Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - 4 StR 364/17

bei uns veröffentlicht am26.04.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 364/17
vom
26. April 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Mordes
ECLI:DE:BGH:2018:260418U4STR364.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April 2018, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Quentin, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Erster Staatsanwaltschaft als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwältin als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 9. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten S. betrifft.
Die Sache wird zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes freigesprochen; den Mitangeklagten Se. hat es wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen den Freispruch des Angeklagten S. richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt wird. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Erörterung der erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf.

I.


2
Der Mitangeklagte Se. lockte seinen Freund N. am 29. Dezember 2014 zu einer abgelegenen Örtlichkeit bei Ne. , indem er ihmein lukratives Betäubungsmittelgeschäft in Aussicht stellte. Dort tötete er ihn nach 1.07 Uhr – möglicherweise im Rahmen eines gemeinsamen Tatplans mit dem Angeklagten – heimtückisch und grausam, ohne dass die Strafkammer ein Mo- tiv für die Tat feststellen konnte. Zunächst schoss er unvermittelt von hinten mit einer Pistole auf N. s Hinterkopf. Der Schuss hinterließ allenfalls eine Streifschussverletzung. Ein zweiter Schussversuch scheiterte, da die Tatwaffe eine Ladehemmung aufwies. Der Mitangeklagte Se. versetztedaraufhin N. mit dem Griff der Waffe mindestens zehn wuchtige Schläge gegen den Kopf. Auch schlug er ihm mindestens zehnmal mit Fäusten mit voller Wucht ins Gesicht. N. , der sich zeitweise gegen die Schläge gewehrt hatte, ging mehrfach zu Boden, konnte sich jedoch immer wieder aufrichten und versuchte, auf die angrenzenden Felder zu entkommen. Er rief dabei um Gnade und nach seiner Mutter. Etwa 50 Meter von der Straße entfernt brach er auf dem Feld zusammen, war aber noch bei Bewusstsein und stöhnte. Der Mitangeklagte Se. versuchte erneut erfolglos, auf ihn zu schießen. Er trat ihm nun mindestens 20-mal mit voller Wucht an den Kopf. Bei einem weiteren Schussversuch löste sich ein Schuss, das Projektil blieb, nachdem es an einem anderen Gegenstand abgeprallt war, in der Kapuze N. s stecken. Der Mitangeklagte Se. zog nun zwei etwa einen Meter lange Holzpfähle aus der Erde. Mit einem der Pfähle schlug er N. mehrfach mit voller Wucht auf den Kopf. Nicht ausschließbar wurde dieser beim ersten Schlag bewusstlos. Der Mitangeklagte Se. und der Angeklagte rauchten anschließend zusammen eine Zigarette. Als der Mitangeklagte feststellte, dass N. noch lebte, schlug er mit dem zweiten Holzpfahl und mindestens 20-mal mit dem Lauf seiner senkrecht nach unten gehaltenen Schusswaffe auf N. s Kopf ein. Das Geschehen dauerte biszum Todeseintritt mindestens 15 Minuten, möglicherweise eine Stunde. Der mit dem Mitangeklagten Se. befreundete Angeklagte S. war die ganze Zeit zugegen, ohne in das Tötungsgeschehen einzugreifen. Nach der Tötung des N. setzte er einen Notruf ab, wobei er wie bei seinen ersten polizeilichen Vernehmungen angab, Täter sei ein Rumäne in einem französischen Polizei- auto gewesen. In einer Nachvernehmung am 31. Dezember 2014 benannte er den Mitangeklagten als Täter.
3
Das Landgericht hat den Angeklagten S. freigesprochen, weil ihm weder eine Planung, Unterstützung oder Billigung der Tat noch die zumutbare Möglichkeit, dem Opfer Hilfe zu leisten, nachzuweisen gewesen seien.

II.


