Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2010 - I ZR 68/09

bei uns veröffentlicht am25.03.2010
vorgehend
Landgericht Münster, 22 O 61/08, 26.06.2008
Oberlandesgericht Hamm, 4 U 156/08, 05.03.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 68/09 Verkündet am:
25. März 2010
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Freier Architekt
UWG § 4 Nr. 11; BauKaG NRW § 2; RL 2005/36/EG Art. 2, 4 Abs. 1
Die Bestimmung des § 2 des Baukammerngesetzes Nordrhein-Westfalen,
wonach die Tätigkeit als Architekt im Land Nordrhein-Westfalen unter dieser
Bezeichnung grundsätzlich nur ausüben darf, wer in die Architektenliste der
zuständigen Architektenkammer des Landes eingetragen ist, stellt eine
Marktverhaltensregelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG dar, die auch insofern mit
dem Unionsrecht in Einklang steht, als sie keine Ausnahme für den Fall
vorsieht, dass ein in Nordrhein-Westfalen niedergelassener Architekt als
Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaates (einschließlich Deutschlands)
bereits in der Architektenliste eines EU-Mitgliedstaates eingetragen ist.
BGH, Urteil vom 25. März 2010 - I ZR 68/09 - OLG Hamm
LG Münster
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. März 2009 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte, ein inzwischen nach längerem Aufenthalt in Spanien wieder in Deutschland wohnhafter deutscher Architekt , durch die Verwendung der Berufsbezeichnung "Freier Architekt" wettbewerbswidrig handelt, weil er nicht in Deutschland, sondern auf Gran Canaria in die Architektenliste eingetragen ist.
2
Der Beklagte ließ sich nach im Jahr 1980 bestandener Diplomprüfung in der Fachrichtung Architektur in die von der Architektenkammer BadenWürttemberg geführte Architektenliste eintragen. Seine Eintragung wurde gelöscht , als er Ende 1999 nach Gran Canaria zog. Nachdem er dort im Jahr 2003 in die Architektenliste eingetragen worden war, beschloss der Beklagte Ende 2006, nach Deutschland zurückzukehren. Am 24. Juni 2007 versandte er eine E-Mail an einen potentiellen Bauherren, in der er sich als "Freier Architekt" bezeichnete.
3
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hat das Verhalten des Beklagten mit der Begründung als wettbewerbswidrig beanstandet, dieser sei in Deutschland nicht in eine Architektenliste eingetragen. Mit ihrer nach erfolgloser Abmahnung erhobenen Klage hat sie beantragt, den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen , es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd mit der Bezeichnung "Freier Architekt" und/oder "Architekt" zu werben, sofern nicht seine Eintragung in die Architektenliste der zuständigen Architektenkammer vorliegt.
4
Darüber hinaus hat die Klägerin Zahlung einer Abmahnkostenpauschale in Höhe von 189 € nebst Zinsen begehrt.
5
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat insbesondere geltend gemacht, seine Eintragung in die spanische Architektenliste berechtige ihn, auch in Deutschland die entsprechenden Bezeichnungen zu führen.
6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Münster, Urt. v. 26.6.2008 - 22 O 61/08, juris). Die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamm WRP 2009, 870). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsklage unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs für gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 2 des Baukammerngesetzes Nordrhein-Westfalen (BauKaG NRW) begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
8
Die Bestimmung des § 2 BauKaG NRW stelle als Verbraucherschutznorm eine Marktverhaltensregelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG dar. Sie bestimme strikt, dass die Berufsbezeichnung "Architekt" nur führen dürfe, wer in die Architektenliste eingetragen sei; dies aber treffe für den Beklagten unstreitig nicht zu. Die in § 7 BauKaG NRW enthaltene Ausnahmeregelung für auswärtige Architekten sei auf den Beklagten, der über eine deutsche Berufsqualifikation verfüge , nicht anwendbar. Der Beklagte werde dadurch weder im Verhältnis zu anderen Inländern diskriminiert, da er sich um die Eintragung in die Architektenliste des zuständigen deutschen Bundeslandes bemühen könne, noch im Verhältnis zu spanischen Architekten, da er über keine spanische Berufsqualifikation verfüge. Entgegen seiner Ansicht seien reglementierte Berufsbezeichnungen nicht EU-weit gültig. Die Rechtsstellung des Beklagten lasse sich auch nicht durch eine an der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen orientierte Auslegung verbessern. Diese Richtlinie sei nach ihrem Artikel 2 nur dann anwendbar, wenn jemand einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wolle als in dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben habe.
9
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

10
1. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) und dazu eine ihrer Auffassung nach vom Beklagten im Juni 2007 begangene Zuwiderhandlung vorgetragen. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Außerdem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 17.7.2008 - I ZR 139/05, GRUR 2009, 73 Tz. 15 = WRP 2009, 48 - Telefonieren für 0 Cent!; Urt. v. 22.4.2009 - I ZR 14/07, GRUR 2009, 1180 Tz. 23 = WRP 2009, 1510 - 0,00 Grundgebühr). Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.
11
a) Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1414; nachfolgend: UWG 2004), das zur Zeit der von der Klägerin beanstandeten Verhaltensweise des Beklagten gegolten hat, ist zwar durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2949) mit Wirkung ab 30. Dezember 2008 geändert worden. Diese Gesetzesänderung, die der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche Recht diente, ist für den Streitfall jedoch ohne Bedeutung. Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist sowohl eine Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2004 als auch eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2008. Der Wortlaut des § 4 Nr. 11 UWG ist gleich geblieben. Die im Streitfall weiterhin in Rede stehenden Bestimmungen der §§ 2 und 7 BauKaG NRW haben seit Juni 2007 ebenfalls keine für die Beurteilung des Streitfalls relevanten Änderungen erfahren.

12
b) Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hat in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt (vgl. Art. 4 der Richtlinie; BGH, Beschl. v. 5.6.2008 - I ZR 4/06, GRUR 2008, 807 Tz. 17 = WRP 2008, 1175 - Millionen-Chance). Sie regelt daher die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern abschließend. Im Streitfall ist insoweit Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie zu beachten, wonach diese alle Niederlassungs- oder Genehmigungsbedingungen, berufsständischen Verhaltenskodizes oder andere spezifische Regeln für reglementierte Berufe unberührt lässt, damit die strengen Integritätsstandards, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Unionsrechts auferlegen können, gewährleistet bleiben. Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf unionsrechtskonforme Marktverhaltensregelungen für gesetzlich geregelte Berufe mit der Richtlinie vereinbar (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2009 - I ZR 179/07, GRUR 2009, 886 Tz. 18 = WRP 2009, 1513 - Die clevere Alternative ; Urt. v. 9.7.2009 - I ZR 13/07, GRUR 2009, 977 Tz. 12 = WRP 2009, 1076 - Brillenversorgung). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt (vgl. nachstehend unter II 3).
13
2. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Beklagte Ende 2006 seine Übersiedelung nach Deutschland beschlossen und zu der Zeit, zu der er die von der Klägerin beanstandete E-Mail versandt hat, eine Tätigkeit als freier Architekt in Deutschland gerade aufgenommen hatte. Die Revision weist danach mit Recht darauf hin, dass sich das vom Landgericht ausgesprochene und vom Berufungsgericht bestätigte Verbot bei diesen Gegebenheiten nicht auf die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV [vormals: Art. 49 ff. EG]), sondern auf die in den Art. 49 ff. AEUV (vormals: Art. 43 ff. EG) geregelte Niederlassungsfreiheit des Beklagten auswirkte.
14
3. Nach Ansicht der Revision verstößt die Regelung in § 2 BauKaG NRW, wonach die Tätigkeit als Architekt im Land Nordrhein-Westfalen unter dieser Bezeichnung grundsätzlich nur ausüben darf, wer in die Architektenliste der zuständigen Architektenkammer des Landes eingetragen ist, insofern gegen Art. 49 Abs. 1 Satz 1 AEUV, als sie keine Ausnahme für den Fall vorsieht , dass ein in Nordrhein-Westfalen niedergelassener Architekt als Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaates (einschließlich Deutschlands) bereits in der Architektenliste eines anderen EU-Mitgliedstaates eingetragen ist. Die Niederlassungsfreiheit garantiere neben einem bloßen Diskriminierungsverbot ein allgemeines Beschränkungsverbot. Sie stehe daher auch unterschiedslos geltenden Regelungen entgegen, die die Niederlassungsfreiheit beschränkten, sofern sie nicht durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt und zur Erreichung des fraglichen Ziels geeignet seien sowie auch nicht über das hierzu Erforderliche hinausgingen. Das nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Bereich der Niederlassungsfreiheit juristischer Personen anzuwendende Herkunftslandprinzip habe auch für natürliche Personen zu gelten. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
15
a) Die Revision weist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend darauf hin, dass ein Unionsbürger, der nach einem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt, nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dort dann nicht schlechter behandelt werden darf als ein Bürger aus einem anderen Mitgliedstaat , der sich in derselben Situation befindet (vgl. EuGH, Urt. v. 27.6.1996 - C-107/94, Slg. 1996, I-3089 = NJW 1996, 2921 Tz. 32 - Asscher, m.w.N.). Sie berücksichtigt bei ihren weiteren Ausführungen jedoch nicht hinreichend, dass die Frage, wie ein solcher Bürger in der Situation des Beklagten zu behandeln ist, in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen eine spezielle Regelung erfahren hat. Nach zur Konkretisierung des Rechts auf freie Niederlassung erlassenen Richtlinie ermöglicht die Anerkennung der Berufsqualifikationen durch den Aufnahmemitgliedstaat der begünstigten Person, dort denselben Beruf wie den, für den sie in ihrem Herkunftsmitgliedstaat qualifiziert ist, aufzunehmen und unter denselben Voraussetzungen wie ein Inländer auszuüben. Die Berufsanerkennungsrichtlinie geht daher im Bereich der Niederlassungsfreiheit von dem Grundsatz aus, dass auf der ersten Stufe für den Marktzugang das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung (Herkunftslandprinzip) und auf der zweiten Stufe für das Marktverhalten der Grundsatz der Inländer(gleich)behandlung und damit das Aufnahmelandprinzip gilt (vgl. Kluth/Rieger, EuZW 2005, 486, 490; dies., GewArch 2006, 1, 6 f.; Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, S. 403). Auf der zweiten Stufe gilt daher für das Marktverhalten der Berufsträger insbesondere auch das Berufsrecht und das Berufsaufsichtsrecht des Staates, in dem der Beruf ausgeübt wird (Kluth/Rieger, EuZW 2005, 486, 490).
16
Zu den danach anzuwendenden Vorschriften gehören insbesondere auch die die Mitgliedschaft bei den Trägern der freiberuflichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung regelnden Bestimmungen wie hier die Vorschrift des § 2 BauKaG NRW (vgl. BFH DStR 2008, 2440; Frenz, Handwerkliche Qualifikation und EU-Recht, 2006, S. 73 f.; Bulla aaO S. 385 f. und S. 442-444; Scheidtmann , Wirtschafts- und berufsständische Kammern im europäischen Gemeinschaftsrecht , 2007, S. 129). Die Ausgestaltung der Pflichtmitgliedschaft in den deutschen Kammern der wirtschaftlichen und berufsständischen Selbstverwaltung widerspricht im Übrigen entgegen dem von der Revision in der mündlichen Verhandlung gehaltenen Vortrag auch nicht dem sonstigen Unionsrecht. Dies gilt insbesondere für dessen Grundprinzipien, das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 12 der Grundrechte-Charta, Art. 11 EMRK, die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV sowie die in Art. 101 ff. AEUV enthaltenen Bestimmungen des europäischen Kartellrechts (vgl. zum Vorstehenden Scheidtmann aaO S. 91 ff., 118 ff. und138 f.).
17
b) Ohne Erfolg weist die Revision demgegenüber zur Stützung ihrer gegenteiligen Ansicht auf die Regelung in Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG hin. Danach führen in Fällen, in denen das Führen der Berufsbezeichnung im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat reglementiert ist, die Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten, die einen solchen Beruf ausüben dürfen, die entsprechende Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats und verwenden deren etwaige Abkürzung. Dies setzt freilich voraus , dass sie - wie ein inländischer Architekt - zuvor in die Architektenliste eingetragen worden sind. Art. 52 Abs. 1 der Richtlinie durchbricht daher nicht das Aufnahmelandprinzip, sondern konkretisiert es in dieser Hinsicht.
18
c) Die Europäische Kommission, die der vom Beklagten ergänzend angerufene Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments um Auskunft ersucht hat, hat in ihrer Antwort vom 1. September 2009 allerdings die Ansicht vertreten, der Beklagte könne in Deutschland unter der Berufsbezeichnung "Architekt" Dienstleistungen erbringen. Sie ist dabei jedoch auf der Grundlage der Eingabe des Beklagten und damit abweichend von den hier maßgeblichen tatrichterlichen Feststellungen davon ausgegangen, dass dieser andernfalls in der Ausübung seiner in Art. 56 AEUV garantierten Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt werde und dass dementsprechend auch die Art. 5 bis 7 der Richtlinie 2005/36/EG anzuwenden seien, die in deren die Dienstleistungsfreiheit näher regelndem Titel II enthalten sind. Im Bereich der Niederlassungsfreiheit sind diese Vorschriften jedoch nicht anwendbar (vgl. Frenz aaO S. 73 f. und Bulla aaO S. 443 f., jeweils mit Hinweis auf EuGH, Urt. v. 3.10.2000 - C-58/98, Slg. 2000, I-7919 = EuZW 2000, 763 Tz. 45 = GewArch 2000, 476 - Corsten und Urt. v. 1.6.2006 - C-453/04, Slg. 2006, I-4929 = NJW 2006, 3195 Tz. 32 ff., 38 f. - innoventif Limited).
19
4. Das Berufungsgericht hat die danach mit dem Unionsrecht im Einklang stehende und im Streitfall anwendbare Bestimmung des § 2 BauKaG NRW mit Recht als eine Marktverhaltensregelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG angesehen, deren Verletzung die wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen dieser Personen spürbar beeinträchtigt. Denn sie dient dem Schutz der auf der Marktgegenseite stehenden Personen vor falschen Vorstellungen über die berufliche Stellung desjenigen, der die betreffende Berufsbezeichnung führt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 13.5.2004 - 4 U 140/03, juris Tz. 25 und 26; MünchKomm.UWG /Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 132).
20
5. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die Klägerin die Beklagte berechtigterweise abgemahnt hat und von dieser auch ihre dadurch entstandenen pauschal berechneten Kosten ersetzt verlangen kann (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG).

21
III. Nach allem ist die Revision des Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 26.06.2008 - 22 O 61/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 05.03.2009 - I-4 U 156/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2010 - I ZR 68/09

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(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtscha

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 4 Mitbewerberschutz


Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb
Bundesgerichtshof Urteil, 25. März 2010 - I ZR 68/09 zitiert 7 §§.

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Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 2 Begriffsbestimmungen


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Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt,
2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,
3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,
4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.

