Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2002 - III ZR 16/02

bei uns veröffentlicht am12.12.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 16/02
Verkündet am:
12. Dezember 2002
Freitag,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 12. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne
und die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 5. November 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin nimmt den beklagten Notar wegen Amtspflichtverletzung bei der Beurkundung eines Kaufvertrags über zwei Eigentumswohnungen - Übersehen einer Grundschuld von 300.000 DM, zu deren Beseitigung der Verkäufer außerstande war - auf Schadensersatz in Anspruch. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das erste Revisionsurteil des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 9. November 2000 verwiesen (IX ZR 310/99 = LM BNotO
§ 19 Nr. 77 = NJW-RR 2001, 1428). Nach der Aufhebung des ersten Berufungsurteils hat die Klägerin im erneuten Berufungsverfahren ihren Anspruch in Höhe von 144.152,03 DM nebst Zinsen weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat ihr hiervon 76.023,03 DM nebst Zinsen zugesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, der weiterhin die vollständige Klageabweisung anstrebt.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt im Umfang der Anfechtung durch den Beklagten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


1. Aus der - nicht mehr streitigen - schuldhaften Amtspflichtverletzung des beklagten Notars und dem Fehlen anderweitiger Ersatzmöglichkeiten für die Klägerin ergibt sich, daß der Beklagte - vorbehaltlich der Frage eines Mitverschuldens der Klägerin (dazu unten II) - die Klägerin im Wege des Schadensersatzes (§ 19 Abs. 1 BNotO) so stellen muß, wie sie stünde, wenn der Beklagte sich pflichtgemäß verhalten hätte. Es kommt also darauf an, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Notars (hier: Hinweis auf die als Grundschuldbelastung existierende Grundschuld) genommen hätten, insbesondere wie die Klägerin darauf reagiert hätte, und wie ihre Vermögenslage dann wäre. Diesen haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwi-
schen Haftungsgrund und Schaden hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen, wobei die Be- weisführung durch die Anwendung des § 287 ZPO und die Regeln über den Beweis des ersten Anscheins erleichtert wird (vgl. BGH, Urteile vom 27. Mai 1993 - IX ZR 66/92 - NJW 1993, 2744, 2746 und vom 18. November 1999 - IX ZR 402/97 - NJW 2000, 664, 677).
2. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Klägerin im Falle der Offenlegung der bei der Beurkundung vom 23. Oktober 1992 übersehenen Grundschuld vom Erwerb der beiden Eigentumswohnungen in Würzburg Abstand genommen hätte, und spricht auf dieser Grundlage der Klägerin die (fehlgeschlagenen ) Aufwendungen für dieses Geschäft als Schadensersatz zu (Differenz zwischen dem Kaufpreis von 280.000 DM und dem späteren Verkaufserlös von 179.000 DM: 101.000 DM plus 3.152,03 DM Vertragskosten plus 5.600 DM Grunderwerbsteuer plus 1.951 DM Notar- und Grundbuchkosten , abzüglich 35.680 DM Mieteinnahmen = 76.023,03 DM). Soweit der Beklagte geltend mache, die Klägerin hätte die beiden Grundstücke auch bei Offenlegung der Grundschuld gekauft, trage er als Schädiger die Beweislast "dafür, daß der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Verhalten seinerseits eingetreten wäre".

a) Die hiergegen gerichtete Rüge der Revision ist im Ergebnis unbegründet. Die Revision hat zwar darin Recht, daß es im vorliegenden Zusammenhang - anders als es im Urteil des Berufungsgerichts anklingt - nicht um Fragen des sogenannten rechtmäßigen Alternativverhaltens (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. Vorbem. vor § 249 Rn. 105 ff), sondern um den grundsätzlich vom Geschädigten darzulegenden haftungsausfüllenden Ursachenzusam-
menhang geht (vgl. BGH, Urteile vom 21. November 1996 - IX ZR 220/95 - NJW-RR 1997, 562 und vom 13. April 2000 - IX ZR 432/98 - NJW 2000, 2110). Indessen spricht im Streitfall angesichts dessen, daß der Verkäufer der Eigentumswohnungen , J. F. , nach seinen Vermögensverhältnissen außerstande war, die auf dem Kaufgegenstand lastende Grundschuld zu beseitigen, zumindest eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin, bei Offenlegung der Grundschuld den Kaufvertrag nicht abgeschlossen zu haben. Der Beklagte hat nichts entgegengesetzt, was diesen Vortrag entkräften könnte.
Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, das Berufungsgericht habe hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast seine Hinweispflicht nach §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO a.F. verletzt, braucht darauf im Revisionsverfahren schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil das angefochtene Urteil ohnehin der Aufhebung unterliegt (siehe unten II.), so daß der Beklagte Gelegenheit hat, im erneuten Berufungsverfahren sein Vorbringen zu ergänzen.

b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision auch, daß das Berufungsgericht es abgelehnt hat, vom Schaden der Klägerin einen Betrag von 80.000 DM (Teil des Kaufpreises von 280.000 DM für die gekauften beiden Eigentumswohnungen ) abzusetzen, der aufgrund einer Abtretung des Verkäufers, J. F. , an die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin überwiesen wurde. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat bereits im ersten Revisionsurteil ausgesprochen, daß dieser Vorgang nicht ohne weiteres den Schluß darauf zulasse, die Klägerin habe im wirtschaftlichen Ergebnis nur 200.000 DM gezahlt. Dem widerspricht die Revision nicht.

Sie meint jedoch, da die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin den Betrag von 80.000 DM vom Verkäufer "ohne den Kaufvertragsabschluß nicht erhalten hätte", läge darin - bei Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin - ein mit dem schädigenden Ereignis ursächlich verknüpfter Vermögensvorteil einer der Klägerin nahestehenden Person, die die Klägerin sich anrechnen lassen müsse. Dem folgt der Senat nicht. Zweifelhaft ist schon, ob der vorliegende Sachverhalt ausreicht, um einen für die Vorteilsausgleichung maßgeblichen "Vorteil" der Adressatin der 80.000 DM anzunehmen; der Beklagte behauptet nicht, daß die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin keinen fälligen Zahlungsanspruch gegen J. F. in dieser Höhe hatte. Jedenfalls haben bei der Vorteilsausgleichung Vorteile, die bei Dritten entstehen, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Das mag im Einzelfall unbillig sein und ausnahmsweise zu einer Anrechnung führen, wenn das schädigende Ereignis darin besteht , daß ein Vermögensgegenstand nicht dem Geschädigten, sondern einer ihm nahestehenden Person zufließt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1979 - VI ZR 212/77 - NJW 1979, 2033; MünchKomm/Oetker BGB 4. Aufl. 249 Rn. 225). Dafür reicht jedoch die bloße Tatsache der Zahlung eines Teils des von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschuldeten Kaufpreises aufgrund einer Abtretung des Verkäufers an die Ehefrau des Geschäftsführers dieser Gesellschaft nicht aus.