4
Der Freispruch hat keinen Bestand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist lückenhaft.
5
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO), dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2018 – 1 StR 331/17, Rn. 7 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Dezember 2017 – 4 StR 162/17, Rn. 9 mwN). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweis- ergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sind. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN; Franke in Löwe/Rosenberg , StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. mwN).
6
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht. Zwar ist es aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass das Landgericht weder eigenhändige Tatbeiträge des Angeklagten S. noch eine Mitplanung der Tat feststellen und sich deshalb nicht von einer Mittäterschaft überzeugen konnte. Durchgreifende Rechtsfehler zeigt auch die Revisionsbegründung insoweit nicht auf. Das Landgericht hat sich aber angesichts der festgestellten Tatumstände unzureichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Angeklagten eine Beihilfe zur Tötung des N. zur Last liegt. Seiner Wertung, dem Angeklagten seien auch keine sonstigen Tatbeiträge bzw. Unterstützungshandlungen nachweisbar, fehlt eine ausreichende Begründung.
7
a) Das Landgericht hat es – den Angaben des Angeklagten folgend – als möglich angesehen, dass dieser aus Angst am Tatort geblieben sei und nicht eingegriffen habe, weil er die Aufforderung des Mitangeklagten Se. , nicht wegzugehen, als bedrohlich empfunden habe. Da der Mitangeklagte Se. bewaffnet gewesen sei, aus der Waffe immerhin zwei Schüsse abgegeben und den Geschädigten N. durch zahlreiche heftige Schläge getötet habe, seies angesichts der besonderen Lebensgeschichte des Angeklagten (Suizid des Vaters vor seinen Augen, Suizid zweier Freunde) nachvollziehbar, dass er aus Entsetzen und Angst sowie in einem gewissen Schockzustand nicht imstande gewesen sei, rettend in das Geschehen einzugreifen oder den Tatort zu verlassen , um Hilfe zu holen.
8
Entsetzen und Angst, insbesondere ein Schockzustand über den gesamten Tatzeitraum, den der Angeklagte selbst mit einer Stunde angegeben hat, werden in den Erwägungen des Landgerichts zur Beweiswürdigung indes nur unzureichend begründet. Ausführungen dazu, inwieweit die in diesem Zusammenhang angeführten Lebensumstände des Angeklagten (Suizid des Vaters und von zwei Freunden) seine Psyche nachhaltig beeinflussten, enthalten die Urteilsgründe nicht. Bei seiner Bewertung hat das Landgericht auch nicht in den Blick genommen, dass die Tatwaffe nach dem ersten Schuss des Mitangeklagten Se. zunächst eine Ladehemmung aufwies und der zweite Schuss erst deutlich später abgegeben wurde. Schließlich hat das Landgericht auch nicht erwogen, inwieweit es mit Angst, Entsetzen und einem Schockzustand zu vereinbaren ist, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tat bei Absetzen des Notrufs und der anschließenden polizeilichen Vernehmung hinsichtlich des Täters eine umfangreiche Lügengeschichte erzählte. Dies erweist sich hier als Lücke in der Beweiswürdigung. Denn der Tatrichter ist aus Rechtsgründen nicht gehalten, Sachverhaltskonstellationen zu Gunsten des Angeklagten als unwiderlegt oder möglich zugrunde zu legen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, aaO; vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14, Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325, jeweils mwN).
9
b) Die Beweiserwägungen des Landgerichts zu einer Tatbeteiligung des Angeklagten sind auch im Weiteren lückenhaft. Das Landgericht hat nicht in den Blick genommen, dass schon die ständige Anwesenheit des Angeklagten über den gesamten Zeitraum den Mitangeklagten Se. bei seiner Tatausführung bestärkt haben kann (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 1995 – 2 StR 84/95, NStZ 1995, 490, 491; Urteil vom 29. November 2011 – 1 StR 287/11, NStZ 2012, 347, 348 mwN). Eine solche Erörterung drängte sich hier auf: Die Tathandlung erstreckte sich über einen Zeitraum von mindestens 15 Minuten, nach Angaben des Angeklagten bis zu einer Stunde, und verlagerte sich von der Straße auf ein Feld. Der Angeklagte hat hierzu angegeben, er habe „wie ein Hund hinterherdackeln müssen“. Nach der Abgabe des ersten Schusses hatte die Tatwaffe eine Ladehemmung; der Mitangeklagte begann deshalb, auf das Tatopfer einzuschlagen, um es zu töten. Es erschließt sich nicht ohne Weiteres, wieso sich der Angeklagte gezwungen sah, jeweils mitzugehen, ohne einen Versuch zu unternehmen, wegzurennen oder den Mitangeklagten, „einen seiner besten Freunde“, wenigstens verbal von der weiteren Tatausführung abzuhal- ten. Während der Tatausführung rauchte der Angeklagte zudem eine Zigarette mit dem Mitangeklagten. Auch war er auf dessen Aufforderung sofort bereit, bei einer polizeilichen Vernehmung zu lügen. Diese Bereitschaft hatte der Angeklagte dem Mitangeklagten nicht etwa aus einer Zwangslage heraus vorgespiegelt. Vielmehr setzte er zwar unmittelbar nach der Tat, als N. mit Sicherheit tot war, von sich aus einen Notruf ab, machte aber zugleich umfangreiche Falschangaben zur Verschleierung der Täterschaft des Mitangeklagten. Dies lässt sich mit Angst und Entsetzen nicht mehr erklären und mit einem Schockzustand während der Tat kaum vereinbaren. Diese Tatumstände, die für eine aktive Unterstützung durch psychische Bestärkung des Mitangeklagten sprechen könnten, hat das Landgericht nicht in die Beweiswürdigung eingestellt.
10
3. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, dass auch die Würdigung der Aussage des Zeugen H. widersprüchlich ist: Das Landgericht hat einerseits nachvollziehbar ausgeführt und begründet, dass der Zeuge wahrheitsgemäße Angaben mit originellen Details zu der Schilderung des Mitangeklagten gegenüber dem Zeugen während der gemeinsamen Untersuchungshaft gemacht habe (UA 66). Dazu gehört, dass die Tat mit einem Freund geplant worden sei, der den Auftrag dazu gegeben habe. Einen sonsti- gen Tatbeitrag des anderen, der ihn „verpfiffen“ habe, habe Se. nicht be- nannt. Andererseits hat das Landgericht es abgelehnt, die Angaben des Mitangeklagten zu einer Tatbeteiligung des Angeklagten festzustellen, weil der Zeuge H. in der Hauptverhandlung unsicher gewesen sei und seine Angaben vage und unbestimmt (UA 97).

III.


11
Mit der Aufhebung des Urteils sind die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung und gegen die Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 464 Rn. 20).
Franke Roggenbuck Cierniak RiBGH Dr. Quentin ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Franke Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - 4 StR 364/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - 4 StR 364/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - 4 StR 364/17 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - 4 StR 364/17 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - 4 StR 364/17 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Dez. 2017 - 4 StR 162/17

bei uns veröffentlicht am 07.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 162/17 vom 7. Dezember 2017 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts des Mordes ECLI:DE:BGH:2017:071217U4STR162.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Dezem

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Aug. 2009 - 1 StR 107/09

bei uns veröffentlicht am 18.08.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 107/09 vom 18. August 2009 in dem Strafverfahren gegen wegen Verdachts des schweren Raubes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. August 2009, an der teilgenomme

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2014 - 4 StR 129/14

bei uns veröffentlicht am 17.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 129/14 vom 17. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014, an der teilgenommen haben:

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2007 - 1 StR 159/07

bei uns veröffentlicht am 25.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 159/07 vom 25. April 2007 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja zu Nr. 2 Veröffentlichung: ja ____________________________ BtMG §§ 29 ff.; StGB §§ 25, 27; StPO § 261 Behauptet der Transporteur von Betäubungsmitteln, sein Ta

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Nov. 2011 - 1 StR 287/11

bei uns veröffentlicht am 29.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 287/11 vom 29. November 2011 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. November 2011,

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2018 - 1 StR 331/17

bei uns veröffentlicht am 24.01.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 331/17 vom 24. Januar 2018 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:240118U1STR331.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Janua

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Feb. 2015 - 4 StR 420/14

bei uns veröffentlicht am 12.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 420/14 vom 12. Februar 2015 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar 2015, an der teilgenommen haben: Vorsitzende R