(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 139/05 Verkündet am:
17. Juli 2008
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Telefonieren für 0 Cent!
Wird in einer an die Allgemeinheit gerichteten Werbeanzeige für einen Telefontarif
mit der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!" geworben, so sind in der Anzeige
die für die Bereitstellung des erforderlichen Telefonanschlusses aufzuwendenden
Kosten sowie die monatlich anfallenden Grundgebühren für diesen Anschluss
anzugeben.
BGH, Urt. v. 17. Juli 2008 - I ZR 139/05 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Telefondienstleistungen. Die Beklagte warb am 20. September 2003 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in einer Anzeige mit der blickfangmäßig hervorgehobenen Angabe "Das Wochenende wird so frei wie noch nie: Telefonieren für 0 Cent*!" Die Anzeige enthielt außerdem folgenden Text: In 11 Tagen ist es soweit: Am 1.10. kommt der neue XXL-Tarif für alle! Seien auch Sie dabei, wenn Telefonieren günstiger als günstig wird! Denn mit dem neuen XXL-Tarif von T-Com kann jeder das ganze Wochenende und an Feiertagen für 0 Cent* telefonieren. Und zwar deutschlandweit. Mit wem man will und solange man will.
2
In der zu dem Sternchen gehörenden Fußnote hieß es wie folgt: *Gilt am Wochenende und an allen bundeseinheitlichen Feiertagen für Verbindungen (keine Online-Verbindungen) im City- und Deutschlandtarif der Deutschen Telekom, T-Com, und ist im geringfügig höheren monatlichen Grundpreis enthalten. AktivPlus xxl kostet mtl. 9,22 EUR.
3
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, bei der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!" handele es sich um eine Preisangabe i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV. Die Werbung für den neuen "XXL"-Tarif mit der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!" verstoße gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung, weil die Grund- und Bereitstellungsentgelte für den erforderlichen Telefonanschluss nicht genannt würden. Der "XXL"-Tarif stelle eine Tarifkategorie dar, die mehrere Leistungen enthalte. "XXL" sei der Oberbegriff, unter den die Tarife "T-Net XXL" und "T-ISDN XXL" zu fassen seien. Der Tarif "XXL" sei kein hinzubuchbarer Zusatz, der unabhängig von Telefonanschlüssen angeboten und vermarktet werde.
4
Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr des Festnetz-Sprachtelefondienstes zu Wettbewerbszwecken für den Tarif "xxl" mit der Angabe Telefonieren für 0 Cent! zu werben, ohne zugleich die Preise weiterer feststehender Preisbestandteile dieses Tarifs anzugeben, nämlich bei "AktivPlus xxl" - über die Angabe "Aktiv-Plus xxl kostet mtl. 9,22 Euro" (derzeitiger Betrag) hinaus - auch die monatlichen Grundpreise für "T-Net" (von derzeit 15,66 Euro) und für "T-ISDN" (von derzeit 23,60 Euro), bei "T-Net xxl" den monatlichen Grundpreis (von derzeit 24,94 Euro) und bei "T-ISDN xxl" den monatlichen Grundpreis (von derzeit 32,95 Euro) sowie das bei einer betreffenden Neueinrichtung anfallende Bereitstellungsentgelt (derzeit 59,95 Euro).
5
Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, bei der Bereitstellung eines Telefonanschlusses und der Vermittlung von Telefongesprächen handele es sich um unterschiedliche Dienstleistungen. Die Beauftragung des Tarifs "XXL" erfordere in der Regel nicht, einen neuen Telefonanschluss bei ihr einrichten zu lassen. Der Tarif "XXL" stehe für sich allein. Die Produkte "T-Net XXL" bzw. "T-ISDN XXL" seien Kombinationsprodukte, die sowohl einen neuen Anschluss als auch den Tarif "XXL" enthielten. Wer - wie etwa 95% der Telefonkunden in Deutschland - über einen analogen oder digitalen Telefonanschluss bei ihr verfüge, könne den Tarif "XXL" einfach hinzubuchen. Die Angabe des Preises für die Neueinrichtung eines Telefonanschlusses sei dann nicht erforderlich. Für Neukunden gelte nicht der Tarif "XXL", sondern die Kombination aus dem Tarif und einem Anschluss. Für die entsprechenden Kombinationsprodukte "T-Net XXL" und "T-ISDN XXL" gebe sie in der Werbung sämtliche Preisbestandteile an. Im Übrigen erfasse der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch Werbung, die sich ausdrücklich nur an ihre bereits vorhandenen Kunden richte. Insoweit seien die Werbemaßnahmen wettbewerbsrechtlich aber nicht zu beanstanden.
6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

7
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PAngV i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG für gegeben erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt :
9
Gegenstand des Leistungsangebots der Beklagten i.S. des § 1 PAngV sei nicht der "XXL"-Tarif, weil damit ausschließlich ein Preisbestandteil bezeichnet werde. Die Beklagte biete eine einheitliche Leistung an, die sich aus dem Bereitstellen und Vorhalten eines Telefonanschlusses sowie der Eröffnung der Gebrauchsmöglichkeit durch Vermittlung von Telefongesprächen zusammensetze. Der "XXL"-Tarif bezeichne keine isoliert angebotene Dienstleistung. Der Kunde, der von der Möglichkeit kostenloser Gesprächsvermittlung an Wochenenden und Feiertagen Gebrauch machen wolle, müsse zuvor bei der Beklagten einen Telefonanschluss einrichten lassen, hierfür ein Bereitstellungsentgelt entrichten und für die Vorhaltung des Anschlusses eine monatliche Grundgebühr bezahlen. Letztere erhöhe sich um den Betrag von 9,22 Euro monatlich , wenn der Kunde das Angebot der Beklagten nutzen wolle, für an Wochenenden geführte Einzelgespräche kein gesondertes Entgelt entrichten zu müssen. Nach der Verkehrsauffassung stellten diese Leistungen ein einheitli- ches Angebot von Telefondienstleistungen dar, die ausschließlich zusammen erworben werden könnten. Der gemäß § 1 Abs. 1 PAngV anzugebende Preis setze sich mithin aus dem Bereitstellungsentgelt, der Grundgebühr sowie der weiteren Gebühr für die Eröffnung der Möglichkeit zusammen, an Wochenenden Telefongespräche ohne zusätzliches Entgelt führen zu können.
10
Es könne offenbleiben, ob in der Werbung der Beklagten das Bereitstellungsentgelt für die Ersteinrichtung des Telefonanschlusses auch dann angegeben werden müsse, wenn diese sich ausschließlich an Kunden richte, die bereits über einen Telefonanschluss der Beklagten verfügten. Denn die angegriffene Werbung richte sich jedenfalls auch an Kunden, die über keinen Anschluss der Beklagten verfügten oder etwa anlässlich eines Umzugs einen Anschluss neu einrichten lassen müssten.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
12
1. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es dem Unterlassungsantrag nicht an der erforderlichen Bestimmtheit i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Verbotsantrag darf zwar nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 4.10.2007 - I ZR 22/05, GRUR 2008, 532 Tz. 16 = WRP 2008, 782 - Umsatzsteuerhinweis, m.w.N.). Den nach diesen Maßstäben zu stellenden Anforderungen an die Bestimmtheit genügt der Unterlassungsantrag der Klägerin jedoch. Das beantragte Verbot erfasst jegliche Werbung für den Tarif "XXL" unter der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!", wenn nicht die Preise weiterer, im Antrag konkret aufgeführter feststehender Preisbestandteile dieses Tarifs angegeben werden.
13
Soweit die Revision beanstandet, das ausgesprochene Verbot umfasse auch aus der Sicht des Berufungsgerichts Werbung, die unbedenklich sei, und zwar insoweit, als sie sich ausschließlich an Kunden richte, die bereits über einen Telefonanschluss der Beklagten verfügten, führt dieser Umstand nicht zur Unbestimmtheit des Verbotsausspruchs. Bezieht ein Verbotsantrag auch Handlungen ein, die nicht wettbewerbswidrig sind, hat dies nicht die Unzulässigkeit, sondern allenfalls die (teilweise) Unbegründetheit der Klage zur Folge (vgl. BGH, Urt. v. 16.3.2000 - I ZR 229/97, GRUR 2002, 187, 188 = WRP 2000, 1131 - Lieferstörung, dazu unter II 2 c).
14
2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagte aus § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 UWG a.F. i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 6 PAngV zu.
15
a) Die Frage, ob die Klägerin die geltend gemachte Unterlassung beanspruchen kann, ist nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beurteilen, also nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 6 PAngV. Soweit der Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht er allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zur Zeit seiner Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 13.7.2006 - I ZR 234/03, GRUR 2006, 953 Tz. 14 = WRP 2006, 1505 - Warnhinweis II; BGHZ 175, 238 Tz. 14 - ODDSET). Im Streitfall ist insofern auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der bis zum 7. Juli 2004 geltenden Fassung sowie auf die Vorschriften der Preisangabenverordnung abzustellen. Die danach für die Beur- teilung von Wettbewerbsverstößen durch Rechtsbruch maßgeblichen Bestimmungen des alten und des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unterscheiden sich inhaltlich nicht, weil die Regelung des § 4 Nr. 11 UWG der neueren Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. entspricht (vgl. BGHZ 150, 343, 347 f. - Elektroarbeiten; BGHZ 175, 238 Tz. 14 - ODDSET).
16
b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die beanstandete Werbeanzeige der Beklagten vom 20. September 2003 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV verstößt. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der Letztverbrauchern gegenüber Waren oder Dienstleistungen gewerbsmäßig anbietet oder unter Angabe von Preisen bewirbt, die dafür zu zahlenden Endpreise anzugeben. Bei Leistungen können, soweit dies üblich ist, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 PAngV stattdessen Verrechnungssätze angegeben werden. Die Angaben müssen nach § 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen.
17
Die genannten Anforderungen bestehen allerdings allein im Hinblick auf die unmittelbar angebotenen oder beworbenen Produkte. Sie gelten dagegen nicht auch für Waren oder Dienstleistungen, die lediglich für die Verwendung der angebotenen oder beworbenen Produkte erforderlich oder mit diesen kompatibel sind. Der Werbende ist deshalb nicht zur Angabe der Preise solcher weiterer erforderlicher oder kompatibler Produkte verpflichtet, selbst wenn er diese Leistungen in seinem Angebot hat und daher gegebenenfalls mitbewirbt (BGH, Urt. v. 20.12.2007 - I ZR 51/05, GRUR 2008, 729 Tz. 15 = WRP 2008, 928 - Werbung für Telefondienstleistungen).

18
Bezieht sich die Werbung hingegen auf kombinierte Leistungen, die aus Sicht der angesprochenen Verbraucher als einheitliches Leistungsangebot und Gegenstand eines einheitlichen Vertragsschlusses erscheinen, so ist ein sich auf das einheitliche Leistungsangebot insgesamt beziehender Endpreis anzugeben (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2001 - I ZR 104/99, GRUR 2001, 1166, 1168 = WRP 2001, 1301 - Fernflugpreise). Insbesondere darf in der Werbung nicht allein das Versprechen unentgeltlicher Teilleistungen herausgestellt werden, ohne gleichzeitig in klarer Zuordnung auf das Entgelt hinzuweisen, das für den anderen Teil des Kopplungsangebots verlangt wird (BGH, Urt. v. 13.6.2002 - I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 981 = WRP 2002, 1259 - Kopplungsangebot II). Wenn ein Endpreis nicht gebildet werden kann, weil der Preis der angebotenen Leistungen von Umständen abhängt, die variabel sind, müssen im Hinblick auf § 1 Abs. 2 und Abs. 6 PAngV die einzelnen Preisbestandteile angegeben werden (vgl. BGHZ 139, 368, 375 f. - Handy für 0,00 DM).
19
c) Entgegen der Ansicht der Revision umfasst der Unterlassungsantrag der Klägerin keine Werbehandlungen, die wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich die beanstandete Werbung der Beklagten an die Allgemeinheit richtet, also auch an potentielle Kunden, die noch nicht Inhaber eines Telefonanschlusses der Beklagten sind oder sich - beispielsweise wegen eines Umzugs - einen Anschluss neu einrichten lassen. Diese Beurteilung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin hat das Berufungsgericht dahingehend ausgelegt , dass der Beklagten die konkrete, an die Allgemeinheit gerichtete, Werbung , wie sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 20. September 2003 erschienen ist, verboten werden soll. Auch das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

20
Der Senat kann als Revisionsgericht die Auslegung des Unterlassungsantrags als einer Prozesserklärung in vollem Umfang selbst überprüfen. Dabei ist auch das Vorbringen heranzuziehen, auf das sich die Klage stützt (BGH, Urt. v. 7.6.2001 - I ZR 115/99, GRUR 2002, 177, 178 = WRP 2001, 1182 - Jubiläumsschnäppchen , m.w.N.). Aus dem Klagevorbringen, das ergänzend zur Auslegung des Antrags heranzuziehen ist, ergibt sich, dass die Klägerin ein Verbot einer konkreten Werbeanzeige (Werbung für den Tarif "XXL" gegenüber der Allgemeinheit mit der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!" ohne gleichzeitige Nennung der Preise für weitere Bestandteile dieses Tarifs) erstrebt hat. In diesem Sinne hat auch das Berufungsgericht das Unterlassungsbegehren verstanden und beschieden. Die beanstandete konkrete Anzeige richtete sich - was unstreitig ist - nicht ausschließlich an Kunden, die bereits über einen Netzanschluss der Beklagten verfügen. Unter diesen Umständen kann aufgrund einer auf diesen Antrag gestützten Verurteilung eine gleichlautende Anzeige nicht untersagt werden, die sich ausschließlich an eigene Kunden der Beklagten richtet. Bei dieser - gebotenen - Auslegung geht daher der Unterlassungsantrag nicht über die konkrete Verletzungsform hinaus (vgl. BGH GRUR 2002, 177, 178 - Jubiläumsschnäppchen, m.w.N.).
21
d) Die Beklagte wirbt in der Anzeige vom 20. September 2003 mit einer Preisangabe, die in dem Slogan "Telefonieren für 0 Cent!" liegt. Durch diese Angabe wird bei dem Werbeadressaten der Eindruck erweckt, er könne eine Leistung der Beklagten kostenfrei in Anspruch nehmen, was jedoch tatsächlich nicht zutrifft. Denn die Nutzung des beworbenen "XXL"-Tarifs erfordert das Vorhandensein eines Telefonanschlusses der Beklagten. Wird nur ein Teil einer Leistung unentgeltlich angeboten, besteht die Gefahr, dass der Verbraucher über den tatsächlichen Wert des Angebots unzureichend informiert wird. Dies soll nach dem Zweck der Preisangabenverordnung gerade vermieden werden.

