Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2005 - III ZR 276/03

bei uns veröffentlicht am06.10.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 276/03
Verkündet am:
6. Oktober 2005
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers zu 2 wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. September 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers zu 2 erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin zu 1 hat die Kosten ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Kläger zu 2 (im Folgenden: der Kläger), ein Rech tsanwalt, gründete durch Vertrag vom 9. November 1987 gemeinsam mit den Gesellschaftern G. und R. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im folgenden:
Ursprungs-GbR), deren Gegenstand die für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten waren. Aufgrund eines Vertrages vom 16. Dezember 1991 trat der Steuerberater W. in die Ursprungs-GbR ein. Im Jahre 1992 errichtete die Ursprungs-GbR eine Außenstelle in L. , zu deren Leiterin die Beklagte bestellt wurde. Die Beklagte war in den Bereichen Buchhaltung und Rechnungswesen tätig.
Der Gesellschafter W. kündigte den Gesellschaftsvertr ag fristgerecht zum 31. Oktober 1994. Auch der Gesellschafter G. kündigte den Vertrag, und zwar außerordentlich zum 31. August 1994. Während die Kündigung W. unstreitig wirksam war, bestand über die Wirksamkeit der Kündigung G. Streit. Die Rechtsstellung G. zur UrsprungsGbR , insbesondere das Bestehen etwaiger Ansprüche gegen diese, ist noch nicht endgültig geklärt. Die beiden übrigen Gesellschafter, der Kläger und R. , betreuten die ihnen zugeordneten Mandate, darunter auch diejenigen, die auf die Außenstelle L. entfielen, unter Gesellschaft bürgerlichen Rechts "R. und T. " weiter. Im Innenverhältnis wurden die Mandate der Außenstelle L. dem Kläger zugeordnet. Diese Gesellschaft wurde zum 31. Oktober 1996 aufgelöst. Auch in später gegründeten weiteren Sozietäten mit wechselndem Mitgliederbestand verblieb die Bearbeitung der Mandate der Außenstelle L. beim Kläger. Mit Schreiben vom 26. Mai 1997 an die Sozietät R. und T. , zu Händen des Klägers, kündigte die Beklagte das Rechtsverhältnis, unter anderem mit der Begründung, sie sei im Unklaren darüber, mit welcher der verschiedenen Sozietäten sie in einem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis stehe. Nachfolgende Verhandlungen über einen Ankauf des mit der Außenstelle in L. verbundenen Mandantenstamms durch die Beklagte scheiterten.