II.


Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Behandlung der Frage eines Mitverschuldens der Klägerin bei der Entstehung und Entwicklung
des Schadens (§ 254 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 BGB) durch das Berufungsgericht.
1. Der Schaden der Klägerin aufgrund der Amtspflichtverletzung des Beklagten bei dem Kaufvertrag vom 23. Oktober 1992 wäre vermieden worden, wenn die Verträge vom 14. Dezember 1994 zur Durchführung gekommen wären , durch die die Klägerin die beiden gekauften Eigentumswohnungen für je 160.000 DM an die LV-Vermögensverwaltung GmbH & Co. KG (im folgenden: LVG) weiterverkaufte.

a) In § 3 C dieser Kaufverträge heißt es:
"Insbesondere verpflichtet sich der Verkäufer auch, dafür zu sorgen , daß die Gesamtgrundschuld Abt. III Nr. 2 (die streitgegenständliche Grundschuld) gelöscht wird. Sollte der Verkäufer dem Käufer nicht bis spätestens zum Ablauf des 29.12.1994 nachgewiesen haben, daß ihm, der amtierenden Notarin, ... (dem Beklagten ) oder dem Grundbuchamt Würzburg die Löschungsbewilligung hinsichtlich der Grundschuld Abteilung III Nr. 2 verfügungsfrei vorliegt, so ist der Käufer danach jederzeit berechtigt, ohne Abmahnung durch einfache schriftliche Erklärung an die amtierende Notarin von diesem Kaufvertrag zurückzutreten; Telefax genügt der Schriftform. Das Rücktrittsrecht besteht nur, solange der Rücktrittsgrund andauert ..".

b) Im ersten Revisionsurteil des IX. Zivilsenats vom 9. November 2000 ist hierzu ausgeführt:
"Nach dem - bislang, soweit ersichtlich, unbestritten gebliebenen - Vortrag des Beklagten wurde er von der Klägerin nicht über den genauen Inhalt der beiden am 14. Dezember 1994 beurkundeten Kaufverträge unterrichtet.
Insbesondere hatte er von der knapp bemessenen Rücktrittsfrist keine Kenntnis. Den Zeitpunkt des Fristablaufs durfte die Klägerin dem Beklagten nicht vorenthalten. Zwar hatten ihre Anwälte ihm unter dem 28. November 1994 geschrieben , die Klägerin werde die Immobilien bis spätestens 15. Dezember 1994 veräußern. Gleichzeitig hatten sie angekündigt, dem Käufer werde ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt werden, daß der Erwerb nicht lastenfrei erfolgen könne. Die Länge der Frist, innerhalb deren das Rücktrittsrecht auszuüben war, hatten sie aber nicht mitgeteilt. Es bestand deshalb die Gefahr, daß der Beklagte die Freistellung der Immobilien von der Grundschuld nicht fristgemäß bewirkte, obwohl ihm dies grundsätzlich möglich gewesen wäre. Daß der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 8. Dezember 1994 in Aussicht gestellt hatte, die Abwicklung werde noch in diesem Jahr erfolgen, durfte die Klägerin nicht zum Anlaß nehmen, dem Beklagten zu verschweigen, daß die von ihr mit dem Erwerber vereinbarte Frist bereits am 29. Dezember 1994 ablaufe.
Erheblich ist ferner der - unbestritten gebliebene - Vortrag des Beklagten , seine Anwälte hätten mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 den gegnerischen Anwälten mitgeteilt, die Löschungsbewilligung sei heute bei uns eingegangen. Man dürfe aber erst darüber verfügen, wenn die Abfindungszahlung, deren Überweisung sofort veranlaßt worden sei, bei der Grundpfandgläubigerin eingegangen sei. Sobald die Grundpfandgläubigerin den Eingang der Zahlung bestätige, werde die Löschungsbewilligung an die Anwälte der Klägerin weitergeleitet werden. Dies werde innerhalb weniger Tage der Fall sein. Dieses Schreiben ist am 29. Dezember 1994 bei den Anwälten der Klägerin eingegangen. In Anbetracht des Umstandes, daß der Beklagte und seine anwaltlichen Vertreter nicht wissen konnten, daß die Rücktrittsfrist an eben diesem Tage
ablief, wären die Anwälte der Klägerin verpflichtet gewesen, die Gegenseite - telefonisch, durch Fax oder E-Mail - darauf aufmerksam zu machen, daß alles , was später erfolgte, zu spät sein würde. Eine solche Nachricht ist unterblieben. Wäre sie erfolgt, hätte die Zahlung möglicherweise - z.B. durch BlitzGiro - beschleunigt werden können. Wäre sie spätestens am 30. Dezember 1994 bei der Grundpfandgläubigerin eingegangen und hätte der Beklagte daraufhin der LVG noch an diesem Tage - vor Absendung des Telefax - bestätigt, daß ihm die Löschungsbewilligung verfügungsfrei vorliege, wäre die Ausübung des Rücktrittsrechts bereits ausgeschlossen gewesen (§ 3 C Abs. 1 Satz 3 der Kaufverträge)."
2. a) Hierzu führt das Berufungsgericht nunmehr aus: Ein Mitverschulden auf seiten der Klägerin sei vom Beklagten nicht dargetan. Dieser trage nur vor, wenn die Klägerin ihn genauestens über die Bestimmungen des mit der LVG abgeschlossenen Kaufvertrags, insbesondere auch über den Ablauftermin des Rücktrittsrechts, informiert hätte, wäre die Abwicklung seinerseits beschleunigt erfolgt, was unschwer möglich gewesen wäre, z.B. durch Blitz-Überweisung, Eilbriefe, Faxe oder ähnliche Beschleunigungsmittel. Der Beklagte behaupte aber gar nicht, daß bei einer solchen beschleunigten Abwicklung der Rücktritt der LVG vermieden worden wäre. Insoweit käme es auch gemäß § 3 C der Kaufverträge vom 14. Dezember 1994 auf das Datum des 29. und nicht auf das des 30. Dezember 1994 an (Hinweis auf Satz 1 und Satz 2 der Regelung). Der Beklagte hätte also vortragen müssen, die Vorlage der verfügungsfreien Löschungsbewilligung hinsichtlich der betreffenden Grundschuld wäre ihm bis zum Ablauf des 29. Dezember 1994 möglich gewesen.

b) Diese Ausführungen tragen, wie die Revision mit Recht rügt, die Ver- werfung des Mitverschuldenseinwands nicht, weil sie die Regelung in § 3 C Satz 3 der Kaufverträge vom 14. Dezember 1994 übergehen, wonach das Rücktrittsrecht der Käuferin nur so lange bestand, als der Rücktrittsgrund andauerte , der Rücktritt mithin bis zu seiner Ausübung (also bis zum Telefax der LVG vom 30. Dezember 1994, 15.10 Uhr) durch Nachweis des Vorliegens der Löschungsbewilligung hinsichtlich der Grundschuld vermieden werden konnte.
3. Der Fehler des Berufungsgerichts nötigt zur Aufhebung seines Urteils, soweit es zum Nachteil des Beklagten erkannt hat. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei richtiger Sicht der Vertragslage (§ 3 C S. 1-3 des Vertrages vom 14. Dezember 1994) das bisherige - und gegebenenfalls bei zutreffender Erörterung dieses Punktes in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ergänzte - Vorbringen des Beklagten zu einer anderen Würdigung der Mitverschuldensfrage durch das Berufungsgericht geführt hätte.
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2002 - III ZR 16/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2002 - III ZR 16/02

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 278 Gütliche Streitbeilegung, Güteverhandlung, Vergleich


(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. (2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlun
Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2002 - III ZR 16/02 zitiert 6 §§.

