der Miete kam es daher immer wieder zu verbalen Streitigkeiten zwischen den ihre Forderungen vehement einfordernden Geschädigten und den Angeklagten. Zu Konflikten zwischen den Angeklagten und Geschädigten trug zum anderen bei, dass Letztere nicht mit der Haltung der auf dem Hof lebenden Ziegen durch den Angeklagten C. B. einverstanden waren und deshalb mehrfach das staatliche Veterinäramt zu Kontrollen veranlassten. Dass sich die Angeklagten und Geschädigten täglich auf dem Gelände der Ranch begegneten, verschärfte das vorhandene Konfliktpotential zusätzlich. Auf die häufigen aggressiven Anwürfe der Geschädigten, die in Beleidigungen und Drohungen gipfelten, reagierten die Angeklagten passiv, demütig und verängstigt. Aufgrund der stetig zunehmenden Angst vor etwaigen Übergriffen der Geschädigten bewahrten die Angeklagten spätestens seit Dezember 2013 eine Pistole griffbereit hinter der Eingangstür des von ihnen bewohnten Gebäudes der Ranch auf.
8
In den letzten Wochen vor der Tat kam es beinahe täglich zu immer lautstärkeren – und seitens der Geschädigten sehr emotional und aggressiv geführten – Auseinandersetzungen zwischen den Geschädigten und den Angeklagten. Nachdem der Eigentümer des Grundstücks Ende April 2014 erstmals erfahren hatte, dass das Grundstück zu Wohnzwecken untervermietet worden war, forderte dessen Rechtsanwalt Anfang Mai 2014 die Geschädigten und An- geklagten schriftlich auf, das illegale Untermietverhältnis zu beenden. Am 2. Juni 2014 suchten die Angeklagten ihren Rechtsanwalt auf, der ihnen dazu riet, keinerlei Mietzins mehr an die Geschädigten zu entrichten und ihnen zusicherte , sich mit dem Grundstückseigentümer in Verbindung zu setzen, um eine direkte Anmietung oder einen Erwerb des Grundstücks zu erreichen. Am selben Tag zahlten die Angeklagten im Anschluss an das Beratungsgespräch für Juni 2014 dennoch einen (Teil-) Mietzins in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten. Sie waren hiernach jedoch definitiv nicht mehr bereit, weitere Zahlungen zu leisten.
9
Am 6. Juni 2014 zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr befanden sich die Geschädigten auf dem Grundstück der Ranch direkt vor dem Eingang des von den Angeklagten bewohnten Gebäudes. Hierbei führte der Geschädigte H. K. – wie üblich – ein Messer mit sich. Die Geschädigten hatten sich vorgenommen – wie mit den Angeklagten zuvor am 2. Juni 2014 verabredet – den noch offenen Mietzins für den Monat Juni 2014 zu erhalten und waren zur Durchsetzung ihrer Forderung bereit, falls erforderlich, auch Gewalt anzuwenden.
10
Während sich der Angeklagte K. B. im hinteren Teil des Grundstücks mit den Tieren beschäftigte, traf der Geschädigte H. K. an der Eingangstür des bewohnten Gebäudes den Angeklagten C. B. an und forderte ihn zur unverzüglichen Zahlung des restlichen Mietzinses für Juni 2014 sowie zusätzlich auch des Mietzinses für Juli 2014 auf. Als der Angeklagte gegenüber H. K. und dessen Ehefrau, die ein Beil mit sich führte, trotz Drohungen mit Gewalt jede weitere Zahlung ablehnte und von der Einschaltung seines Anwalts berichtete, zog H. K. das von ihm mitgeführte Messer und setzte es dem von ihm am Hals festgehaltenen C. B. auf die Brust. Als sich der Angeklagte C. B. zu wehren versuchte, stach H. K. mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer in Richtung des Oberkörpers des Angeklagten, der den Stich jedoch ablenken konnte. Im weiteren Verlauf der tätlichen Auseinandersetzung gelang es C. B. , dem Geschädigten H. K. das Messer abzunehmen und sich durch einen Stich in dessen Oberkörper aus dem Griff am Hals zu lösen. Sein anschließender Versuch, von der Ranch zu flüchten, scheiterte, weil ihm die noch immer mit dem Beil bewaffnete Geschädigte S. K. den Fluchtweg versperrte. Dadurch gelang es dem Geschädigten H. K. , ihn einzuholen, in den Schwitzkasten zu nehmen und die wieder vor die Eingangstür verlagerte, zwischenzeitlich auf dem Boden geführte Auseinandersetzung fortzusetzen.