Der Werbende muss daher deutlich machen, mit welcher wirtschaftlichen Belastung der Kunde tatsächlich rechnen muss (vgl. BGHZ 151, 84, 89 - Kopplungsangebot I; BGH GRUR 2002, 979, 981 - Kopplungsangebot II). Dieser Anforderung wird die Werbung mit der Angabe "Telefonieren für 0 Cent!" nicht gerecht.
22
e) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bietet die Beklagte mit der angegriffenen Werbung eine einheitliche Leistung an, die sich aus dem Bereitstellen und Vorhalten eines Telefonanschlusses sowie einem Zusatztarif für die Möglichkeit kostenfreier Gesprächsvermittlung an Wochenenden und Feiertagen zusammensetzt. Die Revision macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht sei bei seiner Annahme, es gebe keine isoliert angebotene Dienstleistung, die durch den "XXL"-Tarif bezeichnet werden könnte, von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, weil der "XXL"-Tarif unstreitig gesondert angeboten werde.
23
aa) Es kommt nicht darauf an, wie der Werbende selbst seine Angabe verstanden wissen will. Ob ein einheitliches Leistungsangebot vorliegt und welche Bestandteile zu der beworbenen Leistung gehören, bestimmt sich vielmehr nach der Verkehrsauffassung (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.1991 - I ZR 291/89, GRUR 1991, 845, 846 = WRP 1991, 652 - Nebenkosten; BGH GRUR 2001, 1166, 1168 - Fernflugpreise). Eine einheitliche Leistung liegt in aller Regel jedenfalls dann vor, wenn die Leistungen nur zusammen erworben werden können oder wenn Zusatzleistungen bei Inanspruchnahme der beworbenen Leistung auf jeden Fall und ohne Wahlmöglichkeit des Kunden anfallen (vgl. BGH GRUR 1991, 845, 846 - Nebenkosten; Völker, Preisangabenrecht, 2. Aufl., § 1 Rdn. 43, 46).

24
bb) Danach stellt sich die Werbung der Beklagten als einheitliches Leistungsangebot für einen Telefontarif dar, der das Telefonieren an Wochenenden und bundeseinheitlichen Feiertagen ohne gesondertes Gesprächsentgelt ermöglicht , bei dem aber auch eine bestimmte, von der Anschlussart abhängige monatliche Grundgebühr anfällt.
25
Die beanstandete Werbung richtet sich - wie dargelegt - zumindest auch an die allgemeinen Verkehrskreise, also an potentielle Kunden, die noch nicht über einen Anschluss der Beklagten verfügen und für die nicht die Möglichkeit besteht, den Tarif "AktivPlus XXL" für 9,22 Euro monatlich hinzuzubuchen. Für diese Kunden stellt sich der "XXL"-Tarif nicht als eigenständige Leistung dar, da sie das Angebot nur in Verbindung mit einem Telefonanschluss der Beklagten wahrnehmen können, für den zwangsläufig Anschlussgebühren und monatliche Grundgebühren anfallen. Die für die Einrichtung des Telefonanschlusses entstehenden Kosten sowie die monatlich zu zahlende Grundgebühr werden in der streitgegenständlichen Werbeanzeige der Beklagten nicht genannt, obwohl sie von dem Kunden, der den "XXL"-Tarif nutzen möchte, aufgewendet werden müssen. Demjenigen, der noch nicht über einen Telefonanschluss der Beklagten verfügt, sind diese Kosten in aller Regel auch nicht bekannt. Mit den Vorschriften der Preisangabenverordnung soll aber gerade verhindert werden, dass ein Wettbewerber mit der besonderen Preisgünstigkeit des einen Angebotsteils blickfangmäßig wirbt, den Preis für das obligatorische Komplementärangebot dagegen verschweigt oder in der Darstellung untergehen lässt (vgl. BGHZ 157, 84, 91; BGH GRUR 2002, 979, 981 - Kopplungsangebot I und II; BGH, Urt. v. 2.6.2005 - I ZR 252/02, GRUR 2006, 164 Tz. 20 = WRP 2006, 84 - Aktivierungskosten II, m.w.N.).

26
cc) Entgegen der Ansicht der Revision ist der beworbene "XXL"-Tarif nach der Verkehrsauffassung nicht mit "Pre-Selection"- und "Call-by-Call"Produkten vergleichbar, die als eigenständige Leistungen angeboten und beworben werden. Bei "Call-by-Call"-Produkten ist von vornherein klar, dass sie eine eigenständige Leistung eines Drittanbieters darstellen. Denn die Leistung wird durch das Wählen einer bestimmten Kennziffer bei jeder einzelnen Verbindung in Anspruch genommen. Die Leistung betrifft mithin lediglich das Verbindungsentgelt und ist nicht an andere Leistungen wie die Einrichtung und Bereitstellung eines Telefonanschlusses gekoppelt. Ihre Inanspruchnahme setzt vielmehr einen vorhandenen Telefonanschluss voraus. Eine Erhöhung der Grundgebühr findet nicht statt. Eine Vergleichbarkeit der Preise muss nur im Verhältnis zu anderen "Call-by-Call"-Anbietern bestehen. Bei "Pre-Selection"Angeboten lässt der Kunde seine Verbindungen mittels dauerhafter Voreinstellung von einem anderen Anbieter als dem Anschlussunternehmen herstellen. Auch hier betrifft die Leistung das Verbindungsentgelt, während die Grundgebühr in unveränderter Höhe an den Anbieter des Telefonanschlusses zu zahlen ist. Die Leistung ist nicht an andere Leistungen wie die Einrichtung und Bereitstellung eines Telefonanschlusses gekoppelt. Der "XXL"-Tarif der Beklagten besteht demgegenüber in einer Erhöhung der Grundgebühr um eine Pauschale von 9,22 Euro. Es handelt sich also lediglich um eine Teilleistung.

27
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Kirchhoff Bergmann
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.12.2004 - 38 O 103/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.07.2005 - I-20 U 12/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 14/07 Verkündet am:
22. April 2009
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
0,00 Grundgebühr
UWG § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 4; UWG (2008) § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 3;

a) Die Maßstäbe für die missbräuchliche Geltendmachung von Abwehransprüchen
aus sachfremden, nicht schutzwürdigen Gründen nach § 8 Abs. 4 UWG
wegen Mehrfachverfolgung eines einheitlichen Wettbewerbsverstoßes sind
auf die Verfolgung gleichartiger oder ähnlich gelagerter Wettbewerbsverstöße
zwischen denselben Parteien übertragbar.

b) Ein Verstoß gegen Bestimmungen der Preisangabenverordnung kann eine
Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG begründen, wenn durch die Preisangabenverordnung
vorgesehene Informationspflichten ihre Grundlage im Gemeinschaftsrecht
haben. Das ist bei § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 6 Satz 2
PAngV im Hinblick auf die Richtlinie 98/6/EG der Fall.
BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 14/07 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 20. Dezember 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin betreibt in Hamburg einen Fachmarkt für elektrische und elektronische Geräte. Sie warb im Sommer 2005 mit dem im Widerklageantrag abgebildeten Handzettel für den Abschluss von Verträgen für Mobilfunktelefone. Der beworbene Netzkartenvertrag sah einen festen Minutenpreis für jedes Telefonat und einen Festpreis für jede SMS vor; eine Grundgebühr war nicht zu zahlen. Die weiteren Informationen zur Vertragslaufzeit, zum einmaligen Anschlusspreis und zum monatlichen Mindestgesprächsumsatz waren in sehr kleiner Schrift gehalten, die etwa der Schriftgröße 4 entsprach.
2
Für den Netzkartenvertrag warb die Klägerin auch mit einem auf dem Gehweg vor ihren Geschäftsräumen aufgestellten Werbeplakat, das inhaltlich, farblich und im Layout dem Handzettel entsprach.
3
Die Beklagte, die ebenfalls Netzkartenverträge für Mobilfunktelefone vertreibt , hat diese Werbemaßnahmen der Klägerin als wettbewerbswidrig beanstandet , weil die neben dem monatlichen Grundpreis und den Verbindungsentgelten angegebenen weiteren Tarifinformationen nicht hinreichend lesbar seien.
4
Nachdem die Beklagte die Klägerin wegen des Handzettels und des Werbeplakats jeweils gesondert abgemahnt hatte, hat sie die Klägerin in getrennten Verfügungs- und Hauptsacheverfahren auf Unterlassung der Werbung mit dem Handzettel einerseits und dem Werbeplakat andererseits in Anspruch genommen. Das vorliegende Verfahren ist das gegen die Werbung mit dem Handzettel gerichtete Hauptsacheverfahren, in dem die Klägerin zunächst eine negative Feststellungsklage erhoben hatte. Den Rechtsstreit hinsichtlich dieser Feststellungsklage haben die Parteien im Hinblick auf die Widerklage der Beklagten in der Hauptsache für erledigt erklärt.
5
Die Beklagte hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - widerklagend beantragt, 1. die Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen , im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Werbung für Handy-Netzkarten-Verträge auf deren Bedingungen - hinsichtlich der Lesbarkeit - lediglich wie aus dem nachfolgend abgebildeten Handzettel ersichtlich hinzuweisen: 2. die Klägerin weiterhin zu verurteilen, die Beklagte von dem Zahlungsanspruch ihrer Verfahrensbevollmächtigten R. Rechtsanwälte, B. in Höhe von 749,95 € freizuhalten.
6
Die Klägerin ist der Widerklage entgegengetreten und hat geltend gemacht , die Verfolgung des Unterlassungsanspruchs in verschiedenen Verfahren sei rechtsmissbräuchlich.
7
Das Landgericht hat die Klägerin antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (OLG Hamburg WRP 2007, 342).
8
Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Abweisung der Widerklage. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch und einen Freistellungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 Abs. 1 und 6 PAngV und § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG (2004) bejaht und hierzu ausgeführt:
10
Die Widerklage sei zulässig. Ihr Streitgegenstand sei nicht mit dem Streitgegenstand der gegen das Werbeplakat gerichteten Klageverfahrens identisch. Das Vorgehen der Beklagten in getrennten Verfügungs- und Hauptsacheverfahren gegen die Werbung mit dem Handzettel und dem Werbeplakat sei auch nicht rechtsmissbräuchlich i.S. von § 8 Abs. 4 UWG. Die Verfahren seien gegen unterschiedliche Werbeträger gerichtet, bei denen sich die Beurteilung ihrer Lesbarkeit unterscheide.
11
Die Werbung mit dem Handzettel sei wettbewerbswidrig. Die blickfangmäßige Herausstellung der kostenlosen Grundgebühr sei unzulässig, weil die weiteren Tarifinformationen im unteren linken Bereich des Handzettels so klein gehalten seien, dass sie nicht mehr hinreichend lesbar seien.
12
II. Die Revision hat keinen Erfolg.
13
1. Der auf ein Verbot der beanstandeten Werbung gerichtete Unterlassungsantrag ist zulässig.
14
a) Dem Unterlassungsantrag steht nicht der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen. Der vorliegende Rechtsstreit und das gegen das Werbeplakat gerichtete Verfahren vor dem Landgericht Hamburg 406 O 202/05 betreffen unterschiedliche Streitgegenstände.
15
aa) Der Streitgegenstand bestimmt sich auch bei der Unterlassungsklage nach dem Antrag und dem zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt. Von einem einheitlichen Lebenssachverhalt ist ungeachtet unterschiedlichen Tatsachenvortrags im Detail auszugehen, wenn der Kern des in der Klage angeführten Sachverhalts unverändert bleibt (BGH, Urt. v. 7.12.2006 - I ZR 166/03, GRUR 2007, 605 Tz. 25 = WRP 2007, 772 - Umsatzzuwachs; Urt. v. 28.6.2007 - I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Tz. 15 = WRP 2008, 220 - Telefonaktion).
16
bb) Im Streitfall kann offenbleiben, ob die unterschiedlichen Werbeträger die Annahme rechtfertigen, es handele sich um verschiedene Lebenssachver- halte. Unterschiedliche Streitgegenstände liegen schon deshalb vor, weil die Beklagte in dem Parallelprozess einen anderen Klageantrag als im vorliegenden Verfahren verfolgt. Während der Klageantrag im Parallelprozess gegen die aus Sicht der Beklagten unlautere Plakatwerbung der Klägerin gerichtet ist, wendet sich die Beklagte im Streitfall gegen die Werbung mit dem Handzettel. Die auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Klageanträge erfassen nicht die jeweils andere Verletzungsform.
17
b) Auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 8 Abs. 4 UWG greift nicht durch.
18
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, es stünden sich zwar auf der Aktiv- und der Passivseite im vorliegenden Verfahren und im Parallelprozess wegen des Werbeplakats identische Parteien gegenüber, die von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten würden. In beiden Verfahren gehe es auch jeweils um die schlechte Lesbarkeit derselben Tarifbedingungen einer der Parteien. Dies reiche für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Mehrfachverfolgung im konkreten Fall aber nicht aus. Die Zielrichtung des wettbewerbsrechtlichen Angriffs der Beklagten hänge entscheidend von der Art des eingesetzten Mediums ab. Bei der Lesbarkeit des Handzettels müsse ein Medium beurteilt werden, das der Kunde in die Hand nehmen und in Ruhe anschauen könne, während das Publikum das auf dem Gehweg aufgestellte Werbeplakat in aller Regel nur im Vorbeigehen und deshalb nur sehr flüchtig wahrnehme. Zudem bestünden Unterschiede in der Beweissituation für die Beklagte. Sie könne die schlechte Lesbarkeit des Werbeplakats nur mit Fotografien und Zeugenaussagen nachweisen; der Handzettel könne dagegen vorgelegt werden. Die Beklagte habe deshalb mit einer unterschiedlichen Rechtsverteidigung der Klägerin rechnen müssen.
19
bb) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
20
Von einem Missbrauch i.S. des § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Motiven leiten lässt. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich unter anderem daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine Inanspruchnahme in einem Verfahren für ihn mit keinerlei Nachteilen verbunden ist (BGHZ 144, 165, 170 f. - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung ; BGH, Urt. v. 17.11.2005 - I ZR 300/02, GRUR 2006, 243 Tz. 16 = WRP 2006, 354 - MEGA SALE). Ob diese Maßstäbe auf die Beurteilung der Mehrfachverfolgung gleichartiger oder ähnlich gelagerter Wettbewerbsverstöße zu übertragen sind, hat der Senat bislang offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2001 - I ZR 15/98, GRUR 2002, 713, 714 = WRP 2002, 980 - Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung). Die Übertragung dieser Maßstäbe auf gleichartige oder ähnlich gelagerte Wettbewerbsverstöße jedenfalls zwischen denselben Parteien entspricht dem Normzweck des § 8 Abs. 4 UWG, Missbräuchen bei der Geltendmachung von Abwehransprüchen aus sachfremden, nicht schutzwürdigen Gründen entgegenzuwirken. Im Streitfall sind aber keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhanden, die eine missbräuchliche Rechtsverfolgung durch die Beklagte nahelegen. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen , dass die Beklagte berechtigte Gründe für die Verfolgung der in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße in verschiedenen Prozessen hatte. Diese Gründe ergeben sich im Streitfall daraus, dass die Beklagte bei der Verfahrenseinleitung von einer unterschiedlichen Beweissituation ausgehen konnte (vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 713, 714 - Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 8 Rdn. 4.14). Wäh- rend die Frage, ob die nur in kleiner Schrift unten links auf dem Handzettel angebrachten weiteren Tarifhinweise die Anforderungen an eine ausreichende Lesbarkeit erfüllten, sich ohne weiteres anhand des Werbeträgers beurteilen ließ, konnte die Beklagte davon ausgehen, dass die entsprechenden Feststellungen für das auf dem Gehweg vor dem Geschäftslokal der Klägerin aufgestellte Werbeplakat nur durch andere Beweismittel (Foto, Zeugenvernehmung) getroffen werden konnten.
21
Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, für die Beklagte hätten keine Unterschiede in der Beweissituation bei beiden Fallkonstellationen bestanden, die eine jeweils gesonderte Rechtsverfolgung rechtfertigten. Soweit die Beklagte nicht über ein Originalexemplar des auf dem Gehweg aufgestellten Werbeplakats verfügte, habe das Gericht der Klägerin aufgeben können, das Original vorzulegen. Dem kann nicht beigetreten werden. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, die Beklagte habe aufgrund der unterschiedlichen Beweissituation mit einem nicht einheitlichen Verteidigungsvorbringen der Klägerin rechnen müssen. Als Indiz hierfür hat das Berufungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Klägerin den Erlass der einstweiligen Verfügung aufgrund eines undeutlichen Fotos beanstandet und die Vollstreckbarkeit der Verfügung in Frage gestellt hat. Zudem musste die Beklagte zum Zeitpunkt der Entscheidung über ihr prozessuales Vorgehen damit rechnen, dass die Klägerin ein Originalexemplar des Werbeplakats im Prozess nicht mehr vorlegen konnte und eine Beweisführung durch Fotografien und Zeugenvernehmung erforderlich werden würde.
22
2. Der Beklagten steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 6 Satz 2 PAngV zu.
23
a) Die Beklagte hat ihr Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützt und dazu Zuwiderhandlungen der Klägerin aus dem Sommer 2005, also nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004, vorgetragen. Das UWG 2004 ist nach der Verkündung des Berufungsurteils durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) geändert worden. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Gefahren gerichtet ist, ist eine Klage nur dann begründet, wenn auf der Grundlage des nunmehr geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt.
24
Die für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 6 Satz 2 PAngV sind Marktverhaltensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG. Im Hinblick darauf, dass die Richtlinie 2005/29/EG unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern , insbesondere die gegenüber Verbrauchern bestehenden Informationspflichten , abschließend regelt, kann ein Verstoß gegen Bestimmungen der Preisangabenverordnung eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG nur begründen , wenn die von der Preisangabenverordnung aufgestellten Informationspflichten eine Grundlage im Gemeinschaftsrecht haben (vgl. Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., PAngV Vorbem. Rdn. 6a).
25
Die in Rede stehenden Bestimmungen der Preisangabenverordnung, die eine Verpflichtung zur Angabe der Endpreise enthalten, haben ihre Grundlage in Art. 1 und 2 lit. a, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 98/6/EG über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse. Nach diesen Vorschriften der Richtlinie ist bei Erzeugnissen, die Händler Verbrauchern anbieten, der Endpreis für eine Produkteinheit unmissverständlich , klar erkennbar und gut lesbar als Verkaufspreis anzugeben.
26
b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der beanstandete Handzettel der Klägerin gegen § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 6 Satz 2 PAngV verstößt. Danach hat derjenige, der Letztverbrauchern gegenüber Waren oder Dienstleistungen gewerbsmäßig anbietet oder unter Angabe von Preisen bewirbt, die dafür zu zahlenden Endpreise anzugeben. Kann ein Endpreis nicht gebildet werden, muss der Werbende nach § 1 Abs. 3 und 6 Satz 1 PAngV die für den Verbraucher mit dem Abschluss eines Netzkartenvertrags verbundenen Kosten hinreichend deutlich kenntlich machen (BGHZ 139, 368, 376 - Handy für 0,00 DM; BGH, Urt. v. 17.7.2008 - I ZR 139/05, GRUR 2009, 73 Tz. 18 = WRP 2009, 48 - Telefonieren für 0 Cent!). Diese Preisangaben müssen nach § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV der Werbung eindeutig zuzuordnen sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar sein.
27
c) Danach musste die Klägerin neben der Grundgebühr und den variablen Kosten der Verbindungsentgelte die weiter anfallenden Kosten deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar angeben, die vorliegend in dem einmaligen Anschlusspreis, dem monatlichen Mindestgesprächsumsatz und der Mindestvertragslaufzeit bestehen. Denn mit den Vorschriften der Preisangabenverordnung soll verhindert werden, dass ein Wettbewerber mit der besonderen Preisgünstigkeit eines Preisbestandteils blickfangmäßig wirbt, weitere Preisbestandteile dagegen verschweigt oder in der Darstellung untergehen lässt (BGH GRUR 2009, 73 Tz. 25 - Telefonieren für 0 Cent!). Den an die deutliche Lesbarkeit oder generell die gute Wahrnehmbarkeit zu stellenden Anforderungen genügten die weiteren Tarifangaben auf dem Handzettel unten links nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Dagegen erinnert die Revision nichts. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.
28
3. Zu Recht hat das Berufungsgericht darüber hinaus angenommen, dass ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher durch die beanstandete Werbung irregeführt wird (§ 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 UWG 2004 und § 5a Abs. 2 UWG 2008).
29
a) Die angegriffene Werbung erweckt den unzutreffenden Eindruck einer besonderen Preiswürdigkeit des beworbenen Angebots, indem die festen Preise für das Telefonieren und die Versendung von SMS sowie eine fehlende Grundgebühr herausgestellt, die Angaben über die weiteren Preisbestandteile (Anschlusspreis, monatlicher Mindestgesprächsumsatz, Mindestvertragslaufzeit ) aber in derart kleiner Schrift angegeben werden, dass dies einem Verschweigen der Angaben gleichkommt. Von einem derartigen Angebot geht die Gefahr aus, dass über den tatsächlichen Wert des Angebots getäuscht oder zumindest unzureichend informiert wird. Die Klägerin hätte daher - wenn nicht im Blickfang - zumindest in hervorgehobener Weise auf die weiteren Preisbestandteile des Angebots hinweisen müssen. Dies ist nicht geschehen. Der Hinweis auf die weiteren Kosten ist vielmehr in derart kleiner Schrift gehalten, dass er in der Werbung untergeht. Eine solche Werbung ist unvollständig und deshalb irreführend.
30
b) Die Werbung verstößt auch gegen § 3 i.V. mit § 5a Abs. 2 und 3 Nr. 3 UWG 2008. Nach § 5a Abs. 2 UWG 2008 handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern i.S. des § 3 Abs. 2 UWG 2008 dadurch beeinflusst , dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Zu den wesentlichen Informationen rechnet bei einer Werbung mit dem Preis, die konkret zum Kauf von Waren oder zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen auffordert, die Angabe der Preisberechnung, wenn wegen der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung der Endpreis nicht genannt werden kann (§ 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG 2008). Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Werbung nicht, weil dem Verbraucher durch die sehr kleine Schrift wichtige Preisbestandteile (Anschlusspreis, monatlicher Mindestgesprächsumsatz , Mindestvertragslaufzeit) vorenthalten werden. Eine solche Verhaltensweise ist auch geeignet, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich aufgrund von Informationen zu entscheiden, spürbar zu beeinträchtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte (§ 3 Abs. 2 UWG 2008).
31
4. Der Anspruch der Beklagten auf Freistellung von den Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG i.V. mit § 257 Satz 1 BGB.
32
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 10.11.2005 - 327 O 616/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.12.2006 - 5 U 209/06 -

