Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2019 - 4 StR 442/18

bei uns veröffentlicht am25.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 442/18
vom
25. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:250419U4STR442.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. April 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Quentin, Dr. Feilcke, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –, Staatsanwalt – bei der Verkündung – als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin des Nebenklägers K. ,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin des Nebenklägers Th. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. Februar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen , seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen , ihm für die Dauer von vier Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Nach dem Ende eines Hoffests in Kr. am 7. September 2015 setzte sich der Angeklagte um 0.25 Uhr ans Steuer seines Pkw Mercedes Benz, um nach Hause zu fahren, obgleich er zu diesem Zeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,91 Promille und höchstens 1,23 Promille aufwies. Seine Freunde M. und H. nahmen auf dem Beifahrersitz und im Fond Platz. Der Angeklagte beabsichtigte, einen nahen Verkehrskreisel zu durchfahren, um sodann in der Gegenrichtung den Heimweg antreten zu können. Zu diesem Zeitpunkt kamen immer wieder Taxis, um wartende Festbesucher aufzunehmen. Die später getötete Th. und ihr Verlobter K. , die ebenfalls das Hoffest besucht hatten, standen in diesem Moment am Eingang des Verkehrskreisels im Bereich eines mit Zebrastreifen versehenen Fußgängerüberweges ein Stück weit in der Fahrbahn, um ein Taxi anhalten zu können. Als sich der Angeklagte mit seinem Pkw dem Pärchen näherte, bedeutete ihm K. mit einer Armbewegung, dass er um ihn und seine Partnerin herumfahren solle, was dem Angeklagten unter teilweiser Benutzung der Gegenfahrbahn auch möglich gewesen wäre.
4
Der Angeklagte verstand diese Geste nicht ausschließbar dahingehend, dass er anhalten solle, und stoppte sein Fahrzeug. Die Fahrzeugfront befand sich zu diesem Zeitpunkt zwischen eineinhalb und zwei Meter von Th. und K. entfernt. Als Th. und K. stehen blieben , reagierte der Angeklagte gereizt und ließ sein Fahrzeug langsam vorrollen. Unmittelbar vor Th. und K. stoppte er erneut ab, wobei die Fahrzeugfront jetzt die Beine von K. berührte, was der Angeklagte jedoch nicht wahrnahm. Dadurch wollte der Angeklagte Th. und K. dazu bewegen, zur Seite zu gehen. Beide blieben jedoch eng umschlungen mittig vor dem Fahrzeug stehen, während M. und H. den Angeklagten aufforderten, sich zu beruhigen und „mit sowas“ aufzuhören.
5
Der Angeklagte fuhr nun „mit normaler Startgeschwindigkeit“ an und er- fasste das Paar. Dies hatte er auch so vorausgesehen, wobei er davon ausging , dass sich beide als Folge des Zusammenstoßes mit dem Fahrzeug auch schwer verletzen könnten. Damit fand er sich ab. Ihm war auch bewusst, dass aus dem Zusammenstoß auch tödliche Folgen resultieren konnten, vertraute jedoch darauf, dass dies nicht geschehen würde.
6
K. wurde durch den Anstoß nach links abgewiesen und kam auf der Fahrbahn zu liegen. Th. wurde auf die Motorhaube aufgeladen und saß etwa mittig auf der Haube mit dem Rücken zur Frontscheibe. Sie versuchte , sich mit den Händen neben dem Körper abstützend auf dem Fahrzeug zu halten. Der Angeklagte erkannte dies, fuhr gleichwohl in den Kreisel ein und durchfuhr ihn sodann, wobei er auf eine Geschwindigkeit von höchstens 25 km/h beschleunigte. Nach einer Fahrstrecke von ca. 30 Metern – einer Viertel Umrundung des Kreisels – und einer Fahrzeit von mindestens fünf und maximal sieben Sekunden konnte sich die laut schreiende Geschädigte nicht mehr halten, rutschte von der Motorhaube herunter und kam vor dem Fahrzeug auf der Fahrbahn zu liegen. Sie gelangte sofort unter das bis dahin in gleicher Geschwindigkeit fahrende Fahrzeug, das dadurch eine wippende Auf- und Abbewegung machte.
7
Zwar bemerkte der Angeklagte diese Bewegung, ging aber davon aus, dass Th. nach rechts von der Motorhaube heruntergerutscht und ohne tödliche Verletzungen zu Boden gefallen war. Weil er die Wippbewegung wahrgenommen hatte, nahm er an, dass sie dabei mit seinem Fahrzeug jedenfalls in Berührung gekommen war. Trotzdem ging er nicht davon aus, dass sich die Geschädigte hierdurch tödlich verletzt haben könnte. Er erkannte jedoch, dass Th. in einer solchen Situation auf vielfältige Art (sofortiges Überfahren , Hängenbleiben an oder unter dem Fahrzeug und anschließende Weiterfahrt ) zu Tode kommen könnte. Seine Mitfahrer forderten ihn zum sofortigen Anhalten auf und warfen ihm vor, die Frau angefahren oder überfahren zu haben.
8
Der Angeklagte fuhr dennoch, ohne zu bremsen oder seine Fahrt zu verlangsamen , weiter durch den Kreisel. Die Anhalteaufforderungen und Schreie seiner Mitfahrer hielt er für Unfug. Danach beschleunigte er auf eine Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h. Als er eine Bewegung im Lenkrad bemerkte, hielt er an. Die gesamte von ihm ab der Anstoßstelle am Eingang des Kreisels in etwa 30 bis 40 Sekunden zurückgelegte Fahrstrecke belief sich auf etwa 400 Meter. Th. war nach dem Absturz von der Motorhaube unter das Fahrzeug geraten und die gesamte weitere Fahrstrecke über mitgeschleift worden. Sie erstickte infolge einer durch den Fahrzeugboden ausgelösten Brustkorbkompression.
9
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) zum Nachteil von Th. ,vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zum Nachteil von K. und vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB) gewertet.
10
Einen (versuchten) Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB hat es sowohl in Bezug auf Th. als auch hinsichtlich K. verneint. Einegefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zum Nachteil des Nebenklägers K. hat es ebenso abgelehnt wie den Qualifikationstatbestand des § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a und Nr. 2 StGB.

II.


11
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes in Bezug auf die Getötete Th. und die Nichtannahme einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB zum Nachteil des Nebenklägers K. halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Schließlich hat das Landgericht auch den Qualifikationstatbestand des § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB rechtsfehlerhaft verneint.
12
1. Soweit die Strafkammer hinsichtlich der Herbeiführung des Todes von Th. lediglich ein bewusst fahrlässiges Handeln angenommen und einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, genügen die Urteilsgründe nicht den Anforderungen, die unter den hier gegebenen Umständen an die Begründung der inneren Tatseite zu stellen sind.
13
a) Die Strafkammer hat ihre Annahme, der Angeklagte habe weder in dem Moment, als er am Fußgängerüberweg anfuhr, „noch im weiteren Verlauf der Tat“ mitbedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, auf die folgenden Erwägungen gestützt:
14
Es sei nicht erwiesen, dass der Angeklagte das Mitschleifen von Th. unter seinem Fahrzeug während der Fahrt wahrgenommen habe. Für die Annahme des Willenselementes spreche zwar, dass er von seiner Persönlichkeit her zu Aggressivität im Straßenverkehr neige und die Aufforderungen seiner Mitfahrer ignoriert habe. Auch habe er seine Weiterfahrt fortgesetzt, nachdem er bemerkt habe, dass Th. von der Motorhaube gerutscht sei und sein Fahrzeug eine Wippbewegung vollzogen habe. Dies sei ein Indiz dafür, dass ihm das weitere Schicksal des Opfers „einerlei“ gewesen sei und er sich auch mit dessen Tod abgefunden habe. Gegen die Annahme des Willenselementes spreche aber, dass der Angeklagte die Geschädigten ohne Anfahrtstrecke aus dem Stand angefahren und sodann – bis zum Abrutschen von Th. – sein Fahrzeug nur auf höchstens 25 km/h beschleunigt habe, der Nebenkläger K. bei der Kollision zur Seite abgewiesen wordensei und keine tödlichen Verletzungen erlitten habe, dem Angeklagten Delikte gegen die körperliche Integrität oder gar das Leben anderer Menschen wesensfremd seien, ein Tötungsmotiv nicht sicher habe festgestellt werden können, der Tatentschluss spontan gefasst worden sei, die Tat in Anwesenheit vieler neutraler Zeugen begangen worden sei und der Angeklagte danach panisch aufgeregt gewirkt habe. Bei einer „gewichtenden Würdigung“ dieser Umstände blieben erhebliche Restzweifel daran, dass der Angeklagte den Tod von Th. billigend in Kauf genommen oder sich mit ihm abgefunden habe.
15
b) Diese Erwägungen sind lückenhaft, weil sie die festgestellten objektiven Tatumstände und das damit einhergehende Verhalten des Angeklagten nicht in ihrer Gesamtheit in den Blick nehmen und unter dem Gesichtspunkt der Gleichgültigkeit gegenüber dem als möglich erkannten Todeseintritt einer Gesamtwürdigung unterziehen. Auch werden einzelne vorsatzkritische Umstände nicht erschöpfend erörtert.
16
aa) Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und auf deren Ausbleiben vertraut, während der bedingt vorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des schädlichen Erfolges um des erstrebten Zieles willen billigend in Kauf nimmt oder sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (vgl. nur BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17,NJW 2018, 1621, 1622 f.; Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80, jeweils mwN). Dabei kann schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht angestrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 1 StR 248/16, NStZ 2017, 25, 26; Urteil vom 5. Juli 1960 – 5 StR 131/60, NJW 1960, 1821, 1822, weitere Nachweise bei Schneider in MünchKomm. z. StGB, 3. Aufl., § 212 Rn. 73). Dazu ist eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, NStZ-RR 2016, 204 f. mwN).
17
bb) Danach hätte sich das Landgericht auf der Grundlage einer zusammenfassenden Würdigung des Verhaltens des Angeklagten und der von ihm wahrgenommenen Tatumstände mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob ihm der als möglich erkannte Eintritt des Todes von Th. gleichgültig war.
18
Der Angeklagte hat das Geschehen durch ein bewusstes Anfahren des Nebenklägers und der später Getöteten Th. eingeleitet, wobei er schon an dieser Stelle in Kauf nahm, dass sich beide als Folge des Zusammenstoßes mit seinem Fahrzeug auch schwer verletzen könnten. Bereits zu diesem Zeitpunkt war er von seinen Mitfahrern dazu aufgefordert worden, jede weitere Eskalation zu unterlassen. Nachdem er Th. infolge des von ihm herbeigeführten Anstoßes aufgeladen hatte, fuhr er, ohne seine Fahrt zu verlangsamen, weiter und beschleunigte im Anschluss an ihren Absturz sein Fahrzeug zuletzt auf 40 bis 50 km/h. Mit dieser Geschwindigkeit setzte er seine Fahrt auch noch fort, obgleich er erkannt hatte, dass Th. beim Absturz mit seinem Fahrzeug in Berührung gekommen war und in einer solchen Situation auf vielfältige Art und Weise zu Tode kommen konnte. Unmittelbar nach dem Absturz des Tatopfers nahm er die Wippbewegung seines Fahrzeugs wahr, die auch aus Sicht des Angeklagten nicht durch einen Anstoß an den Bordstein erklärbar war. Zudem wurde er von seinen Mitfahrern weiterhin und mit zunehmender Intensität (Schreie) zum Anhalten aufgefordert, weil er die Frau angefahren oder überfahren habe. Dieses durch eine fortschreitende Risikoverschärfung einerseits und ein gleichbleibendes Ignorieren immer intensiver werdender Warnungen andererseits gekennzeichnete Verhalten hat die Strafkammer nicht in seiner Gesamtheit in den Blick genommen und bewertet. Dabei hätte insbesondere erörtert werden müssen, ob darin in der Gesamtschau eine Haltung zum Ausdruck gekommen ist, die durch eine Gleichgültigkeit gegenüber dem als möglich erkannten Tod der Geschädigten gekennzeichnet ist. Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass die Weiterfahrt des Ange- klagten nach dem Abrutschen von Th. darauf hindeute, dass ihm ihr Schicksal „einerlei“ gewesen sei, greift dies unter den hier gegebenen Umstän- den zu kurz, weil damit nur ein Teilaspekt des Tatgeschehens erfasst wird.
19
cc) Auch werden mehrere von der Strafkammer herangezogene vorsatzkritische Umstände nicht erschöpfend erörtert.
20
(1) Soweit die Strafkammer darauf abgehoben hat, dass sich ein Tötungsmotiv nicht habe feststellen lassen, hat sie zutreffend erkannt, dass dies der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes für sich genommen nicht entgegensteht , weil mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv haben und es stattdessen auf die Stärke des anderweitigen Handlungsantriebes ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 149; Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445). Dabei hat sie jedoch nur einen Bezug zu der ersten Tatphase (Anfahren der dem Angeklagten unbekannten Geschädigten auf dem Zebrastreifen ) und deren Vorgeschichte hergestellt und darauf verwiesen, dass der Angeklagte die Geschädigten nicht gekannt habe und das Fest friedlich verlaufen sei. Dass aufgrund der dramatischen Entwicklung in den sich anschließenden Tatphasen gewichtige weitere Tatimpulse (Flucht, Angst vor den Folgen oder Übergriffen umstehender Personen nach dem Anfahren von Th. und dem Nebenkläger etc.) entstanden sein und die Inkaufnahme schwerster Folgen bedingt haben könnten, ist unerörtert geblieben, obwohl sich dies hier nach den Umständen aufgedrängt hat.
21
(2) Schließlich hat das Landgericht die „panische Aufregung“ des Angeklagten bei seinem Notruf nach dem Geschehen als weiteren vorsatzkritischen Gesichtspunkt in die Abwägung eingestellt, ohne zu erörtern, ob dieser Umstand nicht auch von der Sorge um das eigene Wohl geleitet gewesen sein konnte und deshalb keinen Rückschluss auf seine innere Haltung in den Tatsituationen zuließ (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444 mwN). Nach den Feststellungen war der Angeklagte zuvor um sein Fahrzeug herumgegangen und hatte die Beine der Geschädigten aus dem Radkasten herausragen sehen. Bei seinem anschließenden Notruf gab er einen unzutreffenden, ihn entlastenden Tatablauf an (eine Person sei vor sein Auto gelaufen etc.). Danach liegt es nahe, dass seine „Panik“ eher derunmit- telbaren Wahrnehmung der dramatischen Tatfolgen und einem dadurch hervorgerufenen Ernüchterungseffekt geschuldet war.
22
2. Die unterbliebene Prüfung einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zum Nachteil des Nebenklägers K. und die Ablehnung einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB halten revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.
23
a) Eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB liegt vor, wenn der Täter in einer Weise vorgeht, die nach den Umständen des Einzelfalls (generell) geeignet ist, das Leben zu gefährden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 – 4 StR 123/06, NStZ 2007, 34, 35, weitere Nachweise bei Sternberg-Lieben in Schönke/Schöder, StGB, 30. Aufl., § 224 Rn. 12) und er die Umstände kennt, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit seines Tuns in der konkreten Situation ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 – 3 StR 190/08, NStZ 2009, 92, 93). Danach hätte das Landgericht hier in eine Prüfung der Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB eintreten müssen. Denn nach den Feststellungen wurde der Nebenkläger von dem Angeklagten in einer Weise angefahren , dass sogar tödliche Verletzungen möglich waren (UA 44/45). Auch nahm er dabei an, dass aus dem Zusammenstoß tödliche Folgen resultieren könnten.
24
b) Eine gefährliche Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) begeht, wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB beibringt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2012 – 4 StR 30/12, NStZ 2012, 697, 698 mwN). Ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, ist in der Regel als ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11, Rn. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405). Wird eine Person durch ein gezieltes Anfahren zu Fall gebracht, kann darin eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen, wenn bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist.
25
Das Landgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass danach erst durch den Sturz des Nebenklägers verursachte Verletzungen den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfüllen können (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 – 4 StR 266/11, Rn. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405). Es hätte aber auch prüfen müssen, ob nicht bereits durch den Anstoß des Fahrzeugs eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens des Nebenklägers ausgelöst wurde, die den objektiven Tatbestand einer körperlichen Misshandlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB erfüllte.
26
3. Schließlich hat das Landgericht auch die Voraussetzungen des § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB rechtsfehlerhaft für nicht gegeben erachtet.
27
Für die nach § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB erforderliche Absicht reicht es aus, dass der Täter einen Unglücksfall durch einen verkehrsfremden (verkehrsfeindlichen) Eingriff gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 4 StR 25/01, NStZ-RR 2001, 298, 299; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 16 mwN). Dies ist hier der Fall, denn der Angeklagte fuhr nach den Feststellungen auf die mittig vor seinem Fahrzeug stehenden Geschädigten zu, wobei er davon ausging, dass diese sicher von seinem Fahrzeug erfasst würden.
28
4. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
29
a) Soweit das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz in Bezug auf den Nebenkläger K. in der ersten Tatphase verneint hat, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38 f.).
30
b) Die Verneinung der Qualifikation des § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB hält ebenfalls rechtlicher Überprüfung stand. Dass es bei der Geschädigten zwischen dem mit dem Anfahren beginnenden gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB und dem Todeseintritt durch Ersticken infolge einer Brustkorbkompression zu einer schweren Gesundheitsschädigung mit eigenständiger Bedeutung (vgl. dazu König in Leipziger Kommentar z. StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 120; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 18) kam, ergeben die Feststellungen nicht. Die Verursachung des Todes ist im Gegensatz zu den vergleichbaren Regelungen in § 306b Abs. 1 i.V.m. § 306c, § 308 Abs. 2 und 3, § 309 Abs. 3 und 4, § 312 Abs. 3 und 4, § 318 Abs. 3 und 4 StGB nicht tatbestandsmäßig (vgl. König in Leipziger Kommentar z. StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 122; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315 Rn. 18; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 315 Rn. 24; Zieschang in NK-StGB, 5. Aufl. § 315 Rn. 67).
31
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass es bei der Erörterung eines bedingten Tötungsvorsatzes auch angezeigt sein kann, gegebenenfalls in Bezug auf alle drei Tatphasen (Anfahren des Nebenklägers und der später getöteten Th. auf dem Zebrastreifen, Weiterfahrt mit der aufgeladenen Th. durch den Kreisel, Weiterfahrt nach dem Abwurf und Mitschleifen von Th. ) im Einzelnen zu erörtern,von welchen Risiken der Angeklagte für das Leben der Geschädigten jeweils ausging.

III.


32
Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
33
1. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten in seine Bewertung eingestellt, dass es ihm in jedem Fall möglich und zumutbar gewesen wäre, auf die Freigabe der Fahrbahn in anderer Weise hinzuwirken. Seine Entscheidung, stattdessen in dem sicheren Wissen loszufahren, dass er die Geschädigten erfassen werde, offenbare eine besonders verkehrswidrige Gesinnung.
34
2. Diese Strafzumessungserwägung begegnet mit Blick auf § 46 Abs. 3 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
35
a) Zwar hat sich die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatrichters zu orientieren und nicht an dessen möglicherweise missverständlichen Formulierungen (vgl.
BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Das Landgericht hat hier aber auch darauf abgestellt, dass der Angeklagte von der Tat hätte absehen können und müssen. Dies stellt eine strafschärfende Verwertung des Umstandes dar, dass die Tat überhaupt begangen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 – 4 StR 325/18, NStZ 2019, 8 [Ls]; Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 119/13, NStZ 2014, 512 ff.; Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, StV 2011, 224 f.).
36
b) Der Senat kann unter den hier gegebenen Umständen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass die Strafbemessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Maßregelausspruch bleibt hiervon unberührt.
Sost-Scheible RiBGH Cierniak ist im Urlaub Quentin und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Feilcke Bartel

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2019 - 4 StR 442/18 zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2019 - 4 StR 442/18 zitiert 16 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2011 - 4 StR 266/11

bei uns veröffentlicht am 30.06.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 266/11 vom 30. Juni 2011 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u. a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. Juni 2011

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2007 - 4 StR 524/06

bei uns veröffentlicht am 16.01.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 524/06 vom 16. Januar 2007 in der Strafsache gegen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführ

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2010 - 4 StR 532/10

bei uns veröffentlicht am 09.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 532/10 vom 9. November 2010 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts u

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2001 - 4 StR 25/01

bei uns veröffentlicht am 22.02.2001

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 25/01 vom 22. Februar 2001 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. Febr

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2018 - 4 StR 325/18

bei uns veröffentlicht am 25.09.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 325/18 vom 25. September 2018 in der Strafsache gegen wegen Totschlags ECLI:DE:BGH:2018:250918B4STR325.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerde

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2013 - 2 StR 119/13

bei uns veröffentlicht am 09.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 119/13 vom 9. Oktober 2013 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober 2013, an der teilgenommen ha

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juni 2006 - 4 StR 123/06

bei uns veröffentlicht am 13.06.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 123/06 vom 13. Juni 2006 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Juni 2006 gemäß § 349 Abs. 2

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2013 - 4 StR 347/13

bei uns veröffentlicht am 19.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 347/13 vom 19. Dezember 2013 in der Strafsache gegen wegen Beteiligung an einer Schlägerei Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember 2013, an der teilgenommen ha

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Feb. 2012 - 4 StR 608/11

bei uns veröffentlicht am 23.02.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 608/11 vom 23. Februar 2012 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar 2012, an der teilgenommen haben:

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2008 - 3 StR 190/08

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 190/08 vom 8. Juli 2008 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung mit Todesfolge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Juli 2008 g

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2012 - 4 StR 30/12

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 30/12 vom 25. April 2012 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. April 2012 gemäß § 34

Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2018 - 4 StR 399/17

bei uns veröffentlicht am 01.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 399/17 vom 1. März 2018 BGHSt: ja zu I und II BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja –––––––––––––––––––––––––– StGB § 212 Abs. 1 Zur Bedeutung der Eigengefährdung für d

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juli 2017 - 3 StR 172/17

bei uns veröffentlicht am 27.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 172/17 vom 27. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:270717U3STR172.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 29.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Okt. 2016 - 1 StR 248/16

bei uns veröffentlicht am 11.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 248/16 vom 11. Oktober 2016 in der Strafsache gegen wegen fahrlässiger Tötung ECLI:DE:BGH:2016:111016U1STR248.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober 2

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2016 - 5 StR 498/15

bei uns veröffentlicht am 19.04.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 498/15 vom 19. April 2016 in der Strafsache gegen wegen Raubes mit Todesfolge ECLI:DE:BGH:2016:190416U5STR498.15.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Ap

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Jan. 2016 - 4 StR 84/15

bei uns veröffentlicht am 14.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 84/15 vom 14. Januar 2016 in der Strafsache gegen wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs u.a. ECLI:DE:BGH:2016:140116U4STR84.15.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der