11
Währenddessen kam der Angeklagte K. B. zum Geschehen hinzu. Als er sah, dass sein Sohn mit dem Rücken auf dem Boden liegend mit dem auf ihm sitzenden H. K. kämpfte, und die Geschädigte S. K. mit einem Gegenstand in der Hand neben beiden kniete, versuchte er zunächst vergeblich S. K. wegzustoßen. Daraufhin begab er sich in den Vorraum des Hauses und ergriff die dort gelagerte Pistole.
12
Trotz der Fixierung seiner rechten Hand durch die linke Hand des Geschädigten H. K. war es dem Angeklagten C. B. nunmehr unter erheblicher Kraftanstrengung möglich, mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer noch insgesamt drei Stiche in den oberen Brustbereich des auf ihm sitzenden Geschädigten H. K. anzubringen, der ihn weiterhin mit seiner rechten Hand am Hals festhielt und versuchte, ihm das Messer zu entwinden.
13
In der Zwischenzeit kam der Angeklagte K. B. mit der Pistole zum Geschehen zurück. Als er erkannte, dass die Geschädigte S.
K. ein Beil in der Hand hielt und ausholend dazu ansetzte, hiermit auf C. B. einzuhacken, schoss er – um seinen Sohn vor dem Angriff mit dem Beil zu verteidigen – aus einer Entfernung von mindestens zwei Metern zwei Mal auf den Arm-/Schulterbereich der S. K. , die dadurch am Rücken getroffen wurde und sofort verstarb.
14
Der Angeklagte K. B. zog nun den Geschädigten von seinem Sohn herunter, woraufhin H. K. leblos auf dem Rücken neben C. B. zum Liegen kam. Der Angeklagte C. B. kniete sich daraufhin neben H. K. , der – was er nicht erkannte – bereits infolge beidseitigen Pneumothorax verstorben war, und fügte diesem mit dem Messer weitere 12 Stiche in den Brustkorb zu.
15
Der Angeklagte K. B. entschied sich gegen eine Verständigung der Polizei, da er davon ausging, dass diese ihnen das Tatgeschehen nicht glauben würde. Gemeinsam mit seinem Sohn, der – noch unter dem Einfluss des Tatgeschehens stehend – die Anweisungen seines Vaters mechanisch ausführte, beseitigten die Angeklagten die Tatspuren, parkten das Fahrzeug der Geschädigten auf dem Parkplatz eines Supermarkts, warfen das Tatmesser und das Beil in den Main, versteckten die Pistole und vergruben die Leichen auf dem Gelände der Ranch. Aufgrund von Hinweisen des Angeklagten C. B. vom 14. Oktober 2014 konnten die Leichname der Geschädigten später dort aufgefunden werden.
16
2. Das Landgericht hat die Einlassungen der Angeklagten zum Tatgeschehen , der die weiteren Beweisergebnisse nicht widersprächen, als unwiderlegbar angesehen. Unter Zugrundelegung der Einlassungen hat es angenommen , das Handeln des Angeklagten C. B. sei durch Notwehr gerechtfertigt. Der Geschädigte H. K. habe den Angeklagten C.
B. rechtswidrig angegriffen, indem er mit der linken Hand an dessen Hals griff und mit dem in seiner rechten Hand geführten Messer auf ihn einstach. Dieser Angriff sei auch noch nach dem Entwinden des Messers nicht beendet gewesen, da der Geschädigte den Angeklagten weiter mit seiner linken Hand am Hals festgehalten und um das Messer gekämpft habe. Über diese fortdauernde Intensität der Kampflage hinaus habe die jederzeitige Möglichkeit eines Eingreifens der anwesenden und mit einem Beil bewaffneten Ehefrau des Geschädigten bestanden. Als der Angeklagte C. B. auf den bereits verstorbenen Geschädigten H. K. weiter einstach, habe er sich im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB befunden.
17
Hinsichtlich der vom Angeklagten K. B. auf die Geschädigte S. K. abgegebenen zwei Schüsse hat das Landgericht angenommen , diese seien als Nothilfe gerechtfertigt. Dadurch, dass die Geschädigte S. K. gerade mit dem Beil ausholte, um auf den Angeklagten C. B. einzuhacken, habe sie diesen rechtswidrig angegriffen.

III.

18
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Nebenkläger N. R. und St. K. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revisionen der Nebenkläger I. und A. B. sowie der Nebenkläger L. F. und S. B. haben mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie sich im Rahmen ihrer sich aus §§ 395 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 401 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Nebenklagebefugnis halten, im Übrigen sind sie unzulässig. Wegen des Erfolgs der Sachrüge bedarf es keines Eingehens auf die Verfahrensrügen. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
19
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag.
