Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2003 - I ZR 8/01

bei uns veröffentlicht am22.05.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 8/01 Verkündet am:
22. Mai 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Einkaufsgutschein
In der Werbung mit Einkaufsgutscheinen über 10 DM aus Anlaß des Geburtstags
von Kunden erkennt der Verkehr die Ankündigung eines Preisnachlasses.
Die davon ausgehende Anlockwirkung ist nicht wettbewerbswidrig im Sinne von
BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - I ZR 8/01 - LG Karlsruhe
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 22. Mai 2003 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg,
Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Kammer für Handelssachen in Pforzheim - vom 14. Dezember 2000 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte, die ein großes Versandhaus betreibt, verschickte an Personen zu deren Geburtstag Einkaufsgutscheine über jeweils 10 DM.
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hat die Werbung unter Hinweis auf das Rabattgesetz und das Verbot des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG als wettbewerbswidrig beanstandet.
Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,

a) wie folgt zu werben:
Als kleine Geburtstagsüberraschung legen wir Ihnen einen Einkaufsgutschein über DM 10 bei. Einfach diese Marke auf Ihre nächste Bestellung kleben oder bei telefonischer Bestellung Ihre Vorteils-Nr. angeben - und Sie bezahlen automatisch DM 10 weniger, wobei unmittelbar neben dieser Angabe eine "Gutschein Marke" mit einer "Vorteils-Nr." abgedruckt ist und die Bestellkarte mit dem Hinweis "Auftragswert möglichst über DM 80" versehen ist,

b) entsprechend der vorstehenden Ankündigung zu verfahren, mithin bei der Aufgabe entsprechender Bestellungen einen Betrag in Höhe von 10 DM in Abzug zu bringen.
Weiter hat die Klägerin die Zahlung einer Abmahnkostenpauschale verlangt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Mit der (Sprung-)Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Landgericht hat die Klage wegen eines Verstoßes der angegriffenen Werbung gegen das Verbot des übertriebenen Anlockens für begründet erachtet und dazu ausgeführt:
Die Werbung richte sich in erheblichem Umfang auch an Bezieher mit geringem Einkommen. Diese würden, soweit das umfangreiche Warensortiment der Beklagten mit Artikeln mit niedrigen Preisen betroffen sei, durch die Gratisvergabe der Gutscheine unsachlich beeinflußt. Sie träfen die Kaufentscheidung nicht nach der Attraktivität des Preis-, Qualitäts- und Leistungsangebots der Beklagten, sondern ließen sich von der Vorstellung leiten, das Geldgeschenk von 10 DM zu realisieren. Die Beklagte verzerre durch den Aufwand mit produktfremden Leistungen, der in ihrer Preiskalkulation seinen Niederschlag finden müsse, den Wettbewerb zu Lasten der Qualität des Leistungs- und Warenangebots. Die von der Beklagten angeführte Praxis anderer Versandhäuser bei der Verteilung von Gutscheinen sei mit dem beanstandeten Vorgehen nicht vergleichbar.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
1. Die beanstandete Werbung ist nicht unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG unlauter.

a) Bei der Beurteilung des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs der Klägerin ist zu berücksichtigen, daß sich die Rechtslage im Laufe
des Revisionsverfahrens infolge der Aufhebung des Rabattgesetzes geändert hat. Diese Rechtsänderung ist bei der Entscheidung des Revisionsgerichts zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 141, 329, 336 - Tele-Info-CD). Die Rechtslage ist nunmehr allein nach § 1 UWG zu beurteilen.

b) Das Landgericht, das einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG bejaht hat, hat nicht hinreichend berücksichtigt, daß die in Form eines Einkaufsgutscheins über 10 DM gewährte Vergünstigung sich der Sache nach als ein Preisnachlaß beim Wareneinkauf darstellt und der verständige Verbraucher dies erkennt. Die Anlockwirkung, die von einer besonders günstigen Preisgestaltung ausgeht, ist jedoch niemals wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs (vgl. BGH, Urt. v. 13.6.2002 - I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 980 = WRP 2002, 1259 - Kopplungsangebot II). Eine das zulässige Maß übersteigende Werbung kann zwar in eng begrenzten Einzelfällen - insbesondere wenn ein Teil eines Angebots unentgeltlich gewährt werden soll - gegeben sein, sofern von der Vergünstigung eine derart starke Anziehungskraft ausgeht, daß der Kunde davon abgehalten wird, sich mit dem Angebot der Mitbewerber zu befassen. Von einem übertriebenen, die Wettbewerbswidrigkeit begründenden Anlocken kann in diesem Zusammenhang aber nur ausgegangen werden, wenn auch bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.2002 - I ZR 45/00, GRUR 2002, 1000, 1002 = WRP 2002, 1133 - Testbestellung; BGHZ 151, 84, 89 - Kopplungsangebot I; BGH GRUR 2002, 979, 981 - Kopplungsangebot II). Dies gilt auch im Falle der Gewährung einer unmittelbaren oder durch die Überlassung eines Wertgutscheins mittelbaren Geldzuwendung. Beruht die Anlockwirkung, wie dies vorliegend für den Empfänger des Einkaufsgutscheins mit der Ankündigung eines Preisnachlasses von 10 DM auf alle Waren des Angebots der Be-
klagten gegeben ist, allein auf der Preisvergünstigung, berührt dies die Rationalität der Nachfrageentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise nicht. Dies gilt unabhängig davon, an welche Verkehrskreise sich das Angebot der Beklagten gerichtet hat. Auf die Annahme des Landgerichts, für Kunden mit geringem Einkommen wie Rentner, in Ausbildung befindliche Personen, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger trete die Möglichkeit, durch den Wertgutschein 10 DM zu sparen, so weit in den Vordergrund, daß sie sich zum Kauf von Gegenständen des täglichen Bedarfs entschlössen, ohne die Angebote der Konkurrenz zu prüfen, kommt es danach nicht an.

c) Die beanstandete Werbung ist auch nicht deshalb wettbewerbswidrig, weil die Beklagte - nach Ansicht der Revisionserwiderung - nicht ausreichend deutlich gemacht hat, unter welchen Bedingungen der Gutschein eingelöst werden kann.
Allerdings ist es wettbewerbswidrig, wenn dem Verbraucher für den Fall des Erwerbs einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Leistung Vergünstigungen versprochen werden und dies in einer Weise geschieht, daß die Kunden über den tatsächlichen Wert des Angebots getäuscht oder doch unzureichend informiert werden (vgl. BGH GRUR 2002, 979, 981 f. - Kopplungsangebot

II).


