Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2008 - III ZR 90/06

published on 28/02/2008 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2008 - III ZR 90/06
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Previous court decisions
Landgericht München I, 28 O 11878/04, 08/03/2005
Oberlandesgericht München, 28 U 2717/05, 17/01/2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 90/06
Verkündet am:
28. Februar 2008
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter
Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Januar 2006 im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 - und insoweit aufgehoben, als die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Kläger Der zeichnete am 16. November 2000 (nicht: 18. September 2000) - unter Einschaltung der D. GmbH als Treuhänderin - eine Kommanditeinlage über 100.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. Dritte KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktions- dienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.
2
Wegen behaupteter Mängel des Prospekts begehrt der Kläger Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung Rückzahlung des eingezahlten Betrags von 53.685,65 € nebst Zinsen. Im Hinblick auf eine Ausschüttung von 1.533,88 € nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils hat der Kläger die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Der Kläger hält die Beklagte zu 1 - Tochtergesellschaft einer international tätigen Großbank - als (Mit-)Initiatorin und Hintermann für prospektverantwortlich. Diese war von der Fondsgesellschaft mit der Beratung bei der Auswahl und Heranziehung potentieller Vertragspartner und der Optimierung des gesamten Vertragswerks sowie der gesamten Koordination des Eigenkapitalvertriebs und von der Herausgeberin des Prospekts mit der Erstellung eines Prospektentwurfs beauftragt worden und nahm als Einzahlungstreuhänderin für die Fondsgesellschaft die Gelder der Anleger entgegen. Die Beklagte zu 2, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft , hat der Kläger wegen behaupteter Fehler bei der ihr von der Beklagten zu 1 aufgetragenen Prüfung des Prospekts, und - erstinstanzlich - die Beklagte zu 3 wegen fehlerhafter Vermittlung der Beteiligung in Anspruch genommen.
3
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat nur in Bezug auf die Beklagte zu 1 zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag gegen diese weiter.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit es die gegen die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) gerichtete Klage betrifft.

I.


5
Das Berufungsgericht verneint Mängel des Prospekts. Aus dem Prospekt werde hinreichend deutlich, dass der vorgesehene Abschluss von Erlösausfallversicherungen projektbezogen und Teil des in den Leitgedanken des Prospekts konzipierten Sicherheitsnetzes sei, das von der Geschäftsführung noch umzusetzen gewesen sei. Deshalb habe der Prospekt nicht so verstanden werden dürfen, dass im Zeitpunkt seiner Herausgabe die Versicherungsverträge bereits abgeschlossen gewesen seien. Auch die auf S. 38 des Prospekts dargestellte "Restrisiko-Betrachtung" sei inhaltlich nicht zu beanstanden, da sie im Zusammenhang mit anderen Passagen des Prospekts gesehen werden müsse, in denen auf das Risiko eines Totalverlustes hingewiesen werde. Das Gesamtrisiko werde nicht unzulässig verharmlost. Der Prospekt suggeriere auch keine Mittelfreigabekontrolle, sondern mache deutlich, dass es sich um eine nachträgliche Mittelverwendungskontrolle handele. Unter diesen Umständen könne offen bleiben, ob die Beklagte prospektverantwortlich sei.

II.


6
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem maßgebenden Punkt nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts , dass der Prospekt nicht zu beanstanden sei.
7
1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten (vgl. BGHZ 79, 337, 344; 116, 7, 12; 123, 106, 109 f; BGH, Urteile vom 29. Mai 2000 - II ZR 280/98 - NJW 2000, 3346; vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04 - NJW 2006, 2042, 2043 Rn. 7). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände , die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können (vgl. BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 26. September 1991 - VII ZR 376/89 - NJW 1992, 228, 230 ). Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81 - NJW 1982, 2823, 2824). Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91 - NJW-RR 1992, 879, 881).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Bei seiner Sicht berücksichtigt es nämlich nicht hinreichend den in den Leitgedanken vorbereiteten und durch die als "worst-case-Szenario" bezeichnete "Restrisiko-Betrachtung" vermittelten Gesamteindruck, dass der Anleger mit seiner Beteiligung ein nur begrenztes Risiko eingehe. Dies hat der Senat - nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen, entschieden (III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f) und hieran - nach erneuter Überprüfung - in seinem Urteil vom 22. November 2007 (III ZR 210/06) festgehalten. Auf die genannten Urteile nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

III.


9
Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
10
1. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Frage getroffen, inwieweit die Beklagte als Prospektverantwortliche in Betracht kommt. Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen kann deren Verantwortlichkeit für Prospektmängel nicht ausgeschlossen werden. Der Senat hat in seinen Urteilen vom 14. Juni 2007 eine Prospektverantwortlichkeit der Beklagten als (Mit-)Initiatorin oder Hintermann für möglich erachtet und befunden, abschließend könne hierüber erst nach Erhebung der angebotenen Beweise entschieden werden (III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1505 f Rn. 17-22; III ZR 185/05 - NJW-RR 2007, 1479 f Rn. 9-13). Darüber hinaus hat er in einigen Parallelsachen, in denen Anleger über ihnen später bekannt gewordene Vorgänge aus einem einen anderen Filmfonds betreffenden Verfahren gegen die Beklagte vor dem Landgericht F. vorgetragen hatten, im Hinblick auf die behauptete Kenntnis der Beklagten, dass es mit dem Abschluss von Erlösausfallversicherungen Probleme gegeben habe, - unabhängig vom Grad ihrer Einflussnahme auf die Gestaltung des Prospekts - auch deren deliktsrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 31, 826, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB für möglich erachtet (vgl. hierzu Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06 - WM 2007, 1503, 1506 Rn. 23; Senatsbeschlüsse vom 20. Dezember 2007 - III ZR 306/06, III ZR 23 bis 27/07, III III ZR 61/07, jeweils Rn. 9).
11
2. Es fehlen auch tragfähige Feststellungen zu der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede.
12
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verjähren Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung in analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftung bestimmten kurzen Verjährung (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5 AuslInvestmG, jeweils in der bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung) in - seinerzeit - sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels, spätestens jedoch in drei Jahren nach dem Beitritt (vgl. BGHZ 83, 222, 224; BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - X ZR 283/02 - NJW 2004, 3420, 3421; Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2007 - III ZR 258/05 - Rn. 7; Senatsurteil vom 22. November 2007 - III ZR 210/06 - Rn. 13). Insoweit wird das Berufungsgericht den Vortrag der Parteien darauf zu überprüfen haben, wann der Kläger von dem hier festgestellten Prospektmangel, nämlich der unklaren Aussage über das Ausmaß der mit der Beteiligung einzugehenden Risiken, Kenntnis erlangt hat. Sollte es im weiteren Verfahren darauf ankommen, ob ein denkbarer deliktischer Anspruch verjährt ist, müsste das Berufungsgericht einen selbständig zu beurteilenden Verjährungsbeginn in Betracht ziehen.

13
3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Schlick Wurm Dörr
Wöstmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.03.2005 - 28 O 11878/04 -
OLG München, Entscheidung vom 17.01.2006 - 28 U 2717/05 -
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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende
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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende
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Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer im Zusammenhang mit

1.
dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder
2.
dem Angebot, die Einlage auf solche Anteile zu erhöhen,
in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn sich die Tat auf Anteile an einem Vermögen bezieht, das ein Unternehmen im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung verwaltet.

(3) Nach den Absätzen 1 und 2 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die durch den Erwerb oder die Erhöhung bedingte Leistung erbracht wird. Wird die Leistung ohne Zutun des Täters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Erbringen der Leistung zu verhindern.