20
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen , wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen aus- zugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
21
2. Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das Urteil nicht.
22
a) Ein grundlegender Mangel des Urteils liegt bereits darin, dass das Landgericht die im Rahmen der sachlich-rechtlichen Begründungspflicht gebotene nähere Dokumentation früherer Einlassungen der Angeklagten unterlassen und den Zeitpunkt der jeweiligen Einlassungen in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt hat.
23
Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, hat der Tatrichter sich seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung des Angeklagten aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu bilden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR48/86, BGHSt 34, 29, 34). Dabei kann ein Wechsel der Einlassung im Laufe des Verfahrens ein Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter Umständen ganz entfallen lassen (Senat, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anpassung der Einlassung an die Ergebnisse der Beweisaufnahme kann auch der Zeitpunkt, zu dem sich ein Angeklagter zur Sache einlässt, ein Umstand sein, der im Rahmen der Gesamtwürdigung gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassung spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 3 StR 580/00, BGHR StPO § 261 Aussageverhalten 21).
24
Zwar hat die Kammer in den Urteilsgründen dargestellt, dass die Einlassung der Angeklagten über ihre Verteidiger durch Verlesung von vorbereiteten, schriftlichen Erklärungen in der Hauptverhandlung erfolgte (UA S. 57). Auch werden inhaltliche Angaben hierzu gemacht (UA S. 27, 51 bis 56). Es bleibt jedoch offen, zu welchem Zeitpunkt im Rahmen der mehrtägigen Hauptverhandlung diese Einlassungen verlesen wurden und ob und insbesondere mit welchem Inhalt sich die Angeklagten vor diesem Zeitpunkt eingelassen haben. Dass es frühere Einlassungen der Angeklagten gegeben hat, folgt bezüglich des Angeklagten C. B. aus der Erwähnung eines Hinweises zum Fundort der Leichen (UA S. 27) und bezüglich des Angeklagten K. B. aus der Mitteilung, dass er am 8. Juni 2014 vom Zeugen KOK P. zur Sache vernommen worden ist (UA S. 35). Das Urteil teilt auch nicht mit, wie im Einzelnen sich der Angeklagte C. B. im Rahmen des letzten Wortes geäußert hat. Insoweit wird lediglich wiedergegeben, dass der Angeklagte anschaulich geschildert habe, noch immer beinahe jede Nacht vom Tatgeschehen zu träumen (UA S. 83).
25
b) Das Landgericht hat darüber hinaus den Anwendungsbereich des Zweifelssatzes verkannt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14 Rn. 44, NStZ-RR 2015, 83, 85 mwN). Keinesfalls gilt er für entlastende Indiztatsachen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 – 3 StR 136/01, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24).
26
Nachdem das Landgericht bei der Bewertung des Kampfgeschehens und der Interessenlage der Beteiligten zunächst zu der Annahme gelangt war, dass „Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sowohl der Geschädigte H. K. als auch der Angeklagte C. B. am Tattag das Tatmesser mitgebracht und als Erstes eingesetzt haben könnten, da beide ohnehin messergewohnt waren“ (UA S. 59), ist es unter rechtsfehlerhafter Anwendung des Grund- satzes „in dubio pro reo“ der Einlassung der Angeklagten gefolgt und zu deren Gunsten davon ausgegangen, dass „der Streit am Tattag von den Geschädig- ten begonnen wurde und der Geschädigte H. K. hierbei derjenige war, der das Tatmesser mit sich führte, dieses auch zog und zuerst gegen den Angeklagten C. B. einsetzte“ (UA S. 62).
27
c) Die Beweiswürdigung weist zudem durchgreifende Lücken auf.
28
aa) Die Wertung des Landgerichts, es sei kein Motiv der Angeklagten ersichtlich , mit den Geschädigten am Tattag zunächst einen verbalen Streit und sodann gar eine körperliche Auseinandersetzung zu beginnen (UA S. 61), beruht auf lückenhaft gebliebenen Erwägungen.
29
Das Landgericht stellt insoweit darauf ab, dass die Angeklagten nach dem Beratungsgespräch mit ihrem Rechtsanwalt wussten, dass der mit den Geschädigten geschlossene Untermietvertrag illegal war und sie den Geschädigten deshalb künftig keine Mietzinszahlungen mehr schuldeten. Außerdem habe ihnen der Anwalt zugesichert, mit dem Eigentümer Kontakt aufzunehmen und zu versuchen, für die Angeklagten einen Mietvertrag über das Grundstück direkt mit dem Eigentümer ohne Einschaltung der Geschädigten abzuschließen (UA S. 61, 79). Das Landgericht sieht die Angeklagten daher in einer „geradezu komfortablen Lage“, weshalb sie auch keine Veranlassunggehabt hätten, mit den Geschädigten Streit zu beginnen (UA S. 62).