Ob die Beklagte in dieser Weise wettbewerbswidrig gehandelt hat, kann aber dahinstehen. Ein etwaiger Verstoß ist nicht Gegenstand des Unterlassungsantrags der Klägerin. Diese hat das Charakteristische der Verletzungshandlung nicht in einer Irreführung über den Wert des Angebots, sondern in einem Verstoß gegen das Rabattgesetz und das Verbot übertriebenen Anlokkens gesehen.

2. Da das Verhalten der Beklagten nicht unlauter i.S. von § 1 UWG ist, können auch das Verbot, entsprechend der Werbung zu verfahren, und die Verurteilung zur Zahlung der Abmahnkosten keinen Bestand haben.
III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.
v. Ungern-Sternberg Bornkamm Pokrant
Büscher Schaffert

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2003 - I ZR 8/01

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2003 - I ZR 8/01

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. (2) Vorschri
Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2003 - I ZR 8/01 zitiert 3 §§.

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juni 2002 - I ZR 71/01

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Referenzen

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 71/01 Verkündet am:
13. Juni 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Kopplungsangebot II
Die Werbung für ein Kopplungsangebot, das aus einem Stromlieferungsvertrag mit
einer Laufzeit von mindestens zwei Jahren und einem Fernsehgerät für 1 DM besteht
, ist wettbewerbswidrig, wenn die Bedingungen, unter denen die Vergünstigung
gewährt wird, nicht hinreichend deutlich werden.
BGH, Urt. v. 13. Juni 2002 – I ZR 71/01 – OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Februar 2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die Klägerin verurteilt worden ist, „ein Fernsehgerät unter Preisangabe ... wie angekündigt zu gewähren“.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 29. August 2000 auf die Berufung der Klägerin abgeändert.
Die Widerklage wird insoweit abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 90 %, die Beklagte 10 % zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin vertreibt unter anderem Fernseh-, Hifi- und Elektrogeräte. Gemeinsam mit einem zum selben Konzern gehörenden, wie sie in Köln ansässigen Schwesterunternehmen bot die Klägerin unter der Überschrift „Der größte Saftladen“ in einer mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 20. März 2000 verteilten Werbebeilage ein dem Typ nach bezeichnetes tragbares Fernsehgerät der Marke Grundig zum Preis von 1 DM an. Ein bei der blickfangmäßig herausgestellten Preisangabe angebrachter Stern verwies den Leser auf einen kleinen, senkrecht gestellten Kasten. Dort heißt es:
*Preis gilt nur in Verbindung mit dem Abschluß eines Power & More-Stromvertrages mit einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten.
In einem weiteren Kasten finden sich unter der Überschrift „Wir machen Ihnen ein saftiges Angebot“ nähere Angaben zu einem Stromvertrag. Dort heißt es:
Saft von Ares Laufzeit: 24 Monate Grundgebühr: 9,90 DM/Monat Verbrauchsgebühr: 0,27 DM/KWh
Die entsprechende Seite dieser Werbebeilage ist nachstehend verkleinert und in schwarz/weiß wiedergegeben:
Die Beklagte ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie hat diese Werbung unter Hinweis auf die Zugabeverordnung, auf das Verbot des übertriebenen Anlockens nach § 1 UWG und auf § 3 UWG als wettbewerbswidrig beanstandet. Im Wege der Widerklage – die von der Klägerin zunächst erhobene negative Feststellungsklage haben die Parteien nach Erhebung der Widerklage übereinstimmend für erledigt erklärt – hat die Beklagte beantragt,
die Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung wie ... (oben) wiedergegeben ein Fernsehgerät unter Preisangabe anzukündigen und/oder wie angekündigt zu gewähren.
Ferner hat die Beklagte die Zahlung einer Abmahnkostenpauschale beansprucht.
Das Landgericht hat die Klägerin antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Köln GRUR 2001, 853).
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Widerklageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die angegriffene Werbung unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens als nach § 1 UWG wettbewerbswidrig angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Von dem Angebot gehe eine hohe Anlockwirkung aus, die jenseits der Gren- ze des wettbewerbsrechtlich Zulässigen liege. Das ergebe sich aus dem niedrigen Preis für das Fernsehgerät, der nicht einmal ein Prozent seines Handelswertes ausmache. Der Verbraucher wisse, daß Fernsehgeräte im Handel zu Preisen in einer Größenordnung von mehreren Hundert Mark abgegeben würden. Es bestehe danach die Gefahr, daß der Kunde von diesem Angebot magisch angezogen den Stromlieferungsvertrag in dem Bestreben abschließe, das angebotene Fernsehgerät praktisch unentgeltlich zu erhalten, ohne zuvor die Konditionen näher zu prüfen und sich mit den Tarifen der Wettbewerber, insbesondere seines bisherigen Stromlieferanten, zu befassen.
Die Kombination eines Fernsehgeräts mit einem Stromlieferungsvertrag stelle auch kein einheitliches Angebot dar. Eine Funktionseinheit zwischen Fernsehgerät und Stromlieferung bestehe nicht, weil der von der Werbung angesprochene Interessent bereits über Strom verfüge, der zur selbstverständlichen Grundausstattung der Haushalte gehöre. Er habe infolgedessen keinen weiteren Bedarf für das gekoppelte Angebot zum Abschluß eines Stromlieferungsvertrages, das im Gegenteil für ihn mit der zusätzlichen Belästigung verbunden sei, es nur nutzen zu können, wenn er das bestehende Dauerschuldverhältnis mit seinem alten Stromlieferanten aufkündige. Im wirtschaftlichen und juristischen Endergebnis sei der mit dem Erwerb des Fernsehgerätes gekoppelte Stromlieferungsvertrag daher keine unabdingbare oder auch nur sinnvolle Ergänzung zum Gerätekauf, sondern eher ein Wermutstropfen, den der Erwerber des Gerätes zu schlucken habe.
Auch die Vorstellung des Verkehrs über die Finanzierung des beworbenen Fernsehgerätes rechtfertige die Annahme nicht, es handele sich um ein einheitliches Geschäft. Der Verbraucher werde nicht ohne weiteres annehmen, daß die Klägerin beziehungsweise der Stromlieferant das Gerät durch entsprechend höher
kalkulierte Tarife für den abzunehmenden Strom finanziere. Denn der Verbraucher wisse, daß der Strommarkt erst vor kurzem liberalisiert worden sei, und werde die Werbung daher als den Versuch des Stromlieferanten ansehen, auf dem bislang monopolisierten Markt Fuß zu fassen. Es liege damit aus Sicht des Verkehrs nahe , daß das Gerät nicht durch die Einnahmen aus der Stromlieferung finanziert werde, sondern die für seine Abgabe zum Preis von nur 1 DM entstehenden Kosten im Rahmen der Bemühungen, Marktanteile zu erschließen, investiert würden.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die beanstandete Werbung der Klägerin im Ergebnis mit Recht als wettbewerbswidrig angesehen. Jedoch geht die Verurteilung insofern zu weit, als der Klägerin nicht nur die beanstandete Werbung, sondern auch entsprechende Vertragsabschlüsse („... Fernsehgeräte ... wie angekündigt zu gewähren“) untersagt worden sind.
1. Im Streitfall stellt sich nicht die Frage, ob die Beklagte den Unterlassungsanspruch in mißbräuchlicher Weise geltend gemacht hat (vgl. BGHZ 144, 165 – Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH, Urt. v. 6.4.2000 – I ZR 114/98, GRUR 2001, 84 = WRP 2000, 1266 – Neu in Bielefeld II; Urt. v. 24.5.2000 – I ZR 222/97, GRUR 2001, 78 = WRP 2000, 1402 – Falsche Herstellerpreisempfehlung ; Urt. v. 20.12.2001 – I ZR 15/98, WRP 2002, 980, 981 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung; Urt. v. 20.12.2001 – I ZR 215/98, WRP 2002, 977, 979 – Scanner-Werbung). Zwar hat die Beklagte nicht nur die Klägerin, sondern gleichzeitig auch das ebenfalls für die beanstandete Werbung verantwortliche Kölner Schwesterunternehmen der Klägerin in getrennten Klageverfahren vor dem Landgericht Köln auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie hat damit jedoch im Wege der Widerklage auf die beiden getrennt erhobenen negativen Feststellungsklagen reagiert; für die getrennte Inanspruchnahme bestand somit ein vernünftiger Grund. Da die Parteien hinsichtlich der negativen Feststellungsklage
übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben, bedarf es keiner Klärung, ob sich die Erhebung der beiden getrennten negativen Feststellungsklagen als mißbräuchlich darstellt.
2. Der Beklagten steht gegenüber der Klägerin ein Unterlassungsanspruch nach § 1 i.V. mit § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu. Nach Aufhebung der Zugabeverordnung ist es der Klägerin zwar auch nach § 1 UWG nicht mehr verwehrt, die Abgabe von zwei, keine Funktionseinheit bildenden Produkten in der Weise miteinander zu verbinden, daß bei Erwerb des einen Produkts das andere Produkt ohne Berechnung oder unter Berechnung eines nominellen Betrags abgegeben wird. Derartige Angebote sind inzwischen grundsätzlich als zulässig anzusehen. Im Hinblick auf die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung und Irreführung der Verbraucher müssen jedoch bei derartigen Kopplungsangeboten bestimmte Anforderungen erfüllt sein, vor allem um einer Täuschung der Verbraucher über den tatsächlichen Wert des Angebots entgegenzuwirken, aber auch um zu vermeiden, daß durch mangelnde Transparenz die Rationalität der Nachfrageentscheidung auf seiten der Verbraucher über Gebühr zurückgedrängt wird. Die in diesem Zusammenhang an die Preisinformation zu stellenden Anforderungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die beanstandete Werbung stellt sich daher als nach § 1 UWG wettbewerbswidrig dar.

