Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juli 2011 - 5 StR 192/11

bei uns veröffentlicht am07.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 192/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Juli
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsrätin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Februar 2011 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die gegen das Urteil gerichtete, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Am späten Abend des 17. Juli 2010 besuchte der erheblich alkoholisierte Angeklagte den Friedhof, um das Grab seines verstorbenen Bruders zu wässern. Er bemerkte die vor dem Grab ihrer einige Monate zuvor verstorbenen kleinen Tochter kniende Geschädigte, kniete sich zu ihr nieder und sagte, er habe auch einen Trauerfall zu beklagen; sie müsse loslassen. Die Geschädigte bat ihn, sie alleine zu lassen. Der Bitte kam der Angeklagte zunächst nach, fasste dann aber den Entschluss, die Geschädigte sexuell zu missbrauchen, und kehrte zur Grabstelle zurück. Als die Geschädigte gerade aufstehen wollte, hielt er ihr die Hände an den Hals und forderte sie auf, nicht zu schreien. Die Geschädigte schrie um Hilfe, woraufhin der Angeklagte sie fest um den Hals packte, so dass sie zeitweise keine Luft bekam und zu Boden sank. Der Angeklagte lockerte den Griff und streichelte mit seinen Fingern am Hals der Geschädigten entlang. Zuvor hatte er seine Turnhose bis zu den Kniekehlen heruntergezogen, weswegen sein Unterkörper unbekleidet war. Nunmehr lief der auf das Geschehen aufmerksam gewordene seinerzeitige Lebensgefährte der Geschädigten hinzu und stieß den Angeklagten zur Seite. Der Angeklagte flüchtete.
4
b) Der Angeklagte ist unter anderem wegen in alkoholisiertem Zustand begangener Sexualstraftaten erheblich vorbestraft:
5
1986 verhängte das Kreisgericht Senftenberg gegen ihn eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen versuchter Nötigung zu sexuellen Handlungen, weil er eine Frau vom Fahrrad gezogen hatte, um sie sexuell zu missbrauchen; er würgte sie und versuchte, sie zu einer Mülldeponie zu schleifen, bevor sie sich befreien und davonlaufen konnte. 1988 folgte eine erneut durch das Kreisgericht Senftenberg verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten wegen versuchter Nötigung zu sexuellen Handlungen im schweren Fall. Der Angeklagte hatte eine Passantin in sexueller Motivation verfolgt, geschlagen und unter Todesdrohungen gewürgt, weil sie schrie. 1992 wurde er durch das Bezirksgericht Cottbus wegen Nötigung zu sexuellen Handlungen in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die später erlassen wurde. Er hatte eine Frau in einen Keller gestoßen, wo er sie namentlich durch Würgen zum Oralverkehr zwang. In derselben Nacht fiel er eine Passantin von hinten an, würgte sie und führte einen Finger in ihre Scheide ein. 1997 wurde er durch das Amtsgericht Senftenberg – neben weiteren Straftaten – wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, weil er vor einem 13-jährigen Mädchen und an einem anderen Tag vor einer erwachsenen Frau onaniert hatte. Am 8. April 2002 verhängte das Landgericht Cottbus gegen ihn eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen Vergewaltigung. Der Angeklagte hatte sich mit unbekleidetem Unterkörper einer 15-jährigen Radfahrerin in den Weg gestellt und sie am Hals vom Fahrrad gezogen. Über eine halbe Stunde hinweg zwang er sie unter Todesdrohungen zu sexuellen Handlungen, insbesondere zum Oralverkehr. Obwohl sie sagte, sie sei 13 Jahre alt und noch Jungfrau, vergewaltigte er sie vaginal. Die Strafe verbüßte er bis zum 9. März 2006.
6
c) Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem Angeklagten eine alkoholbedingte Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB nicht auszuschließen vermocht, jedoch eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB wegen selbstverschuldeter Trunkenheit nicht vorgenommen. Sonstige Eingangsmerkmale des § 20 StGB lägen nicht vor. Zwar weise dieser dissoziale Persönlichkeitszüge auf. Eine zur Schuldminderung führende Persönlichkeitsstörung im Sinne einer schweren anderen seelischen Abartigkeit liege jedoch nicht vor. Auch eine unter dem Aspekt der §§ 20, 21 StGB relevante sexuelle Devianz sei maßgebend mit Blick auf eine durchaus normale sexuelle Entwicklung und normale sexuelle Aktivität in zwei Partnerschaften nicht gegeben. Eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB hat das Landgericht unter anderem mit Blick auf die Vollendungsnähe der Tat versagt, deren Scheitern nur dem beherzten Eingreifen des Lebensgefährten der Geschädigten zu verdanken sei. Die Voraussetzungen des § 64 StGB seien schon mangels hinreichend sicher feststellbaren Hangs des Angeklagten nicht erfüllt, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen. Dem Angeklagten gelinge es ohne Probleme, auch über längere Zeit hin völlig abstinent zu leben. Jedenfalls fehle es an der für die Maßregel erforderlichen hinreichend konkreten Erfolgsaussicht.
7
2. Die Revision des Angeklagten bleibt zum Schuld- und Strafausspruch ohne Erfolg.
8
a) Entgegen der Auffassung der Revision und des Generalbundesanwalts ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei getroffen. Namentlich bestand für die Strafkammer kein Anlass zu einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Angeklagte bereits vor dem Eingreifen des Lebensgefährten der Geschädigten die weitere Ausführung der Tat im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB endgültig aufgegeben hat. Anhaltspunkte für eine Aufgabe der Tat lassen sich dem Verhalten des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten nicht entnehmen. Durch das Würgen der Geschädigten hatte er deren Hilferufe unterbrochen, weswegen er den Griff lockern konnte. Das Streicheln am Hals der Geschädigten, auch in Verbindung mit etwaigen, vom Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung erwähnten beschwichtigenden Worten, spricht dabei nicht gegen, sondern für ein Fortbestehen der sexuellen Absichten des Angeklagten, deren gewaltfreie Durchsetzung er offensichtlich nicht erwarten konnte. Deswegen waren nähere Erörterungen des Tatgerichts entbehrlich. Auf den Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte seine Hose heruntergezogen hat, kommt es danach nicht an.
9
b) Soweit das Landgericht Strafrahmenverschiebungen nach §§ 21 und 23 Abs. 2, jeweils i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB, versagt hat, hält sich dies nach den konkreten Umständen des Falles in dem vom Revisionsgericht hinzunehmenden tatgerichtlichen Ermessensspielraum.
10
3. Dagegen genügt die Begründung des Maßregelausspruchs angesichts der durch das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 4. Mai 2011 (BGBl. I S. 1003) entwickelten strengeren Maßstäbe zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit rechtlicher Überprüfung letztlich nicht.
11
a) Allerdings hat die Strafkammer nach dem zum Zeitpunkt ihres Urteils maßgeblichen Rechtszustand fehlerfrei auf Sicherungsverwahrung erkannt.