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(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 399/17
vom
1. März 2018
BGHSt: ja zu I und II
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zur Bedeutung der Eigengefährdung für das Vorliegen von bedingtem Tötungsvorsatz
bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr.
BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17 – LG Berlin
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010317U4STR399.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 1. Februar 2018 in der Sitzung am 1. März 2018, an denen teilgenommen haben :
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – und Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten N. ,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin der Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers M. W. ,
der Nebenkläger M. W. in Person – in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers P. W. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem hat es den Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihre Führerscheine eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihnen lebenslang keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhren die Angeklagten in der Nacht zum 1. Februar 2016 gegen 0.30 Uhr mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen den Kurfürstendamm in Berlin in derselben Richtung. Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. war die Nebenklägerin K. . An der Kreuzung am Adenauerplatz kamen sie bei rotem Ampelsignal nebeneinander zum Stehen.
3
Der Angeklagte H. , der die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wahrnahm, signalisierte durch laute Motorgeräusche, dass er zu einer Wettfahrt bereit sei. Die Angeklagten unterhielten sich kurz und verabredeten durch Gesten und das Spiel mit dem Gaspedal spontan ein Autorennen entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße. Ziel sollte ein Kaufhaus an der Ecke Tauentzienstraße und Nürnberger Straße sein, wobei die An- geklagten bis dorthin elf ampelgeregelte Kreuzungen zu überqueren und eine Strecke von zweieinhalb Kilometern zurückzulegen hatten.
4
Der Angeklagte H. fuhr daraufhin „unter Missachtung roter Ampeln“ mit stark überhöhter Geschwindigkeit los, um möglichst schnell und vor dem Angeklagten N. das Ziel zu erreichen. Der Angeklagte N. nahm, nachdem er zunächst noch an zwei roten Ampeln angehalten hatte, unter deut- licher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und ebenfalls „unter Überfahren von roten Ampeln“ die Verfolgung auf, um vor dem Angeklagten H. das Ziel zu erreichen. Er holte den Angeklagten H. spätestens in Höhe der U-Bahn-Station Uhlandstraße ein. Zwei Fußgängerinnen, die sich auf einer dort gelegenen Mittelinsel des Kurfürstendamms befanden und gerade die Fahrbahn queren wollten, sprangen hinter das Geländer des U-Bahn-Eingangs zurück, um nicht von den Fahrzeugen der Angeklagten erfasst zu werden.
5
Beide Fahrzeuge hatten zu dieser Zeit eine Geschwindigkeit von deutlich über 100 km/h erreicht. Die Kurve am Breitscheidplatz befuhren die Angeklagten im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit. Die in der Kurve an der Kreuzung Tauentzienstraße und Rankestraße liegende Lichtzeichenanlage überfuhren beide bei rotem Ampelsignal.
6
Am Kurvenausgang beschleunigte der Angeklagte H. sein Fahrzeug, um den nun vor ihm fahrenden Angeklagten N. wieder einzuholen, und erreichte hierbei eine Geschwindigkeit von 100 bis 150 km/h. Der Angeklagte N. fuhr auf der linken, der Angeklagte H. auf der rechten der beiden für den Durchgangsverkehr vorgesehenen Fahrspuren auf die für sie Rotlicht zeigende Ampel an der Kreuzung Tauentzienstraße und Nürnberger Straße zu.
Beide Angeklagten fuhren bei rotem Ampelsignal in den Kreuzungsbereich ein, der Angeklagte N. mit einem Vorsprung von wenigen Metern und einer Geschwindigkeit von 139 bis 149 km/h, der Angeklagte H. mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 bis 170 km/h.
7
„Spätestens jetzt“ war beiden Angeklagten bewusst, dass ein die Nürn- berger Straße befahrender, bei grüner Ampelphase berechtigt in die Kreuzung einfahrender Fahrzeugführer und etwaige Mitinsassen bei einer Kollision nicht nur verletzt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tode kommen würden. Die körperliche Schädigung anderer – auch der Nebenklägerin K. als Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. – war ihnen gleichgültig; sie überließen es dem Zufall, ob es zu einem Zusammenstoß mit einem oder mehreren Fahrzeugen im Kreuzungsbereich kommen würde. Die Schädigung bzw. den Tod anderer Verkehrsteilnehmer sowie im Nahbereich der Kreuzung aufhältiger Personen durch herumfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge nahmen sie billigend in Kauf.
8
In der Kreuzung kollidierte der Angeklagte H. – „absolut unfähig noch zu reagieren“ – mitdem Fahrzeug des Geschädigten W. , der aus der Nürnberger Straße in Fahrtrichtung der Angeklagten von rechts kommend regelkonform bei grünem Ampelsignal in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Das von dem Angeklagten H. gesteuerte Fahrzeug drehte sich nach links und kollidierte sodann mit dem neben ihm fahrenden Pkw des Mitangeklagten , bevor es mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h gegen eine Hochbeeteinfassung stieß. Auch das von dem Angeklagten N. gesteuerte Fahrzeug kollidierte frontal mit einer Hochbeeteinfassung.
9
Der Geschädigte W. , dessen Fahrzeug durch die Wucht des Aufpralls durch die Luft geschleudert worden war, zog sich schwere Verletzungen zu und verstarb noch am Unfallort. Die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wurde erheblich verletzt. Der Kopf einer Fußgängerin wurde von vorbeifliegenden Fahrzeugteilen nur um wenige Zentimeter verfehlt. Die Angeklagten wurden leicht verletzt.
10
2. Das Landgericht hat angenommen, dass sich die Angeklagten – jeweils als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) – wie folgt strafbar gemacht haben: bezüglich des Geschädigten W. wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln (§ 211 Abs. 2 StGB); bezüglich der Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs sowie mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB); zudem wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung durch Nichtbeachtung der Vorfahrt und durch zu schnelles Fahren an einer Kreuzung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 a) und d) StGB.

II.


11
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr bedarf. Das Urteil weist in mehrfacher Hinsicht durchgreifende sachlich-rechtliche Mängel auf.
12
1. Bereits die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts.
13
Voraussetzung für die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat ist nach § 16 Abs. 1 StGB, dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt. Dementsprechend muss der Vorsatz im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, StV 1986, 59; Beschluss vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, NStZ 2018, 27; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 15 Rn. 3; MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 212 Rn. 5). Fasst der Täter den Vorsatz erst später (dolus subsequens), kommt eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1997 – 2 StR 550/96, BGHR StGB § 15 Vorsatz 5; vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, aaO; Beschlüsse vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, aaO; vom 14. Juni 1983 – 4 StR 298/83, NStZ 1983, 452; Fischer, aaO, § 15 Rn. 3). Aus der Notwendigkeit , dass der Vorsatz bei Begehung der Tat vorliegen muss, folgt, dass sich wegen eines vorsätzlichen Delikts nur strafbar macht, wer ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt, die in der vorgestellten oder für möglich gehaltenen Weise den tatbestandlichen Erfolg – bei Tötungsdelikten den Todeserfolg – herbeiführt. Dass dies auf die Tat der Angeklagten zutrifft, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Im Gegenteil:
14
Das Landgericht hat einen bedingten Tötungsvorsatz erst – wie sich aus der Wendung „Spätestens jetzt (…)“ aufUA 25 ergibt – für den Zeitpunkt festgestellt , als die Angeklagten bei Rotlicht zeigender Ampel in den Bereich der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße einfuhren. Aus dieser Feststellung , die auch an anderer Stelle des Urteils keine Modifizierung findet, vielmehr mehrfach bestätigt wird (etwa auf UA 60), folgt zugleich, dass sich das Landgericht nicht die Überzeugung verschafft hat, dass die Angeklagten den Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers als Folge ihrer Fahrweise schon vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich als möglich erkannten und billigend in Kauf nah- men. Hatten die Angeklagten indes den Tötungsvorsatz erst beim Einfahren in den Kreuzungsbereich gefasst, könnte ihre Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts nach den dargestellten Grundsätzen nur dann Bestand haben, wenn sie nach diesem Zeitpunkt noch eine Handlung vornahmen, die für den tödlichen Unfall ursächlich war, oder eine gebotene Handlung unterließen, bei deren Vornahme der Unfall vermieden worden wäre.
15
Feststellungen zu einem solchen unfallursächlichen Verhalten, das vom Tötungsvorsatz der Angeklagten getragen war, hat das Landgericht nicht getroffen. Vielmehr hat es sowohl bei der Darstellung des Sachverhalts als auch an weiteren Stellen des Urteils ausgeführt, dass die Angeklagten beim Einfahren in den Kreuzungsbereich bereits keine Möglichkeit zur Vermeidung der Kollision mehr besaßen: So hat es etwa bezüglich des AngeklagtenH. festgestellt, er sei zu diesem Zeitpunkt „absolut unfähig“ gewesen, „noch zu reagieren“ (UA 26). Auch an anderer Stelle des Urteils hat es darauf verwiesen, „die Angeklagten [hätten] sich durch ihr Verhalten, insbesondere ihre Geschwindigkeit, jeglicher Reaktionsmöglichkeit beraubt“ (UA 58) und „bei Einfahrt in den Kreuzungsbereich“ sei „ein Vermeidungsverhalten (…) auch objektiv nicht mehr möglich“ gewesen (UA 60).Die für den Unfall maßgeblichen Umstände, insbesondere die bereits erreichte Kollisionsgeschwindigkeit sowie das Einfahren in den Kreuzungsbereich trotz roten Ampelsignals, lagen danach bereits vor bzw. waren unumkehrbar in Gang gesetzt, als die Angeklagten – nach den Feststellungen – den Tötungsvorsatz fassten. Ein unfallursächliches Verhalten der Angeklagten , das zeitlich mit der Fassung des Tötungsvorsatzes zusammenfiel oder nachfolgte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Dass der Tötungsvorsatz ab einem Zeitpunkt vorlag, als die tödliche Kollision bereits nicht mehr zu verhindern war, ist für die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts rechtlich bedeutungslos.
16
2. Zudem halten die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, juris Rn. 10; vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 20. Juni 2013 – 4 StR 159/13, juris Rn. 19) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
a) In rechtlicher Hinsicht ist nach ständiger Rechtsprechung bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement) (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 2017 – 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38; vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 279; vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 67; vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3383; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 215; vom 30. April 2014 – 2 StR 383/13, StV 2015, 300, 301; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186; vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 63).
18
b) Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15, aaO; vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, aaO; vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25,

26).


19
Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80; vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, aaO, 186 f.). Dabei ist die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, aaO, 80; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242, 243; Beschluss vom 26. April 2016 – 2 StR 484/14, NStZ 2017, 22, 23). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 – 2 StR 311/86, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 1 – Willenselement; Beschluss vom 7. März 2006 – 4 StR 25/06, NStZ 2006, 446). Dabei hat der Tatrichter die im Einzelfall in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 54/14, NStZ 2015, 516, 517; Beschlüsse vom 10. Juli 2007 – 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307; vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35).
20
c) Diesen Anforderungen werden die Beweiserwägungen der Strafkammer nicht gerecht, da sich das angefochtene Urteil mit einem wesentlichen vorsatzkritischen Gesichtspunkt, der möglichen Eigengefährdung der Angeklagten im Fall einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, nicht in rechtlich tragfähiger Weise auseinandergesetzt hat.
21
aa) In Fällen einer naheliegenden Eigengefährdung des Täters – wie hier – ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Zwar gibt es keine Regel, wonach es einem Tötungsvorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 2000 – 4 StR 162/00, NStZ 2000, 583, 584; vom 20. Dezember 1968 – 4 StR 489/68, VerkMitt 1969, Nr. 44). Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann aber eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat (vgl. BayObLG, NJW 1955, 1448, 1449 für den alkoholisierten Autofahrer; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 12 Rn. 23 ff.; ders., FS Rudolphi, 2004, 243, 255; Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 219; Jäger, JA 2017, 786, 788; Walter, NJW 2017, 1350 f.). Dementsprechend muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Hierfür können sich wesentliche Indizien aus den objektiven Tatumständen ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien. So kann es sich etwa unterschiedlich auf das Vorstellungsbild des Täters zu seiner Eigengefährdung auswirken, ob er sich selbst in einem Pkw oder auf einem Motorrad befindet und ob Kollisionen mit Fußgängern oder Radfahrern oder mit anderen Pkw oder gar Lkw drohen.
22
bb) Bei ihrer Würdigung des Geschehens hat die Strafkammer dem Gesichtspunkt einer möglichen unfallbedingten Eigengefährdung bereits im Ansatz jegliches Gewicht abgesprochen, indem sie davon ausgegangen ist, dass sich die Angeklagten in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt hätten.
23
(1) Das Landgericht hat die Annahme eines solchen Sicherheitsgefühls der Angeklagten jedoch bereits für sich genommen nicht tragfähig begründet, da es hierbei rechtsfehlerhaft maßgeblich auf einen nicht existierenden Erfahrungssatz zurückgegriffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1954 – 5 StR 416/54, BGHSt 7, 82, 83; Beschluss vom 8. September 1999 – 2 StR 369/99, BGHR StPO § 261 Erfahrungssatz 6; Meyer-Goßner/Schmitt, 60. Aufl., § 337 Rn. 31).
24
Das angefochtene Urteil geht von der Hypothese aus, dass mit den Angeklagten vergleichbare Verkehrsteilnehmer regelmäßig kein Eigenrisiko in Rechnung stellten. Hierzu wird ausgeführt, dass „sportlich genutzte Fahrzeuge der in Rede stehenden Art“ ein „besonderes Gefühl der Sicherheit“ vermittelten; „die Fahrer solcher Fahrzeuge“ fühlten sich in ihren „tonnenschweren, stark be- schleunigenden und mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten Autos geschützt, stark und überlegen wie in einem Panzer oder in einer Burg“ und blendeten „jegliches Risiko für sich selbst“ aus. Einen Erfahrungssatz, nach dem sich ein bestimmter Typ Autofahrer in einer bestimmten Art von Kraftfahrzeug grundsätzlich sicher fühlt und jegliches Risiko für die eigene Unversehrt- heit ausblendet, gibt es indes nicht. Ein entsprechendes Vorstellungsbild ist konkret auf die Angeklagten bezogen zudem nicht belegt. Gerade angesichts der vorliegend objektiv drohenden Unfallszenarien – Kollisionen an einer innerstädtischen Kreuzung mit anderen Pkw oder, wie die Urteilsgründe mitteilen, sogar mit Bussen bei mindestens 139 bzw. 160 km/h – versteht sich dies auch nicht von selbst.
25
(2) Zudem liegen dem angefochtenen Urteil widersprüchliche Annahmen bezüglich der durch die Angeklagten vorgenommenen Gefahreinschätzung zugrunde. Während die Strafkammer einerseits davon ausgeht, dass die Angeklagten sich selbst in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt und keinerlei Eigenrisiko in Rechnung gestellt hätten, hat sie andererseits ausgeführt, dass beide Angeklagten mit dem Vorsatz bezüglich einer Körperverletzung der Nebenklägerin K. , und zwar einer solchen mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB), gehandelt bzw. sogar „in Kauf“ genommen hätten, dass sie „tödliche Verletzungen erleiden könnte“ (UA 72). Da sich die Nebenklägerin bei der Tatbegehung auf dem Beifahrersitz neben dem Angeklagten N. befand, hat das Landgericht bezüglich der Insassen desselben Fahrzeuginnenraums zwei einander widersprechende Gefahreinschätzungen vorgenommen. Die – nichtnaheliegende – Annahme, die Angeklagten hätten ihre eigene Gefährdung und die der Nebenklägerin unterschiedlich bewertet, wird von der Strafkammer nicht erläutert.
26
3. Was den Angeklagten N. betrifft, könnte das Urteil im Übrigen schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, auf die das Landgericht die Annahme stützt, der Angeklagte N. habe sich des mittäterschaftlich begangenen Mordes schuldig gemacht, rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten. Die vom Landgericht vorgenommene Prüfung mittäterschaftlichen Verhaltens greift zu kurz, da die gebotene tatbestandsbezogene Prüfung der Voraussetzungen mittäterschaftlicher Begehung – die hier auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gerichtet sein musste – unterblieben ist.
27
a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. September 2017 – 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; vom 4. April 2017 – 3 StR 451/16, juris Rn. 7). Der gemeinsame Tatplan muss nicht ausdrücklich geschlossen sein, vielmehr genügt eine konkludente Übereinkunft; diese kann auch – in Erweiterung des ursprünglichen Tatplans – im Rahmen arbeitsteiliger Tatausführung getroffen werden (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11, NStZ-RR 2012, 77, 78; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 292; vom 9. März 1994 – 3 StR 711/93, NStZ 1994, 394; Beschluss vom 18. Mai 1995 – 5 StR 139/95, BGHSt 41, 149, 151). Bezugspunkt des Tatentschlusses bzw. des Tatplans ist gemäß § 25 Abs. 2 StGB jedoch stets die Straftat. Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setzt daher voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist. Für die Annahme eines mittäterschaftlich begangenen Tötungsdelikts reicht es deshalb nicht aus, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, durch das ein Mensch zu Tode kommt.
28
b) Vorliegend fehlt es bereits an der Feststellung eines durch die Angeklagten gefassten gemeinsamen Tatentschlusses, der eine bedingt vorsätzliche Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers umfasste. Festgestellt und belegt hat die Strafkammer lediglich, dass sich die Angeklagten bei ihrem Zusammen- treffen am Adenauerplatz auf „die Durchführung eines spontanen Autorennens geeinigt“ (UA 47) haben. Ferner hat das Landgericht darauf verwiesen, der An- geklagte N. habe durch sein Fahrverhalten bei stetig steigender Geschwindigkeit konkludent zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Angeklagten H. „ein gemeinsames Rennen fahren und sich auf ein Kräftemessen ein- lassen“ wollte (UA 49).Aus diesen Ausführungen lässt sich indes lediglich die Verabredung und gemeinsame Durchführung eines illegalen Straßenrennens entnehmen. Weder für den Zeitpunkt der Rennverabredung noch für den nachfolgenden Rennverlauf hat das Landgericht eine – zumindest konkludente – Erweiterung des gemeinsamen Tatentschlusses festgestellt und belegt. Viel- mehr hat es insoweit nur darauf verwiesen, dass „ein Kräftemessen mittels eines Autorennens/Stechens naturgemäß ein von einer gemeinsamen Tatherrschaft getragenes Verhalten“ (UA 49) darstellt. Die erforderliche Anknüpfung dieser Erwägungen an ein vorsätzliches Tötungsdelikt findet sich im Rahmen der Prüfung der Mittäterschaft nicht. Dass die Angeklagten den Entschluss gefasst hätten, einen anderen durch gemeinschaftliches Verhalten zu töten, lässt sich dem Urteil an keiner Stelle entnehmen.

III.


29
1. Die Ausführungen der Revisionsführer zu dem vom Landgericht eingeholten verkehrspsychologischen Gutachten geben Anlass zu folgenden Bemerkungen :
30
Die Feststellung, ob ein Angeklagter vorsätzlich gehandelt hat, ist Tatfrage und obliegt allein dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember2015 – 4 StR 367/15, NStZ 2016, 668, 669 f.; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 583; vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 15 Rn. 63). Diese Prüfung hat stets einzelfallbezogen zu erfolgen und lässt eine generalisierende Betrachtung – etwa in Gestalt von Rechts- oder Erfahrungssätzen, denen zufolge bei einem bestimmten Personenkreis oder einer bestimmten Vorgehensweise grundsätzlich eine vorsätzliche Tatbegehung zu bejahen oder zu verneinen sei – nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 367/15, aaO, 669 f.; Beschlüsse vom 7. März 2006 – 4 StR 25/06, NStZ 2006, 446; vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369, 370; LK-StGB/Vogel, aaO, § 15 Rn. 67; vgl. auch zur geringen Bedeutung allgemeiner statistischer Aussagen im Rahmen von Prognoseentscheidungen BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720, 722; vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203, 204). Dies gilt auch für den im angefochtenen Urteil und seitens der Revisionen in Bezug genommenen Personenkreis der „Raser“ bzw. „die Angehörigen der Raserszene“ ; auch dieser Personenkreis ist im Hinblick auf die Frage des Vorlie- gens oder auch des Fehlens eines (Tötungs-)Vorsatzes einer kategorialen Zuordnung über den Einzelfall hinaus nicht zugänglich.
31
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum zur Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gelangen, gilt mit Blick auf mögliche Mordmerkmale das Folgende :
32
a) Bezüglich des Mordmerkmals der Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels wird eine konsistente Gesamtbewertung der subjektiven Tatseite vorzunehmen sein. Soweit in dem angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit dem Tötungsvorsatz ausgeführt wird, mögliche Gedanken der Angeklagten an die Zerstörung der eigenen Fahrzeuge seien im „Adrenalinrausch“ und im „Kick“ des Rennens „untergegangen“, zugleich aber angenommen wird, die Angeklag- ten hätten die Tötung von Personen durch umherfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge – also auch des eigenen Fahrzeugs – billigend in Kauf genommen, lässt sich dies nicht ohne Weiteres miteinander in Einklang bringen.
33
b) Gegebenenfalls wird auch das Mordmerkmal der Heimtücke zu erörtern sein, wobei allerdings das hierfür erforderliche Ausnutzungsbewusstsein einer eingehenden Prüfung bedarf (vgl. BGH, Urteile vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17, NStZ 2018, 97, 98; vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 393; vom 11. November 1986 – 1 StR 367/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1; vom 30. Januar 1990 – 1 StR 688/89, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11; und vom 25. Oktober 1984 – 4 StR 615/84, NStZ 1985, 216).
34
3. Der Senat weist darauf hin, dass sich das gesamteRenngeschehen – entgegen der Auffassung der Strafkammer (UA 65) – als eine prozessuale Tat darstellt.
35
4. Hinsichtlich der Vorbelastung der Angeklagten mit straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten wird der neue Tatrichter gegebenenfalls Gelegenheit haben, sich mit einer möglichen Tilgungsreife und einer daraus folgenden Unverwertbarkeit einzelner Registereintragungen auseinanderzusetzen. Dabei sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Verwertbarkeit im Urteil so festzustellen, dass eine revisionsrechtliche Überprüfung möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, NJW 1993, 3081, 3084; MüKo-StVR/Koehl, § 29 StVG Rn. 5).
36
5. Bei der Bemessung einer möglichen Sperrfrist nach § 69a StGB sind auch die Dauer und die Wirkungen des Strafvollzugs infolge einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 1997 – 4 StR 271/97, NStZ-RR 1997, 331, 332).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 84/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140116U4STR84.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Mutzbauer, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung – als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde sowie
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Maßregel.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es eine Maßregel nach § 69a StGB angeordnet und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Gegen das Urteil richtet sich die auf eine ver- fahrensrechtliche Beanstandung und die Sachrüge gestützte, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung des Angeklagten insbesondere wegen vorsätzlicher Körperverletzungs- und Tötungsdelikte erstrebt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Am Nachmittag des 4. September 2013 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw auf einer öffentlichen Straße in B. , obwohl er – wie er wusste – nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis war. Als er E. und S. M. sowie Sa. R. am Straßenrand sah, hielt er das Fahrzeug an, stieg aus und fragte E. M. nach dem Aufenthaltsort von En. Si. , der – nach Ansicht des Angeklagten – einem in Serbien inhaftierten Bruder des Angeklagten in Zusammenhang mit gemeinsam begangenen Straftaten und der Verurteilung nur des Bruders des Angeklagten Geld schuldete. E. M. verwies den Angeklagten auf den neben ihm stehenden Sa. R. , einen Bruder von En. Si. . S. M. riet dem Angeklagten indes, Sa. R. nicht zu fragen, sondern nach Hause zu gehen. Der Angeklagte, der die Reaktionen von E. und S. M. als „unangemessen und herabsetzend“ empfand, stieg daraufhin „wutentbrannt“ in den Pkw, fuhr davon und unterrichtete seinen Vater telefonisch davon, dass er sich von E. und S. M. „unangemessen behandelt“ fühle. Der Vater des Angeklagten rief daraufhin den mit ihm befreundeten N. Br. anund fragte ihn, was es mit dem Streit auf sich habe. N. Br. , ein Cousin von E. und S. M. , erklärte sich bereit, die Angelegenheit zu klären.
4
Nach weiteren Telefonaten trafen schließlich auf dem Parkplatz eines Supermarktes in B. einerseits der Vater des Angeklagten mit seinen Söhnen D. und K. I. sowie Ke. A. als deren Fahrer und der Angeklagte mit seinem Beifahrer Ne. O. sowie andererseits E. M. , N. Br. und Sa. R. sowie S. M. , En. Si. und An. R. mit ihrer zweijährigen Tochter ein. Ke. A. stellte sein Fahrzeug auf der rechten Seite einer nach Einfahren auf den Parkplatz in 58 Meter Entfernung direkt vor ihm liegenden Parkbucht für drei Fahrzeuge ab. Nachdem die Insassen ausgestiegen waren, kam der nicht alkoholisierte, aber unter Einfluss von Cannabis stehende, in seinem Steuerungsvermögen indes nicht erheblich beeinträchtigte Angeklagte hinzu und besprach mit seinem Vater und seinen Brüdern, wie weiter zu verfahren sei. Hierbei wies der Vater des Angeklagten – um einer Eskalation vorzubeugen – diesen an, den Parkplatz mit seinem Fahrzeug zu verlassen. Dem leistete der Angeklagte Folge, bemerkte dabei jedoch das Eintreffen des mit E. M. , N. Br. und Sa. R. besetzten Pkws, den E. M. in der Nähe des Pkws von Ke. A. abstellte. E. M. , N. Br. und Sa. R. stiegen sodann aus dem Pkw aus und gingen zu dem freien mittleren Parkplatz der Parkbucht, in der der Vater des Angeklagten und dessen Brüder standen. Ferner sah der Angeklagte, dass En. Si. und S. M. zu Fuß von der Einfahrt des Parkplatzes in Richtung der Parkbucht gingen, in der Ke. A. sein Fahrzeug geparkt hatte. Daraufhin bog der Angeklagte – möglicherweise aus Angst um seinen Vater und seine Brüder „in Anbetracht der Überzahl der gegnerischen Seite“, möglicher- weise weil er den von ihm gesuchten En. Si. sah – mit dem von ihm ge- steuerten Pkw mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h und „quietschenden Reifen“ wieder auf den Parkplatz des Supermarktes ein und fuhr auf die Park- bucht zu, in der die Personengruppe stand. Dabei hätte er – so die Strafkammer – erkennen können, dass er infolge vorangegangenen Cannabiskonsums nicht mehr in der Lage war, ein Fahrzeug sicher im Verkehr zu führen, was er aber vor Aufregung sorgfaltswidrig nicht bedachte. Nach etwa 30 Metern erfasste der Pkw des Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 60 km/h den auf dem Weg zu der Parkbucht befindlichen S. M. , der dabei mit seinem rechten Unterarm gegen die Frontscheibe des Pkws stieß, die zersplitterte. S. M. zog sich hierbei neben einem Bluterguss am Knie und Schürfwunden am Arm einen Kreuzbandriss zu. An. R. , die mit ihrer Tochter hinter den nebeneinander laufenden S. M. und En. Si. ging, wurde von einem Passanten „gerade noch rechtzeitig ... ehe auch sie von dem Fahrzeug des Angeklagten erfasst werden konnte“ zur Seite gestoßen. Sodann wollte der Angeklagte „nicht ausschließbar“ in einer Linkskurve an der Parkbucht und den dort befindlichen Personen vorbeifahren, schlug das Lenk- rad aber „aufgrund des durch den Aufprall verursachten Schrecks und seiner infolge des vorangegangenen Cannabiskonsums verlängerten Reaktionszeit“ zu spät ein und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h in die Parkbucht. Dabei schrammte er mit seiner linken Fahrzeugseite an der rechten Seite des auf dem linken Parkplatz abgestellten Pkws einer Zeugin entlang und erfasste den auf dem freien mittleren Parkplatz stehenden E. M. , der hierdurch hinter die Parkbucht geschleudert wurde und schwer verletzt liegen blieb; er erlitt unter anderem Brüche am Sprunggelenk und am Oberschenkel sowie am Waden- und Schlüsselbein. N. Br. und Sa. R. konnten sich durch einen Sprung auf die Seite bzw. auf und über den Pkw des Angeklagten in Sicherheit bringen, wurden aber, weil sie hierbei zu Fall kamen, ebenfalls verletzt. Nach der Kollision stieg der Angeklagte aus dem von ihm gesteuerten Pkw aus, „schüttelte“ An. R. , die ihn festhalten wollte, ab und rannte davon.
5
2. Vom vorsätzlichen Herbeiführen „der Kollision“ durch den Angeklagten vermochte sich das Landgericht nicht zu überzeugen. In ihren Rechtsausführungen begründet die Strafkammer dies damit, dass ein (bedingter) Vorsatz aufgrund der Spontaneität des Tatentschlusses und der affektiven Erregung des Angeklagten nicht nachweisbar sei.