a) Die Beklagte macht im Streitfall im wesentlichen einen in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch geltend. Ob ihr ein solcher Anspruch zusteht, ist auch in der Revisionsinstanz allein nach dem zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu beantworten (vgl. BGHZ 141, 329, 336 – Tele-Info-CD; BGH, Urt. v. 14.3.2000 – KZR 15/98, WRP 2000, 759, 760 – Zahnersatz aus Manila; Urt. v. 25.10.2001 – I ZR 29/99, WRP 2002, 679, 680 – Vertretung der Anwalts -GmbH). Der rechtlichen Beurteilung ist daher die seit Erlaß des Berufungsurteils durch Aufhebung der Zugabeverordnung veränderte Rechtslage zugrunde
zu legen (Gesetz zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften v. 23.7.2001, BGBl. I S. 1661).

b) Das Berufungsgericht hat für die Prüfung eines Wettbewerbsverstoßes nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens maßgeblich darauf abgestellt, daß zwischen Fernsehgerät und Stromlieferung keine Funktionseinheit bestehe und die Kombination sich daher nicht als ein einheitliches Angebot darstelle. Dem ist zwar zuzustimmen, weil der Erwerber eines Fernsehgeräts trotz des damit verbundenen Energiebedarfs in aller Regel nicht auf einen neuen Stromlieferungsvertrag angewiesen ist. Nach Aufhebung der Zugabeverordnung kommt es aber auf diesen Gesichtspunkt und auf die entsprechenden Angriffe der Revision nicht mehr entscheidend an. Auch § 1 UWG steht einer Gewährung von Zugaben grundsätzlich nicht mehr im Wege.
aa) Bis zur Aufhebung der Zugabeverordnung war die Rechtslage dadurch gekennzeichnet, daß das gesetzlich ausdrücklich geregelte Zugabeverbot durch das in der Rechtsprechung zu § 1 UWG entwickelte Verbot des übertriebenen Anlockens, eines Unterfalls der Wertreklame, ergänzt wurde. So hat der Senat in den Entscheidungen, in denen es um die Werbung für ein Mobiltelefon ging, das bei Abschluß eines Netzkartenvertrages ohne oder fast ohne gesondertes Entgelt abgegeben werden sollte, sowohl für die zugaberechtliche Prüfung als auch für die Prüfung nach § 1 UWG maßgeblich darauf abgestellt, daß es sich bei Mobiltelefon und Netzkartenvertrag um ein einheitliches Angebot handelte (vgl. BGHZ 139, 368, 372 f. u. 374 f. – Handy für 0,00 DM; BGH, Urt. v. 8.10.1998 – I ZR 7/97, GRUR 1999, 261, 263 = WRP 1999, 94 – Handy-Endpreis; Urt. v. 8.10.1998 – I ZR 147/97, WRP 1999, 517, 518 f.; Urt. v. 6.10.1999 – I ZR 242/97, NJWEWettbR 2000, 232 f. – Handy „fast geschenkt“ für 0,49 DM). Bildete die gewährte Vergünstigung mit der Hauptleistung eine Einheit, so fehlte es nicht nur an einer Zugabe, sondern auch am Einsatz eines unsachlichen Mittels der Kundenbeein-
flussung und damit an einem Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG. Denn die Werbung mit der besonders günstigen Abgabe eines Mobiltelefons stellte sich in diesem Fall als ein legitimer Hinweis auf den günstigen, durch verschiedene Bestandteile geprägten Preis der angebotenen Gesamtleistung dar; die Anlockwirkung , die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist niemals wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs.
bb) Die Aufhebung der Zugabeverordnung beeinflußt auch die Auslegung von § 1 UWG. Im Hinblick auf das gewandelte Verbraucherbild und die Auswirkungen der europäischen Harmonisierung auf das Lauterkeitsrecht hat der Gesetzgeber ein generelles Zugabeverbot nicht mehr für erforderlich gehalten (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Aufhebung der Zugabeverordnung , BT-Drucks. 14/5594, S. 8). Dieser gesetzgeberische Wille muß sich auch darin niederschlagen, was im Rahmen des § 1 UWG als sittenwidrig anzusehen ist; er kann nicht dadurch unterlaufen werden, daß die Sachverhalte, die in der Vergangenheit unter die Zugabeverordnung fielen, unverändert – nunmehr als Wettbewerbsverstöße nach § 1 UWG – verfolgt werden können (vgl. Berlit, WRP 2001, 349, 351; Heermann/Ruess, WRP 2001, 883, 886; Fezer, WRP 2001, 989, 1008; Köhler, GRUR 2001, 1067, 1068 f.; Steinbeck, ZIP 2001, 1741, 1745; zurückhaltender dagegen Cordes, WRP 2001, 867, 869 f.; Berneke, WRP 2001, 615, 617; Dittmer, BB 2001, 1961, 1963; J. B. Nordemann, NJW 2001, 2505, 2510 f.; vgl. ferner die großzügigere Betrachtungsweise in der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte: OLG Celle GRUR 2001, 855; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2002, 40; KG NJW-RR 2002, 42; OLG Karlsruhe GRUR-RR 2002, 168).
Werden dem Verbraucher für den Fall des Erwerbs einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Leistung Vergünstigungen, insbesondere Geschenke, versprochen , liegt darin auch dann nicht ohne weiteres ein übertriebenes Anlocken, wenn Hauptleistung und Geschenk sich aus der Sicht des Verbrauchers nicht als
ein funktionell einheitliches Angebot darstellen. Vielmehr ist es dem Kaufmann grundsätzlich gestattet, verschiedene Angebote miteinander zu verbinden; dies gilt auch dann, wenn ein Teil der auf diese Weise gekoppelten Waren oder Leistungen ohne gesondertes Entgelt abgegeben wird (vgl. Köhler, GRUR 2001, 1067, 1069).