12
aa) Zutreffend hat sie sich auf den – nach Ziffer III 1 des vorgenannten Urteils des Bundesverfassungsgerichts weiterhin anwendbaren – § 66 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 StGB in der vor dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung gestützt. Die Vorschrift stellt im Hinblick auf die durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) erfolgte Neufassung von § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB (Verlängerung der sogenannten „Rückfallver- jährung“ bei Sexualstraftaten auf 15 Jahre) das dem Angeklagten günstigere Gesetz dar (vgl. Art. 316e Abs. 2 EGStGB).
13
bb) Nachvollziehbar hat das Landgericht einen Hang des Angeklagten zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit festgestellt. Die Gefährlichkeitsprognose hat es auf eine umfassende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten unter besonderer Berücksichtigung seiner den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Taten gestützt. Dabei hat es sich an den individuell bedeutsamen Bedingungsfaktoren für die bisherige Delinquenz, deren Fortbestand, der fehlenden Kompensation durch protektive Umstände und dem Gewicht dieser Faktoren in zukünftigen Risikosituationen ausgerichtet. Besondere Bedeutung hatte der Umstand, dass die Anlasstat bereits das sechste Sexualdelikt darstellt, das der Angeklagte nach einem sehr ähnlichen Verhaltensmuster verübt hat, indem er – spontanen Entschlüssen folgend – ihm unbekannte Frauen überfallen und nach Würgen, teils auch unter Todesdrohungen, sexuell missbraucht oder dies versucht hat. Den Zeitablauf hat das Landgericht in seine Würdigung einbezogen.
14
Die bei der Darstellung des Gutachtens des Sachverständigen erörterten Ergebnisse psychiatrischer Prognoseinstrumente dienen bei der Prüfung des Landgerichts nach dem Zusammenhang nur der vollständigen Erfassung der Beurteilungsaspekte. Es hat dem hierdurch erlangten empirischen Wissen sowie dem statistischen Rückfallrisiko gegenüber den individuell belangreichen Faktoren insoweit noch nicht zu viel Bedeutung beigemessen (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – 5 StR 296/09, NJW 2010, 245, und Beschluss vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203, 204).
15
b) Die Urteilsbegründung genügt indes nicht ohne weiteres auch den Anforderungen an die im Hinblick auf die durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 4. Mai 2011 aaO) festgestellte Verfassungswidrigkeit des Rechts der Sicherungsverwahrung gebotene strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung. Danach muss in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sein (BVerfG aaO Rn. 172).
16
Im Rahmen seiner sorgfältigen Gesamtwürdigung hat das Landgericht unter anderem berücksichtigt, dass der Angeklagte – wie seine einschlägigen früheren Taten nachdrücklich zeigen – eine Willensschwäche aufweist, aufgrund derer er sich ihm bietenden Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag: Selbst die wegen der Vergewaltigung eines 15-jährigen Mädchens bis März 2006 verbüßte Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, die anschließend bestehende und andauernde Führungsaufsicht sowie die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin hätten ihn nicht von der durch besondere Gewissenlosigkeit geprägten, auf einem Friedhof zum Nachteil einer um ihr verstorbenes Kind trauernden Frau begangenen Anlasstat abhalten können. Auf der Basis sachverständiger Begutachtung ist das Landgericht in Anbetracht der Persönlichkeit und des bisherigen Werdegangs des Angeklagten auch davon ausgegangen, dass dessen Gefährlichkeit in Bezug auf weitere schwere Sexualstraftaten nach derzeitigem Stand im Strafvollzug selbst mit Einzeltherapiemaßnahmen oder der Unterbringung in der sozialtherapeutischen Abteilung derzeit nicht wirksam begegnet werden könne.
17
Gleichwohl kann der Senat im Ergebnis nicht eindeutig feststellen, dass auch die vom Bundesverfassungsgericht neu aufgestellten Verhältnismäßigkeitskriterien zweifelsfrei erfüllt sind, wenngleich dies keineswegs fernliegt. Die geforderte Schwere der drohenden Taten ist sicher gegeben. Auf die vom Bundesverfassungsgericht für Fälle rückwirkender Anwendung im Rahmen von § 66b oder § 67d StGB entwickelten nochmals deutlich strengeren Verhältnismäßigkeitskriterien (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 – 5 StR 52/11, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) kommt es hier nicht an.
18
Die Zweifel ergeben sich aus den vom Landgericht im Rahmen seiner Gefährlichkeitsprüfung hervorgehobenen Umständen nicht unbeträchtlicher Zwischenräume zwischen den Taten und einer nicht feststellbaren Eskalation von deren Häufigkeit und Schwere (vgl. UA S. 45). Letztlich macht sich das Landgericht auch die Wahrscheinlichkeit eines vom Sachverständigen darge- legten Rückfallrisikos „von über 30 %“ (UA S. 47) zueigen. Bei dieser Sach- lage vermag der Senat die grundsätzlich dem Tatgericht obliegende strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht in dem Sinne zu ersetzen, dass ein für den Angeklagten negatives Ergebnis dieser Prüfung rechtlich zwingend wäre (vgl. dazu BGH, aaO).
19
c) Sollte das neue Tatgericht wiederum zur Anordnung der Sicherungsverwahrung gelangen, werden die vom Bundesverfassungsgericht bezeichneten durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der gleichwohl vorübergehend fortgeltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung allerdings schon jetzt Anlass für erhebliche Bemühungen um therapeutische Resozialisierungsmaßnahmen geben. Solches gilt nicht nur von Beginn des Vollzugs der gegen den Angeklagten verhängten verhältnismäßig niedrigen Freiheitsstrafe an und ungeachtet etwa fortbestehenden mangelnden Therapiewillens des Angeklagten. Entsprechende Maßnahmen werden schon alsbald vorzubereiten sein.
20
d) Im Rahmen der gebotenen umfassenden neuen Prüfung der Maßregelanordnung müsste das neue Tatgericht für den Fall abweichender nicht zweifelsfreier Feststellung der Gefährlichkeit eine Anwendung des § 66a StGB aF in Betracht ziehen.
Basdorf Raum Schaal König Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juli 2011 - 5 StR 192/11

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Zur Anwendbarkeit der Vorschrift des § 66b Abs. 1 Satz 2
StGB (im Anschluss an BGHSt 52, 205).
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – 5 StR 296/09
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sch. ,
Rechtsanwalt R.
alsVerteidiger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Februar 2009 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB angeordnet. Der Verurteilte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Der Verurteilte ist schon mehrfach bestraft worden.
4
a) Erstmals wurde er 1978 in der DDR wegen „Rowdytums“ zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt. Drei Wochen nach vollständiger Verbüßung dieser Strafe wurde er wiederum wegen „Rowdytums“ zu „17 Monaten Haft“ verurteilt. Es folgte am 27. November 1981 eine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug. Nach Erlass dieser Strafe kam es am 25. August 1983 zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Hehlerei, die der Verurteilte bis Dezember 1984 verbüßte.