Referenzen

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

7
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO), dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 10. Mai 2017 – 2 StR 258/16 , juris Rn. 17 und vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich -rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 183, 184; vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, juris Rn. 9 und vom 14. September 2017 – 4 StR 45/17, juris Rn. 7).
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Denn die Beweiswürdigung ist allein Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sind. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN; Franke in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin
7
Der Tatrichter darf entlastende Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Er muss sich vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01, BGHSt 48, 52, 71; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28. Januar 2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2008, 285). Der Zweifelssatz gebietet es nicht etwa, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, NStZ-RR 2005, 209; Urteil vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, jew. mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 107/09
vom
18. August 2009
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verdachts des schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. August
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 12. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten betrifft. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Am 16. November 2007 wurde der damals 70 Jahre alte K. in seiner Wohnung in Holzkirchen von zwei Tätern überfallen und gefesselt. Die Täter entwendeten Uhren und Schmuck im Wert von über 10.000,-- €. K. wurde erst nach Stunden befreit. Anklage und Eröffnungsbeschluss gingen davon aus, dass der Angeklagte einer der Täter war, bei dem anderen Täter soll es sich um den gegenwärtig in Jordanien aufhältlichen gesondert verfolgten S. handeln. Die Strafkammer konnte sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen und hat ihn freigesprochen.
2
Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg, da die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Überprüfung nicht standhält.
3
1. Dem Tatverdacht gegen den Angeklagten liegen, ohne dass an dieser Stelle die Urteilsgründe vollständig nachzuzeichnen wären, nicht zuletzt folgende Beweisanzeichen zu Grunde:
4
a) Der Angeklagte wird von den beiden Mitangeklagten A. und B. (hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt hat) als Täter bezeichnet. Die Mitangeklagten waren an der Planung und Vorbereitung der Tat als Einbruch beteiligt. Die Gewalttätigkeiten waren nach der Beweiswürdigung der Strafkammer ein den Mitangeklagten nicht zurechenbarer Exzess. Sie wurden nach der Tat, wie sie angeben, vom Angeklagten und S. , über den Tatablauf im Detail informiert; die Beute wurde noch am gleichen Tag von A. verkauft.
5
b) Auf der Außenseite eines Teilstücks des Klebebandes, mit dem der Geschädigte gefesselt worden war, wurde eine Mischspur mit DNA-Merkmalen des Angeklagten gefunden.
6
c) In der Wohnung des Angeklagten wurden drei Schmuckschatullen gefunden , die aus der Tat stammen.
7
d) Zwischen dem Angeklagten und A. fanden am Tattag innerhalb von etwa zwei Stunden vier Telefongespräche statt.
8
e) Eine unbeteiligte, zufällige Zeugin (Frau Br. ) hat am Tattag in der Nähe des Tatorts zwei Männer beobachtet. In der Hauptverhandlung war sie „zu 80%“ sicher, dass es sich bei einem dieser Männer aus näher dargelegten Gründen (z. B. wegen der Nase, der hohen Stirn, der Statur) um den Angeklagten handelt.
9
2. Die Strafkammer hat diesen Erkenntnissen letztlich kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Ohne dass auch insoweit die Urteilsgründe hier vollumfänglich nachzuzeichnen wären, hält sie die genannten Anhaltspunkte im Kern aus folgenden Gründen nicht für hinreichend tragfähig:
10
a) Es sprächen „starke“ Anhaltspunkte für eine Täterschaft von S. . Die entsprechenden Angaben der Mitangeklagten würden durch näher dargelegte objektive Beweismittel gestützt. Daraus folge jedoch nicht „zwangsläufig“, dass auch die Angaben der Mitangeklagten zur Tatbeteiligung des Angeklagten richtig seien.
11
b) Hinsichtlich der DNA-Spuren hat der Angeklagte angegeben, zwar am Tattag mit seinem Pkw und A. nach Holzkirchen gefahren zu sein, jedoch um ein Regal zu transportieren. Dort sei man zunächst zusammen in ein Cafe gegangen, dann habe ihn A. mit anderen, Unbekannten verlassen. Später sei er wieder gekommen und habe gesagt, mit dem Regal klappe es nicht. Dann sei man gemeinsam nach München zurückgefahren. Das Klebeband habe A. auf der Fahrt nach Holzkirchen auf der Mittelkonsole des Pkws abgelegt. Die Bedienung der Gangschaltung sei dadurch ausgeschlossen gewesen, weshalb er, H. , das Klebeband weggelegt habe. Dadurch müsse die DNA-Spur entstanden sein. Dieses Vorbringen, so die Strafkammer, sei nicht zu widerlegen.
12
c) Die Schmuckkassetten habe ihm A. im Rahmen eines Geschäfts über einen (aus der Tat stammenden) Ring überlassen, welches ihm A. angeboten habe, um den Ärger des Angeklagten über den nicht stattgefunden Transport des Regals zu besänftigen. Für diese Version, so die Strafkammer, spreche, dass ein Freund des Angeklagten sie bestätigt habe. Dieser Freund sei unmittelbar, nachdem der Angeklagte die entsprechende Aussage gemacht habe, in die Hauptverhandlung gerufen worden. Eine Absprache sei daher ausgeschlossen. Dass die Mutter des Angeklagten im Rahmen einer Hausdurchsuchung, bei der die Schatullen gefunden wurden , den Angeklagten mit der Lüge zu entlasten versucht hatte, die Schatullen gehörten ihr, ändere nichts.
13
d) Hinsichtlich der Telefongespräche am Tattag gibt der Angeklagte an, es sei dabei immer nur um Benzingeld für die Fahrt wegen des (letztlich gescheiterten ) Regaltransports gegangen. Dies bewertet die Strafkammer als nicht „vollkommen wirklichkeitsfremd“.
14
e) Die Strafkammer geht davon aus, dass es sich bei den von Frau Br. gesehenen Männern um die Täter handelt. Gegen ihre Annahme, bei einem dieser Männer habe es sich mit erheblicher - wenn auch nicht letzter - Sicherheit um den Angeklagten gehandelt, spreche, dass sie bei der Polizei gesagt habe, die Männer seien 30 bis 40 Jahre alt gewesen, eher 40 Jahre, während sie den Angeklagten in der Hauptverhandlung für 30 Jahre alt geschätzt habe. Ebenso spreche gegen die Zuverlässigkeit der Wiedererkennung, dass sie angegeben habe, der in Rede stehende Mann habe ausgewaschene blaue Jeans getragen; dies sei unvereinbar mit der Angabe A. s , wonach der Angeklagte bei der Tat dunkelblaue Jeans getragen habe.
15
3. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten überwunden hätte. Das Revisionsgericht prüft nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft , widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, oder wenn, im Falle eines Freispruchs, an das Maß der zur Verurteilung erforderlichen Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. zuletzt zusammenfassend BGH, Urt. vom 18. März 2009 - 1 StR 549/08 m.w.N.).
16
a) Die genannten Erwägungen der Strafkammer werden schon jeweils für sich genommen diesen Maßstäben nicht in vollem Umfang gerecht:
17
(1) Die Strafkammer hält die Angaben der Mitangeklagten hinsichtlich S. für glaubhaft, hinsichtlich des Angeklagten letztlich nicht. Der Tatrichter ist allerdings nicht gehindert, einer Auskunftsperson teilweise zu glauben und teilweise nicht. Dies verlangt jedoch eine nachvollziehbare Begründung, die sich mit allen wesentlichen Gesichtspunkten auseinandersetzt (st. Rspr., vgl. d. Nachw. bei Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 83, Fußn. 358, 359). Daran fehlt es hier. Es wäre erkennbar in die Erwägungen einzubeziehen gewesen, dass die Angaben A. s insoweit vom Angeklagten bestätigt werden, als auch er angibt, am Tattag mit diesem nach Holzkirchen gefahren zu sein. A. wusste nach den Feststellungen, dass an diesem Tag dort die von ihm (mit) geplante und vorbereitete Tat durchgeführt werden sollte. Es wäre zu erörtern gewesen, ob und warum davon auszugehen ist, dass er in Holzkirchen zugleich ein Regal holen wollte und zu diesem Zweck sich der Hilfe eines nicht an der Tat Beteiligten bediente. Ebenso wäre zu erörtern gewesen, ob es ein nachvollziehbares Motiv für A. und den anderen Mitangeklagten gibt, hinsichtlich der nämlichen, von zwei Personen begangenen Tat bezüglich eines Mittäters (S. ) die Wahrheit zu sagen und eine andere Person als Mittäter frei zu erfinden und zudem den ihnen bekannten Angeklagten zu Unrecht zu belasten. Ohne die Erörterung dieser Gesichtspunkte beruht die - nicht notwendig ausgeschlossene - Erwägung der Strafkammer zur nur teilweisen Glaubhaftigkeit der Angaben über die beiden Täter auf lückenhafter Grundlage.
