Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2008 - III ZR 90/07

bei uns veröffentlicht am07.02.2008
vorgehend
Landgericht Frankfurt (Oder), 11 O 120/04, 15.07.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 90/07
Verkündet am:
7. Februar 2008
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Art. 135a; EinigungsV Art. 21 Abs. 1 Satz 1; DDR: StHG § 1

a) Die Bundesrepublik Deutschland haftet nicht kraft Gesamtrechtsnachfolge
für Verbindlichkeiten der Nationalen Volksarmee der DDR nach dem Gesetz
über die Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen
Republik.

b) Eine solche Einstandspflicht ergibt sich auch nicht aus Art. 21 Abs. 1
Satz 1 Einigungsvertrag aufgrund der Übernahme von Vermögensgegenständen
der NVA.
BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - III ZR 90/07 - Brandenburgisches OLG
LG Frankfurt (Oder)
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter
Dr. Kapsa, Dörr, Dr. Herrmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 20. März 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger war von 1962 bis 1971 zunächst Soldat, dann Offiziersschüler und später Technischer Radaroffizier der Reserve der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR. Er verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000 €. Außerdem begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden. Zur Begründung macht der Kläger geltend, er sei im Rahmen seiner Tätigkeit als Techniker und Bediener (Funkorter) an verschiedenen Geschützricht - und Rundblickstationen der NVA Radarstrahlung (HF-Strahlung), Röntgenstörstrahlung sowie radioaktiver Strahlung aus Röhren und Leuchtfar- ben in hoher Dosis ohne Schutzmaßnahmen ausgesetzt gewesen und habe dadurch verschiedene gesundheitliche Schäden erlitten. Deswegen hätten ihm zunächst Ansprüche gegen die NVA auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach dem Gesetz über die Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik (Staatshaftungsgesetz - StHG) vom 12. Mai 1969 (GBl. DDR 1969 Teil I S. 34) zugestanden. Die Einstandspflicht der NVA sei mit Herstellung der deutschen Einheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen. Diese habe die zum Aktivvermögen zählenden Radaranlagen der NVA und folglich auch die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Haftung für Strahlenschäden übernommen.
2
Die Beklagte verneint ihre Passivlegitimation und erhebt die Einrede der Verjährung.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet er sich mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision ist unbegründet.

I.


5
Das Berufungsgericht hat es für zweifelhaft gehalten, ob der Schutzbereich des Staatshaftungsgesetzes, das Bürgern Ansprüche für durch ungesetzliche Maßnahmen von Mitarbeitern staatlicher Einrichtungen erlittene Schäden gewährt habe, überhaupt Angehörige der NVA erfasst habe. Jedenfalls sei eine etwaige Verbindlichkeit der NVA nicht auf die beklagte Bundesrepublik übergegangen. Eine universelle, alle bestehenden Rechte und Pflichten der ehemaligen DDR oder ihrer Rechtsträger umfassende Rechtsnachfolge der Bundesrepublik Deutschland sei zwischen den Parteien des Einigungsvertrags nicht vereinbart worden und ergebe sich nicht aus anderen Vorschriften oder Rechtsgrundsätzen. § 419 BGB a.F. sei weder unmittelbar noch analog auf öffentlichrechtliche Vorgänge wie den Beitritt eines Staates zu einem anderen Staat anwendbar. Auch das zur Durchsetzung dringender öffentlich-rechtlicher Ansprüche entwickelte Institut der "Funktionsnachfolge" sei für die mit dem Beitritt der DDR aufgeworfene Frage des Übergangs von Verbindlichkeiten nicht heranzuziehen. Eine Gesamtrechtsfolge folge auch nicht aus Art. 135a Abs. 2 GG, der sich auf eine reine Kompetenzregelung beschränke und für die vorrangige Frage , welche Vermögenswerte und damit zusammenhängende Verbindlichkeiten überhaupt auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen seien, nichts besage. Schließlich sei eine etwaige Haftung der NVA nicht im Wege der Einzelrechtsnachfolge nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV auf die Beklagte übergegangen. Zu dem danach übergegangenen Verwaltungsvermögen gehörten nicht Ansprüche der hier in Rede stehenden Art, die ihre Grundlage in einer Haftpflicht für staatliches Handlungs- oder Erfolgsunrecht hätten. Eine solche, letztlich auf das Handeln oder das Unterlassen einer Person zurückzuführende Verbindlichkeit stehe nicht in einem engen und unmittelbaren Zusammenhang mit bestimmten Vermögensgegenständen. Die Regelung in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV bezwecke die Sicherung der künftigen Aufgabenwahrnehmung und betreffe neben den Betriebsmitteln diejenigen Rechtsverhältnisse, die dazu geeignet und bestimmt seien, die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen. Hierzu zählten Verbindlichkeiten aus längst abgeschlossenen Dienstverhältnissen nicht. Im Übrigen folge der geltend gemachte Anspruch des Klägers nicht aus der Gefährlichkeit der Anlage als solcher, sondern allenfalls aus der konkreten Ausgestaltung des Dienstverhältnisses an diesem Gerät. Es handele sich nicht um einen Tatbestand der Gefährdungshaftung, bei dem ein gegenstandsbezogener Zusammenhang noch hergestellt werden könne. Während eine vertragliche Verbindlichkeit gleichsam ein Gegenstück zu einem Vermögensvorteil darstelle, der dem Vermögensgegenstand oder dem Betrieb zugute gekommen sei und noch anhafte, weise eine Haftung aus unerlaubter Handlung oder Staatshaftung eine solche Bezogenheit zu einem einer bestimmten Verwaltungsaufgabe dienenden Vermögensgegenstand nicht auf. Anderenfalls wäre Folge eine nicht überschaubare und nach objektiven Kriterien kaum abgrenzbare Belastung der Beklagten mit Haftungsverbindlichkeiten, die in irgendeiner Weise mit der rechtswidrigen Nutzung übernommener Vermögensgegenstände in Zusammenhang stünden. Eine solche Haftung käme praktisch einer nach Verwaltungsbereichen gegliederten Universalsukzession gleich. Dies widerspreche aber der Regelungskonzeption des Einigungsvertrages. Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche teilweise verjährt.

II.