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Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. November 2000 durch die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör,
Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 5. Juli 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den verklagten Notar wegen Amtspflichtverletzung bei einer Beurkundung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Beklagte beurkundete am 23. Oktober 1992 einen Vertrag, mit welchem die Klägerin von J. F. zwei Eigentumswohnungen für jeweils 140.000 DM kaufte. Das Eigentum sollte frei von in Abteilung III des Grundbuchs eingetragenen Rechten übergehen. Die Klägerin erwarb nicht lastenfrei, weil der Beklagte eine Grundschuld in Höhe von 300.000 DM übersah. Diese löste der Beklagte später mit eigenen Mitteln ab.

Am 14. Dezember 1994 - als die Grundschuld noch eingetragen war - schloß die Klägerin mit der LVG-GmbH & Co KG (im folgenden: LVG) zwei notarielle Kaufverträge. Danach wollte die LVG die Wohnungen für jeweils 160.000 DM erwerben. Für den Fall, daß die Klägerin ihr nicht bis zum Ablauf des 29. Dezember 1994 das Vorliegen der Löschungsbewilligung hinsichtlich der Grundschuld nachweisen würde, behielt sich die LVG Rücktrittsrechte vor. Da die Klägerin die Löschungsbewilligung nicht rechtzeitig erhielt, machte die LVG mit Telefax vom 30. Dezember 1994, 15.10 Uhr, von diesen Rechten Gebrauch.
Die Grundschuld wurde am 29. Mai 1995 gelöscht. Die Klägerin verkaufte die eine Wohnung am 15. August 1995 für 95.000 DM und die andere am 21. Mai 1997 für 84.000 DM weiter.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin von dem Beklagten 141.000 DM für entgangenen Gewinn, 3.152,03 DM für die Kosten der nutzlosen Beurkundungen vom 14. Dezember 1994 und 39.933,76 DM für Zinsbelastungen verlangt. Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme der zuletzt genannten Position stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Verurteilungssumme um 40.000 DM auf 104.152,03 DM gekürzt. Mit seiner Revision begehrt der Beklagte die vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – teils durch Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil - folgendermaßen begründet:
Der Beklagte habe eine schuldhafte Amtspflichtverletzung begangen, indem er bei den Beurkundungen nicht auf die vorhandene Belastung hingewiesen habe. Daraus ergebe sich aber kein Anspruch auf entgangenen Gewinn , weil die Klägerin – die nach eigenem Bekunden die Wohnungen nicht gekauft hätte, wenn ihr die Grundschuld bekannt gewesen wäre – bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten nicht in die Lage versetzt worden wäre, die Wohnungen gewinnbringend weiterzuverkaufen. Die vom Landgericht in Höhe von 141.000 DM zugesprochene erste Schadensposition sei deshalb nur in Höhe von 101.000 DM gerechtfertigt. Insofern gehe es nicht um entgangenen Gewinn. Die Klägerin könne auch Ersatz für die Kosten der Beurkundungen vom 14. Dezember 1994 verlangen. Ihr Versuch, die Wohnungen an die LVG weiterzuverkaufen, sei durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert worden und stelle eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses dar.

II.


Entgegen der Ansicht der Revision liegt der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 7 ZPO nicht vor.
Das Berufungsgericht hat gemeint, sich mit solchen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nicht befassen zu müssen, zu denen sich das Landgericht geäußert habe und die mit der Berufung nicht angegriffen worden seien. Entsprechendes gelte für Einwendungen des Beklagten, die das Landgericht nicht für durchgreifend erachtet habe, soweit es an Angriffen der Berufung hiergegen fehle.
Das offenbart - wie die Revision zutreffend rügt - falsche Vorstellungen über den Prozeßstoff der zweiten Instanz. Was der Prüfung durch das Berufungsgericht unterfällt, ergibt sich nicht aus § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, sondern aus §§ 525 f, 537 ZPO. Durch eine zulässige Berufung wird die erneute sachliche und rechtliche Prüfung des Klageanspruchs uneingeschränkt eröffnet (BGH, Urt. v. 8. November 1991 – V ZR 260/90, BGHR ZPO § 537 – Rechtsanwendung 1; v. 17. März 1994 – IX ZR 102/93, NJW 1994, 1656, 1657 unter III 2). Das Berufungsgericht hat auf das Rechtsmittel des verurteilten Beklagten sein gesamtes Vorbringen zu berücksichtigen, soweit es - durch Vortrag in der zweiten Instanz oder Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen (BGH, Urt. v. 7. Mai 1992 - IX ZR 151/91, BGHR ZPO § 537 – Streitpunkt 1) - Prozeßstoff geworden ist (vgl. ferner Rimmelspacher, in: MünchKomm-ZPO, § 537 Rdnr. 21; Musielak/Ball, ZPO 2. Aufl. § 519 Rdnr. 33 und § 537 Rdnr. 8 f). Eine besondere, auf einzelne Streitpunkte bezogene Rüge ist nicht erforderlich, so-
fern nur die Berufung zulässig ist. Letzteres hat das Berufungsgericht – zu Recht – nicht in Zweifel gezogen.
Der Rechtsirrtum des Berufungsgerichts wirkt sich jedoch im Rahmen des § 551 Nr. 7 ZPO nicht aus, weil es sich letztlich die Ausführungen im Ersturteil zu eigen gemacht hat. Das angefochtene Urteil enthält deshalb eine vollständige Begründung. Wenn diese in einzelnen Punkten rechtsfehlerhaft ist (vgl. unten III. 2 b, c und f), ist dies für § 551 Nr. 7 ZPO unerheblich (vgl. BGHZ 39, 333, 338; BGH, Urt. v. 11. März 1983 – V ZR 287/81, WM 1983, 658, 660 unter 4 b).

III.