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
„geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden;
2.
„geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen;
3.
„Marktteilnehmer“ neben Mitbewerber und Verbraucher auch jede weitere Person, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist;
4.
„Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht;
5.
„Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird; nicht umfasst sind Informationen, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit diese Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können;
6.
„Online-Marktplatz“ ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwendung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwendung, Fernabsatzverträge (§ 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs) mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen;
7.
„Ranking“ die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln;
8.
„Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt;
9.
„unternehmerische Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält;
10.
„Verhaltenskodex“ jede Vereinbarung oder Vorschrift über das Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben;
11.
„wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Für den Verbraucherbegriff ist § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anwendbar.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
„geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden;
2.
„geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen;
3.
„Marktteilnehmer“ neben Mitbewerber und Verbraucher auch jede weitere Person, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist;
4.
„Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht;
5.
„Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird; nicht umfasst sind Informationen, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit diese Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können;
6.
„Online-Marktplatz“ ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwendung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwendung, Fernabsatzverträge (§ 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs) mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen;
7.
„Ranking“ die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln;
8.
„Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt;
9.
„unternehmerische Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält;
10.
„Verhaltenskodex“ jede Vereinbarung oder Vorschrift über das Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben;
11.
„wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

(2) Für den Verbraucherbegriff ist § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anwendbar.

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.

(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.

(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 4/06 Verkündet am:
5. Oktober 2010
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Millionen-Chance II
UWG 2008 § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 6; Richtlinie 2005/29/EG Art. 5 Abs. 2

a) Im Hinblick auf die erhebliche Anlockwirkung, die im Allgemeinen von einem
an den Produktabsatz gekoppelten Preisausschreiben oder Gewinnspiel
ausgeht, ist das Merkmal der Spürbarkeit (§ 3 Abs. 1 UWG) bei einer solchen
Verkaufsförderungsmaßnahme in der Regel erfüllt. Bei der Regelung
in §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2008 handelt es sich daher um ein generelles Verbot
der Kopplung solcher Preisausschreiben und Gewinnspiele an ein Umsatzgeschäft
, dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken
entgegensteht (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - C-304/08, GRUR 2010,
244 = WRP 2010, 232 - Plus). Das generelle Verbot lässt sich insbesondere
nicht damit rechtfertigen, dass die Kopplung solcher Preisausschreiben oder
Gewinnspiele generell nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie den Erfordernissen
der beruflichen Sorgfalt widerspricht.