II.


6
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls (vgl. auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 11. September 2008 – Ss 309/08 I 157, Blutalkohol 45, 392 f.) wirksam auf die landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen zu den beiden Kollisionen auf dem Parkplatz des Supermarkts beschränkt.
7
Zwar hat die Staatsanwaltschaft unbeschränkt Revision eingelegt und auch einen unbeschränkten Aufhebungsantrag gestellt. In der Begründung des Rechtsmittels stellt die Revisionsführerin aber klar, dass sich dieses allein da- gegen richte, dass der Angeklagte nur „wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung“ und nicht wegen „tateinheitlich begangenen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und Sachbeschädigung“ verurteilt worden sei.

III.


8
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat bereits mit der Sachrüge Erfolg. Denn die Beweiswürdigung zum fehlenden Vorsatz des Angeklagten bei der Herbeiführung der Kollisionen und der durch sie eingetretenen Verletzung und Gefährdung mehrerer Personen, mithin zu den Vorwürfen versuchter und vollendeter vorsätzlicher Körperverletzungs - und versuchter vorsätzlicher Tötungsdelikte sowie des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern. Eines Eingehens auf die von der Staatsanwaltschaft ebenfalls erhobene Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
9
1. Die Beweiswürdigung ist in wesentlichen Teilen lückenhaft.
10
a) Eine einen Rechtsfehler im Sinn des § 337 Abs. 1 StPO darstellende Lücke liegt insbesondere vor, wenn die Beweiswürdigung wesentliche Feststellungen nicht erörtert (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. November 2015 – 4 StR 183/15) oder nur eine von mehreren gleich naheliegenden Möglichkeiten prüft (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147 f.).
11
b) Das ist hier der Fall.
12
aa) Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolgs in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 – 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN). Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f.; vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216 jeweils mwN). Diese Gesamtschau ist insbesondere dann notwendig, wenn der Tatrichter allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.). Sie ist lückenhaft, wenn der Tatrichter sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (BGH, Urteil vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11, NZWiSt 2012, 71 f.).
13
bb) Eine solche Gesamtschau hat die Strafkammer nicht in der gebotenen Vollständigkeit vorgenommen.
14
Zwar verweist die Strafkammer in ihren Rechtsausführungen darauf, dass ein (bedingter) Vorsatz aufgrund der Spontaneität des Tatentschlusses und der affektiven Erregung des Angeklagten nicht nachweisbar sei. Im Zusammenhang mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen verweist sie hierzu aber allein auf die „durchaus denkbare“ Verlängerung der Reaktionszeit infolge des Cannabiskonsums, das Fehlen eines nachvollziehbaren Motivs sowie darauf, dass der Vater des Angeklagten und seine beiden Brüder ebenfalls in der Parkbucht standen und er bei vorsätzlichem Handeln nicht nur seine Gesundheit und sein Fahrzeug, sondern auch Leben und Gesundheit seines Vaters gefährdet hätte. Bei der Darstellung der Ausführungen des Sachverständigen für Unfallrekonstruktion legt die Strafkammer dagegen dar, dass sich aufgrund dieser ein vorsätzliches Handeln des Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen lasse.
15
Letzteres trifft zwar für sich genommen zu, jedoch stünden die Ausführungen des Sachverständigen auch der Bejahung eines vorsätzlichen Handelns des Angeklagten nicht entgegen. Im Übrigen ist trotz dieser Sammlung vorsatzkritischer Umstände jedenfalls nicht ohne weitere – indes fehlende – Erläuterungen nachvollziehbar, dass und inwieweit diese Umstände bereits im ersten Tatkomplex (Anfahren von S. M. ) Bedeutung erlangt haben könnten. Die Strafkammer setzt die von ihr aufgeführten Umstände zudem nicht in Beziehung zueinander und erläutert auch nicht, ob sie schon zu Zweifeln am Vorsatz hinsichtlich der Handlungen (als solcher) oder dazu geführt haben, dass ungewiss bleibt, ob der Angeklagte bei vom Vorsatz getragenen Handlungen den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt oder er ihn nur nicht gebilligt hat. Hierzu bestand hinsichtlich des ersten Tatkomplexes jedoch schon deshalb Anlass, weil der Angeklagte von der Einfahrt des Parkplatzes „direkt“ in Richtung der Parkbucht steuerte, er mithin auf gerader Strecke über etwa 30 Meter auf die vor ihm gehenden Fußgänger zufuhr. Dass er dies in Bezug auf seine Handlung (als solche) und das „Tatobjekt“ lediglich fahrlässig tat, liegt fern, zumal nach den Ausführungen des Sachverständigen Cannabiskonsum lediglich den peripheren Bereich des Sichtfelds vergrößert, dieses nicht aber einschränkt, und er S. M. und En. Si. schon zuvor identifiziert hatte. Auch die vom Landgericht angeführte überhöhte Geschwindigkeit infolge Cannabisintoxikation sowie der zu geringe Seitenabstand zu den Fußgängern widerstreiten unter den hier gegebenen Umständen nicht ohne weiteres der Annahme einer vorsätzlichen Tathandlung. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Strafkammer bei der Prüfung des Vorsatzes in Bezug auf den Handlungserfolg zumindest auch mit der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung auseinandersetzen müssen (vgl. zum Zufahren auf Fußgänger: Senat, Urteile vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 394; vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12), der als wesentlichem Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes gewichtige Bedeutung zukommt (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242 f.).
16
Hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes (Einfahren in die Parkbucht) liegt eine Lücke schon darin, dass die Strafkammer in die Prüfung eines vorsätzlichen Handelns des Angeklagten nicht einbezogen hat, dass dieser nicht nur eine, sondern in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwei Kollisionen herbeigeführt hat, mithin eine Häufung an Verhaltensweisen vorliegt, die vor allem bei auf Gefährdungen oder Schädigungen von Personen der „gegnerischen Seite“ abzielendenund diese zumindest in Kauf nehmenden Handlungen plausibel ist. Zudem hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass der Angeklagte den von ihm gesteuerten Pkw zwischen der Einfahrt auf den Parkplatz („mit etwa 30 km/h“) und der zweiten Kollision („zwischen 40 und 50 km/h“) beschleunigt und dabei eine Geschwindigkeit erreicht hat, die in Bezug auf die Handlung (als solcher) ein lediglich fahrlässiges Verhalten – zumal auf dem Parkplatz eines Supermarktes – nicht nahelegt. Hierin liegt auch des- halb eine Lücke, weil die Strafkammer das von ihr dem Angeklagten unterstellte beabsichtigte Durchfahren einer Linkskurve vor der Parkbucht nur deshalb als misslungen ansieht, weil seine Reaktionszeit aufgrund des durch den vorangegangenen Aufprall verursachten Schrecks und des Cannabiskonsums verlängert gewesen sei. Sie erörtert dabei aber nicht, dass der Angeklagte die Grenzgeschwindigkeit , mit der die Kurve hätte durchfahren werden können, infolge der Beschleunigung zumindest nahezu erreicht hatte, und er nach einer von der Strafkammer als glaubhaft bewerteten Zeugenaussage ungebremst in die Personengruppe gefahren ist. Dies wurde vom Sachverständigen insofern bestätigt , als er keine Hinweise auf eine Bremsung festgestellt und jedenfalls eine starke Bremsung vor der Kollision mit dem parkenden Pkw ausgeschlossen hat. Soweit das Landgericht den – ersichtlich auf den Handlungserfolg bezogenen – Vorsatz mit der Erwägung in Frage gestellt hat, dass durch ein Einfahren in die Parkbucht auch das Leben und die Gesundheit seines Vaters und seiner Brüder gefährdet worden wäre, hätte sich die Strafkammer schließlich auch damit aus- einandersetzen müssen, dass das „Entlangschrammen“ an dem auf der linken Seite der Parkbucht abgestellten Fahrzeug dazu gedient haben kann, die tatsächlich von der Strafkammer nicht festgestellte Gefährdung seiner Familienangehörigen auszuschließen oder wenigstens zu verringern (vgl. dazu auch nachfolgend 2.).
17
2. Die Beweiswürdigung ist zudem widersprüchlich.
18
Denn die Strafkammer legt einerseits dar, dass nach der glaubhaften Aussage des Zeugen E. M. der Vater des Angeklagten imZeitpunkt der zweiten Kollision auf dem freien Parkplatz zwischen den in der Parkbucht abgestellten Pkws stand, während sich die Brüder des Angeklagten „auf der anderen Seite“ des rechts abgestellten Fahrzeugs des Zeugen A. aufhiel- ten. Sie stellt jedoch andererseits ausdrücklich fest, dass sich alle sechs Personen – einschließlich der Brüder des Angeklagten – in der freien mittleren Parklücke der Parkbucht befanden. Dieser Widerspruch ist erheblich, da das Landgericht eine – von der Strafkammer nicht festgestellte – Gefährdung des Vaters und der Brüder als dem Vorsatz widerstreitendes Indiz bewertet hat. Eine Gefährdung der Brüder des Angeklagten durch das Einfahren des Angeklagten in die Parkbucht hätte aber nicht bestanden, wenn man der Aussage des Zeugen E. M. folgt. Auch die Gefährdung des Vaters des Angeklagten, der nach den Angaben des Zeugen E. M. neben dem Kofferraum desin der Parkbucht rechts abgestellten Fahrzeugs stand, wäre durch ein gezieltes Einfahren („Schrammen“) des auf der linken Seite der Parklücke stehenden Pkws zumindest verringert worden.
19
3. Hinzu kommt, dass die Erwägung, das Fehlen eines nachvollziehbaren Tatmotivs spreche gegen ein vorsätzliches Herbeiführen der Kollisionen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
20
Diese nicht näher begründete Annahme lässt schon außer Betracht, dass der Angeklagte das Verhalten zweier Tatopfer, nämlich von E. und S. M. , kurz zuvor als „unangemessen und herabsetzend“ empfunden hatte , er „wutentbrannt“ davongefahren war und ihn sein Vater, nachdem der Angeklagte ihn von der „unangemessenen“ Behandlung durch E. und S. M. unterrichtet hatte, „um einer Eskalation vorzubeugen“ von dem Parkplatz weggeschickt hatte. Auch hat der Angeklagte selbst eingeräumt, dass er zurückgekehrt sei, da er sich verpflichtet gefühlt habe, seinem Vater und seinen Brüdern angesichts der hinzugekommenen Personen Hilfe leisten zu können , und er seinen Vater nicht im Stich lassen wollte.
21
Neben dieser Lücke hat die Strafkammer aber auch unbeachtet gelassen , dass mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv haben, sondern einem anderen Handlungsantrieb nachgehen (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13; vom 26. März 2015 – 4 StR 442/14, NStZ-RR 2015, 172 f.) und selbst ein unerwünschter Erfolg dessen billigender Inkaufnahme nicht entgegensteht (BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 5 StR 494/14, NStZ 2015, 460; vgl. ferner BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 f. mwN; zu hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen allerdings: BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 f.; vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318).
22
4. Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafen- und des Maßregelausspruchs nach sich. Einer Aufhebung der Adhäsionsentscheidung durch den Senat bedarf es dagegen nicht (BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98).
23
Die – teilweise – Aufhebung des Urteils führt zur Aufhebung der zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Senat sieht insbesondere im Hinblick auf die oben dargelegten Widersprüche und Lücken in der Beweis- würdigung davon ab, die zum äußeren Ablauf des Geschehens auf dem Parkplatz getroffenen Feststellungen bestehen zu lassen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 248/16
vom
11. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung
ECLI:DE:BGH:2016:111016U1STR248.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober 2016, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Justizangestellte – in der Verhandlung –, Justizobersekretärin – bei der Verkündung – als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 11. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam die Angeklagte am 17. Juni 2015 aus Polen nach Deutschland, um in P. als Saisonarbeiterin für zwei Monate Gurken zu sortieren. Schon bald nach ihrer Ankunft wurde die Angeklagte von einer Mitarbeiterin aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes darauf angesprochen, ob sie schwanger sei, was die Angeklagte aber verneinte. Tatsächlich war sie jedoch im neunten oder zehnten Monat schwanger.
Kindsbewegungen hatte sie bis dahin nicht verspürt; solche bemerkte sie zum ersten Mal Ende Juni 2015, wobei sie selbst dann mit einer Schwangerschaft im vierten oder fünften Monat rechnete.
3
Am frühen Morgen des 2. Juli 2015 begab sich die Angeklagte zwischen 2.00 und 3.00 Uhr nachts wegen Rückenschmerzen und Harndrang auf die Toilette , wobei sie die Herrentoilette benutzte, weil bei der Damentoilette der äußere Türgriff abgefallen war. Nachdem sie die Blase entleert hatte, rechnete sie auch mit Stuhlgang. Sie presste und brachte daraufhin einen voll entwickelten, reifen und lebensfähigen männlichen Säugling mit einem Körpergewicht von 3200 g und einer Körperlänge von 50 cm „zur Welt“, welcher zunächst atmete und auch ein Quietschen von sich gab. Der Neugeborene fiel in die Toilettenschüssel , einen Tiefspüler, sodass ein Plumpsen hörbar war. Die Angeklagte presste dann ein weiteres Mal, woraufhin auch die Plazenta in die Toilettenschüssel fiel. In der Folge unternahm die Angeklagte für einen Zeitraum von mindestens drei Minuten nichts, obgleich ihr als bereits zweifache Mutter beim Austritt des Kindes klar geworden war, dass sie ein Kind zur Welt gebracht hatte. Frühestens nach drei Minuten schaute die Angeklagte in die Toilettenschüssel und sah den darin befindlichen Säugling, auf dem die Plazenta lag. Erst dann zog die Angeklagte den Säugling an den Füßen aus der Toilettenschüssel und nahm ihn auf den Arm, wobei sie feststellte, dass der Neugeborene leblos war, nicht atmete und sich auch der Brustkorb nicht hob oder senkte. Die Augen des Neugeborenen waren geschlossen. Daraufhin legte die Angeklagte das leblose Kind und die Plazenta auf dem Toilettendeckel ab und verließ den Toilettenraum.
4
Aus der Unterkunft holte sie eine Schere, ging unter Mitnahme eines orangefarbenen Eimers aus dem Vorraum in die Toilette zurück, ohne aber die Beleuchtung einzuschalten. Dort trennte sie die Nabelschnur zwischen dem toten Säugling und der Plazenta mittels der Schere.
5
Noch während die Angeklagte sich in der Toilette aufhielt, kam gegen 3.15 Uhr die Zeugin G. in die Toilettenanlage, schaltete das Licht ein, bemerkte dass die Herrentoilette besetzt war, und fragte die darin befindliche Person , ob alles in Ordnung sei. Die Angeklagte erwiderte, dass sie ihre Tage habe und sich nicht wohl fühle. Die Zeugin machte sich daraufhin Sorgen und verwickelte die Angeklagte in ein Gespräch, welche aber darauf hinwies, dass sie für sich selbst sorgen könne. Weil sie sich dennoch große Sorgen machte, ging die Zeugin nicht weg und verblieb deshalb insgesamt nahezu zwei Stunden im Toilettenvorraum , obgleich die Angeklagte sie mehrfach zum Gehen aufforderte. Gegen 5.00 Uhr morgens kam die Angeklagte aus der Toilette heraus und schickte die Zeugin nunmehr endgültig weg. Allerdings konnte die Zeugin nicht einschlafen, weshalb sie nach 15 Minuten zurückkam. Als sie die Toilette betrat, fand sie dort nichts mehr vor und der Boden war sauber. Zwischenzeitlich hatte sich die Angeklagte nach draußen begeben, die Plazenta in einen in der Nähe befindlichen Abfallcontainer geworfen und den toten nackten Säugling mit bloßen Händen am Rande des Betriebsgrundstückes auf einem Rübenfeld verscharrt.
6
Im Laufe des Tages fiel einer Mitarbeiterin auf, dass die Angeklagte etwa alle zwei Stunden zur Toilette ging und auch deren Bauch kleiner geworden war. Die danach befragte Angeklagte äußerte schließlich, eine Fehlgeburt im ca. vierten Schwangerschaftsmonat erlitten zu haben, worauf der hierüber informierte Arbeitgeber einen Notarzt rief, der einen Transport der Angeklagten in das Klinikum Deggendorf veranlasste. Dort wurde aufgrund einer Geburtsver- letzung, eines Dammrisses, festgestellt, dass die Angeklagte entgegen ihrer Informationen von einem größeren reifen Kind entbunden hatte.
7
Das Landgericht hat zudem festgestellt, dass der Neugeborene in der Zeit von mindestens drei, wahrscheinlich aber sieben bis neun Minuten, erstickt bzw. durch Sauerstoffmangel schwer geschädigt wurde. Entweder sei durch das Liegen in der engen Toilettenschüssel der Thorax des Neugeborenen durch das eigene Körpergewicht so komprimiert worden, dass ein gleichzeitiges Verlegen der Atemwege die Atmung des Kindes behinderte, oder das Kind habe sich in der Toilettenschüssel mit den Atemöffnungen unter Wasser befunden. Durch sofortiges Herausnehmen des Kindes aus der Toilettenschüssel wäre es mit Sicherheit gerettet worden.
8
Für die Angeklagte wäre durch ein sofortiges Nachsehen in der Toilettenschüssel erkennbar gewesen, dass der Neugeborene ohne sofortige Hilfe an der Gesundheit geschädigt werde oder gar versterben könne. Trotz ihres Zustandes und ihrer Empfindungen unmittelbar nach der Geburt hätte die Angeklagte dies auch erkennen können.
9
Insoweit hat das Landgericht weiter festgestellt, dass die Angeklagte sich nach der unerwartet erfolgten Geburt in einem Zustand einer innerlichen Starre und Betäubung befunden habe. Sie habe Angst vor der Reaktion ihres Umfelds empfunden und sich verzweifelt und hilflos gefühlt. Sie sei depressiv und in ihrem Zeitgefühl beeinträchtigt gewesen.
10
2. Das Landgericht konnte sich vom Vorliegen eines zumindest bedingten Tötungsvorsatzes nicht überzeugen. Es sei bereits zweifelhaft, ob bei der Angeklagten das kognitive Element, also das Bewusstsein, dass das Liegenlas- sen in der engen Toilettenschüssel über mehrere Minuten zu einer Beeinträchtigung des Gesundheitszustands des Säuglings bis hin zu dessen Tod führen kann, gegeben war. Ob ihr die Todesgefahr für den Säugling tatsächlich bewusst geworden sei, habe die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer ergeben. Dass die Angeklagte den Tod des Säuglings billigend in Kauf genommen hätte, könne nach den Feststellungen der Kammer zwar nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, eine fahrlässige Tatbegehung stelle „jedoch eine nicht bloß gleichwertige, sondern sogar wesentlich wahrscheinlichere Sachverhaltsalternative dar“ (UA S. 29 f.).

II.