Der Kläger trägt vor, er persönlich sei nach der Auflösu ng der Ursprungs -GbR und nach der Gründung der Folgegesellschaften mit deren jeweils wechselndem Mitgliederbestand Alleininhaber der die Außenstelle L. betreffenden Mandate geworden und geblieben. Deswegen sei die Beklagte ihm persönlich für die Geschäftsführung dieser Mandate verantwortlich. Er wirft der Beklagten vor, sie verweigere ihm die Einsicht in die die Zweigstelle betreffenden Geschäftsunterlagen. Durch die Vorenthaltung dieser Unterlagen habe sie einen gewinnbringenden Verkauf der Außenstelle an Dritte verhindert. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger - ursprünglich gemeinsam mit der früheren, am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten Klägerin zu 1 - die Beklagte mit gestaffelten Anträgen auf Herausgabe von Unterlagen, Auskunft und Abrechnung, sowie auf Zahlung von Schadensersatz und auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit de r vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung de s Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche beruhen auf einem Geschäftsbesorgungsvertrag oder auf Geschäftsführung ohne Auftrag, wobei - soweit der Kläger der Beklagten vorwirft, unberechtigt Steuerberatungstätigkeit zu
seinen Lasten ausgeübt zu haben - auch an angemaßte Eigengeschäftsführung (§ 687 BGB) gedacht werden mag. 2. Das Berufungsgericht verneint eine Aktivlegitimation des Klägers für diese Ansprüche. Es meint, er habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Außenstelle L. auf ihn übergegangen sei. Auftraggeberin, Dienstherrin oder Prinzipalin der Beklagten sei die Ursprungs-GbR gewesen. Für eine Auflösung dieser Gesellschaft im Verhältnis zur Beklagten fehle es an hinreichend substantiiertem Sachvortrag, insbesondere hinsichtlich der Wirksamkeit des Ausscheidens des Ursprungsgesellschafters G. . Mit Beschluss der Gesellschafter über die Auflösung der Gesellschaft entstehe die sogenannte Auflösungsgesellschaft nach § 730 Abs. 2 BGB, mit der Folge, dass sämtliche Gesellschafter an der Auflösung der Gesellschaft mitwirken müssten und sie deshalb nur gemeinschaftlich für die Geltendmachung sämtlicher Auskunfts-, Herausgabe- und eventueller Schadensersatz- und sonstiger Ansprüche zuständig seien.
3. Diese Argumentation des Berufungsgerichts beruht auf einer Verkennung der Tragweite der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungsvorschriften der §§ 730-736 BGB. Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die dortigen Bestimmungen samt und sonders dispositiven Charakter haben (s. dazu insbesondere MünchKomm/Ulmer, BGB, 4. Aufl. 2004 § 730 Rn. 63; § 731 Rn. 3). Daher besteht insbesondere bei Freiberuflern die Möglichkeit, die Auseinandersetzung dadurch zu vollziehen, dass die Ausscheidenden ihre Mandate mitnehmen und im übrigen die Sachwerte aufgeteilt werden, z.B. auch im Wege der Übernahme durch die verbleibenden Gesellschafter (st. Rspr. des II. Zivilsenats; vgl. Urteil vom 6. Dezember 1993 - II ZR
242/92 = NJW 1994, 796; Urteil vom 6. März 1995 - II ZR 97/94 = NJW 1995, 1551; Urteil vom 8. Mai 2000 - II ZR 308/98 = NJW 2000, 2584).
4. Derartige Vereinbarungen werden hier schon durch den unstreitigen Geschehensablauf nahe gelegt; zum anderen sind sie vom Kläger hinreichend schlüssig vorgetragen, teilweise durch zu den Akten gereichte schriftliche Erklärungen der ehemaligen Mitgesellschafter urkundlich dokumentiert und im übrigen durch deren Zeugnis unter Beweis gestellt.

a) Die Beklagte hatte bereits in ihrer Klageerwideru ng nicht bestritten, dass die Ursprungs-GbR zum Ende des Jahres 1994 ihre Tätigkeit eingestellt hatte und in der Folgezeit als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen dem Kläger und dem Mitgesellschafter R. fortgeführt wurde. Auch aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten ergeben sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass ab diesem Zeitpunkt die ausgeschiedenen Gesellschafter der Ursprungs-GbR auf die Mandate der Außenstelle L. irgendwelchen rechtlichen oder auch nur faktischen Einfluss nehmen wollten oder konnten. Für die Folgegesellschaften liegen schriftliche Erklärungen der Mitgesellschafter K. R. und A. H. vor, wonach die Außenstelle allein dem Kläger zugeordnet war.

b) Dies hatte die rechtliche Konsequenz, dass unbeschadet d er Frage, ob die Rechtsstellung des Ursprungsgesellschafter G. im Verhältnis zur Ursprungs-GbR abschließend geklärt und abgewickelt war, jedenfalls auf der Grundlage des der revisionsgerichtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalts die Mandate der Außenstelle L. in die Zuständigkeit des Klägers übergegangen waren und dass die Beklagte nunmehr ihre Geschäftsbesorgungsleistungen gegenüber dem Kläger
Geschäftsbesorgungsleistungen gegenüber dem Kläger erbrachte. Dies hatte die weitere Folge, dass sie dem Kläger für die ordnungsgemäße Verwaltung vertraglich und haftungsrechtlich verantwortlich war. Im Ergebnis würde nichts anderes gelten, wenn statt des Klägers allein zunächst die Folgegesellschaften für die Außenstelle L. zuständig gewesen wären. Denn deren Mitgesellschafter waren, wie sich aus ihren bei den Akten befindlichen schriftlichen Erklärungen ergibt, zumindest damit einverstanden, dass nach der Auflösung der Folgegesellschaften die Außenstelle L. vom Kläger allein betreut wurde.

c) Erst recht gilt dies - wie die Revision zutreffend her vorhebt - für solche Mandate, die erst nach dem Ausscheiden der Ursprungs-GbR aus der Teilnahme am aktiven Rechts- und Geschäftsverkehr überhaupt akquiriert worden waren und die nach dem Vortrag des Klägers den Großteil der streitgegenständlichen Ansprüche ausmachen sollen. Für diese Neumandate fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten für eine Fortdauer der Zuständigkeit der UrsprungsGbR.
5. Das Berufungsurteil kann daher mit der ihm gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit , nunmehr etwa noch streitig gebliebenen Fragen zur Aktivlegitimation nachzugehen und in eine Sachprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der einzelnen Ansprüche einzutreten. Dabei ist im gegenwärtigen Revisionsverfahren noch nicht darüber zu befinden, ob das diesbezügliche klagebegründende Vorbringen des Klägers bis in die letzten Verästelungen hinreichend substantiiert ist. Da es - vom bisherigen Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus
folgerichtig - auf diese Frage noch nicht ankam, ist dem Kläger gegebenenfalls Gelegenheit zu geben, etwaige Mängel seines Sachvortrags auf richterlichen Hinweis zu beheben.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2005 - III ZR 276/03

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2005 - III ZR 276/03

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 730 Auseinandersetzung; Geschäftsführung


(1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist. (2) Für die Beendig

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 687 Unechte Geschäftsführung


(1) Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei. (2) Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, dass er nicht dazu bere
Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2005 - III ZR 276/03 zitiert 3 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 730 Auseinandersetzung; Geschäftsführung


(1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist. (2) Für die Beendig

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 687 Unechte Geschäftsführung


(1) Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei. (2) Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, dass er nicht dazu bere

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Bundesgerichtshof Urteil, 08. Mai 2000 - II ZR 308/98

bei uns veröffentlicht am 08.05.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 308/98 Verkündet am: 8. Mai 2000 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB §

Referenzen

(1) Die Vorschriften der §§ 677 bis 686 finden keine Anwendung, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei.

(2) Behandelt jemand ein fremdes Geschäft als sein eigenes, obwohl er weiß, dass er nicht dazu berechtigt ist, so kann der Geschäftsherr die sich aus den §§ 677, 678, 681, 682 ergebenden Ansprüche geltend machen. Macht er sie geltend, so ist er dem Geschäftsführer nach § 684 Satz 1 verpflichtet.

(1) Nach der Auflösung der Gesellschaft findet in Ansehung des Gesellschaftsvermögens die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

(2) Für die Beendigung der schwebenden Geschäfte, für die dazu erforderliche Eingehung neuer Geschäfte sowie für die Erhaltung und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens gilt die Gesellschaft als fortbestehend, soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erfordert. Die einem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zustehende Befugnis zur Geschäftsführung erlischt jedoch, wenn nicht aus dem Vertrag sich ein anderes ergibt, mit der Auflösung der Gesellschaft; die Geschäftsführung steht von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 308/98 Verkündet am:
8. Mai 2000
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Scheidet ein Gesellschafter aus einer Freiberuflersozietät gegen Zahlung
einer Abfindung aus, welche auch den Wert des Mandantenstammes abgelten
soll, hat dies mangels abweichender Abreden zur Folge, daß der
ausscheidende Gesellschafter die Mandanten der Sozietät nicht mitnehmen
darf, sondern sie - längstens für zwei Jahre - seinen bisherigen
Partnern belassen muß.