Dennoch hält das Berufungsurteil einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Soweit in dem Übersehen einer im Grundbuch eingetragenen Belastung eine schuldhafte notarielle Amtspflichtverletzung (§ 19 Abs. 1 BNotO, § 21 BeurkG) gesehen worden ist, läßt das Berufungsurteil allerdings keinen Rechtsfehler erkennen. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.
2. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß der Klägerin durch die Amtspflichtverletzung ein Schaden in Höhe von 101.000 DM und 3.152,03 DM entstanden ist.

a) Für die Ermittlung des Vermögensschadens aus einer notariellen Amtspflichtverletzung ist die sogenannte Differenzhypothese maßgeblich. Ein Schaden liegt danach vor, wenn die infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretene Vermögenslage des Betroffenen schlechter ist als diejenige , die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 18. November 1999 – IX ZR 402/97, WM 2000, 35, 38; v. 18. November 1999 – IX ZR 153/98, WM 2000, 193, 196; v. 6. Juli 2000 – IX ZR 88/98, WM 2000, 1808, 1809). Maßgebender Zeitpunkt für den Vermögensvergleich ist im Schadensersatzprozeß die letzte mündliche Tatsachenverhandlung (BGH, Urt. v. 14. März 1985 – IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1332).

b) Die Klägerin hat geltend gemacht, sie hätte die Wohnungen im Jahre 1992 nicht gekauft, wenn der Beklagte das Bestehen der dinglichen Belastung offengelegt hätte. Dann hätte die Klägerin den Kaufpreis von 280.000 DM - der beim Wiederverkauf nur in Höhe von 179.000 DM an sie zurückgeflossen ist - in ihrem Vermögen behalten.
Allerdings wären der Klägerin dann auch die Mieteinnahmen, die von ihr selbst mit 820 DM monatlich angegeben worden sind, entgangen. Die Nichtberücksichtigung dieser Einnahmen durch das Berufungsgericht ist - wie die Revision mit Recht geltend macht - fehlerhaft.

c) Nach der Behauptung des Beklagten, die das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht rügt - übergangen hat, hätte die Klägerin die Wohnungen trotzdem gekauft. Für diesen - in der Revisionsinstanz zu unterstellenden - Fall hat die Klägerin nicht vorgetragen, daß der im Rahmen der Differenzhy-
pothese vorzunehmende Vermögensvergleich ebenfalls einen Schaden ergäbe.

d) Daß die Klägerin im Jahre 1992 für den Erwerb der Wohnungen tatsächlich 280.000 DM aufgewendet hat, ist nicht in erheblicher Weise bestritten. Der Vortrag, ein Kaufpreisanteil von 80.000 DM sei an die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin gezahlt worden, gestattet nicht ohne weiteres den Schluß darauf, die Klägerin habe im wirtschaftlichen Ergebnis nur 200.000 DM gezahlt.

e) Ein vom Landgericht erhobenes Sachverständigengutachten hat die Behauptung des Beklagten bestätigt, daß die Wohnungen von der Klägerin überteuert angekauft worden sind. Sie waren am 23. Oktober 1992 insgesamt nur 184.000 DM (91.000 DM und 93.000 DM) wert.
Auch dieser Umstand ist für die Schadensermittlung unerheblich. Nach Ansicht der Revision soll die notarielle Pflicht, die Urkundsbeteiligten auf grundbuchmäßige Belastungen des Kaufgegenstands hinzuweisen, den Erwerber nicht davor schützen, daß er eine Immobilie ankauft, die - unabhängig von der dinglichen Belastung - ihren Preis nicht wert ist. Diese Meinung teilt der Senat nicht. Bei den Beurkundungen am 23. Oktober 1992 hatte der verklagte Notar über die Voraussetzungen zu belehren, von denen der allseits gewünschte rechtliche Erfolg des Geschäfts - lastenfreie Übertragung des Eigentums - abhing (§ 17 Abs. 1 BeurkG). Die vorhandene Belastung stand diesem Erfolg entgegen. Sie verhinderte, wenn es dem Verkäufer nicht gelang, die Belastung zur Löschung zu bringen, auch einen gewinnbringenden Weiterverkauf. Die Aussicht darauf darf dem Käufer selbst dann nicht genommen wer-
den, wenn sie - weil er überteuert erworben hat - gering erscheint. Im vorliegenden Fall wäre es der Klägerin Ende 1994 beinahe gelungen, die Wohnungen zu einem Preis zu veräußern, der nicht nur den Schaden beseitigt, sondern sogar einen Gewinn abgeworfen hätte.

f) Erheblich ist demgegenüber der Mitverschuldenseinwand. Wenn die - für die Klägerin äußerst günstigen - Kaufverträge vom 14. Dezember 1994 durchgeführt worden wären, wäre aus dem Notarfehler über den Schaden hinaus , den der Beklagte durch Ablösung der Grundpfandlast beseitigt hat, kein Nachteil entstanden. Daß die Verträge gescheitert sind, kann auf dem Mitverschulden der Klägerin beruhen (§ 254 Abs. 2 Alt. 2 BGB).
Nach dem – bislang, soweit ersichtlich, unbestritten gebliebenen – Vortrag des Beklagten wurde er von der Klägerin nicht über den genauen Inhalt der beiden am 14. Dezember 1994 beurkundeten Kaufverträge unterrichtet. Insbesondere hatte er von der knapp bemessenen Rücktrittsfrist keine Kenntnis. Den Zeitpunkt des Fristablaufs durfte die Klägerin dem Beklagten nicht vorenthalten. Zwar hatten ihre Anwälte ihm unter dem 28. November 1994 geschrieben , die Klägerin werde die Immobilien bis spätestens 15. Dezember 1994 veräußern. Gleichzeitig hatten sie angekündigt, dem Käufer werde ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt werden, daß der Erwerb nicht lastenfrei erfolgen könne. Die Länge der Frist, innerhalb deren das Rücktrittsrecht auszuüben war, hatten sie aber nicht mitgeteilt. Es bestand deshalb die Gefahr, daß der Beklagte die Freistellung der Immobilien von der Grundschuld nicht fristgemäß bewirkte, obwohl ihm dies grundsätzlich möglich gewesen wäre. Daß der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 8. Dezember 1994 in Aussicht gestellt hatte, die Abwicklung werde ”noch in diesem Jahr” erfolgen, durfte die
Klägerin nicht zum Anlaß nehmen, dem Beklagten zu verschweigen, daß die von ihr mit dem Erwerber vereinbarte Frist bereits am 29. Dezember 1994 ablaufe.
Erheblich ist ferner der – unbestritten gebliebene - Vortrag des Beklagten , seine Anwälte hätten mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 den gegnerischen Anwälten mitgeteilt, die Löschungsbewilligung sei ”heute bei uns eingegangen”. Man dürfe aber erst darüber verfügen, wenn die Abfindungszahlung, deren Überweisung sofort veranlaßt worden sei, bei der Grundpfandgläubigerin eingegangen sei. Sobald die Grundpfandgläubigerin den Eingang der Zahlung bestätige, werde die Löschungsbewilligung an die Anwälte der Klägerin weitergeleitet werden. Dies werde innerhalb weniger Tage der Fall sein. Dieses Schreiben ist am 29. Dezember 1994 bei den Anwälten der Klägerin eingegangen. In Anbetracht des Umstands, daß der Beklagte und seine anwaltlichen Vertreter nicht wissen konnten, daß die Rücktrittsfrist an eben diesem Tage ablief, wären die Anwälte der Klägerin verpflichtet gewesen, die Gegenseite – telefonisch, durch Fax oder E-Mail – darauf aufmerksam zu machen, daß alles, was später erfolgte, zu spät sein würde. Eine solche Nachricht ist unterblieben. Wäre sie erfolgt, hätte die Zahlung möglicherweise – zum Beispiel durch ”BlitzGiro” – beschleunigt werden können. Wäre sie spätestens am 30. Dezember 1994 bei der Grundpfandgläubigerin eingegangen und hätte der Beklagte daraufhin der LVG noch an diesem Tage - vor Absendung des Telefax - bestätigt, daß ihm die Löschungsbewilligung ”verfügungsfrei” vorliege, wäre die Ausübung des Rücktrittsrechts bereits ausgeschlossen gewesen (§ 3 C Abs. 1 Satz 3 der Kaufverträge).