30
Bei dieser Wertung hat das Landgericht nicht hinreichend in den Blick genommen, dass die Angeklagten bereits eine Woche zuvor ein Schreiben der Stadt Ma. erhalten hatten, aus dem sich ergab, dass die Ranch künftig an die Angeklagten nicht mehr zu Wohnzwecken vermietet werden durfte (UA S. 38). Der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken standen nicht nur die Bestimmungen des Pachtvertrags, sondern auch öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (UA S. 37). Da die Zeugin Kl. über den eingeschalteten Rechtsanwalt die Räumung des Grundstücks von den Angeklagten verlangt hatte (UA S. 37), hatten diese daher Anfang Juni das Ende des Mietverhältnisses über das Grundstück und die Zwangsräumung zu befürchten. Für sie bestand daher nicht nur die Gefahr, ihre Wohnung auf der Ranch, sondern vor allem ihren Lebensmittelpunkt und die von ihnen auf dem Grundstück betreuten Tiere zu verlieren, an denen der Angeklagte C. B. besonders hing und die sein Lebensinhalt waren. Selbst in dem von ihrem Rechtsanwalt ins Spiel gebrachten Fall der eigenen Anmietung des Grundstücks hätten die Angeklagten ihre Wohnmöglichkeit verloren. Den drohenden Verlust der bisherigen Lebensumstände der Angeklagten hätte die Strafkammer bei der Frage, ob die Angeklagten Anlass hatten, mit den Geschädigten einen Streit zu beginnen , mitberücksichtigen müssen.
31
bb) Die Wertung der Kammer, eine geplante Tötung der Geschädigten seitens der Angeklagten scheide aus, blendet einen wesentlichen Aspekt des festgestellten Geschehensablaufs aus. So erklärt das Landgericht die – gegen den unmittelbar zuvor erteilten Rat ihres Rechtsanwalts am 2. Juni 2014 erfolgte – Zahlung der Angeklagten in Höhe von 450 Euro an die Geschädigten mit dem Ziel, „zunächst weiteren Streitigkeiten und Anfeindungen der Geschädigten zu entgehen“ (UA S. 50). Nicht in die Wertung einbezogen hat das Landgericht jedoch den festgestellten Umstand, dass die Angeklagten noch am selben Tag mit den Geschädigten verabredet hatten, am 6. Juni 2014 den offenen Restbetrag zu bezahlen und sich die Geschädigten gerade aus diesem Grund am Tattag zur Ranch begaben (UA S. 10, 18). Dass die Angeklagten am 2. Juni 2014 mit den Geschädigten die Verabredung einer weiteren Geldübergabe trafen, ist im Übrigen nicht mit der vom Landgericht getroffenen Annahme in Einklang zu bringen, die Angeklagten seien nach der Teilmietzinszahlung „definitiv nicht mehr bereit [gewesen], weiteren Mietzins an die Geschädigten zu entrichten“ (UA S. 18).
32
cc) Auch hinsichtlich der Geschehnisse am Tattag zwischen 11 Uhr und 13 Uhr weist die Beweiswürdigung eine Lücke auf. Wie das Landgericht aufgrund der Angaben diverser Zeugen festgestellt hat, waren die Geschädigten regelmäßig täglich zwischen 11 und 13 Uhr auf der Ranch (UA S. 12 ff.; 28 ff., 46 ff.). Nach ihrer (insoweit vom Landgericht nicht in Zweifel gezogenen) Aussage traf die Zeugin S. die Geschädigte auch am 6. Juni 2014 gegen 11 Uhr nahe der Ranch, als diese mit ihren Hunden am Mainufer spazieren ging (UA S. 68). Diese Aussage hat das Landgericht nicht zum Anlass genommen, sich mit der naheliegenden Frage auseinanderzusetzen, ob sich die Geschädigten bereits etwa zwei Stunden vor der Tat auf der Ranch aufgehalten haben und was zwischen 11 Uhr und der zwischen 13.02 Uhr und circa 13.30 Uhr angesetzten Tatzeit auf der Ranch geschehen ist.
33
dd) Bei der Würdigung der Einlassung des Angeklagten C. B. zum Tathergang hat die Kammer nicht erörtert, dass die Einlassung zum auslösenden Ereignis für den Messereinsatz durch den Geschädigten H. K. in offenkundigem Widerspruch zur Tatvorgeschichte steht. Der Angeklagte hat sich eingelassen, der Geschädigte habe ein Messer gezogen, nachdem er durch ihn davon erfahren habe, dass der Eigentümer der Ranch von dem illegalen Untermietverhältnis nunmehr Kenntnis erlangt habe (UA S. 52). Demgegenüber ist das Landgericht im Rahmen der Tatvorgeschichte davon ausgegangen, dass die Geschädigten von dem Schreiben bereits mindestens eine Woche vor der Tat Kenntnis erhalten hatten (UA S. 17, 37, 38, 60).