b) Mandantenschutzklauseln, die für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters
aus einer Freiberuflersozietät vereinbart werden, enthalten
ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das räumlich und gegenständlich
hinreichend bestimmt ist. Soweit eine solche Klausel das zeitlich
tolerable Maß von zwei Jahren überschreitet, führt dies nicht zur
Nichtigkeit der Abrede, sondern hat lediglich die zeitliche Begrenzung
des Mandantenschutzes auf längstens zwei Jahre zur Folge.
BGH, Urteil vom 8. Mai 2000 - II ZR 308/98 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin
Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und Widerkläger wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 7. Oktober 1998 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der klagende Rechtsanwalt war seit 1992 mit den beiden Beklagten in einer Sozietät verbunden, zu welcher drei Tochter-Steuerberatungsgesellschaften gehörten. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs steht fest, daß der Kläger zum 31. Dezember 1994 aus der Sozietät ausgeschieden ist. § 9 des Sozietätsvertrages bestimmt über die Auseinandersetzung beim Ausscheiden eines Partners u.a. folgendes:
"1. Der ausgeschiedene Partner erhält als Auseinandersetzungsguthaben den seiner Gewinnbeteiligung {beim Kläger waren dies 9 %} entsprechenden Anteil am Jahresumsatz, zuzüglich des Saldos auf seinem Verrechnungskonto. Maßgeblich ist der Umsatz des letzten Geschäftsjahres der Sozietät; Umsätze von Tochterunternehmen sind entsprechend der Beteiligungsquote der Sozietät einzubeziehen. Damit ist auch sein entsprechender Anteil an den stillen Reserven und am "good will" der Praxis abgegolten. 2. Wird die Praxis beim Ausscheiden eines Partners von keinem der verbleibenden Partner fortgeführt, tritt an die Stelle des Jahresumsatzes i.S.v. Abs. 1 der Verwertungserlös. 3. Das Auseinandersetzungsguthaben ist ... in halbjährlichen Raten auszuzahlen ... ."
Das nach diesen Berechnungsregeln zugunsten des Klägers ermittelte Guthaben beläuft sich auf 181.332,78 DM. Unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 3 des Sozietätsvertrages hat der Kläger, der sich zunächst einer höheren Abfindung berühmt hatte, von den Beklagten die Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen verlangt. Die Beklagten haben geltend gemacht, ihnen stünden die Abfindungsforderung weit übersteigende Schadenersatzansprüche zu, weil der Kläger unter Verstoß gegen das in § 10 des Partnerschaftsvertrages ("Es besteht grundsätzlich Mandantenschutz für die Sozietät") niedergelegte Verbot Mandanten abgeworben habe und diese in der im Dezember 1994 mit einem anderen Partner gegründeten Steuerberatungs-GmbH unter Einsatz einer früheren Mitarbeiterin einer der drei Tochtergesellschaften der früheren Sozietät betreue. Sie haben deswegen gegenüber der Auseinandersetzungsforderung die Aufrechnung erklärt und mit der Widerklage Zahlung des überschießenden Betrages von 248.536,-- DM nebst Zinsen gefordert.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 193.726,62 DM entsprochen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Widerklage abgewiesen und der Klage stattgegeben.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Oberlandesgericht hat angenommen, § 10 des Sozietätsvertrages begründe keine Pflichten, deren Verletzung die von den Beklagten erhobenen Schadenersatzansprüche auslösen könnten. § 10 enthalte nämlich, wie sich aus dem Wort "grundsätzlich" und der mangelnden Bestimmtheit der Aussage ergebe, lediglich einen Programmsatz; im übrigen wäre die Klausel aber auch wegen ihrer fehlenden zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Begrenzung nichtig, wenn man ihr Regelungsgehalt beilegen wollte. Dies hält in mehrfacher Hinsicht der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand.

II.