5
b) Am 5. Oktober 1987 verurteilte ihn das Stadtgericht Berlin wegen eines am 26. Dezember 1986 begangenen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren. Dem lag folgendes Geschehen zugrunde:
6
Der Verurteilte geriet mit einem Arbeitskollegen im Aufenthaltsraum in einen Streit, wobei er von seinem Kontrahenten geohrfeigt wurde. Hierüber wütend geworden zog er sich in den angrenzenden Heizungskeller zurück, wo er zunächst seine Tätigkeit als Heizer aufnahm. Nicht mehr konkret feststellbare Zeit später kehrte er jedoch mit einer auf 600 bis 800 Grad Celsius erhitzten Schürstange in den Aufenthaltsraum zurück und durchbohrte damit den in einem Sessel sitzenden Kollegen im linken Unterbauch.
7
Nach Verbüßung von zwei Dritteln der erkannten Strafe ist der Verurteilte am 21. Dezember 1994 unter Reststrafaussetzung zur Bewährung entlassen worden.
8
c) Am 13. Dezember 1996 tötete der Verurteilte seine Ehefrau. Der Tat war eine mehrjährige äußerst spannungsreich geführte Beziehung vorausgegangen. Nach einer Trennung war der Verurteilte Anfang Dezember 1996 auf Betreiben seiner Ehefrau wieder bei dieser eingezogen. Schon nach wenigen Tagen verschlechterte sich die Stimmung zwischen beiden erneut. Am Tattag wurde der Verurteilte von seiner Ehefrau aufgefordert, aus der Wohnung zu „verschwinden“. Hierauf und auf ihre Beschimpfungen reagierte er „gereizt und verzweifelt“. Nach kurzzeitiger Versöhnung und einverständlichem Geschlechtsverkehr geriet die Ehefrau wiederum in Wut über den Verurteilten und verlangte abermals von ihm, die Wohnung zu verlassen. Nun konnte der Verurteilte den ständigen Wechsel von Zuwendung und Ab- lehnung nicht mehr ertragen. Er schubste seine Frau so heftig, dass sie zu Boden fiel. Dann setzte er sich auf sie und fixierte ihre Arme. Als sie lachte und ihn weiter beschimpfte, würgte er sie mit beiden Händen so kraftvoll, dass schon nach wenigen Sekunden Bewusstlosigkeit und schließlich der Tod eintraten. Der Verurteilte hielt das Opfer fünf Minuten im Würgegriff, um es „seinen Schmerz fühlen zu lassen“.
9
Aufgrund dieser Tat ist er am 4. Juli 1997 durch das Landgericht Berlin zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen Totschlags verurteilt worden.
10
d) Seit seiner Selbststellung am 15. Dezember 1996 befand sich der Verurteilte ununterbrochen in Haft. Therapeutische Maßnahmen erfolgten während des Strafvollzugs im Wesentlichen deshalb nicht, weil er entsprechende Angebote nicht wahrnahm.
11
Im Strafvollzug wurden gegen den Verurteilten disziplinarische Maßnahmen infolge dort „üblicher Beleidigungen gegen Bedienstete der Justizvollzugsanstalt oder geringfügigerer körperlicher Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen“ getroffen. Jeweils wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil von Mitgefangenen wurde er im Jahr 2003 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten und im Jahr 2008 zu einer Geldstrafe verurteilt.
12
2. Das Landgericht ist sachverständig beraten zu der Überzeugung gelangt, dass der Verurteilte gefährlich sei, da er eine intensive Neigung zu Gewalttaten aufweise. Die von ihm ausgehende Gefahr sei zwar schon in dem 1997 geführten Verfahren erkennbar gewesen. Damals sei die Anordnung der Sicherungsverwahrung aber rechtlich nicht möglich gewesen, weil die Vorschrift des § 66 Abs. 3 StGB noch nicht gegolten habe.

II.


13
Die Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Die Maßregelanordnung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 1, 2 StGB hält auch der sachlichrechtlichen Überprüfung stand.
14
1. Das Landgericht hat die formellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB zu Recht bejaht. In Übereinstimmung mit § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB n.F. hat es dabei hinsichtlich der Voraussetzungen des § 66 StGB allein auf die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Rechtslage abgestellt (vgl. BGHSt 52, 205, 207). Der Verurteilte ist wegen Totschlags und damit wegen einer Tat im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB zu einer zwei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt. 1987 war er durch ein Gericht der DDR bereits wegen einer Katalogtat – versuchter Mord – zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Angesichts des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts und der hierzu mitgeteilten Verfahrenstatsachen ist diese Verurteilung ohne Weiteres berücksichtigungsfähig (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 66 Rdn. 22). Von der Strafe verbüßte der Verurteilte acht Jahre, ohne dass er sich im Zeitraum zwischen dieser Tat und der Anlasstat für einen Zeitraum von fünf Jahren auf freiem Fuß befand.
15
2. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht einen Hang des Verurteilten zur Begehung schwerer Straftaten sowie seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit festgestellt. Die Gefährlichkeitsprognose hat es auf eine umfassende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Verurteilten unter besonderer Berücksichtigung seiner Vorverurteilungen gestützt. Dabei hat es sich an den individuell bedeutsamen Bedingungsfaktoren für die bisherige Delinquenz, deren Fortbestand, der fehlenden Kompensation durch protektive Umstände und dem Gewicht dieser Faktoren in zukünftigen Risikosituationen ausgerichtet. Die bei der Darstellung der Gutachten der beiden Sachverständigen erörterten Ergebnisse der operationalisierten Prognoseinstrumente (PCL-R und HCR 20) hat es ersichtlich nur zur vollständigen Erfassung der Beurteilungsaspekte verwandt, ohne dass es dem hierdurch erlangten empirischen Wissen bzw. dem statistischen Rückfallrisiko gegenüber den individuell bedeutsamen Faktoren zu viel Bedeutung beigemessen hätte (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982; BGHSt 50, 121, 130 f.; BGH StV 2008, 300; 301; NStZ 2009, 323; NStZ-RR 2009, 75; Boetticher/Dittmann/Nedopil/Nowara /Wolf NStZ 2009, 478).