34
d) Schließlich fehlt es auch an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl. Senat, Urteil vom 17. September 1986 – 2 StR 353/86; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83, 85).
35
3. Das Urteil beruht auch auf den aufgezeigten Darstellungs- und Beweiswürdigungsmängeln ; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und der gebotenen wertenden Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien die Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten gewonnen hätte. Vors.RiBGH Prof. Dr. Fischer Appl Eschelbach ist wegen Krankheit an der Unterschrift gehindert. Appl Zeng Grube

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 83/18
vom
7. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070318B1STR83.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 7. März 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 7. November 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, die vollumfänglich Erfolg hat (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
Die Ausführungen des Landgerichts zum Rücktritt vom versuchten Totschlag halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
3
1. Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde und zum Tatzeitpunkt erheblich alkoholisierte Ange- klagte dem Geschädigten G. mit einem Teppichmesser eine etwa 15 cm lange, stark blutende Schnittverletzung am linken Halsbereich zufügte. Der abstrakt lebensgefährliche Schnitt durchtrennte die oberen Hautschichten und reichte bis in das Unterhautfettgewebe hinein. Nach diesem Schnitt versuchte der Angeklagte weiter auf den körperlich überlegenen Geschädigten in lebensgefährdender Weise einzustechen. Dies gelang ihm jedoch nicht, weil sich der Geschädigte G. zu diesem Zeitpunkt in einer Hecke befand und Hände sowie Äste schützend vor sich hielt. Der Angeklagte ließ sodann von weiteren Angriffen mit dem Messer ab, nachdem ein auf das Geschehen aufmerksam gewordener Anwohner rief, dass er die Polizei verständigt habe und die am Tatort anwesenden Zeugen E. und L. den Angeklagten verbal und auch durch Wegziehen von weiteren Stichen abhielten. Anschließend entschloss sich der Angeklagte zu fliehen und verließ den Tatort.
4
2. Im Hinblick auf dieses Geschehen hat das Landgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom versuchten Totschlag nicht vorlägen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Denn der Angeklagte, der im weiteren Verlauf von dem Geschädigten abgelassen habe, obwohl er noch nicht von dessen sicherem Tod habe ausgehen können, habe die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben. Zum einen sei er von den ZeugenE. und L. daran gehindert worden und zum anderen habe er mitbekommen, dass zwischenzeitlich die Polizei verständigt worden sei, mit deren Eintreffen vor Ort in Kürze zu rechnen gewesen sei. Dem Angeklagten sei deshalb klar gewesen, dass er ohne sofortige Flucht Gefahr laufe, noch am Tatort festgenommen zu werden.
5
3. Die knappen Ausführungen des Landgerichts zum Rücktritt vom versuchten Totschlag leiden an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn das Landgericht, das offensichtlich von einem unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB ausgeht, setzt sich nicht hinreichend mit dem Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung – dem sogenannten Rücktrittshorizont – auseinander. Soweit sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen lässt, kann das Urteil einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht standhalten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. August 2017 – 5 StR 303/17, NStZ-RR 2018, 10; vom 23. November 2016 – 4 StR 471/16, JuS 2017, 550; vom 11. März 2014 – 1 StR 735/13, NStZ 2014,396; vom 29. September 2011 – 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263 und vom 11. Februar 2003 – 4 StR 8/03, StraFo 2003, 206; Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273).
6
4. Im vorliegenden Fall hat das Landgericht nicht erörtert, ob der den Tatort verlassende Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs hätte vornehmen können, nachdem ihn die in seinem Lager stehenden Zeugen E. und L. , bei denen es sich um einen Freund und seinen jüngeren Bruder handelte, zunächst verbal und durch Wegziehen von weiteren Stichen abhielten. Auch hat das Landgericht für das Vorstellungsbild des Angeklagten bedeutsame konkrete Feststellungen zum objektiven Geschehen, insbesondere zum Eingreifen der Zeugen, zum Verbleib der Tatwaffe nach deren Eingreifen, zur Position der jeweiligen Beteiligten und zur genauen zeitlichen Abfolge nicht getroffen. Nach den bisherigen Feststellungen ist jedenfalls nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte auch nach Eingreifen der genannten Zeugen nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen hätte vornehmen können, bevor er sich entschloss, den Tatort zu verlassen (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 StR 299/17, NStZRR 2017, 335). In Anbetracht der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der obigen Maßstäbe mussten sich dem Landgericht derartige Erörterungen jedoch aufdrängen. Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen steht einer abschließenden Prüfung durch das Revisionsgericht entgegen.
