Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2019 - 5 StR 391/19

bei uns veröffentlicht am11.12.2019
vorgehend
Landgericht Dresden, 427 , s 29314/18
Landgericht Dresden, KLs 2, Ss 561/19

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 391/19
vom
11. Dezember 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:111219U5STR391.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Dezember 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Köhler
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25. Februar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall 12 der Urteilsgründe,
b) im Fall 5 der Urteilsgründe im Strafausspruch – insoweit auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft –,
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
d) soweit die Einziehung des Wertes des Tatertrages von mehr als 39.785 Euro angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Verabredens zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes des Tatertrages von 57.385 Euro angeordnet. Soweit dem Angeklagten weitere Betäubungsmittelstraftaten vorgeworfen worden waren (Anklagefälle 4 bis 9, 11 bis 13 und 17), hat das Landgericht ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, mit der Sachrüge geführte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist ausweislich der Rechtsmittelbegründung gegen den Strafausspruch betreffend die Taten 1 bis 7 sowie den Teilfreispruch betreffend die Anklagefälle 4 bis 9 und 11 bis 13 beschränkt und bleibt erfolglos (vgl. zur Bedeutung der Revisionsbegründung für die Frage der Beschränkung des Rechtsmittels BGH, Urteile vom 26. April 2017 – 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201; vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109). Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt – teils auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft (§ 301 StPO) – zu der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Aufhebung des Urteils. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


3
1. Der Schuldspruch und die Einziehungsentscheidung beruhen auf folgenden Feststellungen:
4
Der Angeklagte entschloss sich spätestens im Dezember 2017, seinen Lebensbedarf zumindest teilweise durch den gewinnbringenden Verkauf von Marihuana und Kokain zu finanzieren. In der Folgezeit veräußerte er bis April 2018 insgesamt zehn Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von min- destens 2 % („albanische Hecke“), drei Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 9,5 % („Haze“) und 197 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % an den gesondert verfolgten M. (Taten 1 bis 7). Im Juni und Juli 2018 verkaufte er dem anderweitig verfolgten T. insgesamt eineinhalb Kilogramm Marihuana „albanische Hecke“ und 50 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % (Taten 8, 9, 11, 12). Am 10. Juli 2018 verabredete er mit T. , gemeinschaftlich ein Kilogramm Mari- huana „albanische Hecke“ für 3.000 Euro gewinnbringend an unbekannte Ab- nehmer zu verkaufen (Tat 10). Zudem bewahrte er am 1. August 2018 in seiner Wohnung 197,94 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 143,3 Gramm Cocainhydrochlorid zum Eigenkonsum auf (Tat 13).
5
Der Einziehungsentscheidung nach §§ 73, 73c StGB legte das Landgericht einen Verkaufspreis von 2.400 Euro für ein Kilogramm Marihuana „albani- sche Hecke“, von 5.400 Euro für ein Kilogramm Marihuana „Haze“ und von 55 Euro für ein Gramm Kokain zugrunde.
6
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
7
In Bezug auf die Art und Mengen der in den Taten 1 bis 7 gelieferten Betäubungsmittel hat sich die Strafkammer auf die Einlassung des insoweit ledig- lich den (zusätzlichen) Verkauf von einem Kilogramm „Haze“ in Tat 5 bestrei- tenden Angeklagten gestützt. Von größeren Verkaufsmengen in den abgeurteilten Fällen und der Begehung der weiteren angeklagten Drogengeschäfte mit dem Zeugen M. (Anklagefälle 4 bis 9 und 11 bis 13), vermochte sie sich nicht zu überzeugen. Zwar habe der Zeuge entsprechende Angaben gemacht. Dessen Aussage sei aber insbesondere hinsichtlich des Umfangs und der Zahl der Betäubungsmittelverkäufe durch den Angeklagten von „Diskontinuität und Detailarmut“ sowie von „Tendenzen … zu Übertreibungen“ geprägt gewesen, weshalb ihr – mit Ausnahme des zusätzlichen Verkaufes eines Kilogramms Marihuana „Haze“ in Tat 5 – nur insoweit Glaube geschenkt werden könne, als sie mit der Einlassung des Angeklagten übereinstimme.
8
Hinsichtlich der Betäubungsmittelgeschäfte in den Taten 8 bis 12 hat sich das Landgericht auf das Teilgeständnis des Angeklagten, die weitgehend geständigen Angaben des gesondert Verfolgten T. in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung und auf überwachte Telefonate gestützt. Den Besitz des bei ihm sichergestellten Kokains (Tat 13) hat der Angeklagte eingeräumt.

II.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg, soweit sie zu Ungunsten des Angeklagten eingelegt ist. Ihre Angriffe gegen die Beweiswürdigung decken – eingedenk des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsumfangs (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179) – keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
10
Das Landgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass es den Angaben des Zeugen M. mangels Konstanz und Detailreichtums sowie einer erkennbaren Neigung zu Übertreibungen nicht zu folgen vermochte, soweit sie über das Geständnis des Angeklagten hinausgingen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin weist die Würdigung der Angaben keine Lücken auf. Das Landgericht hat – in knapper, aber noch hinreichender Weise – dargestellt, dass der Zeuge bereits bei seinen polizeilichen Vernehmungen unterschiedliche Angaben zum Umfang der Betäubungsmittelgeschäfte des Angeklagten gemacht hat. Im Einzelnen hat es zudem erörtert, inwieweit die Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung ebenfalls von diesem gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage sprechenden Umstand geprägt war. Mit Blick darauf war das Landgericht aus Rechtsgründen nicht gehalten, die widersprüchlichen Angaben des Zeugen im Ermittlungsverfahren ausführlicher als geschehen zu schildern.
11
Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, die vom Landgericht festgestell- ten „Diskontinuitäten“ stünden der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen nicht entgegen, setzt sie ihre eigene Einschätzung an die Stelle des Tatgerichts. Die Beanstandungen sind daher revisionsrechtlich unbeachtlich (vgl. BGH, Urteile vom 9. Februar 1957 – 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 210; vom 6. Dezember 2007 – 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146, 147, und vom 20. September 2012 – 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 77).

III.


12
Die Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg und führt insoweit – teilweise auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft (§ 301 StPO) – zur Aufhebung des Urteils. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet.
13
1. Die Beweiswürdigung zum Schuldspruch betreffend Tat 12 und zum Schuldumfang bei Tat 5 ist lückenhaft und damit trotz der insoweit nur eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2011 – 5 StR 328/11, NStZ-RR 2012, 84, 85 mwN).
14
a) Sowohl der Angeklagte als auch der gesondert verfolgte T. haben den in Tat 12 festgestellten Verkauf von 500 Gramm Marihuana der Sorte „albanische Hecke“ vom 13. Juli 2018 bestritten. Das Landgericht hat sich auf der Grundlage der in Augenschein genommenen Lichtbilder von der Übergabe der Betäubungsmittel sowie der „an den jeweiligen Tattagen“ zwischen dem Ange- klagten und T. geführten Telefonaten von der Tat überzeugt, ohne deren Inhalt zu konkretisieren. Es hat allerdings nicht die naheliegende Möglichkeit erörtert, dass es sich bei der – rechtsfehlerfrei festgestellten – Übergabe der Betäubungsmittel um die Lieferung des von dem insoweit geständigen T. am 3. Juli 2018 bestellten Marihuanas (Tat 9) handelte. Dann aber würde sich die Übergabe lediglich als Abschluss des bei Tat 9 festgestellten Drogengeschäfts und nicht als gesonderte Tat darstellen. Für eine lückenlose Beweiswürdigung hätte das Landgericht daher den Inhalt der am 13. Juli 2018 überwachten Telekommunikation näher darlegen müssen; der bloß pauschale Hinweis auf Telefonate zwischen dem Angeklagten und T. genügt den Anforderungen unter den gegebenen Umständen nicht. Dies gilt umso mehr, als das Landgericht im Rahmen der Einziehungsentscheidung selbst davon auszuge- hen scheint, dass der Angeklagte lediglich einmal 500 Gramm Marihuana „albanische Hecke“ verkauft hat.
15
Der Angeklagte hat hinsichtlich Tat 5 eingeräumt, drei Kilogramm Mari- huana „albanische Hecke“ und 50 Gramm Kokain an den gesondert verfolgten M. verkauft zu haben. Den darüber hinaus festgestellten Verkauf von einem Kilogramm Marihuana „Haze“ hat er hingegen bestritten. Das Landge- richt hat sich insoweit ausschließlich auf die Angaben des Zeugen M. gestützt. Diese seien glaubhaft, weil der Zeuge seinen Angaben zufolge bei der Bestellung von „Haze“ einen Code („2 : 1“) verwendet habe.
16
Zu Recht rügt der Beschwerdeführer, dass dies nicht den Anforderungen genügt, die die Rechtsprechung an die Beweiswürdigung stellt, wenn die Angaben des einzigen Belastungszeugen wie hier (siehe oben) weitgehend als unglaubhaft bewertet werden. Zwar existiert kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass einem Zeugen nur entweder insgesamt geglaubt oder insgesamt nicht geglaubt werden darf. Jedoch müssen die Urteilsgründe dann erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Wird dem Zeugen hinsichtlich weiterer Taten nicht gefolgt, so muss das Tatgericht jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen , der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2017 – 5 StR 520/17, NStZ 2018, 116). Daran fehlt es hier. Denn schon nach Ansicht der Strafkammer kommt der Ver- wendung eines Codes bei der Bestellung von „Haze“ nur ein ergänzender Be- weiswert zu (vgl. UA S. 17).
17
b) Die Rechtsfehler zwingen zur Aufhebung der Verurteilung betreffend Tat 12 und des Strafausspruchs zu Tat 5 sowie des Gesamtstrafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen.
18
2. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes des Tatertrages nach §§ 73, 73c StGB hält der rechtlichen Überprüfung lediglich in Höhe von 39.785 Euro stand.
19
Hinsichtlich der Taten 5 und 12 folgt dies bereits aus den (Teil )Aufhebungen. Zudem ist – was der Angeklagte zu Recht rügt – der Verkaufserlös für Marihuana der Sorte „Haze“ nicht nachvollziehbar dargelegt. Das Landgericht hat der Einziehungsentscheidung einen Verkaufspreis von 5.400 Euro pro Kilogramm zugrunde gelegt. Der Zeuge M. hat angegeben, einen Kilogrammpreis von 5.100 bis 5.200 Euro bezahlt zu haben. Darüber hinausgehende Umstände zur Preisbildung teilt das Urteil nicht mit. Die Feststellungen zum Verkaufspreis beruhen mithin auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
20
Die Einziehungsentscheidung war deshalb in Höhe von 17.600 Euro mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben.
21
3. Die weitergehende Revision ist unbegründet. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
22
a) Insbesondere begegnet die Einziehungsentscheidung im Übrigen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung der Revision beruht die Feststellung des Verkaufspreises pro Kilogramm Marihuana ein- facher Qualität („albanische Hecke“) auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdi- gung, da das Landgericht sich insoweit auf die Einlassung des Angeklagten stützen konnte.
23
b) Auch die Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Senat kann dem Urteil noch hinreichend entnehmen, dass die sachverständige Strafkammer einen Hang des Angeklagten, Kokain im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht sicher festzustellen vermochte (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2002 – 1 StR 382/02, NStZ-RR 2003, 106, 107). Es kann daher dahinstehen, ob der Angeklagte die Taten auch zur Finanzierung seines Kokainkonsums begangen hat, was – wohl entgegen der Auffassung des Landgerichts – den erforderlichen Symptomcharakter begründen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 604/16, StV 2017, 672, 673).
Mutzbauer Sander Schneider
König Köhler

Vorinstanz:
Dresden, LG, 25.02.2019 - 427 Js 29314/18 15 KLs 21 Ss 561/19

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2019 - 5 StR 391/19

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
Bundesgerichtshof Urteil, 11. Dez. 2019 - 5 StR 391/19 zitiert 4 §§.

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Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 4. August 2016 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die dagegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt, hat keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen überfiel der Angeklagte am 10. März 2015 kurz vor 20.00 Uhr aufgrund eines spontanen Entschlusses maskiert mit einer Sturmhaube unter Verwendung einer ungeladenen Soft-Air-Pistole eine ihm bis dahin unbekannte Tankstelle. Zum Zeitpunkt des Überfalls befanden sich eine Kassiererin und der Betreiber der Tankstelle in dem Verkaufsraum. Eingeschüchtert von der Drohung mit der von ihr für echt gehaltenen Scheinwaffe händigte die Kassiererin dem Angeklagten 200 bis 300 Euro "Wechselgeld" aus. Mehr Geld befand sich nicht in der Kasse, weil der Betreiber kurz zuvor die Tageseinnahmen in den Tresor verbracht hatte. Die Geschädigten haben keine psychischen Schäden davon getragen.

II.