16
Auf der Grundlage der Gutachten der beiden Sachverständigen hat das Landgericht nachvollziehbar ausgeführt, dass der Hang des Verurteilten zur Begehung schwerwiegender Taten aus seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung erwachse. Er erlebe vermehrt Wut- und Zornausbrüche, die in Verbindung mit einem Mangel an Affektsteuerung, Selbstreflexion und Empathie sowie der fehlenden Kompetenz zum Umgang mit sozialen Konflikten auch für die Zukunft erwarten ließen, dass sich bei Auseinandersetzungen ein aggressiver Impuls ungehemmt Bahn breche. Sowohl bei der zum Nachteil seiner Ehefrau begangenen Anlasstat – die zwar auch einige Züge einer Affekttat getragen habe, aber elementar von den in seiner Persönlichkeitsstruktur wurzelnden Reaktionsmustern bestimmt gewesen sei – als auch bei dem im Jahr 1987 verübten versuchten Mord seien diese Mechanismen wirksam geworden. Die Taten seien daher symptomatisch für den festgestellten Hang. Auch die Entwicklung während des Strafvollzugs hat das Landgericht in hinreichender Weise – keine Behandlung während des Vollzugs, aktuelle Sicht auf die eigene Delinquenz und ihre Ursachen, fehlender Veränderungswille – in die Gesamtbewertung der Gefährlichkeit einbezogen.
17
Eine Neigung zu Eigentums- oder Vermögensdelikten hat es hingegen nicht festgestellt.
18
3. Die Anordnung ist auch im Übrigen durch § 66b Abs. 1 StGB gedeckt.
19
Das Landgericht hat freilich neue Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB, das heißt solche, die erst nach der Anlassverurteilung entstanden sind oder vom Richter des Ausgangsverfahrens nicht erkannt werden konnten und auf eine erhebliche Gefährlichkeit hinweisen (BGHSt 50, 180, 187; 275, 278; 373, 378; 52, 213, 215 ff.; BGHR StGB § 66b Neue Tatsachen 5), nicht feststellen können. Denn das strafrechtlich relevante Fehlverhalten während des Vollzugs sei jedenfalls Ausfluss des schon bei der Anlassverurteilung zutage getretenen Gefährdungspotenzials des Verurteilten. Von den Vorgutachtern in den Verfahren wegen der beiden Kapitalverbrechen sei zwar nicht die Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung gestellt, aber das entsprechende Persönlichkeitsbild klar beschrieben worden.
20
Das Landgericht hat seine Entscheidung auf § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB gestützt. Danach kann materieller Anlass für die nachträgliche Anordnung der Maßregel auch sein, dass die vom Verurteilten ausgehende Gefahr zur Zeit der Verurteilung zwar schon erkennbar gewesen ist, Sicherungsverwahrung seinerzeit aber aus rechtlichen Gründen nicht angeordnet werden konnte. Die Entscheidung ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
21
a) Die sachlichen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB hat das Landgericht zutreffend angenommen. Gegen den Verurteilten konnte bei der Verurteilung vom 4. Juli 1997 aus rechtlichen Gründen keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden. Denn die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1, 2 StGB waren nicht erfüllt. Mit fehlerfreien Erwägungen ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es zur Zeit der Anlassverurteilung der nach § 66 Abs. 1 StGB erforderlichen zweiten Vorverurteilung mit Symptomcharakter (vgl. BGH StV 2007, 633; NStZ 2008, 453) ermangelte. Erst der durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) mit Wirkung zum 31. Januar 1998 – und damit nach der Anlassverurteilung – eingeführte § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB schuf die Möglichkeit der Anordnung der Maßregel bei der Begehung von nur zwei Symptomtaten (vgl. BGH NJW 2006, 3154).
22
Die Verurteilung vom 25. August 1983 zu Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Hehlerei konnte zur Begründung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB nicht herangezogen werden. Denn ihr wohnt kein Symptomcharakter für den Hang des Verurteilten zur Begehung schwerer Gewaltdelikte inne.
23
Die zweite Verurteilung wegen Rowdytums zu „17 Monaten Haft“ schied als relevante Vorverurteilung schon aus formalen Gründen aus. Denn zwischen der zugrunde liegenden Tat und dem versuchten Mord als nächster Symptomtat war „Rückfallverjährung“ (§ 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB) eingetreten. Das erschließt sich letztlich aus dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils, das sonst hinsichtlich der Bezeichnung maßgeblicher Fristen sehr genau abgefasst, danach auch in diesem Punkt nicht als lückenhaft anzusehen ist. Daher bedarf die Frage keiner weiteren Vertiefung, ob – was fern liegt – eine derartige Vorverurteilung mit ihrem Strafmaß – ungeachtet der Frage ihrer Verwertbarkeit gemäß § 64a Abs. 3 Satz 2, § 51 BZRG – überhaupt als Symptomtat für die Anordnung von Sicherungsverwahrung herangezogen werden durfte.
24
Die Verurteilung erfolgte spätestens im Jahr 1979, die Verbüßung war danach, wie die Revision selbst einräumt, schon etwa Mitte 1980 erledigt. Anschließend befand sich der Verurteilte, unterbrochen nur von der einjährigen Strafvollstreckung aufgrund der Verurteilung wegen Hehlerei, bis zur ersten entscheidenden Tatbegehung am 26. Dezember 1986 mehr als fünf Jahre auf freiem Fuß (§ 66 Abs. 4 Satz 4 StGB). Die zwischenzeitlich begangenen Taten der Urkundenfälschung (in Tateinheit mit versuchtem Betrug) und Hehlerei, derentwegen er in den Jahren 1981 und 1983 verurteilt worden ist, unterbrechen den Lauf der Frist nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB nicht, weil es sich bei ihnen nicht um Symptomtaten handelt und hinsichtlich der Verur- teilung aus dem Jahr 1981 die Strafgrenze von einem Jahr nicht erreicht ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 1989 – 3 StR 150/89, insoweit in BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 4 nicht abgedruckt; Fischer aaO § 66 Rdn. 20).
25
b) Die – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende (BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 981; BGHSt 52, 205, 209 ff. mit Anm. Peglau NJW 2008, 1634) – Regelung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB beansprucht zunächst Gültigkeit für solche sogenannten „Altfälle“, in denen bis zum 29. Juli 2004 aufgrund fehlender bzw. eingeschränkter Anwendbarkeit des Rechts der Sicherungsverwahrung auf im Beitrittsgebiet begangene Taten Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden konnte (zur historischen Entwicklung BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982). Ferner erfasst sie ohne weitere Einschränkung Taten, die die Voraussetzungen des mit Wirkung zum 31. Januar 1998 (BGBl I S. 160) in Kraft gesetzten § 66 Abs. 3 StGB erfüllten, aber vor dessen Inkrafttreten begangen bzw. vor der mit Wirkung zum 29. Juli 2004 erfolgten Streichung des Art. 1a Abs. 2 EGStGB durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (BGBl I S. 1838) abgeurteilt wurden.
26
Vorliegend wurden die Taten vor dem Inkrafttreten des § 66 Abs. 3 StGB begangen und abgeurteilt. Sie bilden damit einen Teilkomplex der letztgenannten Fallgruppe. Es besteht kein Anlass, § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB in dem Sinne einengend zu interpretieren, dass die Vorschrift lediglich Fälle erfasst, in denen die Norm, welche die Anordnung von Sicherungsverwahrung gestattet, bei Aburteilung prinzipiell schon in Kraft war und lediglich aufgrund räumlicher und/oder zeitlicher Begrenzung auf den Verurteilten nicht anzuwenden war (so möglicherweise Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 66b Rdn. 125, 127; wie hier Jehle in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB 2009 § 66b Rdn. 19).