IV.


Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, weil noch nicht entscheidungsreif, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Einwendungen des Beklagten (oben III 2 c und f) begründet sind.
Kreft Stodolkowitz Zugehör Ganter Raebel

(1) Verletzt der Notar vorsätzlich oder fahrlässig die ihm anderen gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er diesen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Notar nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Verletzten nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen; das gilt jedoch nicht bei Amtsgeschäften der in §§ 23, 24 bezeichneten Art im Verhältnis zwischen dem Notar und seinen Auftraggebern. Im übrigen sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Schadensersatzpflicht im Fall einer von einem Beamten begangenen Amtspflichtverletzung entsprechend anwendbar. Eine Haftung des Staates an Stelle des Notars besteht nicht.

(2) Hat ein Notarassessor bei selbständiger Erledigung eines Geschäfts der in §§ 23, 24 bezeichneten Art eine Amtspflichtverletzung begangen, so haftet er in entsprechender Anwendung des Absatzes 1. Hatte ihm der Notar das Geschäft zur selbständigen Erledigung überlassen, so haftet er neben dem Assessor gesamtschuldnerisch; im Verhältnis zwischen dem Notar und dem Assessor ist der Assessor allein verpflichtet. Durch das Dienstverhältnis des Assessors zum Staat (§ 7 Abs. 3) wird eine Haftung des Staates nicht begründet. Ist der Assessor als Notarvertretung des Notars tätig gewesen, so bestimmt sich die Haftung nach § 46.

(3) Für Schadensersatzansprüche nach Absatz 1 und 2 sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 432/98 Verkündet am:
13. April 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Abgrenzung gegenüber hypothetischen Reserveursachen in Notarhaftungssachen.
BGH, Urteil vom 13. April 2000 - IX ZR 432/98 - OLG Jena
LG Mühlhausen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 24. November 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerinnen sind die Erbinnen des am 17. März 1993 verstorbenen K. E. (im folgenden: Erblasser). Dieser war Gesellschafter der im Jahre 1972 von den DDR-Behörden in einen VEB umgewandelten P. E. & Co. KG (im folgenden : KG) in E. gewesen. Ende 1991 wurde das Eigentum an dem Betriebsgrundstück auf die KG zurückübertragen. Die früheren Gesellschafter bzw. deren Erben - insgesamt sechs Personen - wurden als Berechtigte an dem Vermögen der KG festgestellt. Dieses bestand aus dem Betriebsgrundstück, dessen Verkehrswert Anfang 1991 auf 791.377 DM veranschlagt worden war. An-
fang 1992 beschlossen die Gesellschafter die Auseinandersetzung der KG, deren Geschäftsbetrieb eingestellt war, und die Veräußerung des Betriebsgrundstücks. Den größeren Teil desselben wollte der Gesellschafter B. E., der seit 1990 auf dem Grundstück unter der Firma "P. E. GmbH & Co. KG Tief- und Straßenbau" (im folgenden: GmbH) ein Bauunternehmen betrieb, erwerben. Der Veräußerungserlös sollte den Gesellschaftern entsprechend ihrer nominalen Beteiligung zufließen. Einen kleineren Grundstücksteil wollten zwei andere Gesellschafter unter Verrechnung mit ihren Auseinandersetzungsansprüchen übernehmen.
Am 9. März 1992 beurkundete die verklagte Notarin einen Vertrag zur Auflösung und Auseinandersetzung der KG. Darin veräußerte unter anderem der Erblasser seine "Anteile an den Grundstücken" an B. E. Dieser verpflichtete sich, an den Erblasser 200.000 DM zu zahlen. Davon waren 25.000 DM sofort fällig. Der Restkaufpreis von 175.000 DM wurde bis 31. Mai 1996 gestundet. Unter der Überschrift "Kaufpreisfinanzierung und Belastungsvollmacht" vereinbarten die Beteiligten folgendes:
"Um die Sicherung der Darlehen, die der Kaufpreisfinanzierung dienen, schon vor Eigentumsumschreibung zu ermöglichen, verpflichtet sich die Veräußerer, aber für Rechnung der jeweiligen Erwerber, das Kaufobjekt mit gegebenenfalls sofort vollstreckbaren Grundpfandrechten in beliebiger Höhe samt Zinsen und etwaigen Nebenleistungen zu belasten, ohne jedoch die persönliche Haftung oder Kosten zu übernehmen. ... Zahlungsansprüche, durch die sie (die Grundpfandrechte) erstmals valutiert werden, werden mit der Maßgabe, daß sie zur Bezahlung des Kaufpreises gemäß Punkt III des Vertrages zu verwenden sind, bereits jetzt an die Verkäufer abgetreten.
Deshalb dürfen Gläubiger diese Grundpfandrechte bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises und Eigentumsumschreibung des Vertragsobjektes auf den jeweiligen Erwerber nur als Sicherheit für solche Zahlungen verwenden, mit denen der Kaufpreis bezahlt wird. Sofern eine Abtretung ausgeschlossen ist, wird hierdurch ein unwiderruflicher Zahlungsauftrag erteilt. Die amtierende Notarin wird angewiesen, die Eintragung der Grundpfandrechte im Grundbuch erst dann zu veranlassen, wenn ihr die Grundpfandrechtsgläubiger bestätigt haben, daß die Grundpfandrechte bis zur vereinbarten Zahlung des Kaufpreises und der Eigentumsumschreibung nur als Sicherheit für diese Zahlung dienen und daß die Grundpfandrechtsgläubiger im Falle der Rückabwicklung Zug um Zug gegen Rückzahlung der Darlehensvaluta die erforderlichen Löschungsunterlagen herausgeben." (Sogenannte Belastungsklausel I). "Der Verkäufer bevollmächtigt die Erwerber - unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB - die Vertragsobjekte mit Grundpfandrechten in beliebiger Höhe samt Zinsen und Nebenleistungen zu belasten , Löschungen und Rangänderungen zuzustimmen und mit der Vormerkung des Käufers im Range zurückzutreten, das Kaufobjekt gemäß § 800 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, Auszahlungsansprüche nach dieser Urkunde abzutreten und überhaupt alle Erklärungen abzugeben, die mit der Bestellung von Grundpfandrechten am Kaufobjekt auf Rechnung der Erwerber zusammenhängen." (Sogenannte Belastungsklausel II). Die Auflassung wurde sofort erklärt.
Am 12. Mai 1992 bestellte B. E. zur Sicherung eines Bankkredits unter Verwendung der "Belastungsklausel II" eine Grundschuld über 305.000 DM an den Grundstücken. Unter demselben Datum unterschrieben alle sechs Gesellschafter der aufgelösten KG - auch der Erblasser - eine Sicherungszweckerklärung. Danach sollte die Grundschuld zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Bank gegen die GmbH und B. E. dienen. Am 10. August 1992 wurde die Grundschuld eingetragen. Aus der Kreditsumme
zahlte B. E. den sofort fälligen Betrag von 25.000 DM an den Erblasser. Weitere Beträge leistete er an die sonst noch abzufindenden Gesellschafter. Den Rest vereinnahmte er zur Finanzierung seines Betriebes. Am 8. März 1993 und 8. Februar 1994 wurde B. E. als Eigentümer der von ihm gekauften Grundstücksteile eingetragen. Er belastete sein nunmehriges Eigentum weiter. Inzwischen lasten darauf insgesamt Grundpfandrechte über 605.000 DM zuzüglich Zinsen und Kosten. Den Restkaufpreis für den Erblasser blieb er schuldig. Die Zwangsvollstreckung gegen B. E., der die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, blieb erfolglos. Am 29. Juli 1994 wurde über das Vermögen der GmbH die Gesamtvollstreckung eröffnet.
Die Klägerinnen nehmen die Beklagte auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Amtspflichten bei der Beurkundung und Durchführung des Grundstücksveräußerungsgeschäfts in Anspruch. Sie verlangen Zahlung von 175.937,08 DM, hilfsweise die Feststellung der Schadensersatzpflicht. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage mit unterschiedlicher Begründung abgewiesen. Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagten sei "wohl" eine fahrlässige Amtspflichtverletzung vorzuwerfen. Denn sie habe nicht auf das mit einer ungesicherten Vorleistung verbundene Risiko hingewiesen. Es sei ferner davon auszugehen, daß sich der Erblasser an eine entsprechende Belehrung gehalten hätte. Das Verhalten der Beklagten sei aber für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich geworden. Es liege ein Fall der überholenden Kausalität vor, weil der von der Beklagten möglicherweise durch mangelnde Belehrung verursachte Schaden ohnedies wegen der Unterzeichnung der Sicherungszweckerklärung eingetreten wäre. Dadurch hätten der Erblasser und die anderen Veräußerer auf eine Absicherung ihrer Ansprüche verzichtet. Da er die Sicherungszweckerklärung unterschrieben habe, obwohl ihm dabei seine Situation noch einmal deutlich vor Augen geführt worden sei, hätte er sich auch bei ordnungsgemäßer Belehrung so verhalten.