6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
7
Es kann dahinstehen, ob dem Kläger nach dem gemäß Art. 232 §§ 1, 10 EGBGB maßgeblichen früheren Recht der DDR gegen die NVA Ansprüche wegen der behaupteten Gesundheitsschäden zustanden. Jedenfalls haftet die beklagte Bundesrepublik Deutschland dem Kläger hierfür nicht.
8
1. Eine mögliche Verpflichtung der NVA nach dem Staatshaftungsgesetz ist nicht kraft einer Gesamtrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen. Eine Übernahme aller bestehenden Rechte und Pflichten der ehemaligen DDR, die mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages als Rechtssubjekt unterging, durch die Beklagte ist weder zwischen den Parteien des Einigungsvertrages vereinbart noch sonst angeordnet worden (Senat, BGHZ 128, 140, 146; BGHZ 165, 159, 162 m.w.N.). Eine Gesamtrechtsnachfolge ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 135a Abs. 2 GG. Diese Vorschrift enthält - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - eine bloße Ermächtigung für den Gesetzgeber zum Ausschluss und zur Beschränkung der Erfüllung von Verbindlichkeiten der DDR oder ihrer Rechtsträger sowie von Verbindlichkeiten, die mit dem Übergang von Vermögenswerten der DDR in Zusammenhang stehen. Welche Verbindlichkeiten der früheren DDR auf die Beklagte oder andere Rechtsträger übergehen sollen und unter welchen Voraussetzungen, lässt Art. 135a Abs. 2 GG ebenso wie die Denkschrift zum Einigungsvertrag (unter B. Besonderer Teil Kapitel II zu Art. 4 B Nr. 4 - BT-Drucks. 11/7760 S. 359) gerade offen. Damit setzt Art. 135a Abs. 2 GG voraus, dass solche Verbindlichkeiten aufgrund einer anderweitigen Regelung auf die Bundesrepublik Deutschland oder andere Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts übergegangen sind (BGHZ 165, 159, 164 f m.w.N.). Im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung hat der Gesetzgeber davon abgesehen, nach dem Wegfall der staatlichen Organe und Einrichtungen der DDR eine Rechtsnachfolge in deren Verbindlichkeiten - unter anderem solche nach dem Staatshaftungsgesetz - anzuordnen.

9
Des Weiteren scheidet eine allgemeine Haftung der Beklagten wegen Vermögensübernahme entsprechend § 419 BGB a.F. aus, weil diese Vorschrift zur Beurteilung öffentlich-rechtlicher Vorgänge - wie hier den Betritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland - weder unmittelbar noch analog gilt (Senat, BGHZ 128, 140, 147 m.w.N.). Das für Sonderfälle zur Durchsetzung dringlicher öffentlich-rechtlicher Ansprüche entwickelte Institut der Funktionsnachfolge kommt für die hier in Rede stehenden zivilrechtlichen Ansprüche nicht in Betracht (vgl. dazu Senat, BGHZ 128, 140, 147 f; BGHZ 165, 159, 162; BGH, Urteil vom 22. November 1995 - VIII ZR 165/94 - WM 1996, 267, 269 unter 4.; jeweils m.w.N.).
10
2. Auch im Wege einer Einzelrechtsnachfolge hat die Beklagte die streitgegenständlichen Verbindlichkeiten nicht übernommen. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV bildet entgegen der Auffassung der Revision keine Grundlage für eine Einstandspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger.
11
a) Nach dieser Bestimmung wird Vermögen der DDR, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient (Verwaltungsvermögen), grundsätzlich Bundesvermögen. Verwaltungsvermögen dient nach dem im deutschen Verwaltungsrecht herkömmlichen Verständnis, das auch Art. 21 EV zugrunde liegt, durch seine Zweckbestimmung und seinen Gebrauch unmittelbar der öffentlichen Verwaltung. Für die Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zum Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21 EV muss in der Regel eine entsprechende Zweckbestimmung am 1. Oktober 1989 vorgelegen und noch am 3. Oktober 1990 bestanden haben (Senat, BGHZ 145, 145, 147; BGHZ 128, 393, 396 f; jew. m.w.N.). Zum übernommenen Vermögen der Bundesrepublik Deutschland werden unter anderem auch die Verteidigungszwecken dienenden Objekte, Immobilien und Mobilien der früheren NVA gerechnet. Allerdings knüpft daran nicht automatisch eine Haftung der Beklagten für Schäden, die durch solche Vermögensgegenstände der NVA verursacht wurden. Selbst wenn - wie der Kläger behauptet und zu seinen Gunsten für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - die Beklagte die Radargeräte, an denen der Kläger eingesetzt war, aus dem Vermögen der NVA übernommen hat, folgt daraus keine Einstandspflicht der Beklagten für die von dem Kläger geltend gemachten Gesundheitsschäden.
12
b) Zum Vermögen im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EV gehören zwar auch solche Passiva, die mit dem übergegangenen Aktivvermögen in einem engen und unmittelbaren Zusammenhang stehen (Senat, BGHZ 128, 140, 146 f; 145, 145, 148; BGHZ 128, 394, 399 f; 133, 363, 367 f; 137, 350, 363; 164, 361, 372; 168, 134, 137; Senatsurteil vom 6. Mai 2004 - III ZR 248/03 - VIZ 2004, 492, 493 unter II. 3. a); BGH, Urteile vom 22. November 1995 aaO S. 268 unter II. 2. f) aa); vom 5. Dezember 1996 - VII ZR 21/96 - WM 1997, 792, 793 unter II. 2. c); vom 24. Januar 2001 - XII ZR 270/98 - VIZ 2001, 572, 573 unter 2.; jew. m.w.N.). Ein solcher enger und unmittelbarer Zusammenhang zwischen übergegangenem Aktivvermögen und auf ihm lastender Verbindlichkeit ist dann gegeben, wenn die Verbindlichkeit aus einem Vertrag resultierte, der sich auf den Erwerb, die Erstellung oder die Nutzung eines konkreten, einer bestimmten Verwaltungsaufgabe dienenden Vermögensgegenstandes richtete (BGHZ 164, 361, 372). Demgemäß ist einem übergegangenen Vermögensgegenstand eine hierfür noch bestehende Werklohn- oder Kaufpreisverbindlichkeit zugeordnet worden (BGHZ 137, 350, 363 ff; BGH, Urteil vom 22. November 1995 aaO). Ferner sind beim Übergang eines Grundstücks Werklohnschulden wegen solcher Baumaßnahmen, die der Verwaltungsaufgabe dienen sollten, zu deren Wahrnehmung der Verwaltungsträger das Grundstück erhalten hat, als Teil des Verwaltungsvermögens angesehen worden (BGHZ 128, 393, 400; Urteil vom 5. Dezember 1996 aaO; vom 24. Januar 2001 aaO). Weiterhin ist zu dem in einem übergegangenen Grundstück verkörperten Verwaltungsvermögen eine Verpflichtung zur Zahlung einer Enteignungsentschädigung gezählt worden, weil sie das Äquivalent für das dem Eigentümer entzogene Eigentum darstellt (Senat BGHZ 145, 145, 148).
13
c) Solchen Verbindlichkeiten steht die Staatshaftung nach dem Recht der DDR nicht gleich. Sie stellt nicht wie vertragliche Verbindlichkeiten eine Gegenleistung für den Erwerb oder die Herstellung von Vermögenswerten dar; sie schafft auch nicht vergleichbar einer Enteignungsentschädigung einen Ausgleich für den Entzug eines Rechtsguts. Der erforderliche enge und unmittelbare Zusammenhang kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nach der Darstellung des Klägers schädliche Strahlen von den Radargeräten, an denen er als Soldat der NVA zu hoheitlichen Aufgaben eingesetzt war, ausgingen. Die Radaranlagen als solche können nicht gleichsam als mit einer auf das Staatshaftungsgesetz gegründeten Verpflichtung der früheren NVA belastet angesehen werden. Dagegen spricht bereits die Gestaltung der Staatshaftung nach dem Recht der DDR. Dieses bestimmte eine (unmittelbare) Haftung staatlicher Organe und Einrichtungen für die rechtswidrigen schädigenden Folgen aus dem Verhalten ihrer Mitarbeiter und Beauftragten (Duckwitz/Lörler, in: Verwaltungsrecht , Lehrbuch, herausgegeben von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR, 2. Aufl. 1988, S. 211). Der Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 StHG setzte voraus, dass ein Mitarbeiter oder Beauftragter eines staatlichen Organs oder einer staatlichen Einrichtung in Ausübung staatlicher Tätigkeit einem Bürger oder dessen persönlichem Eigentum einen Schaden zugefügt hatte. Schutz- und Sicherheitsorgane wie die NVA wurden als Staatsorgane im Sinne dieser Vorschrift angesehen (Herbst/Lühmann, Die Staatshaftungsgeset- ze der neuen Länder, 1997, S. 63 f Anm. 25; Lübchen, NJ 1969, 394, 395). Die Handlung oder Unterlassung musste in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung der ihm obliegenden oder übertragenen dienstlichen Aufgaben stehen (Lübchen aaO). Weiterhin erforderte eine Haftung gemäß § 1 Abs. 1 StHG einen Kausalzusammenhang zwischen der staatlichen Tätigkeit und dem Schaden. Dieser musste allein auf das Verhalten des Mitarbeiters oder Beauftragten zurückzuführen sein (Lübchen, aaO S. 396). Anknüpfungspunkt für die Staatshaftung konnte somit nur ein rechtswidriges Tun oder Unterlassen eines Mitarbeiters oder Beauftragten staatlicher Organe oder staatlicher Einrichtungen sein. Dies entsprach dem in der Präambel des Staatshaftungsgesetzes der DDR genannten Ziel, wonach die Verantwortung der staatlichen Organe und staatlichen Einrichtungen für die volle Übereinstimmung der Tätigkeit ihrer Mitarbeiter mit den Rechtsvorschriften auch die Haftung für Schäden, die Bürgern durch ungesetzliche Maßnahmen einzelner Mitarbeiter entstanden, einschließen sollte (vgl. hierzu Duckwitz, NJ 1979, 480). Die bei solchen Maßnahmen eingesetzten Vermögensgegenstände konnten als solche hingegen keine Haftung der staatlichen Organe und Einrichtungen auslösen. So wäre eine Haftung für die von dem Kläger geltend gemachten Strahlenschäden gemäß § 1 Abs. 1 StHG nicht aus einem technisch fehlerhaften Zustand der Geräte abgeleitet worden. Haftungsauslösend hätten allenfalls unsachgemäße Dienstanweisungen oder sonstige Entscheidungen der verantwortlichen Mitarbeiter der NVA oder ein diesen zuzurechnendes Unterlassen von Schutzmaßnahmen sein können. Unrechtmäßige Maßnahmen dieser Art hafteten aber nicht den jeweiligen Radargeräten mit der Folge einer Verantwortlichkeit des jeweiligen Trägers dieser Vermögenswerte an.
14
d) Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem unterstellten Übergang der Radargeräte auf die Beklagte und den in Rede stehenden Staatshaftungsansprüchen kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Übergangs einer Wirtschaftseinheit begründet werden (vgl. BGHZ 168, 134, 138 ff für den Übergang von Haftungsverbindlichkeiten aus fehlerhafter medizinischer Behandlung im Zusammenhang mit dem Vermögensübergang eines Krankenhauses als Wirtschaftseinheit). Die Beklagte hat die NVA nicht als "Betrieb" übernommen oder gar fortgeführt. Vielmehr wurde die NVA zum Ablauf des 2. Oktober 1990 abgewickelt; lediglich bestimmte Dienstverhältnisse von Soldaten wurden übergeleitet. Im Übrigen fehlt es an einem vergleichbaren, auf die Nutzung übergegangener Vermögensgegenstände gerichteten Vertragsverhältnis.
15
3. Dass über die noch im Raum stehenden versorgungsrechtlichen Ansprüche hinaus dem Kläger aus dem früheren Dienstverhältnis zur NVA von der Beklagten zu erfüllende Ansprüche erwachsen sein könnten, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
16
Da eine Haftung der Beklagten schon dem Grunde nach ausscheidet, kommt es auf die in den Vorinstanzen geprüfte Frage der Verjährung nicht an.
Schlick Kapsa Dörr
Herrmann Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 15.07.2005 - 11 O 120/04 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 20.03.2007 - 2 U 50/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2008 - III ZR 90/07