27
(1) Eine derartige Einschränkung ist dem Wortlaut des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB nicht zu entnehmen. Sie würde dem Willen des Gesetzgebers und den von ihm verfolgten Schutzzwecken widersprechen. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien eindeutig ergibt (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – BTDrucks. 16/4740 S. 22 f.), wollte der Gesetzgeber gerade auch diese Fallgruppe erfassen. Der auf eine engere Gesetzesfassung abzielende Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks. 16/4740 S. 18) vermochte sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchzusetzen.
28
(2) Sachgründe für eine unterschiedliche Behandlung der in Frage stehenden Gruppen von „Altfällen“ sind nicht vorhanden. Namentlich ist eine einengende Interpretation im bezeichneten Sinn nicht unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes geboten, sondern würde im Gegenteil – auch von Verfassungs wegen – nicht zu rechtfertigende Widersprüche bewirken. Denn das Vertrauen auf den Nichtbestand einer § 66 Abs. 3 StGB entsprechenden Regelung verdient jedenfalls keinen höheren Schutz als das Vertrauen in den anderen „Altfällen“. So war im Einigungsvertrag für im Beitrittsgebiet begangene „Alttaten“ ein Vertrauenstatbestand in Bezug auf den Ausschluss der Sicherungsverwahrung geschaffen und in der Folge durch den Gesetzgeber mehrfach bestätigt worden. Trotz des hierdurch begründeten schutzwürdigen Vertrauens „der höchsten Stufe“ (BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982, im Anschluss an Peglau NJW 2008, 1634) ist der durch § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumte Vorrang des Schutzes der Rechtsgemeinschaft vor einzelnen besonders gefährlichen Tätern als überragendes Gemeinwohlinteresse verfassungsrechtlich anerkannt worden (BVerfG aaO; BGHSt 52, 205, 211 f.; zur Abwägung vgl. auch BVerfGE 109, 133, 186; 109, 190, 236; BVerfG – Kammer – NJW 2006, 3483, 3484). Die Abwägung kann in Fällen wie dem hier zu beurteilenden nicht abweichend ausfallen.
29
(3) Die Anwendbarkeit des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB auf die vorliegende Fallkonstellation lässt sich zudem bereits eindeutig aus der Grundsatzentscheidung des Senats zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm entnehmen (BGHSt 52, 205, 209). Die Entscheidung betraf zwar einen im Beitrittsgebiet abgeurteilten „Altfall“, der indes vor Inkrafttreten der allein die Sicherungsverwahrung ermöglichenden Vorschrift des § 66 Abs. 3 StGB abgeurteilt worden war. Wollte man die Norm nur auf Fälle besonderer räumlicher und zeitlicher Ausnahmen von der generell gegebenen Möglichkeit der Verhängung von Sicherungsverwahrung beschränken, hätte nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen den damals betroffenen Verurteilten genauso wenig angeordnet werden dürfen wie gegen einen zur selben Zeit in den alten Ländern Abgeurteilten.
30
c) Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist der Anwendungsbereich des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB – noch über die für die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung generell bestehenden engen Grenzen hinaus – besonders stark einzuschränken. Die notwendige Beschränkung ist innerhalb des Kreises derjenigen Verurteilten, die die sachlichen Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung i.V.m. § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB erfüllen, nach Gefährlichkeitsaspekten (zur Abgrenzung vgl. BGHR StGB § 66b Abs. 1 Satz 2 Voraussetzungen 2; BGH StraFo 2008, 435, 436) vorzunehmen. Danach kann die Regelung nur in besonderen Ausnahmefällen einiger weniger hochgefährlicher Täter angewendet werden (BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982 m.w.N.). Der verfassungsrechtlich zwingend erforderlichen restriktiven Handhabung der Vorschrift des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB ist dabei schon durch eine entsprechende Prüfung der Antragstellung durch die Staatsanwaltschaften Rechnung zu tragen.
31
Die genannten einschränkenden Voraussetzungen sind indes im vorliegenden Fall zweier schwerer Kapitalverbrechen fraglos erfüllt.
Basdorf Raum Brause Schaal König

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 69/10
vom
30. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 30. März
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 8. Oktober 2009 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Zugleich hat es die Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen die Verurteilung richtet sich die Revision des Angeklagten mit der allgemeinen Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Nach den Feststellungen missbrauchte der damals 57 oder 58 Jahre alte Angeklagte zwei Mädchen im Alter von zehn oder elf bzw. von zwölf Jahren, die er im unmittelbaren Wohnumfeld kennengelernt und um die er sich im Einverständnis mit den Eltern als hilfsbereiter Nachbar gekümmert hatte. Er holte die Kinder von der Schule ab, machte Ausflüge mit ihnen und ließ sie in seiner Wohnung das Internet nutzen. In den Sommerferien 2008 waren die Kinder ständig von morgens bis abends bei ihm. Die Taten beging der Angeklagte "in dem Zeitraum von Anfang Juni bis Ende August 2008". Eine nähere Eingrenzung war der Kammer - von zwei Taten abgesehen, die am 15. und 16. August 2008 stattfanden - nicht möglich.
3
Die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Strafzumessung - insbesondere die Annahme eines besonders schweren Falles des sexuellen Kindesmissbrauchs (§ 176 Abs. 3 StGB) im Fall II. 2. der Urteilsgründe sowie die Verhängung von drei Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr, denen jeweils ein Zungenkuss des Angeklagten mit der zehn- oder elfjährigen M. zugrunde liegt - ist angesichts der Gesamtumstände zwar eher streng, verlässt aber den Bereich des Schuldangemessenen noch nicht.
4
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann hingegen nicht bestehen bleiben, da das Landgericht weder einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB noch eine auf ihm beruhende zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten tragfähig begründet hat.
5
1. Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Der Hang als "eingeschliffenes Verhaltensmuster" bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Seine Feststellung obliegt - nach sachverständiger Beratung - unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände dem Richter in eigener Verantwortung (BGH, Urt. vom 17. Dezember 2009 - 3 StR 399/09 - Rdn. 4).