b) Die Regelung in §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2008 ist in der Weise richtlinienkonform
auszulegen, dass die Kopplung eines Preisausschreibens oder Gewinnspiels
an ein Umsatzgeschäft nur dann unlauter ist, wenn sie im Einzelfall
eine irreführende Geschäftspraxis darstellt (Art. 6 und 7 der Richtlinie) oder
den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht (Art. 5 Abs. 2
Buchst. a der Richtlinie).
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Oktober 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Dezember 2005 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung bestätigt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg vom 24. Februar 2005 auf die Berufung der Beklagten abgeändert. Die Klage wird mit dem Unterlassungsantrag abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, nimmt die Beklagte, ein Einzelhandelsunternehmen, wegen wettbewerbswidriger Bewerbung einer "Bonusaktion" auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
2
Die Beklagte, die in Deutschland etwa 2.700 Filialen unterhält, warb in der Zeit vom 16. September bis 13. November 2004 mit dem Hinweis "Einkaufen , Punkte sammeln, gratis Lotto spielen" für die Teilnahme an der Bonusaktion "Ihre Millionenchance". Kunden konnten im genannten Zeitraum "Bonuspunkte" sammeln; sie erhielten bei jedem Einkauf für 5 € Einkaufswert je einen Bonuspunkt. Ab 20 Bonuspunkten bestand die Möglichkeit, kostenlos an den Ziehungen des Deutschen Lottoblocks am 6. oder 27. November 2004 teilzunehmen. Hierzu mussten die Kunden auf einer in den Filialen der Beklagten erhältlichen Teilnahmekarte unter anderem die Bonuspunkte aufkleben und sechs Lottozahlen nach ihrer Wahl ankreuzen. Die Beklagte ließ die Teilnahmekarten in ihren Filialen einsammeln und leitete sie an ein drittes Unternehmen weiter, das dafür sorgte, dass die entsprechenden Kunden mit den jeweils ausgewählten Zahlen an der Ziehung der Lottozahlen teilnahmen. Das Werbematerial, mit dem die Beklagte für diese Aktion geworben hat, ist im Vorlagebeschluss des Senats vom 5. Juni 2008 (I ZR 4/06, GRUR 2008, 807, 808 = WRP 2008, 1175 - Millionen-Chance I) wiedergegeben.
3
Die Klägerin sieht in der Bonusaktion der Beklagten eine wettbewerbswidrige Verknüpfung des Warenabsatzes mit einem Gewinnspiel. Die Kunden der Beklagten erlangten zwar eine kostenlose Teilnahme an der Lotterie, jedoch bestehe eine rechtliche Abhängigkeit zwischen der kostenlosen Teilnahme und dem Erwerb von Waren bei der Beklagten. Eine derartige Verknüpfung verstoße gegen § 4 Nr. 6 UWG.
4
Die Klägerin hat die Beklagte nach erfolgsloser Abmahnung auf Unterlassung und auf Zahlung einer Abmahnpauschale in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (LG Duisburg, WRP 2005, 764). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2005 - 20 U 81/05, juris). Der Senat hat die Revision zugelassen.
Mit Beschluss vom 5. Juni 2008 hat der Senat dem Gerichtshof der Eu5 ropäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, GRUR 2008, 807 - Millionen-Chance I): Ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht , nach der eine Geschäftspraktik, bei der die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, grundsätzlich unzulässig ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die Werbemaßnahme im Einzelfall Verbraucherinteressen beeinträchtigt?
6
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage wie folgt beantwortet (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - C-304/08, GRUR 2010, 244 = WRP 2010, 232 - Plus): Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ) ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der Geschäftspraktiken , bei denen die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware oder von der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls grundsätzlich unzulässig sind.
7
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision den Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat die Klage aus § 4 Nr. 6 UWG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
9
Die beanstandete Werbung sei wegen unzulässiger Kopplung der Teilnahme an der Lotterie an einen vorherigen Warenkauf wettbewerbswidrig. Der Gesetzgeber habe durch § 4 Nr. 6 UWG jegliche Kopplung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen mit der Teilnahme an Gewinnspielen unter dem Gesichtspunkt einer unsachlichen Beeinflussung des Verkehrs durch Ausnutzung der Spiellust und der Hoffnung auf einen leichten Gewinn als unlauter klassifiziert. Eine solche unzulässige Kopplung sei im Streitfall gegeben. Die Vorschrift des § 4 Nr. 6 UWG sei so zu verstehen, dass es an einer Abhängigkeit nur dann fehle, wenn dem angesprochenen Verkehr eine "diskriminierungsfreie" Alternative der Teilnahme an dem Gewinnspiel offenstehe. Eine solche Alternative bestehe beim beanstandeten Gewinnspiel nicht.
10
Der Wettbewerbsverstoß sei auch nicht unerheblich im Sinne von § 3 UWG. Einer solchen Annahme stünden bereits die Marktmacht der Beklagten und die Vielzahl der angesprochenen Kunden entgegen. Ohne Bedeutung sei der nur geringe Wert der in Aussicht gestellten Vergünstigung. Zudem würden jedenfalls diejenigen Personen angesprochen, die ansonsten kein Lotto spielten , aber von der kostenlosen Teilnahmemöglichkeit profitieren wollten.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben im Wesentlichen Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage, soweit die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist. Keinen Erfolg hat die Revision, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten richtet.
12
1. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) und auf eine Verletzungshandlung gestützt, die vom September bis November 2004 begangen worden sein soll. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es anderenfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 23/08, GRUR 2010, 652 Rn. 10 = WRP 2010, 872 - Costa del Sol, mwN). Für den auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG gestützten Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten kommt es hingegen darauf an, ob die Abmahnung zu dem Zeitpunkt, in dem sie dem Schuldner zugegangen ist, berechtigt war (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.84).
13
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (UWG 2004), das zum Zeitpunkt des beanstandeten Verhaltens galt, ist Ende 2008, also nach Verkündung des Berufungsurteils, geändert worden (UWG 2008). Diese - der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dienende - Gesetzesänderung ist insofern von Bedeutung, als die Bestimmung des § 3 UWG geändert worden und die unverändert gebliebene Bestimmung des § 4 Nr. 6 UWG nunmehr - genauer: seit dem endgültigen Ablauf der Umsetzungsfrist am 12. Dezember 2007 - im Lichte der Richtlinie und unter Berücksichtigung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen ist.
14
2. Der Senat hat bereits im Vorlagebeschluss vom 5. Juni 2008 (GRUR 2008, 807 Rn. 11 ff. - Millionen-Chance I) im Einzelnen dargelegt, dass die beanstandete Werbung im Herbst 2004 nach §§ 3, 4 Nr. 6 UWG 2004 wettbewerbswidrig war. Es handelt sich nicht lediglich um ein Zugabeversprechen, sondern um die Werbung für ein Gewinnspiel (BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 12 f.), an dem nur teilnehmen konnte, wer zuvor bei der Beklagten Waren in einem bestimmten Umfang erworben hatte (BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 14). Die beanstandete Werbung war auch geeignet, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer zu beeinträchtigen (§ 3 UWG 2004; BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 15). Da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zum Zeitpunkt der Abmahnung zustand (§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG), ist die Beklagte zu Recht zur Zahlung der Abmahnkosten verurteilt worden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG).
15
3. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin dagegen auf der Grundlage des heute geltenden Rechts nicht (mehr) zu. Auch wenn der Wortlaut der Bestimmung des § 4 Nr. 6 UWG im Rahmen der Gesetzesänderung 2008 unverändert geblieben ist und sich die Verbotsnorm des § 3 UWG 2004 mit nur geringfügigen Änderungen in § 3 Abs. 1 UWG 2008 wiederfindet , verbietet eine richtlinienkonforme Auslegung dieser Bestimmungen die Anwendung auf den Streitfall. Ein Verstoß gegen einen anderen Unlauterkeitstatbestand des Gesetzes scheidet ebenfalls aus.
16
a) Nach § 4 Nr. 6 UWG handelt unlauter, wer die Teilnahme von Verbrauchern an einem Gewinnspiel vom Erwerb einer Ware abhängig macht. Die Bestimmung enthält - anders als vergleichbare Beispielstatbestände des § 4 UWG - keine Wertungsmöglichkeit. Die Kopplung eines Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft führt zwar nach dieser Bestimmung nicht stets zur Unzulässigkeit des fraglichen Verhaltens; hinzu kommen muss, dass die Wettbewerbshandlung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG 2008). An der Spürbarkeit wird es aber bei intensiv beworbenen Gewinnspielen schon im Hinblick auf die erhebliche Anlockwirkung, die von ihnen ausgeht, nicht fehlen (vgl. BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 21 - MillionenChance I, zu § 3 UWG 2004). Damit untersagt die Vorschrift des § 4 Nr. 6 UWG im Zusammenwirken mit § 3 Abs. 1 UWG 2008 gekoppelte Preisausschreiben und Gewinnspiele generell und unabhängig von einer Gefährdung der Verbrau- cherinteressen im Einzelfall. Denn das Verbot beansprucht auch dann Geltung, wenn von dem beworbenen Angebot keine unsachliche Beeinflussung der Verbraucher ausgeht, die Teilnahmebedingungen klar und deutlich angegeben sind und die Verbraucher über ihre Gewinnchancen nicht irregeführt werden (BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 21 - Millionen-Chance I).
17
b) Mit diesem Inhalt ist § 4 Nr. 6 UWG mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht vereinbar.
18
aa) Bei einem Angebot, das den Erwerb von Waren oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen mit der Teilnahme der Verbraucher an einem Gewinnspiel oder einem Preisausschreiben koppelt, handelt es sich um eine Geschäftspraxis im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Werbemaßnahmen, die - wie im Streitfall - die kostenlose Teilnahme des Verbrauchers an einer Lotterie davon abhängig machen, dass in einem bestimmten Umfang Waren erworben oder Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, zielen unmittelbar auf die Förderung des Absatzes des betreffenden Gewerbetreibenden ab und fallen damit in den Geltungsbereich von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 37 - Plus; vgl. dazu Leible, EuZW 2010, 186, 187). Die beanstandete Werbung der Beklagten ist daher an den in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken aufgestellten Vorschriften zu messen.
19
bb) Die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern sind mit der Richtlinie 2005/29/EG auf Unionsebene vollständig harmonisiert worden. Daher dürfen die Mitgliedstaaten keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen (Art. 4 der Richtlinie), und zwar auch nicht zur Erreichung eines höheren Verbraucherschutzniveaus (EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 41 - Plus; BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 17 - Millionen-Chance I).
20
cc) Nach der Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ist eine Geschäftspraxis unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Eine in diesem Sinne wesentliche Beeinflussung ist nach der Definition des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie immer dann gegeben, wenn eine Geschäftspraxis die Fähigkeit des Verbrauchers, eine "informierte Entscheidung" zu treffen, spürbar beeinträchtigt und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
21
In Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie werden zwei Arten von Geschäftspraktiken genannt, die als unlauter einzustufen sind, nämlich die "irreführenden Praktiken" im Sinne der Art. 6 und 7 und die "aggressiven Praktiken" im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie. Darüber hinaus stellt die Richtlinie in ihrem Anhang I eine erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie "unter allen Umständen" als unlauter anzusehen sind. Nur diese Geschäftspraktiken können ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als unlauter gelten (EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 44 f. - Plus).
22
dd) Anhang I der Richtlinie und - ihm folgend - der Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG 2008 enthalten kein Verbot der Kopplung eines Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft. Es liegt auf der Hand, dass sich ein solches generelles Verbot nicht unter den Tatbestand einer irreführenden Geschäftspraxis (Art. 6 und 7 der Richtlinie) fassen lässt. Es kann aber auch nicht als aggressive Geschäftspraxis im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie angesehen werden. Denn eine solche Kopplung stellt weder eine Belästigung oder Nötigung noch eine unzulässige Beeinflussung - also die Ausnutzung einer Machtposition zur Ausübung von Druck (Art. 2 Buchst. j der Richtlinie) - dar, weil von ihr für den Verbraucher nur ein besonderer Anreiz ausgeht, ohne dass der Verbraucher dadurch unter Druck gesetzt wird (vgl. Köhler, GRUR 2010, 177, 182).
23
Damit stünde die deutsche Regelung mit der Richtlinie nur dann im Einklang , wenn das generelle Verbot der Kopplung eines Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft unter die Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie fiele. Die Generalklausel setzt sich aus einem Unlauterkeitskriterium und einem Relevanzkriterium zusammen (vgl. Köhler, GRUR 2010, 767, 773): Das fragliche Verhalten muss zum einen den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widersprechen (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h der Richtlinie), es muss zum anderen das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher zu beeinflussen geeignet sein (Art. 5 Abs. 2 Buchst. b in Verbindung mit Art. 2 Buchst. e der Richtlinie). Dass die Kopplung von Gewinnspielen an ein Umsatzgeschäft generell der beruflichen Sorgfalt widerspräche, lässt sich nicht annehmen. Dies entnimmt der Senat der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, in der die Generalklausel zwar angeführt (EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 43 - Plus), aber nicht als Rechtfertigung der deutschen Regelung herangezogen worden ist (EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 47 ff. - Plus).
24
Noch deutlicher kommt diese Auffassung des Gerichtshofs in dem - noch vor dem Absetzen der vorliegenden Entscheidungsgründe ergangenen - Urteil "Mediaprint" zum Ausdruck (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - C-540/08, GRUR 2011, 76 = WRP 2011, 45). Dort hatte der österreichische Oberste Gerichtshof mit seiner zweiten Frage zum Zugabeverbot in § 9 Abs. 1 Nr. 1 des österreichischen UWG wissen wollen, ob die Kopplung eines Gewinnspiels an den Erwerb einer Zeitung eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie darstellt, wenn diese Teilnahmemöglichkeit für einen Teil der angesprochenen Verbraucher das ausschlaggebende Motiv für den Erwerb der Zeitung bildet. In seiner Antwort weist der Gerichtshof darauf hin, dass das angeführte Motiv möglicherweise das Relevanzkriterium erfülle; daneben müsse aber - um eine unlautere Geschäftspraxis zu bejahen - das fragliche Verhalten den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widersprechen (EuGH, GRUR 2011, 76 Rn. 46 - Mediaprint). Dass dies der Fall sein könnte, wird vom Gerichtshof in der abschließenden Antwort auf diese Frage noch nicht einmal erwogen (EuGH, GRUR 2011, 76 Rn. 47 - Mediaprint).
25
c) Ist ein generelles Verbot der Kopplung von Gewinnspielen mit Umsatzgeschäften mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht vereinbar , ist die Bestimmung des § 4 Nr. 6 UWG richtlinienkonform in der Weise auszulegen, dass eine solche Kopplung nur dann unlauter ist, wenn sie im Einzelfall eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie darstellt. Da weder der Verstoß gegen ein Per-se-Verbot des Anhangs I der Richtlinie noch eine aggressive Geschäftspraxis nach Art. 8 und 9 der Richtlinie (vgl. dazu oben Rn. 22) in Betracht kommt, bleibt insofern lediglich zu prüfen, ob das beanstandete Verhalten im Einzelfall als irreführende Geschäftspraxis oder als Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt einzuordnen ist. Dies ist zu verneinen.
26
Dass die Beklagte die Verbraucher über die Gewinnchancen in die Irre geführt oder auch nur unzureichend über Teilnahmebedingungen oder Gewinnmöglichkeiten unterrichtet hätte, ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Ebenso fehlt es für einen Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt (Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie) zumindest am Unlauterkeitskriterium. Dabei kann offenbleiben , ob es im Einzelfall einen Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt darstellen kann, wenn von dem gekoppelten Gewinnspielangebot eine so starke Anlockwirkung ausgeht, dass die Rationalität der Nachfrageentscheidung der Verbraucher vollständig in den Hintergrund tritt (vgl. Haberkamm/Kühne, EWS 2010, 417, 419 zu § 4 Nr. 1 UWG; ablehnend Köhler, GRUR 2010, 767, 775). Denn im Streitfall ist eine solche von der Werbung ausgehende Wirkung ohnehin ausgeschlossen.
27
d) Auch ein Verstoß gegen einen anderen Unlauterkeitstatbestand des Gesetzes kommt nicht Betracht. Für eine Irreführung nach § 5 UWG 2008 ist - wie sich bereits aus den Ausführungen zur richtlinienkonformen Auslegung (s. oben Rn. 26) ergibt - nichts ersichtlich. Für eine mangelnde Transparenz im Sinne von § 4 Nr. 4 und 5 UWG lässt sich weder dem festgestellten Sachverhalt noch dem Klagevortrag etwas entnehmen. Ob eine extreme Anlockwirkung unter § 4 Nr. 1 UWG zu subsumieren ist oder allenfalls von der Generalklausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG erfasst wird, bedarf im Streitfall ebenfalls keiner Klärung, weil von der beanstandeten Werbung eine solche Anlockwirkung nicht ausgeht (s. oben Rn. 26).
28
III. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung bestätigt hat. Der Senat hat selbst in der Sache zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht (mehr) zusteht, ist die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils mit dem Unterlassungsantrag abzuweisen.
29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 24.02.2005 - 21 O 144/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.12.2005 - I-20 U 81/05 -

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 179/07 Verkündet am:
14. Mai 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die clevere Alternative
Das Verbot des Rückkaufhandels in § 34 Abs. 4 GewO ist i.S. des § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt
, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln. Es richtet sich nicht nur
an Pfandleiher, sondern an jedermann.
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Geschäftsmodell vom Verbot des § 34 Abs. 4 GewO erfasst
wird, ist die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts maßgeblich und daher zu prüfen, ob
der Sache nach gewerbsmäßig durch Pfandrechte an beweglichen Sachen gesicherte Darlehen
gegeben werden. Das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO erfasst alle vertraglichen Gestaltungen,
bei denen der Verkäufer dem gewerblich handelnden Käufer das Eigentum an einer beweglichen
Sache überträgt und sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung
einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung als Entgelt für die Überlassung des Kapitals
und/oder den Verwaltungsaufwand des Käufers wieder verschaffen kann, die über einen Nutzungsersatz
Das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO stellt im Blick auf Art. 12 GG eine nicht unverhältnismäßige
Regelung der Berufsausübung dar.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Februar 2009 durch die Richter Dr. Bergmann, Prof. Dr. Büscher,
Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. Oktober 2007 aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I, 4. Kammer für Handelssachen, vom 22. März 2007 abgeändert : Die Beklagte wird unter Androhung eines Ordnungsgelds bis 100.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - die Ordnungshaft zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstands - verurteilt, es zu unterlassen, 1. im geschäftlichen Verkehr den gewerbsmäßigen Ankauf von Kraftfahrzeugen mit Gewährung eines Rücktrittsrechts unter Berechnung einer Aufwandsentschädigung pro vier Wochen Rücktrittsrecht bis zu 9% zuzüglich Mehrwertsteuer vom vereinbarten Kaufpreis sowie unter lediglich hälftiger Auskehrung des bei einem Weiterverkauf erzielten Mehrerlöses anzubieten ; 2. in Bezug auf diese Ankäufe mit der Werbeangabe "Die clevere Alternative zur KFZ-Pfandleihe" zu werben. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist der bundesweit tätige Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes. Er hat die satzungsmäßige Aufgabe, die gemeinsamen Interessen des gesamten Pfandkreditgewerbes zu fördern und zu schützen.
2
Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist der An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen.
3
Die Beklagte wirbt in Rundschreiben und in ihrem Internetauftritt mit einem von ihr als "clevere Alternative zur KFZ-Pfandleihe" bezeichneten Finanzierungsmodell für den Ankauf von Kraftfahrzeugen. Das Geschäftsmodell der Beklagten besteht darin, dass sie Kraftfahrzeuge unter Einräumung eines achtwöchigen Rücktrittsrechts ankauft, wobei sie beim Weiterverkauf den erzielten Mehrerlös lediglich zur Hälfte an den Verkäufer auskehrt und im Fall des Rücktritts des Verkäufers diesem eine Aufwandsentschädigung bis zu 9% netto vom vereinbarten Kaufpreis für je vier Wochen berechnet.
4
Nach Ansicht des Klägers bezweckt die Beklagte mit diesem Geschäftsmodell die Umgehung der gesetzlichen Beschränkungen des Pfandleihgewerbes und des in § 34 Abs. 4 GewO enthaltenen Verbots des gewerblichen Ankaufs beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts. Die Angabe "Die clevere Alternative zur KFZ-Pfandleihe" sei irreführend, weil die von der Beklagten eingeräumten Konditionen denen der Pfandleihe keineswegs überlegen seien.
5
Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen , es zu unterlassen, 1. im geschäftlichen Verkehr den gewerbsmäßigen Ankauf von Kraftfahrzeugen mit Gewährung eines Rücktrittsrechts unter Berechnung einer Aufwandsentschädigung pro vier Wochen Rücktrittsrecht bis zu 9% zuzüglich Mehrwertsteuer vom vereinbarten Kaufpreis sowie unter lediglich hälftiger Auskehrung des bei einem Weiterverkauf erzielten Mehrerlöses anzubieten; 2. in Bezug auf diese Ankäufe mit der Werbeangabe "Die clevere Alternative zur KFZ-Pfandleihe" zu werben.
6
Die Beklagte hält ihr Geschäftsmodell demgegenüber für zulässig. Ein Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO liege schon dem Wortlaut nach nicht vor, weil kein Rückkaufsrecht, sondern ein eng an dem gesetzlichen Modell der verbraucherschützenden Widerrufs- und Rücktrittsrechte orientiertes Rücktrittsrecht vereinbart werde, bei dem der Verkaufspreis unverändert bleibe und der Verkäufer bei einem Weiterverkauf an einem Mehrerlös beteiligt werde. Die Angabe "clevere Alternative" habe nicht die Bedeutung "bessere Alternative", sondern bezeichne das Modell der Beklagten als "geschickte Alternative".
7
Der Kläger verfolgt mit seiner vom Senat zugelassenen Revision seine in den Vorinstanzen erfolglosen Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


8
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts verstößt das Finanzierungsmodell der Beklagten nicht gegen § 34 Abs. 4 GewO.