II.


Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Haftung der Beklagten aus § 18 VONot i.V.m. § 19 BNotO ist nicht wegen "überholender Kausalität" ausgeschlossen.
1. Auf die Frage, ob in der Notarhaftung hypothetische Reserveursachen beachtlich werden können (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 14. März 1985 - IX ZR
26/84, WM 1985, 666, 670; v. 11. Juli 1996 - IX ZR 116/95, WM 1996, 2074, 2076 ff; vgl. ferner Sandkühler, in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 4. Aufl. § 19 Rdnr. 140), kommt es im vorliegenden Fall nicht an.
2. Die Unterzeichnung der Sicherungszweckerklärung vom 12. Mai 1992 war keine hypothetische Reserveursache.

a) Das Berufungsgericht hat zunächst - ohne Berücksichtigung der Sicherungszweckerklärung - unterstellt, daß sich der Erblasser im Falle einer ordnungsgemäßen Belehrung danach verhalten hätte. Es hat weiter unterstellt, daß der Kaufvertrag mit B. E. dann gleichwohl - mit der vom Erblasser gewünschten Sicherung - zustande gekommen und mit diesem Inhalt durchführbar gewesen wäre. Anderenfalls hätte es schon deshalb den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden verneinen müssen; auf die Frage, ob die Unterzeichnung der Sicherungszweckerklärung - die das Berufungsgericht als Verzicht auf Absicherung gewertet hat - eine hypothetische Reserveursache darstellte, wäre es dann nicht angekommen.
Hätte das belehrungsgemäße Verhalten zu einer Absicherung des Kaufpreisanspruchs geführt, wäre aus der Unterzeichnung der Sicherungszweckerklärung der nunmehr geltend gemachte Schaden nicht erwachsen. Die Absicherung des Kaufpreisanspruchs hätte - entsprechend der "Belastungsklausel I" - die Bestätigung des Grundpfandgläubigers vorausgesetzt, daß das Grundpfandrecht bis zur vereinbarten Zahlung des Kaufpreises und der Eigentumsumschreibung nur (oder vorrangig) als Sicherheit für diese Zahlung dient. Eine formularmäßige Sicherungszweckerklärung, die das Gegenteil dessen besagte , wäre dann - sei es wegen des Vorrangs der Individualabrede
(§ 4 AGBG), sei es als überraschende Klausel (§ 3 AGBG) - unwirksam gewesen.

b) Zu einer zweiten Möglichkeit beratungsgemäßen Verhaltens hat das Berufungsgericht nichts ausgeführt. Nach der im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebenen Behauptung der Klägerinnen hätte der Erblasser, ordnungsgemäß belehrt, "den Vertrag ... in dieser Form (nicht) geschlossen". Näheres hierzu ergibt sich aus dem Vorbringen in der Klageschrift, auf welches das Berufungsgericht ergänzend Bezug genommen hat:
"Wäre der Rechtsvorgänger der Kläger von der Beklagten entsprechend aufgeklärt und belehrt worden, wäre er das Risiko seiner ungesicherten Vorleistung keinesfalls eingegangen und hätte den Vertrag so nicht unterzeichnet. In diesem Falle wären er bzw. seine Rechtsnachfolger entweder noch Gesamthandseigentümer des Grundstücks oder aber bei sachgerechter Vertragsgestaltung zumindest im Besitze des restlichen Kaufpreises." Damit haben die Klägerinnen zum Ausdruck bringen wollen, die Beklagte hätte den Erblasser dahin belehren müssen, entweder auf einer Absicherung der Kaufpreisforderung zu bestehen oder von der Veräußerung abzusehen. Da das Berufungsgericht ein belehrungsgemäßes Verhalten des Erblassers unterstellt hat, ohne eine der eben genannten Möglichkeiten auszuschließen , hätte die "überholende Kausalität" in beiden Alternativen geprüft werden müssen. Im Ergebnis ändert sich jedoch nichts.
Hätte das belehrungsgemäße Verhalten darin bestanden, daß der Erblasser die Grundstücke nicht veräußerte, wäre es zur Bestellung einer Grundschuld durch den Erwerber und zur Unterzeichnung einer Sicherungszweckerklärung durch die Veräußerer nicht gekommen. Daraus hätte sich also kein
Schaden ergeben können. Insofern scheidet die Unterzeichnung der Sicherungszweckerklärung als Reserveursache von vornherein aus.