18
(2) Diese Lücken gelten in gleicher Weise für die Angaben hinsichtlich des Klebebandes und den Zweck der Fahrt, bei der nach Angaben des Angeklagten die in Rede stehende Spur entstanden ist. Hinzu kommt, dass es sich jedenfalls ohne genaue Beschreibung des Klebebandes keinesfalls von selbst versteht, dass das Klebeband auf der Mittelkonsole die Bedienung der Gangschaltung ausgeschlossen (der Angeklagte habe nach seiner - nach Auffassung der Strafkammer nicht zu widerlegenden - Aussage wegen des Klebebandes „nicht schalten gekonnt“) oder jedenfalls nachhaltig erschwert hätte. Im Übrigen führt der Generalbundesanwalt (unter zutreffendem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ-RR 2003, 371) zutreffend aus, dass Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zuGrunde zu legen sind. Der Tatrichter hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeu- gungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen , für deren Vorliegen es außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen.
19
(3) Auch hinsichtlich der Schmuckschatullen ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Die Würdigung der Strafkammer stützt sich im Kern darauf, dass eine Absprache mit dem Zeugen nicht möglich gewesen wäre. Dies wäre nur dann ohne weitere Begründung tragfähig, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung , in der er die von seinem Freund dann bestätigten Angaben gemacht hat, erstmals erkannt hätte, dass die Frage nach den Schatullen Bedeutung haben kann. Dies wäre zu erörtern gewesen. Die Schatullen waren bei der Hausdurchsuchung gefunden worden, die Brisanz dieses Fundes war, ohne dass auch dies nachvollziehbar gewürdigt wäre, von der Mutter des Angeklagten offenbar sofort erkannt worden. Unter diesen Umständen versteht es sich nicht von selbst, dass dem Angeklagten der Fund der Schatullen unbekannt war oder dass er ihn für irrelevant gehalten hätte. Dann aber ist bei der Frage, ob die Möglichkeit einer Absprache mit seinem Freund bestand, nicht allein auf den Zeitraum zwischen der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu den Schatullen und der Vernehmung des Freundes hierzu in der Hauptverhandlung abzustellen.
20
(4) Hinsichtlich der Telefongespräche fehlt es an der Erörterung der nahe liegenden Frage, warum über das doch eher einfach strukturierte Thema des Benzingeldes - nach Angaben des Angeklagten soll es um 20,-- € gegangen sein - kurz hintereinander gleich vier Gespräche erforderlich waren und warum dies nicht auf der gemeinsamen Rückfahrt besprochen worden ist.
21
(5) Die Beweiswürdigung hinsichtlich der Zeugin Br. ist unklar. Die Zeugin beschreibt einen Mann, der am Tatort und nach Bewertung der Strafkammer ein Täter war. Die Aussage von A. , dass der Angeklagte am Tatort war, hält die Strafkammer im Ergebnis für falsch. Unter diesen Umständen wird nicht deutlich, warum gerade die Aussage A. s zum Farbton der Hose, die der Angeklagte „bei Begehung der Tat“ getragen habe, geeignet ist, die Würdigung der Aussage von Frau Br. zu beeinflussen.
22
b) Sind aber schon eine Reihe von Erwägungen der Strafkammer zu einzelnen Beweisanzeichen für sich genommen nicht tragfähig begründet, kann auch das auf einer - hier ohnehin etwas pauschalen - Gesamtwürdigung aller Erkenntnisse beruhende Ergebnis keinen Bestand haben. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Wie auch die Strafkammer nicht verkennt, deuten „gewichtige Gesichtspunkte“ auf den Angeklagten als Täter. Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis deshalb nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt jedoch nicht, dass der Tatrichter im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann (BGH NStZ-RR 2009, 248, 249; NStZ 2009, 264). Verwirft er jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die (zwar nicht als denknotwendig ausgeschlossen, aber doch) als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss im Rahmen der Gesamtwürdigung erkennbar werden, dass sich der Tatrichter dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass er überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (BGH NStZ–RR 2009, 248, 249).
23
Die Sache bedarf nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es noch auf Weiteres ankäme.
Nack Wahl Elf Graf Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 159/07
vom
25. April 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja zu Nr. 2
Veröffentlichung: ja
____________________________
Behauptet der Transporteur von Betäubungsmitteln, sein Tatbeitrag habe sich
darin erschöpft, die Betäubungsmittel im Auftrag eines Dritten zu transportieren,
und individualisiert er seinen Auftraggeber nicht, so ist der Tatrichter nicht auf
Grund des Zweifelssatzes gehalten, diese auf eine Beihilfe zum Handeltreiben
abzielende Einlassung zugrunde zu legen, wenn keine zuverlässigen Anhaltspunkte
für Auftrag und Person des Auftraggebers vorliegen.
BGH, Beschl. vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringerMenge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Dezember 2006 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Das Landgericht hat den Angeklagten im Ergebnis zu Recht wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge und mit einer Waffe, verurteilt. Zwar ist die bewaffnete Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens in nicht geringer Menge, wenn sie im Rahmen ein- und desselben Güterumsatzes erfolgt; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt" (BGH NStZ 2003, 440; Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03 jew. m.w.N.). Soweit das erworbene Heroin gewinnbringend verkauft werden sollte, ist hier deshalb die Tatbestandsalternative der Einfuhr ausgeschlossen. Der Angeklagte hat jedoch 40 g der erworbenen Menge (Wirkstoffgehalt 59,4 = 60 %) zum Eigenverbrauch bestimmt. Insoweit ist in Tateinheit zum Handeltreiben auch der Tatbestand der Einfuhr, jeweils in nicht geringer Menge und mit einer Waffe, erfüllt, da diese Teilmenge nicht von der Tatbestandsalternative des Handeltreibens erfasst wird (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 3 StR 22/00; Beschluss vom 28. Januar 2005 - 2 StR 555/04). 2. Die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens und nicht wegen Beihilfe ist - auch im Lichte neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Kuriertätigkeiten (vgl. zusammenfassend BGH NJW 2007, 1220) - ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet. Er war unmittelbar mit Eigeninitiative am Erwerb beteiligt; insbesondere konnte er, nachdem ihm in Holland eine Kontaktaufnahme zu dem Drogenhändler "P. " nicht gelungen war, eigenverantwortlich entscheiden, das Heroin mit dem von seinem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Geld bei einem "A. " zu erwerben. Er hatte auch darüber hinaus ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts , weil ihm für die Betäubungsmittelbeschaffung eine erhebliche Entlohnung in Form eines Schuldenerlasses in Höhe von 1.000 € in Aussicht gestellt war und er von den zu erwerbenden 300 g Heroin 40 g für den Eigenkonsum behalten sollte. Im Übrigen wäre das Landgericht nicht gehalten gewesen, die Einlassung des Angeklagten, er habe die Betäubungsmittel lediglich im Auftrag eines Drogenhändlers, dessen Name er nicht nennen wolle, von Holland nach Bayern transportiert, den Urteilsfeststellungen als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Die Strafkammer hat für einen solchen Auftrag und für die Person des Auftraggebers keine konkreten Anhaltspunkte festgestellt. Bei ei- ner solchen Sachlage muss der Tatrichter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371 LS; NStZ 2004, 35, 36). Dies führt auch hinsichtlich des insoweit schweigenden Angeklagten nicht zu einer mit dem Schuldprinzip kollidierenden Beweislastumkehr, sondern ist notwendige Folge der Verpflichtung des Gerichts, gemäß § 261 StPO seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen (BVerfG aaO). Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 287/11
vom
29. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29. November 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt (bei der Verhandlung),