Das Berufungsgericht mißdeutet das in § 10 des Sozietätsvertrages verwandte Wort "grundsätzlich", verletzt den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung (Sen.Urt. v. 26. Januar 1998 - II ZR 243/96, ZIP 1998, 605, 606 m.w.N.), indem es die genannte Bestimmung isoliert und ohne ihren Zusammenhang mit § 9 des Sozietätsvertrages betrachtet, und wird bei
seiner Hilfserwägung zur Nichtigkeit der Mandantenschutzklausel von einem Fehlverständnis der Bedeutung und Tragweite einer solchen Vereinbarung geleitet.
1. Der Sozietätsvertrag der Parteien enthält in den §§ 9 und 10 aufeinander abgestimmte, der Annahme des Berufungsgerichts, der Mandantenschutz solle keinen rechtsverbindlichen Charakter haben, entgegenstehende Regelungen. Nach § 9 aaO ist das Auseinandersetzungsguthaben eines ausscheidenden Gesellschafters als gewinnproportionaler Anteil am letzten Jahresumsatz der Sozietät einschließlich ihrer Töchter zu ermitteln. Damit erhält der Betroffene - wie in § 9 Abs. 1 Satz 3 aaO ausdrücklich bestimmt wird - zugleich seinen Anteil an den stillen Reserven und am "good will" der Sozietät. Diese Regelung tritt an die Stelle der in früheren Entscheidungen des Senats als angemessene Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät bezeichneten Regelung, daß die Sachwerte geteilt werden und jeder Partner die rechtlich nicht beschränkte Möglichkeit erhält, um Mandanten der bisherigen Praxis zu werben (Sen.Urt. v. 6. Dezember 1993 - II ZR 242/92, ZIP 1994, 378, 380; Sen.Urt. v. 6. März 1995 - II ZR 97/94, ZIP 1995, 833, 834). Da bei einer Sozietät von Freiberuflern der in den Beziehungen zu den Mandanten bestehende "good will" in aller Regel den entscheidenden Wert der Gesellschaft ausmacht, hat eine diesen Wert - wie hier verabredet - einbeziehende Abfindungsklausel grundsätzlich zur Voraussetzung, daß der ausscheidende Gesellschafter den Mandantenstamm seinen bisherigen Partnern belassen muß. Anderenfalls erhielte er eine überhöhte Abfindung, weil die übernommenen Mandate dann doppelt - einmal durch die Beteiligung an dem in der Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens einbezogenen "good will", zum anderen durch die Übernahme der Mandate selbst - berücksichtigt würden.