7
5. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, StV 2017, 672; Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 und vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).

II.

8
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
9
1. Der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will und dementsprechend „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist (BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17 und vom 3. April 2014 – 2 StR 643/13, NStZ-RR 2014, 241 mwN).
10
2. Die Verständigung der Polizei und die Kenntnis des Angeklagten davon rechtfertigen für sich genommen weder die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, noch stehen sie grundsätzlich einer Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen, da ein Täter in der Zeit bis zum Eintreffen derselben grundsätzlich noch ungehindert weitere Ausführungshandlungen vornehmen kann, ohne dass damit für ihn eine beträchtliche Risikoerhöhung verbunden sein muss (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 393/17; zu einer beträchtlichen Risikoerhöhung BGH, Urteil vom 15. September 2005 – 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, [169]; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ 2007, 265, [266]).
11
3. In Anbetracht der Versagung der Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB durch das Landgericht weist der Senat darauf hin, dass nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Gesamtwürdigung aller schuldrelevanten Umstände vorzunehmen ist. Dabei kann eine selbstverschuldete Trunkenheit die Versagung der Milderung im Einzelfall selbst dann tragen, wenn eine vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls nicht festgestellt ist (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2017 – GSSt 3/17, NJW 2018, 1180).
Raum Graf Bellay Fischer Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 604/16
vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:120117B1STR604.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am 12. Januar 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 10. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


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Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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1. Der Angeklagte gehörte zu einer aus ca. 10 - 15 Personen bestehenden Clique von gleichaltrigen Heranwachsenden bzw. jungen Erwachsenen aus dem Gebiet der Stadt L. („L. er Gruppe“), die teilweise in Kon- flikt mit der ebenfalls aus ca. 10 - 15 gleichaltrigen Personen bestehenden Clique aus dem Gebiet der Gemeinde B. („B. er Gruppe“) geriet. Nachdem beide Gruppen bereits am 19. Oktober 2015 aufeinander getroffen waren, sollte am Abend des 23. Oktober 2015 ein weiteres Treffen erfolgen. Vor diesem Treffen hatte sich der Angeklagte ein von ihm verliehenes Springmesser mit einer ca. 10 cm langen einschneidigen und spitz zulaufenden Klinge zurückgeben lassen, das er ab diesem Zeitpunkt mit sich führte, um es ggf. einsetzen zu können.
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Nachdem sich die beiden Gruppen zunächst erfolglos im Gemeindegebiet von B. gesucht hatten, trafen sie gegen ca. 23.30 Uhr in der Ortsmitte beim Rathaus sukzessive aufeinander, wobei sich zwischen einzelnen Mitgliedern der beiden Gruppen eine Schlägerei entwickelte. Dabei griff der Angeklagte zunächst W. an und es entwickelte sich eine körperliche Auseinandersetzung. In das Geschehen griff der mit einer AnonymousGesichtsmaske maskierte La. schlichtend ein. Dem körperlich überlegenen Angeklagten gelang es, La. an der Kapuze zu packen und gegen einen Pfeiler zu drücken, bevor beide schließlich in einem anschließenden Gerangel das Gleichgewicht verloren und in einen Busch fielen, wobei La. auf dem Angeklagten zum Liegen kam. In dieser Situation zog der Angeklagte das von ihm mitgeführte Springmesser, ließ die Klinge herausfahren und stach La. sinngemäß mit den Worten „Ich stech dir das Messer in die Seite“ in die rechte Brustseite, wo- bei dem Angeklagten bewusst war, dass dieser Stich geeignet war, den Tod des Opfers herbei zu führen, was er billigend in Kauf nahm. Durch den Stich wurde in lebensgefährlicher Weise der obere rechte Lungenlappen verletzt und der Herzbeutel nur um ca. 1 cm verfehlt. Trotz der Stichverletzung gelang es La. , der vom Angeklagten nach dem Stich am Boden festgehalten wurde, sich loszureißen, aufzustehen und weg zu rennen, bevor er entkräftet zusammenbrach.