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2008 - III ZR 90/07

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 135a


(1) Durch die in Artikel 134 Abs. 4 und Artikel 135 Abs. 5 vorbehaltene Gesetzgebung des Bundes kann auch bestimmt werden, daß nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen sind 1. Verbindlichkeiten des Reiches sowie Verbindlichkeiten des ehemaligen La
Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2008 - III ZR 90/07 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 135a


(1) Durch die in Artikel 134 Abs. 4 und Artikel 135 Abs. 5 vorbehaltene Gesetzgebung des Bundes kann auch bestimmt werden, daß nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen sind 1. Verbindlichkeiten des Reiches sowie Verbindlichkeiten des ehemaligen La

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2008 - III ZR 90/07 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2008 - III ZR 90/07 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Mai 2004 - III ZR 248/03

bei uns veröffentlicht am 06.05.2004

BGHR: ja BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 248/03 Verkündet am: 6. Mai 2004 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Jan. 2001 - XII ZR 270/98

bei uns veröffentlicht am 24.01.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄ UMNISURTEIL XII ZR 270/98 Verkündet am: 24. Januar 2001 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bun

Referenzen

(1) Durch die in Artikel 134 Abs. 4 und Artikel 135 Abs. 5 vorbehaltene Gesetzgebung des Bundes kann auch bestimmt werden, daß nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen sind

1.
Verbindlichkeiten des Reiches sowie Verbindlichkeiten des ehemaligen Landes Preußen und sonstiger nicht mehr bestehender Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts,
2.
Verbindlichkeiten des Bundes oder anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, welche mit dem Übergang von Vermögenswerten nach Artikel 89, 90, 134 und 135 im Zusammenhang stehen, und Verbindlichkeiten dieser Rechtsträger, die auf Maßnahmen der in Nummer 1 bezeichneten Rechtsträger beruhen,
3.
Verbindlichkeiten der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände), die aus Maßnahmen entstanden sind, welche diese Rechtsträger vor dem 1. August 1945 zur Durchführung von Anordnungen der Besatzungsmächte oder zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes im Rahmen dem Reich obliegender oder vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben getroffen haben.

(2) Absatz 1 findet entsprechende Anwendung auf Verbindlichkeiten der Deutschen Demokratischen Republik oder ihrer Rechtsträger sowie auf Verbindlichkeiten des Bundes oder anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die mit dem Übergang von Vermögenswerten der Deutschen Demokratischen Republik auf Bund, Länder und Gemeinden im Zusammenhang stehen, und auf Verbindlichkeiten, die auf Maßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik oder ihrer Rechtsträger beruhen.