11
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst, wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2011 – 2 StR 467/10). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. November 2006 – 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08).
13
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, NStZ-RR 2016, 204) voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (Wissenselement), weiter dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher, aber kein ausschließlicher Indikator. Auch kann das Wissens- oder Willenselement des Vorsatzes im Einzelfall fehlen, etwa wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko einer Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung oder alkoholischen Beeinflussung zur Tatzeit nicht bewusst ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 3 StR 351/11, NStZ 2012, 151). Die Prüfung, ob bedingter Vorsatz vorliegt, erfordert bei Tötungsdelikten insbesondere dann, wenn das Tatgericht allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. insbesondere zur Würdigung des voluntativen Vorsatzelements BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 188 Rn. 29; vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216 und vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80, jeweils mwN), wobei schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht erstrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigt (BGH, Urteil vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, NStZ-RR 2016, 204; MüKo-StGB/Schneider, 2. Aufl., § 212 StGB Rn. 67 mwN).
14
2. Die Beweiswürdigung ist bereits hinsichtlich des vom Landgericht bezweifelten Vorliegens des Wissenselementes nicht nachvollziehbar. Die Kammer geht nämlich davon aus, dass die Angeklagte spätestens ab dem Zeitpunkt , in dem sie den Kopf des Kindes während des Geburtsvorgangs zwischen den Beinen spüren konnte, wusste, dass sie ein Kind geboren hatte (UA S. 7). Damit hätte in den Blick genommen werden müssen, dass sich der Angeklagten aufdrängen musste, dass das Kind in die Toilettenschüssel gefallen war, zumal sie ein Plumpsen gehört hatte. Insoweit stellt es einen Rechtsfehler dar, wenn das Schwurgericht davon ausgeht, dass (erst) durch ein sofortiges Nachsehen in der Toilettenschüssel für die Angeklagte erkennbar gewesen wäre, dass das Neugeborene in der Toilettenschüssel zum Liegen gekommen war und ohne sofortige Hilfe an der Gesundheit geschädigt werden oder gar versterben könnte (UA S. 7). Dass die Angeklagte dabei davon ausging, für den mit dem Kopf nach unten in die Toilettenschüssel gefallenen Neugeborenen sei die entstandene Situation ungefährlich, hat das Landgericht nicht festgestellt.
15
3. Auch die Ausführungen der Schwurgerichtskammer zur Willenskomponente sind nicht frei von Widerspruch und damit rechtsfehlerhaft. Das Landgericht vermochte zwar einen bedingten Tötungsvorsatz nicht auszuschließen (UA S. 29 f.), war aber offenbar auch von einer fahrlässigen Tatbegehung nicht überzeugt, wenn es eine solche als „nicht bloß gleichwertige, sondern sogar wesentlich wahrscheinlichere Sachverhaltsalternative“ angenommen hat (UA S. 30). Dabei verkennt die Schwurgerichtskammer, dass das Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit weder eine Frage der Gleichwertigkeit noch der Wahrscheinlichkeit ist. Ein und dieselbe Rechtsgutsverletzung kann nicht zugleich vorsätzlich und fahrlässig geschehen (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 15 Rn. 2). Vielmehr wäre der Tatrichter gehalten gewesen, darzulegen, weshalb der mit dem Kopf voraus in den Tiefspüler gestürzte Neugeborene sich nach Auffassung der Angeklagten nicht in Todesgefahr befand und sie mit einem Überleben rechnen konnte, wenn sie ihn in dieser Lage für mindestens drei Minuten beließ. Außerdem hätte das Landgericht, nachdem es keinen bedingten Tötungsvorsatz festzustellen vermochte, zumindest prüfen müssen, ob sich die Angeklagte nicht auch wegen einer Aussetzung (§ 221 Abs. 1, 3 StGB) strafbar gemacht hat.
16
Im Übrigen ist auf Grund der bezeichneten Ausführungen der Schwurgerichtskammer zu besorgen, dass diese überspannte Anforderungen an die für die Feststellung eines zumindest bedingten Tötungsvorsatzes erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten ausschließende Gewissheit im Sinne einer nach den Formulierungen des Landgerichts nicht mehr gegebenen Gleichwertigkeit oder einer stärkeren Wahrscheinlichkeit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Der Tatrichter ist also nicht gehindert, an sich mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen, wenn diese tragfähig sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238).
Graf Jäger Cirener
Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 498/15
vom
19. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes mit Todesfolge
ECLI:DE:BGH:2016:190416U5STR498.15.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. April 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender, Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König, Richter Dr. Berger, Richter Bellay als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin F. als Verteidigerin, Rechtsanwalt H. als Vertreter der Nebenklägerin T. , Rechtsanwalt P. als Vertreter des Nebenklägers D. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. April 2015 aufgehoben, jedoch haben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen Bestand.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Mit ihren auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen beanstanden die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger, dass das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht festgestellt hat. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gewann der gesondert Verfolgte Pa. im Mai 2014 den in Polen vielfach wegen Raub- und Einbruchdiebstahlstaten vorbestraften Angeklagten für die Beteiligung an einem Raubüberfall auf die 84-jährige alleinstehende Dut. . Pa. hatte deren Wohnung und Lebensgewohnheiten zuvor über längere Zeit ausgekundschaftet. Ihm war bekannt, dass sie größere Mengen Bargeld und Schmuck in ihrer Wohnung aufbewahrte. Er wusste ferner, dass sie körperlich gebrechlich war und sich außerhalb ihrer Wohnung nur mit einer Gehhilfe fortbewegen konnte. Pa. wollte den Überfall mit dem gesondert Verfolgten W. und weiteren Personen begehen und hatte dem Angeklagten die Örtlichkeit gezeigt. Nach seinem Plan sollte eine Person an der Wohnungstür klingeln , um sich mit ihm und einem Komplizen unter einem Vorwand Zutritt zur Wohnung zu verschaffen. Gleichzeitig sollte der Angeklagte bei geöffneter Balkontür über den Balkon in die Wohnung einsteigen. Falls Dut. die Wohnungstür nicht öffnen würde, sollte der Angeklagte sie überwältigen und Hilferufe möglichst verhindern. Den übrigen Tatbeteiligten sollte er von innen Einlass verschaffen.
3
Der Angeklagte versuchte in der Folgezeit, den Zeugen C. für eine Tatbeteiligung zu gewinnen. Er zeigte ihm vor Ort, wie er über den Balkon in die Wohnung gelangen wolle, und erklärte, die Überfallene knebeln und bei Bedarf fesseln zu müssen. C. lehnte das Ansinnen des Angeklagten ab und warnte ihn, dass bei dem Überfall auf eine betagte Frau ein „Unglück“ ge- schehen könne, beispielsweise wenn sie einen Herzanfall erleide. Diese Be- denken schob der Angeklagte mit der Hoffnung auf einen „guten“ Ausgang bei- seite.
4
Am Nachmittag des 17. Juni 2014 schien Pa. die Gelegenheit günstig. Er begab sich mit dem Angeklagten und W. zum Wohnhaus des Tatopfers. Spätestens dort kamen noch die in die Tatplanung eingebundene gesondert Verfolgte S. und ein unbekannter Mittäter hinzu. Ein Tatbeteiligter klingelte an der Haustür. Währenddessen stieg der unmaskierte Angeklagte auf den Balkon und betrat durch die offenstehende Balkontür das Wohnzimmer , wo er auf Dut. traf. Um Hilferufe zu unterbinden, nahm er sie von hinten in eine Art „Schwitzkasten“ und übte mit seinem Arm Druck auf ihren Hals aus. Dut. versuchte, sich aus dem Griff des Angeklagten zu befreien. Es gelang ihr, noch mindestens zweimal um Hilfe zu rufen.
5
Neben dem Angeklagten gelangten zumindest Pa. und der unbekannte Mittäter in die Wohnung, während W. und S. sich jedenfalls in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielten und die Tatbegehung absicherten. Zumindest der Angeklagte und der unbekannte Mittäter wirkten gewaltsam auf die sich unerwartet heftig wehrende Dut. ein, die dabei erheblich im Gesicht und am Hinterkopf verletzt wurde. Sie wollten die Geschädigte ruhigstellen und dazu zwingen, den Aufbewahrungsort von Wertgegenständen und des Schlüssels zu einem Wandtresor sowie die PIN für die zu ihrem Girokonto gehörenden Bank- und Kreditkarten preiszugeben. Nachdem dies gelungen war, knebelte der Angeklagte sie mit einem Tuch. Beim Hineindrücken des Knebels in die Mundhöhle klappte die Zunge nach hinten in den Rachenbereich und verlegte die Atemwege vollständig. Zudem verknotete der Angeklagte oder ein Mittäter eine Decke fest um ihren Hals. Nach ihrer Misshandlung und Knebelung verbrachte der Angeklagte die Geschädigte ins Badezimmer, legte sie auf dem Fußboden ab und bedeckte ihren Kopf mit einer Decke.
6
Spätestens durch diese Einwirkung auf den Kehlkopfbereich der Geschädigten wurde eine Fraktur des Schildknorpelfortsatzes herbeigeführt. Bei der massiven körperlichen Misshandlung verlor sie ihre beiden Zahnprothesen und erlitt einen acht Zentimeter langen Einriss des Mundwinkels. Sie bekam aufgrund der Knebelung keine Luft mehr und wurde innerhalb von 15 Sekunden bewusstlos. Infolge der Verlegung ihrer Atemwege in Verbindung mit der Gewalteinwirkung gegen ihren Hals durch die fest um ihn verknotete Decke verstarb sie innerhalb von drei Minuten.
7
Noch während der Angeklagte und ein Mittäter auf die Geschädigte gewaltsam einwirkten, begannen die übrigen Täter mit der Suche nach Wertgegenständen , an der sich anschließend auch der Angeklagte beteiligte. Nachdem die Täter bemerkt hatten, dass das Opfer verstorben war, brachen sie die Tatausführung ab und flüchteten.
8
2. Vom Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes hat sich das Landgericht nicht überzeugen können. Der Angeklagte habe bei Knebelung der Geschädigten nicht beabsichtigt, sie zu töten. Er habe es zwar für möglich gehalten , dass sie infolge der ersichtlich lebensgefährdenden Gewalteinwirkung versterben könne. Vor allem das hohe Alter und die erkennbar beeinträchtigte gesundheitliche Verfassung der Geschädigten hätten die Gefahr eines tödlichen Ausgangs naheliegend erscheinen lassen. Ob der Angeklagte den Tod der Geschädigten billigend in Kauf genommen oder sich damit zumindest abgefunden habe, habe sich aber nicht sicher feststellen lassen. Ihm sei es vornehmlich darum gegangen, die Geschädigte durch die Knebelung ruhigzustellen. Nach allgemeiner Vorstellung werde eine auch massive Knebelung in der Regel nicht als naheliegend oder typischerweise todesverursachende Gewalteinwirkung angesehen (UA S. 19, 59). Andere, viel eher todesursächliche Gewalthandlun- gen seien nicht angewendet worden. Nicht auszuschließen sei, dass der Angeklagte aufgrund der unerwartet starken Gegenwehr der Geschädigten und der hierdurch unvermittelt eskalierenden Tatsituation überfordert gewesen sei und die Heftigkeit der Knebelung sowie die dadurch verursachte Todesgefahr nicht vollständig erkannt habe (UA S. 20, 58 f.). Auch der Umstand, dass der Angeklagte der Geschädigten wegen der Gefahr des Wiedererkennens der Täter eine Decke über den Kopf gelegt habe, spreche dafür, dass der Angeklagte auf ein Überleben der Geschädigten vertraut habe (UA S. 59).

II.


9
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Tötungsvorsatz hält – trotz des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 64) – sachlich -rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, weiter dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26; vom 26. März 2015 – 4 StR 442/14, NStZ-RR 2015, 172 mwN). Eine hohe und zudem anschauliche konkrete Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen stellt mithin auf beiden Vorsatzebenen das wesentliche auf bedingten Tötungsvorsatz hinweisende Beweisanzeichen dar (vgl. MüKo-StGB/Schneider, 2. Aufl. § 212 Rn. 65 mwN). Allerdings können im Einzelfall das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes fehlen, wenn etwa dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen , das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung etwa bei Affekt oder alkoholischer Beeinflussung nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements ) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Beide Elemente müssen tatsachenfundiert getrennt voneinander geprüft werden (BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR558/11, aaO, S. 187 Rn. 27; vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3383 mit krit. Anm. Lohmann, NStZ 2015, 580; vgl. zum Vertrauenskriterium als zentralem Abgrenzungsmerkmal auf der voluntativen Vorsatzebene MüKo-StGB/Schneider, aaO Rn. 64 f.).
11
Die Prüfung, ob bedingter Vorsatz vorliegt, erfordert bei Tötungsdelikten insbesondere dann, wenn das Tatgericht allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. insbesondere zur Würdigung des voluntativen Vorsatzelements BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 188 Rn. 29; vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216; vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80, jeweils mwN), wobei schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht erstrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigt (vgl. MüKo-StGB/Schneider, aaO Rn. 67 mwN).
12
b) Das Landgericht hat bei seiner Gesamtbetrachtung zwar im Ausgangspunkt nicht verkannt, dass die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Lebensgefährlichkeit der Tathandlung ein maßgebliches Indiz für bedingten Vorsatz ist. Angesichts der hierzu widersprüchlichen Ausführungen wird jedoch schon nicht hinreichend deutlich, ob die Schwurgerichtskammer bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder erst daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
13
Während eingangs der beweiswürdigenden Ausführungen zur subjektiven Tatseite – den Feststellungen unter II.3.3 der Urteilsgründe entsprechend – die Überzeugung der Schwurgerichtskammer begründet wird, der Angeklagte habe es für möglich gehalten, durch die Knebelung der Geschädigten schlimmstenfalls deren Tod herbeizuführen, und Zweifel lediglich im Hinblick auf das Willenselement des Tötungsvorsatzes festgehalten werden (UA S. 57), begründet das Landgericht nachfolgend solche Zweifel anhand von Tatumstän- den, aufgrund derer der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sei, „sein als lebensgefährlich erkanntes Handeln und dessen Folgen unter den besonderen Umständen der konkreten Tatsituation gedanklich in vollem Umfang zu erfas- sen und adäquat zu bewerten“ (UA S. 58). Mit dieser Umschreibung der vom Landgericht angenommenen Situation des Angeklagten bei Tatbegehung ist allerdings allein das Wissenselement des Tötungsvorsatzes angesprochen wie auch mit den hierzu angeführten Umständen eines sich für den Angeklagten unerwartet entwickelnden Tatablaufs und einer nicht ausschließbaren Wirkung zuvor (zur Ermutigung) konsumierten Alkohols. Das Landgericht hält es deshalb für möglich, der Angeklagte könne fehlerhaft davon ausgegangen sein, „seine Gewalteinwirkung bei der Knebelung der Geschädigten ihrer Intensität nach noch so bemessen zu haben, dass diese nicht zu Tode kommt“ (UA S. 59).
14
c) Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der konkreten Lebensgefährlichkeit der Knebelung ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut haben könnte, das Opfer werde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt. Sie liegen bei dem Tatgeschehen auch eher fern.
15
aa) Entgegen der Auffassung des Landgerichts spricht gegen die Billigung des Todes insbesondere nicht der Umstand, dass der Angeklagte der im Badezimmer abgelegten Geschädigten noch eine Decke über den Kopf legte. Das Landgericht hat – der Einlassung des Angeklagten folgend (UA S. 31) – die Feststellung getroffen, er habe mit seinem Vorgehen die Geschädigte an der Beobachtung des weiteren Geschehens in der Wohnung und an einer späteren Wiedererkennung eines der Täter hindern wollen (UA S. 19). Die Realisierung einer Wiedererkennungsgefahr wertet das Landgericht als Anzeichen dafür, dass der Angeklagte „darauf vertraute, die Geschädigte werde überleben“ (UA S. 59). Die Beweiswürdigung ist insoweit zumindest lückenhaft.
16
Das Landgericht hätte sich mit der Feststellung auseinandersetzen müssen , dass der Angeklagte die Tat ohne Maskierung beging und im Wohnzimmer auf die Geschädigte traf (UA S. 16), die ihm dort – seiner Einlassung in der Hauptverhandlung gemäß (UA S. 30) – entgegenkam. Auch die Feststellungen, dass der Angeklagte und seine Mittäter mit massiver Gewalt auf die Geschädigte auch deshalb einwirkten, um sie zur Preisgabe von Verstecken und PIN zu nötigen, und die übrigen Tatbeteiligten die Wohnung schon nach Beute durch- suchten, während der Angeklagte noch mit ihr „befasst“ war, legen nahe, dass sie die Tatbeteiligten bereits gesehen hatte. Nicht zuletzt stand der vom Angeklagten behaupteten Besorgnis, die Geschädigte könne das Tatgeschehen vom Badezimmer aus noch weiter beobachten, der rechtsmedizinische Befund entgegen , dass sie nach ihrer Knebelung bereits innerhalb von 15 Sekunden bewusstlos geworden war.
17
bb) Auch die abstrakten, nicht durch einen Erfahrungssatz gestützten und ohnehin eher die kognitive Seite des Vorsatzes betreffenden Erwägungen zur Gewalteinwirkung durch Knebelung eines Opfers, die „typischerweise dazu dient, dieses nur vorübergehend daran zu hindern, sich verbal durch Hilferufe bemerkbar zu machen (…) und auch nicht von vornherein die Atmung durch die Nase (hindert)“ (UA S. 59), sind nicht geeignet, die Annahme eines ernsthaften Vertrauens auf ein Ausbleiben des Todes der Geschädigten zu begründen. Insofern lösen sich die Ausführungen des Landgerichts von seinen zu den todesursächlichen Gewalthandlungen getroffenen Feststellungen, wonach der Knebel mit massiver Gewalt tief in den Rachen hineingeschoben (UA S. 18, 58), zusätzlich zur Knebelung komprimierend auf den Kehlkopfbereich durch die fest um den Hals verknotete Decke eingewirkt wurde (UA S. 19) und die Knebelung schon alsbald zur Bewusstlosigkeit des Opfers führte.
18
2. Der aufgezeigte Rechtsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben. Ergänzende, ihnen nicht widersprechende Feststellungen durch das neue Tatgericht sind zulässig.
Sander Dölp König
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 347/13
vom
19. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beteiligung an einer Schlägerei
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Dezember
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung vom 5. Dezember 2013,
Staatsanwaltschaft bei der Verkündung am 19. Dezember
2013
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
vom 5. Dezember 2013
als Verteidiger,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
vom 5. Dezember 2013
als Vertreterin des Nebenklägers Z. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklägers Z. wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 12. Dezember 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts und beantragt Freispruch, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. Der Nebenkläger Z. strebt eine Verurteilung wegen Totschlags (§ 212 StGB) an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen getroffen:
3
In der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 war der Angeklagte zusammen mit G. , M. und S. auf dem Weg zur Wohnung seines Vaters, wo sie von D. und Y. erwartet wurden. Kurz vor dem Erreichen der Wohnung trafen sie auf den später getöteten F. und die Zeugen Fe. , O. , Su. , Ga. und Gr. . Die Stimmung in der Gruppe um F. war alkoholbedingt ausgelassen bis gereizt. F. und Fe. beschimpften den Angeklagten und G. als „Hurensöhne“ und bezeichneten M. und S. als „Schlampen“. Dabei tat sich der eine körperliche Auseinandersetzung suchende F. besonders hervor. Während der Angeklagte und seine weiblichen Begleiterinnen auf die Provokationen nicht eingingen , reagierte G. mit Beleidigungen in Richtung des F. und seiner Begleiter und gab diesen zu verstehen, sie sollten weni- ge Minuten abwarten, „dann würden sie schon sehen“.
4
Sodann begaben sich der Angeklagte und seine Begleiter in die nahe gelegene Wohnung. Dort berichtete G. den wartenden D. und Y. , dass sie auf der Straße vor dem Haus „an- gemacht“ worden seien und draußen Leute warten würden, die auf eine Schlä- gerei aus seien. Man solle hinuntergehen, um die Sache zu klären. Der Angeklagte , der dieser Aufforderung nicht ausschließbar nur widerwillig nachkam, entnahm aus einer Schublade zwei Küchenmesser und übergab diese Y. , der sie an D. und G. weiterreichte.
Y. hatte zudem eine Shisha-Zange bei sich. Dem Angeklagten und seinen Begleitern war dabei bewusst, dass sie sich in eine alkoholbedingt aufgeladene Situation begeben würden, bei der auch mit Tätlichkeiten ernstlich zu rechnen war.
5
Als der Angeklagte und seine drei männlichen Begleiter unter der Führung von D. vor das Haus traten, wurden sie von der im Halbkreis aufgestellten Gruppe um F. erwartet. Während sich die als Wortführer auftretenden D. und F. zunächst ein Wortgefecht lieferten, trennten sich einzelne Personen aus den jeweiligen Gruppen heraus. Dabei kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen G. einerseits und Gr. und S. andererseits, bei der G. eines der Küchenmesser als Drohmittel einsetzte. Der Angeklagte und Fe. führten ein wenig abseits stehend ein Gespräch, bei dem sie übereinkamen, dass eine Schlägerei überflüssig sei und die Streitenden auseinandergebracht werden müssten. Nachdem es unterdessen zwischen einigen Mitgliedern der beiden Gruppen bereits zu Schubsereien gekommen war, wobei sowohl F. , als auch D. zu Boden gingen, trat der Angeklagte wieder hinzu, um D. von einer tätlichen Auseinandersetzung abzuhalten. Dies gelang ihm jedoch nicht. Statt- dessen kam es zu einer „heftigen Schlägerei“ zwischen D. und F. , bei der der Angeklagte daneben stand und das Geschehen beobachtete.
6
Weil sie möglicherweise der Mut verlassen hatte, ergriffen G. , D. und Y. die Flucht in Richtung eines nahe gelegenen Spielplatzes und ließen den Angeklagten alleine vor dem Wohnhaus zurück. Im Weglaufen drückte ihm D. noch mit dem Wort „hier“ eines der Küchenmesser in die Hand. Unterdessen flog eine zuvor von dem Angeklagten auf dem Boden abgestellte Wodkaflasche in Richtung der Gruppe um F. . Ob die Flasche von einem der Flüchtenden aus der Gruppe des Angeklagten geworfen wurde, hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht. Die Gruppe um F. lief nun – von ihm angeführt – auf den allein auf einer Rasenfläche stehenden Angeklagten zu, um ihn anzugreifen. F. stürzte sich auf den Angeklagten und versetzte ihm ein bis zwei Schläge und Tritte. In dieser Situation führte der Angeklagte das Messer einmal „ziellos nach vorne“ in die Richtung des ihn angreifenden F. , um erwartete weitere Schläge und Tritte abzuwehren und sich zu verteidigen. Den Eintritt eines Verletzungserfolges nahm er dabei billigend in Kauf. Er traf F. mit dem Messer im Bereich des Halses und fügte ihm eine 11 cm tiefe Stichverletzung zu. Einen gezielten Stich in den Halsbereich und die billigende Inkaufnahme von für möglich gehaltenen tödlichen Verletzungen hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht. Auch hat es sich nicht davon überzeugen können, dass es dem Angeklagten in der konkreten Situation möglich gewesen wäre, sich befürchteten weiteren Tätlichkeiten des Getöteten durch mildere Mittel oder ein Weglaufen zu entziehen.
7
Nach dem Stich ließ F. von weiteren Tätlichkeiten ab. Der Angeklagte hob das zunächst fallengelassene Messer wieder auf und lief zu D. , G. und Y. , die sich auf dem Spielplatz gesammelt hatten. Nachdem er an dem Messer Blutantragungen bemerkt hatte, äußerte er auf der sich anschließenden gemeinsamen Flucht vom Tatort: “Ich hab wohl einen abgestochen“.
8
2. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Beteiligung an einer Schlägerei gemäß § 231 Abs. 1 StGB gewertet. Zwischen F. und den Zeugen D. , G. , Su. und Ga. sei es zu wechselseitigen Körperverletzungen, mithin zu einer Schlägerei i.S.d. § 231 Abs. 1 StGB gekommen. An dieser Schlägerei sei der Angeklagte beteiligt gewesen, obgleich er selbst nicht geschlagen habe. Der Angeklagte habe sich in Kenntnis der Tatsache, dass auf der Straße eine gewaltbereite, überzählige Gruppe wartete, mit seiner Gruppe dorthin begeben, um die Sache zu klären. Damit habe er sich wissentlich in eine Situation begeben, in der unmittelbar mit Tätlichkeiten zu rechnen gewesen sei. Dieses Gesamtgeschehen reiche aus, um eine psychische Beteiligung des Angeklagten von Beginn der Auseinandersetzung an zu begründen (UA 19).
9
Eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 Abs. 1 StGB scheide aus, weil die Tat durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sei (§ 32 Abs. 2 StGB). Der Messerstich sei zur Abwehr des noch andauernden Angriffs des F. geeignet und erforderlich gewesen, da dem Angeklagten keine wirksameren Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Ob sein Notwehrrecht wegen eines zu missbilligenden Vorverhaltens eingeschränkt gewesen sei, könne dahinstehen, da er sich der Notwehrlage auch nicht durch ein Weglaufen habe entziehen können (UA 24). Das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes hat das Landgericht unter anderem mit der Erwägung verneint , dass der Angeklagte das Messer „ziellos“ nach vorne geführt habe und durch einen Verteidigungs- und nicht durch einen Tötungswillen motiviert gewesen sei (UA 21).

II.