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Wenige Augenblicke danach wollte der mit einer Sturmhaube maskierte E. , der aus einigen Metern Entfernung zwar den Sturz des Angeklagten , nicht aber den Messerangriff beobachtet hatte, den Angeklagten mit einem Pfefferspray angreifen, das aber nicht funktionsfähig war, weswegen er die Dose dem Angeklagten entgegen schleuderte, der nun auf ihn zustürmte. Nachdem der Angeklagte den ihm körperlich unterlegenen und nunmehr unbewaffneten E. erreicht hatte, packte er diesen mit der linken Hand am rechten Oberarm, holte mit der rechten Hand aus und stach mit dem Springmesser in der Hand mit nicht unerheblicher Wucht auf E. ein, der sich in diesem Moment selbst nicht zur Wehr setzte. Der Stich durchdrang das Bauchfell und verursachte bei E. vier Perforationen des Dünndarms auf einer Länge von 6 cm, wobei große Blutgefäße und die Hauptschlagader nur knapp verfehlt wurden. Anschließend versetzte der Angeklagte E. noch zwei weitere schmerzhafte Stiche in beide Oberarme, bevor es diesem gelang, sich mit einer Rechtsdrehung aus dem Griff des Angeklagten zu winden, in Panik davon zu rennen und bis zu einer Bushaltestelle zu flüchten, wo er schließlich zusammenbrach.
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2. Das Landgericht geht bei den zum Nachteil der Geschädigten La. und E. ausgeführten Messerstichen jeweils von einem versuchten Totschlag aus, wobei beide Taten auf Grund der zeitlichen Zäsur zwischen den Verletzungen in Tatmehrheit zueinander stehen. Angesichts der hochgradigen Gefährlichkeit der durch den Angeklagten geführten Messerstiche habe dieser jeweils mit dem Tod des Opfers gerechnet. Einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch verneint das Landgericht. Es geht jeweils von einem beendeten Versuch aus, da der Angeklagte nach seiner Vorstellung das Versterben der beiden Geschädigten allein auf Grund der äußerst schweren Verletzungen zumindest für möglich hielt. Unabhängig davon habe der Angeklagte jedenfalls nicht freiwillig von möglichen weiteren Messerattacken Abstand genommen, da er die beiden Geschädigten auch nach den Stichen weiter festgehalten habe und es beiden erst gelungen sei, wegzurennen, nachdem sie sich losgerissen hatten.

II.


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Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei jeweils vom beendeten Versuch eines Tötungsdelikts nicht strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die zur Korrektur des Rücktrittshorizonts entwickelten Grundsätze (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mwN) nicht beachtet, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein unbeendeter Versuch auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seinem Handeln den Erfolgseintritt zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne den Erfolg doch nicht herbeiführen und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Herbeiführung des Erfolges absieht (st. Rspr.; vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; Urteil vom 19. Juli 1987 - 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224; Beschlüsse vom 7. November 2001 - 2 StR 428/01, NStZ-RR 2002, 73 und vom 8. Juli 2008 - 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335). Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch - vom Täter wahrgenommen - zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt. So liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa in dem Fall, dass das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mit zahlr. Nachw.). Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben (BGH jeweils aaO).
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b) Diese Grundsätze hat das Landgericht in beiden Fällen des versuchten Totschlags nicht erörtert, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten. Beiden Geschädigten war es nach den letzten vom Angeklagten ausgeführten Stichen gelungen, sich noch aus eigener Kraft vom Angeklagten loszureißen und wegzurennen, bevor sie letztlich entkräftet zusammenbrachen. Konkrete Feststellungen dazu, wel- che Distanz die beiden Geschädigten bis zu ihrem Zusammenbruch zurückgelegt hatten und ob der Angeklagte dies beobachtet und wahrgenommen hat, werden vom Landgericht nicht getroffen. Die bisherigen Feststellungen lassen es jedenfalls als möglich erscheinen, dass der Angeklagte, sofern er das Verhalten der Geschädigten alsbald nach der letzten Tathandlung beobachtet hat, nicht mehr davon ausging, diese tödlich verletzt zu haben. Das gilt auch für die Tat zum Nachteil des Geschädigten La. . Trotz des sehr knappen Zeitraums bis zum Beginn der Auseinandersetzung mit dem GeschädigtenE. (UA S. 16), ist nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte das Weglaufen des Geschädigten La. wahrgenommen hat. Damit kann der Senat auf Grund dieses Erörterungsmangels das Vorliegen eines unbeendeten Versuchs nicht ausschließen.
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3. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f. und vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
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4. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aber aufrechterhalten , da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht hat jedoch zusätzliche Feststellungen zur Frage des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des Totschlags zu treffen, die mit den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.

III.