(1) Durch die in Artikel 134 Abs. 4 und Artikel 135 Abs. 5 vorbehaltene Gesetzgebung des Bundes kann auch bestimmt werden, daß nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen sind

1.
Verbindlichkeiten des Reiches sowie Verbindlichkeiten des ehemaligen Landes Preußen und sonstiger nicht mehr bestehender Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts,
2.
Verbindlichkeiten des Bundes oder anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, welche mit dem Übergang von Vermögenswerten nach Artikel 89, 90, 134 und 135 im Zusammenhang stehen, und Verbindlichkeiten dieser Rechtsträger, die auf Maßnahmen der in Nummer 1 bezeichneten Rechtsträger beruhen,
3.
Verbindlichkeiten der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände), die aus Maßnahmen entstanden sind, welche diese Rechtsträger vor dem 1. August 1945 zur Durchführung von Anordnungen der Besatzungsmächte oder zur Beseitigung eines kriegsbedingten Notstandes im Rahmen dem Reich obliegender oder vom Reich übertragener Verwaltungsaufgaben getroffen haben.

(2) Absatz 1 findet entsprechende Anwendung auf Verbindlichkeiten der Deutschen Demokratischen Republik oder ihrer Rechtsträger sowie auf Verbindlichkeiten des Bundes oder anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die mit dem Übergang von Vermögenswerten der Deutschen Demokratischen Republik auf Bund, Länder und Gemeinden im Zusammenhang stehen, und auf Verbindlichkeiten, die auf Maßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik oder ihrer Rechtsträger beruhen.

BGHR: ja

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 248/03
Verkündet am:
6. Mai 2004
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 30. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin ist eine im Jahre 1742 errichtete Schul- und Armenstiftung in Dresden. Stiftungsvorstand war bis 1960 der jeweilige für Dresden zuständige Superintendent der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen, deren oberste Kirchenbehörde die Stiftungsaufsicht innehatte. Die Verwaltung des Stiftungsvermögens war der Stadt Dresden übertragen, die sie unter Aufsicht des Ministeriums für Volksbildung ausübte. Auf der Grundlage des Sächsischen Landesgesetzes über die Zusammenlegung örtlicher Stiftungen vom 25. Februar 1948 (GVBl. S. 137) war die Stiftung verwaltungsmäßig an die
Sammelstiftung der Stadt Dresden angegliedert worden, wodurch ihre rechtliche Selbständigkeit zunächst jedoch nicht beeinträchtigt wurde.
Am 3. November 1959 beschloß der Verwaltungsrat der Sa mmelstiftung der Stadt Dresden die Auflösung der Stiftung. Daraufhin faßten der Rat der Stadt Dresden am 13. Januar 1960 und die Stadtverordnetenversammlung am 23. Februar 1960 entsprechende Beschlüsse über die Auflösung. Der Widerspruch der Evangelisch-Lutherischen Superintendentur wurde zurückgewiesen. Der Rat des Bezirks stimmte der Auflösung zu. Das unbewegliche Vermögen wurde in Eigentum des Volkes überführt, die hypothekarisch gesicherten Darlehensforderungen der Sparkasse Dresden überwiesen und die restlichen Kontobestände anderen Stiftungskonten der Sammelstiftung überschrieben.
Mit Bescheid vom 5. September 1997 stellte das Regierun gspräsidium Dresden den Fortbestand der Ehrlich'schen Schul- und Armenstiftung als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Dresden fest. In den Gründen des Bescheides ist ausgeführt, daß die seinerzeitige Auflösung der Stiftung unwirksam gewesen sei.
Die Klägerin nimmt nunmehr die beklagte Landeshauptst adt Dresden auf Auskunft über den Bestand aller von ihr ab dem 1. Januar 1934 bis zum 31. Dezember 2002 verwalteten Forderungen der Stiftung sowie auf Rechenschaft über die Verwaltung insgesamt in Anspruch. Die Klage, deren Antrag im Berufungsrechtszug erweitert worden ist, ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet.

I.


Die Verfahrensrüge der Revisionserwiderung, bereits die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil sei unzulässig gewesen, greift allerdings - wie der Senat geprüft hat - nicht durch; von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).

II.


Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf A uskunft und Rechnungslegung gegen die Beklagte nicht zu.
1. In Übereinstimmung mit der Terminologie des Berufungsgerichts bezeichnet auch der erkennende Senat die beklagte Landeshauptstadt Dresden erst für die Zeit ab dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl-DDR I S. 255), durch das die Gemeinden als Gebietskörperschaften neu konstituiert worden sind (§ 1 Abs. 3), als "die Beklagte", für die Zeit zuvor hingegen als "die Stadt Dresden" oder "die frühere Stadt Dresden".
2. Beiden Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß die Beklagte weder mit der früheren Stadt Dresden identisch ist noch deren Gesamtrechtsnachfolgerin geworden ist.

a) Das Berufungsgericht hat eingehend und zutreffend a usgeführt, daß die früheren Gemeinden in der DDR spätestens durch das Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 (GBl-DDR I S. 65) zumindest faktisch aufgehört hatten, als Rechtssubjekte am Rechtsverkehr teilzunehmen. Die ehemals kommunalen Aufgaben wurden vielmehr durch die jeweiligen Räte der Gemeinden als vollziehende und verfügende Organe der örtlichen Volksvertretung wahrgenommen (§ 4). Diese Räte waren nicht etwa Organe der Gemeinde, sondern örtliche Organe der zentralen Staatsgewalt, die spätestens seit dem Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 4. Juli 1985 (GBl-DDR I S. 213) mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet waren (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1995 - V ZR 110/94 = WM 1996, 870, 871 unter Hinweis auf Schmidt-Räntsch ZIP 1991, 973, 977). Die DDR war ein Einheitsstaat, dessen Aufbau keinen Platz für selbständige Träger öffentlicher Verwaltung ließ. Seit der Verwaltungsreform im Jahre 1952, die eine grundlegende Abkehr von alten administrativen Gliederungen vollzogen hat, sind die Gemeinden als Organe der Staatsgewalt, beaufsichtigt von der Volkskammer, in das Prinzip des demokratischen Zentralismus einbezogen worden. Der Rat der Gemeinde war Teil dieses Systems. Das System der eigenverantwortlichen kommunalen Selbstverwaltung durch entsprechende Gebietskörperschaften war aufgelöst und der Staatsrechtslehre der DDR völlig fremd (BGHZ 127, 285, 288 f, betreffend die früheren Kreise). Zusätzlich zu den bereits vom Berufungsgericht angeführten Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur kann als besonders anschauli-
ches Beispiel für diese Betrachtungsweise auch auf das Staatshaftungsgesetz der DDR in seiner Ursprungsfassung vom 12. Mai 1969 (GBl-DDR I S. 34) verwiesen werden. Danach haftete für Schäden, die einem Bürger oder seinem persönlichen Eigentum durch Mitarbeiter oder Beauftragte "staatlicher Organe" oder "staatlicher Einrichtungen" in Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig zugefügt wurden, das jeweilige "staatliche Organ" oder die "staatliche Einrichtung" (§ 1 Abs. 1; vgl. zum StHG DDR a.F. insbesondere Senatsurteil BGHZ 127, 57). Erst durch die grundlegende Umgestaltung, die das Staatshaftungsgesetz durch den Einigungsvertrag erfahren hat (Anl. II B Kap. III Sachgeb. B Abschn. III BGBl. 1990 II S. 885, 1168), wurde für Schäden, die einer natürlichen oder juristischen Person hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Rechte durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder "kommunaler" Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig zugefügt wurden, eine Haftung des jeweiligen staatlichen oder "kommunalen" Organs begründet (§ 1 Abs. 1 n.F.). Erst hierdurch wurde eine staatshaftungsrechtliche Eigenverantwortlichkeit auch der Kommunen selbst geschaffen.