c) Damit ist indessen nicht gesagt, daß derartige Kopplungsangebote uneingeschränkt zulässig wären. Vielmehr tritt an die Stelle eines generellen Verbots , das sich bislang aus der Zugabeverordnung ergab und in ähnlicher Form der Generalklausel des § 1 UWG entnommen wurde, eine Art Mißbrauchskontrolle, die sich nicht allein auf § 3 UWG und § 1 PAngV (dazu BGHZ 139, 368, 375 ff. – Handy für 0,00 DM; BGH GRUR 1999, 261, 264 – Handy-Endpreis), sondern auch unmittelbar auf § 1 UWG stützen kann. Hierbei können die Fälle mißbräuchlicher Kopplungsangebote zu einer einheitlichen Fallgruppe zusammengefaßt werden, die für sämtliche Kopplungsgeschäfte – neben Zugaben sind dies die offenen oder verdeckten Kopplungsangebote (vgl. dazu BGH, Urt. v. 30.11.1995 – I ZR 233/93, GRUR 1996, 363 = WRP 1996, 286 – Saustarke Angebote) sowie die Vorspannangebote (vgl. BGHZ 65, 68 – Vorspannangebot; BGH, Urt. v. 30.6.1976 – I ZR 119/74, GRUR 1976, 637, 638 = WRP 1976, 555 – Rustikale Brettchen; Urt. v. 28.1.1999 – I ZR 192/96, GRUR 1999, 755, 756 f. = WRP 1999, 828 – Altkleider -Wertgutscheine) – Geltung beanspruchen kann.
aa) Die Anforderungen, die das Wettbewerbsrecht an die Zulässigkeit von Kopplungsangeboten stellt, müssen sich an den Gefahren orientieren, die von derartigen Geschäften für die Verbraucher ausgehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Gefahr, daß diese über den tatsächlichen Wert des Angebots getäuscht oder doch unzureichend informiert werden (vgl. die Bestimmung des Art. 3 lit. g des schweizerischen UWG, die als Regelbeispiel unlauteren Wettbewerbs vorsieht, daß Kunden durch Zugaben über den tatsächlichen Wert des Angebots getäuscht
werden; dazu Baudenbacher/Glöckner, Lauterkeitsrecht, Art. 3 lit. g UWG Rdn. 73 ff.). Die Homogenität von Wirtschaftsgütern führt dazu, daß sich Angebote leicht vergleichen lassen; sie fördert daher Preisklarheit und Preiswahrheit. Kopplungsangebote können zwar Ausdruck eines gesunden Wettbewerbs sein, durch sie wird aber eine Heterogenität des Angebots gefördert, die nicht nur den Preisvergleich durch den Verbraucher erschwert, sondern darüber hinaus ein gewisses Irreführungs- und Preisverschleierungspotential birgt (vgl. Köhler, GRUR 2001, 1067, 1071; ferner BGH, Urt. v. 17.9.1998 – I ZR 117/96, GRUR 1999, 515, 517 f. = WRP 1999, 424 – Bonusmeilen). Im Interesse der Verbraucher ist daher eine Transparenz des Angebots zu fordern (vgl. auch § 7 Nr. 3 TDG; dazu Fezer, WRP 2001, 989, 1015; Köhler, GRUR 2001, 1067, 1070). Außerdem kann von Kopplungsangeboten – insbesondere wenn ein Teil des Angebots unentgeltlich gewährt werden soll – in Einzelfällen eine so starke Anlockwirkung ausgehen, daß auch bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt. Zuweilen kann die Gefahr für die Verbraucher – wie häufig bei den an ein Absatzgeschäft gekoppelten Gewinnspielen (BGH, Urt. v. 5.2.1998 – I ZR 151/95, GRUR 1998, 735, 736 = WRP 1998, 724 – Rubbelaktion; Urt. v. 11.4.2002 – I ZR 225/99, Umdr. S. 7 – Gewinnspiel im Radio) – auch in unzureichender Information verbunden mit einer hohen Anlockwirkung liegen.
bb) Das Wettbewerbsrecht muß diesen Gefahren Rechnung tragen.
(1) Weder der Generalklausel des § 1 UWG noch dem Tatbestand des § 3 UWG können indessen absolute Grenzen entnommen werden. Selbst wertvolle Zugaben müssen ein Angebot nicht intransparent machen; sie müssen auch nicht zu einer irrationalen Nachfrageentscheidung führen. Daher können keine festen (relativen) Wertgrenzen bestimmt werden, jenseits deren eine Zugabe stets wettbewerbswidrig ist (vgl. dazu Lange/Spätgens, Rabatte und Zugaben im Wettbe-
werb [2001], Rdn. 439; J. B. Nordemann, NJW 2001, 2505, 2511; Cordes, WRP 2001, 867, 870). Dabei ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch zu berücksichtigen, daß Zugaben unter bestimmten Bedingungen dazu beitragen können, Außenseitern den Marktzutritt zu erleichtern, wenn – wie es die Klägerin für den liberalisierten Strommarkt geltend macht – das Verbraucherverhalten durch ein gewisses Beharren gekennzeichnet ist und dem Außenseiter erhebliche Zugeständnisse abnötigt.
(2) Die von Köhler (GRUR 2001, 1067, 1071 ff.) für sinnvoll gehaltene Verpflichtung , stets den Wert einer Zugabe anzugeben, kann weder der Generalklausel des § 1 UWG noch dem Irreführungsverbot entnommen werden. Eine solche allgemeine Pflicht zu begründen, wäre dem Gesetzgeber vorbehalten (vgl. den Entwurf der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Verkaufsförderung , BR-Drucks. 853/01; dazu Göhre, WRP 2002, 36 ff.; Kretschmer, GRUR 2002, 42 f.; Fezer, WuW 2002, 217). Ungeachtet der spezifischen Pflichten, die sich auch nach geltendem Recht aus der Preisangabenverordnung ergeben, ist eine solche aus §§ 1 und 3 UWG begründete Verpflichtung aber immer dann anzunehmen , wenn die Gefahr besteht, daß die Verbraucher über den Wert des tatsächlichen Angebots, namentlich über den Wert der angebotenen Zusatzleistung, getäuscht oder sonst unzureichend informiert werden. In diesen Fällen fordert das Transparenzgebot eine entsprechende Aufklärung.
(3) Darüber hinaus gilt für Kopplungsangebote generell die Verpflichtung, daß Preise einheitlich zu bewerben sind. Wettbewerbswidrig ist es insbesondere, in der Werbung allein das Versprechen unentgeltlicher Teilleistungen oder den günstigen Preis einer Teilleistung herauszustellen, ohne gleichzeitig in klarer Zuordnung leicht erkennbar und deutlich lesbar auf das Entgelt hinzuweisen, das für den anderen Teil des Kopplungsangebotes verlangt wird (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 PAngV). Gegenüber dem herausgestellten Hinweis auf die günstige Teilleistung
dürfen dabei die Angaben, aus denen sich die wirtschaftliche Belastung des Verbrauchers ergibt, nicht vollständig in den Hintergrund treten (vgl. BGHZ 139, 368, 375 ff. – Handy für 0,00 DM; BGH GRUR 1999, 261, 264 – Handy-Endpreis).