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 4. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Die Revisionen von Staatsanwaltschaft und Nebenkläger wenden sich gegen die Freisprüche der Angeklagten von folgenden Anlagevorwürfen:
2
Der Angeklagte Dr. S. , ein in K. ( ) tätiger rumänischer Zahnarzt, hatte mit dem Nebenkläger R. geschäftliche Beziehungen gehabt und stritt mit ihm um hohe Beträge. Er wusste, dass er keine Ansprüche mehr hatte, nachdem R. zur Abgeltung aller Ansprü- che 700.000 € bezahlt hatte.Er erhob aber immer neue, höher werdende Forderungen. Man erstattete in Rumänien gegenseitig Strafanzeigen und prozessierte über eine Villa in Bukarest. Dr. S. nahm schließlich Kontakt mit dem Angeklagten M. auf, der R. bei einem seiner Aufenthalte in Re. , wo dessen Tochter Gastronomiebetriebe führte, "mit Gewalt unter Druck setzen" sollte, damit er zu Zahlungen und zur Beendigung des Prozesses im Sinne von Dr. S. bereit würde. Dr. S. und M. nahmen Kontakt mit der "Rockergruppe Hells Angels" auf, am Ende wurden der Angeklagte B. und ein weiteres Bandenmitglied "beauftragt". "M. plante nun für ... Dr. S. das weitere Vorgehen". Am 19. August 2009 versuchten B. und sein "Team" - in engem Kontakt mit M. - in Re. vergeblich, ihn mit der Lüge, man habe seinen Porsche angefahren, auf die Straße zu locken, um ihn zu überfallen und Autoschlüssel und Bargeld wegzunehmen. Die Beute hätten B. und sein Mittäter behalten sollen. Als R. zwei Tage später zum Parkplatz seiner Pension kam, eilten B. und sein Mittäter aus einer gegenüberliegenden Pension hinzu, beschossen ihn mit Reizgas, was ihn am Auge verletzte, schlugen ihn mit einer Schreckschusspistole und versuchten, ihm Autoschlüssel und Brieftasche abzunehmen. Sie flüchteten ohne Beute, als Angehörige R. zu Hilfe eilten.
3
Am 15. September 2009, so wird Dr. S. und M. weiter vorgeworfen, seien an R. , dessen Frau (nach Bukarest) und dessen Tochter (nach Re. ) je eine Postkarte mit Motiven aus Re. geschickt worden , die Dr. S. (auf Rumänisch) mit folgendem Text beschrieben hatte: "Gebt zurück, was ihr gestohlen habt, ihr Betrüger. Dies ist die letzte Warnung. Vlad Tepes.". Vlad Tepes war ein auch als Dracula bekannter rumänischer Fürst, der "Pfählung als Hinrichtungsart bevorzugte". Die darin liegende Drohung hätte letztlich R. dazu veranlassen sollen, doch noch auf die Forderungen einzugehen. Wenige Tage später schickte Dr. S. an R. den Entwurf eines "Abkommens", mit dem dieser sich zur Übertragung von Geld und Wertgegenständen im Wert von jedenfalls weit über 1 Mio. € an Dr. S. verpflichten sollte. Er kam dieser Aufforderung nicht nach.
4
Die Angeklagten wurden freigesprochen, die Täter des Überfalls und auch eine Verbindung von Dr. S. und M. zu dieser Tat seien nicht feststellbar , die Postkarten hätten keinen strafbaren Inhalt, darüber hinaus sei eine Tatbeteiligung von M. hinsichtlich der Postkarten nicht festzustellen.
5
Die Revisionen haben (schon) mit der Sachrüge Erfolg:
6
1. Bezüglich des Überfalls beruht dies darauf, dass das Urteil keine genügende Grundlage einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ist.
7
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen sind regelmäßig in einer geschlossenen Darstellung die als erwiesen angesehenen Tatsachen festzustellen , ehe in der Beweiswürdigung darzulegen ist, warum die für einen Schuldspruch erforderlichen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 - 3 StR 261/08, b. Cierniak/Zimmermann NStZ-RR 2011, 225, 232). Die Strafkammer teilt dagegen nach dem Anklageinhalt protokollartig das (wohl) gesamte Beweisergebnis in allen Details mit, auch soweit sie offenbar für die Entscheidung über Verurteilung oder Freispruch keine Bedeutung haben können, wie etwa - um nur ein Beispiel zu nennen - Hinweise eines Sanitäters an einen Arzt zu einem möglichen Sonnenbrand R. s. Eingefügt in diese Darlegungen sind immer wieder beweiswürdigende Überlegungen, die meist jeweils streng auf die zuvor geschilderten Teile der Beweisergebnisse begrenzt sind. Die Staatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt haben zutreffend insgesamt (nur) etwa zehn, auf mehr als fünfzig Urteilsseiten verstreute Passagen aufgezählt - meist nicht mehr als ein Absatz, manchmal nur einzelne Sätze -, die als Sachverhaltsfeststellungen zu bewerten sind. Abgesehen von der Notwendigkeit, diese Bruchstücke aus den umfangreichen Ausführungen herauszufiltern, ist es insgesamt kaum möglich, sie zu einer in sich geschlossenen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglichen Sachverhaltsfeststellung zusammenzufassen.
8
2. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass die Strafkammer die erforderliche Gesamtwürdigung aller für und gegen eine Täterschaft der Angeklag- ten sprechenden Indizien (vgl. BGH aaO mwN) unterlassen hat, die - in ihrer Vielzahl vom Generalbundesanwalt zutreffend hinsichtlich sämtlicher Angeklagter umfangreich und im Detail dargelegt - weitgehend allenfalls isoliert bewertet sind. Bei einer Gesamtschau könnte eine Vielzahl einzelner Gesichtspunkte auf Grund ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung möglicherweise die Überzeugung von der Richtigkeit des Anklagevorwurfs vermitteln (BGH aaO).
9
3. Der Angeklagte B. hat "im Laufe der Hauptverhandlung" zunächst mündlich und am zehnten Verhandlungstag schriftlich über seinen Verteidiger folgendes erklärt: Er sei von einem Mitglied der "Hells Angels" beauftragt worden, inRe. bei einer "Abreibung … Schmiere zu stehen" und erforderlichenfalls einzugreifen. Der Tatort sei ihm genannt worden, sonst nichts. Die Täter der Abreibung seien ihm ebenso unbekannt gewesen wie Dr. S. und M. . Er habe aus der Ferne beobachtet, wie zwei Männer R. angriffen. Als diesem eine Frau zu Hilfe kam, seien die Männer geflüchtet, worauf auch er (der Angeklagte) geflüchtet sei. Sonst wisse er nichts.
10
a) Die Strafkammer hält für möglich, dass der Angeklagte mit der Tat nichts zu tun hatte und er sich mit diesen Angaben zu Unrecht belastet habe. Der Verteidiger habe vor Abgabe der Erklärung auf Gespräche mit der Staatsanwaltschaft verwiesen, "in die das Gericht bewusst nicht einbezogen … und über deren Inhalt … Stillschweigen vereinbart worden sei". Der Angeklagte wolle bald aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Zumal, da der Staatsanwalt (in der Hauptverhandlung) erklärt habe, nach der bisherigen Beweisaufnahme komme nur eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung in Betracht, sei, so folgert die Strafkammer, insgesamt eindeutig, dass die Staatsanwaltschaft "eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt" habe. Es liege daher nicht fern, dass der Angeklagte, um das Verfahren gegen sich entsprechend zu beenden, wahrheitswidrig die genannten Angaben gemacht habe.
11
b) Hierzu bemerkt der Senat:
12
(1) Verständigungen können außerhalb der Hauptverhandlung vorbereitet werden, jedoch ist dann hierüber Transparenz in der Hauptverhandlung herzustellen. Das Transparenzgebot kennzeichnet das Verfahren über eine Verständigung im Strafverfahren insgesamt (vgl. zusammenfassend auch Niemöller /Schlothauer/Weider, Verständigung im Strafverfahren D Rn. 49 ff. mwN, auch aus den Gesetzgebungsmaterialien), wie sich aus einer Reihe von Bestimmungen über hieraus erwachsende Pflichten des Gerichts ergibt (vgl. § 202a Satz 2 StPO, § 212 StPO, § 243 Abs. 4 StPO, § 257c Abs. 3 StPO, § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO, § 273 Abs. 1a StPO).
13
Eine spezielle gesetzliche Regelung für nur zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Rahmen des (Zwischen- oder) Hauptverfahrens außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräche, die letztlich das Ziel haben, die Hauptverhandlung abzukürzen, gibt es nicht. Jedoch hat die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zur Verfahrensförderung mit anderen Verfahrensbeteiligten (naheliegend häufig der Verteidigung) geführte Gespräche aktenkundig zu machen (§ 160b Satz 2 StPO), besonders sorgfältig, wenn eine Verständigung i.S.d. § 257c angestrebt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 160b Rn. 8).
14
All dies spricht dafür, dass auch derartige Gespräche offen zu legen sind, zumal das Gericht sonst nach solchen Gesprächen abgegebene Erklärungen des Angeklagten nicht auf umfassender Grundlage würdigen könnte. Dies würde im Übrigen in besonderem Maße gelten, wenn solche Gespräche bei einer gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung nur mit der Verteidigung eines Angeklagten geführt würden, dessen anschließende Aussagen dann die übrigen Angeklagten belasten (vgl. BGHSt 52, 78, 83; 48, 161,