b) Dies bedeutete, daß spätestens ab 1957 für Handlung en oder Unterlassungen des Rates der Stadt Dresden, die die Klägerin und deren Vermögen betrafen, nicht mehr die Stadt selbst, sondern der Rat der Stadt verantwortlich war, und zwar nicht als kommunales, sondern unmittelbar als zentralstaatliches Organ. Insbesondere gilt dies für die Auflösung der Klägerin im Jahre 1960 und für die Verteilung ihres Stiftungsvermögens.

c) Das Berufungsgericht hat ferner eingehend und mit g uten Gründen dargelegt, daß die Zentralisierung des Staatsapparates durch die einschlägigen DDR-Gesetze (vgl. das Gesetz über die weitere Demokratisierung des
Aufbaus und der Arbeitsweise staatlicher Organe in den Ländern der DDR vom 23. Juli 1952, GBl-DDR I S. 613 und das bereits erwähnte Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 aaO) zum Erlöschen der eigenen Rechtspersönlichkeit der Stadt Dresden und deren Beseitigung als selbständiger juristischer Person geführt habe. Die Revision wendet hiergegen ein, gegen die Betrachtungsweise des Berufungsgerichts sprächen die Art. 41 und 43 der DDR-Verfassung vom 6. April 1968 in der Fassung vom 7. Oktober 1974. Danach waren die Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände "eigenverantwortliche Gemeinschaften", die unter dem Schutz der Verfassung standen. Eingriffe in ihre Rechte konnte nur auf der Grundlage von Gesetzen erfolgen (Art. 41). Diese Frage bedarf indessen keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn die Stadt als juristische Person formal noch fortbestanden haben sollte, war sie im praktischen Rechtsleben funktionslos geworden. Dies gilt auch und gerade in ihrem Verhältnis zur Klägerin.

d) Jedenfalls ist den Vorinstanzen darin zuzustimmen, daß die Beklagte als Gebietskörperschaft durch § 1 Abs. 3 der Kommunalverfassung (aaO) originär neu geschaffen worden ist. Zwar ist dies in der Kommunalverfassung selbst nicht ausdrücklich festgelegt, und auch den Gesetzesmaterialien sind insoweit keine konkreten Hinweise zu entnehmen. Mit Recht weist das Berufungsgericht jedoch darauf hin, daß beispielsweise die Regelung in § 9 KomVerf , wonach die Gemeinden ihre bisherigen Namen führen, überflüssig wäre, wenn die Identität der früheren Gemeinde fortbestünde. Auch die Regelungen des Gesetzes über das Vermögen der Gemeinde, Städte und Landkreise (Kommunalvermögensgesetz - KVG) vom 6. Juli 1990 (GBl-DDR I S. 660), durch das diese kommunalen Körperschaften mit eigenem Vermögen ausgestattet werden sollten, belegen, daß der seinerzeitige DDR-Gesetzgeber von
einem völligen Neubeginn der Selbstverwaltungskörperschaften ausging. Dies zeigt sich besonders deutlich an § 2 Abs. 1 Buchst. e KVG, wonach in das Vermögen der Gemeinden und Städte unter anderem alle sonstigen Rechte und Forderungen übergehen sollten, die den ehemaligen Gemeinden und Städten sowie deren nachgeordneten Betrieben und Einrichtungen zustanden. Diese Formulierung hat zumindest den Charakter eines gewichtigen Indizes dafür, daß die ehemalige Gemeinde gegenüber der neu gegründeten ein rechtliches "Aliud" gewesen war.

e) Die Beklagte ist auch nicht Gesamtrechtsnachfolgerin de r früheren Stadt Dresden geworden.
aa) Daß die neu gegründeten Landkreise und Gemeinden weder mit den früheren Räten der Kreise und Gemeinden identisch noch deren Gesamtrechtsnachfolger sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit langem anerkannt (BGHZ 127, 285, 289 f, betreffend die Landkreise; BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - VII ZR 218/95 = WM 1997, 1028, 1030 = BGHR DDR-KomVerfG § 1 Gemeinden 1, betreffend die Gemeinden).
bb) Aber auch eine Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich der früheren Gemeinden als ehemaliger juristischer Personen selbst ist nicht eingetreten. Auch dies ergibt sich aus den Bestimmungen des Kommunalvermögensgesetzes, die den Übergang des Vermögens im einzelnen regeln. Das Berufungsgericht verweist ferner zu Recht auf die Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Vereinfachung und Beschleunigung registerrechtlicher und anderer Verfahren (BT-Drucks. 12/6228 vom 24. November 1993). Dort wird in der Begründung zu § 11 VZOG ausgeführt, im Zusammenhang mit dem Umbau der Staatsstruktu-
ren in den neuen Bundesländern seien die öffentlichen Körperschaften neu gegründet und nicht als Rechtsnachfolger im wörtlich-technischen Sinne des Wortes eingerichtet worden. Dementsprechend werde auch bei den Gebietskörperschaften nicht auf eine Rechtsnachfolge abgestellt, die es dort infolge der Neugründung nicht gebe (S. 110). Daher findet eine Rechtsnachfolge nur insoweit statt, als dies ausdrücklich angeordnet ist oder sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt. Um so weniger besteht eine innere Rechtfertigung dafür, die neu gegründeten Gemeinden mit dem Einstehenmüssen für solche Verbindlichkeiten zu belasten, die von den ehemaligen Gemeinden noch vor dem Verlust von deren Selbstverwaltungskompetenz in lange zurückliegenden Zeiten eingegangen worden sind (hier: seit dem Jahre 1934).
3. Aber auch eine Einzelrechtsnachfolge hat nicht stattgefunden.