10
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
11
1. Die Verurteilung wegen Beteiligung an einer Schlägerei gemäß § 231 Abs. 1 1. Alt. StGB wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen.
12
Eine Schlägerei im Sinne des § 231 Abs. 1 1. Alt. StGB ist eine mit gegenseitigen Tätlichkeiten verbundene Auseinandersetzung, an der mehr als zwei Personen aktiv mitwirken (BGH, Urteile vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403; vom 21. Oktober 1982 – 4 StR 526/82, BGHSt 31, 124, 125; vom 21. Februar 1961 – 1 StR 624/60, BGHSt 15, 369, 370). Die Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben nicht, dass es im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens zu Tätlichkeiten unter mindestens drei Personen gekommen ist.
13
a) Als eine für das Tatbestandsmerkmal Schlägerei konstitutive Tätlichkeit können neben zu vollendeten Körperverletzungen führenden Handlungen auch solche in Betracht kommen, die auf deren Herbeiführung abzielen (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1959 – 5 StR 289/59, GA 1960, 213; LK-StGB/ Hanack, 11. Aufl., § 231 Rn. 4; Schönke/Schröder/Stree, StGB, 27. Aufl., § 231 Rn. 3 mwN). Eine Tätlichkeit in diesem Sinn verübt auch, wer sich in Ausübung seines Notwehrrechts gegen einen Angriff in „Trutzwehr“ wendet (BGH, Urteil vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403; Urteil vom 21. Februar 1961 – 1 StR 624/60, BGHSt 15, 369, 370 f.; Küper, Strafrecht BT, 5. Aufl., S. 246).
14
Daran gemessen begegnet die Annahme einer Schlägerei durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Soweit die Strafkammer darauf abgestellt hat, dass es zu wechselseitigen Körperverletzungen zwischen F. und den Zeugen D. , G. , Su. und Ga. gekommen sei, findet sich dafür in den Feststellungen und der zuge- hörigen Beweiswürdigung nur in Bezug auf F. und D. („heftige Schlägerei“) ein ausreichender Beleg. Hinsichtlich G. und Su. ist lediglich eine „verbale Auseinandersetzung“ festgestellt, an der auch noch Gr. beteiligt war. Zudem drohte G. beiden mit einem Messer. Dass in diesem Zusammenhang auch Tätlichkeiten verübt wurden, lässt sich den Urteilsgründen nicht ent- nehmen. Die zu den „Schubsereien“ getroffenen Feststellungen lassen nicht erkennen, ob es dabei zu Körperverletzungen oder darauf abzielenden Handlungen gekommen ist. Zudem bleibt offen, ob neben den dabei zu Boden gegangenen D. und F. noch weitere Personen beteiligt waren. Die Feststellungen zum Wurf der Wodkaflasche reichen für eine Beurteilung als tatbestandskonstitutive Tätlichkeit einer dritten Person nicht aus, da er nicht ausschließbar von D. ausgeführt worden sein kann.
15
b) Mit der Frage, ob es sich bei dem abschließenden Geschehen, bei dem es zu (weiteren) Tätlichkeiten zwischen F. (ein bis zwei Schläge und Tritte) und dem Angeklagten (Messerstich) kam, um einen Teilakt einer bereits zuvor begonnenen und noch fortdauernden einheitlichen tätlichen Auseinandersetzung handelte, hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Dies versteht sich indes nicht von selbst.
16
Die für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals Schlägerei erforderlichen wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mehr als zwei Personen müssen nicht gleichzeitig begangen werden (BGH, Urteil vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403; RG, Urteil vom 15. Oktober 1940 – 1 D 464/40, HRR 1941 Nr. 369). Eine Schlägerei im Sinne des § 231 Abs. 1 1. Alt. StGB kann vielmehr auch anzunehmen sein, wenn nacheinander jeweils nur zwei Personen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben, zwischen diesen Vorgän- gen aber ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass eine Aufspaltung in einzelne „Zweikämpfe“ nicht in Betracht kommt und die Annahme eines ein- heitlichen Gesamtgeschehens mit mehr als zwei aktiv Beteiligten gerechtfertigt ist (BGH, Urteil vom 12. März 1997 – 3 StR 627/96, NStZ 1997, 402, 403; RG, Urteil vom 15. Oktober 1940 – 1 D 464/40, HRR 1941 Nr. 369; vgl. RG, Urteil vom 24. Februar 1925 – I 61/25, RGSt 59, 107, 108 f. zum von mehreren verübten Angriff; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 231 Rn. 2; NK-StGB/Paeffgen, 3. Aufl., § 231 Rn. 5; Pichler, Beteiligung an einer Schlägerei, 2010, S. 47). Allerdings verliert eine tätliche Auseinandersetzung zwischen mehr als zwei Personen den Charakter einer Schlägerei, wenn sich so viele Beteiligte entfernen,dass nur noch zwei Personen verbleiben, die aufeinander einschlagen oder in anderer Weise gegeneinander tätlich sind (RG, Urteil vom 27. September 1938 – 4 D 646/38, JW 1938, 3157; Eisele, ZStW 110 [1998], S. 69, 72; Henke, Jura 1985, 585, 586; Saal, Die Beteiligung an einer Schlägerei, 2005, S. 44).
17
Ob ein einheitliches Gesamtgeschehen bis zum Ende vorlag, hätte der Prüfung durch die Strafkammer bedurft. Daran fehlt es indes. Das Schwur- gericht hat in seiner rechtlichen Würdigung zwar darauf verwiesen, dass „eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen“ sei. Es hat dabei aber nicht – wie geboten – darauf abgestellt, ob in diese auch der Messerstich des Angeklagten einzube- ziehen ist, sondern allein darauf, ob „eine Beteiligung des Angeklagten … von Beginn der Tätlichkeiten an“ vorlag (UA 19).
18
2. Die Sache bedarf daher auf die Revision des Angeklagten neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass dabei Feststellungen getroffen werden können, die eine Bestrafung des Angeklagten wegen Beteiligung an einer Schlägerei rechtfertigen.

III.


19
Die Revision des Nebenklägers Z. hat ebenfalls Erfolg.
20
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte könne nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB bestraft werden, weil der tödliche Stich zur Angriffsabwehr erforderlich und deshalb durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt gewesen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
21
a) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-anteBetrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 449/13 Rn. 6; Beschluss vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106; Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN). Auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel muss der Angegriffene nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht (BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106; Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140; Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 274). Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein. Da- bei geht die Rechtsprechung jedoch davon aus, dass gegenüber einem unbewaffneten Angreifer der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers in der Regel anzudrohen ist (BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106; Urteil vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN). Angesichts der schweren Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die regelmäßig in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine vorherige Androhung des Messereinsatzes dabei jedoch keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2011 – 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 274).
22
b) Diesen Grundsätzen werden die Erwägungen des Landgerichts zur Erforderlichkeit des Messerstichs nicht gerecht. Für die Annahme, dem Angeklagten wäre eine erfolgversprechende Androhung des Messereinsatzes nicht möglich gewesen, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage.
23
Das Landgericht hat sich außerstande gesehen, konkrete Feststellungen zum Geschehen unmittelbar vor dem tödlichen Stich zu treffen und deshalb seiner Entscheidung die unwiderlegte Einlassung des Angeklagten zugrunde gelegt. Dieser – in einer gebilligten Verteidigererklärung liegenden – Einlassung lässt sich zum äußeren Geschehen jedoch lediglich entnehmen, dass F. dem Angeklagten vor dem tödlichen Stich mindestens zwei Schläge und einen Tritt versetzte, der Angeklagte das Messer zu diesem Zeitpunkt bereits in der Hand hielt und der tödliche Stich von ihm „ziellos“ nach vorne geführt wurde (UA 12). Eine nähere Beschreibung der „Kampflage“, die für eine objektive Bewertung der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten herangezogen werden könnte, enthalten diese Angaben nicht.
24
Zwar darf sich das Fehlen von sicheren Feststellungen zu Einzelheiten des Geschehens nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken (BGH, Beschluss vom 15. November 1994 – 3 StR 393/94, NJW 1995, 973), doch hätte das Landgericht an dieser Stelle in seine Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Angeklagte auch behauptet hat, den tödlichen Stich nur geführt zu haben, „um sein Gegenüber zu erschrecken“ und dadurch von weiteren Tätlichkeiten abzuhalten (UA 12). Diese Einlassung deutet darauf hin, dass er selbst in der Androhung des Messereinsatzes eine realistische Verteidigungsmöglichkeit gesehen hat. Warum diese Einschätzung bei objektiver Betrachtung unzutreffend ist, obgleich die Auseinandersetzung bis dahin nur auf – offenkundig folgenlose – Schläge und Tritte begrenzt war, hätte näherer Darlegung bedurft. Die Feststellung, dass die gesamte Gruppe um F. in Angriffsabsicht auf den Angeklagten zugelaufen sei, findet in der zugehörigen Beweiswürdigung keine Stütze. Nach der zugrunde liegenden Einlassung des Angeklagten wurde nur F. tätlich. Auch hat er nur damit gerechnet, von diesem verprügelt zu werden (UA 12).
25
2. Dieser Rechtsfehler führt dazu, dass das angegriffene Urteil auch auf die Revision des Nebenklägers aufzuheben ist.
26
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
27
a) Sollte der neue Tatrichter zu der Feststellung gelangen, dass sich der Angeklagte auf eine einvernehmliche Prügelei eingelassen hat, bei der sich Angriffe und Abwehrhandlungen aneinanderreihen, wird er zu bedenken haben, dass sich in Ermangelung eines Verteidigungswillens nicht auf Notwehr berufen kann, wer dabei zum Messer greift und auf seinen Gegner einsticht, weil er den Kürzeren gezogen hat (BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 – 5 StR 106/90, NStZ 1990, 435; Urteil vom 25. August 1977 – 4 StR 229/77, bei Holtz, MDR 1978, 109 mwN). Allerdings kann sich auch für den Beteiligten an einer einvernehmlichen Prügelei eine Notwehrlage ergeben, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er den Kampf nicht fortsetzen will und danach zum allein Angegriffenen wird (BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 – 5 StR 106/90, NStZ 1990, 435; Urteil vom 6. Juli 1965 – 1 StR 204/65, bei Dallinger, MDR 1966, 23).
28
b) Ergeben die neuen Feststellungen, dass sich der Angeklagte bei der Ausführung des Messerstichs gegen einen rechtswidrigen Angriff verteidigt hat, wird zu prüfen sein, ob er mit Blick auf die Rechtsprechung zur Notwehrprovokation (vgl. BGH, Urteile vom 2. November 2005 – 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333; vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 f.; vom 7. Februar 1991 – 4 StR 526/90, Rn. 22; vom 15. Mai 1975 – 4 StR 71/75, BGHSt 26, 143, 145) nur eingeschränkt von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen durfte. Hierzu wird dann Anlass bestehen, wenn sich (wiederum) ergibt, dass der Angeklagte seine Begleiter durch die Bereitstellung der Messer und seine Teilnahme an der Konfrontation mit der Gruppe um F. in ihrer Streitlust bestärkt hat und sich der spätere Angriff auf ihn als eine adäquate und voraussehbare Folge des von ihm mit ausgelösten Geschehens erweist.
29
c) Der neue Tatrichter wird auch zu bedenken haben, dass ein bedingter Tötungsvorsatz nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden kann, der Angeklagte sei durch einen Verteidigungs- und nicht durch einen Tötungswillen motiviert gewesen. Mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv, sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445; Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Die Absicht, sich verteidigen zu wollen, steht daher der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Hat der Täter – wie vom Angeklagten behauptet – „panische Angst“, kann dies sogar eher für als gegen einen bedingten Tötungsvorsatz sprechen. Ferner wird zu berücksichtigen sein, dass ein „ziellos“ geführter Messerstich zwar einendirekten, nicht aber ohne Weiteres einen bedingten Tötungsvorsatz ausschließt. Schließlich hat der in der Gesamtwürdigung enthaltene Hinweis auf die bei der Tötung eines anderen Menschen bestehende besondere Hemmschwelle – für sich genommen – kein argumentatives Gewicht (BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183 Rn. 31 ff.).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 608/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
die Nebenkläger V. und T. V. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , begangen in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges) und Nr. 5 StGB (Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und die Eltern des Geschädigten als Nebenkläger beanstanden mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts.
2
1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 12. Dezember 2010 gegen 03.45 Uhr mit drei Freunden auf dem Parkplatz einer Diskothek auf. Als es im Eingangsbereich zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit wechselseitigen Faustschlägen zwischen den Zeugen A. und C. kam, lief der Angeklagte in Richtung der Streitenden, um zu schlichten (UA 6/7). Etwa zum gleichen Zeitpunkt trat der ebenfalls um eine Streitschlichtung bemühte D. V. zwischen die Kontrahenten und wurde von dem Zeugen A. mit der Faust zu Boden geschlagen. Ob sich D. V. danach noch einmal zu erheben vermochte oder sofort regungslos liegenblieb, konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei feststellen. Wenige Sekunden nachdem D. V. zu Boden gegangen war, trat ihm der Angeklagte ohne nachvollziehbaren Grund aus der Körperdrehung heraus mit seiner rechten Innenfußseite gegen die rechte Wange. Zu diesem Zeitpunkt lag D. V. auf der Seite oder auf dem Rücken, sodass sein Gesicht zur Seite oder nach oben ge- richtet war. Infolge des „mit nicht genau feststellbarer Intensität“ geführten Tritts wurde der Kopf des erheblich alkoholisierten Geschädigten nach hinten ge- schleudert und „im Radius von etwa 1/2 Meter in Trittrichtung gedreht. Die Fü- ße blieben am Ort liegen“. Dabei trug der Angeklagte geschnürte Sportschuhe, deren Innenseite so hart war, dass es dadurch bei Tritten zu erheblichen Verletzungen kommen konnte (UA 7).
3
Der Zeuge C. und andere Umstehende bemühten sich sofort um eine Erstversorgung des Geschädigten und alarmierten um 3.53 Uhr den Rettungsdienst. Der Angeklagte zeigte sich ebenfalls besorgt und überließ dem Zeugen C. seine Telefonnummer. Danach fuhr er mit seinen Freunden nach Hause.
4
Als der Rettungsdienst um 4.02 Uhr eintraf, war der Geschädigte bewusstlos und ohne eigene Atmung. Bei einem Intubationsversuch stellte der kurze Zeit später hinzu gekommene Notarzt fest, dass der Deckel der Luftröhre durch einen Kaugummi verlegt und deshalb keine Versorgung mit Sauerstoff über die Atemwege mehr möglich war. Nachdem er den Kaugummistreifen mit einem Spezialinstrument entfernt hatte, konnte der Tubus gelegt und eine maschinelle Beatmung eingeleitet werden. D. V. hatte daraufhin wieder ei- nen Spontankreislauf und einen stabilen Puls. Bis zu diesem Zeitpunkt war er etwa 15 Minuten ohne Bewusstsein. Nach dem Transport ins Krankenhaus wurde bei ihm eine bis dahin unbemerkt gebliebene massive Einblutung in die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) festgestellt, die noch am 12. Dezember 2010 eine operative Entfernung knöcherner Schädelteile erforderlich machte (Entlastungscraniektomie). D. V. verstarb am 16. Dezember 2010 an einer irreversiblen Hirnschädigung in Folge einer akuten schwersten globalen Minderversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff.
5
Das medizinisch-sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Geschädigte auf Grund des Faustschlages des Zeugen A. seinen Kaugummi in einer Weise verschluckt hat, dass dadurch sowohl der Kehlkopf als auch die Luftröhre verlegt wurden. In der Folge kam es zu einem reflektorischen Herz-Kreislauf-Stillstand (sog. Bolustod). Die Einblutung unter die weiche Hirnhaut ist nach Ansicht des Landgerichts „am ehesten durch den Sturz des Geschädigten ausgelöst worden und kann nicht zwangsläufig auf den Tritt des Angeklagten zurückgeführt werden“. Sie wurde zudem „wohl vom Bolustod überholt“ und ist „jedenfalls nicht mehr todesursächlich geworden“.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass durch seinen Tritt „das Leben des Geschädigten potentiell gefährdet würde“. Eshat deshalb einen bedingten Vorsatz in Bezug auf eine das Leben gefährdende Körperverletzungshandlung entsprechend § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB für gegeben erachtet (UA 24).
7
Einen bedingten Tötungsvorsatz hat das Landgericht verneint, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte bei der Ausführung des Trittes den Tod des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Dabei hat es auf die folgenden Punkte abgestellt (UA 26):
8
Die Intensität des Trittes konnte nicht ausreichend festgestellt werden und war deshalb ohne Aussagekraft. Das Fehlen knöcherner Schädelverlet- zungen spricht eher gegen „eine besonders starke Intensität“(UA 27).
9
Eine „deutliche Motivation“ für den Tritt ist nicht feststellbar, weil der An- geklagte an der vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht beteiligt war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gegenüber dem ihm unbekannten Geschädigten eine „grundsätzlich feindliche Willensrichtung“ eingenommen hatte, bestehen nicht. Eine Solidarisierung mit dem Zeugen A. , die die Annahme rechtfertigen könnte, der Angeklagte habe ihn auch um den Preis des Todes eines Menschen unterstützen wollen, ist nicht anzunehmen. A. war dem Angeklagten nur flüchtig bekannt und wurde von D. V. zuvor nicht angegriffen.
10
Der Umstand, dass dem Angeklagten seine Tat sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, ist ein „weiteres Indiz“ gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes (UA 27).
11
3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst , wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, Rn. 23; Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11; KK-StPO/Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 51 mwN).
13
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 34 f. mwN.). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534; NK-StGB/Neumann 3. Aufl., § 212 Rn. 12 f.; Mößner, Die Überprüfung des bedingten Tötungsvorsatzes in der Revision S. 6 ff., jew. mwN). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jew. mwN).
14
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.
15
Die Ausführungen des Landgerichts zur objektiven Gefährlichkeit des vom Angeklagten geführten Angriffs sind schon deshalb lückenhaft, weil sie sich nicht mit der von dem Angeklagten selbst geschilderten erheblichen Wirkung seines Tritts auf die Lage des Körpers des Geschädigten auseinanderset- zen (UA 7 und 14). Auch hätte an dieser Stelle nochmals erkennbar Berücksichtigung finden müssen, dass der Angeklagte die Trittwirkung gefährlich verstärkende Schuhe trug (UA 7) und auf den Geschädigten zu einem Zeitpunkt eintrat, als dieser – jedenfalls nach seiner Wahrnehmung (UA 13) – in Folge des Schlags des Zeugen A. regungslos am Boden lag. Bei seinen Erörterungen zum inneren Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht diese Umstände als Beleg dafür ausreichen lassen, dass der Angeklagte eine potentielle Gefährdung des Lebens seines Opfers in Kauf nahm (UA

24).


16
Die Annahme des Landgerichts, der Tritt des Angeklagten könne nicht von „besonders starker Intensität“ (UA 27) oder „nicht von übermäßiger Wucht“ (UA 19) gewesen sein, weil bei dem Geschädigten keine knöchernen Schädelverletzungen festzustellen waren, stellt einseitig auf die ex post feststellbaren Verletzungsfolgen ab (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11 Rn. 28) und lässt die generelle Gefährlichkeit derartiger Tritte außer Acht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 179/11, Rn. 10). Sie ist zudem nicht mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung vereinbar, dass die Knochenbrücke zwischen den Knochendeckeln des Schädelknochens einen nicht unterbluteten Bruch aufwies (UA 11). Zwar liegt es nicht fern, dass dieser Bruch auf die später durchgeführte Entlastungscraniektomie zurückzuführen ist, doch hätte dies einer ausdrücklichen Erörterung bedurft.
17
Der Umstand, dass dem Angeklagten sein Tritt sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, durfte vom Landgericht nicht ohne weitere Darlegungen als Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gewertet werden.
18
Nachträgliches Bedauern und Rettungsversuche sagen nur bedingt etwas über die innere Haltung des Täters im Tatzeitpunkt aus, da sie nicht selten auf einer spontanen Ernüchterung beruhen und mit Blick auf die Tatfolgen von der Sorge um das eigene Wohl geleitet sind (BGH, Urteil vom 8. August2001 – 2StR 166/01, NStZ-RR 2001, 369, 370; Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630). Der Angeklagte hat hierzu angegeben, nach dem Tritt „wach geworden“ zu sein. Dabei habe er begriffen, dass er etwas ge- tan habe, was nicht in Ordnung gewesen sei (UA 14). Der Angeklagte – dessen Einlassung das Landgericht im Übrigen gefolgt ist – hat damit selbst eingeräumt , dass sein Nachtatverhalten nicht mehr Ausdruck der ihn beherrschenden inneren Einstellung im Tatzeitpunkt gewesen ist, sondern auf einer veränderten Sicht der Dinge beruhte. Hieran durfte das Landgericht nicht vorübergehen.
19
Bedenken bestehen schließlich auch insoweit, als das Landgericht in dem Umstand, dass es „keine deutliche Motivation für den Tritt“ festzustellen vermochte, ein Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gesehen hat.
20
Mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv , sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs.1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317,

318).