d) Die beanstandete Werbung stellt sich danach als ein Fall eines mißbräuchlichen Kopplungsangebots dar, weil die Klägerin die Bedingungen, unter denen sie die Zugabe gewährt, nicht hinreichend deutlich gemacht hat. Während der Preis für das Fernsehgerät blickfangmäßig in der größten Schrifttype gehalten ist, verweist der dort angebrachte Stern auf einen kleinen Kasten rechts neben dem abgebildeten Fernsehgerät. Die in diesem Kasten enthaltene Information ist als einziger Text der Anzeige nicht waagrecht, sondern senkrecht gesetzt, so daß der Leser die Anzeige um 90° drehen muß, um den Inhalt lesen zu können. Hinzu kommt, daß dem Kästchen, auf das der Stern verweist, keine näheren Angaben zu den Bedingungen des abzuschließenden Stromvertrags zu entnehmen sind. Der Leser erfährt lediglich, daß er einen „Power & More-Stromvertrag mit einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten“ abschließen muß, um in den Genuß des Fernsehgerätes zum Preis von 1 DM zu kommen. Lediglich in dem Kasten unter der Abbildung des Fernsehgeräts finden sich weitere Angaben zu den Bedingungen, zu denen ein Stromvertrag abgeschlossen werden kann. Auf diesen in waagrechter und deutlich größerer Schrift gehaltenen Text verweist der Stern bei der Preisangabe jedoch nicht. Gerade für den aufmerksamen Betrachter, der mit Bedacht zur Kenntnis nimmt, daß es einen Kasten mit Sternchenverknüpfung (mit Angabe nur zu einer Mindestlaufzeit) und einen anderen Kasten ohne Sternchenverknüpfung (mit Angaben sowohl zu einer Mindestlaufzeit als auch zu bestimmten Preisbestandteilen ) gibt, bleibt unklar, welche Preisbestandteile für denjenigen Stromlieferungsvertrag gelten sollen, der beim Erwerb des Fernsehgerätes zum Preis von 1 DM abzuschließen ist. Dies läßt die Revision außer acht, wenn sie – in anderem Zusammenhang – ausführt, die gut wahrnehmbar angegebenen, für den
Verbraucher erforderlichen Preisbestandteile seien über einen Sternchenhinweis dem blickfangmäßig herausgestellten Preis für das Fernsehgerät „klar zugeordnet“.
3. Die Verurteilung geht jedoch insofern zu weit, als es der Klägerin untersagt worden ist, die angekündigten Vorteile („Fernsehgerät für 1 DM“) zu gewähren , also Verträge entsprechend der beanstandeten Werbung abzuschließen. Anders als die Zugabeverordnung, die nicht allein die Ankündigung, sondern auch das Gewähren von Zugaben untersagte, käme ein aus § 1 UWG begründetes Verbot des Gewährens von Zugaben nur in Betracht, wenn die für die wettbewerbsrechtliche Bewertung der Werbung maßgeblichen Umstände stets auch bei Abschluß des entsprechenden Kopplungsgeschäfts vorlägen (vgl. BGH GRUR 1999, 261, 264 – Handy-Endpreis; Urt. v. 7.6.2001 – I ZR 81/98, BGH-Rep 2002, 76 – Für’n Appel und n’Ei). Hiervon kann indessen keine Rede sein; denn das Informationsdefizit , um das es im Streitfall allein geht, kann bei Abschluß des Folgegeschäfts durch eine entsprechende Aufklärung im Verkaufsgespräch beseitigt sein.
4. Da die Beklagte die fragliche Werbung zu Recht beanstandet hat, kann sie auch die Kosten der Abmahnung ersetzt verlangen.
III. Danach ist die Revision der Klägerin im wesentlichen zurückzuweisen. Lediglich insoweit, als die Klägerin verurteilt worden ist, es zu unterlassen, die angekündigten Vorteile zu gewähren, ist das Berufungsurteil aufzuheben. In diesem Punkt ist die Widerklage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Erdmann RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg ist an Bornkamm der Unterschriftsleistung infolge Urlaubs verhindert. Erdmann
Büscher Schaffert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 45/00 Verkündet am:
6. Juni 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Testbestellung
Das Angebot, bei einer Testbestellung von Kosmetikartikeln im Mindestwert von
55,-- DM einen Baumwollschal zum Preis von 2,-- DM erwerben zu können,
wobei der Kunde den Schal behalten kann, wenn er von dem ihm eingeräumten
Recht auf Rücksendung der übrigen Ware Gebrauch macht, ist weder unter
dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens noch unter dem des psychischen
Kaufzwangs als unlauter i.S. des § 1 UWG zu beanstanden.
BGH, Urt. v. 6. Juni 2002 - I ZR 45/00 - OLG Köln
LG Aachen
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Pokrant und Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. Januar 2000 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen vom 29. Juni 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte betreibt bundesweit einen Versandhandel mit Kosmetikartikeln. Sie bewarb ihre Produkte im September 1998 mit der nachstehend verkleinert wiedergegebenen Werbeanzeige:
Der klagende Verband, dessen Satzungszweck in der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs besteht, hält das Angebot der Beklagten, bei einer Testbestellung von Kosmetikartikeln im Gesamtwert von 55,-- DM einen Schal zum Preis von 2,-- DM erwerben zu können, wobei der Kunde den Schal behalten kann, wenn er von dem ihm eingeräumten Recht auf Rücksendung der übrigen Ware Gebrauch macht, unter den Gesichtspunkten des übertriebenen Anlockens und des psychischen Kaufzwangs für wettbewerbswidrig und nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Er hat behauptet, der für 2,-- DM angebotene Schal habe einen Wert von 20,-- bis 30,-- DM. Deshalb spreche eine Vermutung für das Vorliegen eines Scheinentgelts, die die Beklagte nicht entkräftet habe. Bei der angegriffenen Werbung handele es sich um eine Wertreklame , weil das Angebot, einen Schal für 2,-- DM zu erwerben, nicht isoliert stehe und auch nicht isoliert, sondern in seiner Verkoppelung mit der Voraussetzung angegriffen werde, Testware im Wert von mindestens 55,-- DM zu bestellen. Auf diese Weise solle der interessierte Kunde verführt werden, sich mit dem breiten Angebot der Beklagten zu befassen und die bestellte Ware anschließend auch zu behalten. Der Bereich der zulässigen Aufmerksamkeitswerbung sei im Streitfall überschritten, weil der Kunde nicht nur veranlaßt werde, die Testware aus dem Katalog zusammenzusuchen, sondern diese auch zu behalten.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat behauptet, der Wert des Schals betrage lediglich 10,-- DM; davon gingen auch die angesprochenen Verkehrskreise aus. Sie biete den Schal nicht zu einem Scheinentgelt an, sondern gebe lediglich ihre Einkaufsvorteile an die Besteller weiter. Ein übertriebenes Anlocken liege nicht vor, weil ihre Werbung nicht über eine bloße Aufmerksamkeitswerbung hinausgehe. Überdies fehle es an einer Wertreklame, da sie den
Schal lediglich als Sonderangebot offeriere. Es sei indes nicht sittenwidrig, Ware vorübergehend als Lockware besonders preisgünstig anzubieten.
Die Werbung verstoûe auch nicht unter dem Gesichtspunkt des psychischen Kaufzwangs gegen § 1 UWG. Es werde nicht mit auûerhalb der Sache liegenden Mitteln der Einfluûnahme derart auf die Willensentscheidung des Umworbenen eingewirkt, daû dieser zumindest anstandshalber nicht umhin könne, auf das Angebot einzugehen. Überdies handele es sich um einen Kauf auf Probe, bei dem der Kaufvertrag erst zustande komme, wenn der Kunde die bestellte Ware gebilligt habe.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäû zur Unterlassung verurteilt.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit der Maûgabe zurückgewiesen , daû der Hauptausspruch - unter Abänderung eines in der Berufungsinstanz neu gestellten Antrags - wie folgt gefaût wird:
Die Beklagte wird unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie in der vorstehend wiedergegebenen Werbeanzeige für den Fall einer Testbestellung von Kosmetikartikeln im Gesamtwert von mindestens 55,-- DM einen als "topmodischen Baumwollschal agnés b." bezeichneten Schal zum Preis von 2,-- DM unter Einräumung des Rechts anzubieten und/oder zu bewerben, daû die Kunden den Schal bei Rücksendung der übrigen Ware behalten können. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte hilfsweise, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, das angegriffene Angebot eines Schals zum Kaufpreis von 2,-- DM sei unter den Gesichtspunkten des übertriebenen Anlockens und des psychischen Kaufzwangs wettbewerbswidrig und deshalb gemäû § 1 UWG zu untersagen. Dazu hat es ausgeführt:
Die genannten Unlauterkeitsaspekte stellten Unterfälle der sogenannten Wertreklame dar, deren Voraussetzungen im Streitfall ersichtlich erfüllt seien. Die Grenzen zwischen den beiden Unterarten der Wertreklame seien allerdings flieûend. Ein übertriebenes Anlocken liege vor, wenn von der Vergünstigung eine derart starke Anziehungskraft ausgehe, daû der Kunde "gleichsam magnetisch" angezogen und davon abgehalten werde, sich mit dem Angebot der Mitbewerber zu befassen. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn der Kunde dazu verleitet werde, seine Kaufentscheidung statt nach Preiswürdigkeit und Qualität der angebotenen Ware danach zu treffen, ob ihm beim Kauf besondere zusätzliche Vergünstigungen gewährt würden. Ein Fall des psychischen Kaufzwangs sei demgegenüber dann gegeben, wenn die Kunden durch die Vergünstigung in eine Situation gerieten, in der es ihnen peinlich sei oder sie es sogar als unanständig empfänden, die Ware nicht auch zum regulären Preis zu erwerben.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sei das angegriffene Angebot bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände als unlauter zu bewerten, wobei sich die Sittenwidrigkeit aus einer Kombination der in Betracht kommenden Unlauterkeitskriterien ergebe.