a) Das Berufungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, das hi er in Rede stehende Stiftungsvermögen, auf das sich der Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft bezieht, dem Verwaltungsvermögen der Beklagten zuzuordnen. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß zum Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21 EinigV auch Verbindlichkeiten gehören , sofern sie mit dem übernommenen Aktivvermögen in einem engen unmittelbaren Zusammenhang stehen (Senatsurteil BGHZ 128, 140, 146 f). Der erforderliche enge Bezug des Vermögens zu bestimmten Verwaltungsaufgaben gilt auch für die Passiva (BGHZ 128, 393, 399 f m.zahlr.w.N.; Senatsurteil BGHZ 145, 145, 148). Der unmittelbare Bezug zu bestimmten Verwaltungsaufgaben ist indessen bei dem hier in Rede stehenden Stiftungsvermögen zu verneinen ; dies gilt dementsprechend auch für den Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung. Vergeblich versucht die Revision einen derartigen
Zusammenhang mit der Erwägung herzustellen, daß sich die Archive, durch deren Auswertung der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu erfüllen wäre, im Verwaltungsvermögen der Beklagten befänden. Die bloße Innehabung des städtischen Archivs begründet für sich allein genommen noch keine dem Verwaltungsvermögen zuzuordnende Rechtspflicht zur Auskunftserteilung.

b) Soweit es das Berufungsgericht abgelehnt hat, die h ier in Rede stehende Verbindlichkeit dem Finanzvermögen oder dem auf der Grundlage des Kommunalvermögensgesetzes übernommenen Vermögen zuzuordnen, erhebt die Revision keine Einwände. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht erkennbar.

c) Auch die - ebenfalls rechtsfehlerfreie - Ablehnung e iner Haftung aus Funktionsnachfolge wird von der Revision nicht angegriffen.
4. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Auskunft und Rechenschaftslegung aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 681 Satz 2, 666 BGB bzw. § 275 DDR-ZGB oder aus angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2 BGB bzw. § 276 DDR-ZGB verneint. Nach der Auflösung der Stiftung im Jahre 1960, die der Beklagten, wie dargelegt , unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuzurechnen war, brauchte die Beklagte nach ihrer Neugründung nicht mehr davon auszugehen, daß überhaupt noch unterscheidbares Vermögen der Klägerin existierte. Die Immobilien waren in Eigentum des Volkes übergeführt worden. Hypothekenforderungen wurden der Stadtsparkasse Dresden zugewiesen und sind nach der ausdrücklichen Erklärung der Klägerin in der Schlußverhandlung vor dem Landgericht nicht Gegenstand des jetzigen Auskunfts- und Rechenschaftsbegehrens. Die verbliebenen Geldmittel sind auf die sonstigen Konten der Sammelstiftung der
Stadt Dresden verteilt worden. Es war nicht Aufgabe der neu gegründeten Beklagten , zu ermitteln, in welchem Umfang dies geschehen ist und was aus diesen Mitteln geworden war.
5. Auskunft wird nach Treu und Glauben dort geschuldet, wo sich aus der "Natur der Sache" oder dem "Wesen des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses" ergibt, daß der Berechtigte entschuldbarerweise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen, die zur Beseitigung jener Ungewißheit geeignet sind. Dieser Rechtsgrundsatz gilt inzwischen als Gewohnheitsrecht (Staudinger/Bittner BGB [2001] § 260 Rn. 19 m.zahlr.w.N.). Das Berufungsgericht hat einen derartigen Anspruch mit der zutreffenden Erwägung verneint , daß für einen Anspruch auf Auskunft oder Rechnungslegung als Gegenstand eines Hilfsanspruchs ausreichend aber auch erforderlich ist, daß ein Leistungsanspruch dem Grunde nach besteht (BGHZ 126, 109, 113). Daß sich auch nach dem 3. Oktober 1990 noch Stiftungsvermögen im Vermögen der Beklagten befunden hat bzw. noch befindet, wird zwar von der Klägerin behauptet ; jedoch hat sie Beweis hierfür nicht angeboten. Auch die Revision vermag insoweit übergangenen beweisbewehrten Sachvortrag nicht aufzuzeigen. Damit ist die Klägerin für die Voraussetzungen eines Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs nach § 242 BGB beweisfällig geblieben.
Schlick Wurm Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kapsa ist infolge Urlaubsabwesenheit gehindert zu unterschreiben. Schlick Dörr Galke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
XII ZR 270/98 Verkündet am:
24. Januar 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 4 wird das Teil- und Grundurteil des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. September 1998 aufgehoben, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 4 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache, auch wegen der Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Vor dem Beitritt der DDR verwaltete der Beklagte zu 3 Häuser in der R. Siedlung in K. . Die Klägerin, eine Gerüstbaufirma aus Westberlin, die sich derzeit in Liquidation befindet, schloß am 28. Juni 1990 mit dem Beklagten zu 3 einen schriftlichen Vertrag ab, in dem sie sich verpflichtete, fünf Jahre lang für die Renovierung der von dem Beklagten zu 3
verwalteten Häuser Gerüste zu stellen (2000 qm Gerüstfläche). Beim Abschluß dieses Vertrages wurde der Beklagte zu 3 durch seinen Betriebsdirektor vertreten. Als Gegenleistung sollte die Klägerin jährlich 360.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer erhalten. Im Zuge des Beitritts der DDR gingen die vorher von dem Beklagten zu 3 verwalteten Hausgrundstücke in das Eigentum der Beklagten zu 4 über. Obwohl die Klägerin nicht 2000 qm Gerüstmaterial zur Verfügung gestellt hatte, sondern nur 500 qm, zahlte die Beklagte zu 1 das vereinbarte Entgelt für das erste Jahr. Ab 1. Juli 1991 lehnte die Beklagte zu 4 Gerüstgestellungen durch die Klägerin ab. Die Beklagte zu 4 gründete ein gemeindeeigenes Unternehmen und dieses beauftragte eine andere Gerüstbaufirma mit der Gerüstgestellung. Die Klägerin verlangt - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - von der Beklagten zu 4 den restlichen Mietzins für die vereinbarte Laufzeit des Vertrages. Die Beklagte zu 4 macht unter anderem geltend, das vereinbarte Entgelt übersteige den üblichen Marktpreis um das 6-fache und deshalb sei der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage gegen die Beklagte zu 4 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten zu 4, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will. Die Beklagte zu 1 hat die von ihr eingelegte Revision zurückgenommen.

Entscheidungsgründe:

