Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2018 - 2 StR 253/18
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger in der Verhandlung,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
a) im Fall 1 der Urteilsgründe und
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die auf den Schuldund Strafausspruch betreffend Fall 1 der Urteilsgründe sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkte, zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
I.
- 2
- Nach den Urteilsfeststellungen traf der Angeklagte am 29. Mai 2017 in A. die als Prostituierte tätige Nebenklägerin und vereinbarte mit ihr, gemeinsam in seiner Wohnung Kokain zu konsumieren. Dabei war der Nebenklägerin bewusst, dass sie als Gegenleistung dafür sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten vornehmen werde. Nach dem Eintreffen in der Wohnung konsumierten der Angeklagte und die Nebenklägerin Kokain und vollzogen auf der ausgezogenen Schlafcouch einvernehmlichen vaginalen und oralen Geschlechtsverkehr, bei dem der Angeklagte nicht zum Höhepunkt gelangte. Nach einiger Zeit legte sich die Nebenklägerin nochmals mit dem Rücken auf die Ausziehcouch. Der Angeklagte forderte sie nun auf, mit ihm Analverkehr auszuüben. Dies lehnte die Nebenklägerin „vehement und für den Angeklagten wahrnehmbar“ ab. Daraufhin schlug ihr der Angeklagte zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht, drehte sie zur Seite und versuchte, mit seinem erigierten Penis in ihren After einzudringen. Dabei berührte er mit dem Penis den Po der Nebenklägerin, die sich dem Versuch des Angeklagten durch Wegdrehen entziehen konnte. Einen weiteren Versuch, Analverkehr durchzuführen, nahm der Angeklagte nicht vor, sondern schubste die Nebenklägerin von der Couch und schlug und trat wütend auf sie ein.
- 3
- Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als vorsätzliche Körperverletzung gewertet. Soweit in dem Bestreben des Angeklagten, mit der Nebenklägerin den Analverkehr zu vollziehen, ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch einer Vergewaltigung zu sehen sei, sei der Angeklagte durch das Herunterstoßen der Nebenklägerin von der Couch davon strafbefreiend zurückgetreten.
II.
- 4
- Die wirksam auf den Schuld- und Strafausspruch betreffend Fall 1 der Urteilsgründe sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, weil die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihr obliegende Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen hat.
- 5
- 1. Die Kognitionspflicht gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN). Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57). Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KKKuckein , StPO, 7. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).
- 6
- 2. So liegt es hier. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten lediglich als Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewürdigt. Da nach den getroffenen Feststellungen die an der Geschädigten vorgenommene Handlung in einem sexuell motivierten Übergriff bestand, bei dem der – unbekleidete – Angeklagte nach Anwendung von Gewalt (zwei Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht und Drehen des Körpers zur Seite) mit seinem erigierten Penis das entblößte Gesäß der Nebenklägerin berührte, hätte die Strafkammer aber auch prüfen und entscheiden müssen, ob sich der Angeklagte tateinheitlich einer – vollendeten – sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat.
- 7
- 3. Das Urteil beruht auf diesem Fehler (§ 337 StPO). Denn angesichts der Strafdrohung des § 177 Abs. 5 StGB von nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe liegt es nicht fern, dass das Landgericht bei entsprechender Verurteilung eine höhere Einsatzstrafe und damit auch eine höhere Gesamtstrafe ausgesprochen hätte.
- 8
- 4. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt daher zur Aufhebung der Verurteilung in Fall 1 der Urteilsgründe. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
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BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Jugendkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten des Raubes schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten B. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und den Angeklagten C. M. zu einer gesonderten Jugendstrafe (§ 31 Abs. 3 JGG) von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafen jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
- 2
- Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Hinsichtlich des Angeklagten B. beanstandet sie ferner das Verfahren. Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten auch wegen unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Geldwäsche, Hausfriedensbruchs und wegen Sachbeschädigung sowie die Verhängung höherer Strafen.
- 3
- Die Revisionen haben schon mit der Sachrüge Erfolg. Die Verfahrensrüge bedarf daher keiner näheren Erörterung.
I.
- 4
- Nach den Feststellungen suchten der Angeklagte B. und der frühere Mitangeklagte W. am Abend des 13. Dezember 2006 den ihnen als Drogenhändler bekannten S. in dessen Wohnung im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses auf und erwarben von ihm Haschisch zum Eigenverbrauch. Auf dem Heimweg lehnte der Angeklagte B. den Vorschlag des Mitangeklagten W. ab, S. das möglicherweise aus Drogengeschäften stammende Bargeld, das sie auf dem Tisch in der Wohnung hatten liegen sehen, gewaltsam wegzunehmen. In der darauf folgenden Nacht traf sich der Angeklagte B. in seiner Wohnung mit seinem gesondert verfolgten Bruder M. , dem Angeklagten C. M. und dem rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten Wi. . Sie fassten den Entschluss , S. auszurauben. Gegen 2.00 Uhr nachts gelangten sie durch die nicht verschlossene Haustür in das Wohnhaus. Dort setzten sie absprachegemäß ihre Sturmmasken auf und drückten gemeinsam "unter einigem Kraftaufwand" die Tür zu der Wohnung auf, in der S. auf einer Couch im Wohnzimmer schlief. Einer der Täter forderte den durch die Geräusche wach gewordenen S. auf, sich ruhig zu verhalten, sonst würden er und auch sein Hund "abgestochen". Danach befragt, wo das Bargeld sei, deutete S. , der wegen der Übermacht der Angreifer und der Drohung keinen Widerstand wagte, mit der Hand auf den Wohnzimmertisch. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung wurde eine Haschischplatte im Wert von etwa 400 Euro entdeckt, die Wi. an sich nahm. Der Angeklagte C. M. steckte das auf dem Wohnzimmertisch liegende Bargeld im Wert von 150 Euro ein. M. B. nahm eine Playstation an sich. Ferner wurden ein MP3-Player und eine Kamera entwendet. Nach dem Verlassen der Wohnung trennten sich die Täter und trafen sich später in der Wohnung des Angeklagten B. , wo sie die Beute untereinander verteilten. Die Haschischplatte konsumierten sie gemeinsam.
II.
- 5
- Die Verurteilungen der Angeklagten B. und C. M. können nicht bestehen bleiben, weil die Schuldsprüche sachlich-rechtliche Fehler zum Vorteil der Angeklagten aufweisen.
- 6
- 1. Das Landgericht hat die den Angeklagten zur Last gelegte Verwendung eines Messers als Drohmittel mit rechtsfehlerfreien Erwägungen als nicht erwiesen angesehen und die Angeklagten deshalb, was von der Revision auch nicht beanstandet wird, nicht wegen schweren Raubes, sondern wegen Raubes verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet jedoch zu Recht, dass das Landgericht damit seiner Kognitionspflicht nicht genügt hat, die gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (vgl. BGHSt 25, 72, 75; BGH NStZ 1999, 415; 2008, 471, 472). Dies stellt einen sachlichrechtlichen Mangel des Urteils dar (vgl. BGH NStZ 1983, 174, 175). Dass die den Angeklagten zur Last gelegte Tat im Anklagesatz lediglich als schwerer Raub bezeichnet wurde und dass die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten nur wegen Raubes beantragte, änderte nichts an der umfassenden Kognitionspflicht des Landgerichts. Dass eine wirksame Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154 a StPO auf diese Gesetzesverletzungen erfolgt ist, lässt sich weder der Anklageschrift noch sonst den Akten entnehmen.
- 7
- 2. Das Landgericht hätte demgemäß eine Strafbarkeit der Angeklagten auch wegen folgender Gesetzesverletzungen prüfen müssen:
- 8
- a) Der frühere Mitangeklagte Wi. , der durch das insoweit nicht angefochtene Urteil nur wegen Raubes verurteilt worden ist, hat mit der Wegnahme der Haschischplatte zugleich auch den Straftatbestand des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG verwirklicht (vgl. Körner BtMG 6.Aufl. § 29 Rn. 1352 m.N.), möglicherweise aber auch den Verbrechenstatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, in dem der Vergehenstatbestand des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln aufgeht (BGH StraFo 2005, 82, 83). Dass es sich um eine nicht geringe Menge Haschisch handelte, liegt im Hinblick auf den festgestellten Wert der Platte von etwa 400 Euro jedenfalls nicht fern. Es hätte deshalb der Prüfung bedurft, ob der gemeinsame Tatentschluss , dem Geschädigten das in seiner Wohnung vermutete Bargeld und andere mitnehmenswerte Gegenstände wegzunehmen und die Beute anschließend zu verteilen, auch möglicherweise in der Wohnung verwahrte Betäubungsmittel umfasste und die Angeklagten demgemäß auch hinsichtlich des Sichverschaffens und des Besitzes der Haschischplatte mittäterschaftlich handelten und das Haschisch bis zu dessen Verbrauch in Mitgewahrsam hatten (vgl. BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Menge 10; MünchKommStGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 954; Weber BtMG 3. Aufl. § 29 Rn. 1222). Dies liegt im Hinblick darauf , dass die Angeklagten im Tatzeitraum Haschisch konsumierten und dass sie auch das erbeutete Haschisch gemeinsam verbrauchten, nahe. Hierzu, insbesondere auch zum Wirkstoffgehalt des Haschisch, hätte es daher weiterer Feststellungen bedurft. Dass diese noch getroffen werden können, erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen.
- 9
- b) Nach den Feststellungen haben die Angeklagten mit dem Eindringen in die Wohnung des Geschädigten zudem mittäterschaftlich den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB verwirklicht, der zu dem nachfolgenden Raub in Tateinheit steht. Der gemäß § 123 Abs. 2 StGB erforderliche Strafantrag ist von dem in seinem Hausrecht verletzten Geschädigten form- und fristgerecht gestellt worden. Der Geschädigte hat unmittelbar nach dem Überfall die Polizei gerufen und ist noch in der Nacht polizeilich als Zeuge vernommen worden. Er hat sowohl die Vernehmungsniederschrift als auch die von einem weiteren Beamten des Kriminaldauerdienstes aufgenommene Strafanzeige unterschrieben. Der damit gegenüber der Verfolgungsbehörde erklärte Wille zur Strafverfolgung genügt den inhaltlichen Anforderungen an einen Strafantrag (vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 158 Rdn. 4 m.N.).
- 10
- c) Entgegen der Auffassung der Revision war das Landgericht dagegen nicht gehalten, sich der Frage zuzuwenden, ob die Angeklagten sich mit der Wegnahme des möglicherweise aus Drogengeschäften stammenden Bargeldes auch wegen (versuchter) Geldwäsche strafbar gemacht haben. Sinn und Zweck der hier allein in Betracht kommenden Straftatbestände des § 261 Abs. 2 StGB ist es, den Vortäter dadurch gegenüber der Umwelt zu isolieren, dass der aus einer der in Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift genannten Straftaten herrührende Gegenstand „praktisch verkehrsunfähig“ gemacht werden soll (vgl. BT-Drucks. 12/989 S. 27). Wird dem Vortäter ein solcher Gegenstand (gewaltsam) weggenommen , fehlt es am inneren Zusammenhang mit der Ächtung des Tatobjekts und dem Isolierungszweck des § 261 Abs. 2 StGB (vgl. Stree in Schönke /Schröder StGB 27. Aufl. § 261 Rdn. 13). Demgemäß ist der Raub eines sol- chen Gegenstandes kein Sichverschaffen im Sinne der Nr. 1 dieser Vorschrift (BVerfG NJW 2004, 1305, 1306; vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 261 Rdn. 24 m.w.N.). Für das Verwahren und Verwenden eines dem Vortäter geraubten Gegenstandes kann nichts anderes gelten.
- 11
- d) Soweit nach den Feststellungen eine tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangener Sachbeschädigung unterblieben ist, kann dahinstehen, ob Verletzter neben dem Eigentümer auch derjenige ist, der, wie der Geschädigte als Mieter, ein unmittelbares obligatorisches Recht an der beschädigten Sache, hier der Wohnungstür, hat (zum Streitstand vgl. Fischer StGB 56. Aufl. § 303 c Rdn. 3). Ob zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils der gemäß § 303 c StGB erforderliche Strafantrag vorlag, ist nunmehr ohne Belang, weil der Generalbundesanwalt „rein vorsorglich“ das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat und die Sache nach der aus anderen Gründen gebotenen Zurückverweisung insgesamt neu zu verhandeln ist.
III.
- 12
- 1. Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung des Urteils, soweit es die Angeklagten B. und C. M. betrifft, auch soweit sie des Raubes schuldig gesprochen worden sind. Eine Teilaufhebung, wie sie die Staatsanwaltschaft ursprünglich mit ihrer Revisionsbegründungsschrift beantragt hat, scheidet aus, weil der Raub und die aus den vorgenannten Gründen möglicherweise von den Angeklagten verwirklichten Gesetzesverletzungen materiell -rechtlich eine Tat bilden (vgl. BGH NStZ 1997, 276). Demgemäß ist die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Beschränkung der Revision unwirksam und damit unbeachtlich.
- 13
- 2. Infolge der Aufhebung der Verurteilungen müssen die Strafen neu zugemessen werden. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts verwiesen.
- 14
- 3. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO).
Ernemann Mutzbauer
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten von den Vorwürfen des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung sowie der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz freigesprochen. Mit ihrer - nachträglich auf den Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung beschränkten - Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts warf der Angeklagte am 3. August 2012 gegen 0.50 Uhr eine mit einem Brandbeschleuniger gefüllte und einer Zündvorrichtung versehene Bierflasche (Molotow-Cocktail) in Richtung des geöffneten Fensters zum Zimmer der T. . Dabei nahm der Angeklagte, der zutreffend davon ausging, dass die Zeugin schlafend in ihrem Zimmer lag, deren möglichen Tod ebenso in Kauf wie einen durch die beabsichtigte Explosion verursachten Wohnungsbrand, der weitere Personen gefährden könnte. Der Brandsatz verfehlte allerdings sein Ziel, so dass die Flasche an der an das Fenster angrenzenden Hauswand abprallte und zunächst auf das Fensterbrett und dann auf den Erdboden fiel, wo sie zerbarst, ohne dass eine Detonation ausgelöst wurde. Einen von vornherein für den Fall des Fehlgehens des ersten Wurfes mitgeführten zweiten Brandsatz brachte der Angeklagte nicht mehr zum Einsatz. Vielmehr verließ er den Tatort. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten als versuchten Mord in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung gewertet. Von dem unbeendeten Versuch sei der Angeklagte jedoch strafbefreiend zurückgetreten, weshalb er freizusprechen sei.
- 3
- Das Urteil hat keinen Bestand, weil die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihr obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 StPO) verstoßen hat. Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KK/Kuckein, 7. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).
- 4
- Die umfassende gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 mwN).
- 5
- Dies hat das Landgericht unterlassen. Nach den Urteilsfeststellungen hatte sich der Angeklagte mit zwei selbstgebauten "Molotow-Cocktails" zu dem von der Zeugin T. bewohnten Haus begeben. Die Strafkammer hätte deshalb prüfen und entscheiden müssen, ob er damit den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 und Anlage 2 Abschnitt 1 1.3.4. WaffG (vgl. Steindorf/Heinrich/Papsthart-Heinrich, Waffenrecht, 9. Aufl., § 52 WaffG Rn. 3 f.) erfüllt hat. Dass diese Strafvorschrift in der - unverändert zugelassenen - Anklage nicht aufgeführt war, änderte an der Kognitionspflicht des Landgerichts nichts (§ 264 Abs. 2 StPO).
- 6
- Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
- 7
- Der neue Tatrichter wird den festzustellenden Sachverhalt wiederum unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.