Dem Angebot des Schals für 2,-- DM komme für sich allein zwar noch keine im wettbewerbsrechtlichen Sinne unlautere Anlockwirkung zu. Es komme aber die Notwendigkeit hinzu, Ware in Höhe eines Werts von mindestens 55,-- DM zur Ansicht bestellen zu müssen. Der Kunde habe zwar formal das Recht zur Rücksendung der bestellten Ware binnen einer Frist von 14 Tagen. Seine Situation stelle sich ihm aber ähnlich wie bei einem rechtlichen Kaufzwang dar. Der Kunde sei gezwungen eine Testbestellung aufzugeben, was einem Kauf der Ware bereits sehr nahe komme. Das zeige insbesondere die Angabe der Beklagten, wonach nur 6,9 % der Ware zurückgegeben werde; die Kaufentscheidung sei im allgemeinen offenbar schon mit der Bestellung getroffen. Bei der Beurteilung der angegriffenen Werbemaûnahme müsse zudem berücksichtigt werden, daû auch Elemente des psychischen Kaufzwangs bei dem beworbenen Geschäft wirksam würden. Denn ein Kunde, der nur den Schal für 2,-- DM behalten wolle, werde sich scheuen, die übrige Ware insgesamt zurückzuschicken , weil dies den Eindruck erwecke, er habe es von vornherein gerade nur auf den Schal abgesehen gehabt.
Die Beklagte berufe sich demgegenüber ohne Erfolg auf ein gewandeltes Verbraucherleitbild. Auch der von ihr als maûgeblich angesehene durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher werde durch das Angebot in übertriebener Weise angelockt und finde sich nach Erhalt der Ware in der beschriebenen psychischen Situation wieder.
Das Angebot der Beklagten sei auch ersichtlich geeignet, den Wettbewerb auf dem Kosmetikmarkt wesentlich zu beeinträchtigen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG).
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
Bei einseitiger Erledigungserklärung des Klägers, die grundsätzlich auch in der Revisionsinstanz zulässig ist (BGHZ 106, 359, 368), ist zu prüfen, ob die Klageforderung bis zu dem die Erledigung begründenden Ereignis, das im übrigen auûer Streit stehen muû, bestanden hat oder nicht. Im Streitfall ist das erledigende Ereignis, das die Revisionserwiderung in einem mit der Aufhebung der Zugabeverordnung im Juli 2001 verbundenen Wandel der Rechtsprechung sieht, schon nicht unbestritten. Im übrigen erweist die Klage sich aber auch als von Anfang an unbegründet.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die angegriffene Werbung weder unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens noch unter dem des psychischen Kaufzwangs als unlauter i.S. des § 1 UWG zu beanstanden. Auch eine Kombination von Elementen beider Gesichtspunkte führt hier nicht zur Wettbewerbswidrigkeit. Das Berufungsgericht hat bei seiner abweichenden Beurteilung die Gesamtumstände nicht hinreichend gewürdigt und insbesondere die Besonderheiten des Versandhandels nicht in ausreichendem Maûe berücksichtigt.