Da die Klägerin im Verhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, war durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Die Entscheidung beruht jedoch nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf umfassender Sachprüfung. Die Revision führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten zu 4 entschieden hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht führt aus, die aus dem Gerüstbauvertrag resultierende Verbindlichkeit sei mit dem Erwerb des Eigentums an den betroffenen Hausgrundstücken auf die Beklagte zu 4 übergegangen. Der Gerüstbauvertrag sei wirksam zustande gekommen. Da er vor dem Beitritt der neuen Bundesländer abgeschlossen worden sei und da die Parteien ihn ausdrücklich dem Gesetz über Wirtschaftsverträge unterstellt hätten, sei die Wirksamkeit seines Zustandekommens nach dem Recht der früheren DDR zu beurteilen (Art. 27 EGBGB analog). Die Preisvorschriften der ehemaligen DDR seien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber bereits außer Kraft gesetzt gewesen. Der Vertrag sei auch nicht wegen der Vereinbarung eines überhöhten Preises nichtig. Ein Verstoß gegen § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB, der nach Abschluß des Staatsvertrages wie § 138 BGB auszulegen sei, liege nicht vor, weil der vereinbarte Preis nach einer ausdrücklichen Regelung in dem Vertrag auch das Risiko habe abgelten sollen, das aus damaliger Sicht damit verbunden gewesen sei, daß die Klägerin sich verpflichtet habe, wertvolles Material auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zur Verfügung zu stellen. Es sei damals nicht sicher abzusehen gewesen, wie sich die politische Lage entwickeln würde. Ein Anspruch auf Herausgabe des gelieferten Gerüstmaterials sei möglicherweise nur schwer zu vollstrecken
gewesen, wenn die DDR selbständig geblieben wäre. Im übrigen habe der beim Abschluß des Vertrages für die Beklagte zu 3 handelnde Betriebsdirektor zwar möglicherweise noch keine Erfahrungen mit der Marktwirtschaft gehabt. Er habe aber in der DDR einen nicht unbeträchtlichen Wohnungsbestand verwaltet. Es sei deshalb davon auszugehen, daß er in der Lage gewesen sei, Vergleichsangebote einzuholen und danach seine Entscheidung zu treffen. Ob die Beklagte zu 3 bzw. ihre Rechtsnachfolger über die gesamte Laufzeit des Vertrages Bedarf gehabt hätten an der vereinbarten Bereitstellung des Gerüstmaterials , sei ohne Bedeutung, da der Mieter nach § 552 BGB das Verwendungsrisiko für die Mietsache trage. Die Beklagte zu 4 sei deshalb grundsätzlich verpflichtet, das vereinbarte Entgelt zu bezahlen. Allerdings müsse sie sich ersparte Aufwendungen anrechnen lassen, da sie das Gerüstmaterial nur in sehr eingeschränktem Umfang habe zur Verfügung stellen müssen. Da die Höhe der ersparten Aufwendungen noch nicht aufgeklärt sei, sei über den Grund des Anspruchs vorab zu entscheiden. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Überprüfung stand. 2. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß Ansprüche der Klägerin aus dem Gerüstbauvertrag, sollte dieser Vertrag wirksam sein, von der Beklagten zu 4 zu erfüllen wären. Das Eigentum an den Hausgrundstücken , zu deren Sanierung das Gerüstmaterial gestellt werden sollte, ist nach Art. 22 des Einigungsvertrages auf die Beklagte zu 4 übergegangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (und des Bundesverwaltungsgerichts ) umfaßt der Vermögensbegriff der Art. 21, 22 Einigungsvertrag auch die dem Vermögen zugehörigen Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom
5. Dezember 1996 - VII ZR 21/96 - ZIP 1997, 479, 480 m.N.). Das bedeutet, daß auf die Beklagte zu 4 auch solche Passiva übergegangen sind, die mit dem übergegangenen Aktivvermögen in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang stehen (BGHZ 128, 393, 399 m.N.). Daß das Berufungsgericht einen solchen engen, unmittelbaren Zusammenhang bejaht hat zwischen dem Gerüstbauvertrag und den übergegangen Grundstücken, zu deren Sanierung die Gerüste dienen sollten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu auch BGH, ZIP 1997 aaO). Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß das sogenannte Außenhandelsmonopol der DDR der Wirksamkeit des vor dem Beitritt abgeschlossenen Vertrages nicht entgegensteht. Durch den Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 18. Mai 1990 traten das Gesetz über den Außenhandel und die darauf beruhenden Bestimmungen außer Kraft (vgl. im einzelnen BGHZ 128, 41, 53). Zwar wurden die Regelungen dieses Staatsvertrages erst am 1. Juli 1990 wirksam, so daß das Gesetz über den Außenhandel bei Abschluß des hier zu beurteilenden Vertrages am 28. Juni 1990 jedenfalls formal noch galt. Hinsichtlich eines zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Vertrages kann jedoch aus einem formalen Verstoß gegen das Außenhandelsgesetz der DDR nicht die Unwirksamkeit des Vertrages hergeleitet werden (BGHZ 128, 53 aaO m.N.). 3. Von Rechtsfehlern beeinflußt sind jedoch die - sehr knappen - Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es eine Nichtigkeit des Vertrages wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten verneint. Ob sich aus einem bestimmten (festgestellten oder in der Revisionsinstanz zu unterstellenden) Sachverhalt ein Verstoß gegen die guten Sitten ableiten läßt, ist eine Rechts-
frage, die uneingeschränkt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsbeschluß vom 2. Oktober 1996 - XII ZB 1/94 - NJW 1997, 192; Musielak/Ball, ZPO 2. Aufl. § 550 Rdn. 12, jeweils m.w.N.). Die Revision macht in diesem Zusammenhang zu Recht geltend, daß die Beklagte zu 4 unter Beweisantritt vorgetragen hat, der marktübliche Preis für eine entsprechende Gerüstgestellung sei 0,50 DM pro Quadratmeter und Woche, bei 2000 qm pro Jahr demnach 52.000 DM. Für das Auf- und Abbauen würden üblicherweise 15 DM pro Quadratmeter berechnet, insgesamt also 30.000 DM pro Jahr. Der marktübliche Preis für die Leistung, zu der sich die Klägerin in dem Vertrag verpflichtet habe, sei deshalb 82.000 DM pro Jahr statt der vereinbarten 360.000 DM. Da das Berufungsgericht keine gegenteiligen Feststellungen getroffen hat, ist für die Revisionsinstanz von diesem Vortrag der Beklagten zu 4 auszugehen. Von diesem Vortrag der Beklagten zu 4 ausgehend ist der Vertrag als wegen Sittenwidrigkeit (§§ 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB, 138 Abs. 1 BGB) nichtig anzusehen. Die Sittenwidrigkeit ist zwar an Hand des § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB zu prüfen , weil diese Bestimmung bei Abschluß des Vertrages Ende Juni 1990 noch in Kraft war. Jedenfalls für Verträge, die zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind, ist § 68 ZGB aber so auszulegen, daß zwischen ihm und § 138 BGB inhaltlich kein Unterschied mehr besteht und daß deshalb die zu § 138 BGB von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze uneingeschränkt anzuwenden sind (BGHZ 118, 34, 42). Auf den Vertrag, in dem sich die Klägerin gegen Entgelt verpflichtet hat, auf Zeit Gerüstmaterial zur Verfügung zu stellen, ist Mietrecht anzuwenden.
Gewerbliche Mietverträge sind, wie sonstige Rechtsgeschäfte auch, nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen und weitere, sittenwidrige Umstände hinzutreten, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (Senatsurteil BGHZ 141, 257, 263 m.N.). Ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist nach dem zu unterstellenden Vortrag der Beklagten zu 4 offensichtlich gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann jedenfalls bei bestimmten Vertragstypen - zum Beispiel bei Grundstückskaufverträgen - ohne weiteres auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urteil vom 8. November 1991 - V ZR 260/90 - BGHR-BGB § 138 Abs. 1 Mißverhältnis 4 = NJW 1992, 899, m.N.). Der Senat hat - in anderem Zusammenhang - bereits angedeutet, daß ein solcher Schluß auch bei gewerblichen Mietverträgen gerechtfertigt sein könnte (Senatsurteil BGHZ 141 aaO S. 265). Allerdings können besondere Umstände des Geschäfts dem Rückschluß von einem besonders groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten entgegenstehen (BGH, Urteil vom 21. März 1997 - V ZR 355/95 - BGHR-BGB § 138 Abs. 1 Mißverhältnis 6 = ZIP 1997, 931). Solche einen entsprechenden Rückschluß ausschließende Umstände kommen zum Beispiel in Betracht, wenn es für den Begünstigten aus besonderen Gründen nicht möglich ist zu übersehen, wie hoch der marktübliche Preis für die von ihm in Anspruch genommene Leistung ist und er deshalb nicht erkennen kann, daß der vereinbarte Preis ihn unangemessen begünstigt. Inwieweit solche Gesichtspunkte bei der Bewertung gewerblicher Mietverträge zum Tragen kommen können, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden.
Nach dem zu unterstellenden Vortrag der Beklagten zu 4 haben die für die Klägerin Tätigen aus verwerflicher Gesinnung gehandelt. Das gilt unabhängig davon, ob sie die Unerfahrenheit des Betriebsdirektors der Beklagten zu 3 ausgenutzt oder - wofür es Anhaltspunkte gibt - mit ihm zusammen bewußt zum Nachteil der von ihm vertretenen Beklagten zu 3 gehandelt haben (Kollusion

