Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2012 - 4 StR 77/12

bei uns veröffentlicht am21.06.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 77/12
vom
21. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. Oktober 2011 aufgehoben
a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 27 und 33 bis 40 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
b) soweit von der Anordnung eines Vorwegvollzugs abgesehen worden ist.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil hinsichtlich der Anordnung des Verfalls von Wertersatz aufgehoben.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 29 Fällen (Fälle II. 1 bis 26, 29, 31 und 32 der Urteilsgründe), davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 15 bis 26 der Urteilsgründe) und davon in weiteren 13 Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren (Fälle II. 2 bis 14 der Urteilsgründe), wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen (Fälle II. 27, 33 bis 40 der Urteilsgründe) und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen (Fälle II. 28 und 30 der Urteilsgründe ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und von der Anordnung eines Vorwegvollzugs abgesehen. Ferner hat das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 130.000 € angeordnet. Gegen dieses Urteil wenden sich sowohl der Angeklagte als auch (zu seinen Ungunsten) die Staatsanwaltschaft – diese beschränkt auf den Strafausspruch – mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen.

I.


2
Das wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die sich insbesondere gegen die Annahme minder schwerer Fälle in den Fällen II. 2 bis 27 und 33 bis 40 der Urteilsgründe wendet, hat nur hinsichtlich der Fälle II. 27 und 33 bis 40 der Urteilsgründe Erfolg.
3
1. Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist daher eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Die Erschwerungsgründe und die Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1986 - 4 StR 492/86, BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung, fehlerfreie 1; BGH, Urteil vom 6. November 2003 - 4 StR 296/03, NStZ-RR 2004, 80).
4
In diesem Sinne zeigt die Revision Rechtsfehler bei der Wahl des Strafrahmens nicht auf. Das Landgericht hat die erforderliche Gesamtschau vorgenommen und dabei alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Entscheidung ist daher zu respektieren, auch wenn hier eine andere Beurteilung möglicherweise näher gelegen hätte.
5
2. Allerdings ist dem Tatrichter bei der Zumessung der Einzelstrafen aus dem Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG in den Fällen II. 27 und 33 bis 40 der Urteilsgründe ein Fehler unterlaufen. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht (UA S. 20). Dabei hat es übersehen, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990, 2010) mit Wirkung vom 23. Juli 2009 die Obergrenze des Strafrahmens auf zehn Jahre angehoben hat. Da der Angeklagte die Taten II. 27 und 33 bis 40 der Urteilsgründe zwischen November 2010 und Februar 2011 begangen hat, war hier dieser erhöhte Strafrahmen zugrunde zu legen. Das Landgericht hat in diesen Fällen Einzelstrafen zwischen zwei Jahren und sechs Monaten (Fall II. 40) und vier Jahren und zwei Monaten (Fälle II. 27 und 34) und somit bis nahe der Obergrenze des fehlerhaft zugrunde gelegten Strafrahmens verhängt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es bei Anwendung des richtigen Strafrahmens in diesen Fällen höhere Strafen verhängt hätte.
6
3. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass sich die Strafkammer bei der Strafzumessung nicht mit der Frage befasst hat, ob die im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktretenden Qualifikationstatbestände eine Sperrwirkung hinsichtlich der Mindeststrafe des für minder schwere Fälle vorgesehenen Ausnahmestrafrahmens entfalten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, NStZ 2003, 440), schließt der Senat aus, dass die in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen auf diesem Fehler beruhen, denn sie überschreiten die Mindeststrafe der verdrängten Tatbestände deutlich.
7
4. Die Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 27 und 33 bis 40 der Urteilsgründe führt auch zur Aufhebung der milden Gesamtstrafe und des an sich rechtsfehlerfreien Absehens von der Anordnung eines Vorwegvollzugs. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende , zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter sind möglich.

II.


8
Die Revision des Angeklagten hat nur hinsichtlich der Verfallsanordnung Erfolg. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keine Rechtsfehler zu seinen Lasten ergeben.
9
Das Landgericht, das zutreffend davon ausgegangen ist, dass der vom Angeklagten eingenommene Verkaufserlös ohne Berücksichtigung von ihm gegenüberstehenden Unkosten insgesamt dem Verfall unterliegen kann ("Bruttoprinzip" ), hat sich nicht erkennbar mit § 73c StGB auseinandergesetzt. Das Urteil enthält keine Ausführungen dazu, ob der Wert des aus den Betäubungsmitteldelikten Erlangten im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden ist und, falls nicht, ob die Anordnung ganz oder zum Teil unterbleiben kann (§ 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB). Hierzu hätte aber angesichts des hohen Verfallsbetrages sowie der Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten Anlass bestanden (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2009 - 3 StR 188/09 Rn. 8).
10
In diesem Umfang bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den Einnahmen aus dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln - insgesamt 134.530,75 € - bedarf es nicht.
Ernemann Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2012 - 4 StR 77/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2012 - 4 StR 77/12

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han
Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2012 - 4 StR 77/12 zitiert 3 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2012 - 4 StR 77/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 24. Sept. 2009 - 3 StR 188/09

bei uns veröffentlicht am 24.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 188/09 vom 24. September 2009 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 13