168).


15
Dies ist hier aber nicht einschlägig, da B. erklärt hat, Dr. S. und M. nicht zu kennen. Im Übrigen ist hier im Ergebnis durch die genannte Erklärung des Verteidigers die gebotene Klarstellung jedenfalls ansatzweise, wenn auch im Hinblick auf das vereinbarte Stillschweigen über den näheren Inhalt des Gesprächs nicht in vollem Umfang (vgl. § 273 Abs. 1a StPO) erfolgt. Der Senat braucht alledem aber nicht näher nachzugehen, weil in diesem Zusammenhang insgesamt die Möglichkeit eines den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehlers nicht zu erkennen ist.
16
(2) Unabhängig von alledem wäre bei der Einbeziehung der Aussagegenese in die Würdigung der - etwas lebensfremd erscheinenden - Erklärung des Angeklagten nicht nur die Möglichkeit einer selbstbelastenden Erfindung eines Unschuldigen zu prüfen gewesen. Jedenfalls nicht weniger naheliegend und daher erörterungsbedürftig erscheint auch die Möglichkeit, dass zur Erreichung einer milden Strafe zwar eine Tatbeteiligung grundsätzlich eingeräumt sein soll, die nach Art und Maß mit Entlastungstendenz aber (zu) gering geschildert sein kann.
17
c) Zudem, so führt die Strafkammer aus, sei der Angeklagte selbst bei Zugrundelegung seiner Angaben straflos. Sie ergäben nämlich nicht zwingend, dass den Haupttätern die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort bekannt gewesen sei. Der rechtliche Ansatz dieser Ausführungen ist zutreffend, (auch) sie beruhen aber auf einer nicht rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