6
Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es führt - unter pauschaler Bezugnahme auf "gutachterliche Feststellungen" des Sachverständigen - lediglich aus, dass "bei dem Angeklagten die aus psychologischpsychiatrischer Sicht für einen Hangtäter sprechenden Risikofaktoren für die Begehung weiterer sexueller Missbrauchstaten von Kindern nach Anzahl und Gewicht (überwiegen). Dieses ließe erwarten, dass der Angeklagte auch weitere im mittleren bis schweren Bereich anzusiedelnde sexuelle Missbrauchstaten begehen wird." Damit ist nicht nur zu besorgen, das Landgericht habe unter Verkennung der Kompetenz- und Verantwortungsbereiche die Entscheidung über den Hang dem Sachverständigen überlassen, es fehlt auch an der notwendigen Gesamtwürdigung von Taten und Täterpersönlichkeit. Diese ist mit besonderer Sorgfalt vorzunehmen, wenn - wie hier - bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB in Ermangelung von symptomatischen Vortaten und neuerlicher Delinquenz trotz erfolgter Strafverbüßung die Tatsachengrundlage besonders schmal ist (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 3 Katalogtat 1). In die Würdigung wäre hier u. a. einzustellen gewesen , dass der nicht vorbestrafte Angeklagte bislang ein unauffälliges Leben führte und aus mehreren, zum Teil langjährigen Beziehungen mit Frauen insge- samt vier erwachsene Kinder hatte. Zudem handelte es sich um einen äußerst kurzen Tatzeitraum.
7
Sollte das Landgericht angenommen haben, eine positive Gefährlichkeitsprognose könne die Feststellung eines Hangs ersetzen, wäre auch dies rechtsfehlerhaft. Hangtätereigenschaft und Gefährlichkeit für die Allgemeinheit sind keine identischen Merkmale. Das Gesetz differenziert zwischen den beiden Begriffen sowohl in § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB als auch in § 67 d Abs. 3 StGB. Der Hang ist nur ein wesentliches Kriterium der Prognose. Der Hang als "eingeschliffenes Verhaltensmuster" bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Die Gefährlichkeitsprognose schätzt die Wahrscheinlichkeit dafür ein, ob sich der Täter in Zukunft trotz seines Hanges erheblicher Straftaten enthalten kann oder nicht (BGHSt 50, 188, 196; vgl. auch BGH StV 2008, 301, 320).
8
2. Auch die Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten ist rechtlich zu beanstanden. Hier referiert das Landgericht, der Sachverständige habe "zum einen eine statistische Bewertung des von dem Angeklagten ausgehenden Risikos nach dem Verfahren 'Static 99' durchgeführt. … Auf einer bis 10 reichenden Skala habe der Angeklagte einen Skalenwert von 7 erreicht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei der Angeklagte damit in den Bereich 'hohes Risiko' einzustufen, der bei dem Skalenwert 6 beginne."
9
Zutreffend an diesen Ausführungen ist allein, dass es sich bei dem "Static 99" um eines von mehreren Prognoseinstrumenten zur Vorhersage von Rückfällen bei Sexualdelinquenz handelt (vgl. hierzu Dahle, Grundlagen und Methoden der Kriminalprognose in: Kröber u. a.: Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd. 3 S. 1, 32 ff., 41 ff.; Dahle FPPK 2007, 15, 17), dessen Qualität inzwischen auch durch Studien in Europa getestet worden ist (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 3. Aufl. S. 248; Rettenberger/Eher MschrKrim 2006, 352, 358; Noll u. a MschrKrim 2006, 24, 29; Endrass u. a. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 2009, 284; Dahle u. a. FPPK 2009, 210, 216, 219). Es ist aber bereits nicht ersichtlich, wie der Sachverständige bei dem unbestraften, nahezu 60jährigen Angeklagten, der mehrere langjährige Beziehungen zu Frauen hatte, seine durchweg weiblichen Opfer und deren Familien im nachbarschaftlichen Umfeld seit längerem kannte und bei seinen Taten ohne Gewalt vorging, zur Vergabe von sieben Risikopunkten kommen konnte. Die Feststellungen des Landgerichts belegen jedenfalls nur einen Risikopunkt (ItemNummer 8: Opfer und Täter sind nicht verwandt). Hinzu kommt, dass sich das Landgericht darauf beschränkt, ein "hohes Risiko" festzustellen, ohne darzulegen , welche Straftaten in welchem Zeitraum mit welcher Wahrscheinlichkeit von dem Angeklagten zu erwarten sind. Nur so könnte nachprüfbar belegt werden, ob der Angeklagte gefährlich ist.
10
Zuletzt lässt das Landgericht außer Acht, dass mit der Feststellung, der Angeklagte weise bei Anwendung irgendeines statistischen Prognoseinstruments eine bestimmte Anzahl von Risikopunkten auf, nichts Entscheidendes gewonnen ist. Solche Instrumente können für die Prognose zwar Anhaltspunkte über die Ausprägung eines strukturellen Grundrisikos liefern, sind indes nicht in der Lage, eine fundierte Einzelbetrachtung zu ersetzen (Dahle FPPK 2007, 15, 24). Zur individuellen Prognose bedarf es über die Anwendung derartiger Instrumente hinaus zusätzlich einer differenzierten Einzelfallanalyse durch den Sachverständigen. Denn jedes Instrument kann nur ein Hilfsmittel sein, eines von mehreren Werkzeugen, mit denen sich der Gutachter die Prognosebeurteilung erarbeitet (vgl. auch Boetticher u. a. NStZ 2009, 478, 481).
11
Die weiteren, im Urteil wiedergegebenen Erwägungen des Sachverständigen vermögen diese Mängel nicht auszugleichen.
12
3. Der Senat vermag nicht völlig auszuschließen, dass eine neuerliche Verhandlung doch noch zur Feststellung von Umständen führt, die die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnten. Über den Maßregelausspruch muss deshalb nochmals entschieden werden. Dabei wird sich die Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen empfehlen.
Sost-Scheible Pfister Hubert Schäfer Mayer

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 66b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
MRK Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. e
1. Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung unterfällt, auch wenn
sie nicht die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB erfüllt,
dem Begriff der psychischen Störung im Sinne von Art. 5
Abs. 1 Satz 2 lit. e MRK, § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThuG und kann
bei aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten
des Verurteilten ableitbarer hochgradiger Gefahr
schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten die nachträgliche
Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB aF rechtfertigen
(im Anschluss an BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011,
BGBl. I S. 1003).
2. Die einschränkenden Maßgaben gemäß dem vorgenannten
Urteil des Bundesverfassungsgerichts beanspruchen jeden-
falls in „Altfällen“ auch für die nachträgliche Anordnung der
Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB aF
Gültigkeit.
BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 – 5 StR 52/11
LG Potsdam –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 21. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. Oktober 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat gemäß § 66b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB aF die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung nachträglich angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Verurteilte mit der auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Der Verurteilte ist mehrfach bestraft.
4
a) Das Landgericht Potsdam hat ihn am 17. November 2000 wegen eines am 1. April 2000 begangenen Verbrechens des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Vergewaltigung und wegen Diebstahls zu zehn Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (Anlassverurteilung).
5
Dem liegt zugrunde, dass der Verurteilte wenige Tage nach seiner Entlassung aus der Strafhaft eine ihm unbekannte Frau in den Kofferraum seines Pkw sperrte, um durch ihre Entführung Lösegeld zu erpressen. Einem während dieser Tat gefassten Entschluss folgend vergewaltigte er sein Opfer unter Todesdrohungen.