21
Das Landgericht hat mit der Verneinung einer feindlichen Grundhaltung gegenüber dem Geschädigten einerseits und einer unbedingten Solidarität mit seinem Kontrahenten A. andererseits lediglich zwei mögliche starke Handlungsantriebe ausgeschlossen. Dies allein lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass es dem Angeklagten deshalb an der Bereitschaft gefehlt hat, auch schwerste Tatfolgen in Kauf zu nehmen. Stattdessen wäre es an dieser Stelle erforderlich gewesen, näher auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt und seine Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse einzugehen. Wie das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zu § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG zutreffend festgestellt hat, lässt die Art und Weise, wie sich der Angeklagte zu der Tat hinreißen ließ, auf einen starken Mangel an Ausgeglichenheit und Besonnenheit schließen (UA 29). Auch musste er in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Körperverletzung geahndet werden, wobei er seinen Opfern jeweils knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels zufügte (UA 4 f.). Mangelnde Impulskontrolle, wie sie bei dem Angeklagten schon mehrfach zutage getreten ist, führt nicht selten dazu, dass es bereits bei geringsten Anlässen zu massiven Gewalthandlungen kommt, bei denen dem Täter die Konsequenzen seines Handelns gleichgültig sind und deshalb selbst tödliche Folgen in Kauf genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08, Rn. 9).
22
4. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Ein Eingehen auf die von der Revision erhobenen Einwände gegen die unterbliebene Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist unter diesen Umständen ebenso wenig erforderlich wie die Erörterung einer Strafbarkeit nach § 231 Abs. 1 Alt. 2 StGB.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 123/06
vom
13. Juni 2006
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Juni 2006 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 22. Dezember 2005 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten erweist sich als unbegründet.
2
1. Die erhobene Verfahrensrüge ist bereits unzulässig, da sie – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat – nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt.
3
2. Das Rechtsmittel hat auch in sachlichrechtlicher Hinsicht im Ergebnis keinen Erfolg. Näherer Erörterung bedarf insoweit nur die Annahme des Landgerichts , der Beschuldigte habe durch sein Verhalten auch den objektiven Tatbestand eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB) und einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) verwirklicht.
4
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen bestieg der Beschuldigte in Straubing ein Taxi, um sich zum Flughafen München fahren zu lassen. Auf der Bundesautobahn A 92 gab er plötzlich vor, einen Herzinfarkt zu haben und keine Luft mehr zu bekommen. Als die Taxifahrerin daraufhin die Fahrt verlangsamte , um auf dem Seitenstreifen anzuhalten und einen Notarzt zu benachrichtigen , war der auf dem Beifahrersitz sitzende Beschuldigte damit nicht einverstanden und bestand auf eine Weiterfahrt. Er griff unvermittelt in das Lenkrad des Taxifahrzeugs, so dass dieses ins Schlingern geriet. Die Taxifahrerin konnte das Fahrzeug jedoch wieder unter Kontrolle bringen, hielt auf dem Seitenstreifen an und weigerte sich weiterzufahren. Anschließend stieg sie aus dem Taxi aus und entfernte sich unter Mitnahme der Fahrzeugschlüssel einige Meter. Der Beschuldigte nahm darauf hin ihre Verfolgung auf, warf sie zu Boden und entnahm aus ihrer Jackentasche einen Autoschlüssel. Nachdem er festgestellt hatte, dass es sich nicht um die zu dem Taxi passenden Fahrzeugschlüssel handelte, verfolgte er die Taxifahrerin erneut und stieß sie – als er sie erreicht hatte - wiederum zu Boden. Die Taxifahrerin fiel dabei seitlich auf die rechte Fahrspur der viel befahrenen Bundesautobahn A 92. Ihr Kopf kam in Richtung Mittelleitplanke ungefähr auf der Höhe des Mittelstreifens zu liegen. Sodann setzte sich der Beschuldigte auf die Taxifahrerin und forderte sie auf weiterzufahren. Während die Taxifahrerin dergestalt fixiert auf der Fahrbahn lag, fuhren mehrere nachfolgende PKW mit hoher Geschwindigkeit dicht an ihrem Kopf vorbei. Andere Fahrzeuge mussten ausweichen und auf die linke Fahrspur wechseln, um sie und den Beschuldigten nicht zu überfahren. Der Beschuldigte nahm hierbei die Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs sowie die lebensbedrohliche Lage der Taxifahrerin billigend in Kauf. Durch den Sturz erlitt diese unter anderem Prellungen im rechten Schulterbereich sowie Blutergüsse am Kopf und am Knie.
5
b) Das Landgericht hat das Verhalten des Beschuldigten rechtlich als einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB) gewertet. Zu der für die (objektive) Tatbestandserfüllung erforderlichen (konkreten ) Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert hat es ausgeführt, in der konkreten Verkehrssituation habe es vom bloßen Zufall abgehangen, ob es zu einem Überfahren der Taxifahrerin und des Beschuldigten komme oder auf Grund eines Ausweichmanövers eines der sich mit hoher Geschwindigkeit herannähernden Fahrzeuge zu einem sonstigen Verkehrsunfall. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
6
aa) Als taugliche Tathandlung im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB kam zunächst der Griff des Beschuldigten in das Lenkrad des Taxi in Betracht. Allerdings hat der Senat in einer früheren Entscheidung (NZV 1990, 35 mit Anm. Molketin) die Auffassung vertreten, bei einem Griff des Beifahrers in das Fahrzeuglenkrad liege ein gefährlicher Eingriff nur vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff zu pervertieren, es müsse ihm darauf ankommen, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Soll hingegen nur auf einen Verkehrsvorgang Einfluss genommen werden, etwa zur Erzwingung eines bestimmten Fahrverhaltens, so seien die Voraussetzungen des § 315 b StGB nicht gegeben (vgl. hierzu kritisch König in LK 11. Aufl. § 315 b Rdn. 54).
7
bb) Ob an dieser Rechtsauffassung uneingeschränkt festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da der Beschuldigte jedenfalls (objektiv) die Tatbestandsvariante des § 315 b Abs.1 Nr. 2 StGB verwirklicht hat. Indem er die Taxifahrerin dergestalt zu Boden stieß, dass sie quer auf der rechten Fahrspur einer Bundesautobahn zu liegen kam, und sich anschließend auf sie setzte , hat er die Sicherheit des Straßenverkehrs durch das Bereiten eines Hinder- nisses beeinträchtigt. Da diese Tathandlung nicht im Rahmen der Teilnahme am Straßenverkehr erfolgte (sog. „Außeneingriff“), war für die Tatbestandserfüllung eine besondere verkehrsfeindliche Einstellung des Täters nicht erforderlich (vgl. hierzu BGHSt 48, 233, 236 f.; BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 2 Hindernisbereiten 3). Das Verhalten des Beschuldigten hat auch zu einer konkreten Gefährdung eines der in § 315 b Abs. 1 StGB bezeichneten Rechtsgüter geführt. Eine solche kann entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts allerdings nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass die Taxifahrerin durch den Sturz auf die Fahrbahn verletzt worden ist. § 315 b Abs. 1 StGB setzt in allen Tatbestandsvarianten eine besondere kausale Verknüpfung zwischen Gefährdungshandlung und Gefährdungserfolg voraus. Erforderlich ist, dass die Tathandlung eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die sich zu einer konkreten Gefahr für das Schutzobjekt verdichtet (BGHSt 48, 119, 122). Der Sturz der Taxifahrerin, der zu ihren Verletzungen führte, war indes nicht die Folge einer abstrakten Verkehrsgefahr, sondern umgekehrt die Ursache dafür, dass eine solche Gefahr überhaupt erst entstand. Das Landgericht hat jedoch angesichts der hier gegebenen besonderen Umstände – vollständige Blockade der Fahrspur einer viel befahrenen Bundesautobahn durch ein schlecht wahrnehmbares Hindernis, mit hoher Geschwindigkeit nachfolgender Verkehr – rechtsfehlerfrei eine konkrete Gefährdung der herannahenden nachfolgenden Fahrzeuge und deren Insassen bejaht.
8
c) Die Annahme des Landgerichts, der Beschuldigte habe auch den objektiven Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung verwirklicht, begegnet hingegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ begangen wird. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls (generell) geeignet ist, das Leben zu gefährden (st. Rspr.; vgl. nur Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 224 Rdn. 12). Die getroffenen Feststellungen belegen indes nicht, dass die Art der Behandlung – hier: Stoßen auf den Boden – bereits für sich als lebensbedrohend in diesem Sinne angesehen werden kann. Der - für das Landgericht ersichtlich maßgebliche - Umstand, dass es infolge der durch den Stoß verursachten Lage des Tatopfers auf der Fahrbahn zu einem nachfolgenden , sein Leben bedrohendem Unfallgeschehen hätte kommen können, ist für die rechtliche Bewertung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ohne Relevanz. In diesem Fall würde der Körperverletzungserfolg erst durch den nachfolgenden Unfall, nicht aber „mittels“ der Art der Behandlung durch den Täter eintreten (vgl. auch Senat, Urteil vom 22. Dezember 2005 – 4 StR 347/05 zu § 224 Abs.1 Nr. 2 StGB). Das Verhalten des Beschuldigten stellt sich danach „nur“ als eine vorsätzliche (einfache) Körperverletzung (§ 223 StGB) dar.
9
d) Der aufgezeigte Rechtsfehler gefährdet jedoch nicht den Bestand des Maßregelausspruchs. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 63 StGB rechtsfehlerfrei dargetan. Es hat mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt, dass von dem Beschuldigten infolge seines Zustandes auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Diese Einschätzung wird durch die dargestellte rechtlich fehlerhafte Beurteilung einer der insgesamt fünf Anlasstaten nicht berührt.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 190/08
vom
8. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Juli 2008 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 6. Februar 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen kam es am frühen Morgen des 23. April 2006 zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau nach einem verbalen Streit zu einer tätlichen Auseinandersetzung. In deren Verlauf setzte sich der 128 kg schwere Angeklagte mit Schwung auf den Brustkorb seiner mit dem Rücken am Boden liegenden Frau. Dadurch brachen die Rippen der Geschädigten insgesamt 18 Mal. Der Angeklagte blieb mindestens zwei Minuten so auf seiner Frau sitzen, dass ihr Brustkorb stark komprimiert wurde und sie kaum Luft bekam.
Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte wegen eines Affektdurchbruchs in der spezifischen Konfliktsituation in Verbindung mit seiner Alkoholisierung (BAK höchstens 1,15 ‰) nicht ausschließbar in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.
3
Vom 25. bis 28. April 2006 wurde das Tatopfer im Krankenhaus behandelt. Bei zwei Röntgenuntersuchungen diagnostizierten die Ärzte lediglich Frakturen von drei Rippen. Am 2. Mai 2006 konsultierte die Geschädigte wegen ihrer Verletzungen einen Hausarzt, der ihr Schmerztabletten verschrieb und häusliche Ruhe verordnete. Sie suchte ihn am 9. Mai 2006 nochmals wegen Beinbeschwerden auf. In der Folgezeit verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand immer mehr. Sie verstarb in der Nacht auf den 24. Mai 2006. Todesursächlich war ein toxisch-resorptives Herz-/Kreislaufversagen infolge Sepsis bei insgesamt 18 Rippenserienfrakturen, oft mit Durchspießungen nach außen und innen, mit Vereiterung der rechten Brusthöhle als Folge der Rippenverletzungen.
4
Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Zurechnungszusammenhang zwischen der Körperverletzung und dem Tod weder durch einen schweren Behandlungsfehler der Krankenhausärzte noch ein selbst schädigendes Verhalten des Tatopfers unterbrochen wurde. Zum subjektiven Tatbestand hat sie ausgeführt, der Körperverletzungsvorsatz folge aus dem objektiven Geschehen ; insbesondere sei der Angeklagte aufgrund seines beträchtlichen Gewichts davon ausgegangen und habe billigend in Kauf genommen, dass er seine nur halb so schwere Ehefrau durch längeres Sitzen auf deren Thorax erheblich verletzen werde.
5
II. Gegen den Schuldspruch bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
6
1. Die Strafkammer hat nicht ausdrücklich festgestellt, dass der Angeklagte bei der vorsätzlich begangenen Körperverletzung den Tod seiner Ehefrau - wie es § 18 StGB i. V. m. § 227 StGB verlangt - wenigstens fahrlässig verursacht hat, also die Todesfolge voraussehen konnte (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 227 Rdn. 7). Dies liegt wegen der Besonderheiten des Tatgeschehens nicht von vornherein so auf der Hand, dass Ausführungen dazu entbehrlich gewesen wären.
7
2. Der Fahrlässigkeitsvorwurf ergibt sich insbesondere nicht zweifelsfrei aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Zwar hat das Landgericht eine gefährliche Körperverletzung mit der Qualifikation einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB angenommen, was häufig die Voraussehbarkeit einer dadurch verursachten Todesfolge einschließt. Jedoch enthält die Begründung, mit der es diese Alternative bejaht hat, durchgreifende Rechtsfehler.
8
a) Die Begründung bezieht sich schon nicht auf die Tathandlung, durch die die Verletzungen, die in der Folgezeit letztlich zum Tode der Geschädigten führten, verursacht wurden. Nach den Feststellungen brachen die Rippen nämlich bereits durch das schwungvolle Setzen auf den Brustkorb der Frau. Den bedingten Körperverletzungsvorsatz in der Qualifikation einer das Leben gefährdenden Behandlung hat das Landgericht jedoch aus dem Umstand hergeleitet , dass der Angeklagte mindestens zwei Minuten lang auf dem Thorax des Tatopfers sitzen blieb.
9
b) Abgesehen davon genügen die Ausführungen des Landgerichts nicht den Anforderungen, die an subjektiven Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in der Alternative einer das Leben gefährdenden Behandlung zu stellen sind. Dieser setzt voraus, dass der Täter mit Verletzungsvorsatz handelt und dabei die Umstände erkennt, aus denen sich in der konkreten Situation die Lebensgefährlichkeit ergibt, also die Handlung nach seiner Vorstellung auf Lebensgefährdung "angelegt" ist (vgl. BGHR StGB Lebensgefährdung 5 und 6; Fischer aaO § 224 Rdn. 13). Ob der Angeklagte beim schwungvollen Setzen auf den Brustkorb diese Kenntnis besaß, hat das Landgericht nicht erkennbar geprüft.
10
Der subjektive Tatbestand ergibt sich bei dem hier gegebenen außergewöhnlichen Sachverhalt nicht von selbst aus der Schilderung des äußeren Tatgeschehens. Das Landgericht hätte deshalb eine Gesamtwürdigung vornehmen und die Umstände, die gegen die Vorstellung des Angeklagten sprechen könnten , seine Handlung sei auf mehr als Körperverletzung, nämlich auf Lebensgefährdung , angelegt gewesen, in seine Überlegungen einbeziehen müssen. Insbesondere hätte es würdigen müssen, dass handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten nicht unüblich waren, die festgestellte Verletzungshandlung spontan im Rahmen einer schnell eskalierenden Auseinandersetzung erfolgte, an der sich die Geschädigte selbst mit Beschimpfungen und Tätlichkeiten aktiv beteiligte, und die Rippenfrakturen nach einer sehr kurzen Gewalteinwirkung entstanden. Es hätte auch bedenken müssen, dass der alkoholisierte und affektiv aufgeladene Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich eingeschränkt war.
11
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
12
Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Körperverletzung und der Todesfolge (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 226 Rdn. 2 ff.) bedarf sorgfältiger Prüfung.
13
Soweit ein Behandlungsfehler der Krankenhausärzte in Betracht kommt, ist zunächst mit Blick auf dessen Schweregrad festzustellen, wie viele Rippenbrüche ein radiologisch ausgebildeter Arzt auf den gefertigten Röntgenbildern bei sorgfältiger Auswertung tatsächlich erkennen konnte oder ob etwa ein unklarer medizinischer Befund Anlass für weitergehende Untersuchungen gab. Von Bedeutung für den Schweregrad eines eventuellen Behandlungsfehlers und eine mögliche Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs dürfte auch sein, welche Behandlung aufgrund des Ergebnisses einer sorgfältigen Diagnose nach den Regeln der ärztlichen Kunst geboten war.
14
Es ist weiterhin zu bedenken, ob ein den Zurechnungszusammenhang unterbrechendes selbst schädigendes Verhalten des Tatopfers möglicherweise darin zu sehen ist, dass es nach dem 2. Mai 2006 wegen der Rippenfrakturen keine ärztliche Hilfe mehr in Anspruch nahm, obwohl sich der Gesundheitszustand ständig verschlechterte. Dabei wird von Bedeutung sein, welche Schmerzen und körperliche Symptome auftraten und inwieweit diese die Verletzte zur Inanspruchnahme weiterer ärztlicher Hilfe drängten. Die Argumentation im aufgehobenen Urteil, der Angeklagte habe voraussehen können, dass sich seine Ehefrau aus Scham nicht weiterbehandeln lassen würde, um den wahren Grund der Verletzungen zu vertuschen, überzeugt schon deshalb nicht, weil den behandelnden Ärzten die mit einem Treppensturz erklärten Verletzungen bereits bekannt waren.
15
Auch wird in den Blick zu nehmen sein, ob das Zusammenwirken eines ärztlichen Behandlungsfehlers und eines selbst schädigenden Verhaltens zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs geführt hat.
RiBGHPfisterbefindetsichim Urlaubundistdahergehindert zuunterschreiben. Becker Miebach Becker von Lienen Sost-Scheible

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 30/12
vom
25. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. April 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 7. Oktober 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich selbstständigen Fällen, einmal in Tateinheit mit Nötigung, Nötigung, vorsätzlicher Körperverletzung und Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

2
Das Landgericht hat den Schuldspruch gegen den nicht geständigen Angeklagten auf die für glaubhaft erachteten Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung gestützt. Dabei hat es - wie der Angeklagte zulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) rügt - für seine Überzeugungsbildung auch den Inhalt einer ermittlungsrichterlichen Einvernahme der Nebenklägerin herangezogen, die nicht im Umfang ihrer Verwertung zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehört hat. Der darin liegende Verstoß gegen § 261 StPO führt zur Aufhebung des Urteils.
3
1. Das Landgericht hat zu dem Aussageverhalten der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren das Folgende festgestellt:
4
a) Nachdem die Nebenklägerin am 1. Dezember 2010 mehrfach von dem Angeklagten telefonisch bedrängt worden war, erstattete sie in Begleitung einer Freundin Anzeige bei der Polizeiinspektion S. . Bei dieser Gelegenheit schilderte sie erstmalig die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Vorgänge. Ihre Angaben wichen dabei nur in wenigen - vom Landgericht für unbedeutend erachteten - Randdetails von ihrer Einlassung in der Hauptverhandlung ab (UA S. 10). Bei einer kriminalpolizeilichen Einvernahme am 3. Dezember 2010 äußerte sich die Nebenklägerin erneut zu den Tatvorwürfen, wobei ihre Angaben den Schilderungen bei der Anzeigeerstattung "sehr ähnelten". Außerdem fügte sie noch verschiedene Details hinzu, die in den Urteilsgründen im Einzelnen dargestellt werden (UA S. 11). Am 15. Februar 2011 wurde die Nebenklägerin von der Ermittlungsrichterin bei dem Amtsgericht Frankenthal vernommen. Ihre dortigen Angaben "entsprachen wiederum weitgehend der im Rahmen ihrer ursprünglichen polizeilichen Vernehmung gemachten Aussage". Ergänzend werden in den Urteilsgründen einzelne Passagen in wörtlicher Rede wiedergegeben (UA S. 11). Weiter wird angeführt, dass die Schilderung der Nebenklägerin zu Fall III. 4. "relativ knapp" ausgefallen und die einleitende Sequenz zu Fall III. 5. nur "oberflächlich beschrieben" worden sei (UA S. 12).
5
b) Bei der sehr ausführlichen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung der Aussage im zeitlichen Verlauf für ihren Realitätsbezug spreche. Eine Gesamtschau der Bekundungen der Nebenklägerin lasse ein Ausmaß an Konstanz erkennen, wie es bei zuverlässigen, erlebnisgespeisten Berichten zu erwarten sei (UA S. 21). Die nochmals im Einzelnen dargestellten Abweichungen zwischen den jeweiligen Aussagen seien dem Zeitablauf geschuldet oder beträfen Randereignisse. Nennenswerte Auffälligkeiten hätten sich nur hinsichtlich zweier zum Kerngeschehen gehörender Details ergeben. Dabei seien Widersprüche in den Schilderungen zu Fall III. 3. bei Polizei und Ermittlungsrichterin von der Nebenklägerin schon vor dem Amtsgericht teilweise aufgeklärt (UA S. 22) und schließlich in der Hauptverhandlung auf Vorhalt früherer Aussageprotokolle umfassend erläutert worden (UA S. 23). Soweit die Nebenklägerin bei ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung zu einem zentralen Punkt (vaginaler Geschlechtsverkehr im Fall III. 5.) abweichend ausgesagt habe, liege darin kein ausreichender Hinweis auf einen allgemeinen Mangel an Glaubhaftigkeit , zumal die fragliche Unstimmigkeit erst gegen Ende der ausgedehnten und sicherlich erschöpfenden Vernehmung vor der Ermittlungsrichterin aufgetreten sei (UA S. 23 f.).
6
2. Die Aussage der Nebenklägerin vor der Ermittlungsrichterin bei dem Amtsgericht Frankenthal vom 15. Februar 2011 war nicht in dem Umfang ihrer Verwertung Gegenstand der Hauptverhandlung (§ 261 StPO).
7
Wie sich aus dem schon durch das Hauptverhandlungsprotokoll bewiesenen Vortrag des Revisionsführers ergibt, wurde die Vernehmungsniederschrift nicht in der Hauptverhandlung verlesen und auch die vernehmende Ermittlungsrichterin nicht als Zeugin gehört. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht seine Überzeugung vom Inhalt der ermittlungsrichterlichen Vernehmung durch Vorhalte gewonnen hat, die der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung gemacht worden sind.
8
Durch seine Feststellung, dass die Angaben der Nebenklägerin bei ihrer ermittlungsrichterlichen Einvernahme weitgehend der im Rahmen ihrer ursprünglichen polizeilichen Vernehmung gemachten Aussage entsprachen (UA S. 11), die ihrerseits nur in Randdetails von den die Verurteilung tragenden Bekundungen der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung abwich (UA S. 10), hat das Landgericht zu erkennen gegeben, dass es den gesamten das Tatgeschehen betreffenden Vernehmungsinhalt zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Dies ergibt sich auch aus den wörtlichen Zitaten und der zusammenfassenden Bewertung ganzer Aussageabschnitte als "relativ knapp" oder "oberflächlich". Das Protokoll der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 15. Februar 2011 besteht aus sieben eng beschriebenen Seiten. Wie sich aus den übereinstimmenden dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und der Berichterstatterin sowie der Gegenerklärung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft ergibt, wurden der Nebenklägerin nur von der Verteidigung Vorhalte aus diesem Protokoll gemacht. Dabei ging es vornehmlich darum, Widersprüche und Unstimmigkeiten aufzuzeigen. Der Umfang der Vernehmungsniederschrift und die Zielrichtung der Vorhalte schließen aus, dass sich das Landgericht auf diesem Wege die Überzeugung verschafft haben kann, die seine umfassenden Feststellungen zu dem Inhalt der ermittlungsrichterlichen Vernehmung und dessen Übereinstimmung mit früheren Aussagen tragen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1991 - 5 StR 164/91, MDR 1991, 704 bei Holtz; Beschluss vom 11. August 1987 - 5 StR 162/87, StV 1987, 421).
9
3. Das Urteil beruht auch auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), weil die nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass es bei richtiger Anwendung des Gesetzes anders ausgefallen wäre (BGH, Urteil vom 6. August 1987 - 4 StR 333/87, NJW 1988, 1223, 1224). Das Landgericht hat in den Bekundungen der Nebenklägerin eine weitreichende Konstanz festgestellt und dabei auch die ermittlungsrichterliche Vernehmung in den Blick genommen. Diese Feststel- lung hat mit dazu beigetragen, dass sich das Landgericht schließlich von der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin und damit der Schuld des Angeklagten überzeugen konnte.

II.

10
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat das Folgende:
11
Sollte der neue Tatrichter wieder zu der Überzeugung gelangen, dass der Angeklagte die Nebenklägerin entsprechend den Feststellungen unter III. 3. der Urteilsgründe mit ihrem Pkw angefahren und dadurch zu Fall gebracht hat, stünde es der Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht grundsätzlich entgegen, dass die erlittenen Verletzungen (multiple Prellungen) erst durch den Sturz verursacht worden sind.
12
Eine gefährliche Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) begeht, wer seinem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB beibringt (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - 4 StR 266/11, Tz. 5; Beschluss vom 12. Januar 2010 - 4 StR 589/09, NStZ-RR 2010, 205, 206; Beschluss vom 16. Januar 2007 - 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405; Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572). Ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, ist in der Regel als ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - 4 StR 266/11, Tz. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 - 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405). Wird eine Person durch ein gezieltes Anfahren zu Fall gebracht, kann darin eine gefährliche Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegen, wenn bereits durch den Anstoß eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine körperliche Miss- handlung gemäß § 223 Abs. 1 StGB ausgelöst worden ist. Erst infolge des anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen sind dagegen nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Kraftfahrzeug und Körper zurückzuführen, sodass eine Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB allein darauf nicht gestützt werden kann (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - 4 StR 266/11, Tz. 5; Beschluss vom 16. Januar 2007 - 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405).
13
Dessen ungeachtet wird der neue Tatrichter in diesem Fall auch zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte eines vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 StGB schuldig gemacht hat. Ernemann Cierniak Franke Schmitt Quentin

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

5
aa) Zwar ist ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Die Feststellungen ergeben jedoch nicht, dass die Verletzungen des Po- lizeibeamten durch eine Einwirkung des Kraftfahrzeugs auf seinen Körper verursacht worden sind. Soweit er sich diese – was unklar bleibt – bei dem Sturz auf den Asphalt zugezogen hat, wäre der Körperverletzungserfolg nicht „mittels“ des Kraftfahrzeugs eingetreten (Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405 und vom 10. Juli 2008 – 4 StR 220/08).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 524/06
vom
16. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Januar 2007 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. März 2006 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe der tateinheitlich begangenen vorsätzlichen (einfachen) Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr (Fall II. 1 der Urteilsgründe, Einzelstrafe: zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen hierzu in Tatmehrheit stehender weiterer tateinheitlich zusammentreffender Straftaten (Fall II. 2 der Urteilsgründe, Einzelstrafe: neun Monate Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und gegen ihn eine isolierte Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von drei Jah- ren angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt lediglich zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und dem sich in das Fahrzeug des Angeklagten beugenden Polizeibeamten G. , der den Angeklagten an einer Weiterfahrt hindern wollte, zunächst zu einer Rangelei. G. versuchte die Handbremse zu ziehen und kam hierbei quer im vorderen Innenraum des Fahrzeugs zu Liegen. Im weiteren Verlauf der körperlichen Auseinandersetzung gelang es dem Angeklagten, sein Fahrzeug rückwärts in Gang zu setzen, so dass es schließlich gegen eine Böschung stieß. Durch den Anstoß fiel der Polizeibeamte aus dem Fahrzeug auf einen Gehweg; er erlitt „bei diesem Vorgang“ unter anderem einen Bruch des Brustbeins, eine Schwellung am rechten Auge, Schürfwunden am Armgelenk und Prellungen mehrerer Rippen.
4
b) Damit ist das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung nicht belegt. Die hier allein in Betracht kommende Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB („mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ ) setzt voraus, dass die Körperverletzung durch ein von Außen auf den Körper des Tatopfers einwirkendes gefährliches Tatmittel verursacht wird (vgl. Senat NZV 2006, 270, 271/272; NZV 2006, 483, 484 [zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB]; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 224 Rdn. 7; a.A. KG NZV 2006, 111 mit Anm. Krüger). Zwar ist ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung ei- ner Person eingesetzt wird, als ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Die Feststellungen ergeben jedoch nicht, dass die Verletzungen des Polizeibeamten durch eine Einwirkung des Kraftfahrzeugs auf seinen Körper verursacht worden sind. Soweit er sich diese - was unklar bleibt - bei dem Sturz aus dem Fahrzeug zugezogen hat, wäre der Körperverletzungserfolg erst durch den nachfolgenden Aufprall auf den Gehsteig und nicht „mittels“ des Kraftfahrzeugs eingetreten (vgl. Senat aaO).
5
c) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch den Tatbestand einer (einfachen) Körperverletzung gemäß § 223 StGB. Der nach § 230 StGB zur Verfolgung erforderliche Strafantrag ist vom Verletzten form- und fristgerecht gestellt worden (vgl. Bl. 28 d.A.). Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab.
6
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler hat auf den Bestand des Strafausspruchs keine Auswirkung. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Körperverletzungshandlung die im Fall II. 1 der Urteilsgründe festzusetzende Einzelstrafe, die dem nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 315 b Abs. 3 StGB zu entnehmen war, niedriger bemessen hätte. Zwar hat das Landgericht insoweit rechtsfehlerhaft den Strafrahmen des § 315 Abs. 3 StGB zu Grunde gelegt und damit verkannt , dass § 315 b Abs. 3 StGB nur bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen auf diese Vorschrift verweist, im Übrigen aber über einen eigenen, im Höchstmaß niedrigeren (zehn statt fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe) Strafrahmen verfügt. Da das Landgericht sich bei der Bemessung der Einzelstrafe jedoch ersichtlich an dem unteren Mindestmaß des Strafrahmens orientiert hat, welches in beiden Bestimmungen gleich ist, ist nicht zu besorgen, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Jedenfalls erachtet der Senat die festgesetzte Einzelstrafe für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