9
Es sei bereits zweifelhaft, ob diese Bestimmung überhaupt auf Personen anwendbar sei, die keine Pfandleiher seien. Da die Beklagte dem Verkäufer kein Rückkaufsrecht, sondern ein Rücktrittsrecht gewähre, komme zudem nur eine entsprechende Anwendung des § 34 Abs. 4 GewO in Betracht; deren Zulässigkeit aber sei im Hinblick auf die Bußgeldbewehrung des Verbots zumindest zweifelhaft. Unabhängig davon scheide eine solche Analogie im Streitfall jedenfalls deshalb aus, weil das in der Gewerbeordnung geregelte Rückkaufsrecht mit dem dort nicht geregelten Rücktrittsrecht nicht vergleichbar sei und das von der Beklagten gewährte Rücktrittsrecht auch nicht gegen den Schutzzweck des § 34 Abs. 4 GewO verstoße. Der Verkäufer sei bei Vereinbarung eines Rücktrittsrechts vor überhöhten Rückkaufpreisforderungen geschützt. Die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts betrage im Geschäftsmodell der Beklagten normalerweise acht Wochen und sei, da sie verlängert werden könne, den Fristen bei der Pfandleihe angenähert. Der Zweck des Verbots des Rückkaufhandels , das verhindern solle, dass der Käufer bei Nichtausübung des Rückkaufs durch den Verkäufer frei über die Sache verfügen und sich damit den beschränkten Verwertungsmöglichkeiten des Pfandleihgeschäfts entziehen könne, sei auch beim Rücktrittsmodell der Beklagten weitgehend verwirklicht, weil der Verkäufer dort im Verwertungsfall am über den ursprünglichen Kaufpreis hinausgehenden Erlös zur Hälfte, am Mindererlös dagegen nicht beteiligt sei. Die Aufwandsentschädigungen der Beklagten seien von dieser offen ausgewiesen , leicht zu berechnen und auch nicht so hoch, dass sie das Geschäftsmodell der Beklagten rechtswidrig machten. Außerdem lade die werbemäßige Herausstellung einer Alternative zum Pfandleihgeschäft die Kunden gerade dazu ein, die Konditionen beider Geschäftsmodelle zu vergleichen.
10
Die Werbung der Beklagten sei nicht irreführend, weil durch die Formulierung "Die clevere Alternative zur KFZ-Pfandleihe" nicht der Anspruch erhoben werde, dass das Modell der Beklagten besser sei als eine Kreditaufnahme im Wege der Pfandleihe. Die Bezeichnung des Modells der Beklagten als "clever" , also "geschickt", sei eine übliche Werbebehauptung und jedenfalls nicht irreführend.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers ist begründet und führt zur Verurteilung der Beklagten nach den Klageanträgen. Der Kläger kann von der Beklagten verlangen, dass diese das Anbieten eines Geschäftsmodells unterlässt, bei dem sie Kraftfahrzeuge unter Gewährung eines Rücktrittsrechts ankauft, als Aufwandsentschädigung hierfür bis zu 9% netto vom vereinbarten Kaufpreis für je vier Wochen berechnet und den bei einem Weiterverkauf erzielten Mehrerlös lediglich zur Hälfte an den Verkäufer auskehrt (unten unter II 1). Ebenfalls unzulässig ist die von der Beklagten vorgenommene Bewerbung dieses Geschäftsmodells mit der Angabe "Die clevere Alternative zur KFZ-Pfandleihe" (unten unter II 2).
12
1. Der auf das Unterlassen des Angebots des Geschäftsmodells der Beklagten gerichtete Anspruch des Klägers folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 34 Abs. 4 GewO.
13
a) Der Kläger hat sein Unterlassungsbegehren auf Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützt und dazu eine von der Beklagten im August 2006, also nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 2949; im Folgenden: UWG 2004) am 8. Juli 2004 begangene Zuwiderhandlung vorgetragen. Das UWG 2004 ist nach der Verkündung des Berufungsurteils durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949), in Kraft getreten am 30. Dezember 2008 (im Folgenden: UWG 2008), geändert worden ist. Auf das in die Zukunft gerichtete Unterlassungsbegehren des Klägers sind die Bestimmungen des UWG 2008 anzuwenden. Der Unterlassungsanspruch besteht aber nur, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der Begehung im August 2006, also nach der Beurteilung auf der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war.
14
b) Der Kläger, dem die Betriebe des Pfandkreditgewerbes angehören, die in der Bundesrepublik Deutschland ihre Niederlassung haben und Mitglieder des für sie zuständigen Landesverbands sind, ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
15
c) Das Anbieten des Ankaufs von Kraftfahrzeugen nach dem beanstandeten Geschäftsmodell der Beklagten erfüllt sowohl die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 als auch diejenigen einer geschäftlichen Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2008.
16
d) Die Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO stellt eine Norm dar, die i.S. von § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln.
17
aa) Die Bestimmung des § 34 Abs. 4 GewO verbietet eine spezielle Form des Pfandleihgewerbes, die für das Publikum potentiell besonders nachteilig ist. Mit dem Verbot der Gewährung eines Rückkaufsrechts soll verhindert werden, dass Rückkaufsgeschäfte abgeschlossen werden, die es dem Käufer (Darlehensgeber ) ermöglichen, nach Ablauf der Rückkaufsfrist frei, also ohne Bindung an die für Pfandleiher geltenden Verwertungsbedingungen, über die gekaufte Sache zu verfügen. Der Käufer (Rückkaufshändler) soll nicht infolge der seinem freien Ermessen überlassenen Verwertung des Rückkaufsgegenstands zu erheblichen Gewinnen auf Kosten des Verkäufers (Darlehensnehmers) gelangen können, was die Vorschriften über das Pfandleihgewerbe gerade verhindern wollen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung, BT-Drucks. III/318, S. 17). Weil mit dieser Regelung der Wettbewerb auf dem Gebiet des Pfandkreditgewerbes in geordnete Bahnen gelenkt werden soll, handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung i.S. von § 4 Nr. 11 UWG (vgl. BGHZ 150, 343, 348 - Elektroarbeiten; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 Rdn. 11.49 m.w.N.), die den Schutz der auf der Marktgegenseite stehenden Kreditnehmer (Verkäufer) bezweckt (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 11.82; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 135; Elskamp, Gesetzesverstoß und Wettbewerbsrecht, 2008, S. 161 f., jeweils m.w.N.).
18
bb) Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht hier auch nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die gemäß ihrem Art. 4 die vollständige Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, welche die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 - C 271/07 und C 299/07 Tz. 52 - VTB-VAB /Total Belgium ua), und die mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, keinen dieser nationalen Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2005/29/EG lässt alle spezifische Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können. Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen, die das Marktverhalten in gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln, auch nach dem UWG 2008 zulässig (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 11.6a). Eine solche Bestimmung ist die Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO, die eine Umgehung der die Tätigkeit der gewerblichen Pfandleiher regelnden § 34 Abs. 1 und 2 GewO, §§ 1 ff. der Verordnung über den Geschäftsbetrieb der gewerblichen Pfandleiher - Pfandleiherverordnung - vom 1.2.1961 (BGBl. I, S. 58) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.6.1976 (BGBl. I, S. 1334), zuletzt geändert durch Art. 10 des Dritten Mittelstandsentlastungsgesetzes vom 17.3.2009 (BGBl. I, S. 550) verhindern soll.
19
e) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte mit dem Angebot ihres Geschäftsmodells der Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO zuwidergehandelt.
20
aa) Die Beklagte ist, auch wenn sie nicht aufgrund einer Erlaubnis nach § 34 Abs. 1 GewO das Geschäft eines Pfandleihers oder Pfandvermittlers betreibt , dem Verbot des § 34 Abs. 4 GewO unterworfen. Das Berufungsgericht hat es zu Unrecht als möglich angesehen, dass sich das Verbot des Rückkaufhandels allein an Pfandleiher richtet.
21
Zwar könnten dafür die Überschrift des § 34 GewO ("Pfandleihgewerbe") und die systematische Stellung des § 34 Abs. 4 GewO im ansonsten ausschließlich die Pfandleihe regelnden § 34 GewO sprechen. Gegen eine solche einschränkende Auslegung spricht indes neben dem Wortlaut des § 34 Abs. 4 GewO insbesondere der Schutzzweck der Vorschrift. Der mit dem Verbot der Gewährung des Rückkaufsrechts bezweckte Schutz des Publikums (vgl. BTDrucks. III/318, S. 17; ferner Höfling in Friauf, GewO, Stand Februar 2006, § 34 Rdn. 46) schließt es aus, die Bestimmung des § 34 Abs. 4 GewO nur im Verhältnis zwischen immerhin der staatlichen Aufsicht unterliegenden Pfandleihern und potentiellen Verkäufern anzuwenden, nicht dagegen im Verhältnis zwischen diesen und - grundsätzlich keiner solchen Aufsicht unterliegenden - sonstigen Gewerbetreibenden. Außerdem wäre die Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO, wenn man sie allein auf Pfandleiher anwendete, ohne weiteres dadurch zu umgehen, dass der Pfandleiher neben seinem behördlich konzessionierten Gewerbe, wenn nicht selbst, so doch gegebenenfalls durch einen Strohmann auch noch einen Rückkaufhandel betreiben könnte.
22
Die Entstehungsgeschichte des § 34 Abs. 4 GewO spricht ebenfalls gegen die Annahme, die Bestimmung gelte allein für Pfandleiher. In § 34 Abs. 2 GewO a.F. war noch bestimmt gewesen, dass auch der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts als Pfandleihgewerbe gelte (vgl. Höfling in Friauf aaO § 34 Rdn. 47). In der Begründung zum Regierungsentwurf des Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vom 5. Februar 1960 (BGBl. I S. 61; ber. S. 92) hieß es dazu (BTDrucks. III/318, S. 17; abgedruckt bei Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Januar 2002, § 34 Rdn. 1 und bei Höfling in Friauf aaO § 34 Rdn. 47): Der neue Absatz 3 [im Gesetz dann Abs. 4] bringt das Verbot des gewerbsmäßigen Ankaufes beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts. Auf diese wirtschaftlich dem Pfandleihgewerbe gleichzusetzende Tätigkeit sind schon nach bisherigem Recht die bundes- und landesrechtlichen , das Pfandleihgewerbe betreffenden Vorschriften entsprechend anwendbar (vgl. § 34 Abs. 2 und § 38 Abs. 2). Hieraus hat das Reichsgericht (Entscheidungen in Zivilsachen Bd. 79 S. 361) den zutreffenden Schluß gezogen, daß ein gewerbsmäßig abgeschlossenes Rückkaufsgeschäft in vollem Umfang, also auch in zivilrechtlicher Hinsicht , als Pfandleihgeschäft zu behandeln ist. Einzelne Oberverwaltungsgerichte (so das Urteil des Sächs. OVG vom 16. September 1913 - Gew. Arch. 13/589 und des Bayer. VGH vom 26. Oktober 1917 - Gew. Arch. 17/470) wollen die Wirkung der Vorschriften der Gewerbeordnung jedoch auf die dem öffentlichen Recht zugehörenden Verpflichtungen des Pfandleihers gegenüber der Polizeibehörde beschränken. Folgt man dieser Auffassung, so könnten die für Pfandleiher geltenden Vorschriften z.B. hinsichtlich der Verwertung des Pfandes umgangen werden. Um diese Möglichkeit auszuschließen, erscheint es zweckmäßig , den Abschluß von Rückkaufsgeschäften zu verbieten. Der neue Absatz 3 dient also der Klarstellung und bringt keine neue Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit. …
23
Aus diesen Ausführungen ergibt sich eindeutig, dass der nach § 34 Abs. 2 GewO a.F. immerhin noch im Rahmen eines Pfandleihgewerbes zulässige Rückkaufhandel (als besondere Form des Pfandleihgewerbes) durch § 34 Abs. 4 GewO generell und damit für jedermann verboten werden sollte.
24
bb) Die Bestimmung des § 34 Abs. 4 GewO verbietet nach ihrem Wortlaut zwar lediglich die Gewährung des Rückkaufsrechts, während die Vertragsparteien des Geschäftsmodells der Beklagten nach dem Wortlaut der dabei getroffenen vertraglichen Abrede ein Rücktrittsrecht vereinbart haben. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist aber nicht bereits deshalb eine unmittelbare Anwendung des § 34 Abs. 4 GewO ausgeschlossen und nur eine analoge Anwendung dieser Vorschrift möglich. Für die Beurteilung, ob das Geschäftsmodell der Beklagten vom Verbot des § 34 Abs. 4 GewO erfasst wird, ist es nicht maßgeblich, mit welchem Begriff die Vertragsparteien das dem Verkäufer (Darlehensnehmer) eingeräumte Recht bezeichnen. Maßgeblich ist vielmehr , ob dieses Recht nach seiner konkreten vertraglichen Ausgestaltung unter den durch Auslegung zu ermittelnden Begriff des Rückkaufsrechts gemäß § 34 Abs. 4 GewO fällt. Denn für die rechtliche Einordnung eines Vertrags ist weder die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge noch die von diesen gewählte Bezeichnung maßgeblich, sondern der tatsächliche Geschäftsinhalt der Vereinbarung (vgl. BGHZ 75, 299, 301 f.; BGH, Urt. v. 25.6.2002 - X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3318; Urt. v. 21.1.2003 - X ZR 261/01, NJW-RR 2003, 773).
25
cc) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der in § 34 Abs. 4 GewO gebrauchte Begriff des Rückkaufs mit dem in den §§ 456 bis 462 BGB verwendeten Begriff des Wiederverkaufs gleichzusetzen ist. Es hat in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, dass es sich bei der Bestimmung des § 34 Abs. 4 GewO um eine Vorschrift des öffentlichen Rechts handelt. Dementsprechend ist bei ihr allein die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts maßgeblich und daher zu prüfen, ob der Sache nach gewerbsmäßig durch Pfandrechte an beweglichen Sachen gesicherte Darlehen gegeben werden (so bereits - zu § 34 Abs. 2 GewO a.F. - Schenkel, Deutsche Gewerbeordnung nebst Vollzugsvorschriften, 1884, § 34 Bem. 1). In Übereinstimmung damit hat das Reichsgericht ausgesprochen, dass unter Rückkaufgeschäften verschleierte Pfandleihgeschäfte zu verstehen seien (RGZ 79, 361, 364; vgl. weiter Rohmer in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 8. Aufl., 1928, § 34 Anm. 8 m.w.N.). Für diese Auffassung spricht auch die Fassung des § 38 Abs. 2 Satz 2 GewO, in der diese Vorschrift seit der Novelle vom 23. Juli 1879 (RGBl. S. 267) bis zu ihrer Aufhebung durch Art. I Nr. 20 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vom 5. Februar 1960 (BGBl. I S. 61, ber. S. 92) gegolten hat. Danach waren bei einem Rückkaufhandelsgeschäft die Zahlung des Kaufpreises als Hingabe des Darlehens, der Unterschied zwischen dem Kaufpreis und dem verabredeten Rückkaufpreis als bedungene Vergütung für das Darlehen und die Übergabe der Sache als deren Verpfändung anzusehen. Hieraus ist zu schließen, dass für ein Rückkaufhandelsgeschäft allein diese Merkmale kennzeichnend waren. Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung wurde die in § 34 Abs. 2 GewO a.F. bestimmte Gleichstellung des Rückkaufhandels mit der Pfandleihe aufgegeben und stattdessen im neuen § 34 Abs. 4 GewO der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts überhaupt verboten. Eine Änderung des Begriffs des Rückkaufhandels war damit aber ersichtlich nicht bezweckt.
26
dd) Das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO erfasst damit alle vertraglichen Gestaltungen, bei denen der Verkäufer dem gewerblich handelnden Käufer das Eigentum an einer beweglichen Sache überträgt und sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung als Entgelt für die Überlassung des Kapitals und/oder den Verwaltungsaufwand des Käufers wieder verschaffen kann, die über einen Nutzungsersatz (vgl. § 346 Abs. 1, § 347 Abs. 1 Satz 1 BGB) hinausgeht. Diese Voraussetzungen erfüllt das Geschäftsmodell der Beklagten in der mit dem Unterlassungsantrag beanstandeten Ausgestaltung. Es spielt dabei keine Rolle, ob das dem Verkäufer in diesem Zusammenhang eingeräumte Gestaltungsrecht als Rückkaufsrecht oder - wie im Streitfall - als Rücktrittsrecht oder sonstwie bezeichnet ist.
27
f) Da § 34 Abs. 4 GewO lediglich eine bestimmte, für die Verkäufer (Darlehensnehmer ) möglicherweise besonders nachteilige Form des Pfandleihgewerbes verbietet, ist es den Pfandkreditgebern unbenommen, ihr Gewerbe auf der Grundlage einer ihnen gemäß § 34 Abs. 1 GewO erteilten Erlaubnis sowie unter Beachtung der Bestimmungen der gemäß der Ermächtigung in § 34 Abs. 2 GewO ergangenen Pfandleiherverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.6.1976 (BGBl. I, S. 1334) auszuüben. Das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO stellt daher im Blick auf Art. 12 GG eine nicht unverhältnismäßige Regelung der Berufsausübung dar (vgl. Höfling in Friauf aaO § 34 Rdn. 48; Marks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Januar 2002, § 34 Rdn. 25, jeweils m.w.N.).
28
g) Unter Berücksichtigung der vom Rückkaufhandel - wie dargelegt - ausgehenden besonderen Risiken stellt das Anbieten eines mit dem Verbot des § 34 Abs. 4 GewO unvereinbaren Geschäftsmodells auch keinen Bagatellverstoß i.S. des § 3 UWG 2004 sowie des § 3 Abs. 1 und 2 UWG 2008 dar.
29
2. Im Hinblick auf die Ausführungen zu vorstehend II 1 erweist sich der Klageantrag zu 2 gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V. mit §§ 3, 5 UWG 2004 und 2008 ebenfalls als begründet. Das in der beanstandeten Werbung der Beklagten als clevere, d.h. geschickte Alternative zur KFZ-Pfandleihe bezeichnete Finanzierungsmodell stellt tatsächlich eine für das angesprochene Publikum besonders nachteilige und zu seinem Schutz aus diesem Grund vom Gesetz sogar ausdrücklich als unzulässig erklärte Geschäftspraxis dar. Die damit gegebene Irreführung ist wettbewerbsrechtlich relevant (§ 5 UWG 2004; § 5 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 und 2 UWG 2008), weil sie sich auf einen Gesichtspunkt bezieht, der für die Marktentscheidung der Werbeadressaten von zentraler Bedeutung und daher geeignet ist, sie zu einer Marktentscheidung zu veranlassen , die sie ansonsten nicht getroffen hätten (vgl. Bornkamm in Hefermehl/ Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rdn. 2.179).