).

Das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung war nach dem Vortrag der Beklagten zu 4 besonders groß. Danach war nämlich der Wert der Leistung nicht nur knapp doppelt so hoch wie der Wert der Gegenleistung, sondern mehr als viermal so hoch. Das Mißverhältnis war für die Begünstigte - die Klägerin - auch ohne weiteres erkennbar. Es ist davon auszugehen, daß der Klägerin als einem in Westberlin ansässigen Gerüstbauunternehmen die üblichen Preise für das Stellen von Gerüstmaterial bekannt waren. Das Berufungsgericht verweist zu Recht darauf, daß auch der für die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 4 handelnde Betriebsdirektor ohne weiteres in der Lage war, sich Vergleichsangebote einzuholen und auf diese Weise den üblichen Marktpreis zu ermitteln. Im übrigen spricht der Text des Vertrages dafür, daß die Parteien sich darüber im klaren waren, einen an sich unangemessen hohen Preis vereinbart zu haben. Nur so ist es nämlich zu erklären, daß es in dem Vertrag ausdrücklich heißt, bei der Bildung des Mietzinses sei auch das Risiko des Vermieters berücksichtigt, "daß nämlich eine Realisierung von Herausgabeansprüchen bezüglich der Gerüstteile nur unter den noch zur Zeit geltenden Bestimmungen sozialistischer Gesetzlichkeit möglich ist, die eine Vollstreckung zu Lasten von Nutzer und Mietern nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen durch den zuständigen Sekretär vorsehen."
Es kommen weitere, für eine verwerfliche Gesinnung sprechende Gesichtspunkte hinzu. Drei Tage vor Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion hatte der für die Beklagte zu 3 handelnde Betriebsdirektor - für die Klägerin erkennbar - keinerlei Veranlassung, Gerüstmaterial in diesem Umfang für fünf Jahre zu bestellen. Der Vertrag hatte einen Wert von insgesamt 1.800.000 DM. Daß der Betriebsdirektor gegenüber der Klägerin eine so umfangreiche und langfristige Verpflichtung eingegangen ist, wäre vielleicht noch verständlich, wenn er zum Ausgleich einen besonders günstigen Preis ausgehandelt hätte. Es ist aber nicht nachzuvollziehen, warum er eine so umfangreiche und langfristige Verpflichtung eingegangen ist und gleichzeitig einen Preis ausgehandelt hat, der in solchem Maße über dem marktüblichen Preis lag. Es kann kein Zweifel bestehen, daß der Betriebsdirektor objektiv betrachtet die Interessen der Klägerin wahrgenommen hat und nicht die Interessen der von ihm vertretenen Beklagten zu 3. Es drängt sich der Verdacht auf, daß er sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Das Berufungsgericht meint, ein gegenüber dem üblichen Marktpreis überhöhter Preis sei entsprechend dem oben wiedergegebenen Passus in dem Vertrag gerechtfertigt, weil die Klägerin besondere Risiken eingegangen sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat insofern die Argumentation der Klägerin übernommen, ohne sich mit ihr auseinanderzusetzen. Es kann offenbleiben, ob es richtig ist, daß in der DDR ganz normale Ansprüche aus dem Eigentum nicht ohne weiteres durchsetzbar waren. Insbesondere läßt das Berufungsgericht außer acht, daß der Vertrag abgeschlossen worden ist zu einem Zeitpunkt, als der Beitritt der neuen Bundesländer abzusehen war und unmittelbar bevor stand. Bei Abschluß des Vertrages war das "Gesetz zur Ä nderung und Ergänzung der Verfassung der DDR" vom 17. Juni 1990 bereits beschlossen und in Kraft. In der Einleitung zu diesem Gesetz heißt es, das Ge-
setz ergehe "in der Erkenntnis, daß ... im Herbst 1989 eine friedliche und demokratische Revolution stattgefunden hat und in der Erwartung einer baldigen Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ...". In Art. 1 des Gesetzes heißt es, Bestimmungen und Rechtsvorschriften, die den einzelnen Bürger oder Organe der staatlichen Gewalt auf das Prinzip des sozialistischen Zentralismus verpflichteten, seien aufgehoben. Bei Abschluß des Vertrages am 28. Juni 1990 war außerdem bekannt, daß drei Tage später - am 1. Juli 1990 - die Wirtschafts- und Währungsunion in Kraft treten würde. Bei dieser Sachlage ist es nicht glaubhaft, daß die Vertragsschließenden in den "zur Zeit geltendenden Bestimmungen sozialistischer Gesetzlichkeit" ein so ernsthaftes Risiko gesehen haben, daß es ein mehrfaches des üblichen Preises rechtfertigen könnte. Die Argumentation des Berufungsgerichts und der Klägerin ist auch in sich widersprüchlich. Sie geht davon aus, es sei zu befürchten gewesen, daß die DDR weiterbestehe, daß sich dort nichts Entscheidendes ändere und daß deshalb ein Anspruch der Klägerin auf Rückgabe ihres Gerüstmaterials nicht oder nur schwer durchsetzbar sei. Hätte die DDR in dieser Form fortbestanden, wäre es aber erst recht nicht möglich gewesen, einen mehrfach überhöhten Mietzinsanspruch vor einem Gericht der DDR durchzusetzen und dem Einwand der Sittenwidrigkeit zu entgehen mit der Begründung, der Mietpreis schließe das Risiko ein, das damit verbunden sei, daß die DDR kein Rechtsstaat sei.
4. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen zu der Behauptung der Beklagten zu 4, der vereinbarte Preis sei um das mehrfache überhöht, nachholen kann. Blumenröhr Bundesrichterin Dr. Krohn Gerber ist im Urlaub und verhindert zu unterschreiben. Blumenröhr Sprick Weber-Monecke