3
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
4
1. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
5
Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Jedoch hält sie das Urteil nur deshalb für fehlerhaft, weil das Landgericht den Angeklagten unter Anwendung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB zu einer zu niedrigen Freiheitsstrafe verurteilt und diese rechtsfehlerhaft zur Bewährung ausgesetzt habe.
6
Widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung , ist unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV das Angriffsziel durch Auslegung zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; zuletzt BGH, Urteil vom 22. Februar 2017 - 5 StR 545/16). Nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung hat die Beschwerdeführerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich allein gegen den Strafausspruch wendet und mit ihrem Rechtsmittel nicht den Schuldspruch angreifen will.
7
2. Die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung gemäß § 250 Abs. 3 StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.
8
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich , wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 17. September 1980 - 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108; jeweils mwN). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" (§ 337 Abs. 1 StPO) vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH GS, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 - 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, Rn. 17, BGHSt 57, 123, 127 und vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, Rn. 12, NStZ-RR 2016, 107, 108). Diese Maßstäbe gelten auch für die dem Tatrichter obliegende Prüfung, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB vorliegt. Bei der dabei gebotenen Gesamtwürdigung obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimisst; seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 2 StR 338/16).
9
b) Hieran gemessen hat die Annahme eines minder schweren Falls der schweren räuberischen Erpressung Bestand.
10
Weder fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung der für die Wertung der Tat und des Täters wesentlichen Umstände, noch bestehen gegen die einzelnen vom Landgericht zugunsten des Angeklagten in seine Gesamtwürdigung eingestellten Gesichtspunkte durchgreifende rechtliche Bedenken. So hat es rechtsfehlerfrei zugunsten des Angeklagten bedacht, dass dieser sich geständig eingelassen, sich in der Hauptverhandlung bei den Geschädigten entschuldigt und seine Tat bereut hat, dass die Tat nicht langfristig geplant und die Beute mit maximal 300 Euro eher gering war.
11
Dagegen abgewogen hat die Strafkammer die strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten - Einstellungen, Weisungen und Auflagen nach dem JGG sowie eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" - sowie den Umstand, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Tat unter laufender Bewährung begangen habe. Relativiert werde das Gewicht der strafrechtlichen Vorbelastungen dadurch, dass es sich um nicht einschlägige, schon länger zurückliegende jugendtümliche Verfehlungen handele.
12
Hiergegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Der Senat besorgt nicht, dass das Landgericht aus dem Blick verloren haben könnte, dass sich der Angeklagte von dem Überfall eine höhere Beute erhofft hatte. Im Übrigen ist dem Generalbundesanwalt zwar zuzugeben, dass die Strafkammer die genauen Tatumstände der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Mühlhausen vom 3. Januar 2013 wegen "gemeinschaftlicher Brandstiftung" nicht mitteilt, so dass der Schluss auf jugendtümliche Verfehlungen nicht im Einzelnen belegt ist. Allerdings ergibt sich aus den Urteilsgründen, dass Tatzeit bereits der 4. Januar 2010 war und auf den damals 18 Jahre alten Angeklagten noch Jugendstrafrecht angewandt worden ist. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass sich das Versäumnis der Strafkammer durchgreifend zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hat, zumal die zweijährige Bewährungszeit aus diesem jugendrichterlichen Urteil vom 3. Januar 2013 bei Tatbegehung in dieser Sache am 10. März 2015 - nach den allein maßgeblichen Feststellungen des angefochtenen Urteils - bereits abgelaufen war, so dass ihm nicht zur Last gelegt werden kann, er habe die Tat während laufender Bewährung begangen.
13
3. Das Urteil ist im Strafausspruch auch nicht gemäß § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten aufzuheben. Dass die Strafkammer - hätte sie ein Bewährungsversagen nicht angenommen - eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte, schließt der Senat aus.
14
4. Die Bewährungsentscheidung lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
15
a) Auch die Bewährungsentscheidung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Gelangt dieses auf Grund der Besonderheiten des Falles zu der Überzeugung , dass die Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat nicht als unangebracht erscheint und nicht den allgemeinen vom Strafrecht geschützten Interessen zuwider läuft, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn eine gegenteilige Würdigung möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2016 - 1 StR 414/15, NStZ-RR 2016, 107, 108).
16
b) Das Landgericht hat dem Angeklagten, der über gefestigte soziale Beziehungen verfügt, eine günstige Sozialprognose gestellt und dabei besondere Umstände in der Tat und in seiner Persönlichkeit festgestellt. So ist der Angeklagte bemüht, den im Jahre 2010 durch seine Brandstiftung verursachten Schaden von über 50.000 Euro durch erhöhte Arbeitsanstrengungen wieder gutzumachen. Zudem setzt er sich intensiv mit der verfahrensgegenständlichen Straftat auseinander. Soweit die Revision beanstandet, die Strafkammer habe das Bewährungsversagen des Angeklagten unberücksichtigt gelassen, übersieht sie auch hier, dass die zweijährige Bewährungszeit aus dem jugendrichterlichen Urteil des Amtsgerichts Mühlhausen nach den für den Senat allein maßgeblichen Urteilsfeststellungen bei Tatbegehung in dieser Sache bereits abgelaufen war. Ungeachtet eines möglicherweise noch ausstehenden Beschlusses über den Erlass der Strafe ist der Angeklagte damit kein "Bewährungsversager" (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11; BGH, Beschluss vom 3. September 1991 - 4 StR 346/91). Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 454/09
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. April 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einem Verkürzungsumfang von insgesamt mehr als 180.000 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
In der Anklageschrift vom 22. Dezember 2008 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in 29 Fällen Umsatzsteuer und in 34 Fällen Lohnsteuer hinterzogen zu haben sowie in 35 Fällen im Sinne von § 266a StGB Arbeitsentgelt vorenthalten zu haben.
3
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, vom Jahr 2000 bis zum dritten Quartal des Jahres 2005 als Geschäftsführer der F. GmbH (im Folgenden: F. GmbH) fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt zu haben , die entweder überhaupt nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden seien oder für die er den zuständigen Einzugsstellen niedrigere als tatsächlich gezahlte Löhne gemeldet habe. Die insoweit nicht gemeldeten Lohnaufwendungen habe er auch in den Lohnsteueranmeldungen der Gesellschaft nicht angegeben.
4
Um zu verschleiern, dass die von der F. GmbH gezahlten Löhne „schwarz“ ausgezahlt worden seien, habe der Angeklagte veranlasst, dass Scheinrechnungen (Abdeckrechnungen) der Firmen „D. “, „K. -Bau“, „I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ in die Buchhaltung der F. GmbH aufgenommen worden seien. Die in den Rechnungen enthaltenen Umsatzsteuern habe der Angeklagte zu Unrecht in die Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH aufgenommen.
5
Schließlich habe der Angeklagte von der F. GmbH an die Kl. GmbH sowie die Firma E. erbrachte Umsätze nicht gegenüber den Finanzbehörden angemeldet und dadurch Umsatzsteuern hinterzogen.
6
Insgesamt habe der Angeklagte hierdurch mehr als 316.000 Euro an Umsatzsteuern und 327.000 Euro an Lohnsteuern verkürzt sowie Beitragsanteile zur Sozialversicherung von mehr als 304.000 Euro nicht an die Einzugsstellen abgeführt.

II.

7
1. Das Landgericht hat den Angeklagten aufgrund seines Geständnisses wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einer Gesamtverkürzungssumme von 180.000 Euro an Umsatzsteuern verurteilt. Die Verurteilung bezieht sich auf die Voranmeldungszeiträume November und Dezember 2003 und April bis Juli 2004 sowie auf das II. und III. Quartal 2005. Das Landgericht hat insoweit festgestellt , dass der Angeklagte in diesen Zeiträumen Ausgangsumsätze an die Kl. GmbH im Umfang von insgesamt mehr als 103.000 Euro und an die Firma E. in der Höhe von mehr als 1,2 Mio. Euro nicht in die für die F. GmbH beim Finanzamt einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hatte.
8
2. Hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume August bis Dezember 2004 und I. Quartal 2005 hat das Landgericht das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.
9
3. Bezüglich des Teilfreispruchs hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
Der Angeklagte ist seit der Gründung der F. GmbH im Jahr 2000 einziger Gesellschafter und eingetragener Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Die F. GmbH wurde in den Jahren 2000 bis 2005 im Bereich Trockenbau tätig und erbrachte hierbei im Wesentlichen Trockenbau- und Verputzarbeiten. Dabei setzte die Gesellschaft sowohl eigene Arbeitnehmer als auch Subunternehmer ein. Dass der Angeklagte hierbei zu Unrecht Vorsteuern aus Scheinrechnungen der Firmen „D. “, „K. -Bau“, I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ geltend gemacht habe, konnte das Landgericht „nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit“ feststellen. Dasselbe gilt für den Vorwurf, der Angeklagte habe die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge als „Schwarzlöhne“ an Arbeitnehmer der F. GmbH ausbezahlt. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass die genannten Firmen nicht ausschließbar als Subunternehmer der F. GmbH tätig gewesen und die Rechnungsbeträge an diese Firmen auch ausbezahlt worden sind.
11
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es ist der Ansicht, dass dem Angeklagten - abgesehen von der Umsatzsteuerhinterziehung hinsichtlich der nicht angemeldeten Ausgangsumsätze - die ihm vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten.

III.

12
Die Staatsanwaltschaft hat die Revision wirksam auf den Teilfreispruch beschränkt. Damit sind auch die Strafaussprüche hinsichtlich der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Voranmeldungszeiträumen November und Dezember 2003 sowie April bis Juli 2004 und das II. und III. Quartal 2005 vom Revisionsangriff ausgenommen. Denn die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Nichtanmeldung von Ausgangsumsätzen einerseits und durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern andererseits stellt für jeden Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Tat der Steuerhinterziehung im materiell -rechtlichen Sinn dar. Maßgeblich für den materiell-rechtlichen Tatbegriff sind die steuerlichen Erklärungspflichten (vgl. zur Hinterziehung von Einkommensteuer BGH wistra 2009, 465). Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist deshalb grundsätzlich als einheitliche, selbständige Tat im Sinne des § 53 StGB zu werten; bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist ebenfalls im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von einer selbständigen Tat auszugehen (vgl. BGH wistra 2005, 30 und wistra 2008, 266; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 305).
13
Die Strafaussprüche werden hier auch nicht etwa deswegen vom Revisionsangriff umfasst, weil die von der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorgebrachten Einwände die von der Verurteilung erfassten Voranmeldungszeiträume ebenfalls betreffen. Denn der Wortlaut der Beschränkung der Revision auf den „Teilfreispruch“ ist eindeutig; zudem können die vom Teilfreispruch erfassten Tatvorwürfe losgelöst von den vom Schuldspruch umfassten Taten beurteilt werden.
14
Auch bei einer Tatserie von Steuerhinterziehungen bleiben die Einzeltaten rechtlich und tatsächlich selbständig und sind einer isolierten Bewertung zugänglich. Ist dies aber der Fall, gebietet die den Rechtsmittelberechtigten eingeräumte Gestaltungsmacht über den Verfahrensgegenstand, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Das Revisionsgericht kann und darf diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird, wenn und soweit der angegriffene Entscheidungsteil trennbar ist, also losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft und beurteilt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGHSt 29, 359, 364). So verhält es sich auch hier.
15
Hätte die Staatsanwaltschaft neben den Teilfreisprüchen auch - soweit der Angeklagte verurteilt worden ist - die Strafaussprüche angreifen wollen, um im Hinblick auf ungerechtfertigte Vorsteueranmeldungen und damit einen größeren Schuldumfang höhere Einzelstrafen erreichen zu können (vgl. dazu BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 17), hätte sie dies bei der Revisionsbeschränkung klar zum Ausdruck bringen müssen.

IV.

16
Der Teilfreispruch hat keinen Bestand; er leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
17
Es kann dahinstehen, ob - was nahe liegt - das Urteil bereits den formellen Anforderungen, die an eine Freispruchsbegründung zu stellen sind (vgl. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5, 10) nicht genügt. Jedenfalls hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jew. m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jew. m.w.N.). Der revisionsge- richtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jew. m.w.N.).
19
2. Gemessen an diesen Maßstäben kann die Beweiswürdigung keinen Bestand haben.
20
a) In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Dabei muss sich aus den Urteilsgründen selbst ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat. Denn die Indizien können in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln, auch wenn eine Mehrzahl von Beweisanzeichen jeweils für sich allein nicht zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht (BGH NStZ-RR 2003, 369 f. m.w.N.).
21
Hier hat sich das Landgericht mit den einzelnen den Angeklagten belastenden Indizien lediglich isoliert auseinandergesetzt und dabei jeweils die Wertung getroffen, dass hiermit der Beweis für einen den Angeklagten belastenden Geschehensablauf nicht zu führen sei. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45; BGH, Beschl. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09).
22
b) Die Beweiswürdigung ist auch deswegen durchgreifend rechtsfehlerhaft , weil das Landgericht mehrere dem Angeklagten günstige Umstände als „nicht ausschließbar“ unterstellt hat, obwohl hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben waren. Zudem hat es auch Einlassungen des Angeklagten als „nicht zu widerlegen“ angesehen, für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
23
So hielt das Landgericht etwa für nicht ausschließbar, dass die Arbeiter der verschiedenen Gewerke jeweils nacheinander auf der Baustelle ihre Tätigkeiten verrichteten und sich daher auch nicht kannten (UA S. 36). Zudem hielt es für nicht ausgeschlossen, dass eine Person namens „Ka. oder auch ein anderer“ die Firma Kö. ohne das Wissen der Inhaberin dieser Firma für eigene Zwecke benutzt habe (UA S. 37). Auch sonst könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Namen der als „Scheinfirmen“ bezeichneten Firmen von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39). Der „Nachweis von Scheinrechnungen“ lasse sich auch nicht dadurch führen, dass auf dem Computer des Angeklagten Blankorechnungsformulare der Firma Kö. gefunden worden sind. Vielmehr sei die Einlassung des Angeklagten „nicht zu widerlegen“, er habe „aus Gefälligkeit“ Rechnungen für andere Firmen ausgedruckt (UA S. 27, 37). Ebenso sei dem Angeklagten „nicht zu widerlegen“, dass Mängelrügen bereits vor der Rechnungsstellung mit den Subunternehmern besprochen worden seien, so dass „ein Nachweis“ von Scheinrechnungen aufgrund unterlassener Korrekturen in diesen Rechnungen nicht zu führen sei (UA S. 38). Die Vermutung, die von der Staatsanwaltschaft als Scheinfirmen angesehenen Firmen hätten mit den bei den Sozialbehörden gemeldeten Arbeitnehmern die in der Buchhaltung der F. GmbH erfassten Umsätze nicht erwirtschaften können, könne „schon deshalb nicht bewiesen“ werden, weil „nicht ausgeschlossen“ sei, dass diese Firmen ihrerseits Subunternehmer oder Arbeitnehmer beschäftigten, die nicht bei den Sozialbehörden angemeldet ge- wesen seien (UA S. 38). Auch wenn sich bei Zugrundelegung tatsächlicher Fremdleistungen der Firmen Kö. und K. -Bau ein kalkulatorischer Verlust ergebe, sei dies „zum Nachweis“ der dem Angeklagten angelasteten Vorwürfe nicht geeignet; denn „unwiderlegt“ habe der Angeklagte sich eingelassen, es würden regelmäßig beim Arbeitsamt überhöhte Auftragssummen genannt, um ausländische Arbeitnehmer nicht nur bei den vom Arbeitsamt genehmigten, sondern auch an anderen Baustellen einsetzen zu können (UA S. 38).
24
Diese Ausführungen lassen besorgen, das Landgericht habe nicht beachtet , dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZRR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). Jedenfalls stellt es einen Rechtsfehler dar, wenn eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urt. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09). So verhält es sich hier. Insbesondere für die fernliegende Annahme des Landgerichts, alle vier verfahrensgegenständlichen vom Angeklagten als Subunternehmer bezeichneten Firmen könnten von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39), sind vom Landgericht keine tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt worden.
25
c) Unter diesen Umständen ist auch die sehr knapp gehaltene Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände (UA S. 39) rechtsfehlerhaft.
26
Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt zwar nicht, dass das Tatgericht im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Verwirft es jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss in der Gesamtwürdigung erkennbar werden , dass sich das Tatgericht dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 248 f.). So verhält es sich hier. Die Sache bedarf daher neuer tatgerichtlicher Prüfung und Entscheidung, soweit das Landgericht den Angeklagten freigesprochen hat. Nack Wahl Hebenstreit Graf Jäger