5
aa) Zwar ist ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Die Feststellungen ergeben jedoch nicht, dass die Verletzungen des Po- lizeibeamten durch eine Einwirkung des Kraftfahrzeugs auf seinen Körper verursacht worden sind. Soweit er sich diese – was unklar bleibt – bei dem Sturz auf den Asphalt zugezogen hat, wäre der Körperverletzungserfolg nicht „mittels“ des Kraftfahrzeugs eingetreten (Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405 und vom 10. Juli 2008 – 4 StR 220/08).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 524/06
vom
16. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Januar 2007 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. März 2006 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe der tateinheitlich begangenen vorsätzlichen (einfachen) Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr (Fall II. 1 der Urteilsgründe, Einzelstrafe: zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen hierzu in Tatmehrheit stehender weiterer tateinheitlich zusammentreffender Straftaten (Fall II. 2 der Urteilsgründe, Einzelstrafe: neun Monate Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und gegen ihn eine isolierte Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von drei Jah- ren angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt lediglich zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und dem sich in das Fahrzeug des Angeklagten beugenden Polizeibeamten G. , der den Angeklagten an einer Weiterfahrt hindern wollte, zunächst zu einer Rangelei. G. versuchte die Handbremse zu ziehen und kam hierbei quer im vorderen Innenraum des Fahrzeugs zu Liegen. Im weiteren Verlauf der körperlichen Auseinandersetzung gelang es dem Angeklagten, sein Fahrzeug rückwärts in Gang zu setzen, so dass es schließlich gegen eine Böschung stieß. Durch den Anstoß fiel der Polizeibeamte aus dem Fahrzeug auf einen Gehweg; er erlitt „bei diesem Vorgang“ unter anderem einen Bruch des Brustbeins, eine Schwellung am rechten Auge, Schürfwunden am Armgelenk und Prellungen mehrerer Rippen.
4
b) Damit ist das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung nicht belegt. Die hier allein in Betracht kommende Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB („mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ ) setzt voraus, dass die Körperverletzung durch ein von Außen auf den Körper des Tatopfers einwirkendes gefährliches Tatmittel verursacht wird (vgl. Senat NZV 2006, 270, 271/272; NZV 2006, 483, 484 [zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB]; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 224 Rdn. 7; a.A. KG NZV 2006, 111 mit Anm. Krüger). Zwar ist ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung ei- ner Person eingesetzt wird, als ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Die Feststellungen ergeben jedoch nicht, dass die Verletzungen des Polizeibeamten durch eine Einwirkung des Kraftfahrzeugs auf seinen Körper verursacht worden sind. Soweit er sich diese - was unklar bleibt - bei dem Sturz aus dem Fahrzeug zugezogen hat, wäre der Körperverletzungserfolg erst durch den nachfolgenden Aufprall auf den Gehsteig und nicht „mittels“ des Kraftfahrzeugs eingetreten (vgl. Senat aaO).
5
c) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch den Tatbestand einer (einfachen) Körperverletzung gemäß § 223 StGB. Der nach § 230 StGB zur Verfolgung erforderliche Strafantrag ist vom Verletzten form- und fristgerecht gestellt worden (vgl. Bl. 28 d.A.). Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab.
6
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler hat auf den Bestand des Strafausspruchs keine Auswirkung. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Körperverletzungshandlung die im Fall II. 1 der Urteilsgründe festzusetzende Einzelstrafe, die dem nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 315 b Abs. 3 StGB zu entnehmen war, niedriger bemessen hätte. Zwar hat das Landgericht insoweit rechtsfehlerhaft den Strafrahmen des § 315 Abs. 3 StGB zu Grunde gelegt und damit verkannt , dass § 315 b Abs. 3 StGB nur bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen auf diese Vorschrift verweist, im Übrigen aber über einen eigenen, im Höchstmaß niedrigeren (zehn statt fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe) Strafrahmen verfügt. Da das Landgericht sich bei der Bemessung der Einzelstrafe jedoch ersichtlich an dem unteren Mindestmaß des Strafrahmens orientiert hat, welches in beiden Bestimmungen gleich ist, ist nicht zu besorgen, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Jedenfalls erachtet der Senat die festgesetzte Einzelstrafe für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 25/01
vom
22. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2001 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2000 im Gesamtstrafenausspruch dahin geändert, daß der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und elf Monaten verurteilt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen gefährlicher Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Sperrfrist von fünf Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Herabsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit der Angeklagte mit seinem Pkw Mercedes in Höhe der Autobahn-Anschlußstelle Niederrad mindestens zweimal den auf der Standspur vor ihm fahrenden Opel Kadett mit einer relativen Aufprallgeschwindigkeit von 40 bis 50 km/h (UA 16) von hinten rammte, um Sukrije M. , die den Opel Kadett führte, zum Anhalten zu zwingen, hat sich der Angeklagte jedoch entgegen der rechtlichen Wertung des Landgerichts nicht eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Ermöglichung einer Straftat (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB) schuldig gemacht, sondern eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalles gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB: Nach den Feststellungen hat der Angeklagte sein Fahrzeug zweckwidrig als gefährliches, gewichtig auf einen anderen Verkehrsteilnehmer einwirkendes Nötigungsmittel mißbraucht und damit einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen (vgl. BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 4; Tröndle /Fischer StGB 50. Aufl. § 315 b Rdn. 5 b, jew. m.w.N.). Das zweimalige Rammen des Opel Kadett beeinträchtigte die Sicherheit des Straßenverkehrs, wodurch andere Menschen, insbesondere die sechs Insassen des Opel Kadett (vier Frauen und zwei Kleinkinder), konkret gefährdet wurden. Der Angeklagte war sich dessen bewußt, nahm "eventuelle Verletzungen jedoch billigend in Kauf, um sein Ziel zu erreichen" (UA 8). Durch den vom Angeklagten verursachten Unfall erlitt Fidana S. , eine der Insassinnen des Opel Kadett ein Halswirbelsäulenschleudertrauma. Zudem wurde der Opel Kadett durch das Rammen erheblich beschädigt. Wie sich den Urteilsausführungen zu dem Gutachten des Sachverständigen zum Hergang des Unfalls in Verbindung mit den
Lichtbildern entnehmen läßt (SA Bd. III Bl. 472 ff.), auf die im Urteil in zulässiger Weise verwiesen wird (UA 16), wurden unter anderem die hintere Stoßstange abgerissen, das Fahrzeugheck abgeknickt und der Kofferraum eingedrückt und verformt. Zwar verhält sich das Urteil nicht dazu, ob der Angeklagte auch in bezug auf die mit dem zweckwidrigen Einsatz seines Fahrzeugs verbundene Gefährdung des Opel Kadetts vorsätzlich handelte. Dies versteht sich aber hier nach den Feststellungen zum Unfallhergang von selbst. Nachdem es dem Angeklagten nicht gelungen war, die Fahrerin auf andere Weise (Handzeichen , mehrfacher Spurwechsel) dazu zu bringen, ihr Fahrzeug anzuhalten, kam es ihm nunmehr darauf an, das Fahrzeug zu rammen, um seine Weiterfahrt zu verhindern. Der Vorsatz des Angeklagten umfaßte mithin nicht nur die Gefährdung des Opel Kadett, sondern auch eine - mit einem Auffahren mit einer relativen Aufprallgeschwindigkeit von mindestens 40 km/h notwendigerweise verbundene – Beschädigung des Fahrzeugs. Der Angeklagte handelte dabei jedoch nicht - wovon das Landgericht ausgeht - in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen. Zwar wollte er mit dem zweckwidrigen Einsatz seines Kraftfahrzeugs die Fahrerin des Opel Kadett zum Anhalten zwingen, was ihm schließlich auch gelang. Gleichwohl war dieser Eingriff in die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht Mittel, um die Nötigungshandlung zu ermöglichen; vielmehr stellt er sich rechtlich als die Nötigungshandlung im Sinne des § 240 StGB dar (vgl. BGH VRS 89, 366). Die gefährliche Körperverletzung, die der Angeklagte nach dem Anhalten der Fahrzeuge begangen hat, kommt als andere Straftat im Sinne des § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB nicht in Betracht, da der Angeklagte Sukrije M. nach den Feststellungen zunächst nur zum Anhalten zwingen wollte. Den Entschluß, auf sie mit dem mitgeführten Klappmesser einzustechen, faßte er erst im Verlauf des weiteren Tatgeschehens (UA 8).
Der Schuldspruch kann jedoch auch insoweit bestehen bleiben, da der Qualifikationstatbestand des § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB erfüllt ist. Der Angeklagte hat durch den zweckwidrigen Einsatz seines Fahrzeugs, nämlich das gezielte Auffahren auf den Opel Kadett, absichtlich einen Unglücksfall herbeigeführt. Dem steht nicht entgegen, daß er nur mit bedingtem Körperverletzungsvorsatz handelte und daß es ihm im Rahmen der verfolgten Absicht, das vor ihm fahrende Fahrzeug zu rammen, möglicherweise nicht entscheidend darauf ankam, einen hohen Fremdschaden zu verursachen. Für die nach § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB erforderliche Absicht reicht es aus, daß der Täter den Verkehrsunfall – und damit unter den hier gegebenen Umständen einen Unglücksfall – durch einen verkehrsfremdem (verkehrsfeindlichen) Eingriff gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH NZV 1992, 325; NStZ 1992, 182, 183). Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß er dabei ein weiter gehendes Ziel verfolgte (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 315 Rdn. 22). Der Senat kann daher den Schuldspruch mit der Maßgabe bestehen lassen, daß insoweit die Verurteilung nicht nach dem Qualifikationstatbestand des § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB, sondern wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls im Sinne von Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a dieser Vorschrift erfolgt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen wurde, "daß auch eine Verurteilung nach § 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Ziff. 1 a StGB in Betracht kommt" (Protokollband Bl. 18). Die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse hält rechtlicher Nachprüfung stand. Selbst wenn – insoweit - zugunsten des Angeklagten, wie die Revision meint, davon auszugehen wäre, daß er den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vornahm, um dadurch den nachfolgenden Einsatz des Messers
gegen Sukrije M. zu ermöglichen, würde dies nicht zur Annahme von Tateinheit führen. Der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr war bereits beendet, als der Angeklagte auf Sukrije M. einstach, und mithin nicht zugleich auch Mittel zur Begehung dieser gefährlichen Körperverletzung (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 306 b Rdn. 14). 2. Zur Bemessung der Einzelstrafen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 1. Februar 2001. Der Gesamtstrafenausspruch kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht den im Hinblick auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Lünen vom 5. Juli 1999 notwendigen Härteausgleich nicht vorgenommen hat. Eine Einbeziehung der durch diesen Strafbefehl wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhängten Geldstrafe von 50 Tagessätzen in die vom Landgericht gebildete Gesamtstrafe kam nur deshalb nicht in Betracht, weil die Vollstreckung in jener Sache bereits erledigt war. Kann aber eine Strafe, weil sie bereits vollstreckt ist, nicht mehr zur Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB herangezogen werden, so ist die darin liegende Härte im Rahmen der Strafzumessung auszugleichen (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 1 m.w.N.). Der Senat kann den Härteausgleich ausnahmsweise selbst vornehmen, da hier als Härteausgleich von der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren nur der Abzug von einem Monat in Betracht kommt (§ 39 StGB). Der Senat setzt die Gesamtfreiheitsstrafe deshalb in entsprechender Anwendung des § 354
Abs. 1 StPO auf nunmehr sechs Jahre und elf Monate fest. Der Angeklagte ist hierdurch unter keinen Umständen beschwert.
Maatz Kuckein Athing

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 172/17
vom
27. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:270717U3STR172.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 29. Juni 2017 in der Sitzung am 27. Juli 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizhauptsekretärin - in der Verhandlung -, Justizamtsinspektor - bei der Verkündung - als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. November 2016 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revision des Nebenklägers entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und der Nebenkläger je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger beanstanden mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen die Ablehnung des Tötungsvorsatzes. Die Staatsanwaltschaft wendet sich darüber hinaus gegen den Teilfreispruch. Die Rechtsmittel sind nicht begründet.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen konsumiert der Angeklagte seit seiner Jugend in erheblichem Umfang Alkohol und Betäubungsmittel und leidet unter einer Alkohol- und einer Cannabisabhängigkeitserkrankung. Am Tattag, dem 11. Februar 2016, trank der Angeklagte mit dem mit ihm befreundeten Zeugen J. Bier sowie Wodka und rauchte mit ihm einen aus einer Kräutermischung bestehenden Joint. Ein weiterer Freund übergab dem Zeugen J. zur Begleichung von Schulden ein Paket, das zwei Macheten und zwei Wurfmesser enthielt. Am Abend begaben sich der Angeklagte und J. in ein Obdachlosenwohnheim in K. , das in unmittelbarer Nähe zu einem Asylbewerberheim gelegen ist. Dort öffnete J. das Paket und zeigte den Anwesenden den Inhalt. Der Angeklagte und J. riefen sodann sinngemäß, dass sie jetzt "rübergingen" und Asylanten bzw. Ausländer "abschlachten" , "umbringen", "fertig machen" oder "platt machen" würden. Sie verließen sodann jeweils mit einer Machete in der Hand das Obdachlosenwohnheim ; J. ließ sich jedoch zur Umkehr überreden. Der Angeklagte, bei dem keine Anhaltspunkte dafür bestanden, er gehöre der politisch rechts einzuordnenden Szene an, betrat das Asylbewerberheim und ging in das erste Obergeschoss. Dort rief er wiederholt: "Heil Hitler!", "Scheiß-Ausländer!", "Sieg Heil!", "Schaut's dass ihr euch aus unserem Land verpisst's!" und "Arschlöcher!". Er schlug mit der Machete und trat mit den Füßen mehrmals gegen eine von innen abgesperrte Wohnungseingangstür. Hierdurch wurde der Nebenkläger, der sich in der Wohnung aufhielt, aufmerksam und öffnete die Tür um etwa 30 Zentimeter. In diesem Moment schlug der Angeklagte, der mit einem Öffnen der Tür durch einen Bewohner rechnete und dessen gegebenenfalls lebensgefährdende Verletzungen billigend in Kauf nahm, erneut mit der Machete waagrecht auf Brust- bzw. Bauchhöhe in Richtung der Tür. Der Nebenkläger schloss diese jedoch, als er die Machete auf sich zukommen sah, so dass der Schlag nur die Tür traf. Nachdem der Nebenkläger sie mit Hilfe eines weiteren Bewohners ver- sperrt hatte, schrie der Angeklagte: "Mach die Tür auf! Scheiße!" und schlug erneut gegen diese. Spätestens jetzt hätte er erkennen können und müssen, dass er den Nebenkläger durch sein Verhalten in Angst und Schrecken versetzen sowie dazu veranlassen konnte, aus dem Fenster zu springen und sich dabei zu verletzen. Der Nebenkläger begab sich ins Badezimmer, beugte sich aus dem Fenster und warnte die Mitbewohner. Sodann kletterte er aus dem Fenster auf einen Mauervorsprung und sprang von dort auf die 2,80 Meter tiefer gelegene Straße. Hierdurch erlitt er Bauchbeschwerden und eine Kontusion im Bereich des rechten Kniegelenks.
3
Anschließend kehrte der Nebenkläger in das Asylbewerberheim zurück, um den Angeklagten aus dem Haus zu locken, und rief ihm zu, er solle kommen. Daraufhin begab sich der Angeklagte nach unten und folgte dem zurückweichenden Nebenkläger auf die Straße. Als der Nebenkläger ins Stolpern geriet , näherte sich der Angeklagte ihm bis auf einen Abstand von ungefähr einem Meter, holte mit der Machete etwa auf Schulterhöhe seitlich aus und schlug in Richtung des linken Oberkörpers des Nebenklägers. Dabei nahm er eine lebensgefährliche Verletzung zumindest billigend in Kauf. Der Nebenkläger konnte dem Schlag jedoch ausweichen und dem Angeklagten einen Stoß versetzen, so dass dieser stürzte und die Machete aus der Hand verlor. Anschließend fixierten zwei Zeugen den am Boden liegenden und "Ich bin Deutschland" rufenden Angeklagten bis zum Eintreffen der Polizei. Nach seiner Festnahme fiel der Angeklagte durch einen torkelnden Gang, eine verwaschene Aussprache und Unruhe auf. Seine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug etwa drei Promille; infolge der Alkoholisierung war seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert.
4
Der Angeklagte hat sich im Wesentlichen dahin eingelassen, sich an das konkrete Tatgeschehen nicht erinnern zu können. Das Landgericht hat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht die Überzeugung davon gewonnen , dass der Angeklagte bei den Schlägen mit der Machete mit Tötungsvorsatz handelte.
5
Vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 StGB) in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) hat die Strafkammer den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Insoweit hat sie sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte vor oder nach dem Geschehen in dem Asylbewerberwohnheim auf der Straße ausländerfeindliche Rufe tätigte. Hinsichtlich der vom Angeklagten in dem Wohnheim gerufenen Parolen hat sie nicht als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte davon ausging, diese seien über den Bewohnerkreis der Unterkunft hinaus hörbar.
6
I. Revision der Staatsanwaltschaft
7
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Lasten (§ 301 StPO) des Angeklagten. Das Landgericht hat insbesondere die erhobenen Beweise in revisionsrechtlich hinzunehmender Weise gewürdigt; dies gilt sowohl für die Ablehnung des Tötungsvorsatzes als auch im Zusammenhang mit dem Teilfreispruch, der sich auch im Übrigen als im Ergebnis rechtsfehlerfrei erweist. Mit Blick auf das Revisionsvorbringen ist im Einzelnen Folgendes zu erörtern:
8
1. Soweit die Strafkammer den Tötungsvorsatz des Angeklagten abgelehnt hat, gilt:
9
a) Das Landgericht hat zunächst die Verneinung des direkten Tötungsvorsatzes des Angeklagten unter Würdigung der hierfür maßgeblichen objektiven Tatumstände tragfähig begründet und dabei ohne Rechtsfehler (vgl. zum allgemeinen revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) darauf abgestellt, dass der Angeklagte in dem Asylbewerberheim die Machete nicht zum Stich in die sich durch das Öffnen der Tür ergebende Lücke benutzte, den Nebenkläger nicht am Schließen der Tür hinderte und auch nichts unternahm, um die Tür vor dem Abschließen erneut zu öffnen, er mithin insgesamt den in Rede stehenden Taterfolg in Form des Todes des Nebenklägers nicht in nachdrücklicher Weise anstrebte. Entsprechendes gilt für das anschließende Geschehen auf der Straße, hinsichtlich dessen das Landgericht zusätzlich gewertet hat, dass sich die Gelegenheit für den Angeklagten, erneut auf den Nebenkläger einzuschlagen, erst bedingt durch dessen Stolpern und damit unvorhersehbar ergab. Vor diesem Hintergrund begründet es keinen durchgreifenden Rechtsfehler, dass die Strafkammer in diesem Zusammenhang daneben auch für den Tötungsvorsatz unergiebige objektive Tatumstände, etwa das offene Vorgehen des Angeklagten, in seine Bewertung eingestellt hat. Soweit sie ausgeführt hat, sie habe bei dem Geschehen auf der Straße keine "zwingend" auf den direkten Tötungsvorsatz schließen lassende Umstände festgestellt, ist aufgrund der übrigen Ausführungen zur Beweiswürdigung nicht zu besorgen, sie habe ihre Überzeugungsbildung an einem falschen Maßstab ausgerichtet.
10
b) Gegen die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es dargelegt hat, warum es nicht einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten angenommen hat, ist revisionsrechtlich im Ergebnis ebenfalls nichts zu erinnern.
11
aa) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt , und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage mit einzubeziehen sind.
12
Kann das Tatgericht auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Tötungsvorsatzes nicht überwinden , so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeu- gung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatgerichtliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre.
13
Gleichermaßen Sache des Tatgerichts ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatgerichts eingreifen. Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn dieses im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Indizes, die einer unzulässigen Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) widerspräche.
14
Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Das Tatgericht kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. hierzu insgesamt BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89, 90; Beschluss vom 9. Februar 2017 - 3 StR 415/16, NStZ 2017, 342, 344; jew. m. zahlr. w. N.).
15
bb) Unter Berücksichtigung dieses tatgerichtlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes gerecht.
16
(1) Die Strafkammer hat das objektive Tatgeschehen in die Beweiswürdigung eingestellt, dessen Gefährlichkeit erkannt und als für einen bedingten Tötungsvorsatz sprechend gewertet. Dabei durfte sie in gewisser Weise relati- vierend berücksichtigen, dass nicht festzustellen war, gegen welchen Teil des Oberkörpers die Hiebe mit der Machete gerichtet waren.
17
(2) Als gegenläufigen vorsatzkritischen Faktor hat sie zunächst bedacht, dass die Tat nicht nach längerer Vorplanung, sondern aus einem spontanen Entschluss heraus begangen wurde. Entgegen der Ansicht der Revision wird diese Erwägung von den Feststellungen getragen. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf abgestellt, dass der Tatentschluss erst in dem Obdachlosenwohnheim anlässlich der Herausnahme der Macheten aus dem Paket gefasst und zeitlich unmittelbar danach umgesetzt wurde. Darüber hinaus durfte die Strafkammer diesem Gesichtspunkt auch in der Sache Gewicht beimessen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ-RR 2007, 45; Urteile vom 23. Juni 2009 - 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; vom 17. Dezember 2009 - 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572).
18
Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht in die Bewertung einbezogen hat, dass der Angeklagte im Zustand deutlicher Alkoholisierung und deshalb erheblich verminderter Schuldfähigkeit handelte, wobei es nahelag, dass er aufgrund seiner alkoholbedingten Enthemmung besonders unüberlegt handelte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. November 2002 - 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51, 52; vom 20. September 2005 - 3 StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 25. Oktober 2005 - 4 StR 185/05, NStZ-RR 2006, 11, 12; vom 18. Januar 2007 - 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142; Beschlüsse vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91; vom 22. April 2009 - 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503 f.; vom 1. September 2010 - 2 StR 179/10, NStZ-RR 2011, 42). Soweit der Generalbundesanwalt unter Hinweis auf andere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 24. Februar 2010 - 2 StR 577/09, NStZ-RR 2010, 214, 215; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 192) beanstandet, es habe nicht in Erwägung gezogen, dass diese Umstände nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet seien, die Hemmschwelle auch für besonders gravierende Gewalthandlungen herabzusetzen , verkennt er, dass die alkoholbedingte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit sich auf die subjektive Tatseite im Einzelfall unterschiedlich auswirken kann. Gemäß den dargelegten Grundsätzen ist es dem Tatgericht deshalb dem Grunde nach möglich, rechtlich zulässige Schlüsse zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten zu ziehen. Gemessen hieran sind die Erwägungen des Landgerichts frei von Rechtsfehlern.
19
Die Strafkammer durfte weiter als gegen einen dolus eventualis sprechenden Umstand werten, dass mit Blick auf die politische Gesinnung des Angeklagten sowie sein Vorleben und sein Wesen das Handeln mit Tötungsvorsatz einen radikalen Bruch in seiner Persönlichkeit bedeutet hätte. Hinsichtlich dieser besonderen Umstände des vorliegenden Falles begründet es keinen durchgreifenden Rechtsfehler, dass sie in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen hat, dass kein überzeugendes konkretes Tötungsmotiv erkennbar gewesen sei, selbst wenn man annehmen will, dass diesem Umstand für sich genommen nach der neueren Rechtsprechung für den bedingten Tötungsvorsatz keine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, 373). Die Äußerungen des Angeklagten, wie er mit den Asylbewerbern verfahren wolle, hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler dahin gedeutet, sie könnten auch nur "verbale Kraftmeierei" darstellen oder nur einem Körperverletzungsvorsatz Ausdruck verleihen. Im Übrigen hat sie - erkennbar gerade mit Blick auf diese Äußerungen - aufgrund des sonstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei eine politisch rechte Gesinnung des Angeklagten, welche geeignet gewesen wäre, ein Tötungsmotiv zu begründen, nicht festzustellen vermocht.
20
Nicht im revisionsrechtlichen Sinne lückenhaft ist die Beweiswürdigung ebenfalls, soweit das Landgericht keine genauen Feststellungen zu den Äußerungen hat treffen können, die unmittelbar vor der Tat in dem Obdachlosenwohnheim getätigt wurden. Die Strafkammer hat die Aussagen der Zeugen, insbesondere diejenige des Zeugen B. , in ausreichender Weise gewürdigt. Weitergehende Darlegungen, warum es sich nicht eine detailliertere Überzeugung hat verschaffen können, waren nicht erforderlich.
21
Dasselbe gilt, soweit die Strafkammer nicht ausdrücklich in ihre Bewertung der subjektiven Tatseite eingestellt hat, dass der Angeklagte den Nebenkläger zunächst in dem Wohnheim und sodann erneut auf der Straße angriff. Grund für den Angriff auf der Straße war, dass der Nebenkläger den Angeklagten "gelockt" hatte und dann ins Stolpern gekommen war. Vor diesem Hintergrund belegen die Feststellungen die Annahme des Generalbundesanwalts nicht, der Angeklagte habe hartnäckig sein Ziel verfolgt, schwerste Gewalt gegen den Nebenkläger anzuwenden.
22
Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist schließlich nicht widersprüchlich. Insbesondere stehen die Erwägungen zum Tötungsvorsatz mit denjenigen zum Vorsatz bezüglich einer mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangenen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB im Einklang. An beiden Stellen der Urteilsgründe hat die Strafkammer die große Gefährlichkeit der Tathandlung bedacht, ist mit Blick auf die sonstigen relevanten Umstände jedoch in nicht zu beanstandender Weise zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Dies ist hinzunehmen.
23
2. Hinsichtlich des Teilfreispruchs enthält das Urteil im Ergebnis ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler.
24
a) Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen ist das Tatgericht zunächst gehalten, in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen festzustellen, die es für erwiesen hält, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 StR 722/13, juris Rn. 6 mwN).
25
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht. Ihnen ist zu entnehmen, dass der Angeklagte die ausländerfeindlichen Parolen lediglich in dem Asylbewerberwohnheim skandierte und das Landgericht nicht hat feststellen können, dass er die ihm zur Last gelegten Äußerungen auch zuvor oder danach auf der Straße tätigte. Mit rechtsfehlerfreier Begründung hat die Strafkammer sodann dargelegt, dass die von den Zeugen Kr. , H. und L. gehörten Äußerungen auch von dem Zeugen J. abgegeben worden sein konnten. Für eine mittäterschaftliche Zurechnung dieser Rufe bietet der festgestellte Sachverhalt, der sich wesentlich von demjenigen unterscheidet, welcher der vom Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (Urteil vom 28. November 2001 - 1 Ss 52/01, NJW 2002, 1440 f.) zugrunde liegt, keinen Anhalt. Vor diesem Hintergrund war es nicht erforderlich, im Einzelnen darzulegen, welchen genauen Inhalt die von den Zeugen vernommenen Rufe hatten.
26
b) Die auch insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen begründen keine Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 oder § 130 Abs. 1 StGB.
27
aa) Im Rahmen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert die allein in Betracht kommende Tatvariante des öffentlichen Verwendens von Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen, dass die Art der Verwendung die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 3 StR 301/10, BGHR StGB § 86a Abs. 1 Öffentlich 1). Entscheidend ist somit nicht die Öffentlichkeit des Verwendungsortes an sich, sondern die vom Täter nicht überschaubare kommunikative Wirkung der Verwendung , mithin die Möglichkeit der Wahrnehmung durch einen größeren Personenkreis. Demgegenüber fehlt es an der Öffentlichkeit, wenn die Äußerung des Täters auf die Wahrnehmung durch eine einzelne Person oder einen engeren, untereinander verbundenen Personenkreis beschränkt ist oder beschränkt bleiben soll. Bei einer akustischen Äußerung kommt es deshalb darauf an, ob diese in einer Art und Weise abgegeben wurde, dass sie von einem größeren Personenkreis tatsächlich wahrgenommen wurde bzw. hätte wahrgenommen werden können (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. März 2003 - 5 St RR 20/2003, NStZ-RR 2003, 233, 233 f.).
28
Hier skandierte der Angeklagte die Parolen im Flur des 1. Stockes des Asylbewerberwohnheimes, in dem sich zum Zeitpunkt der Äußerung keine weiteren Personen aufhielten. Den Feststellungen ist weder zu entnehmen, dass sich eine ausreichend große Anzahl von Personen in den einzelnen Wohnungen befand und die Ausrufe dort wahrnahm, noch dass dies überhaupt möglich gewesen wäre, mithin die Rufe dort überhaupt verständlich waren. So wurde selbst der Nebenkläger nicht durch die Parolen, sondern erst durch die Schläge gegen die Tür auf den Angeklagten aufmerksam. Es ist deshalb bereits fraglich, ob hier ein größerer Personenkreis zur Wahrnehmung der Äußerungen in der Lage war und damit die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands festge- stellt sind. Jedenfalls hat das Landgericht vor diesem Hintergrund ohne durchgreifenden Rechtsfehler den notwendigen Vorsatz des Angeklagten verneint.
29
c) § 130 Abs. 1 StGB setzt einen in besonderer Weise qualifizierten Angriff gegen unter anderem Teile der Bevölkerung, wozu auch die in Deutschland dauerhaft lebenden Ausländer gehören (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 1988 - 3 StR 561/87, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 2), mit einem im Vergleich zu den Beleidigungsdelikten gesteigerten Unrechtsgehalt voraus. Erfasst sind Taten, die von Feindseligkeit geprägt sind. Daneben erfasst die Norm schwerwiegende Formen der Missachtung, die durch ein besonderes Maß an Gehässigkeit und Rohheit geprägt sind und die Angegriffenen als insgesamt minderwertig und ohne Existenzrecht in der Gemeinschaft abqualifizieren (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 34; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 130 Rn. 21).
30
Im Einzelnen ist im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Aufstacheln zum Hass ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betroffenen Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu verstärken (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Aufstacheln 2). Das Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen setzt ein über bloßes Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches oder konkludentes Einwirken auf andere voraus mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die den elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (vgl. BGH, aaO, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Auffordern 1).
31
Für die Tathandlungen nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB gilt: Beschimpfen ist eine nach Inhalt oder Form besonders verletzende Äußerung der Missachtung. Unter Verächtlichmachen ist jede auch bloß wertende Äußerung zu verstehen , durch die jemand als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig hingestellt wird. Verleumden erfordert das wider besseres Wissen aufgestellte oder verbreitete Behaupten einer Tatsache, die geeignet ist, die betroffene Gruppe in ihrer Geltung und in ihrem Ansehen herabzuwürdigen. Ein Angriff gegen die Menschenwürde anderer, der sich durch eine dieser Handlungen ergeben muss, setzt voraus, dass sich die feindselige Handlung nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte wie etwa die Ehre richtet, sondern den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten wird (vgl. BGH, aaO, BGHR StGB § 130 Menschenwürde 5 mwN).
32
Insoweit kommen sowohl im Rahmen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch bei § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB zwar grundsätzlich intensive ausländerfeindliche Parolen in Betracht (vgl. die Nachweise und Beispiele bei LK/Krauß, aaO, § 130 Rn. 56; MüKo/Schäfer, aaO, § 130 Rn. 44, 57 jew. mwN). Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen liegen hier jedoch nicht vor. Der Gehalt der festgestellten Äußerungen "Scheiß-Ausländer!", "Arschlöcher" und "Schaut's dass ihr euch aus unserem Land verpisst's" zielt zwar auf eine - wenn auch nicht unerhebliche - Kundgabe der Missbilligung, erreicht indes den nach obigem Maßstab zu bestimmenden tatbestandsrelevanten Bereich noch nicht.
33
II. Revision des Nebenklägers
34
Die Revision des Nebenklägers, mit der dieser die Beweiswürdigung angreift und die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung sowie wegen eines weiteren versuchten Mordes erstrebt, hat aus den bereits bei der Revision der Staatsanwaltschaft ausgeführten Gründen in der Sache keinen Erfolg.
Becker Schäfer Spaniol
Berg Hoch