a) Die beanstandete Werbung ist dem Bereich der Wertreklame zuzurechnen , deren Besonderheit darin besteht, daû dem Kunden zu Werbezwekken eine geldwerte Vergünstigung gewährt wird, indem ihm im Zusammenhang mit dem Abschluû eines Geschäfts eine Ware oder Leistung unentgeltlich oder jedenfalls verbilligt überlassen wird (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.1992 - I ZR 176/90, GRUR 1992, 621, 622 = WRP 1992, 644 - Glücksball-Festival; Urt. v. 15.2.1996 - I ZR 1/94, GRUR 1996, 778, 780 = WRP 1996, 889 - Stumme Verkäufer; Urt.
v. 26.3.1998 - I ZR 231/95, GRUR 1998, 1037, 1038 = WRP 1998, 727 - Schmuck-Set, m.w.N.; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 192). Vorliegend erhält der Besteller von Produkten der Beklagten den angebotenen Schal nicht kostenlos, sondern muû für dessen Erwerb 2,-- DM bezahlen. Das Berufungsgericht hat insoweit aber zutreffend und von der Revision unbeanstandet darauf abgestellt, daû der Schal jedenfalls einen höheren Verkaufswert als 2,-- DM hat. Der Verkauf zum angebotenen Preis stellt somit eine besondere Vergünstigung für den Erwerber dar.
Das Berufungsgericht hat im rechtlichen Ansatz auch nicht verkannt, daû Werbegeschenke nicht schlechthin wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG sind. Es müssen vielmehr im Einzelfall weitere Umstände hinzutreten, die die Vergünstigung als sittenwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.1989 - I ZR 138/86, GRUR 1989, 366, 367 = WRP 1990, 28 - Wirtschaftsmagazin; Urt. v. 12.10.1989 - I ZR 155/87, GRUR 1990, 44, 45 = WRP 1990, 266 - Annoncen -Avis; BGH GRUR 1992, 621, 622 - Glücksball-Festival; BGH GRUR 1998, 1037, 1038 - Schmuck-Set). Eine solche, das zulässige Maû übersteigende Werbung kann gegeben sein, wenn von der Vergünstigung eine derart starke Anziehungskraft ausgeht, daû der Kunde davon abgehalten wird, sich mit dem Angebot der Mitbewerber zu befassen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 90b; Köhler/Piper aaO § 1 Rdn. 196). Denn es ist mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht zu vereinbaren , daû der umworbene Verbraucher verleitet wird, seine Kaufentscheidung statt nach Preiswürdigkeit und Qualität der angebotenen Ware danach zu treffen , ob ihm beim Kauf besondere zusätzliche Vergünstigungen gewährt werden. Für die Beurteilung der Wertreklame als unlauter ist demnach maûgeblich darauf abzustellen, ob die in der Werbung in Aussicht gestellte Vergünstigung die Kaufentscheidung in dem beschriebenen Sinne entscheidend zu beeinflus-
sen vermag; dies wird vor allem dann anzunehmen sein, wenn der Kunde durch die Gewährung der Vergünstigung einem psychischen Zwang ausgesetzt ist. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung fallen Anlaû und Wert der Zuwendung, Art des Vertriebs sowie die begleitende Werbung ins Gewicht (vgl. BGH GRUR 1998, 1037, 1038 - Schmuck-Set).

b) Das Berufungsgericht ist im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen , daû von dem Angebot des Schals für 2,-- DM als solchem keine übertriebene unlautere Anlockwirkung ausgeht. Mit Recht wendet sich die Revision aber gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Notwendigkeit, Ware in Höhe eines Werts von mindestens 55,-- DM zur Ansicht bestellen zu müssen, führe zur Sittenwidrigkeit des Angebots, weil der Besteller in eine Situation versetzt werde, die derjenigen eines rechtlichen Kaufzwangs sehr ähnlich sei. Bei dieser Beurteilung hat das Berufungsgericht wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen.
aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts läût sich eine Nähe zum rechtlichen Kaufzwang - unabhängig davon, ob ein derartiger Zwang nach der Aufhebung der Zugabeverordnung für sich genommen noch zur Wettbewerbswidrigkeit führt - nicht damit begründen, daû die Rücksendequote nach den Angaben der Beklagten nicht mehr als 6,9 % beträgt. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daû berücksichtigt werden muû, daû die Testbestellung auch von Personen aufgegeben wird, die aufgrund früherer Käufe mit den Produkten der Beklagten bereits vertraut sind und deshalb erfahrungsgemäû eine Rücksendung von vornherein nicht in Betracht ziehen. Ferner müssen bei der Beurteilung der Anlockwirkung auch diejenigen Kunden unberücksichtigt bleiben , die die lediglich zur Ansicht bestellte Ware nur aus Bequemlichkeit oder sonstigen praktischen Gründen nicht zurückschicken.