6
Wegen Annahme einer Fehldiagnose wurde die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus am 5. Februar 2002 für erledigt erklärt und der Verurteilte in den Strafvollzug überwiesen. Die Gesamtfreiheitsstrafe verbüßte er bis 30. Juni 2010 vollständig. Zuvor hat die Staatsanwaltschaft die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beantragt.
7
b) Bereits vor der Anlassverurteilung war der Verurteilte vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten:
8
Das Militärgericht Dresden verurteilte ihn am 31. Juli 1989 wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Nötigung zu sexuellen Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Er hatte unter Anwendung von Gewalt eine junge Frau in die Toilette eines Personenzugs gezerrt , um dort gewaltsam den Geschlechtsverkehr an ihr zu vollziehen. Er verbüßte einen Teil der Strafe bis zum 26. April 1990.
9
Am 18. Juni 1992 verurteilte ihn das Bezirksgericht Leipzig wegen „versuchter Vergewaltigung im schweren Fall, Vergewaltigung im schweren Fall“ in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Vergewaltigung in Tateinheit mit Nötigung und Freiheitsberaubung sowie „mehrfachen Diebstahls“ (vier Fälle) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten. Dem lag unter anderem zugrunde, dass er im August 1990 (und damit rund vier Monate nach der letzten Haftentlassung), im September 1990 und im Juli 1991 ihm unbekannte Frauen im Alter zwischen 17 und 25 Jahren unter Vorhalt einer Waffe in seine Gewalt gebracht hatte, um an ihnen sexuelle Handlun- gen bis hin zum Geschlechtsverkehr vorzunehmen. Er verbüßte die Strafe vollständig bis zum 21. August 1997.
10
Am 12. März 1998 verurteilte ihn das Amtsgericht Gera wegen einer rund einen Monat nach seiner letzten Entlassung aus der Strafhaft begonnenen Diebstahlsserie zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Diese Strafe verbüßte er bis zum 21. März 2000.
11
c) Auch während des Strafvollzugs ergingen Straferkenntnisse gegen den Verurteilten. Er wurde am 1. September 2005 wegen versuchter Nötigung zum Nachteil der Leiterin der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt Brandenburg zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Am 28. Juni 2010 wurde gegen ihn – nicht rechtskräftig – wegen Körperverletzung zum Nachteil eines Mitgefangenen eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt.
12
Darüber hinaus war sein gesamtes Vollzugsverhalten durch eine fordernde , berechnende und verbal drohende Verhaltensweise gekennzeichnet. Um seinen Willen durchzusetzen, bedrohte er mehrfach massiv Vollzugsmitarbeiter und zerstörte Anstaltsinventar. Wegen seines aggressiven Verhaltens musste er wiederholt in einem gesondert gesicherten Haftraum untergebracht werden. Aus Sicherheitsgründen – es wurden Übergriffe auf Bedienstete und Mitgefangene befürchtet – wurde er 2007 von der Justizvollzugsanstalt Brandenburg in die Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen und im September 2008 in die Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel verlegt.
13
2. Das Landgericht hat angenommen, dass vom Verurteilten auch nach Verbüßung der Freiheitsstrafe die hochgradige Gefahr der Begehung weiterer schwerer Sexualstraftaten ausgehe, weil er in seiner gestörten Persönlichkeitsstruktur einen Hang zur Begehung solcher Taten habe. Diese hochgradige Gefährlichkeit zeige sich nicht nur an seinen Vorstrafen und der außerordentlich hohen Rückfallgeschwindigkeit, sondern auch in seinem überaus aggressiven Auftreten während des Strafvollzugs. Die von ihm ausgehende Gefahr sei bereits im Rahmen der Anlassverurteilung erkennbar gewesen, wegen der damals fehlerhaft angenommenen Verminderung der Schuldfähigkeit und daraus resultierend der Unterbringung nach § 63 StGB sei die Sicherungsverwahrung aber nicht angeordnet worden.

II.


14
Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
15
1. Das Landgericht hat die sachlichen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB in der Fassung vom 13. April 2007 (aF), die gemäß Art. 316e Abs. 1 EGStGB auf vor dem 31. Dezember 2010 begangene Taten anwendbar bleiben, in der Sache rechtsfehlerfrei bejaht. Danach kann die Sicherungsverwahrung nachträglich dann angeordnet werden, wenn nach der Anlassverurteilung, jedoch vor Vollzugsende der deswegen verhängten Freiheitsstrafe neue Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten hinweisen.
16
a) Die formellen Voraussetzungen der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB aF i.V.m. § 66 Abs. 1 StGB liegen im Hinblick auf die Verurteilungen durch das Militärgericht Dresden im Jahr 1989 sowie durch das Bezirksgericht Leipzig im Jahr 1992 vor. Zwar hat es die Strafkammer versäumt, hinsichtlich des letztgenannten Urteils auch die Einzelstrafen mitzuteilen. Dem Urteilstenor und der Schilderung der zugrunde liegenden Taten lassen sich jedoch zumal angesichts der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten Einzelstrafen von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe für die drei Sexualverbrechen sicher entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 1996 – 1 StR 173/96).
17
b) Auch die Voraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB aF im Hinblick auf die wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Vergewaltigung und Körperverletzung verhängte Einzelstrafe von neun Jahren Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17. November 2000 hat das Tatgericht rechtsfehlerfrei bejaht.
18
2. Die Annahme neuer Tatsachen im Sinne der vorgenannten Regelungen begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat auf Tatsachen abgestellt, die vor dem Hintergrund der nicht (mehr) vorhandenen Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus die qualifizierte Gefährlichkeit des Verurteilten auf einer abweichenden Grundlage belegen und somit rechtlich in einem neuen Licht erscheinen lassen (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 7. Oktober 2008 – GSSt 1/08, BGHSt 52, 379, 390 ff.). Beraten von zwei Sachverständigen kommt es zu der Überzeugung, dass beim Verurteilten ein relevanter Defekt im Sinne der §§ 20, 21 StGB zum Tatzeitpunkt nicht bestanden habe, namentlich nicht die im Urteil vom 17. November 2000 angenommene schwere andere seelische Abartigkeit wegen einer Borderline-Störung. Allerdings habe bereits zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der „psychopathischen Struktur“ des Verurteilten im Sinne des „Psychopathie-Konzepts von HARE“ ein Hang zur Begehung von schweren Straftaten, insbesondere Sexualstraftaten , vorgelegen. Der Verurteilte sei mit einem hohen Durchsetzungsbedürfnis und großer Rücksichtslosigkeit ausgestattet und in nur sehr geringem Maße emotional berührbar. Die Annahme einer höchst dissozialen und aggressiven Persönlichkeit sah das Landgericht zudem rechtsfehlerfrei in seinem manipulativen und auf Drohungen ausgerichteten Vollzugsverhalten bestätigt.