30
III. Nach allem ist der Klage unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des landgerichtlichen Urteils stattzugeben.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Bergmann Büscher Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 22.03.2007 - 4 HKO 17419/06 -
OLG München, Entscheidung vom 11.10.2007 - 29 U 2862/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 13/07 Verkündet am:
9. Juli 2009
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brillenversorgung
UWG § 4 Nr. 11; Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken Art. 3 Abs. 8;
MBO-Ä 1997 Kap. B § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5
Allein der Wunsch des Patienten, sämtliche Leistungen aus einer Hand zu erhalten
, reicht nicht aus, um eine Verweisung an einen bestimmten Optiker sowie
eine Abgabe und Anpassung der Brille durch den Augenarzt zu rechtfertigen.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 – I ZR 13/07 – OLG Celle
LG Hannover
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auch die Hilfsanträge abgewiesen worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist als Augenarzt in L. bei Hannover niedergelassen. Patienten, die nach seinem Untersuchungsbefund eine Brille benötigen, bietet er an, sich in seiner Praxis unter ca. 60 Musterbrillen der D. Optik GbR (nachfolgend: D. Optik), die ein Optikergeschäft in R. bei Düsseldorf betreibt, eine Fassung auszusuchen. Nach Auswahl der Fassung misst der Beklagte oder eine seiner Arzthelferinnen den Abstand zwischen Brillenscharnier und Ohrmuschel. Das Ergebnis dieser Messung teilt der Beklagte zusammen mit der augenärztlichen Verordnung sowie den von ihm ermittelten Werten der Pupillendistanz und des Hornhaut-Scheitel-Abstands der D. Optik mit. Diese wählt die Brillengläser aus, fertigt die Brille an und schickt die Brille entweder direkt an den Patienten oder auf dessen Wunsch an die Praxis des Beklagten, wo der Sitz der Brille kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert wird.
2
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hält das Verhalten des Beklagten für wettbewerbswidrig, weil es gegen § 34 Abs. 5 und § 3 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 22. März 2005 (NdsBOÄ) sowie gegen § 1 HandwO verstoße. Die Klägerin hat, soweit dies Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, in erster Instanz beantragt , es dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Patienten im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Refraktion den Abschluss eines Liefervertrags über eine Brille der D. Optik GbR zu vermitteln und/oder die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen und die von der D. Optik GbR angefertigte Brille an den Patienten abzugeben.
3
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.
4
In der Berufungsinstanz hat die Klägerin hilfsweise beantragt, dem ersten Teil des Unterlassungsantrags mit dem Zusatz „ohne hinreichenden Grund“ stattzugeben und dem zweiten Teil des Unterlassungsantrags mit der Einschränkung „soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind“.
5
Das Berufungsgericht hat die Klage – soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung – abgewiesen (OLG Celle WRP 2007, 198 = GRUR-RR 2007, 109). Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
7
Der auf das allgemeine Verbot der Vermittlung von Brillenlieferungen gerichtete Hauptantrag sei nur begründet, wenn es für die Vermittlung keinen hinreichenden Grund i.S. des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ geben könne oder wenn die Vermittlung eine gewerbliche Dienstleistung sei, die unter keinen Umständen notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie sei. Beides sei nicht der Fall. Entsprechendes gelte für den zweiten, auf ein Verbot der Brillenanpassung zielenden Hauptantrag, der auch nicht nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 1 HandwO begründet sei. Die im Zusammenhang mit der Brillenanpassung vom Beklagten durchgeführten Tätigkeiten gehörten nicht nur zum Berufsbild des Augenoptikers , sondern auch zu demjenigen des Augenarztes.
8
Mit den Hilfsanträgen habe die Klägerin ebenfalls keinen Erfolg. Ein Verstoß des Beklagten gegen § 34 Abs. 5 NdsBOÄ liege nicht vor, weil die vom Beklagten angebotene Versorgungsmöglichkeit gewährleiste, dass mit großer Sicherheit die vom Augenarzt vorgenommene Sehschärfenbestimmung bei der Anfertigung der Brille zugrunde gelegt werde. Darin liege ein hinreichender Grund i.S. des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ, da Optiker vielfach von sich aus anböten, die Sehschärfenbestimmung des Augenarztes zu wiederholen und deshalb die Gefahr bestehe, dass sie ein Brillenglas auswählten, das die Fehlsichtigkeit des Patienten nicht optimal behandele. Keines Beweises bedürfe, ob die vom Beklagten vorgelegten Bescheinigungen der Patienten über die Gründe ihrer Entscheidung für den vom Beklagten angebotenen Versorgungsweg (Unzufriedenheit mit dem Optiker, Bequemlichkeit der Versorgung „aus einer Hand“, kompetentere Beratung, medizinische Besonderheiten) zuträfen, was die Klägerin bestreite. Dafür, dass dem Beklagten ein sachlicher Grund für die Brillenlieferungen fehle, sei die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig.
9
Auch ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 NdsBOÄ liege nicht vor. Der Beklagte wolle zur besseren Versorgung seiner Patienten, insbesondere wenn bereits Beschwerden bei der Brillenbenutzung aufgetreten seien, eine größere Kontrolle hinsichtlich der Übereinstimmung der Brillengläser mit der Brillenverordnung erreichen. Dies liege im Rahmen der Kompetenz des Beklagten zur umfassenden medizinischen Versorgung der Patienten und sei deshalb notwendiger Bestandteil seiner ärztlichen Therapie.
10
II. Die Revision hat nur hinsichtlich der Hilfsanträge Erfolg. Insoweit kann ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 34 Abs. 5, § 3 Abs. 2 NdsBOÄ auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneint werden, so dass die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist. Im Übrigen hält das Revisionsurteil revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
11
1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) anzuwenden, mit dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Der im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zum Zeitpunkt seiner Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 – I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 – Direkt ab Werk; Urt. v. 28.6.2007 – I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Tz. 17 = WRP 2008, 220 – Telefonaktion). Das von der Klägerin beanstandete Verhalten des Beklagten fällt in die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414). Der Unterlassungsanspruch setzt daher voraus, dass das beanstandete Verhalten auch auf der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war.
12
Die für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Vorschriften der § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5 NdsBOÄ sind Marktverhaltensregelungen i.S. von § 4 Nr. 11 UWG; diese Bestimmung hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht nicht entgegen, dass diese Richtlinie, die die vollständige Harmonisierung der verbraucherschützenden Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn sie lässt alle spezifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt (Art. 3 Abs. 8 Richtlinie 2005/29/EG). Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen , die – wie die Regelungen in § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5 NdsBOÄ – das Marktverhalten in gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln, auch nach der Richtlinie zulässig (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 Rdn. 11.6a).
13
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Abweisung der Klage mit dem ersten Teil des Hauptantrags, mit dem dem Beklagten generell untersagt werden soll, Patienten im Zusammenhang mit einer durchgeführten Refraktion zum Zwecke des Erwerbs einer Brille an D. Optik zu vermitteln.
14
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht diesen Antrag schon deshalb als unbegründet angesehen, weil eine solche Vermittlung – das Gesetz spricht vom Verweisen der Patienten an bestimmte Anbieter – gemäß § 34 Abs. 5 NdsBOÄ nur dann unzulässig ist, wenn für sie kein hinreichender Grund vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 59/98, GRUR 2000, 1080, 1082 = WRP 2000, 1121 – Verkürzter Versorgungsweg). Dass ein solcher Grund bei der Verweisungstätigkeit des Beklagten stets fehlen würde, kann nicht angenommen werden. Wie der Senat bereits für eine Zusammenarbeit zwischen einem HalsNasen -Ohren-Arzt und einem Hörgeräteakustiker entschieden hat, kommen als sachlicher Grund für eine Verweisung beispielsweise die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten oder in der Vergangenheit gemachte schlechte Erfahrungen mit ortsansässigen Hilfsmittellieferanten in Betracht (BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg).
15
b) § 3 Abs. 2 NdsBOÄ untersagt dem Arzt unter anderem, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen, soweit die Dienstleistung nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Diese Bestimmung kann auf die in Rede stehenden Verweisungen an bestimmte Anbieter, hier an D. Optik, nicht angewendet werden. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Beklagte die Verweisung als gewerbliche Dienstleistung erbringt. Es handelt sich dabei auch um keine typischerweise im Rahmen eines Gewerbes ausgeübte Tätigkeit. Die Revision erhebt insoweit zu Recht keine Rüge.
16
3. Ebenfalls unbegründet ist der zweite Teil des Hauptantrags, mit dem dem Beklagten generell untersagt werden soll, die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen und die von D. Optik angefertigte Brille an den Patienten abzugeben.
17
a) § 3 Abs. 2 NdsBOÄ steht der Anpassung und Abgabe einer Brille durch einen Augenarzt im Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten nur entgegen, soweit sie nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Anpassung und Abgabe einer Brille durch den Beklagten unter keinen Umständen ein solcher notwendiger Therapiebestandteil sein können. Das erscheint vielmehr jedenfalls bei Patienten denkbar, bei denen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Sehbeschwerden und bisheriger Brillenversorgung naheliegt.
18
b) Der Beklagte verstößt auch nicht gegen § 1 HandwO, wenn er die Brillenanpassung vornimmt. Zwar gehören Tätigkeiten wie die Brillenglasberatung, die Korrektur des Brillensitzes und die Messung des Abstands zwischen Brillenscharnier und Ohrmuschel, die der Beklagte bei der Brillenanpassung ausübt, zum Handwerk des Augenoptikers. Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, sind sie jedoch ebenso Teil der Tätigkeit eines Augenarztes oder stehen mit dessen Tätigkeit jedenfalls in engem Zusammenhang. Damit scheidet ein Verstoß gegen § 1 HandwO aus (vgl. BGH GRUR 2000, 1080, 1081 – Verkürzter Versorgungsweg). Entgegen der Ansicht der Revision ist Voraussetzung für die Ausübung von Tätigkeiten eines Augenoptikers durch einen Augenarzt nicht, dass diese Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abrechenbar sind. In der genannten Entscheidung hat der Senat diesem Umstand lediglich eine indizielle Bedeutung für die Bejahung einer ärztlichen Tätigkeit beigemessen.
19
4. Die Revision der Klägerin hat jedoch Erfolg, soweit sie sich auf den Hilfsantrag zum ersten Teil des Hauptantrags bezieht. Mit diesem Antrag soll dem Beklagten untersagt werden, Patienten im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Refraktion ohne hinreichenden Grund den Abschluss eines Liefervertrags über eine Brille der D. Optik GbR zu vermitteln.
20
a) Der erste Hilfsantrag genügt trotz der den Wortlaut des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ wiederholenden Wörter „ohne hinreichenden Grund“ den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
21
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr.; vgl. BGHZ 156, 1, 8 f. – Paperboy; BGH, Urt. v. 24.2.2005 – I ZR 128/02, GRUR 2005, 304, 305 = WRP 2005, 739 – Fördermittelberatung , jeweils m.w.N.; Urt. v. 16.11.2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 16 = WRP 2007, 775 – Telefonwerbung für „Individualverträge“). Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1999 – I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; Urt. v. 12.7.2001 – I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 78 = WRP 2002, 85 – Rechenzentrum; GRUR 2007, 607 Tz. 16 – Telefonwerbung für „Individualverträge“

).