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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. Nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts (UA S. 6/7) liegt bei dem Angeklagten spätestens seit Mitte 2015 ein polytoxikomaner Substanzmissbrauch vor, wobei der Angeklagte seit Juli 2015 seinen Konsum auf täglich 1,5 g Kokain steigerte und zum „Runterkommen“ und Entspannen auch seinen Cannabiskonsum zumindest am Wochenende aufrecht erhielt. Weiter konsumierte der Angeklagte in erheblichem Umfang auch Alkohol, wobei sich dies bei regelmäßigen „Feiern“ am Wochenende auf bis zu einer halben Fla- sche Wodka (0,7 l) steigerte. Im Rahmen seiner Ausführungen zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geht das Landgericht (UA S. 53/54) davon aus, dass bei dem Angeklagten zwar ein schädlicher Gebrauch von Betäubungsmitteln oder Alkohol vorliegt, aber weder eine körperliche noch ein psychische Abhängigkeit gegeben ist, so dass es bereits an einem Hang fehlt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, weil der Angeklagte seinen Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum in seinen Alltag „eingepasst“ und dieser keine wesentlichen Beeinträchtigungen des beruflichen und sozialen Lebensbereichs bewirkt hat. Auch bestünden „erhebliche Zweifel“ am Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Tat und Hang im Sinne des § 64 StGB, obwohl das Landgericht feststellt, dass beim Angeklagten ein sein Gehalt übersteigender Finanzbedarf bestand, den er durch Einnahmen illegaler Art und Weise zu steigern suchte (UA S. 9) und die vom Angeklagten gegenüber der B. er Gruppe geforderte „Schutzgeldzahlung“ von 5.000 Euro(UA S. 12) letztlich Auslöser für die körperlichen Auseinandersetzungen war.
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2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges und eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
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a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15; vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeitsund Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15).
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b) Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 - 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 - 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mit- hin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Raum Bellay Radtke Fischer Bär
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2. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

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a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte , auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2017 – 1 StR 415/17 Rn. 10, NStZ-RR 2018, 105 [nur redaktioneller Leitsatz] und vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15 Rn. 7; Urteile vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 – 3StR 386/13 Rn. 10, NStZ-RR 2014, 271 [nur redaktioneller Leitsatz]). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit , Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103, 104). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 2018 – 3 StR 166/18 Rn. 12; vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15 Rn. 7; vom 10. November 2015 – 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15 Rn. 6 und vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hanges nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. März 2010 – 3 StR 88/10, NStZ-RR 2010, 216 und vom 12. April 2012 – 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 2018 – 3 StR 166/18 Rn. 12; vom 20. Februar 2018 – 3 StR 645/17 Rn. 8, NStZ-RR 2018, 140 [nur redaktioneller Leitsatz]; vom 7. Januar 2009 – 5 StR 586/08, NStZ-RR 2009, 137 und vom 20. Februar 2018 – 3 StR 645/17 Rn. 8, NStZ-RR 2018, 140 [nur redaktioneller Leitsatz]).
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Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15; Urteile vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13, NStZ-RR 2014, 271). Eine soziale Gefährdung oder soziale Gefährlichkeit kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern insbesondere auch bei Beschaffungskriminalität (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 – 1 StR 348/17 Rn. 10; vom 20. Dezember 2011 – 3 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 204 und vom 10. August 2007 – 2 StR 344/07, StV 2008, 76 mwN; Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210).

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

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Nach den Feststellungen ist der Angeklagte Berufssoldat im Range eines Hauptbootsmanns. Ein Berufssoldat verliert u.a. dann seine Rechtsstellung , wenn gegen ihn durch Urteil eines deutschen Gerichts auf Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlich begangenen Tat erkannt ist (§ 48 Satz 1 Nr. 2 SoldatenG). Derartige dienstrechtliche Folgen einer Verurteilung , die mit dem Verlust der wirtschaftlichen und der beruflichen Grundlagen einhergehen können, bilden einen bestimmenden Strafzumessungsgrund, den zu erwägen das Landgericht gehalten gewesen wäre (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; BGH, Beschlüsse vom 15. November 2012 - 3 StR 199/12, juris Rn. 3; vom 3. November 2009 - 4 StR 445/09, NStZ-RR 2010, 39).
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1. Der Strafausspruch gegen den Angeklagten B. hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB sind bei der Festsetzung der schuldangemessenen Strafe die Wirkungen zu berücksichtigen , die von ihr für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. Dazu gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die berufs- und standesrechtlichen Folgen der Strafe. Der Umstand, dass eine strafgerichtliche Verurteilung nach den Vorschriften des Beamtenrechts die Beendigung des Beamtenverhältnisses zur Folge hat, ist deshalb regelmäßig als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zu erörtern (BGH, Beschluss vom 3. November 2009 - 4 StR 445/09, NStZ-RR 2010, 39 mwN).