19
3. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (BGBl. I S. 1003) darf § 66b Abs. 2 StGB aF auf Taten, die – wie vorliegend – vor seinem Inkrafttreten begangen worden sind, allerdings nur noch dann angewendet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Ge- walt- und Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Verurteilten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG leidet. Die durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebenen einschränkenden Voraussetzungen, die auch die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 StGB aF jedenfalls in Fällen der Rückwirkung erfassen, sind hier bereits auf der Grundlage des angefochtenen Urteils ohne Weiteres als erfüllt anzusehen, selbst wenn darin der neue Maßstab noch nicht umfassend berücksichtigt werden konnte.
20
a) Mit dem genannten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die Regelungen des Strafgesetzbuchs über die Sicherungsverwahrung mangels ausreichender Wahrung des „Abstandsgebots“ für unvereinbar mit dem – auch im Blick der Wertungen des Art. 7 Abs. 1 MRK auszulegenden – Frei- heitsgrundrecht erklärt und eine gesetzliche Neuregelung bis 31. Mai 2013 verlangt. Darüber hinaus hat es – neben der rückwirkenden unbefristeten Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – die rückwirkende nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für unvereinbar mit dem Freiheitsgrundrecht in seiner Ausprägung durch den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz – in einer an den Wertungen des Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 MRK orientierten Auslegung – erklärt. Namentlich die rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung kann daher nur noch als verhältnismäßig angesehen werden, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. e MRK erfüllt sind (BVerfG aaO Rn. 156). Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht eine weitere Anwendung der Vorschrift nur unter den genannten strengen Anforderungen für zulässig erachtet (BVerfG aaO Tenor Ziffer III).
21
b) Diese einschränkenden Maßgaben beanspruchen auch für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB aF Gültigkeit. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in Ziffer II. 2 des Urteilstenors – ersichtlich geschuldet den ihm zur Entscheidung vorgelegten Fällen – ausdrücklich nur § 66b Abs. 2 StGB aF für verfassungswidrig erklärt. Jedoch treten – wie auch der verfahrensgegenständliche Sachverhalt zeigt – im Rahmen des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB aF ebenfalls häufig Fallgestaltungen auf, in denen die der Anlassverurteilung zugrunde liegende Straftat vor Inkrafttreten der Norm begangen wurde; § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB aF stellt in seinen rechtlichen Voraussetzungen sogar allein auf Straftaten ab, die bereits vor Inkrafttreten der Regelung begangen wurden. Die durch das Bundesverfassungsgericht insbesondere gegen die rückwirkende Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB aF angeführten durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken sind daher jedenfalls in Altfällen auf § 66b Abs. 1 StGB aF zu übertragen. Dem entspricht es, dass das Bundesverfassungsgericht in Leitsatz Ziffer 4 die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung umfassend benennt.
22
c) Dem Beschluss des Senats vom 21. Juli 2010 – 5 StR 60/10 (BGHSt 55, 234) zur Rückwirkungsproblematik bei nachträglicher Sicherungsverwahrung folgend hat das Landgericht seiner Entscheidung bereits den nunmehr auch vom Bundesverfassungsgericht geforderten erhöhten Gefährlichkeitsmaßstab (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Mai 2011 – 5 StR394, 440, 474/10, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt.
23
Sachverständig beraten ist es zu der Überzeugung gelangt, dass der 43 Jahre alte und körperlich gesunde Verurteilte kurz- bis mittelfristig nach seiner Entlassung wieder schwerste Sexualstraftaten begehen werde. Es handele sich bei ihm um einen stark bedürfnisorientierten Serienvergewaltiger , dessen innere Einstellung plakativ in seiner Äußerung hervortrete, er nehme sich Geld, wenn er Geld brauche, und eine Frau, wenn er Sex brauche. Behandlungsangebote habe er aufgrund mangelnder Auseinandersetzung mit seiner Persönlichkeit sowie seinen Straftaten nicht nutzen können, weshalb „die persönlichkeitsgebundene Disposition zur Begehung erhebli- cher Straftaten, primär von sexuellen Gewaltdelikten fortbestehe“ (UA S. 48). Die außerordentlich hohe Rückfallgeschwindigkeit der früheren Taten sowie das massiv gewaltbereite und berechnende Auftreten im Strafvollzug verdeutlichten die von ihm konkret ausgehende höchste Gefährlichkeit.
24
d) Das Vorliegen einer psychischen Störung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThuG, die das Bundesverfassungsgericht in Konkretisierung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. e MRK verlangt, vermag der Senat – obgleich nicht Prüfungsmaßstab des Landgerichts – den Urteilsfeststellungen hier ohne Weiteres sicher zu entnehmen. Eine solche Störung muss gerade nicht zu einer Einschränkung der Schuldfähigkeit nach §§ 20, 21 StGB führen (vgl. BVerfG aaO Rn. 152, 173; BGH, Beschluss vom 23. Mai 2011 aaO Rn. 7). Spezifische Störungen der Persönlichkeit, des Verhaltens, der Sexualpräferenz, der Impuls- und Triebkontrolle sind der psychischen Störung zuzurechnen; dies gilt insbesondere für die dissoziale Persönlichkeitsstörung (vgl. BVerfG aaO Rn. 152 mwN; siehe auch BT-Drucks. 17/3403 S. 54).
25
Auf der Grundlage von Gutachten zweier Sachverständiger hat das Landgericht im Blick auf den Verurteilten nachvollziehbar eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit paranoiden Zügen angenommen. Es hat ihn rechtsfehlerfrei als eine von ihrer eigenen Überlegenheit und Großartigkeit überzeugte narzisstische Persönlichkeit mit hohem Durchsetzungsbedürfnis und nur sehr geringer emotionaler Berührbarkeit gekennzeichnet: Er fühle sich nur gut und stark, wenn er anderen Menschen wehtun, sie beleidigen oder kränken könne; die Verletzung anderer befriedige ein inneres Bedürfnis und sei nicht bloße Begleiterscheinung zielstrebigen Verhaltens. Vor dem Hintergrund dieser Persönlichkeitsstörung seien soziale Auffälligkeiten und kriminelle Fehlverhaltensweisen entwickelt worden, die in die abgeurteilten, überwiegend sehr schweren Gewalt- bzw. Sexualstraftaten eingemündet hätten. Ohne weitreichende therapeutische Behandlung sei eine Änderung des strafrechtlichen Verhaltens des Verurteilten nicht zu erwarten.
26
Diese die Gefährlichkeitsbeurteilung tragenden Befunde ergeben die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThuG, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. e MRK mit Eindeutigkeit. Angesichts der fehlerfrei getroffenen Bewertung im angefochtenen Urteil ist zweifelsfrei auszuschließen, dass bei einer tatgerichtlichen Beurteilung in positiver Kenntnis des vom Bundesverfassungsgericht über BGHSt 55, 234 hinaus eingeschränkten Maßstabes ein abweichendes Ergebnis erzielt werden könnte. Dies gestattet hier trotz der Maßstabsverengung – ausnahmsweise – eine sofortige Verwerfung der Revision.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.