(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet,
3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder
4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
in der Absicht handelt,
a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder
b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Verursacht der Täter durch eine Brandstiftung nach den §§ 306 bis 306b wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer in der Absicht, die Gesundheit eines anderen Menschen zu schädigen, es unternimmt, ihn einer ionisierenden Strahlung auszusetzen, die dessen Gesundheit zu schädigen geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Unternimmt es der Täter, eine unübersehbare Zahl von Menschen einer solchen Strahlung auszusetzen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.

(3) Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 1 durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(6) Wer in der Absicht,

1.
die Brauchbarkeit einer fremden Sache von bedeutendem Wert zu beeinträchtigen,
2.
nachhaltig ein Gewässer, die Luft oder den Boden nachteilig zu verändern oder
3.
ihm nicht gehörende Tiere oder Pflanzen von bedeutendem Wert zu schädigen,
die Sache, das Gewässer, die Luft, den Boden, die Tiere oder Pflanzen einer ionisierenden Strahlung aussetzt, die geeignet ist, solche Beeinträchtigungen, Veränderungen oder Schäden hervorzurufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine kerntechnische Anlage (§ 330d Nr. 2) oder Gegenstände, die zur Errichtung oder zum Betrieb einer solchen Anlage bestimmt sind, fehlerhaft herstellt oder liefert und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert herbeiführt, die mit der Wirkung eines Kernspaltungsvorgangs oder der Strahlung eines radioaktiven Stoffes zusammenhängt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
leichtfertig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer Wasserleitungen, Schleusen, Wehre, Deiche, Dämme oder andere Wasserbauten oder Brücken, Fähren, Wege oder Schutzwehre oder dem Bergwerksbetrieb dienende Vorrichtungen zur Wasserhaltung, zur Wetterführung oder zum Ein- und Ausfahren der Beschäftigten beschädigt oder zerstört und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod eines anderen Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 325/18
vom
25. September 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2018:250918B4STR325.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 25. September 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 5. April 2018 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete die Angeklagte, Mutter von zwei Kindern, nach zwei weiteren ungewollten Schwangerschaften Anfang April 2004 und Mitte 2008 das jeweils lebensfähig zur Welt gekommene Neu- geborene unmittelbar nach der Geburt durch Versperrung der Atemwege. In beiden Fällen befürchtete sie die ablehnende Reaktion ihres Lebensgefährten, des Kindsvaters, und ihrer Mutter auf eine (weitere) Schwangerschaft sowie die mit dem Familienzuwachs einhergehenden finanziellen Belastungen. Beide Taten wurden erst im Januar 2018 entdeckt, da die Angeklagte die Leichen der Neugeborenen in einem Gefrierschrank versteckt hatte.

II.


3
1. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten der Angeklagten erwogen, dass es ihr möglich gewesen wäre, Alternativen zu den Taten zu finden und die Kinder nicht zu töten, sondern sie beispielsweise zur Adoption freizugeben. Ihre Befürchtung, man werde ihr bei Bekanntwerden der Schwangerschaften im Familienkreis vorwerfen, sie sei nicht in der Lage, ihr Leben ordentlich zu führen und weitere Schwangerschaften durch Verhütung zu vermeiden, stelle keinen nachvollziehbaren Grund für eine Kindstötung dar.
4
2. Diese Strafzumessungserwägungen begegnen mit Blick auf § 46 Abs. 3 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5
a) Zwar hat sich die revisionsgerichtliche Überprüfung der Strafzumessung am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatrichters zu orientieren und nicht an dessen möglicherweise missverständlichen Formulierungen (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.). Das Landgericht hat aber im vorliegenden Fall im Ergebnis darauf abgestellt, dass die Angeklagte von den Taten hätte absehen können und müssen, weil sie keinen nachvollziehbaren Anlass zur Tatbegehung hatte. Dies stellt eine strafschärfen- de Verwertung des Umstandes dar, dass die Tat überhaupt begangenwurde. Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung können sich strafmildernd auswirken; ihr Fehlen berechtigt nicht dazu, diesen Umstand zu Lasten des Täters zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 4 StR 532/10, StV 2011, 224 f.; Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 119/13, NStZ 2014, 512 ff.).
6
b) Die für sich genommen nicht schuldunangemessenen Einzelstrafen können daher ebenso wenig bestehen bleiben wie der Ausspruch über die Gesamtstrafe. Die Strafkammer hat sowohl die Festsetzung der Einzelstrafen als auch die Bemessung der Gesamtstrafe auf die rechtsfehlerhafte Strafzumessungserwägung gestützt; im Fall III. 1 der Urteilsgründe hat sie diese als einzigen Gesichtspunkt zu Lasten der Angeklagten herangezogen. Der Senat kann daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 119/13
vom
9. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 19. Oktober 2012 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen - wobei es in einem Fall beim Versuch blieb - und mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt sowie die Einziehung eines bei der Tat verwendeten Messers angeordnet. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt , an die Nebenkläger jeweils ein Schmerzensgeld zu zahlen, und festgestellt , dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Nebenklägern sämtliche immateriellen und materiellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ersatzansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
2
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte am 5. Mai 2012 an einer Demonstration gegen eine Wahlkampfkundgebung der Partei „P. in B. teil. Als der Angeklagte erfuhr, dass Teil- nehmer der Kundgebung „Mohamed-Karikaturen“ des dänischen Zeichners Kurt Westergaard hochhielten, begannen er und eine Gruppe gewaltbereiter Demonstranten , Steine und andere Gegenstände auf die Polizeibeamten zu werfen , die zur Absperrung einer Straßenkreuzung eingesetzt waren. Der Zugführer der eingesetzten Polizeihundertschaft, der Zeuge R. , gab daraufhin den Befehl, vor die Absperrgitter zu rücken und den Kreuzungsbereich zu räumen. Während die Beamten des Polizeizugs die gewalttätige Menschenmenge unter Einsatz von Reizgas zurück drängten, gelang es dem Angeklagten, hinter die Kette der vorrückenden Beamten zu gelangen. Er zog das von ihm mitgeführte Messer und lief damit auf einzelne Polizeibeamte zu. Er stach zuerst in Richtung der Oberschenkel des Zeugen R. , der in eine Auseinandersetzung mit anderen Demonstrationsteilnehmern verwickelt war. Dieser konnte den Stich abwehren. Daraufhin eilten weitere Beamte herbei und versuchten, den Angeklagten aus dem Kreuzungsbereich zu vertreiben. Der Angeklagte lief nun auf den Polizeibeamten S. zu, der als Mitglied des Beweissicherungstrupps das Geschehen filmte, und stach diesem in den linken Oberschenkel. Anschließend warf er Steine gegen weitere in der Nähe stehende Polizeibeamte. Die Polizeibeamtin M. , die ihn zurückdrängen wollte, stach er in beide Ober- schenkel. Die Beamtin erlitt eine zehn cm und eine drei cm lange Schnittwunde. In der Folge konnte der Angeklagte überwältigt und festgenommen werden.
4
2. Das Landgericht hat die Tat als Landfriedensbruch gemäß § 125 Abs.1, § 125a Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 StGB, als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB zum Nachteil der Geschädigten S. , M. und R. , wobei es bei der Tat zum Nachteil des Geschädigten R. beim Versuch blieb, sowie als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs.1, § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gewertet.

II.

5
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
6
1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs, der Einziehung sowie der Adhäsionsentscheidung hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
7
Der tateinheitlichen Verurteilung des Angeklagten wegen Landfriedensbruchs und zugleich wegen gefährlicher Körperverletzung steht auch die Subsidiaritätsklausel des § 125 Abs. 1 StGB nicht entgegen, wonach der Täter wegen Landfriedensbruchs nur bestraft wird, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht wird. Zwar greift die Subsidiaritätsklausel des § 125 StGB auch dann ein, wenn - wie hier und unter II.2.a) ausgeführt - ein besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs nach § 125a StGB vorliegt. Maßstab für den vorzunehmenden Vergleich ist dann aber der Strafrah- men der als Strafzumessungsregel ausgestalteten Bestimmung des § 125a Satz 1 StGB, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren androht (BGH, Urteil vom 24. März 2011 - 4 StR 670/10, NStZ 2011, 576, 577 mwN). Wegen übereinstimmender Strafrahmen des § 125a Satz 1 StGB und des § 224 Abs. 1 StGB steht daher die Subsidiaritätsklausel einer tateinheitlichen Verurteilung nicht entgegen.
8
2. Der Strafausspruch hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Die zu Lasten des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung erfolgte Berücksichtigung der Erfüllung zweier Regelbeispiele des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs (§ 125a Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 StGB) ist nicht zu beanstanden.
10
Der Angeklagte, der zunächst gemeinsam mit anderen aus einer gewaltbereiten Gruppe von Demonstranten heraus Steine und Gegenstände in Richtung der vorrückenden Polizeibeamten warf, blieb auch nach dem Durchbrechen der Polizeikette Teil dieser Menschenmenge. Bei seinem Angriff gegen die drei Polizeibeamten, bei dem er die Regelbeispiele des § 125a Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 StGB erfüllte, handelte es sich daher noch um eine Gewalttätigkeit im Sinne des § 125 Abs. 1 StGB, die „mit vereinten Kräften“ aus dieser Menge heraus begangen wurde.
11
Dem steht nicht entgegen, dass sich der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt räumlich von der Gruppe entfernt hatte. Maßgebend für die Beurteilung, ob es sich bei einem Angriff um eine Einzelaktion eines Täters oder aber um eine „mit vereinten Kräften“ „aus einer Menschenmenge“ heraus begangene Gewalttätig- keit handelt, ist, ob die konkret ausgeführte Gewalttätigkeit von der in der ge- waltbereiten Menge vorhandenen Grundstimmung und zustimmenden Haltung getragen wird (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 28. Aufl. § 125 Rdn. 10; Schäfer in Münchener Kommentar, StGB 2. Aufl. § 125 Rdn. 17). In diesem Fall ist der Angriff eines Täters als Ausdruck des die Menge beherrschenden feindlichen Willens und damit als ein mit vereinten Kräften aus der Menschenmenge heraus begangener Angriff anzusehen.
12
So war es nach den Feststellungen hier. Zwar hatten sich durch das Vorrücken der Polizeikette von der zuvor kompakten Menge der Demonstranten Kleingruppen abgespalten. Mindestens eine dieser Gruppen ging aber im Kreuzungsbereich und ebenfalls im Rücken der Polizei weiterhin gewalttätig vor. Für die Messerangriffe des Angeklagten bildete sie sowie die von den Polizeibeamten zurückgedrängte Menge, aus der heraus sich der Angeklagte erst unmittelbar zuvor räumlich gelöst hatte, daher nicht nur Kulisse, sondern durch ihre feindliche Haltung gegen die eingesetzten Beamten weiterhin die Basis (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1995 - 1 StR 126/95, NJW 1995, 2643, 2644, insoweit in BGHSt 41, 182 nicht abgedruckt; Lenckner aaO, § 125 Rdn. 10). Die Messerangriffe des Angeklagten, die sich - entsprechend der Grundstimmung in der zurückgedrängten Gruppe von gewaltbereiten Demonstranten - gegen die eingesetzten Polizeibeamten richteten, waren Teil der von dieser Gruppe ausgehenden Gewalttätigkeiten, so dass er den Tatbestand des § 125 Abs. 1 StGB verwirklichte.
13
b) Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hat das Landgericht jedoch auch zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass sich seine Angriffshandlungen gegen „Repräsentanten des Staats“richteten, die hierzu „keinerlei Anlass“ ge- geben hatten. Diese Erwägung stößt auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. Senat, Urteil vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; BGH, Beschluss vom 24. Mai 2006 - 5 StR 158/06 Rn. 4 juris) auf durchgreifende rechtliche Bedenken.
14
Schon die strafschärfende Erwägung, dass sich die Angriffe gegen „Re- präsentanten des Staates“ richteten, ist mit im Blick auf das Doppelverwer- tungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) nicht unbedenklich. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht den Umstand, dass es sich bei den Geschädigten um Polizeibeamte handelte, noch einmal zu Lasten des Angeklagten eingestellt hat, obgleich schon der Tatbestand des § 113 StGB eine gegen einen Amtsträger der Bundesrepublik gerichtete Handlung voraussetzt. Im Übrigen wird man auch kaum annehmen können, Gewalttätigkeiten, die im Rahmen eines (schweren) Landfriedensbruchs gegen Unbeteiligte oder sonstige Dritte begangen werden, verwirklichten eine „geringere“ Schuld als Gewalt gegen Polizeibeamte.
15
Jedenfalls erweist sich die Erwägung, dass die Geschädigten dem Ange- klagten „keinerlei Anlass“ für einen Angriff gegeben hätten, als rechtsfehlerhaft. Da die Polizeibeamten dem Angeklagten jedenfalls insoweit einen „Anlass“ ge- geben hatten, als sie ihn unter Einsatz unmittelbaren Zwangs aus den Kreuzungsbereich wegdrängten bzw. dies absicherten, kann das Landgericht bei dieser Erwägung nur darauf abgestellt haben, dass es keinen berechtigten oder sonst verständlichen Anlass für den Messereinsatz gab. Dabei handelt es sich aber letztlich um eine strafschärfende Berücksichtigung des bloßen Fehlens eines strafmildernden Umstands.
16
Zwar schlagen nach allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen nachvollziehbare , verständliche Motive für eine Tatbegehung strafmildernd zu Buche , wie z.B. eine Tatverstrickung durch Dritte oder der Umstand, dass das Opfer selbst zu der Situation beigetragen hat, aus der heraus die Tat begangen wird. Das Fehlen solcher mildernden Umstände berechtigt indes nicht, dies zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. April 2012 - 2 StR 73/12, NStZ 2013, 46). Daher kann der Umstand, dass ein Täter "grundlos" gegen das Tatopfer vorgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 1993 - 4 StR 207/93 Rn. 6 juris; Senat, Beschluss vom 11. Februar 1998 - 2 StR 668/97 Rn. 3 juris) oder, dass das Opfer dem Täter "keinerlei Anlass“ für die Tat geboten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - 3 StR 106/10; Senat, Urteil vom 20. November 1992 - 2 StR 392/92), grundsätzlich nicht strafschärfend berücksichtigt werden, weil damit lediglich das Fehlen von Umständen beschrieben wird, die sich - wenn sie vorlägen - strafmildernd auswirken könnten.
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Zwar darf der Grundsatz, wonach das Fehlen eines Strafmilderungsgrunds keinen Strafschärfungsgrund darstellt, nicht dahin missverstanden werden , dass die Einbeziehung gegebener Tatsachen in die Abwägung der Umstände , die für die Strafzumessung von Bedeutung sind, stets dann rechtsfehlerhaft sei, wenn sie im Urteil in negativer Formulierung umschrieben sind. Die revisionsrichterliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich vielmehr am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatgerichts und nicht an dessen - möglicherweise missverständlichen oder sonst unzureichenden - Formulierungen zu orientieren (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.; vgl. auch im Ergebnis: BGH, Urteil vom 21. November 1993 - 1 StR 384/93 Rn. 15 juris). Nur wenn die Strafe tatsächlich an bloß fiktiven Erwägungen oder an einem nur hypothetischen Sachverhalt gemessen wird, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat, wird ein rechtlich fehlerhafter Maßstab an die Wertung des Verhaltens des Angeklagten angelegt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 1980 - 3 StR 176/80, NStZ 1981, 60 mwN; Beschluss vom 13. August 2013 - 4 StR 288/13 Rn. 7 juris; Beschluss vom 24. Oktober 2012 - 4 StR 392/12, NStZ-RR 2013, 81, 82).

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Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Ausgangspunktes hat das Landgericht mit seiner Formulierung, dass es für den Angeklagten „keinerlei Anlass“ gab, die Polizeibeamten anzugreifen,im Ergebnis allein darauf abgestellt , dass der Angeklagte von der Tat hätte absehen können und müssen, weil er für sie keinen von den Polizeibeamten geschaffenen berechtigten oder „verständlichen“ Anlass hatte. Dies stellt eine strafschärfende Verwertung des Um- stands dar, dass die Tat überhaupt rechtswidrig begangen wurde.
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c) Bedenken begegnet im Übrigen die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte befinde sich zwar erstmals in Haft, diese Erfahrung habe ihn aber „in keiner Weise zu beeindrucken“ vermocht. Es fehlt hier an einem sachlichen Zusammenhang zwischen dem grundsätzlich strafmildernden Umstand der Erstverbüßung und seiner weitgehenden Relativierung.
20
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung zu einer geringeren Strafe gelangt wäre.
Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 532/10
vom
9. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. November 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 21. Mai 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es Verfalls- und Einziehungsanordnungen getroffen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
3
a) Das Landgericht hat neben anderen Zumessungserwägungen zu Lasten des Angeklagten gewertet, "dass ihm der Ausstieg aus den illegalen Geschäften jederzeit möglich war, denn er war weder in finanzieller Not noch selbst drogenabhängig. Ein daraus abzuleitendes Motiv ist nicht ersichtlich. Er wollte mit den Geschäften Gewinne erzielen bzw. eigene Aufwendungen ersparen" (UA 21).
4
b) Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Mit der Gewinnerzielungsabsicht hat das Landgericht zu Lasten des Angeklagten einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, dessen Berücksichtigung gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, denn das Handeltreiben im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht (vgl. BGH - Großer Senat -, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05 -, BGHSt 50, 252, 256; BGH, Beschlüsse vom 23. November 1988 - 3 StR 503/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 15 m.w.N., und vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Auch die strafschärfende Erwägung, dass der Angeklagte von der Möglichkeit, von der Begehung der Taten Abstand zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hat, stellt einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot dar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 332/03 m.w.N.). Schließlich begegnet es auch rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe (Suchtmittelabhängigkeit, finanzielle Notlage) zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 46 Rn. 57d m.w.N.).
5
c) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne die fehlsamen Erwägungen auf niedrigere Einzelstrafen und eine noch mildere Gesamtstrafe erkannt hätte, und hebt daher - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - den gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer