Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2008 - 5 StR 610/07

bei uns veröffentlicht am06.02.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 610/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6. Februar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Februar
2008, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Gerhardt als Vorsitzende,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H.
alsVerteidiger,
Rechtsanwältin B.
alsVertreterinderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. August 2007 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt (Einzelstrafen: zweimal ein Jahr acht Monate, einmal zehn Monate Freiheitsstrafe) und hat deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte im Zeitraum von Juni 1995 bis April 1996 einmal seiner damals 13 Jahre alten Stieftochter über die unbedeckten Schamlippen gestreichelt und zweimal mit ihr den Beischlaf vollzogen.
3
2. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung der Strafrahmen sowie die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe sind nach Maßgabe der insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prü- fungskompetenz (vgl. BGH, Urteile vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 m.w.N. – und vom 9. Januar 2008 – 5 StR 387/07 – und 508/07) nicht zu beanstanden.
4
a) Die Revisionsführerin ist der Ansicht, die geringe Höhe der Einzelstrafen lasse befürchten, dass die Strafkammer dem Geständnis sowie dem Zeitablauf zwischen Taten und Urteil zu großes Gewicht beigemessen habe. Auch habe der Tatrichter außer Acht gelassen, dass die Geschädigte noch immer unter den Folgen der Taten leide.
5
Diesen Angriffen der Revision kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Strafzumessung ist Aufgabe des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In die tatrichterliche Strafzumessung kann nur eingegriffen werden, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil sie einseitig, widersprüchlich und unvollständig ist. Dabei ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349). Der Senat besorgt nicht, dass das Landgericht insbesondere die Folgen der Tat für das Opfer aus dem Blick verloren haben könnte (vgl. BGHSt 24, 268; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17).
6
Der weitere Einwand der Revision, es sei widersprüchlich, dem Angeklagten zugute zu halten, er habe durch sein Geständnis der Geschädigten eine umfangreiche Vernehmung vor Gericht erspart, obwohl diese in der Hauptverhandlung aussagen musste, geht fehl. Der Angeklagte war geständig , die Geschädigte hat „mit ihren Aussagen die Einlassung des Angeklagten im Wesentlichen bestätigt“ (UA S. 7). Ebenso dringt der Angriff gegen die Annahme einer Spontantat im Fall II. 3 im Hinblick auf die Besonderheiten gerade dieses Falles nicht durch.
7
b) Die Gesamtstrafenbildung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend hat das Landgericht innerhalb des durch §§ 54, 55 StGB vorgegebenen Rahmens die Gesamtwürdigung der Person des Täters und seiner Taten in den Vordergrund gestellt (vgl. BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5, 7, 10). Die maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafe trägt ungeachtet der sehr milde bemessenen Gesamtstrafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten noch ausreichend Rechnung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der begangenen Taten (vgl. BGHR aaO 2, 8, 12).
8
c) Die Beschwerdeführerin wendet sich zu Unrecht gegen die Anwendung des § 56 Abs. 2 StGB. Ob besondere Umstände in der Tat und in der Täterpersönlichkeit vorliegen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu entscheiden. Diese Würdigung obliegt – ebenso wie die Strafzumessung – dem Tatrichter (Fischer, StGB 55. Aufl. § 56 Rdn. 25). Angesichts der gewichtigen Strafmilderungsgründe – der im Arbeitsleben stehende Angeklagte ist nicht vorbestraft und war geständig, seine Taten liegen mehr als zehn Jahre zurück – hat das Landgericht rechtsfehlerfrei besondere Umstände angenommen.
9
3. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) sind nicht ersichtlich.
Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2008 - 5 StR 610/07

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2008 - 5 StR 610/07

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener
Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2008 - 5 StR 610/07 zitiert 6 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

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Strafprozeßordnung - StPO | § 301 Wirkung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft


Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2008 - 5 StR 610/07 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2008 - 5 StR 387/07

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2005 - 5 StR 86/05

bei uns veröffentlicht am 12.05.2005

5 StR 86/05 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 12. Mai 2005 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Mai 2005, an der teilgenommen hab
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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Juli 2019 - 4 StR 47/19

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 47/19 vom 4. Juli 2019 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2019:040719U4STR47.19.0 Der 4. Strafsenat des Bundesge

Referenzen

5 StR 86/05

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Mai 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
12. Mai 2005, an der teilgenommen haben:
Richter Häger
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. September 2004 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räu berischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Sachrüge gestützte , vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft , mit der namentlich die Annahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB beanstandet wird, bleibt ohne Erfolg.

I.


Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellun gen getroffen :
Der Angeklagte und der Mitangeklagte kamen überein, den dem Angeklagten bekannten Autohändler S in dessen Geschäft auszurauben. Sie begaben sich, der Angeklagte mit einem Kuhfuß, der Mitangeklagte mit einem Klappmesser ausgerüstet, zu dem Geschäft und zogen sich beim Be-
treten des ersten Büroraumes jeweils eine Sturmwollhaube, in die Augenschlitze eingeschnitten waren, über den Kopf. Während der Angeklagte den Kuhfuß hervorholte und zielstrebig in den angrenzenden zweiten Büroraum zu dem Zeugen S lief, befahl der Mitangeklagte der Büroangestellten K im ersten Raum: „Hinlegen! Guck mich nicht an! Wo ist das Geld?“ Anweisungsgemäß legte sich die völlig verängstigte Zeugin mit dem Gesicht nach unten auf den Boden und sagte, sie wisse nicht, wo sich das Geld befinde. Der Angeklagte forderte von dem Zeugen S : „Gib das Geld!“ Dabei hielt er drohend den Kuhfuß in seiner Hand. Aus Angst übergab der Zeuge dem Angeklagten 1.800 € aus seiner Hosentasche. Der Angeklagte nahm erneut eine drohende Haltung ein und fragte, wo „das andere Geld“ sei. Der ZeugeS übergab dem Angeklagten daraufhin sein Portemonnaie mit 200 €. Als sich zwei Kunden näherten, flüchteten die Angeklagten mit ihrer Beute. Auf der Flucht entledigten sie sich der Beute, des Kuhfußes und des Klappmessers.
Die psychischen und die daraus resultierenden sozialen Folg en der Tat für die beiden Tatopfer hat das Landgericht bei den Feststellungen (UA S. 12) und zudem im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 16) als erheblich hervorgehoben: Beide Tatopfer haben beträchtliche Schwierigkeiten, allein außer Hauses zu gehen. Der GeschädigteS hat seinen Gewerbebetrieb verlegt. Der Geschädigten K fiel es schwer, „überhaupt noch arbeiten zu gehen“.

II.


Der Strafausspruch hält revisionsgerichtlicher Überprü fung stand.
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen,
sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht. Die vom Tatrichter vorgenommene Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann zu respektieren, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (BGHR StGB vor § 1 minder schwerer Fall Gesamtwürdigung , fehlerfreie 1 m.w.N.).
Hier ist das Landgericht aufgrund einer Gesamtwürdigu ng ohne Rechtsfehler insbesondere zur Annahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB gelangt. Es hat zu Lasten des Angeklagten in Rechnung gestellt, daß der geringfügig vorbestrafte Angeklagte die „treibende Kraft“ der beiden Täter war und daß „zwei Personen durch seine Tat … geschädigt wurden.“ Mit letzterer Wendung hat das Landgericht ersichtlich auch den festgestellten und bewerteten besonderen Grad der psychischen und sozialen Schädigung der beiden Tatopfer (UA S. 12, 16) in Bezug genommen. Zugunsten des Angeklagten hat das Landgericht insbesondere sein frühes Geständnis, das Ausbleiben eines dauerhaften materiellen Schadens, seine schriftliche Entschuldigung bei beiden Tatopfern, sein mit 22 Jahren geringes Alter und seine Beeindruckung durch die erfahrene Untersuchungshaft berücksichtigt.
Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Nennung des zulässigen Strafschärfungsgrundes der Maskierung der Täter (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17; BGH, Urteil vom 11. Januar 2000
4 StR 611/99) vermißt, gilt – neben dem oben genannten begrenzten Überprüfungsmaßstab – folgendes: Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, daß ein für die Strafzumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden , der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 24, 268; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17).
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) sind nicht ersichtlich.
Häger Gerhardt Raum Brause Schaal
5 StR 387/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Januar
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Mai 2008 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 53 Fällen unter Einbeziehung einer rechtskräftigen dreijährigen Freiheitsstrafe ebenfalls wegen eines Betäubungsmitteldelikts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt (Einzelstrafen: jeweils drei Jahre Freiheitsstrafe) und den Verfall von 5.000 Euro angeordnet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat keinen Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte wurde bei kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon schwer verletzt. So verlor er die linke Hand, Fingerkuppen der anderen Hand, ein Auge und büßte an Sehkraft auf dem anderen Auge ein. Durch diese Verletzungen war er stets auf fremde Hilfe angewiesen. Infolge der Kriegserlebnisse entwickelte sich zudem eine schwere Depression und eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung, die zu Persönlichkeitsveränderungen führte.
4
Im September 2003 schloss sich der Angeklagte mit vier weiteren Personen, wozu auch sein Sohn zählte, zusammen, um arbeitsteilig täglich Heroin und Kokain gewinnbringend zu verkaufen. Von diesem Zeitpunkt an bis Ende Januar 2004 setzte der Angeklagte diesen Entschluss um, indem er an 53 Tagen jeweils 100 Gramm Kokain und Heroin von eher schlechter Qualität – das Heroingemisch enthielt etwa acht Gramm Heroinhydrochlorid und das Kokaingemisch etwa zwei Gramm Kokainhydrochlorid – von anderen Gruppenmitgliedern oder Dritten entgegennahm. Sofern die Betäubungsmittel noch nicht portioniert waren, übernahm dies der Angeklagte. Er gab sie sodann an seinen Sohn weiter, der sie entweder selbst veräußerte oder an andere Gruppenmitglieder zum Weiterverkauf übergab.
5
Das sachverständig beratene Landgericht hat nicht ausschließen können , dass der Angeklagte bei den Taten aufgrund seiner psychischen Konstitution und dadurch eingeschränkter Gefühlswahrnehmung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war, und hat deswegen den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Den Verfall des Wertersatzes hat es auf 5.000 Euro festgesetzt, da der Angeklagte glaubhaft eingeräumt hat, in dieser Höhe einen finanziellen Vorteil erlangt zu haben.
6
2. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens , die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe sind nach Maßgabe der insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungskompetenz (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05 m.w.N.) nicht zu beanstanden.
7
a) Die gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB erfolgte Strafrahmenverschiebung aufgrund der Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit be- gegnet keinen durchgreifenden Rechtsfehlern. Zwar ist der Revisionsführerin insoweit zuzustimmen, als die Begründung für die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB außerordentlich knapp gehalten ist. Aber dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich – zumal vor dem Hintergrund der anderweitigen rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten, deren Strafe einbezogen worden ist und der eine entsprechende Beurteilung der Schuldfähigkeit zugrunde liegt – noch tragfähig entnehmen, dass es bei dem Angeklagten aufgrund der diagnostizierten psychogenen Reaktionen zu gravierenden psychischen Veränderungen in seiner Persönlichkeit gekommen ist, die seine gesamte Lebensführung nachhaltig beeinträchtigt haben, so dass das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit (vgl. zu dieser Einordnung Rasch StV 1991, 126, 127; Schöch in Handbuch der Forensischen Psychiatrie 2007 Bd. 1 S. 125) erfüllt ist. Auch dass der Angeklagte aufgrund dieses geistig-seelischen Zustands – jedenfalls nicht ausschließbar – in seiner Fähigkeit, den Tatanreizen zu widerstehen, erheblich vermindert war, ist angesichts des Schweregrads der Störung noch hinreichend belegt.
8
Den festgestellten Tathandlungen des Angeklagten – Entgegennahme , Portionierung und Weitergabe der Betäubungsmittel – kommt für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten keine der Würdigung des Landgerichts entgegenstehende Relevanz zu. Soweit die Revisionsführerin auf eine Führungsfunktion in der Bande und damit verbundene Aufgaben des Angeklagten abhebt, liegt darin eine Überinterpretation des angefochtenen Urteils.
9
b) Die Gesamtstrafenbildung ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Landgericht innerhalb des durch §§ 54, 55 StGB vorgegebenen Rahmens nicht die Anzahl der Taten und die Summe der Einzelstrafen in den Vordergrund gestellt, sondern die Gesamtwürdigung der Person des Täters und seiner Taten (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5, 7, 10). Die maßvolle Erhöhung der Einsatzstrafe aufgrund des Seriencharakters der Taten (vgl. BGHR aaO 2, 8, 12), wobei auch die Tat, deretwegen der Angeklagte zu der einzubeziehenden Strafe verurteilt worden ist, zu dieser Serie zählt, trägt ungeachtet der sehr milde bemessenen Gesamtstrafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten noch ausreichend Rechnung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den überaus engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der serienmäßig begangenen Taten sowie die besonderen persönlichen Umstände in der Person des Angeklagten.
10
3. Auch die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes in Höhe von 5.000 Euro hält sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
11
Das Landgericht hat die Höhe des anzuordnenden Verfalls auf der Grundlage der Summe festgesetzt, die der Angeklagte nach den Feststellungen als „finanziellen Vorteil“ bzw. „Gewinn aus den Betäubungsmittelgeschäften“ erlangt hat (UA S. 7, 11). Die weiteren Ausführungen der Revisionsführerin sind urteilsfremd. Denn das Urteil enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte über diesen finanziellen Vorteil hinaus etwas im Sinne des § 73 StGB erlangt hat. Es ist lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel erhalten hat, unmittelbare Verkaufsverhandlungen wurden von ihm nicht geführt. Auch eine anderweitige Einbindung in den Zahlungsverkehr und damit Kontakt zu Zahlungsmitteln innerhalb der Bande, im Verhältnis zu Drogenlieferanten oder Käufern ist nicht festgestellt.
12
Da sich das Landgericht aufgrund des für glaubhaft erachteten Geständnisses des Angeklagten davon überzeugt hat, dass er nur 5.000 Euro aus den festgestellten Taten erlangt hat – was offensichtlich auch der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht anders beurteilt hat, da er in seinem Schlussantrag nur den Verfall in Höhe von 5.000 Euro beantragt hat – war für die vom Generalbundesanwalt vermisste Schätzung nach § 73b StGB kein Raum mehr. Abgesehen von alldem wäre die Verfallsentschei- dung auch bei abweichender Bewertung unter Heranziehung des § 73c StGB angemessen.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.