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR521/14
vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24. März 2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Ba.
als Vertreter der Nebenklägerin Bö. ,
Rechtsanwältin T.
als Vertreterin der Nebenklägerin H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. März 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn hinsichtlich weiterer vier Tatvorwürfe aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Freisprüche des Angeklagten wegen drei der weiteren ihm vorgeworfenen Straftaten. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Dem Angeklagten lag zur Last, in zwei Fällen jeweils eine schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, indem er im Mai 2010 die Geschädigte Bö. und im Juni 2010 die Geschädigte H. durch heimliche Beibringung eines bewusstseinstrüben- den Mittels (sog. K.O.-Tropfen) in einen willenlosen Zustand versetzt und diesen jeweils zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt habe. Darüber hinaus war ihm vorgeworfen worden, eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Anstiftung zum Betrug verübt zu haben; er habe U. und L. unter Androhung körperlicher Repressalien dazu gebracht, dass L. unter Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und anschließend dem Angeklagten das erlangte Mobiltelefon nebst SIM-Karte weisungsgemäß ausgehändigt habe.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Die Nebenklägerin Bö. lernte den Angeklagten über einen Chat kennen und verabredete sich mit ihm für den Abend des 12. Mai 2010. Begleitet von ihrer Freundin P. und einem Bekannten des Angeklagten besuchten sie eine Diskothek, in der sie Alkohol tranken und sich küssten. Als ihr aufgrund des Alkoholkonsums schlecht wurde, wurde sie von mehreren Personen vor die Diskothek gebracht. Anschließend fuhr sie mit dem Angeklagten in einem Taxi zu dessen Wohnung. Dabei war sie alkoholbedingt enthemmt; sie wusste jedoch noch, was sie tat, und konnte sich ihrem Willen entsprechend ohne erhebliche Beeinträchtigung steuern und äußern (UA S. 51). Nachdem sie, in der Wohnung angelangt, weiterhin unter Übelkeit gelitten hatte, zog sie sich aus, legte sich ins Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen verließ die Nebenklägerin Bö. die Wohnung des noch schlafenden Angeklagten, ohne ihn zu wecken , weil ihr Verhalten ihr peinlich war. Sie ließ sich von ihrem ehemaligen Freund nach Hause bringen, mit dem sie noch am selben Abend an einer Feier teilnahm.
5
b) In der Nacht zum 3. Juni 2010 besuchte die Nebenklägerin H. , die „gerne Schnaps trank, diesen gut vertrug und am Vortag oderam Morgen des 3. Juni 2010 Crystal konsumiert hatte“ (UA S. 53), mit Freunden eine Diskothek. Dort traf sie den ihr bereits bekannten Angeklagten, mit dem sie früher „gelegentlich Zärtlichkeiten in nicht näher ermittelbarer Art“ (UA S. 52) ausge- tauscht hatte. Gemeinsam mit dem Angeklagten konsumierte sie innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten jeweils zehn Gläser mit 4 cl „Wodka-Energy“. Etwa eine Stunde später fuhr sie mit dem Angeklagten und einem ihm Bekannten zu dessen Wohnung. Dort spielten sie bei weiterem Alkoholkonsum zu Dritt ein Spiel, in dessen Verlauf sie sich einzelne Kleidungsstücke auszogen und H. , die alkoholbedingt – lediglich – enthemmt ihre Mitspieler küsste. Außerdem kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr. Nachdem sie zuvor ihren Freunden gegenüber telefonisch ihre baldige Rückkehr in die Diskothek angekündigt hatte, nutzte nicht ausschließbar der Bekannte des Angeklagten einen Toilettenbesuch H. s dazu, aus ihrem Mobiltelefon die SIM-Karte zu entfernen, zu zerbrechen und zu verstecken, weil er sich bei ihrem längeren Aufenthalt in seiner Wohnung einen intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten mit ihr erhoffte. Gegen 6:00 Uhr schlief H. auf einem Sofa ein. Als sie kurz darauf wieder erwachte, war ihr aufgrund des vorangegangenen Alkohol- und Drogenkonsums schwindelig und ihr fiel ein, dass sie einen Termin beim Arbeitsamt hatte. Sie verließ die Wohnung und fuhr zunächst zu ihren Freunden, denen gegenüber sie über Schmerzen an den Oberschenkeln klagte und andeutete, sexuell bedrängt worden zu sein. Sie konsumierte Liquid Ecstasy und ließ sich von ihrer Hausärztin krankschreiben.
6
c) Am 22. Mai 2010 schloss L. auf Veranlassung seines Freundes U. einen Mobilfunkvertrag, der die Aushändigung eines Mobiltelefons umfasste. Hierbei täuschte er seine tatsächlich nicht bestehende Zahlungswilligkeit und -fähigkeit vor. Die bis zum 13. Juli 2010 angefallenen Tele- fonkosten in Höhe von 355 Euro entrichtete er nicht. Um sich weiteren Forderungen des Mobilfunkanbieters und Vorwürfen seiner Mutter zu entziehen, dachte er sich aus, dass der sich mittlerweile in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte ihn und U. unter Ankündigung, diesen andernfalls töten zu wollen , gezwungen habe, den Vertrag abzuschließen.
7
3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
8
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
9
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände in jedem der angegriffenen Fälle vorgenommen und sich mit den Angaben der betroffenen Nebenklägerinnen ausführlich auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts sind tatsachenfundiert, lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum. Die Revision hat weder Widersprüche noch wesentliche Erörterungsmängel aufgezeigt. Die Beanstandungen der Revision zielen auf eine andere Bewertung von Tatsachen ab, die das Landgericht aber allesamt bedacht hat.
10
aa) Hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Bö. hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass deren Erinnerungsvermögen – entgegen ihren Angaben – bei alkoholbedingter Enthemmung nicht vorübergehend aufgehoben, sondern insgesamt erhalten geblieben war. Nachvollziehbar hat es das Landgericht insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin Br. für möglich gehalten, dass Bö. sich ein Erlebnis, das ihr die Zeugin Br. im Zusammenhang mit einer Verabreichung von „K.O.-Tropfen“ geschildert hatte, zu eigen gemacht habe, um eine freiwillige Übernachtung bei dem Angeklagten gegenüber ihrer Mutter und ihrem ehemaligen Freund zu rechtfertigen (UA S. 83 f.). Die Zeugin Br. war von der Mutter der Nebenklägerin um ein Gespräch mit ihrer Tochter gebeten worden, weil die Mutter vermutet hatte, dass es eine Verbindung mit dem ihr von Br. berichteten Geschehen gäbe (UA S. 73). Das Landgericht hat weiter bedacht, dass die Nebenklägerin ihre Angaben zur Aufnahme der alkoholischen Getränke, zu ihrer Erinnerungslücke und ihrem Zustand beim Erwachen gegenüber verschiedenen Personen im Zeitablauf verändert hatte. Es vermochte nicht festzustellen, dass sie zu ihren wechselnden Schilderungen (vgl. UA S. 69, 71) etwa durch gravierende Angstzustände oder eine erhebliche Beeinträchtigung des seelischen Befindens und der körperlichen Gesundheit veranlasst worden sein könnte, da sie am Abend nach dem Geschehen mit Freunden feierte und Geschlechtsverkehr hatte (UA S. 75). Vielmehr hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass die Nebenklägerin und ihre Freundin P. frühzeitig Handlungen, soweit sie elterlichen Erwartungen nicht entsprachen, nicht oder nicht vollständig preisgegeben oder aber der Beigabe von „K.O.-Tropfen“ zugeschrieben hätten. Insoweit hatte das Landgericht neben der Aussage der Zeugin Br. auch die Angaben der Zeugin P. in deren polizeilicher Vernehmung zu berücksichtigen, in der sie einräumte, dass Bö. deren Mutter das Geschehen anders geschildert und sie „wohl angeschwindelt habe, weil sie Ärger befürchtet habe, wenn sie die Wahrheit sage“ (UA S. 79 f.). Gegen diese Beweiswürdigung ist nichts zu erinnern.
11
bb) In dem die Nebenklägerin H. betreffenden Fall ist das Landgericht von einem nicht ausschließbar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und H. ausgegangen. Es hat dabei sämtliche – fürsich genommen gewichtigen belastenden – Indizien, wie Schmerzen und eine schwache Unterblutung an der Oberschenkelinnenseite, Nachweis von Sperma des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin und von Gammahydroxybuttersäure (GHB) im Urin der Nebenklägerin (UA S. 94, 96) erkannt und bewertet, sich aber nach umfassender Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht von dem in der Anklage vorgeworfenen Tatgeschehen zu überzeugen vermocht. Das Landgericht hat der Nebenklägerin H. nicht geglaubt, dass sie sich nicht habe erinnern können, ob es jemals zwischen ihr unddem Angeklagten Zärtlichkeiten in ansonsten unbeeinträchtigten Situationen gegeben habe (UA S. 84, 87, 98). Es hat ferner bedacht, dass aus sachverständiger Sicht eine Substanz mit dem Wirkstoff GHB auch noch nach dem vorgeworfenen Tatgeschehen eingenommen worden sein könnte. Das Landgericht ist insofern zu dem – nach den Gesamtumständen möglichen – Schluss gekommen, dass H. , in deren Urin auch Amphetamine nachgewiesen worden sind, am nächsten Morgen in der Wohnung ihrer Drogen konsumierenden Freunde Liquid Ecstasy eingenommen hat. Auch haben sich für die sachverständig beratene Strafkammer die von der Nebenklägerin beschriebene Erinnerungslücke und der Umstand, dass sie beim nächtlichen Telefonat mit ihrer Freundin „durcheinander“ gewirkt habe, allein durch den massiven Alkoholkonsum und nicht durch die Einnahme eines Narkosemittels erklären lassen (UA S. 88, 97). Die gewissen Parallelen zu den weiteren Anklagevorwürfen der übrigen Nebenklägerinnen mit dem Angeklagten hat das Landgericht gesehen (UA S. 98), es vermochte sich jedoch letztlich insbesondere wegen der Alkoholgewöhnung und der wechselnden Angaben der Nebenklägerin H. zu ihrem Erinnerungsvermögen nicht von einer erheblichen Willensbeeinträchtigung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs zu überzeugen. Diese Würdigung hat der Senat angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hinzunehmen.
12
c) Auf die wenig verlässlichen, von erheblichem Belastungseifer getragenen und zum Teil widersprüchlichen Angaben der Zeugen U. und L. hat die Strafkammer auch eingedenk der erst im August 2010 erfolgten Anzeigenerstattung zu Recht keine Verurteilung gestützt.
Sander Schneider König
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 140/12
vom
20. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. September 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 29. September 2011 werden verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten hierdurch und durch das Rechtsmittel des Nebenklägers entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen jedoch die Staatskasse und der Nebenkläger je zur Hälfte. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger stützen ihre zu Unguns- ten des Angeklagten eingelegten Revisionen auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts; der Nebenkläger beanstandet zudem das Verfahren. Beide erstreben eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen tateinheitlich hinzutretenden versuchten Totschlags. Der Nebenkläger ist außerdem der Meinung, dass das Landgericht den Angeklagten nicht der gefährlichen, sondern der schweren Körperverletzung hätte schuldig sprechen müssen. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der sich unwohl fühlende Angeklagte nahm am Morgen des 20. Mai 2011 zwei Tabletten zu je 10 mg Diazepam ein. Um die Mittagszeit ging er zum Angeln. Nach seiner Rückkehr gegen 16.30 Uhr nahm er nochmals ein bis zwei dieser Tabletten zu sich und begab sich kurz darauf in eine Gaststätte, wo er Bier in nicht mehr feststellbarer Menge trank. Von dort ließ er sich zwischen 22.00 und 23.00 Uhr in bereits angetrunkenem Zustand mit dem Taxi zu einem Vereinslokal bringen. Das mittags eingesteckte Anglermesser, ein Klappmesser mit 7 cm langer Klinge, befand sich noch in seiner Hosentasche.
4
In dem Vereinslokal traf der Angeklagte auf den ihm flüchtig bekannten Nebenkläger. Dessen Cousin unterhielt, wie der Angeklagte wusste, eine Beziehung zu einer Frau C. , mit der sich der Angeklagte in seiner frühen Jugendzeit mehrfach getroffen hatte. Der Angeklagte trank Bier und Korn und unterhielt sich dabei über längere Zeit hinweg in freundschaftlicher Weise mit dem Nebenkläger. Auf wiederholte Versuche des Angeklagten, das Gespräch auf den Cousin und Frau C. zu lenken, reagierte der Nebenkläger indes abweisend. Hierdurch geriet der Angeklagte zunehmend "in Rage". Eine sich deswegen entwickelnde verbale Auseinandersetzung konnte ein anderer Gast durch beruhigendes Einwirken auf den Angeklagten zunächst beenden. Anschließend sprachen der Angeklagte und der Nebenkläger wiederum gemeinsam , zeitweise Arm in Arm an der Theke stehend, dem Alkohol zu.
5