bb) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung ferner nicht hinreichend berücksichtigt, daû die Beklagte ihre Produkte im Wege des Versandhandels vertreibt. Wer Ware über den Versandhandel bestellt, ist weit weniger einer Einfluûnahme durch den Verkäufer ausgesetzt als der Kunde des stationären Handels, da er seine Kaufentscheidung in Ruhe, in räumlicher Distanz und ohne Einfluûnahme von auûen treffen kann (vgl. BGH GRUR 1998, 1037, 1038 - Schmuck-Set). Dementsprechend können auch die Kunden der Beklagten ihre Entscheidung, Ware zu bestellen und das Angebot zum Erwerb des Baumwollschals in Anspruch zu nehmen, unbeeinfluût nach eingehender Durchsicht des gesamten Werbematerials der Beklagten treffen. Gleiches gilt für die Frage, ob die zugesandten Produkte auch tatsächlich gekauft werden sollen. Die verständigen und informierten Durchschnittsverbraucher können daher die Vor- und Nachteile des Geschäfts sorgfältig abwägen und sind aus diesem Grund gegenüber unsachlichen Beeinflussungen erfahrungsgemäû weniger anfällig.
Es kommt hinzu - worauf die Revision ebenfalls mit Recht hinweist -, daû die Beklagte den Testzweck der Warenbestellung sowohl auf der Werbeseite selbst als auch auf der Rückseite ausdrücklich hervorhebt. Für den Kunden ist damit hinreichend erkennbar, daû er sich mit einer Bestellung nicht endgültig bindet.
cc) Das Berufungsgericht hätte auch berücksichtigen müssen, daû die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, die kostenlose oder verbilligte Beigabe von Vergünstigungen im Versandhandel sei durchweg üblich. Der Verkehr ist daher an solche Angebote gewöhnt und miût ihnen erfahrungsgemäû keine allein kaufentscheidende Bedeutung bei (vgl. BGH GRUR 1989, 366, 368
- Wirtschaftsmagazin). Daran ändert auch der Umstand nichts, daû die Beklagte dem angebotenen Baumwollschal in der beanstandeten Anzeige positive Attribute beigelegt hat. Denn jede Werbung, auch soweit darin Geschenke versprochen werden, ist darauf ausgerichtet, das beworbene Produkt, mag sein Wert auch gering sein, positiv darzustellen. Ein Werbegeschenk, das dem Kunden als billig erscheint, widerspräche dem Sinn der Werbung, die unternehmerische Leistung herauszustellen. Der Verbraucher erwartet daher ohnehin, daû auch eine Gratisgabe nicht unattraktiv ist (vgl. BGH GRUR 1998, 1037, 1039 - Schmuck-Set). Über diese für den Verbraucher selbstverständliche attraktive Darstellung des Werbeangebots geht die Ankündigung in der beanstandeten Werbung nicht hinaus. Das Angebot enthält auch keinen Hinweis auf einen derart hohen Wert des Baumwollschals, daû bei dem Kunden ein besonderes Gefühl der Dankbarkeit ausgelöst würde und er sich deshalb von vornherein nicht nur zu einer Teilbestellung, sondern zu einem verbindlichen Kauf anderer Waren im Werte von mindestens 55,-- DM veranlaût sähe.
2. Die Revision beanstandet auch mit Recht, daû das Berufungsgericht angenommen hat, durch das Angebot des Baumwollschals werde auf die Umworbenen ein psychischer Kaufzwang ausgeübt, der sowohl für sich gesehen als auch in Verbindung mit einer starken Anlockwirkung als unlauter zu werten sei.

a) Eine Werbemaûnahme erweist sich unter dem Gesichtspunkt des psychischen Kaufzwangs dann als unlauter, wenn mit auûerhalb der Sache liegenden Mitteln der Einfluûnahme derart auf die Willensentscheidung des Umworbenen eingewirkt wird, daû dieser zumindest anstandshalber nicht umhin kann, auf das Angebot einzugehen (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 - I ZR 151/95, GRUR 1998, 735, 736 = WRP 1998, 724 - Rubbelaktion; Urt. v. 17.2.2000
- I ZR 239/97, GRUR 2000, 820, 821 = WRP 2000, 724 - Space Fidelity PeepShow ). Eine derartige Einfluûnahme auf die umworbenen Kunden der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Streitfall nicht ersichtlich.

b) Das Berufungsgericht hätte stärker berücksichtigen müssen, daû zwischen den Kunden und dem Personal der Beklagten kein persönlicher Kontakt zustande kommt, da das gesamte Geschäft ausschlieûlich auf postalischem Wege abgewickelt wird (vgl. BGH GRUR 1998, 735, 736 - Rubbelaktion). Auch bei Rückgabe der bestellten Ware sieht sich der Kunde keinem Verkäufer gegenüber , dem er etwa in peinlicher Weise den Grund für seine Entscheidung erläutern müûte. Da auch die Beklagte dem Kunden nicht persönlich, sondern nur mit ihrem Werbematerial gegenübertritt, wird der Kunde wegen des Angebots des Baumwollschals erfahrungsgemäû auch kein besonderes Gefühl der Dankbarkeit hegen, das ihn von einer Rücksendung der Ware abhalten könnte, zumal sich dem Angebot auch keine Anhaltspunkte für einen besonders hohen Wert des Baumwollschals entnehmen lassen (vgl. oben unter II. 1. b). Schlieûlich hat das Berufungsgericht nicht genügend gewürdigt, daû die Beklagte die umworbenen Kunden mehrfach auf das Rückgaberecht hinweist. Diese werden sich deshalb nach der Lebenserfahrung auch nicht scheuen, die bestellte Ware gegebenenfalls ohne den angeforderten Schal zurückzusenden, zumal sie diese Entscheidung von auûen unbeeinfluût und in Ruhe bei sich zu Hause treffen können.
3. Die Klage war ursprünglich auch nicht wegen eines Verstoûes gegen Bestimmungen der während des Revisionsverfahrens aufgehobenen Zugabeverordnung begründet.
Das Berufungsgericht hat einen Zugabeverstoû mit der Begründung verneint , daû es angesichts des Rechts der Kunden, die Testware zurückgeben zu können, an einer Abhängigkeit der Gewährung der Nebenware vom Erwerb der Hauptware fehle. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben und das landgerichtliche Urteil abzuändern. Die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Erdmann RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg Starck ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Erdmann Pokrant Büscher

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.