c) Davon abgesehen hat das Berufungsgericht den Einwand der Klägerinnen nicht ausgeräumt, daß der Erblasser im Falle einer ordnungsgemäßen Belehrung über die Risiken der ihm angesonnenen ungesicherten Vorleistung die Sicherungszweckerklärung gar nicht erst unterzeichnet hätte. Das Argument , gerade die Vorlage der Sicherungszweckerklärung zur Unterzeichnung hätte dem Erblasser "noch einmal deutlich seine Situation vor Augen führen müssen", ist nicht stichhaltig.
Zum einen ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Unterzeichnung der Sicherungszweckerklärung dem Erblasser "noch einmal" die Gefahren der ungesicherten Vorleistung hätten bewußt machen sollen. Hatte die Beklagte den Erblasser nicht darüber belehrt, wovon hier auszugehen ist, hatte dieser vor Unterzeichnung der Sicherungszweckerklärung keinen Anlaß, ein Problembewußtsein zu entwickeln.
Auch die Annahme, daß die ihm zur Unterzeichnung vorgelegte Sicherungszweckerklärung dem Erblasser die Augen habe öffnen müssen, erscheint nicht haltbar. Aus der Sicherungszweckerklärung ging nicht unmittelbar hervor, daß der Veräußerer des Grundstücks, das nunmehr mit einer Grundschuld belastet werden sollte, wegen seines Kaufpreisanspruchs nicht gesichert war. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, bedurfte es nicht ganz einfacher rechtlicher Überlegungen, die ein juristischer Laie nicht ohne weiteres anstellt. Er mochte noch zur Kenntnis nehmen, daß die Grundschuld "zur Sicherheit für alle... Forderungen der Sparkasse" gegen den Kreditnehmer dienen sollte. Daß er an
der Kreditsumme - aus der er sich Befriedigung wegen seines Kaufpreisanspruchs erhoffen durfte - keine gesicherten Rechte hatte, war damit für ihn noch nicht selbstverständlich. Dies galt in besonderem Maße deshalb, weil es sich bei dem Erblasser um einen 83jährigen Bürger der früheren DDR handelte , der jahrzehntelang keine Gelegenheit gehabt hatte, Erfahrungen im Grundstücks - und Kreditsicherungsrecht zu sammeln.

III.


Das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig (§ 563 ZPO).
1. Der Ansicht der Revisionserwiderung, es fehle bereits an einer Amtspflichtverletzung durch die Beklagte, ist nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage nicht zu folgen.
Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, der Erblasser habe im vorliegenden Fall eine ungesicherte Vorleistung erbracht, wird von der Revisionserwiderung - mit Recht - nicht in Zweifel gezogen. Das gleiche gilt für die Feststellung, die Beklagte habe bei der Beurkundung nicht über die Risiken der ungesicherten Vorleistung belehrt. Auch hat die Beklagte die Beteiligten nicht darüber belehrt, daß die "Belastungsklausel I" - welche die Veräußerer in eine trügerische Sicherheit wiegen konnte - durch Aufnahme der "Belastungsklausel II" in den Vertrag entwertet wurde. Indem die Veräußerer den Erwerber bevollmächtigten , die Grundstücke unbeschränkt mit Grundpfandrechten zu bela-
sten, wurden die Beschränkungen der "Belastungsklausel I" gegenstandslos. Daran haben auch die angeblich unterschiedlichen Zwecksetzungen der Belastungsklauseln nichts geändert. Wenn diese Zwecksetzungen irgendeine Bedeutung haben sollten, wäre die Beklagte um so mehr verpflichtet gewesen, die Beteiligten hierüber zu belehren.
Die Revisionserwiderung macht geltend, es habe keine Belehrungspflicht bestanden, weil die Beteiligten sich über die Tragweite ihrer Erklärungen und das damit verbundene Risiko vollständig im Klaren gewesen seien und die konkrete Vertragsgestaltung ernsthaft gewollt hätten. Ihnen sei es darum gegangen , B. E. für seine neu gegründete GmbH das Betriebsgrundstück der KG schnellstmöglich als (erstrangige) Kreditunterlage zur Verfügung zu stellen. Da dies bei einer dinglichen Absicherung des Kaufpreisanspruchs nicht hätte erreicht werden können, hätten die Veräußerer bewußt auf diese Absicherung verzichtet. Dies ergebe sich aus der Zeugenaussage des B. E. in einem Parallelverfahren , die das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt habe. Diese Gegenrüge kann keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat, gemäß dem Antrag der Beklagten, die Akten des Parallelverfahrens beigezogen. Ausweislich des darin enthaltenen Beweisaufnahmeprotokolls hat B. E. als Zeuge die Behauptung der Beklagten nicht bestätigt. Er hat lediglich ausgesagt , daß ihm an einer schnellen Eigentumsübertragung gelegen gewesen sei, weil er die Grundstücke für die Besicherung seiner Betriebsmittelkredite gebraucht habe. Dazu, ob sich die Interessenlage der Veräußerer - die mit der GmbH des Zeugen nichts zu tun hatten - mit seiner gedeckt habe, hat sich der Zeuge nicht geäußert.
2. Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Meinung kann bisher nicht davon ausgegangen werden, daß der Erblasser auch bei ordnungsgemäßer Belehrung bereit gewesen wäre, den Vertrag so abzuschließen, wie tatsächlich geschehen, also B. E. unter Zurückstellung des eigenen Sicherungsinteresses freie Hand bei der Belastung des Kaufgegenstands zu lassen.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann der Beweis des ersten Anscheins für ein beratungsgemäßes Verhalten der Urkundsbeteiligten sprechen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 8/91, WM 1992, 527, 528; v. 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91, WM 1992, 1662, 1667; v. 27. Oktober 1994 - IX ZR 12/94, WM 1995, 118, 121; v. 11. März 1999 - IX ZR 260/97, WM 1999, 1324). Das gilt grundsätzlich auch bei Verträgen zwischen Familienangehörigen. Die Vermutung ist erst erschüttert, wenn tatsächliche Umstände festgestellt sind, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, daß die Vertragsteile sich bei Vereinbarung der konkret nachteiligen Klausel wesentlich von verwandtschaftlicher Rücksichtnahme haben leiten lassen (BGH, Urt. v. 2. Juli 1996 - IX ZR 299/95, WM 1996, 2071). Solche Umstände sind bislang nicht festgestellt.

IV.


Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sie noch nicht entscheidungsreif ist.
1. Das Berufungsgericht hat sich zur Frage einer Pflichtverletzung möglicherweise nicht abschließend geäußert. Es hat dazu ausgeführt, daß der Beklagten "wohl" eine fahrlässige Amtspflichtverletzung vorzuwerfen sei. Insoweit wird es auch folgendes berücksichtigen müssen:
Es wird der Behauptung der Beklagten nachzugehen haben, die Veräußerer - insbesondere der Erblasser - hätten "im Wege innerfamiliärer Hilfe" die Grundstücke dem B. E. unbelastet als Kreditunterlage zur Verfügung stellen wollen. Dafür könnte sprechen, daß das neue Unternehmen des B. E. - durch seine firmenmäßige Bezeichnung, den Geschäftsbereich und den Standort - an die Tradition der aufgelösten KG als früherem Familienunternehmen anknüpfte. Andererseits ist bisher nichts dafür ersichtlich, daß der geschäftliche Erfolg der von B. E. neu gegründeten GmbH zum "Gesamtkonzept" bei der Auseinandersetzung der Gesellschafter der aufgelösten KG gehört habe. Diese hatten an dem Gedeihen der GmbH weder ein gesellschaftsrechtliches noch ein geschäftliches Interesse.
Hätten die Veräußerer "im Wege innerfamiliärer Hilfe" die Grundstücke B. E. unbelastet als Kreditunterlage zur Verfügung stellen wollen, wären zudem die Lasten dieser Hilfsaktion ganz unterschiedlich verteilt. Das Risiko einer Insolvenz des B. E. trifft diejenigen unter den Veräußern - immerhin drei von fünf - nicht, die ihren Anteil am Erlös entweder in Grundstücken oder Geld sofort erhalten haben. Betroffen waren bzw. sind demnach allein der Erblasser und der Kläger im Parallelprozeß. Hätte man eine "innerfamiliäre Hilfe" allein zu Lasten dieser beiden abgesprochen, liefe dies dem Gedanken der familiären Solidarität gerade zuwider.
Die Behauptung, die Beklagte sei davon ausgegangen und habe auch davon ausgehen dürfen, daß die Veräußerer die Grundstücke B. E. unbelastet als Kreditunterlage hätten zur Verfügung stellen wollen, würde sich auch schlecht mit der von der Beklagten an herausgehobener Stelle in den Vertrag aufgenommenen "Belastungsklausel I" vertragen.
Ferner könnte ins Gewicht fallen, daß die Beklagte mit Schreiben vom 8. Dezember 1994 den Prozeßbevollmächtigten der Klägerinnen mitteilte, die Grundschuld über 305.000 DM sei aufgrund der im Vertrag enthaltenen Belastungsvollmacht bestellt worden; dabei sei "versehentlich die im Vertrag enthaltene Sicherungsabrede nicht beachtet worden". Mit dieser Sicherungsabrede dürfte die Sicherung der Veräußerer gemeint gewesen sein. Dann wäre die Beklagte seinerzeit selbst nicht davon ausgegangen, daß die Veräußerer die Grundstücke B. E. unbelastet als Kreditunterlage haben zur Verfügung stellen wollen.
Aus den Ziffern 9 und 13 des - im übrigen von B. E. formulierten - Gesellschafterbeschlusses vom 30. Januar 1992, auf welche sich die Beklagte in den Vorinstanzen bezogen hat, dürfte sich zu der Frage, ob die Veräußerer unter Zurückstellung ihrer Interessen dem Erwerber unbelastete Grundstücke als Kreditunterlage haben zur Verfügung stellen wollen, wenig ergeben. In Ziffer 9 hat B. E. erklärt, er werde die auf ihn übertragenen Grundstücke "vorbehaltlich den Anforderungen zur Besicherung von Kreditmitteln" im Familienbesitz erhalten. In Ziffer 13 haben die Gesellschafter dem B. E. gestattet, "diesen Beschluß seiner Hausbank vorzulegen, um mit dem Nachweis der nunmehr vorhandenen Besicherbarkeit den Vorgang der Bereitstellung von Kreditmitteln zu beschleunigen". Das rechtfertigt möglicherweise noch nicht die Annahme,
die Veräußerer hätten bewußt auf eine dingliche Absicherung ihrer Kaufpreisansprüche verzichtet, um B. E. für seinen Betrieb eine unbelastete Kreditgrundlage zu verschaffen. Denn auch nach dem Vortrag der Beklagten hat B. E. die sofort fälligen Kaufpreisteilbeträge nur durch Beleihung der Kaufgrundstücke aufbringen können. Schon deshalb dürfte also die Vorlage des Gesellschafterbeschlusses bei der Bank sinnvoll gewesen sein.
2. Falls die Beklgte ihre Behauptung, B. E. hätten die Grundstücke unbelastet als Kreditunterlage zur Verfügung gestellt werden sollen, nicht nachweisen sollte, wird das Berufungsgericht im Rahmen des Ursachenzusammenhangs zu prüfen haben, ob ein Vertrag mit der vom Erblasser gewünschten Absicherung durchführbar gewesen wäre und ob sich B. E. auf diese Vertragsgestaltung eingelassen hätte. Die Revisionserwiderung hat darauf hingewiesen , "für den Betriebsmittelkredit, von dessen Gewährung die geplante Auseinandersetzung und damit auch die Restkaufpreiszahlung abhing", sei eine erstrangige Absicherung erforderlich gewesen. Dabei wird unterstellt, daß die Veräußerung der Grundstücke an B. E. wirtschaftlich nur gegen Stundung der Restkaufpreise in Betracht kam, weil der aufgenommene, erstrangig abgesicherte Kredit größtenteils benötigt wurde, um der GmbH Betriebsmittel zuzuführen , und ein weiterer Kredit nur nachrangig hätte abgesichert werden können , womit die Banken nicht einverstanden gewesen wären. Abgesehen davon, daß derartiges in den Tatsacheninstanzen bisher nicht vorgetragen war, wird hier zu berücksichtigen sein, daß die Grundstücke inzwischen weit höher belastet sind. Das hätte möglicherweise von Anfang an geschehen können, um vorweg die Veräußerer mit ihren Ansprüchen zu befriedigen.
3. Sollte sich ergeben, daß eine Absicherung des Erblassers nicht möglich oder daß jedenfalls B. E. dazu nicht bereit gewesen wäre und sollte es andererseits der Beklagten nicht gelingen, die Vermutung zu erschüttern, daß der Erblasser dann nicht verkauft hätte, wäre die Klage mit ihrem Hauptantrag unbegründet. Dann könnte indes der Hilfsantrag zum Zuge kommen.
4. Dem Vorbringen der Parteien zum Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit und zum Mitverschulden der Klägerinnen ist das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht nachgegangen. Dies wird nunmehr nachzuholen sein. Dr. Paulusch ist nach der Beratung verstorben und kann deshalb nicht unterschreiben. Kirchhof Kirchhof Fischer Zugehör Ganter

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.