Gegen 2.00 Uhr flammte der Streit zwischen dem mittlerweile stark betrunkenen Angeklagten und dem Nebenkläger jedoch erneut auf. Der Nebenkläger wandte sich schließlich ab und ging zur Toilette. Als er den Gastraum wieder betrat, schnitt ihm der Angeklagte unvermittelt mit dem Anglermesser in die rechte Gesichtshälfte. Der Nebenkläger empfand dies wie einen Schlag, fiel zu Boden und versuchte wegzukrabbeln. Der Angeklagte folgte ihm und stach, ohne ein Wort zu äußern, über ihm stehend insgesamt dreizehn Mal wahllos im Bereich des Gesichts, der Schulter, des Rückens und des Gesäßes auf ihn ein. Anschließend lief er weg, ohne sich um den am Boden liegenden Verletzten zu kümmern. Ein Stich unterhalb des linken Schulterblatts drang mindestens 2,6 cm tief ein, eröffnete den Brustkorb, verletzte die Lunge und rief einen TeilPneumothorax hervor, der indes erfolgreich notfallmedizinisch behandelt werden konnte. Akute Lebensgefahr bestand nicht. Die weiteren Stiche, deren Tiefe das Landgericht nicht hat feststellen können, waren demgegenüber auch potentiell nicht lebensbedrohlich. Dem Nebenkläger verblieben vierzehn Narben im Rückenbereich, zwei davon aufgrund der bei der Notfallbehandlung angelegten Drainage, eine deutlich sichtbare 3 cm lange und ca. 0,5 cm breite Narbe an der rechten Wange sowie eine weitere von der Wange zum Halsbereich hinabführende Narbe im Gesicht.
6
Infolge des genossenen Alkohols und der eingenommenen Medikamente war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit erheblich eingeschränkt. Gleichwohl erkannte der Angeklagte, dass die Messerstiche gegen den Nebenkläger allgemein geeignet waren, dessen Leben zu gefährden, da sie Körperhöhlen eröffnen, lebenswichtige innere Organe verletzen oder Arterien perforieren konnten.
7
2. Demgegenüber hat sich das Landgericht nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte bei seinem Handeln mit tödlichen Verletzungen des Nebenklägers wenigstens rechnete und solche billigend in Kauf nahm. Seine Zweifel hieran gründet es auf die nachfolgenden Erwägungen:
8
Zwar sei es zunächst ein deutliches, für einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz sprechendes Beweisanzeichen, dass der Angeklagte dem Nebenkläger insgesamt vierzehn, überwiegend gegen den Rumpfbereich gerichtete Messerstiche beigebracht habe, denn damit habe er Gewalthandlungen verübt, deren Lebensbedrohlichkeit allgemein bekannt sei. Insgesamt zeige der äußere Geschehensablauf jedoch auch Umstände auf, die gegen einen Tötungsvorsatz des Angeklagten sprächen. Diese seien mit in Bedacht zu nehmen, denn die Entscheidung über die innere Tatseite könne nicht allein anhand der Gefährlichkeit der Tathandlung getroffen werden, sondern erfordere eine umfassende Würdigung des gesamten objektiven und subjektiven Tatbildes.
9
Eingeleitet habe der Angeklagte den Angriff mit einem Schnitt in die Wange des Nebenklägers, der für sich schon nicht als eine lebensbedrohliche Gewalthandlung angesehen werden könne. Von einem Einsatz des Messers gegen den Oberkörper des Nebenklägers habe er, obwohl möglich, abgesehen. Dies belege, dass es dem Angeklagten jedenfalls zunächst nur darum gegangen sei, dem Nebenkläger eine äußerlich sichtbare Verletzung beizubringen. Es sei aber auch nicht erweislich, dass der Angeklagte, als er anschließend auf den Körper des am Boden befindlichen Nebenklägers eingestochen habe, ent- gegen seiner ursprünglichen Willensrichtung nunmehr mit tödlichen Verletzungen des Nebenklägers gerechnet und solche billigend in Kauf genommen habe. Gegen einen solchen Vorsatzwechsel spreche einmal, dass die Stiche insgesamt unkoordiniert geblieben seien und sich auch gegen Körperteile gerichtet hätten, bei denen lebensbedrohliche Verletzungen nicht zu erwarten gewesen seien. Weiter habe die Länge der Messerklinge lediglich 7 cm betragen; nach deren Beschaffenheit sei auch die Einstichbreite verhältnismäßig gering geblieben. Zudem habe sich der Angeklagte einer bei einer Körpergröße von 1,76 m und einem Gewicht von 125 kg stark fettleibigen Person gegenüber gesehen, bei der vermehrt schützendes Fettgewebe zu erwarten gewesen sei. Schließlich sei, was den Stich in den Brustkorb betreffe, lediglich eine Tiefe von 2,6 cm sicher nachzuweisen; zugunsten des Angeklagten müsse davon ausgegangen werden, dass auch die anderen Stiche nicht tiefer reichten. Zumindest nicht für einen Tötungsvorsatz spreche, dass der Angeklagte die Tat ohne Sicherungstendenzen begangen, sich in einer alkoholenthemmten Atmosphäre spontan und ohne vorherige Planung zur Tat entschlossen und nicht über einen einsichtigen Beweggrund für die Tötung eines Menschen verfügt habe.
10
Die Einlassung des Angeklagten bleibe unergiebig, denn dieser habe lediglich erklärt, sich an das Tatgeschehen nicht erinnern zu können. Ebenso wenig seien tatbegleitende Äußerungen des Angeklagten festzustellen, die einen Schluss auf seine Willensrichtung erlaubt hätten.
11
II. Revision der Staatsanwaltschaft
12
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet, denn die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge deckt keine Rechtsfehler zugunsten oder zulasten (§ 301 StPO) des Angeklagten auf. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin begegnet die Beweiswürdigung, auf welcher die Überzeugung der Strafkammer gründet, es sei lediglich ein Körperverletzungs -, nicht aber ein auch nur bedingter Tötungsvorsatz festzustellen, keinen rechtlichen Bedenken.
13
1. a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt , weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement , umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144, 145). Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage mit einzubeziehen sind (BGH, Urteile vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372).
14
b) Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 mwN).
15
c) Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443) und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet (BGH, Urteile vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ- RR 2010, 144; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Indizes, die einer unzulässigen Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) widerspräche.
16
d) Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. So kann eine Alkoholbeeinflussung des Täters von Rechts wegen den Schluss auf eine verminderte Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen oder auf fehlendes Bewusstsein von Umständen, die gegen einen tödlichen Ausgang des Geschehens sprechen, ebenso tragen wie umgekehrt den Schluss auf ein unüberlegtes Handeln, bei dem sich der Täter nahe liegender tödlicher Folgen nicht bewusst wird. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, den- selben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326).
17
2. Daran gemessen ist gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts nichts zu erinnern. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze.
18
Das Landgericht hat zunächst eine objektiv gefährliche Gewalthandlung des Angeklagten festgestellt und darin ein deutliches Indiz sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes gesehen. Gleichwohl hat es sich im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung aller Tatumstände vom Vorliegen des - wie sich aus den Urteilsgründen hinreichend erschließt - erforderlichen Willenselementes nicht überzeugen können. Seine Zweifel hat es nicht nur auf die Beschaffenheit des verwendeten Messers gegründet , sondern auch darauf, dass der den Stichen gegen den Rumpf des Nebenklägers unmittelbar vorausgegangene Stich in die Wange offensichtlich nur von Verletzungsvorsatz getragen war, dass der Angeklagte die weiteren Stiche eher ungezielt führte, dass der Nebenkläger erkennbar über schützendes Fettgewebe verfügte und dass die nachweisbare Stichtiefe im Verhältnis zur Klingenlänge eher gering blieb, was ohne weiteres gegen wuchtig geführte Stiche spricht. Schließlich hat das Landgericht auch geprüft, ob die Motivlage, tatbegleitende Äußerungen oder Sicherungsmaßnahmen des Angeklagten zu einer anderen Beurteilung führen, und in diesem Zusammenhang Umstände, die für einen Tötungsvorsatz sprechen, rechtsfehlerfrei verneint.
19
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts hat das Landgericht in hinreichender Weise auch den Umstand in seine Betrachtung mit einbezogen, dass der Angeklagte unter dem Einfluss von Alkohol stand. In der Gesamtschau der Beweisanzeichen hat es die alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten als Hinweis auf eine unüberlegte Spontantat gesehen, die nicht für einen bedingten Tötungsvorsatz spreche. Diese tatrichterliche Bewertung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Danach bedurfte es auch keiner besonderen Prüfung mehr, ob die Alkoholbeeinflussung - im Gegensatz dazu - deshalb ein den Angeklagten belastendes Indiz darstellt, weil er möglicherweise nicht mehr in der Lage war, die festgestellten gefahrmindernden Umstände zu erkennen, oder weil seine Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen herabgesetzt gewesen sein könnte.
20
III. Revision des Nebenklägers
21
Auch die Revision des Nebenklägers bleibt ohne Erfolg.
22
1. Die Rüge, das Landgericht habe seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO) dadurch verletzt, dass es davon absah, die in dem Vereinslokal zur Tatzeit als Bedienung tätige Zeugin Z. in der Hauptverhandlung zu vernehmen, ist unbegründet.
23
a) Der Rüge liegt zugrunde: Die Zeugin war zum Hauptverhandlungstermin am 24. August 2008 trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Die Strafkammer beschloss zunächst die Vorführung der Zeugin, regte später aber an, stattdessen die Niederschriften über deren polizeiliche und richterliche Vernehmungen im Ermittlungsverfahren zu verlesen. Hiermit erklärten sich sämtliche Verfahrensbeteiligte einverstanden, weshalb die genannten Niederschriften nach entsprechendem Gerichtsbeschluss gemäß "§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO" verlesen wurden.
24
Nach Ansicht des Beschwerdeführers wäre das Landgericht gehalten gewesen, die Zeugin in der Hauptverhandlung zur Beschaffenheit der Tatwaffe zu vernehmen. Insoweit habe es sich ausweislich der Urteilsgründe ausschließlich auf die Einlassung des Angeklagten gestützt, der zwar geltend gemacht habe, sich an eine Auseinandersetzung mit dem Nebenkläger nicht erinnern zu können, aber eingeräumt habe, es könne sein, dass er sein Anglermesser mit orangefarbenem Griff und mit einer Klinge von ca. 7 cm Länge noch bei sich gehabt habe. Demgegenüber habe die Zeugin bei ihrer richterlichen Vernehmung ausgesagt, sie habe vor der Tat einen "gelb-silbernen" Gegenstand, nach ihrem Eindruck ein Klappmesser, "etwa 5 - 10 cm" aus der Hosentasche des Angeklagten herausragen gesehen. Wäre die Zeugin in der Hauptverhandlung vernommen worden, hätte sie - so der Beschwerdeführer - ausgesagt, dass es sich bei dem mitgeführten Messer nicht um das ihr bekannte orangefarbene Anglermesser des Angeklagten gehandelt habe, sondern um dessen ihr ebenfalls bekanntes gelbes, mit silbernen Verzierungen versehenes "Ausgehmesser". Dieses habe eine ca. 12 cm lange Klinge und diene dem Angeklagten nach eigenem Bekunden dazu, sich "Probleme vom Hals" zu halten.
25
b) Anders als behauptet kann der Beschwerdeführer nicht aufzeigen, dass sich das Landgericht aufgrund des Inhalts der verlesenen Niederschriften dazu hätte gedrängt sehen müssen, durch Vernehmung der Zeugin weitere Ermittlungen zur Beschaffenheit der Tatwaffe anzustellen. Weder aus der Aussage der Zeugin bei der Polizei noch aus ihrer Aussage vor dem Ermittlungsrichter ergeben sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sie Kenntnis davon gehabt hätte, über welche Messer der Angeklagte verfügte, wie diese im einzelnen beschaffen waren und wozu sie ihm dienten. Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht nach Würdigung der Einlassung des Angeklagten und der Bekundungen der Zeugin zu dem revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangt, dass die der Zeugin mögliche Beschreibung der Tatwaffe der vom Angeklagten hierzu abgegebenen Erklärung nicht den Boden zu entziehen vermag.
26
2. Soweit der Beschwerdeführer mit der Sachrüge die Beweiswürdigung des Landgerichts zur inneren Tatseite des Angeklagten beanstandet, verweist der Senat auf die Ausführungen zur Revision der Staatsanwaltschaft (oben II.).
27
3. Die Rüge, das Landgericht hätte den Angeklagten statt der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) der schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) schuldig sprechen müssen, bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
28
IV. Revision des Angeklagten
29
Die Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Becker Schäfer Mayer
Gericke Spaniol

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

5 StR 328/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. November 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. November
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt R. ,
Rechtsanwalt B.
als Vertreter des Nebenklägers W. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen der Tat vom 7. Juni 2009 freigesprochen worden ist, ferner, soweit der Angeklagte wegen Unterschlagung verurteilt worden ist, und im Gesamtstrafausspruch.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers wird das genannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen der Tat vom 20. Juni 2009 verurteilt worden ist; davon ausgenommen bleiben die Feststellungen zu den objektiven Umständen des Tatkerngeschehens (vom Würgen des Angeklagten bis zur Rettung des Nebenklägers ); diese bleiben aufrecht erhalten.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Jugendlichen, mit (zweifacher) gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung (Tat vom 20. Juni 2009 zum Nachteil des Nebenklägers W. ; Einsatzstrafe : acht Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe), ferner wegen Unterschlagung und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und hat ihn im Übrigen freigesprochen ; dem Nebenkläger W. hat es im Adhäsionsverfahren einen Schmerzensgeld- und Feststellungsanspruch zugesprochen.
2
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Revision gegen den Teilfreispruch , der die Tötung des Ba. am 7. Juni 2009 betrifft. Ferner wendet sich die Staatsanwaltschaft – wie auch der Nebenkläger W. mit seiner Revision – gegen den Schuldspruch wegen des Tatgeschehens vom 20. Juni 2009. Die Beschwerdeführer beanstanden insbesondere , das Landgericht habe dem Angeklagten zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Totschlags – nach Auffassung des Nebenklägers bei richtiger Bewertung der Konkurrenzen vom versuchten Verdeckungsmord – zugebilligt. Auch die Staatsanwaltschaft beanstandet – namentlich im Blick auf die von ihr weiter erstrebte Verhängung der Maßregel der Sicherungsverwahrung – die fehlerhafte Annahme von Tateinheit für diesen Tatkomplex. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Zur Person des Angeklagten:
5
Der in desolaten Familienverhältnissen aufgewachsene Angeklagte beging seit 1993 Straftaten, vornehmlich Gewaltdelikte (Raub- und Körperverletzungstaten ), und verbüßte bis 2004 mehrere Jugend- und Freiheitsstrafen. Später folgten eine kürzere gefahrenabwehrrechtliche Unterbringung in der Psychiatrie, Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Brandstiftung und eine Drogenentzugstherapie. Im Jahr 2009 trank der Angeklagte jedoch wieder regelmäßig Alkohol; er nahm eine schon früher ausgeübte Prostitutionstätigkeit im homosexuellen Milieu wieder auf.
6
Der körperlich gesunde Angeklagte „ist sehr leicht kränkbar, fühlt sich schnell benachteiligt und von anderen Menschen zurückgestoßen. Dies führt häufig dazu, dass unverarbeitete Erfahrungen aus der Vergangenheit in ihm hochkommen und er sich durch unkontrollierte Handlungen Erleichterung verschafft. Er ist stark zuwendungsbedürftig und neigt dazu, in krisenhaften Situationen mit Selbstmord zu drohen, um Hilfe zu erzwingen“ (UA S.19). Diagnostisch besteht bei ihm eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, ferner eine neurotisch-depressive Störung, ein beginnendes Abhängigkeitssyndrom vom Alkohol sowie eine leichte Intelligenzminderung.
7
b) Zur Tat vom 7. Juni 2009 (Tötung von Ba. ):
8
aa) Der Angeklagte traf gegen 1.30 Uhr auf der Suche nach einem Freier in einem Lokal auf den 63-jährigen Beamten Ba. , der seit 2002 homosexuelle Kontakte pflegte. Dabei fiel dieser durch „extreme Anhänglichkeit“ auf, konnte unter Alkoholeinfluss verbal aggressiv werden und geriet gelegentlich auch in gewalttätige Auseinandersetzungen (UA S. 51, 24). Der bereits alkoholisierte Ba. spendierte dem Angeklagten ein Bier und einige Jägermeister und verpflichtete sich, dem Angeklagten für „Küssen und Oralsex“ 70 € zu zahlen (UA S. 24). Beide fuhren in die Wohnung des Angeklagten.
9
bb) Aufgrund der als unwiderlegbar bewerteten Angaben des Angeklagten hat das Landgericht folgendes Tatgeschehen angenommen und dieses als durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigt angesehen:
10
In seiner Wohnung geriet der Angeklagte mit Ba. in Streit, da dieser sich entgegen üblichen Gepflogenheiten weigerte, vor den sofort verlangten sexuellen Handlungen das vereinbarte Geld zu bezahlen. Nach ver- balen Auseinandersetzungen wollte der bereits weitgehend entkleidete Ba. den Angeklagten anfassen. Als dieser zurückwich, begann Ba. , ihn zu schubsen. Der Angeklagte wehrte sich erfolgreich. Nach einigen wechselseitigen Schlägen packte Ba. den Angeklagten mit beiden Händen am Hals. Der Angeklagte griff seinerseits Ba. an den Hals, damit dieser ihn losließ. Ba. warf sodann zunächst mit einer Pflanze nach dem Angeklagten, packte ihn sodann erneut am Hals und drückte so kräftig zu, dass der Angeklagte keine Luft mehr bekam, großen Druck im Kopf verspürte und das Gefühl hatte, Ba. werde ihn umbringen. Als es ihm nicht gelang, dessen Griff zu lockern, griff er seinerseits Ba. mit beiden Händen an den Hals, wobei beide Daumen an dessen Kehlkopf lagen. Er wollte sein eigenes Leben retten, erkannte, dass er dadurch möglicherweise Ba. würde töten müssen, und drückte nun so lange kräftig zu, bis der Griff von Ba. an seinem Hals lockerer wurde. In diesem Moment beendete der Angeklagte das Würgen und stieß Ba. mit aller Kraft nach hinten, der daraufhin schräg auf das Bett fiel, wo er tot liegen blieb. Der Angeklagte verließ anschließend seine Wohnung.
11
cc) Am 8. Juni 2009 kehrte er alkoholisiert zurück. Er entnahm dem Portemonnaie des Ba. etwas Bargeld, ferner nahm er ein Armband und eine Halskette des Toten an sich. Aufgrund dieser vom Angeklagten im Wesentlichen eingestandenen Feststellungen ist er wegen Unterschlagung schuldig gesprochen worden.
12
Den Leichnam legte er in einen Bettbezug, schleppte ihn zum Kleiderschrank und verstaute ihn dort. Die Leiche wurde durch die wegen Verwesungsgeruchs alarmierte Polizei am Morgen des 20. Juni 2009 in der Wohnung des Angeklagten entdeckt.
13
c) Zur Tat vom 20. Juni 2009 (Tat zum Nachteil des Nebenklägers J. W. ):
14
aa) Der Angeklagte traf nach mehreren Gaststättenbesuchen gegen 4.30 Uhr auf die ihm bekannte C. W. , die Mutter des damals 14 Jahre alten J. W. . Nach weiterem Alkoholgenuss kam es zum Streit des Angeklagten mit seinem Zwillingsbruder, für dessen Schlichtung die Polizei herbeigerufen wurde. Bis 7 Uhr tätigte der Angeklagte vier Notrufe , in denen er von Suizid sprach. Er beschloss nunmehr, sich in der Wohnung der abwesenden C. W. schlafen zu legen. Er stieg über ein angelehntes Fenster in die Wohnung ein und traf auf den dort schlafenden J. Der Angeklagte, der den Schlafenden in dem abgedunkelten Raum zunächst für einen der zahlreichen afrikanischen Drogenhändler hielt, die bei der betäubungsmittelabhängigen C. W. ständig zu Besuch waren, empfand Wut auf C. W. , die er, gepaart mit Rachegedanken und Verzweiflung, an dem schlafenden J. ausließ.
15
Er legte dem Jungen die Hände um den Hals und drückte einige Sekunden kräftig zu. J. wurde wach und konnte den Griff des Angeklagten etwas lockern. Der Angeklagte ließ von dem Jungen zunächst ab und sagte, dass ihm die Sache leid tue. Er hegte aber weiter Rache- sowie Zerstörungsgefühle und nahm J. das Handy ab, um zu verhindern, dass dieser damit Hilfe hole. Der Junge kühlte die roten Stellen seines Halses im Bad mit Wasser. Der Angeklagte folgte ihm anschließend wieder zu seinem Schlafplatz und fasste ihm ans Gesäß. Er brachte J. durch eine Drohung dazu, sich wieder hinzulegen, und vollzog an ihm zweifach den – als lang und schmerzhaft empfundenen – Analverkehr, unterbrochen von gegenseitigem Oralverkehr. Schließlich führte der Angeklagte eine Getränkeflasche aus Plastik in den Anus von J. ein. Nach weiteren sexuellen Zudringlichkeiten , bei denen sich der Junge auf Geheiß des Angeklagten die Augen verbinden musste, stach ihm der Angeklagte unvermittelt mit einem aus der Wohnung stammenden Küchenmesser (20 cm Klingenlänge) in den Hals.
Die Stichwunde war 3 bis 4 cm lang, der Stichkanal hatte eine Tiefe von 7 cm, verlief in unmittelbarer Nähe zur Halsschlagader und verletzte den rechten Schilddrüsenlappen.
16
J. nahm die Augenbinde ab. Der Angeklagte untersagte dem Jungen , sich zu duschen, gab ihm ein Kissen und forderte ihn auf, sich auf den Bauch zu legen, liegen zu bleiben und das Kissen gegen die Wunde zu drücken. Er äußerte einerseits, er werde im Wohnungsflur auf J. s Mutter warten und diese dann umbringen, andererseits trug er J. auf, seiner Mutter nach deren Rückkehr auszurichten, dass „Ja. “ dagewesen sei. Schließlich verließ er die Wohnung. J. , der das nicht bemerkt hatte, wagte erst zehn Minuten nach dem Stich die Flucht, drückte mit einer Hand ein T-Shirt auf seine Wunde, sprang nackt aus dem Fenster und fand Schutz in einem nahegelegenen Kiosk. Die – ohne ärztliche Versorgung – potentiell lebensbedrohliche Stichverletzung wurde notoperiert (UA S. 39). Auch aufgrund des kräftigen Würgens, das Würgemale und Stauungsblutungen verursacht hatte, bestand potentielle Lebensgefahr.
17
bb) Diese Feststellungen zum Tatkerngeschehen hat das Landgericht auf die glaubhafte Aussage des Nebenklägers und ärztliche Gutachten gestützt. Dass der Angeklagte – vor dem ersten Würgen – geglaubt habe, angegriffen zu werden, und dass er J. nicht habe töten wollen, hat die Schwurgerichtskammer als widerlegt angesehen.
18
Hingegen hat das Landgericht einen Rücktritt vom unbeendeten Totschlagsversuch für unwiderlegbar erachtet. Es hat dem Angeklagten abgenommen , er habe geglaubt, J. sei nicht schlimm verletzt gewesen, und sei zudem beim Verlassen der Wohnung davon ausgegangen, dass der Junge alsbald die Polizei rufen und so auch ärztliche Hilfe erhalten werde.
19
2. Die gegen den Freispruch wegen der Tötung des Ba. gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Das Re- visionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden oder die Annahme der Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes nicht auszuschließen vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928, insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt, und vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401). Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
20
a) Insbesondere beruht die allein der Einlassung des Angeklagten folgende , angesichts der gesamten festgestellten Begleitumstände letztlich nahezu lebensfremd anmutende Annahme des Landgerichts, das Opfer habe den Angeklagten seinerseits durch heftiges Würgen zur Notwehr durch Erwürgen veranlasst, in mehrfacher Hinsicht auf lückenhaft gebliebenen Erwägungen.
21
aa) Die Schwurgerichtskammer hat es schon unterlassen, die sich aus den persönlichen Umständen des Getöteten ergebende Interessenlage in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 4. Dezember 2007 – 5 StR 324/07, StV 2008, 182, 184, und vom 29. April 2010 – 5 StR 18/10, BGHSt 55, 121, 137). Das erheblich ältere Opfer erstrebte die Vornahme homosexueller Handlungen durch den Angeklagten. Sein Ziel wäre indes durch die vom Landgericht angenommenen, sogar mehrfachen körperlichen Angriffe auf den Angeklagten offensichtlich unerreichbar geworden. Die Annahme derartiger Gewalt stand zudem im Widerspruch zu der festgestellten – wenn auch übersteigerten, homosexuell geprägten – Anhänglichkeit des Opfers gegenüber jüngeren Männern.
22
bb) Das Landgericht hat ferner eine aus festgestellten Umständen sich aufdrängende Neigung des Angeklagten zur Vornahme willkürlicher Würgeangriffe aus Wut nicht konkret erwogen (vgl. BGH NStZ 2009 aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. September 2006 – 5 StR 140/06, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 16). Unter den zahlreichen Gewalthandlungen des Angeklagten, die Gegenstand seiner Vorverurteilungen waren, finden sich – neben einer Vielzahl wutbedingter Angriffe gegen Kopf und Gesicht der Opfer – Würgeangriffe vom 20. Juni 1994 (UA S. 9) und vom 14. Februar 2003 (UA S. 16). Daneben hat sich das Landgericht – unter Überwindung der Einlassung des Angeklagten – selbst davon überzeugt, dass der Angeklagte 13 Tage nach der Tötung von Ba. aus Wut, Rache und Verzweiflung den Nebenkläger J. W. lebensgefährlich gewürgt hat. Die Indizwirkung dieser drei bewiesenen Taten hätte, um die erhobenen Beweise erschöpfend zu würdigen, mit in die wertende Betrachtung einbezogen werden müssen (vgl. BGH, Urteile vom 21. März 2002 – 5 StR 566/01, wistra 2002, 260, und vom 22. August 2002 – 5 StR 240/02, NStZ-RR 2002, 338). Hinzu kommt, dass das widerlegte Verteidigungsvorbringen des Angeklagten im Fall W. zu einer vermeintlichen Notwehrlage mit zu bedenken gewesen wäre.
23
cc) Soweit das Landgericht (UA S. 48 und 49) Angaben des Angeklagten hinsichtlich seines Nachtatverhaltens (Telefongespräche, Erbrechen, Verschenken der Schmuckstücke, übermäßiger Alkoholgenuss) durch Zeugenaussagen bestätigt sieht und dieses ersichtlich als Stütze der Einlassung zum Tatkerngeschehen heranzieht, ist dies durchgreifend bedenklich. Das durch Außenumstände erwiesene Verhalten des Angeklagten steht in keinem Wertungszusammenhang mit der zu prüfenden Frage, ob eine Notwehrlage bestanden hat. Dagegen steht – wenn auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Persönlichkeit des Angeklagten – das bewiesene, eher notwehruntypische Nachtatverhalten der Verwahrung der Leiche bis zur zwangsläufigen Entdeckung durch sich verbreitenden Verwesungsgeruch.
24
b) Abgesehen davon beruht auch die Wertung des Landgerichts,die – angenommene – Verteidigungshandlungdes Angeklagten sei erforderlich gewesen (§ 32 Abs. 2 StGB), auf lückenhaft gebliebenen Erwägungen.
25
aa) Die Schwurgerichtskammer hat die Fähigkeiten der Kontrahenten zur Vornahme von Angriffs- und Verteidigungshandlungen nicht – was geboten gewesen wäre (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 32 Rn. 30 mwN) – konkret bewertet und ist lediglich zu der eher vagen Annahme gelangt, dass der An- geklagte „kaum“ in der Lage gewesen wäre, den Angriff auf mildere Weise zu beenden (UA S. 67). Dabei hat es nicht bedacht, dass ihm das bei einem ersten gleichartigen Angriff nach seiner eigenen Einlassung ohne Weiteres gelungen war.
26
bb) Daneben hat das Landgericht mit der Tötungshandlung zusammenhängendes medizinisches Erfahrungswissen nicht in seine Bewertung einbezogen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401). Solches wäre geeignet gewesen, die angenommene Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung – Würgen bis zur Beendigung des Angriffs , damit auch bis zum Todeseintritt (UA S. 26) – grundlegend in Frage zu stellen.
27
Bei Würgen oder Erdrosseln als Tötungshandlung verstreicht bis zum Erfolgseintritt in der Regel ein ganz erheblicher Zeitraum der Gewaltanwendung , wie auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Fällen problematischer Begründung des Tötungsvorsatzes zu entnehmen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 1996 – 4 StR 275/96, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz , bedingter 48; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2003 – 5 StR 458/03, BGHR aaO Vorsatz, bedingter 57; vgl. ferner Eisen, Handwörterbuch der Rechtsmedizin, Bd. 1, 1973, S. 213, 217). Vor Eintritt des Todes kommt es jedenfalls zu körperlichen Reaktionen des gewürgten Opfers, die eine Verminderung von dessen Handlungsfähigkeit bewirken (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juni 1992 – 4 StR 308/92, BGHR aaO Vorsatz bedingter 30; Eisen aaO S. 213) und hierdurch einen Angriff auf den in Notwehr Würgenden durch fortschreitende äußere Anzeichen der Ermattung des Angreifers als sicher beendet und ein noch längeres Würgen als zweckverfehlend erscheinen lassen. Hiernach hätte das Landgericht auch bei Prüfung der erforderlichen Verteidigung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB eine mit der angriffsbeendenden Würgehandlung des Angeklagten einhergehende, den Tod des Angreifers indes vermeidende Handlungsalternative erwägen müssen.
28
Ausgehend hiervon wäre die vom Landgericht fehlerfrei festgestellte Todesverursachung durch Erwürgen unter Beschädigung der Schildknorpel des Opfers, was jedenfalls zum Tod führen musste (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 1994 – 4 StR 267/94, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz bedingter 40), als ein Überschreiten der gebotenen Notwehr zu qualifizieren und allenfalls unter die Voraussetzungen des § 33 StGB zu subsumieren gewesen.
29
c) Die Tat bedarf demnach umfassend neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die Annahme von Notwehr auch bei völlig zurücktretendem Verteidigungswillen ausgeschlossen sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 1991 – 2 StR 360/91, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigungswille 1). Ferner müsste auch der festgestellten Wahrnehmung mehrerer Zeugen, die allesamt Würgemale des Angeklagten nicht zur Kenntnis genommen haben, mehr Aufmerksamkeit als bisher (UA S. 46) gewidmet werden. Soweit – bisher im Einzelnen nicht dargelegte und erwogene – Mitteilungen des Angeklagten gegenüber Dritten über das Vorliegen einer Notwehrlage zu würdigen wären (vgl. UA S. 38), könnten diese im Grundsatz – ähnlich einem von einem Verdächtigen selbst bekundeten Alibi (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 – 5 StR 259/11) – kaum Bedeutung für eine Bestätigung der Notwehreinlassung haben.
30
Die Aufhebung auf Revision der Staatsanwaltschaft muss auch den Schuldspruch wegen Unterschlagung erfassen. Die tatnahe Ansichnahme von Wertgegenständen des Getöteten steht mit dem zu prüfenden Tötungsverbrechen in untrennbarem Zusammenhang. Die Prüfung eines daraus resultierenden – eventuell auch nur mitbestimmenden – Tötungsmotivs ist unerlässlich. Im Zweifel kommt bei Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung ohne nachgewiesenen Raubmord Tateinheit zwischen Totschlag und Unterschlagung in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 1987 – 4 StR 400/87, BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 4).
31
3. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers ist der Schuldspruch hinsichtlich der Tat vom 20. Juni 2009 zum Nachteil des Nebenklägers W. ebenfalls aufzuheben.
32
a) Das Landgericht hat dem Angeklagten mit durchgreifend bedenklichen Erwägungen einen Rücktritt vom unbeendeten Totschlagsversuch zugebilligt. Es hat die – in der Hauptverhandlung vom Angeklagten vorgetragenen – Einschätzungen hinsichtlich der Schwere und der weiteren Entwicklung der Verletzungen des Nebenklägers seiner Entscheidung ohne weiteres zugrunde gelegt. Solches stößt hier schon im Ansatz auf mehrere Bedenken.
33
aa) Der Angeklagte hat wesentliche Einzelheiten des ihn stark belastenden Tatgeschehens nicht aus eigener Erinnerung bestätigt. Dieser Umstand hätte bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der bekundeten günstigen, für den Rücktrittshorizont als maßgeblich betrachteten Vorstellungen kritischer Prüfung dergestalt bedurft, warum vom Angeklagten lediglich ihn Begünstigendes , aber nicht Belastendes erinnert wird.
34
Daneben lässt die Würdigung der Einlassung nicht erkennen, dass sich die Schwurgerichtskammer in jeder Beziehung des schuldmindernden Charakters der Angaben des Angeklagten bewusst war. Das Landgericht hat wesentliche Angaben des Angeklagten zutreffend als widerlegt angesehen, nämlich dass er sich angegriffen glaubte und dass er J. W. nicht töten wollte. Die so vollzogene Bewertung zentralen Verteidigungsvorbringens als Schutzbehauptung hätte es indes erfordert, auch bei der Würdigung weiterer vom Angeklagten vorgetragener Umstände deren Charakter als kritisch zu betrachtendes Verteidigungsvorbringen zu beachten. Erst danach hätte von dessen partieller Glaubhaftigkeit – wie es das Landgericht indes durchgehend wie selbstverständlich getan hat – ausgegangen werden dürfen (BGH, Urteil vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09, NStZ-RR 2009, 290 mwN; BGH, Beschluss vom 23. Juni 2009 – 5 StR 182/09).
35
bb) Daneben sind die Erwägungen des Landgerichts, mit denen es auf der Grundlage der Einlassungen des Angeklagten den Rücktritt bejaht hat, zum Teil widersprüchlich und lückenhaft, und zwar selbst bei der hier wegen der Wahrnehmung der „starkblutenden Wunde“ am Hals durch den Angeklagten eher fernliegenden Anerkennung eines Rücktritts vom unbeendeten Versuch. Die Einlassungen sind auch nicht der gebotenen Gesamtwürdigung unterzogen worden (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2005 – 2 StR 310/04, BGHSt 50, 80, 85).
36
Die von der Schwurgerichtskammer gebilligte Erwartung des Angeklagten , dass der Nebenkläger nach dem Verlassen der Wohnung durch den Angeklagten die Polizei rufen würde, setzt sich nicht mit der dem widersprechenden Feststellung auseinander, dass der Angeklagte das Mobiltelefon des J. W. an sich genommen hatte, um zu verhindern, dass dieser damit Hilfe hole (UA S. 33).
37
Nicht in die Erwägungen einbezogen worden ist der gegen die Möglichkeit der Selbstrettung und für die – freilich bisher nicht begründete (UA S. 70) – Annahme des Vorsatzes der Freiheitsberaubung sprechende Umstand , dass der Angeklagte durch wiederholte Kontrolle des auf der Matratze liegenden blutenden Nebenklägers und durch die Ankündigung, im Flur auf dessen Mutter zu warten und diese umzubringen, ein Fluchthindernis und hierdurch eine Erhöhung der Gefahr für das Leben des Nebenklägers geschaffen hat. Wer – wie der Angeklagte – die baldige Rettung des von ihm verletzten, stark blutenden Opfers durch Freiheitsberaubung zu verhindern sucht, gibt die weitere Tatausführung naheliegend gar nicht auf. Der von § 24 Abs. 1 Satz 1 (erste Alternative) StGB honorierte Verzicht auf ein mögliches Weiterhandeln (vgl. BGH [GS], Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 231) wird dem Angeklagten nicht zugute gebracht werden können, weil er einen Erfolgseintritt zusätzlich durch Einwirkung auf sein – quasi als Tatmittler eingesetztes – Opfer weiter gefördert hat.
38
b) Nicht unbedenklich ist zudem die Annahme von Tateinheit in Gestalt einer natürlichen Handlungseinheit hinsichtlich des Würgevorgangs und des Messerangriffs. Diese Handlungen sind nach den getroffenen Feststellungen nicht durch eine notwendige einheitliche fortwirkende Gewaltanwendung verbunden (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2007 – 4 StR 572/06, NStZ-RR 2007, 235). Soweit das Landgericht für den erforderlichen einheitlichen Tatwillen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1962 – 1 StR 524/61, BGHSt 16, 397, 398) auf das Vorliegen einer einzigen Macht- und Rachedemonstration sowie Demütigung (UA S. 70) abstellt, bestehen Bedenken gegen eine durch Tatsachen gestützte Schlussfolgerung. Der Angeklagte hat eigene Erklärungen lediglich zu seinen Rücktrittsvorstellungen abgegeben. Die aus der Aussage des Nebenklägers und aus weiteren Beweismitteln gewonnenen Feststellungen zum Tatkerngeschehen belegen vielmehr eher mehrere willensgetragene Handlungsabschnitte nach separaten Entschließungen des Angeklagten. Hierdurch hat sich das Landgericht auch unzutreffenderweise gehindert gesehen, den festgestellten Sachverhalt in der letzten Geschehensphase, wie aus Sicht der Revision des Nebenklägersangezeigt und auch ursprünglich angeklagt, als versuchten Verdeckungsmord zu würdigen.
39
c) Im Hinblick auf die vom Landgericht angenommene Tateinheit nötigt schon die fehlerhafte Annahme eines Rücktritts vom Totschlagsversuch zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli2011 – 5 StR 561/10, NJW 2011, 2895, 2897 mwN).

40
Im Übrigen begegnet angesichts des Mangels in der Behandlung der Konkurrenzen auch die Verurteilung wegen der Qualifikation einer besonders schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1, 2 lit. a und b StGB Bedenken (vgl. § 301 StPO). Die Feststellungen belegen nicht zweifelsfrei, dass das Messer bei der zur Vergewaltigung führenden Nötigung oder bei dem sexuellen Geschehen eingesetzt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, BGHSt 46, 225, 229). Das Messer wurde mit bedingtem Tötungsvorsatz zur Herbeiführung einer Verletzung verwendet. Dies geschah nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den früher vollzogenen sexuellen Handlungen.
41
d) Das Tatgeschehen vom 20. Juni 2009 bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Allerdings können die Feststellungen zum objektiven Tatkerngeschehen – vom Würgen des Angeklagten bis zur Rettung des Nebenklägers – aufrechterhalten bleiben. Diese sind von den Mängeln der Würdigung der Einlassung des Angeklagten und den weiteren Rechtsfehlern unbeeinflusst.
42
Demnach wird das neu berufene Tatgericht in erster Linie – ausgehend von den feststehenden objektiven Tatumständen und den Einlassungen des Angeklagten – sämtliche subjektiven Rücktrittsvoraussetzungen einschließlich der für die gebotene Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch notwendigen (vgl. BGH, Urteile vom 22. August 1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 300, und vom 2. November 1994 – 2StR 449/94, BGHSt 40, 304, 305 f. sowie BGH [GS], Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 231 f.) neu festzustellen und zu bewerten haben, aber auch zum Tötungsvorsatz, zu den Konkurrenzen und zur Schuldfähigkeit des Angeklagten neu zu befinden haben.
43
4. Bestehen bleiben der nicht angefochtene Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zum Nach- teil des Zeugen Sch. und der weitere nicht angefochtene Teilfreispruch. Die Aufhebung der verbleibenden Schuldsprüche zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich (vgl. zur Adhäsionsentscheidung BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96).
44
Sollten die neuen Schuldsprüche eine Prüfung der Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 StGB a. F. veranlassen, verweist der Senat auf die wegen des anzuwendenden Übergangsrechts zu beachtenden Beschränkungen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 5 StR 189/11; ferner Urteile vom 7. Juli 2011 – 2 StR 184/11 und – 5 StR 192/11 – sowie vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11).
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 520/17
vom
27. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:271117B5STR520.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. November 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31. Mai 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen , die Nebenklägerin, seine 1998 geborene Großnichte, von Oktober 2007 bis Mai 2013 in mindestens 69 Fällen sexuell missbraucht zu haben, wobei er in allen Fällen den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB), darüber hinaus in 60 Fällen den Tatbestand des (schweren) sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§§ 176, 176a StGB) verwirklicht habe. Der Freispruch ist aus tatsächlichen Gründen erfolgt, weil sich die Strafkammer namentlich aufgrund von das jeweilige Kerngeschehen betreffenden Inkonstanzen im Aussageverhalten der Nebenklägerin sowie im Blick auf insoweit vage und detailarme Bekundungen keine Überzeugung von deren Glaubhaftigkeit zu verschaffen vermochte. Die Verwerfungen sprächen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gegen ein tatsächliches Erleben der Nebenklägerin (UA S. 34). Daran könnten auch Bekundungen von deren Mutter nichts ändern, wonach ihr von der Nebenklägerin erzählt worden sei, der Angeklagte kneife sie mit der Folge von blauen Flecken in den Oberschenkel, ziehe sie an den Schamhaaren und habe ihr verboten, jemandem etwas zu erzählen. Denn die Nebenklägerin habe dies in der Hauptverhandlung nicht bestätigt.
4
Ferner hat das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf weiterer drei Körperverletzungstaten freigesprochen. In einem Fall (Ziffer 71 der Anklage) hatte die Nebenklägerin angegeben, die von ihrer Mutter vor der Polizei geschilderte Tat habe nicht stattgefunden.
5
Hingegen hat das Landgericht die Aussage der Nebenklägerin zu den abgeurteilten sechs Körperverletzungsdelikten als glaubhaft eingestuft. Bei den Taten 1 bis 5 habe diese Bestätigung gefunden in – gleichfalls glaubhaften – Angaben ihrer Mutter, im Fall 2 auch in solchen einer Nachbarin.
6
b) Die Darlegungen der Strafkammer in den Verurteilungsfällen genügen nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung in Konstellationen wie der vorliegenden stellt. Zwar existiert kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass einem Zeugen nur entweder insgesamt geglaubt oder insgesamt nicht geglaubt wer- den darf (vgl. MüKo-StPO/Miebach, 2016, § 261 Rn. 225 mwN). Jedoch müssen die Urteilsgründe dann erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände , die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat; wird dem Zeugen hinsichtlich weiterer Taten nicht gefolgt oder handelt es sich gar um bewusst falsche Angaben, so muss das Tatgericht zudem jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 159; vom 17. November 1998 – 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256, 257). Daran fehlt es hier.
7
aa) In Bezug auf alle abgeurteilten Taten lässt das angefochtene Urteil die Entstehung und Entwicklung der Aussage der Nebenklägerin nicht bzw. nicht hinreichend erkennen. So wird in den Urteilsgründen eine „Flucht“ der Nebenklägerin und ihrer Familie aus der Wohnung des Angeklagten in ein Frauenhaus erwähnt (UA S. 35, 36). Die für diese „Flucht“ verantwortlichen Umstände lassen sich den Urteilsgründen nicht mit der notwendigen Klarheit entnehmen; das Gleiche gilt für Anlass und Zeitpunkt der Anzeigeerstattung. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob bei der Nebenklägerin ein Motiv für eine Falschbezichtigung des Angeklagten vorhanden gewesen ist. Entsprechendes gilt für die Bekundungen der Mutter der Nebenklägerin , die die Familie des Angeklagten überdies nach dem Auszug in einer SMS beschimpft hat (UA S. 13). Darüber hinaus haben sich deren Angaben zu einer weiteren Körperverletzungstat des Angeklagten (Fall 71 der Anklage ) als unzutreffend erwiesen (UA S. 36). Deren Aussagen können daher nicht ohne Weiteres als außerhalb der Bekundungen der Nebenklägerin liegende Gründe im vorgenannten Sinne herangezogen werden, sondern hätten einer eingehenden Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt unter Erörterung etwaiger Falschbelastungsmotive bedurft. Die Beweiswürdigung in den Verurteilungsfällen kann bereits deshalb insgesamt keinen Bestand haben.
8
bb) Die Darlegungen der Strafkammer zu den einzelnen Taten sind zudem lückenhaft.
9
(1) So ergibt sich aus der Aussage der Mitarbeiterin des allgemeinen Sozialen Dienstes, dass sich die Nebenklägerin nach anonymen Anrufen einer Nachbarin beim Jugendamt (wohl) im Jahr 2010 oder 2011 „in der Rechtsmedizin“ vorgestellt habe (UA S. 16). Das Ergebnis der Untersuchung wird jedoch nicht mitgeteilt.
10
(2) Der Verurteilungsfall 2 (Ziffer 73 der Anklage) weist starke Ähnlichkeiten mit dem Freispruchsfall unter Ziffer 71 der Anklage auf. In beiden Fällen ist dem Angeklagten vorgeworfen worden, den Kopf der Nebenklägerin während der Hausaufgaben auf die Tischplatte geschlagen bzw. diese so stark auf den Kopf geschlagen zu haben, dass der Kopf auf den Tisch fiel. Aus welchem Grund das Landgericht die hierzu referierte Aussage der Zeugin Si. dem Verurteilungsfall zuordnet, wird nicht deutlich. Der Inhalt der auch hier in Bezug genommenen Bekundungen der Mutter der Nebenklägerin wird nicht wiedergegeben (UA S. 15).
11
(3) Maßgebend auch aufgrund der Angaben der Mutter der Nebenklägerin hat das nicht sachverständig beratene Landgericht zu Tat 3 festgestellt, der etwa 150 kg schwere Angeklagte habe sich mit beiden Beinen auf den „Brustbzw. Rippenbereich“ der damals 12- oder 13-jährigen Nebenklägerin gestellt und mit seinem vollen Körpergewicht so lange „nachgefedert“, bis diese im Gesicht „blau anlief“ (UA S. 7, 19). Die Nebenklägerin bekundete, dass sie „irgendwann weggetreten“ sei (UA S. 19). Zu durch eine solch massive Tat nahe- liegend verursachten bleibenden Verletzungen verhalten sich die Urteilsgründe genauso wenig wie zu den Gründen, aus denen sich die Nebenklägerin und ihre Mutter angesichts dieser gravierenden Tat nicht wenigstens im Nachhinein zu einer Benachrichtigung öffentlicher Stellen entschlossen haben.
12
(4) Zu Fall 4 verweist das Landgericht in Bezug auf einen Erinnerungs- verlust der Nebenklägerin auf einen „Beschluss Anlage 24 zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 26.04.2017“ (UA S. 22). Eine solche Verweisung ist unzu- lässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 60. Aufl., § 267 Rn. 2 mwN).
13
(5) Zu Fall 5 ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass die Mutter der Nebenklägerin den Vorfall zwar nicht gesehen, aber „mitbekommen“ hat (UA S. 23). Was diese in welcher Weise „mitbekommen“ hat, wird jedoch nicht ausgeführt.
14
(6) Zu Fall 6 fehlen beweiswürdigende Ausführungen des Landgerichts völlig. Solche wären jedoch auch angesichts des eher ungewöhnlichen Ge- schehens („Ohrfeige“ mit der flachen Seite der etwa 30 cm langen Klinge eines massiven Fleischermessers ohne sichtbare Verletzungen der Nebenklägerin) unabdingbar gewesen.
15
Die Sache bedarf danach in Bezug auf die Verurteilungsfälle insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
16
2. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Strafzumessung rechtlicher Prüfung nicht standgehalten hätte. Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl hinsichtlich der Taten 3 und 6 (jeweils gefährliche Körperverletzung ) und der Strafhöhenbemessung bei Tat 3 (Einsatzstrafe) erschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte die Tat während laufender Bewährung be- gangen hat. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend bemerkt, hätte indessen nach dem Zweifelssatz zugrunde gelegt werden müssen, dass die Tatzeiten außerhalb der Bewährungszeit gelegen haben.
Sander Schneider Dölp
König Mosbacher

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 382/02
vom
6. November 2002
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2002 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Bamberg vom 28. Mai 2002 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und weiterer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hat einmal 5 g und einmal 170 g Heroin erworben, das er vorgefaßter Absicht gemäß zum Teil in kleinen Portionen gewinnbringend weiterverkauft und zum Teil zum Eigenbedarf verwendet hat. Ein nicht unerheblicher Teil der 170 g Heroin konnte sichergestellt werden. Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
Hinsichtlich des Schuldspruchs und des Strafausspruchs nimmt der Se- nat auf die Ausführungen im Antrag des Generalbundesanwalts vom 19. September 2002 Bezug, die auch durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) vom 18. Oktober 2002 nicht entkräftet werden.

II.

Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das Urteil aufzuheben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Der Senat vermag diesem Antrag nicht zu entsprechen. 1. Die Revision erwähnt § 64 StGB nicht. Ob dies in einer Gesamtschau mit ihrem übrigen Vorbringen ergibt, daß die Nichtanwendung von § 64 StGB wirksam vom Rechtsmittelangriff ausgenommen ist (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 10 m.w.N.; die im übrigen uneingeschränkte Anfechtung des Urteils stünde dem nicht entgegen, vgl. BGH, Beschluß vom 27. März 2000 - 1 StR 87/00; Beschluß vom 6. Mai 1998 - 5 StR 53/98 m.w.N.), kann aber offen bleiben. Unabhängig davon kann der Senat den Urteilsgründen nämlich nicht entnehmen , daß eine neue Verhandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Unterbringungsanordnung führen wird (vgl. BGHSt 37, 5, 9): 2. Der Angeklagte, der im Jahre 2000 mit dem Heroinkonsum begann, hat keine "offenen Angaben" zum Umfang seines Drogenkonsums gemacht, an anderer Stelle bezeichnet die Kammer seine Angaben hierzu sogar als nicht nachvollziehbar. Er hat "mehrfach angegeben, daß er nicht sagen könne, wieviel er genommen habe"; erst auf "mehrmaliges Nachfragen ... hat er schließ-
lich gemeint", er habe zwar nicht jeden Tag Heroin konsumiert, aber "an manchen Tagen bis zu drei Gramm gespritzt". Dabei hat er "keine typischen Suchtsymptome geschildert". Zu den Wirkungen des Rauschgiftkonsums beim Angeklagten hat die Strafkammer festgestellt, daß er seine Arbeitsleistung - er war bei einer Straßenbaufirma für einen Nettomonatslohn von 3.000 DM beschäftigt - "durchgehend zur vollen Zufriedenheit seines Arbeitgebers erbracht hat". Ebenso ist er "seiner Rolle als Familienvater uneingeschränkt nachgekommen". Insgesamt hat er "sein Leben ohne jegliche Einschränkung im Alltag" geführt. Nach seiner Festnahme sind beim Angeklagten Entzugserscheinungen aufgetreten, wobei der Angeklagte hierzu zunächst nur angegeben hat, er sei "krank" gewesen. Erst auf "mehrfache Nachfrage" hat er die Symptomatik dahin konkretisiert, daß er "Knochenschmerzen und Schlafstörungen" gehabt habe, die aber aufgrund dreiwöchiger ärztlicher Behandlung nach sechs Wochen verschwunden seien. Außerdem hat der Angeklagte infolge seines Drogenkonsums noch einen Leberschaden. Worauf sich diese Annahme stützt, ist unklar, aus den Angaben des Angeklagten ergibt sich dies nicht, andere Erkenntnisquellen sind nicht mitgeteilt. Ebensowenig wird die Schwere dieser Erkrankung deutlich, jedoch spricht der Hinweis, daß "sonst keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehen" nicht für eine sehr schwerwiegende Erkrankung. 3. Voraussetzung für eine Unterbringung gemäß § 64 ist (unter anderem ) ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muß (vgl. nur BGHSt StGB §
64 Abs. 1 Hang 5; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297; Hanack in LK 11. Aufl. § 64 Rdn. 40 jew. m.w.N.). "Im Übermaß" bedeutet, daß der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, daß seine Gesundheit, Arbeits - und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (Körner aaO; Hanack aaO Rdn. 44 m.w.N. in Fußn. 12). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof auch die unterbliebene Erörterung einer Unterbringung bei einem Täter gebilligt, bei dem zwar "eine Tendenz zum Betäubungsmittelmißbrauch ... jedoch keine Depravation und erhebliche Persönlichkeitsstörung" vorlag (BGHR StGB § 64 Nichtanordnung 1). Angesichts der genannten Feststellungen zu den Auswirkungen des Rauschgiftkonsums auf Sozialverhalten und Gesundheit des Angeklagten liegt nach alledem die Annahme eines Hangs i.S.d. § 64 StGB beim Angeklagten nicht nahe. 4. Allerdings ist die Strafkammer, im wesentlichen gestützt auf die genannten Angaben des Angeklagten, letztlich davon ausgegangen, daß der Weiterverkauf "auch der Finanzierung der eigenen Sucht dienen sollte" und hat dies dem Angeklagten strafmildernd angerechnet. Unter den hier gegebenen Umständen beruht diese Annahme (allenfalls) auf der Grundlage des Zweifelssatzes. Hierfür spricht schon die Bewertung der letztlich doch den Feststellungen zugrundegelegten Angaben als "nicht offen". Erhärtet wird diese Annahme dadurch, daß auch die Feststellungen der Strafkammer dazu, in welchem Umfang der Angeklagte das von ihm erworbene Heroin (nicht weiterverkauft sondern) selbst verbraucht hat, ausdrücklich auf der Anwendung des Zweifelssatzes beruhen.
Eine Unterbringungsanordnung gemäß § 64 StGB kommt jedoch nur in Betracht, wenn das Vorliegen eins Hangs sicher ("positiv") festgestellt ist. Kommt das Gericht jedoch, wie erkennbar hier, lediglich zu dem Ergebnis, ein Hang sei als Grundlage der Tat nicht auszuschließen, so ist für eine Unterbringung kein Raum (BGH, Beschluß vom 6. Juli 1983 - 2 StR 334/83; Körner aaO). 5. Der Senat ist nicht gehindert, gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu entscheiden. Der Aufhebungsantrag hinsichtlich der Entscheidung über eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB wirkt zu Lasten und nicht zu Gunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 3; BGH NStZ-RR 1998, 142; BGH, Beschluß vom 4. April 2000 - 5 StR 94/00). Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 604/16
vom
12. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:120117B1STR604.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am 12. Januar 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 10. August 2016 mit den Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben jedoch aufrechterhalten. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte gehörte zu einer aus ca. 10 - 15 Personen bestehenden Clique von gleichaltrigen Heranwachsenden bzw. jungen Erwachsenen aus dem Gebiet der Stadt L. („L. er Gruppe“), die teilweise in Kon- flikt mit der ebenfalls aus ca. 10 - 15 gleichaltrigen Personen bestehenden Clique aus dem Gebiet der Gemeinde B. („B. er Gruppe“) geriet. Nachdem beide Gruppen bereits am 19. Oktober 2015 aufeinander getroffen waren, sollte am Abend des 23. Oktober 2015 ein weiteres Treffen erfolgen. Vor diesem Treffen hatte sich der Angeklagte ein von ihm verliehenes Springmesser mit einer ca. 10 cm langen einschneidigen und spitz zulaufenden Klinge zurückgeben lassen, das er ab diesem Zeitpunkt mit sich führte, um es ggf. einsetzen zu können.
4
Nachdem sich die beiden Gruppen zunächst erfolglos im Gemeindegebiet von B. gesucht hatten, trafen sie gegen ca. 23.30 Uhr in der Ortsmitte beim Rathaus sukzessive aufeinander, wobei sich zwischen einzelnen Mitgliedern der beiden Gruppen eine Schlägerei entwickelte. Dabei griff der Angeklagte zunächst W. an und es entwickelte sich eine körperliche Auseinandersetzung. In das Geschehen griff der mit einer AnonymousGesichtsmaske maskierte La. schlichtend ein. Dem körperlich überlegenen Angeklagten gelang es, La. an der Kapuze zu packen und gegen einen Pfeiler zu drücken, bevor beide schließlich in einem anschließenden Gerangel das Gleichgewicht verloren und in einen Busch fielen, wobei La. auf dem Angeklagten zum Liegen kam. In dieser Situation zog der Angeklagte das von ihm mitgeführte Springmesser, ließ die Klinge herausfahren und stach La. sinngemäß mit den Worten „Ich stech dir das Messer in die Seite“ in die rechte Brustseite, wo- bei dem Angeklagten bewusst war, dass dieser Stich geeignet war, den Tod des Opfers herbei zu führen, was er billigend in Kauf nahm. Durch den Stich wurde in lebensgefährlicher Weise der obere rechte Lungenlappen verletzt und der Herzbeutel nur um ca. 1 cm verfehlt. Trotz der Stichverletzung gelang es La. , der vom Angeklagten nach dem Stich am Boden festgehalten wurde, sich loszureißen, aufzustehen und weg zu rennen, bevor er entkräftet zusammenbrach.
5
Wenige Augenblicke danach wollte der mit einer Sturmhaube maskierte E. , der aus einigen Metern Entfernung zwar den Sturz des Angeklagten , nicht aber den Messerangriff beobachtet hatte, den Angeklagten mit einem Pfefferspray angreifen, das aber nicht funktionsfähig war, weswegen er die Dose dem Angeklagten entgegen schleuderte, der nun auf ihn zustürmte. Nachdem der Angeklagte den ihm körperlich unterlegenen und nunmehr unbewaffneten E. erreicht hatte, packte er diesen mit der linken Hand am rechten Oberarm, holte mit der rechten Hand aus und stach mit dem Springmesser in der Hand mit nicht unerheblicher Wucht auf E. ein, der sich in diesem Moment selbst nicht zur Wehr setzte. Der Stich durchdrang das Bauchfell und verursachte bei E. vier Perforationen des Dünndarms auf einer Länge von 6 cm, wobei große Blutgefäße und die Hauptschlagader nur knapp verfehlt wurden. Anschließend versetzte der Angeklagte E. noch zwei weitere schmerzhafte Stiche in beide Oberarme, bevor es diesem gelang, sich mit einer Rechtsdrehung aus dem Griff des Angeklagten zu winden, in Panik davon zu rennen und bis zu einer Bushaltestelle zu flüchten, wo er schließlich zusammenbrach.
6
2. Das Landgericht geht bei den zum Nachteil der Geschädigten La. und E. ausgeführten Messerstichen jeweils von einem versuchten Totschlag aus, wobei beide Taten auf Grund der zeitlichen Zäsur zwischen den Verletzungen in Tatmehrheit zueinander stehen. Angesichts der hochgradigen Gefährlichkeit der durch den Angeklagten geführten Messerstiche habe dieser jeweils mit dem Tod des Opfers gerechnet. Einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch verneint das Landgericht. Es geht jeweils von einem beendeten Versuch aus, da der Angeklagte nach seiner Vorstellung das Versterben der beiden Geschädigten allein auf Grund der äußerst schweren Verletzungen zumindest für möglich hielt. Unabhängig davon habe der Angeklagte jedenfalls nicht freiwillig von möglichen weiteren Messerattacken Abstand genommen, da er die beiden Geschädigten auch nach den Stichen weiter festgehalten habe und es beiden erst gelungen sei, wegzurennen, nachdem sie sich losgerissen hatten.

II.


7
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei jeweils vom beendeten Versuch eines Tötungsdelikts nicht strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StGB), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die zur Korrektur des Rücktrittshorizonts entwickelten Grundsätze (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mwN) nicht beachtet, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten.
9
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt ein unbeendeter Versuch auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seinem Handeln den Erfolgseintritt zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne den Erfolg doch nicht herbeiführen und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Herbeiführung des Erfolges absieht (st. Rspr.; vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; Urteil vom 19. Juli 1987 - 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224; Beschlüsse vom 7. November 2001 - 2 StR 428/01, NStZ-RR 2002, 73 und vom 8. Juli 2008 - 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335). Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch - vom Täter wahrgenommen - zu körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt. So liegt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa in dem Fall, dass das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tatort wegzubewegen (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mit zahlr. Nachw.). Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben (BGH jeweils aaO).
10
b) Diese Grundsätze hat das Landgericht in beiden Fällen des versuchten Totschlags nicht erörtert, obwohl die Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen zur Prüfung dieser Frage drängten. Beiden Geschädigten war es nach den letzten vom Angeklagten ausgeführten Stichen gelungen, sich noch aus eigener Kraft vom Angeklagten loszureißen und wegzurennen, bevor sie letztlich entkräftet zusammenbrachen. Konkrete Feststellungen dazu, wel- che Distanz die beiden Geschädigten bis zu ihrem Zusammenbruch zurückgelegt hatten und ob der Angeklagte dies beobachtet und wahrgenommen hat, werden vom Landgericht nicht getroffen. Die bisherigen Feststellungen lassen es jedenfalls als möglich erscheinen, dass der Angeklagte, sofern er das Verhalten der Geschädigten alsbald nach der letzten Tathandlung beobachtet hat, nicht mehr davon ausging, diese tödlich verletzt zu haben. Das gilt auch für die Tat zum Nachteil des Geschädigten La. . Trotz des sehr knappen Zeitraums bis zum Beginn der Auseinandersetzung mit dem GeschädigtenE. (UA S. 16), ist nicht sicher ausgeschlossen, dass der Angeklagte das Weglaufen des Geschädigten La. wahrgenommen hat. Damit kann der Senat auf Grund dieses Erörterungsmangels das Vorliegen eines unbeendeten Versuchs nicht ausschließen.
11
3. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen jeweils tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f. und vom 20. Februar 1997 - 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
12
4. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aber aufrechterhalten , da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht hat jedoch zusätzliche Feststellungen zur Frage des strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des Totschlags zu treffen, die mit den bisher getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.

III.

13
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
1. Nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts (UA S. 6/7) liegt bei dem Angeklagten spätestens seit Mitte 2015 ein polytoxikomaner Substanzmissbrauch vor, wobei der Angeklagte seit Juli 2015 seinen Konsum auf täglich 1,5 g Kokain steigerte und zum „Runterkommen“ und Entspannen auch seinen Cannabiskonsum zumindest am Wochenende aufrecht erhielt. Weiter konsumierte der Angeklagte in erheblichem Umfang auch Alkohol, wobei sich dies bei regelmäßigen „Feiern“ am Wochenende auf bis zu einer halben Fla- sche Wodka (0,7 l) steigerte. Im Rahmen seiner Ausführungen zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt geht das Landgericht (UA S. 53/54) davon aus, dass bei dem Angeklagten zwar ein schädlicher Gebrauch von Betäubungsmitteln oder Alkohol vorliegt, aber weder eine körperliche noch ein psychische Abhängigkeit gegeben ist, so dass es bereits an einem Hang fehlt, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, weil der Angeklagte seinen Betäubungsmittel- und Alkoholkonsum in seinen Alltag „eingepasst“ und dieser keine wesentlichen Beeinträchtigungen des beruflichen und sozialen Lebensbereichs bewirkt hat. Auch bestünden „erhebliche Zweifel“ am Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Tat und Hang im Sinne des § 64 StGB, obwohl das Landgericht feststellt, dass beim Angeklagten ein sein Gehalt übersteigender Finanzbedarf bestand, den er durch Einnahmen illegaler Art und Weise zu steigern suchte (UA S. 9) und die vom Angeklagten gegenüber der B. er Gruppe geforderte „Schutzgeldzahlung“ von 5.000 Euro(UA S. 12) letztlich Auslöser für die körperlichen Auseinandersetzungen war.
15
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges und eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
16
a) Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2015 - 1 StR 415/15; vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeitsund Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15).
17
b) Ein symptomatischer Zusammenhang liegt vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2015 - 1 StR 379/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 6. November 2013 - 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mit- hin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Raum Bellay Radtke Fischer Bär