18
(1) Von Beihilfe, die objektiv die Tat fördert, braucht der Haupttäter nichts zu wissen (BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 - 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 249 f.). Die bloße, objektiv die Tat nicht fördernde Anwesenheit am Tatort kann "psychische" Beihilfe sein (BGH, Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, NStZ 1995, 490, 491; zusammenfassend zur Rechtsprechung Kudlich in v. Heintschel-Heinegg, StGB, § 27 Rn. 9.4 mwN), aber nur, wenn sie dem Haupttäter bekannt ist.
19
Dies war hier nicht der Fall. Andererseits war der Angeklagte nicht nur anwesend, sondern er stand "Schmiere" und war bereit, wenn nötig, zu helfen. Ob dies auch dann zu strafbarer Beihilfe führt, wenn der Haupttäter von der Anwesenheit und der nicht realisierten Bereitschaft zur Hilfe nichts weiß, wird unterschiedlich beurteilt (dafür z.B. Murmann in SSW-StGB, § 27 Rn. 4; Maurach/Gössel/Zipf, StGB AT Tb 2, 7. Aufl. § 52 Rn. 8; dagegen z.B. Roxin in FS Miyazawa 504, 511 f.; Dreher MDR 1972, 553, 557).
20
Nach Auffassung des Senats liegt keine strafbare Beihilfe vor. Die Tat ist in einem solchen Fall nicht objektiv gefördert, sondern eine solche Förderung ist nur vorbereitet. Dass dadurch der Bereich strafbaren Verhaltens (noch) nicht erreicht ist, folgt aus der Straflosigkeit der gegenüber einer Vorbereitung sogar weiter gehenden versuchten Beihilfe (Roxin aaO 512).
21
(2) Die Annahme fehlender Kenntnis der Haupttäter ist allerdings nicht rechtsfehlerfrei begründet. Richterliche Überzeugung erfordert nicht, dass das gefundene Ergebnis "zwingend", ein anderes Ergebnis also denknotwendig ausgeschlossen ist. Dies wäre ein überspannter und daher rechtlich unzutreffender Maßstab (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11 mwN). Darüber hinaus beschränkt sich die Strafkammer allein auf die Bewertung der Erklärung des Angeklagten, was auch hier eine nur isolierte Würdigung der einzelnen Beweismittel besorgen lässt.
22
4. Die Annahme, der Inhalt der von Dr. S. versandten Postkarten sei strafrechtlich irrelevant, ist vor allem darauf gestützt, dass der historische Dracula "einerseits als grausamer Tyrann, der seine Feinde pfählen ließ, und andererseits als fanatischer Kämpfer für die Gerechtigkeit" gelte. Daher sei nicht "zwingend", dass Dr. S. die Familie R. bedrohen wollte, möglicherweise habe er nur ankündigen wollen, "dass er mit Nachdruck für Gerechtigkeit kämpfen werde". Hierfür spreche auch, dass er sie "Betrüger" genannt habe. Gegen die Annahme, dass er sein Verhalten selbst als strafbar werte, spreche, dass er als Akademiker dann kaum offene Postkarten verschicken würde, da er auf diese Weise leicht überführt werden könne. Dass die Empfänger sich nach ihren Aussagen bedroht gefühlt hätten - ohne dass dies die Strafkammer als unzutreffend bewertet hätte, bedeute, so ein Zeuge, "Vlad Tepes" in Rumänien "Tod" - sei irrelevant. Ob eine Drohung i.S.d. §§ 240, 241, 255 StGB vorliege, richte sich nicht danach, ob der Bedrohte die Ankündigung des Übels ernst nehme, abzustellen sei allein auf den Drohenden. Auch sei nicht klar genug, was überhaupt angedroht sei.
23
Diese Ausführungen halten weder zur objektiven noch zur subjektiven Seite rechtlicher Überprüfung stand.
24
a) Eine Drohung im Sinne der genannten Vorschriften ist die Ankündigung eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder jedenfalls zu haben vorgibt (vgl. zusammenfassend Fischer, StGB, 59. Aufl., § 240 Rn. 31 mwN). An der Ankündigung eigenen künftigen Verhaltens hat die Strafkammer zu Recht keinen Zweifel. Ob ein empfindliches Übel angekündigt ist, richtet sich nach dem Inhalt der Erklärung, der nach dem Empfängerhorizont zu bestimmen ist (Vogel in LK, 12. Aufl., § 253 Rn. 7).
25
Hier haben die Empfänger der Postkarten, so die Strafkammer, deren Inhalt in dem für sie landläufigen Sinn als Bedrohung mit dem Tod oder jedenfalls mit schwerer körperlicher Misshandlung verstanden und ernst genommen.
26
Nicht tragfähig ist die in diesem Zusammenhang - hilfsweise - angestellte Erwägung der Strafkammer, wenn eine Drohung vorläge, sei sie zu unpräzise. Dass hier eine (etwaige) Drohung auf etwas anderes gerichtet sein könnte als Tod oder jedenfalls schwere körperliche Misshandlung, ist nicht erkennbar. Eine solche Drohung bedarf aber keiner präzisierenden Erläuterung.
27
b) Der Vorsatz des Täters muss darauf gerichtet sein, dass der Empfänger die Äußerungen als Drohung versteht und ernst nimmt. Anhaltspunkte für die - eher fern liegend erscheinende - Annahme, Dr. S. hätte geglaubt, der Karteninhalt würde von den Empfängern entgegen seinem für sie landläufigen Sinn wegen uneindeutiger historischer Überlieferungen nur als Streben nach Gerechtigkeit bewertet, sind weder genannt noch erkennbar. Offenbar kommt die Strafkammer deshalb zu dieser Annahme, weil anderes nicht "zwingend" sei; wie dargelegt, ist dies jedoch ein rechtsfehlerhafter Maßstab.
28
c) In subjektiver Hinsicht kann im Übrigen allein der Hinweis, dass die Empfänger der Karten als "Betrüger" bezeichnet wurden, nicht tragfähig belegen , ob Dr. S. (anders als ihm vorgeworfen) überhaupt glaubte, noch (im Einzelnen wiederholt wechselnde) Ansprüche zu haben. Andernfalls wäre für Überlegungen zu besonderem Einsatz für die Gerechtigkeit ohnehin kein Raum.
29
d) Es wäre auch zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte kurz nach der Versendung der Postkarten ohne erkennbare weitere Begründung neue hohe Forderungen erhob. Dies könnte dagegen sprechen, dass er nur künftiges Bemühen um Gerechtigkeit ankündigen wollte.
30
e) Nicht rechtsfehlerfrei begründet ist die Annahme, gegen eine auf strafbares Verhalten gerichtete Vorstellung von Dr. S. spreche auch, dass er als Zahnarzt (Akademiker) dann schwerlich für "jeden lesbare" offene Karten verschickt und so die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung erhöht hätte. Es fehlt die Erörterung des offensichtlich gegenläufigen Gesichtspunkts, dass er die Karten nicht mit seinem Namen unterschrieben hat. Soweit die Karten in Deutschland gelesen werden konnten, kommt hinzu, dass wohl die wenigsten potentiellen Leser Rumänisch können.