2. Dieser schon in § 9 aaO angelegte Gedanke wird durch die Mandantenschutzklausel in § 10 aaO zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht und steht der Annahme entgegen, die Parteien hätten, was grundsätzlich möglich ist (Sen.Urt. v. 6. März 1995 aaO), eine Kumulation von einer den "good will" einbeziehenden Abfindungszahlung und des Rechts des Zugriffs auf den Mandantenstamm vereinbart. Bei der gebotenen den Wortlaut, die Systematik, den Sinn und die Interessen beider Teile berücksichtigenden Auslegung kann dem in § 10 aaO verwendeten Wort "grundsätzlich" nicht ein fehlender Rechtsbindungswille der Parteien entnommen werden. Vielmehr ist der Vertrag dahin zu verstehen, daß der ausgeschiedene Gesellschafter, welcher die in § 9 aaO definierte Abfindung beansprucht, keine Mandanten der Sozietät betreuen darf, sofern nicht im Einzelfall etwas von diesem Grundsatz Abweichendes vereinbart wird oder - wie noch unten auszuführen sein wird - die Zeit abgelaufen ist, während deren der Anspruch auf Wahrung von Mandantenschutz längstens gerechtfertigt ist.
3. Die danach von Rechtsbindungswillen getragene Mandantenschutzklausel ist entgegen der Hilfserwägung des Berufungsgerichts nicht wegen "Unbestimmtheit und Unkonkretheit" nichtig. Vielmehr ist die Vereinbarung räumlich und gegenständlich hinreichend bestimmt. Die fehlende zeitliche Begrenzung der den ausgeschiedenen Kläger treffenden Unterlassungspflicht führt nicht zur Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit.
Nach der zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ergangenen ständigen Rechtsprechung des Senats sind derartige Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nur dann wirksam, wenn sie räumlich, zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß nicht überschreiten (Sen.Urt. v. 14. Juli 1997 - II
ZR 238/96, WM 1997, 1707 m.w.N.). Ihre Rechtfertigung finden sie allein darin, die Partner des ausgeschiedenen Gesellschafters vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit oder vor einem Mißbrauch der Ausübung der Berufsfreiheit zu schützen. Dagegen darf ein solches Wettbewerbsverbot rechtlich nicht dazu eingesetzt werden, den ehemaligen Partner als potentiellen Wettbewerber auszuschalten. Soweit sich dieser in hinreichender räumlicher Entfernung niederläßt und seinen Beruf ausübt, ist das berechtigte Anliegen der verbleibenden Gesellschafter, vor illoyalem Wettbewerb geschützt zu sein, ebenso wenig berührt, wie wenn der ehemalige Partner auf einem nicht von der Sozietät gewählten anderen Berufsfeld tätig wird. Entsprechendes gilt, wenn sich durch Zeitablauf - der Senat legt hier einen Zeitraum von nicht mehr als zwei Jahren zugrunde - die während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft geknüpften Verbindungen typischerweise so gelockert haben, daß der ausgeschiedene Partner wie jeder andere Wettbewerber behandelt werden kann. Verstößt eine solche Wettbewerbsklausel allein gegen diese zeitliche Grenze, ohne daß weitere Gründe vorliegen, deretwegen die Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit als sittenwidrig zu qualifizieren sind, läßt der Senat (Sen.Urt. v. 14. Juli 1997 aaO unter 3. m.w.N.) eine geltungserhaltende Reduktion auf das zeitlich tolerable Maß zu.
Diesen Maßstäben entspricht die in § 10 aaO niedergelegte Regelung. Als Mandantenschutzklausel ist sie gegenüber einem allgemeinen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bereits insofern eingeschränkt, als sich die Vereinbarung nur auf die bisherigen Mandanten der Sozietät beschränkt, die der ausscheidende Partner nicht mitnehmen darf. Hierin liegt die gebotene gegenständliche und räumliche Begrenzung, denn der Kläger darf alle anderen denkbaren Mandanten am Ort der Sozietät wie auch anderenorts betreuen, die sich mit Anliegen der Steuerberatung, der Wirtschaftsprüfung oder Rechtsbe-
sorgung an ihn wenden, ohne seine nachvertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinen früheren Mitgesellschaftern zu verletzen. Daß dieses Gebot, Mandantenschutz zu gewähren, zeitlich nicht befristet ist, macht die Bestimmung nicht sittenwidrig und nichtig, sondern führt - wie oben ausgeführt - lediglich dazu, daß der Kläger für eine zweijährige Frist wettbewerblich in der Weise gebunden wird, daß er ehemalige Mandanten der Sozietät nicht betreuen durfte. Dabei ist unerheblich, ob er sie, wie die Beklagten behauptet haben, abgeworben hat oder ob sie sich aus freien Stücken an ihn gewandt haben, weil eine Abfindungsklausel, die, wie die hier geltende, auch den "good will" erfaßt, nur dann ungestört wirken kann, wenn der ausgeschiedene Partner nicht neben der Abfindungssumme das Mandat selbst und die mit ihm verbundenen Vorteile an sich zieht. Soweit Mandanten die verbliebenen Partner nicht weiter beauftragen, sondern zu Dritten abwandern, geht dies zu Lasten der fortgeführten Sozietät, deren Risiko es ist, die - im Verhältnis zu dem ausgeschiedenen Gesellschafter - ihnen zustehenden Mandanten an sich binden zu können.
4. Da unstreitig der Kläger jenem bindenden Verbot zuwider in dem fraglichen Zeitraum Mandanten der früheren Sozietät in seiner neuen Gesellschaft betreut hat, kann auf der Grundlage der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen über den geltend gemachten Abfindungsanspruch nicht befunden werden. Ob er überhaupt noch und ggfs. in welcher Höhe er besteht, ist von der von dem Berufungsgericht von seinem abweichenden Standpunkt aus folgerichtig nicht geprüften Frage abhängig, welche Mandate der Kläger in seine neue Gesellschaft mitgenommen hat, welcher Wert damit den Beklagten entzogen und ihm zugeflossen ist und ob dies nur zu einer Anrechnung auf den der Höhe nach rechnerisch im Ausgangspunkt übereinstimmend mit 181.332,78 DM bezifferten Auseinandersetzungsanspruch oder sogar zu einer Verurteilung des
Klägers auf die Widerklage hin führt. Damit das Berufungsgericht - ggfs. nach Ergänzung des Sachvortrags der Parteien - die dafür erforderlichen Feststellungen treffen kann, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Röhricht Henze Goette Kurzwelly Münke