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Nov. 2003 - 4 StR 296/03

bei uns veröffentlicht am 06.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 296/03 vom 6. November 2003 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 296/03
vom
6. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 6. Februar 2003 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch der Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagte wegen der Tötung zweier von ihr geborener Säuglinge (Tatzeiten: 1997 und 2002) der Kindestötung und des Totschlags für schuldig befunden und gegen sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren (Einzelfreiheitsstrafen: zwei Jahre und sechs Monate und sieben Jahre) verhängt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist - wie die Revisionsbegründung deutlich macht – ungeachtet des umfassend gestellten Aufhebungsantrages wirksam auf den Strafausspruch beschränkt (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
1. Die Revision der Angeklagten erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben hat. Die Verneinung eines minder schweren Falles des Totschlags durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Zwar kann nach Aufhebung des § 217 StGB a.F. die psychische Ausnahmesituation einer Mutter, die ihr eheliches oder nichteheliches Kind in oder gleich nach der Geburt tötet, durch die Anwendung des § 213 StGB Berücksichtigung finden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum 6. StrRG BTDrucks. 13/8587 S. 34). Die Annahme eines minder schweren Falles ist jedoch in diesen Fällen entgegen der Auffassung der Revision nicht zwingend, sondern bedarf - wie auch sonst - einer Gesamtwürdigung. Eine solche hat das Landgericht unter sorgfältiger Abwägung der für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände vorgenommen und einen minder schweren Fall im Sinne des § 213 2. Alt. StGB insbesondere mit Blick darauf, daß es sich um eine Wiederholungstat handelt, rechtsfehlerfrei verneint.
2. Auch der Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie in erster Linie im Hinblick auf die 1997 begangene Tat die Annahme eines minder schweren Falles der Kindestötung (§ 217 Abs. 2 StGB a.F.) beanstandet und sich im übrigen gegen die Bemessung der wegen Totschlags verhängten Einzelstrafe (Freiheitsstrafe von sieben Jahren) sowie der Gesamtstrafe wendet, bleibt der Erfolg versagt. Die Höhe der verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe liegt jeweils im Bereich des dem Tatrichter bei der Strafzumessung einzuräumenden Beurteilungsspielraums. Ihre Bemessung läßt Rechtsfehler nicht erkennen , solche werden von der Beschwerdeführerin auch nicht aufgezeigt. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge der Verletzung des § 217 Abs. 2 StGB a.F..


a) Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, daß die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung der Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (st. Rsp., vgl. nur die Nachweise bei Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 46 Rdn. 85). Die Erschwernis- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (BGHR StGB vor § 1/msF Gesamtwürdigung, fehlerfreie 1; BGH NStZ 1991, 529 jeweils mit weiteren Nachweisen).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Annahme eines minder schweren Falls der Kindestötung rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat seine Entscheidung aus einer Gesamtschau hergeleitet, in die die maßgeblichen Gesichtspunkte eingeflossen sind. Es hat hierbei zu Gunsten der Angeklagten namentlich ihr Geständnis, die bisherige Straflosigkeit, das Vorliegen die Tat begünstigender Persönlichkeitsauffälligkeiten sowie den Umstand berücksichtigt, daß sie aus einer Konfliktsituation heraus in einem – wenn auch nicht tiefgreifenden – Affekt handelte. Daß das Landgericht hierbei – wie die Revision meint – die Art und Weise der Tatausführung und das Ver-
halten der Angeklagten nach der Tat nicht im Blick gehabt haben könnte, steht nicht zu befürchten. Die Darlegung sämtlicher Erwägungen ist weder nötig noch möglich (BGHR StGB vor § 1/msF Gesamtwürdigung, fehlerfreie 3).

c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begründet die vom Landgericht vorgenommene Berücksichtigung einer Affektsituation auch keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Richtig ist zwar, daß durch die Privilegierung des § 217 StGB a.F. dem mit dem Geburtsvorgang gewöhnlich verbundenen besonderen Erregungszustand der nichtehelichen Mutter Rechnung getragen werden sollte (vgl. hierzu Jähnke in LK 10. Aufl. § 217 Rdn. 1 und 6). Zutreffend ist auch, daß das Verbot der Doppelverwertung über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände erfassen kann, die - ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein – gerade den gesetzgeberischen Anlaß für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind (vgl. hierzu etwa Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 46 Rdn. 45 a, 46 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Ob und in welchem Umfang dies auch für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 217 Abs. 2 StGB a.F. gilt, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Das Landgericht hat nämlich bei der Annahme eines minder schweren Falles ersichtlich nicht auf einen geburtsbedingten Erregungszustand der Angeklagten,
sondern auf eine durch ihre Persönlichkeitsauffälligkeiten und außergewöhnlichen Lebensverhältnisse verursachte besondere, als existentiell empfundene Konfliktsituation abgestellt. Dies ist unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden. ! " #%$ & ' ( ) * + , Ernemann Sost-Scheible

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

8
3. Keinen Bestand kann aber der Ausspruch des Landgerichts über die Anordnung von Wertersatzverfall haben. Das Landgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen festzustellen, ob der Wert des aus den Betäubungsmittelstraftaten Erlangten im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden ist, und zu prüfen , ob in Ansehung der Härtevorschrift des § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB die Anordnung nach seinem Ermessen ganz oder zum Teil unterbleiben kann (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 73 c Rdn. 4 f.). Hierzu hätte aber angesichts des sehr hohen Verfallsbetrages sowie des geringen Renteneinkommens des An- geklagten und der - unklaren - Feststellungen zu seinen derzeitigen Vermögensverhältnissen auch mit Blick auf den Resozialisierungsgedanken Anlass bestanden (vgl. BGHSt 33, 37, 39; BGH, Beschl. vom 29. Oktober 2002 - 3 StR 364/02).