Bundesgerichtshof Urteil, 15. Okt. 2009 - 4 StR 287/09

bei uns veröffentlicht am15.10.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 287/09
vom
15. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Verdacht des Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Oktober
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Nebenklägervertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 16. Dezember 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des Mordes aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich von seiner Täterschaft nicht hat überzeugen können. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

II.

2
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen kam es in M. am Vormittag des 29. Januar 2008 zwischen dem Täter und dem späteren Tatopfer , der zum Tatzeitpunkt 87 Jahre alten B. , im Flur der Wohnung von Frau B. zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Im Verlauf des Kampfgeschehens versetzte der Täter Frau B. , die kurz zuvor von der Erledigung von Einkäufen in ihre Wohnung zurückgekehrt war, zunächst zwei wuchtige Faustschläge ins Gesicht, so dass sie zu Boden ging. Sodann ergriff er ein in einem unmittelbar angrenzenden Abstellraum aufbewahrtes Verlängerungskabel , legte es um den Hals von Frau B. und zog dieses zweimal über längere Zeit so fest zu, dass sie schließlich infolge des Drosselns verstarb. Den Leichnam verbrachte er in das Wohnzimmer und verbarg ihn hinter einer Couch. Anschließend nahm der Täter neben anderen Gegenständen 485,- € in bar sowie das Schlüsselbund des Opfers an sich und verließ die Wohnung, wobei er die Wohnungstür hinter sich abschloss.
3
2. Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass der die Tat bestreitende Angeklagte die Tat begangen hat.
4
a) Hierbei hat es nicht verkannt, dass insbesondere folgende gewichtige Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen: Er befand sich in dem in Betracht kommenden Tatzeitraum in Tatortnähe, zeitweise auch in seinem geparkten Fahrzeug an einer Stelle, von der aus er hätte beobachten können, wie Frau B. das Haus zur Erledigung von Einkäufen verließ. Er verfügte als Hausmeister über einen Generalschlüssel, mit dem er die Wohnungstür des Tatopfers aufschließen konnte. Er hatte zudem ein mögliches Tatmotiv, da seine finanziellen Verhältnisse zur Tatzeit jedenfalls derart beengt waren, dass er sich von seiner früheren Lebensgefährtin und von einem Nachbarn hatte Geld leihen müssen. An dem als Tatwerkzeug verwendeten Verlängerungskabel wurden DNA-Spuren festgestellt, die mit einer Wahrscheinlichkeit von über 99,9 % mit dem DNA – Muster des Angeklagten identisch sind. Auch im Gesicht des Tatopfers fanden sich DNA-Spuren, die nach den Feststellungen des angehörten Sachverständigen eine hohe Identitätswahrscheinlichkeit mit dem DNA – Muster des Angeklagten aufweisen, und zwar unter anderem am rechten Auge eine solche von 99,78 %, an der rechten Halsseite von 98,92 % und an der Oberlippe von 98,43 %. Bei einer nach der Tat durchgeführten körperlichen Un- tersuchung des Angeklagten wurden an seiner rechten Hand oberflächliche Verletzungen festgestellt, die durch das Kampfgeschehen mit Frau B. verursacht worden sein könnten.
5
b) Die Strafkammer hat jedoch die gegen den Angeklagten sprechenden Indizien nach eingehender Abwägung weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit für geeignet angesehen, letzte vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten zu beseitigen. Hierbei hat sie insbesondere nicht ausschließen können, dass die Tat von einem unbekannt gebliebenen Mann begangen worden ist, den Frau B. am Tag zuvor kennen gelernt und möglicherweise Einlass in ihrer Wohnung gewährt hatte. Hinsichtlich der an dem Tatwerkzeug festgestellten DNA-Spuren hat sie es – entgegen der Einschätzung des angehörten Sachverständigen - für möglich gehalten, dass diese anlässlich von Arbeiten, die der Angeklagte im Dezember 2007 in der Wohnung des Opfers ausgeführt hatte, angebracht worden sind.
6
3. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11 m.w.N.). Dies ist auch dann der Fall, wenn er einem Beweisanzeichen einen zu geringen Beweiswert zugemessen hat (vgl. BGH NJW 2009, 2834, 2836).
7
4. Hieran gemessen hält die dem Freispruch zu Grunde liegende Beweiswürdigung der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
a) Das Landgericht hat im Zusammenhang mit den im Gesicht des Tatopfers festgestellten DNA-Spuren ausgeführt, dass nach der besten Spur am rechten Auge (Identitätswahrscheinlichkeit von 99,78 %) statistisch betrachtet mehr als zwei von 1000 Männern die gleichen Y-chromosomalen Systeme aufweisen , so dass für eine Stadt wie M. statistisch mehr als 200 Männer in Betracht kämen. Dies und der Umstand, dass der Sohn des Angeklagten, der eine identische Y-chromosomale DNA wie der Angeklagte aufweise, und der als ehemaliger Hausmeister des Wohnhauses des Tatopfers sowohl mit den Örtlichkeiten als auch mit den Mietern bestens vertraut gewesen sei, schließe eine Verurteilung des Angeklagten auf Grund der festgestellten DNA-Spuren aus.
9
b) Dieser Beurteilung begegnen, soweit sie sich auf die Möglichkeit einer Alternativtäterschaft des Sohnes des Angeklagten gründet, durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Urteilsfeststellungen geben keinen Anhalt dafür, dass der in D. wohnhafte Sohn des Angeklagten sich am Tattag in M. aufgehalten hat. Der Umstand, dass der Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 30. Januar 2008, d. h. des dem Tattag nachfolgenden Tages, nach D. fuhr, um seinen Sohn und seine Tochter zu besuchen, könnte eher dagegen sprechen. Bei der vom Landgericht erwogenen Täterschaft des Sohnes des Angeklagten handelt es sich daher lediglich um eine gedankliche, abstrakttheoretische Möglichkeit, die bei der tatrichterlichen Überzeugungsbildung außer Betracht zu bleiben hat (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 5; BGH NJW 2009, 2834, 2836).
10
c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht angesichts der Vielzahl der belastenden Indizien bei rechtsfehlerfreier Bewertung des Beweiswertes der im Gesicht des Tatopfers festgestellten DNA-Spuren eine Täterschaft des Angeklagten bejaht hätte. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der bei der körperlichen Untersuchung des Angeklagten an dessen rechten Hand festgestellten Verletzungen. Insoweit hat das Landgericht zwar nicht verkannt, dass sie durch das Kampfgeschehen mit dem Tatopfer verursacht worden sein können. Soweit es diese Möglichkeit jedoch als „nicht zwingend oder nahe liegend“ mit der Begründung verworfen hat, dass die handwerklichen Tätigkeiten des Angeklagten als Hausmeister das Verletzungsbild zwanglos erklären könnten, fehlt es für diese Annahme ebenfalls an einem realen Anknüpfungspunkt. Weder ist ersichtlich, dass der Angeklagte in der erforderlichen zeitlichen Nähe zur Tat Arbeiten ausgeführt hat, die zu den festgestellten Verletzungen hätten führen können, noch hat dieser selbst sich ausweislich der Urteilsgründe hierauf berufen.
11
5. Zudem erweist sich die Beweiswürdigung - wie die Revision zu Recht rügt - in Bezug auf die Persönlichkeit des Angeklagten als lückenhaft. Insoweit hat das Landgericht zwar zur Person des Angeklagten festgestellt, dass er, um schneller zu Erfolg und Wohlstand zu gelangen, bereits sehr früh in seinem Leben Straftaten begangen habe, was sich in seinen zahlreichen, zum Teil auch erheblichen Vorstrafen ausdrücke, "die seine Erfahrung mit der Ausübung von Gewalt erkennen lassen". Zur Art und zum Zeitpunkt dieser Vorstrafen verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht. Einer entsprechenden Mitteilung hätte es hier aber bedurft, da die früheren Straftaten des Angeklagten näheren Aufschluss darüber geben könnten, ob ihm die Begehung von Straftaten, die mit der ihm hier zur Last gelegten vergleichbar sind, wesensfremd ist oder nicht (vgl. auch Senat, Urt. vom 14. Februar 2008 - 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207).
12
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung. Tepperwien Athing Solin-Stojanović Ernemann Mutzbauer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. Okt. 2009 - 4 StR 287/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. Okt. 2009 - 4 StR 287/09

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Urteil, 15. Okt. 2009 - 4 StR 287/09 zitiert 2 §§.

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Feb. 2008 - 4 StR 317/07

bei uns veröffentlicht am 14.02.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 317/07 vom 14. Februar 2008 in der Strafsache gegen wegen versuchter sexueller Nötigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Februar 2008, an der teilgenommen h
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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Dez. 2009 - 4 StR 390/09

bei uns veröffentlicht am 10.12.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 390/09 vom 10. Dezember 2009 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Dezember 2009, an der teilgenommen haben: Vorsi

Referenzen

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 317/07
vom
14. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Februar
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin Erna Waltraud B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der versuchten sexuellen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin rügen mit ihren hiergegen gerichteten Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft, deren Revision vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet ferner das Verfahren. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten Folgendes zur Last gelegt :
3
Der Angeklagte habe sich am 20. August 2006 gegen 19 Uhr auf dem Ostfriedhof in Gelsenkirchen der 86jährigen Nebenklägerin Erna B. von hinten genähert, als diese auf ihr Fahrrad steigen wollte, um nach Hause zu fahren. Er habe der Nebenklägerin mit beiden Händen den Hals fest zuge- drückt. Er habe die deshalb unter akuter Atemnot leidende Nebenklägerin, die versucht habe, sich zur Wehr zu setzen, in Richtung eines Gebüschs bei einem neu angelegten Gräberfeld geschoben und geäußert: "Wenn Sie hier nicht wollen , dann gehen wir in die Büsche. Vorwärts!" Er habe die Nebenklägerin über einen schmalen Weg in Richtung des Feldes geschoben, wobei diese zu Fall gekommen sei. Der Angeklagte habe versucht, die Nebenklägerin hochzuheben , was diese habe verhindern können. Als die Nebenklägerin vorgegeben habe, "sie könne nicht mehr", sie müsse Tabletten einnehmen, habe der Angeklagte sie auf den Rasen gebracht. Dort habe die Nebenklägerin sich an die Zeugin F. wenden können, worauf der Angeklagte von ihr abgelassen habe.
4
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und sich dahin eingelassen, er habe an jenem Tage eine dreiviertel Flasche Chantré getrunken , sei danach spazieren gegangen und habe sich dann auf eine Friedhofsbank gesetzt. Die Nebenklägerin, die ein Fahrrad geschoben habe, sei vor ihm unvermittelt in die Knie gesunken. Er sei ihr mit zwei schnellen Schritten zu Hilfe geeilt und habe ihr von hinten unter die Arme um den Brustkorb gegriffen, um sie aufzufangen. Die Nebenklägerin habe sich am Fahrrad festgehalten, so dass der Lenker eingeknickt sei, weshalb sie vom sandigen Weg in Richtung des frischen Gräberfeldes auf den Mulchbereich abgekommen seien. Er habe beruhigend auf die panisch wirkende Nebenkl ägerin eingeredet und ihr gesagt, dass er nur helfen wolle. Die Nebenklägerin habe geäußert, sie habe ihre Herztabletten nicht genommen. Dann habe er die Stimme von Frau F. gehört , die er gebeten habe, einen Krankenwagen zu rufen. Er habe darauf bestanden , dass neben dem Krankenwagen auch die Polizei gerufen werde, weil er wegen seiner Vorstrafen nachteilige Konsequenzen befürchtet habe.
5
3. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und zur Begründung ausgeführt, es habe "zwar im Detail gewisse Zweifel" an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, habe dessen Einlassung aber nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu widerlegen vermocht.
6
Die Bekundungen der Nebenklägerin und die der ebenso wie diese glaubwürdigen Zeugin F. seien "in einem entscheidenden Punkt - nämlich in der Frage, von wessen Initiative die Hilfeleistung der Zeugin F. ausging -" nicht miteinander in Einklang zu bringen. Die Zeugin F. habe, als sie gesehen habe, dass die Nebenklägerin zusammengebrochen sei, nach ihren Bekundungen "sofort hinübergerufen, ob sie helfen könne". Demgegenüber habe die Nebenklägerin bekundet, sie sei es gewesen, die um Hilfe gerufen und Frau F. dadurch veranlasst habe hinzuzukommen. Das Landgericht hat hierzu u.a. ausgeführt, dass sich der Widerspruch plausibel dadurch erklären lasse, dass die Nebenklägerin, entsprechend der Einlassung des Angeklagten und der Beobachtung der Zeugin F. , einen Schwächeanfall erlitten habe , hierdurch verwirrt gewesen sei und den gesamten Geschehensablauf falsch verstanden haben könnte. Im Hinblick darauf, dass der Polizeibeamte S. bei seinem Eintreffen am Tatort den Eindruck gehabt habe, die Nebenklägerin sei verwirrt gewesen, erscheine nicht ausgeschlossen, dass die nach ihren Angaben unter Bluthochdruck leidende Nebenklägerin einen Schwächeanfall erlitten habe. Deshalb sei die Möglichkeit von Fehlwahrnehmungen bzw. -deutungen des Gechehens durch die Nebenklägerin nicht auszuschließen.

II.


7
Der Freispruch hat keinen Bestand.
8
1. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.
10
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr., vgl. BGHSt 37, 21, 22; BGH wistra 2004, 105, 109 jew. m.w.N.). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht.
11
Das Urteil enthält keine Feststellungen zur Person des Angeklagten. Solche Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können, dass der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat; aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. BGH NStZ 2000, 91). So liegt es hier. Der Angeklagte will wegen der wegen seiner Vorstrafen befürchteten nachteiligen Konsequenzen darauf bestanden haben, dass die Polizei gerufen werde. Welcher Art diese Vorstrafen sind und wie lange sie zurückliegen, wird im Urteil jedoch nicht mitgeteilt. Nach den vom Angeklagten geäußerten Befürchtungen liegt es nahe, dass es sich um einschlägige Vorstrafen handelt, die Aufschluss über die Täterpersönlichkeit geben könnten.
12
Zudem fehlt eine geschlossene Darstellung derjenigen Tatsachen, die das Landgericht für erwiesen hält. Ohne Angaben insbesondere zu den örtlichen Verhältnissen in dem Bereich des Ostfriedhofs, in dem es zu dem Zusammentreffen des Angeklagten mit der Nebenklägerin kam, und dazu, wo diese schließlich am Boden gelegen hat, ist dem Senat die Überprüfung, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht, nicht möglich.
13
b) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass sich das Urteil nicht dazu verhält, in welchen Details das Landgericht "gewisse Zweifel" an der Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten hatte und aus welchen Gründen die Umstände, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Schlüsse auch zu Ungunsten des Angeklagten ermöglichen, auch in einer Gesamtschau nicht ausreichten, die Einlassung , die Nebenklägerin habe einen Schwächeanfall erlitten, zu widerlegen.
14
Soweit das Landgericht meint, es könne nicht als gegen den Angeklagten sprechendes Indiz gewertet werden, dass er die nach seiner Einlassung erstmals auf dem Friedhofsweg in die Knie gesunkene Nebenklägerin nicht zurück auf die näher gelegene Bank, sondern bis auf den Mulchbereich verbracht haben will (UA 6), lässt es außer Acht, dass sich der Angeklagte nach den insoweit übereinstimmenden Bekundungen der Nebenklägerin und der vom Landgericht für glaubwürdig erachteten Zeugin F. mit der Nebenklägerin entgegen seiner Einlassung nicht im Bereich des Mulches vor den Gräbern, sondern "inmitten der frischen Gräber" aufhielt, als die Zeugin F. hinzukam (UA 5).
15
Bedenken begegnet auch die Erwägung des Landgerichts, für den vom Angeklagten behaupteten Schwächeanfall der Nebenklägerin spreche, dass die Zeugin F. und der Zeuge S. den Eindruck hatten, die Nebenklägerin sei verwirrt gewesen. Insoweit hätte die zumindest ebenso nahe liegende Möglichkeit der Erörterung bedurft, dass die Nebenklägerin deshalb verwirrt gewesen ist, weil sie zuvor von dem Angeklagten gewürgt und von dem Weg vor dem Friedhof bis zu den frischen Gräbern verbracht worden war.
16
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet zudem mit einer auf die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) gestützten Rüge zu Recht, dass es das Landgericht unterlassen hat, durch Verlesung der Urteile Beweis über die den Verurteilungen des Angeklagten durch das Landgericht Mönchengladbach vom 31. Mai 1996 und das Landgericht Essen vom 17. Januar 2001 zu Grunde liegenden Taten zu erheben (vgl. auch BGHSt 43, 106).
17
Das Landgericht Mönchengladbach hatte den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte im August 1995 in den frühen Morgenstunden eine 18 Jahre alte Frau vom Rad gestoßen, ihr ein Küchenmesser an den Hals gelegt und sie gezwungen, sich vollständig zu entkleiden. Er verlangte von ihr, vor ihm niederzuknien und den Oralverkehr zu vollziehen, und zwang sie, ihm einen Zungenkuss zu geben. Dann griffen Polizeibeamte ein, die von Nachbarn alarmiert worden waren.
18
Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte im Juli 1998 einen damals zwölf Jahre alten Jungen zunächst bewusstlos, packte ihn im Nacken und zerrte ihn in ein Gebüsch. Unter der Drohung, dem Jungen das Genick zu brechen, erzwang der Angeklagte den Oral- und den Analverkehr.
19
Das Landgericht hätte sich zu der Verlesung dieser Urteile gedrängt sehen müssen, zumal diese - wenn auch nicht durch einen förmlichen Beweisantrag - im Hauptverhandlungstermin vom 20. Februar 2007 von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war. Dass die einschlägigen Vorverurteilungen, insbesondere auch die Feststellungen zu der Vorgehensweise des Angeklagten , für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin von Bedeutung sein können, liegt auf der Hand.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann