Bundesgerichtshof Urteil, 19. Sept. 2007 - IV ZR 136/06

bei uns veröffentlicht am19.09.2007
vorgehend
Landgericht Bad Kreuznach, 2 O 547/03, 10.06.2005
Oberlandesgericht Koblenz, 10 U 866/05, 12.05.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 136/06 Verkündetam:
19.September2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und Dr. Franke
auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Mai 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger nehmen als gesetzliche Erben die Beklagte auf Erstattung von Kosten in Anspruch, die für die ärztliche Behandlung der Erblasserin während einer Reise in die USA entstanden sind.
2
Die Erblasserin hatte bei der Beklagten eine Krankenversicherung genommen, der der Tarif ES zugrunde lag, ein so genannter Ergänzungstarif für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung. In den Tarifbedingungen heißt es in Abschnitt A I 5 u.a. wie folgt: "Auslandsreisen Ambulante und stationäre Heilbehandlung im Ausland während vorübergehender Reisen bis zu sechs Wochen Dauer 100%".
3
Im selben Abschnitt heißt es nachfolgend an anderer Stelle weiter: "Erfordert eine Erkrankung, für die Versicherungsschutz besteht, während des Auslandsaufenthalts über das Ende des Versicherungsschutzes hinaus Heilbehandlung, so besteht die Leistungspflicht für die Heilbehandlungskosten weiter, sofern die Rückreise wegen nachgewiesener Transportunfähigkeit nicht möglich ist. Die Kosten für die Heilbehandlung werden jedoch nur bis zum Tag der Transportfähigkeit , längstens jedoch bis zur Dauer von vier Wochen über das Ablaufdatum des Versicherungsschutzes hinaus (vorübergehende Reisen bis zu sechs Wochen Dauer) übernommen."
4
Die Erblasserin flog am 17. Juli 2002 in die USA. Das Rückflugticket war für den 30. Oktober 2002 ausgestellt. Wenige Wochen nach ihrer Ankunft in den USA erkrankte sie und musste sich zunächst in ambulante , ab dem 6. September 2002 in stationäre ärztliche Behandlung begeben. Am 19. September 2002 verstarb sie in einem Krankenhaus in A. . Die Beklagte lehnte Versicherungsschutz für Kosten der medizinischen Behandlung der Erblasserin in den USA ab. Ausweislich des Datums für den Rückflug sei eine Auslandsreise für einen längeren Zeitraum als sechs Wochen geplant gewesen; für solche Reisen bestehe nach den Bedingungen des Tarifs ES kein Versicherungsschutz.
5
DasLandgericht hat der Klage auf Freistellung von den bereits in Rechnung gestellten Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 87.218,40 € sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für alle künftig noch geltend gemachten Kosten für den Zeitraum vom 16. August bis zum 19. September 2002 stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ergibt die Auslegung von Abschnitt A I 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Tarifs ES, dass die Beklagte Versicherungsschutz für ambulante und stationäre ärztliche Behandlung nur für Auslandsreisen bis zu sechs Wochen Dauer verspreche, nicht aber für die Dauer von sechs Wochen bei Auslandsreisen beliebiger Länge. Das ergebe sich auch nicht aus der Regelung, wonach die Leistungspflicht fortbesteht, wenn eine unter den Versicherungsschutz fallende Erkrankung über das Ende des Versicherungsschutzes hinaus Heilbehandlung erfordert, sofern die Rückreise wegen nachgewiesener Transportunfähigkeit nicht möglich ist. Ob die vom Versicherungsnehmer unternommene Reise unter den Versicherungsschutz falle, könne dabei nur anhand der von ihm getroffenen Vorkehrungen entschieden werden. Maßgebend seien insoweit objektiv feststellbare Umstände hinsichtlich der beabsichtigten Reisedauer, nicht aber bloße, nach außen nicht hervorgetretene Planungen. Aus dem von der Erblasserin vorab für den 30. Oktober 2002 gebuchten Rückflug folge hier, dass die Reise deutlich länger als sechs Wochen dauern sollte, Versicherungsschutz also nicht bestanden habe.

8
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
Nach 1. Abschnitt A I 5 des Ergänzungstarifs ES der Beklagten besteht Krankenversicherungsschutz auf Auslandsreisen für die ersten sechs Wochen immer und unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer die Reise für einen längeren Zeitraum geplant hat oder nicht. Das ergibt die Auslegung dieser Klausel.
10
a) Dabei kommt es auf die Sichtweise des durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Ausgangspunkt der Auslegung ist neben dem Wortlaut und dem mit der Klausel verfolgten Zweck auch der erkennbare Sinnzusammenhang (Senatsurteil vom 25. September 2002 - IV ZR 248/01 - VersR 2002, 1503 unter 2 a). Da es - auch - auf seine Interessen ankommt, muss der Versicherungsnehmer zudem nicht mit Lücken im Versicherungsschutz rechnen, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden.
11
b) Über Inhalt und Umfang des Leistungsversprechens der Beklagten wird der Versicherungsnehmer durch den in Abschnitt A der Bedingungen des Tarifs ES enthaltenen Leistungskatalog unter der Überschrift "Leistungen des Versicherers" unterrichtet. Will er sich über seinen Versicherungsschutz bei Reisen im Ausland informieren, kann er der Klausel unter I 5 entnehmen, dass die Beklagte ihn insoweit von Kosten für ambulante und stationäre Heilbehandlung während vorübergehender Reisen bis zu sechs Wochen Dauer in vollem Umfang freistellt. Dem Wortlaut dieser Klausel ist eine Einschränkung dergestalt, Versicherungsschutz während der ersten sechs Wochen einer insgesamt länger geplanten Auslandsreise sei (von vornherein) ausgeschlossen, jedenfalls nicht eindeutig zu entnehmen. Sie liegt für den Versicherungsnehmer auch nicht nahe, denn er kann nicht davon ausgehen, dass - will er sich u.a. Krankenversicherungsschutz auch für das Ausland verschaffen - dessen zeitliche Begrenzung von der Planung der Dauer seiner Reise abhängen könnte. Viel näher liegt es für ihn, dass der Versicherer die Dauer des versprochenen Versicherungsschutzes von vornherein für einen festen Zeitraum festlegen, also ausgehend vom Beginn einer Reise einen bestimmten Endzeitpunkt festlegen wird. Dieses Verständnis der Klausel lässt deren Wortlaut zu. Zwar weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass sich die Formulierung "bis zu sechs Wochen Dauer" nach dem Sprachverständnis nur auf die vorangehenden Worte "während vorübergehender Reisen" bezieht und nicht, wie das Landgericht angenommen hat, auf den Versicherungsschutz als solchen. Aber auch unter Berücksichtigung dieses möglichen Zusammenhangs erschließt sich dem Versicherungsnehmer jedenfalls nicht, dass es für den zeitlichen Umfang des Versicherungsschutzes darauf ankommen soll, ob er von Anfang an eine Auslandsreise bis zu sechs Wochen geplant hat oder nicht. Angesichts des vorübergehenden Charakters jeder Reise ist ohnehin zweifelhaft, ob dieser näheren Kennzeichnung des Begriffs "Reisen" in der Klausel überhaupt ein eigenständiger Sinngehalt zukommt.
12
c) Unter Berücksichtigung seiner Interessen drängt sich dem Versicherungsnehmer bei Lektüre der vorstehend erwähnten Klauseln auch nicht auf, dass es für den zeitlichen Umfang des Versicherungsschutzes auf die Feststellung der beabsichtigten Reisedauer und damit auf Umstände ankommen soll, die sich aus von ihm getroffenen und nach außen erkennbaren Vorkehrungen vor Reisebeginn ergeben. Die Klausel gibt dafür weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem auch dem Versiche- rungsnehmer erkennbaren Zweck, das übernommene Risiko zeitlich zu begrenzen, etwas her. Sie kann in diesem Verständnis vielmehr zu Lücken und Fehleinschätzungen des Versicherungsnehmers über den Umfang des Versicherungsschutzes führen, die seinem Interesse deutlich zuwiderlaufen. Eine andere Sicht gebietet auch das dem Versicherungsnehmer erkennbare Interesse des Versicherers an einer klaren Begrenzung des Versicherungsschutzes nicht; ihm ist vielmehr gerade dann Rechnung getragen, wenn von vornherein und ohne dass es auf Art und Planung der Reise oder deren voraussichtliche Dauer ankommt, feststeht , für welchen festen Zeitraum er Versicherungsschutz zu gewähren hat. Im Übrigen deutet das an die Kläger gerichtete Schreiben der Beklagten vom 5. Februar 2003 darauf hin, dass diese selbst der von ihr verwendeten Klausel jedenfalls zunächst nicht die Berechtigung entnommen hat, den Klägern die begehrte Versicherungsleistung insgesamt zu verweigern, weil die Versicherungsnehmerin von Anfang an geplant hatte, ihre Rückreise aus den USA deutlich nach Ablauf von sechs Wochen seit Reisebeginn anzutreten. Denn in diesem Schreiben weist die Beklagte im Zusammenhang mit der Rückforderung angeblich überzahlter Teilbeträge der Versicherungsleistung lediglich darauf hin, für Reisen ins Ausland bestehe Versicherungsschutz "bis zu einer Reisedauer von 6 Wochen" und sie könne die Rechnungen für die stationäre Behandlung der Klägerin in den USA nicht ausgleichen, "da nach Ablauf der 6 Wochen ab Reisebeginn ein Leistungsanspruch nicht mehr besteht".
13
d) Auch der weitere Teil der Klausel in Abschnitt A I 5 der Bedingungen des Tarifs ES, wonach dann, wenn eine unter den Versicherungsschutz fallende Erkrankung über das Ende des Versicherungsschutzes hinaus Heilbehandlung erfordert, die Leistungspflicht bei nachgewiesener Transportunfähigkeit fortbesteht, verdeutlicht dem Versiche- rungsnehmer weder für sich genommen noch in Zusammenhang mit dem einleitenden Teil dieser Klausel, dass Versicherungsschutz dann von vornherein nicht gegeben ist, wenn der Aufenthalt im Ausland für einen längeren Zeitraum als sechs Wochen geplant war. Bei aufmerksamer Durchsicht wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennen, dass die Beklagte durch diese Klausel ihr Leistungsversprechen für den Fall einer mit Transportunfähigkeit einhergehenden Erkrankung über die Dauer von sechs Wochen hinaus erweitert, ihr Risiko jedoch dadurch begrenzen will, dass sie Versicherungsschutz nur bis zur Wiederherstellung der Transportfähigkeit gewährt, längstens bis zur Dauer von vier Wochen über das Ablaufdatum des Versicherungsschutzes hinaus. Auch hier entnimmt der Versicherungsnehmer weder dem Wortlaut noch dem erkennbaren Zweck dieser Klausel, dass die Qualifizierung einer Auslandsreise als "vorübergehend" vom Fehlen einer nach außen erkennbaren Planung für die Rückkehr nach mehr als sechs Wochen abhängen soll. Die in dem Klammerzusatz enthaltene Einschränkung "vorübergehende Reisen bis zu sechs Wochen Dauer", die erkennbar die Formulierung im ersten Teil der Klausel wieder aufnimmt, legt dem um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer eher den Schluss nahe, die genannte Einschränkung setze lediglich das Ende oder das Ablaufdatum des Versicherungsschutzes auf den letzten Tag einer sechswöchigen Frist nach Reiseantritt fest, lasse aber das Bestehen des Versicherungsschutzes bis zu diesem Zeitpunkt unberührt.
14
2. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat verwehrt. Das Berufungsgericht hat sich, von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig , mit der zwischen den Parteien streitigen Frage der Transportfähigkeit der Erblasserin nicht auseinandergesetzt. Dies wird nunmehr nachzuholen sein.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 10.06.2005 - 2 O 547/03 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 12.05.2006 - 10 U 866/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Sept. 2007 - IV ZR 136/06

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Sept. 2007 - IV ZR 136/06

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG
Bundesgerichtshof Urteil, 19. Sept. 2007 - IV ZR 136/06 zitiert 1 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Sept. 2007 - IV ZR 136/06 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Sept. 2007 - IV ZR 136/06 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2002 - IV ZR 248/01

bei uns veröffentlicht am 25.09.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 248/01 Verkündet am: 25. September 2002 Heinekamp, Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ____________

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 248/01 Verkündet am:
25. September 2002
Heinekamp,
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AVB für Rechtsschutzversicherung § 4 (1) a) (ARB 94)
Als ein Ereignis im Sinne von § 4 (1) a) ARB 94 kommen nur Ursachen in Betracht
, die von dem in Anspruch genommenen Haftpflichtigen zurechenbar gesetzt
worden sind und den Eintritt eines Schadens hinreichend wahrscheinlich gemacht
haben.
BGH, Urteil vom 25. September 2002 - IV ZR 248/01 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Richter
am Bundesgerichtshof Seiffert als Vorsitzenden, den Richter
Dr. Schlichting, die Richterin Ambrosius, die Richter Wendt und Felsch
auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2002

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. September 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Versicherungsschutz aufgrund eines am 1. April 1999 abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages , dem die ARB 94 (vgl. VerBAV 1994, 97) zugrunde liegen. Danach war u.a. Schadensersatz-Rechtsschutz für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vereinbart, soweit diese nicht auf einer Vertragsverletzung oder einer Verletzung eines dinglichen Rechtes an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen beruhen (§ 2 a ARB 94). Die Parteien streiten über die Auslegung von § 4 (1) a) ARB 94; die Bestimmung lautet:
"(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles


a) im Schadensersatz-Rechtsschutz gemäß § 2 a) von dem er- sten Ereignis an, durch das der Schaden verursacht wurde oder verursacht worden sein soll; ...
Die Voraussetzungen nach a) bis c) müssen nach Beginn des Versicherungsschutzes gemäß § 7 und vor dessen Beendigung eingetreten sein. ..."
In der Sendung "R " vom 13. Dezember 1999 berichtete der S. über den Geflügelzuchtbetrieb und die Geflügelschlachterei der Klägerin. Dabei wurden die Art der Tierhaltung, die von dem Betrieb ausgehenden Emissionen und die schon seit Jahren gegen ihn gerichteten Demonstrationen von Anwohnern und Tierschützern dargestellt. Die Berichterstattung bezog mithin auch Ereignisse aus der Zeit vor Abschluß des Versicherungsvertrages am 1. April 1999 ein. Wegen falscher geschäftsschädigender Äußerungen verlangt die Klägerin mit einer Klage beim Landgericht Mainz Schadensersatz vom S. . Die Beklagte hat eine Deckungszusage verweigert, weil ein vorvertraglicher Versicherungsfall vorliege.
Das Landgericht hat die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, für die Schadensersatzklage Versicherungsschutz zu gewähren. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision war zurückzuweisen, weil die Vorinstanzen jedenfalls im Ergebnis der Klage mit Recht stattgegeben haben.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist § 4 (1) a) ARB 94 zu weit gefaßt. Nach dem Wortlaut sei Vorvertraglichkeit anzunehmen, wenn für den Schaden auch nur ein entferntes, vor Vertragsschluß liegendes Ereignis mitursächlich geworden sei, selbst wenn diese Ursache nicht von dem in Anspruch genommenen Haftpflichtigen gesetzt worden sei. Es sei aber absurd anzunehmen, daß kein Rechtsschutz für einen Verkehrsunfall gewährt werden solle, der sich nach Vertragsschluß zugetragen habe, aber darauf zurückzuführen sei, daß die Bremsen wegen eines schon vor Abschluß des Versicherungsvertrages vorhandenen Produktionsfehlers versagt hätten. Ein sinnvolles Ergebnis könne im vorliegenden Fall nur durch eine gesetzesähnliche Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen gewonnen werden. Nach § 14 (1) ARB 75 habe bei Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen als Versicherungsfall der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadensereignisses gegolten. Um zu vermeiden , daß ein Versicherungsnehmer, der einen Schadensfall schon mehr oder weniger voraussehe, noch Rechtsschutz dafür erlangen könne , sei die Neuregelung in § 4 (1) a) ARB 94 getroffen worden. Aus dieser Entstehungsgeschichte folge, daß vom Versicherungsschutz nur Fälle hätten ausgenommen werden sollen, in denen der Haftungstatbestand von einer bestimmten, später vom Versicherungsnehmer in Anspruch genommenen Person bereits vor Abschluß des Versicherungsvertrages verwirklicht worden sei und nur die konkreten Auswirkungen

des Haftungstatbestandes erst nach Vertragsschluß eingetreten seien. Dagegen erfordere der Zweck des § 4 (1) a) ARB 94 nicht, Versicherungsschutz auch in Fällen zu versagen, in denen ein vor Vertragsschluß liegendes Verhalten dritter Personen mitursächlich geworden sei, die außerhalb des Haftpflichtverhältnisses stünden, für das Rechtsschutz begehrt werde. Außerhalb des Schadensersatz-Rechtsschutzes komme es gemäß § 4 (1) c) ARB 94 darauf an, ob der Pflichtverstoß des Versicherungsnehmers oder eines anderen vor oder nach Abschluß des Rechtsschutzversicherungsvertrages liege. Damit führe auch die systematische Auslegung zu dem Ergebnis, daß es auf die Beteiligten des Haftpflichtanspruchs ankomme, für den Rechtsschutz begehrt werde. Eine andere Auslegung gerate auch in Widerspruch zu der zwingenden gesetzlichen Regelung der §§ 16 ff., 34 a VVG.
Mithin komme es im vorliegenden Fall nicht auf die schon vor Vertragsschluß laut gewordene Kritik an dem Unternehmen der Klägerin und das Verhalten von Demonstranten an, sondern allein auf die Sendung "R. " vom 13. Dezember 1999. Diese Sendung sei aufgrund der Ereignisse vor Vertragsschluß nicht schon mit Sicherheit zu erwarten gewesen.
2. a) Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht - wie es nicht verkannt hat - mit dieser Begründung von der ständigen Rechtsprechung des Senats abweicht, daß Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß; dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungs-

nehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85). Für eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung hat die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, außer Betracht zu bleiben, auch wenn ihre Berücksichtigung zu einem dem Versicherungsnehmer günstigen Ergebnis führen könnte; dies gilt auch bei Risikoausschlußklauseln, die grundsätzlich eng und nicht weiter auszulegen sind, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senat, Urteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - VersR 2000, 1090 unter 2 a, b und c m.krit. Anm. Lorenz). Ohne Bedeutung für die Auslegung bleiben auch Gesichtspunkte, die etwa aus der Systematik der §§ 16 ff. VVG abgeleitet werden können, weil sie sich dem Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei Durchsicht und Würdigung der Versicherungsbedingungen nicht erschließen (Senat, Urteil vom 21. Februar 2001 - IV ZR 259/99 - VersR 2001, 489 unter 2). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch im vorliegenden Fall fest.

b) Der Senat kann die streitige Klausel selbst auslegen (BGHZ 112, 204, 210; Urteil vom 18. Dezember 1995 - II ZR 193/94 - NJW-RR 1996, 537 unter II 1).
aa) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der Klausel aus. Danach muß schon das erste Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde oder verursacht worden sein soll, nach Beginn des Versicherungsschutzes und vor dessen Beendigung eingetreten sein. Mithin kommen schon vor Abschluß des Versicherungsvertrages durchgeführte Protestaktionen gegen den Betrieb der Klägerin, ja sogar

der Betrieb der Klägerin selbst als erste Ereignisse im Sinne der Klausel in Betracht. Die streitige Klausel setzt dagegen nicht voraus, daß ein Fortsetzungszusammenhang zwischen der ersten Ursache und dem Schadenseintritt bestehen müsse oder daß der Schaden erst nach Vertragsschluß vorhersehbar geworden sei; sie verlangt nach ihrem Wortlaut nicht einmal, daß das erste Kausalereignis von dem Haftpflichtigen gesetzt worden ist, der auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden soll. Damit nimmt die Klausel in außerordentlich weitem Umfang, der auch durch das Erfordernis der Adäquanz des Kausalzusammenhangs nicht wesentlich eingeschränkt wird, Schäden von der Versicherbarkeit in der Rechtsschutzversicherung aus (Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz , 26. Aufl. § 4 ARB 94 Rdn. 2; Harbauer, Rechtsschutzversicherung , 6. Aufl., § 4 ARB 94 Rdn. 3).
Bei diesem ersten Ergebnis einer Auslegung der Klausel nach ihrem Wortlaut wird es der verständige Versicherungsnehmer nicht bewenden lassen. Er wird es vielmehr für ausgeschlossen halten, keinen Schadensersatz-Rechtsschutz zu bekommen, wenn einzelne Umstände schon vor Abschluß des Versicherungsvertrages vorgelegen haben, durch die er später zum Opfer eines Angriffs geworden ist. Es muß ihm geradezu absurd erscheinen, daß Rechtsschutz für Schadensersatzansprüche etwa aus Anlaß eines Einbruchs oder Raubüberfalles nach Vertragsschluß nicht gewährt werden solle, nur weil die Wertgegenstände, auf die es der Täter abgesehen hatte und die deshalb für den Schaden mitursächlich geworden sind, dem Versicherungsnehmer schon vor Vertragsschluß gehörten. Auch das vom Berufungsgericht angeführte Beispiel eines Schadensersatzanspruchs aus Anlaß eines Verkehrsunfalls, für den ein Produktionsfehler des gegnerischen Fahrzeugs mitursächlich

geworden ist, belegt, daß eine solche am Wortlaut haftende Auslegung abwegig ist.
bb) Dem Versicherungsnehmer wird sich daher die Frage nach dem Sinn der Klausel aufdrängen. Ausgehend von der in § 4 (1) a) ARB 94 ausdrücklich zitierten Bestimmung des § 2 a ARB 94 wird er sich vergegenwärtigen, daß die auszulegende Klausel den Rechtsschutz für das Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen betrifft.
(1) Unter diesem Blickwinkel wird der Versicherungsnehmer als für den Beginn des Versicherungsschutzes maßgebende erste Ereignisse nur solche Ursachen verstehen, die der Schadensersatzpflichtige, gegen den er Ansprüche erhebt, zurechenbar gesetzt hat. Folgerichtig wird er die in den Bedingungen vorgesehene Einschränkung auf Ursachen, die nach Beginn und vor Beendigung des Versicherungsschutzes eingetreten sind, nicht auf Ursachen beziehen, die etwa von ihm selbst oder von außerhalb des Haftpflichtverhältnisses stehenden Dritten stammen (vgl. Prölss aaO Rdn. 3).
(2) Der Versicherungsnehmer entnimmt mithin dem Sinnzusammenhang , daß in § 4 (1) a) ARB 94 nicht schlechthin von jedem den Schaden mitverursachenden Ereignis die Rede ist. Da der Schadensersatz -Rechtsschutz erst im Hinblick auf den Eintritt eines Schadens überhaupt sinnvoll ist, wird der Versicherungsnehmer unter einer ersten Ursache im Sinne dieser Regelung nicht schon jeden Umstand verstehen, der den Eintritt eines Schadens vorbereiten kann, mag er auch eine dafür notwendige Bedingung darstellen. Er wird allenfalls solche, vom Haftpflichtigen zurechenbar gesetzte Ursachen für Erstereignisse im Sinne

der Klausel halten, die den Eintritt jedenfalls irgendeines Schadens nach der Lebenserfahrung hinreichend wahrscheinlich machen.

c) Danach ist im vorliegenden Fall Schadensersatz-Rechtsschutz schon deshalb zu gewähren, weil der S. als der von der Klägerin auf Schadensersatz in Anspruch genommene Haftpflichtige vor Vertragsschluß noch keinerlei Ursache für den geltend gemachten Schaden gesetzt hatte.
Seiffert Dr. Schlichting Ambrosius
Wendt Felsch