31
5. Hinsichtlich des Angeklagten M. stützt sich die allein getroffene Feststellung, insoweit hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, nur auf dessen Angabe, er habe zwar den Inhalt der Postkarten gekannt und gewusst, dass sie Dr. S. abschicken wollte, damit jedoch nichts zu tun gehabt. Nicht erörtert ist jedoch in diesem Zusammenhang die festgestellte Aussage einer Freundin von M. , R. hätte gezwungen werden sollen, anzuerkennen, "dass irgendein Grundstück in Rumänien Dr. S. gehöre"; dies, so die ebenfalls mitgeteilte Aussage R. s, deckt sich mit Forderungen, die bald nach den Postkarten an ihn gestellt wurden. M. und seine Leute, so die Freundin, hätten diese Unterschrift erzwingen wollen. Schon dieses Beweisergebnis ist - unabhängig davon, wie es letztlich tatrichterlich zu werten ist - un- vereinbar mit der Annahme, nichts deute auf eine Mitwirkung von M. an der Drohung mit den Postkarten hin.
32
6. Da die Sachrüge durchgreift, kann der in der Hauptverhandlung hilfsweise gestellte Aussetzungsantrag eines Verteidigers auf sich beruhen. Zu Grunde liegt, dass ein am 22. Februar 2011 an das Landgericht gerichteter Akteneinsichtsantrag dort unbearbeitet blieb; auch die Staatsanwaltschaft hat bei der Aktenweiterleitung am 22. März 2011 hierauf nicht hingewiesen. Wiederholt wurde der Antrag nicht (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 1. Februar 2000 - 4 StR 635/99, NStZ 2000, 326 mwN). Der Aussetzungsantrag war jedenfalls nur für den Fall gestellt, "dass der Senat den … Verfahrensrügen Bedeutung beimessen und die dort in Bezug genommenen Verfahrenstatsachen … verwerten will". Dies ist nicht der Fall.
33
7. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft ist mit der Aufhebung des Urteils gegenstandslos (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - 1 StR 357/05 mwN).
34
8. Wie auch im Urteil mitgeteilt ist, bewertet die (unverändert zugelassene ) Anklage die Versendung der Postkarten als versuchte besonders schwere räuberische Erpressung (§§ 253, 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), die in Tateinheit mit den durch den gescheiterten Überfall in Re. verwirklichten Tatbeständen stehe. Dies veranlasst folgende vorsorgliche Hinweise:
35
a) Es bedarf der Klärung, ob die Postkarten an Frau und Tochter nur Druck auf den Nebenkläger ausüben sollten oder ob auch diese zur Zahlung aufgefordert werden sollten, wofür die Formulierung "gebt zurück ihr Betrüger" sprechen könnte.
36
Sollte nur auf den Nebenkläger Druck ausgeübt werden - auch Dritten in Aussicht gestellte Übel können genügen (vgl. Gropp/Sinn in MüKo § 240 Rn. 82 mwN) - könnte hier letztlich eine tatbestandliche Handlungseinheit vorliegen (vgl. Vogel aaO Rn. 51).
37
Sollten dagegen auch Frau und Tochter zur Zahlung aufgefordert werden , wäre (versuchte) Erpressung mehrfach erfüllt, selbst wenn sich die Forderungen , jedenfalls wirtschaftlich, nur gegen ein Vermögen richtete, da § 253 StGB auch das höchstpersönliche Rechtsgut Willensfreiheit schützt (BGH, Urteil vom 28. April 1992 - 1 StR 148/92 mwN). Allein dadurch, dass, wie die Strafkammer festgestellt hat, die Postkarten - sei es auch gleichzeitig - (von K. etwa 45 km entfernt) im selben Briefpostzentrum in Ko. aufgegeben wurden, wären diese Taten nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit verbunden (BGH, Urteil vom 24. November 2004 - 5 StR 220/04, wistra 2005, 56, 57).
38
b) Räuberische Erpressung (§ 255 StGB) erfordert eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Genaue zeitliche Grenzen dafür, wann eine für die Zukunft angedrohte Gefahr noch gegenwärtig ist, lassen sich nicht allgemein festlegen. Gegenwärtigkeit kann grundsätzlich auch dann noch vorliegen , wenn dem Opfer eine - nicht zu lang bemessene - Zahlungsfrist gesetzt ist. Entscheidend sind die nicht zuletzt nach Maßgabe der vom Täter für möglich gehaltenen Opfersicht zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls, wobei das Revisionsgericht im Wesentlichen nur den vom Tatrichter angelegten Maßstab überprüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 1998 - 4 StR 332/98, NStZ-RR 1999, 266, 267; Beschluss vom 4. September 1997 - 1 StR 489/97, NStZ-RR 1998, 135; Urteil vom 28. August 1996 - 3 StR 180/96, BGHR StGB § 255 Drohung 9 jew. mwN).
39
c) Wieso durch die Versendung von Postkarten eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet sein könnte (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), ist nicht ersichtlich.
40
d) Tateinheit zwischen dem gescheiterten Überfall und der versuchten Erpressung durch die Postkarten läge nicht vor, auch wenn, wie die Strafkammer erwägt, die Motive von Re. auf den Karten auf den dort versuchten Überfall hinweisen und so die neue Drohung unterstreichen sollten. Auch wenn im Rahmen einer (versuchten) Erpressung mehrere Einzelakte auf den Willen des Opfers einwirken sollen und somit nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird, liegt Tateinheit im Blick auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt nur bei engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang dieser Einzelakte vor (BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369). Dies ist im Verhältnis zwischen einem versuchten Überfall in Re. und Wochen später von Ko. mit der Post nach Bukarest und Re. geschickten Drohungen nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die erste Tat die Erpressung nur vorbereiten sollte, ohne dass der Erpresser am unmittelbaren Taterfolg wirtschaftliches Interesse hatte. Wären aber nicht einmal zwei unmittelbare Erpressungsversuche unter den gegebenen Umständen tateinheitlich verbunden, kann für einen Erpressungsversuch und den vorangegangenen Versuch, die Aussichten dieses Erpressungsversuchs durch die einschüchternde Wirkung einer anderen Straftat zu vergrößern, erst recht nichts anderes gelten.
41
9. Die Hauptverhandlung, die sich, naheliegend wegen der schwierigen Beweislage, über 21 Verhandlungstage hinzog, fand mit reduzierter Gerichtsbesetzung statt. Die nach der Zurückverweisung einer Sache mögliche Änderung der Besetzungsentscheidung erscheint hier erwägenswert. Nack Wahl Graf Jäger Sander