22
Die Klägerin hat sich bemüht, mit ihrem ersten Hilfsantrag auf die konkrete Verletzungsform Bezug zu nehmen (Vermittlung von Patienten an die D. Optik im Zusammenhang mit einer Refraktion). Der Antrag stellt dabei klar, dass das begehrte Verbot nicht gelten soll, wenn „hinreichende Gründe“ für die Vermittlung der Brillenlieferung vorliegen. Dabei ist der Begriff „hinrei- chende Gründe“ auslegungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen sich hinreichende Gründe i.S. des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ nicht unmittelbar aus dem Bereich der Medizin ergeben (vgl. BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg; BGH, Urt. v. 28.9.2000 – I ZR 141/98, GRUR 2001, 255, 256 = WRP 2001, 151 – Augenarztanschreiben ), sondern können auch mit der Qualität der Versorgung, mit der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und mit schlechten Erfahrungen mit anderen Anbietern begründet werden (BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg). Eine weitere Konkretisierung dessen, was im konkreten Fall hinreichende Gründe sein können, ist im Rahmen eines Unterlassungsantrags nicht möglich und kann von der Klägerin auch nicht verlangt werden. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ist die verbleibende Auslegungsbedürftigkeit der Antragsformulierung daher hinzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 = WRP 2002, 1269 – Zugabenbündel ; BGHZ 158, 174, 186 – Direktansprache am Arbeitsplatz I; BGH GRUR 2005, 604, 605 – Fördermittelberatung).
23
b) Das Berufungsgericht hat bereits darin einen hinreichenden Grund für die Verweisung der Patienten an einen bestimmten Anbieter im Sinne von § 34 Abs. 5 NdsBOÄ gesehen, dass Augenoptiker in vielen Fällen die Sehschärfenbestimmung des Augenarztes wiederholen und im Falle einer Abweichung das nach ihrer Ansicht richtige Brillenglas auswählen, das hinter der für den Patienten aus ärztlicher Sicht optimalen Therapie der Fehlsichtigkeit zurückbleibt. Mit der Verweisung des Patienten an die D. Optik wirke der Beklagte dieser Gefahr entgegen. Damit hat das Berufungsgericht zu geringe Anforderungen an das Merkmal des hinreichenden Grundes im Sinne des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ gestellt.
24
Träfe die Auffassung des Berufungsgerichts zu, wäre es Augenärzten unbeschränkt gestattet, Patienten an bestimmte Optiker zu verweisen. Denn die Gefahr, dass vom Patienten aufgesuchte Augenoptiker die Sehschärfenbestimmung des Augenarztes wiederholen und zu abweichenden Ergebnissen kommen, besteht bei jeder Brillenverordnung. Eine generelle Zulässigkeit der Verweisung an einen bestimmten Optiker ist aber mit § 34 Abs. 5 NdsBOÄ unvereinbar. Diese Bestimmung lässt die Verweisung an einen bestimmten Anbieter nur im Ausnahmefall zu. Im Regelfall soll dagegen die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten unter den Anbietern gesundheitlicher Hilfsmittel gewährleistet sein. Es ist – worauf die Revision mit Recht hinweist – nicht ersichtlich, warum der Beklagte die Gefahr der Auswahl eines von der ärztlichen Verordnung abweichenden Brillenglases nicht auf andere Weise – etwa durch einen entsprechenden Hinweis auf der Verordnung – ausschließen kann.
25
c) Die Abweisung des auf den ersten Teil des Unterlassungsantrags bezogenen Hilfsantrags erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Zwar kann den bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kein Verstoß gegen § 34 Abs. 5 NdsBOÄ entnommen werden. Die Revision rügt aber mit Erfolg, dass sich die – insofern grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtige (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2001 – I ZR 275/99, GRUR 2002, 271, 273 = WRP 2002, 211 – Hörgeräteversorgung) – Klägerin auch auf die elf Patientenerklärungen berufen hat, die der Beklagte – im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast – in den Prozess eingeführt hat. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sich bereits aufgrund dieser Erklärungen ein berufs- und damit wettbewerbswidriges Verhalten des Beklagten ergebe. Dem ist insofern zuzustimmen, als sich den fraglichen Patientenerklärungen keine hinreichenden Gründe für eine Verweisung an einen bestimmten Optiker entnehmen lassen. Die meisten Patienten geben lediglich Gründe der Bequemlichkeit an, die es für sie als vorteilhaft erscheinen lassen, dass alle Leistungen „aus einer Hand“ er- bracht werden. Auch dort, wo sich einzelne Patienten auf schlechte Erfahrungen mit einem örtlichen Optiker berufen, wird nicht deutlich, weshalb nicht auf andere örtliche Optiker zurückgegriffen werden konnte. Zu diesem Vorbringen des Beklagten, das sich die Klägerin zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat, hat das Berufungsgericht bislang noch keine Feststellungen getroffen.
26
5. Die Klägerin wendet sich auch mit Erfolg gegen die Abweisung ihres auf den zweiten Teil des Hauptantrags bezogenen Hilfsantrags. Damit begehrt sie, es dem Beklagten zu untersagen, die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen und die von der D. Optik GbR angefertigte Brille abzugeben, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie sind.
27
a) Gegen die Bestimmtheit des zweiten Hilfsantrags bestehen auch insoweit keine Bedenken, als dort der Wortlaut des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ wiedergegeben ist. Die Klägerin hat sich auch bei der Fassung des zweiten Hilfsantrags bemüht, die konkrete Verletzungsform zu erfassen (Durchführung der Brillenanpassung und Abgabe einer von der D. Optik angefertigten Brille). Sie hat deutlich gemacht, welche Dienstleistungen sie beanstandet und gegen die Abgabe welchen Produkts sie sich wendet. Der Antrag stellt ferner klar, dass das begehrte Verbot nicht gelten soll, wenn Abgabe oder Anpassung der Brille wegen Besonderheiten im konkreten Behandlungsfall notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Dabei bedarf der Begriff „notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie“ zwar ebenfalls der Auslegung. Dabei steht aber außer Zweifel, dass andere als medizinische Gründe – etwa die Unzufriedenheit des Patienten mit seinem bisherigen Optiker, die Bequemlichkeit der Versorgung des Patienten oder wirtschaftliche Interessen des Beklagten – nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden können. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist weiter geklärt, dass unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) grundsätzlich eine enge Auslegung des in § 3 Abs. 2 NdsBOÄ enthaltenen Verbotstatbestands und dementsprechend eine weite Auslegung des Begriffs der Produkte oder Dienstleistungen geboten ist, die notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie sind (BGH, Urt. v. 2.6.2005 – I ZR 215/02, GRUR 2005, 875 = WRP 2005, 1240 – Diabetesteststreifen; Urt. v. 29.5.2008 – I ZR 75/05, GRUR 2008, 816 = WRP 2008, 1178 Tz. 19 – Ernährungsberatung ). Eine weitere Konkretisierung dessen, was im konkreten Fall notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie sein kann, ist der Klägerin nicht möglich. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ist die verbleibende Auslegungsbedürftigkeit der Antragsformulierung daher hinzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 = WRP 2002, 1269 – Zugabenbündel; BGHZ 158, 174, 186 – Direktansprache am Arbeitsplatz I; BGH GRUR 2005, 604, 605 – Fördermittelberatung).
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b) Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte mit der Abgabe und Anpassung der von D. Optik an ihn geschickten Brillen eine Tätigkeit nach § 3 Abs. 2 NdsBOÄ ausübt, die nur zulässsig ist, wenn sie notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Dies gilt nicht nur für die Abgabe, sondern auch für die Anpassung der Brille. Hierbei handelt es sich um eine typische Leistung des Optikerhandwerks, die unabhängig davon eine gewerbliche Dienstleistung darstellt, ob der Beklagte hierfür vom Optiker eine Vergütung erhält oder nicht.
29
c) Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte nur dann Brillen abgegeben und angepasst hat, wenn diese Maßnahme als notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie angesehen werden konnte.
30
aa) Im Gegensatz zur Bestimmung des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ, die eine Verweisung an einen bestimmten Anbieter gesundheitlicher Leistungen auch aus Gründen gestattet, die nicht unmittelbar auf medizinischem Gebiet liegen (vgl. BGH GRUR 2001, 255, 256 – Augenarztanschreiben), lässt § 3 Abs. 2 NdsBOÄ die Abgabe von Produkten und die Erbringung gewerblicher Dienstleistungen nur aus medizinischen Gründen zu (vgl. BGH GRUR 2005, 875, 876 – Diabetesteststreifen, zur dort anwendbaren landesrechtlichen Bestimmung gleichen Inhalts).
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bb) Trotz der gebotenen weiten Auslegung der medizinischen Gründe gehören die Brillenanpassung und die Abgabe der Brille durch den Beklagten regelmäßig nicht ohne weiteres zu den notwendigen Bestandteilen ärztlicher Therapie. Soweit der Senat die Mitwirkung von HNO-Ärzten bei der Versorgung von Patienten mit Hörgeräten für medizinisch notwendig gehalten hat (BGH GRUR 2000, 1080, 1081 – Verkürzter Versorgungsweg; GRUR 2002, 271, 272 – Hörgeräteversorgung; GRUR 2005, 875, 876 – Diabetesteststreifen), lässt sich dies nicht auf den Streitfall übertragen. Denn der HNO-Arzt ist dort in den Prozess der Abgabe und Anpassung der Hörhilfe ohnehin eingebunden. Auch wenn der Patient das Hörgerät von einem örtlichen Hörgeräteakustiker erhalten hat, muss der HNO-Arzt erneut aufgesucht werden und gegenüber der Krankenkasse die ordnungsgemäße Versorgung bestätigen (BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg).
32
cc) Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 NdsBOÄ verneint, weil das beanstandete Verhalten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie gewesen sei. Der Beklagte habe auf diese Weise verhindern wollen, dass ein Optiker die in der ärztlichen Verordnung angegebenen Werte nach erneuter, von ihm selbst durchgeführter Bestimmung der subjektiven Refraktion verändere und an den Patienten eine Brille mit einer anderen als der verschriebenen Stärke abgebe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich mit dieser Begründung keine Ausnahme vom Verbot des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ rechtfertigen.
33
Die Vermeidung erneuter Sehschärfenmessungen durch Optiker stellt – wie dargelegt – keinen hinreichenden Grund für eine Verweisung gemäß § 34 Abs. 5 NdsBOÄ dar. Die entsprechende Maßnahme kann erst recht nicht als notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie betrachtet werden. Auch wenn dem Arzt bei der medizinischen Behandlung ein erhebliches therapeutisches Ermessen zusteht, erfordert die nach § 3 Abs. 2 NdsBOÄ gebotene Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes eine Auslegung des Begriffs der Notwendigkeit, die das Verbot des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ nicht leerlaufen lässt. Dementsprechend ist die medizinische Notwendigkeit der Abgabe eines Produkts oder der Erbringung einer gewerblichen Dienstleistung durch den Arzt jedenfalls dann, wenn sie im Ergebnis entgegen dem Zweck des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ zu einer unbeschränkten Zulässigkeit der Zusammenarbeit zwischen dem Arzt und einem bestimmten Anbieter von Hilfsmitteln führen würde, nur dann zu bejahen, wenn das aus medizinischen Gründen verfolgte Ziel nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann. Wie bereits dargelegt, kommt in Betracht, eine eigene Sehschärfenbestimmung durch den Optiker mit einem entsprechenden Vermerk auf der Brillenverordnung ausdrücklich auszuschließen. Die stets bestehende Möglichkeit der Refraktion durch den Optiker kann deshalb die Notwendigkeit der Brillenanpassung und -abgabe durch den Beklagten gemäß § 3 Abs. 2 NdsBOÄ nicht begründen.
34
dd) Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lassen auch sonst keine Umstände erkennen, die im Streitfall eine Ausnahme vom Verbot des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ rechtfertigen könnten. Auch insofern verweist die Revision mit Erfolg auf die vom Beklagten vorgelegten elf Patientenbescheinigun- gen, denen nicht entnommen werden kann, dass die Abgabe sowie die Anpassung der Brillen durch den Beklagten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie waren. Der Umstand, dass es einzelne Patienten aus Bequemlichkeitsgründen vorziehen, alle Leistungen aus einer Hand zu erhalten, machen Anpassung und Abgabe der Brille noch nicht zum Bestandteil der ärztlichen Therapie.
35
6. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Das Berufungsgericht hat es bislang bei der Prüfung der berufsrechtlichen Bestimmungen (§ 31 Abs. 5 und § 3 Abs. 2 NdsBOÄ) für ausreichend erachtet, dass der Beklagte einer Versorgung seiner Patienten mit Brillengläsern entgegenwirken wollte, die von der ärztlichen Verordnung abweichen. Aus seiner Sicht folgerichtig hat es zu dem Vorbringen des Beklagten, insbesondere zu den Patientenbescheinigungen , deren Inhalt sich die Klägerin jedenfalls hilfsweise zu eigen gemacht hat, noch keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 16.05.2006 - 26 O 130/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 21.12.2006 - 13 U 118/06 -

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.

(2) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar.

(3) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass

1.
die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat,
2.
die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und
3.
der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)