Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2003 - IV ZR 171/02

bei uns veröffentlicht am22.10.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 171/02 Verkündet am:
22. Oktober 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterinnen Ambrosius
und Dr. Kessal-Wulf sowie den Richter Felsch auf die mündliche Ver-
handlung vom 22. Oktober 2003

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt nach Pfändung und Überweisung des Dekkungsanspruchs von der Beklagten als Haftpflichtversicherer eines Rechtsanwalts Zahlung von 135.000 DM nebst Zinsen.
Der Kläger nahm den Rechtsanwalt auf Schadensersatz in Anspruch , weil dieser es pflichtwidrig unterlassen habe, einen Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 60.000 DM gegen einen Dritten im Wege des dinglichen Arrestes zu sichern. Die zunächst auf Zahlung von 60.000 DM gerichtete Klage beim Landgericht Düsseldorf (8 O 3.../98) erweiterte der Kläger um 135.000 DM wegen eines Folgeschadens. Weil ihm die 60.000 DM nicht zur Verfügung gestanden hätten, habe er sein Haus zur Verhinderung der Zwangsversteigerung unter Wert verkaufen

müssen. Im Termin vom 12. Oktober 1999, in dem eine ordnungsgemäße Ladung des beklagten Rechtsanwalts nicht feststellbar war, trennte das Landgericht die Klageerhöhung ab. Die Abtrennung und das für die Klage über 135.000 DM neu angelegte Aktenzeichen 8 O 4.../99 sind aus dem Terminsprotokoll ersichtlich. Der Klageerhöhungsschriftsatz befindet sich nicht bei der Akte 8 O 3.../98.
Im Verfahren 8 O 3.../98 erging am 30. November 1999 gegen den Rechtsanwalt ein Versäumnisurteil über 60.000 DM nebst Zinsen. Hiervon , nicht aber über die Klageerhöhung, unterrichtete der Rechtsanwalt die Beklagte, die dadurch erstmals von dem anhängigen Rechtsstreit Kenntnis erhielt. Sie schaltete Rechtsanwalt B. ein, der rechtzeitig Einspruch einlegte und am 11. Februar 2000 Akteneinsicht nahm. Den Beschluß im Protokoll vom 12. Oktober 1999 über die Abtrennung der Klageerhöhung und das dafür vermerkte weitere Aktenzeichen übersah er. Das Versäumnisurteil wurde durch streitiges Urteil des Landgerichts vom 23. Mai 2000 im wesentlichen bestätigt. Die Beklagte ließ dagegen durch die Rechtsanwälte Dr. P. und W. Berufung einlegen , die diese nach Akteneinsicht am 18. September 2000 zurücknahmen. Insoweit hat die Beklagte die Urteilssumme an den Kläger ausgezahlt.
Im Verfahren über die Klageerweiterung (8 O 4.../99) erließ das Landgericht am 17. April 2000 ein Versäumnisurteil über 135.000 DM nebst Zinsen, das dem Rechtsanwalt am 13. September 2000 zugestellt und gegen das kein Einspruch eingelegt wurde. Erst nach Rechtskraft erlangte die Beklagte Kenntnis von diesem Versäumnisurteil.

Sie ist der Ansicht, an das Versäumnisurteil nicht gebunden zu sein. Der Kläger habe die Obliegenheit nach § 158d Abs. 2 VVG verletzt, ihr die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs anzuzeigen. Deshalb sei im Rahmen ihrer Leistungspflicht nach § 158c Abs. 1 VVG gemäß § 158e Abs. 1 Satz 1 VVG nunmehr zu prüfen, ob der von ihr bestrittene Schadensersatzanspruch von 135.000 DM gegen ihren früheren Versicherungsnehmer bestehe.
Die Klage hatte beim Landgericht und Oberlandesgericht Erfolg. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist nicht begründet. Die Beklagte ist trotz Leistungsfreiheit gegenüber ihrem Versicherungsnehmer dem Kläger nach § 158c Abs. 1 VVG zur Leistung verpflichtet, da es sich um eine Pflichthaftpflichtversicherung nach § 51 BRAO handelt. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, daß die Beklagte an das Versäumnisurteil vom 17. April 2000 gebunden ist und deshalb keine Einwendungen gegen den rechtskräftig titulierten Schadensersatzanspruch erheben kann, obwohl der Kläger seine Anzeigeobliegenheit nach § 158d Abs. 2 VVG verletzt hat.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 11. Oktober 1956 - II ZR 137/55 - VersR 1956, 707 f. und vom 19. Februar 1959 - II ZR 171/57 - VersR 1959, 256 unter 3; zuletzt Urteil vom 19. März 2003 - IV ZR 233/01 - VersR 2003, 635 unter II 2 b) scha-

det das Unterlassen der in § 158d Abs. 2 VVG vorgeschriebenen Anzeige dem geschädigten Dritten nicht, wenn der Versicherer von der Schadensersatzklage gegen seinen Versicherungsnehmer auf andere Weise rechtzeitig erfährt. Der Sinn und Zweck der §§ 158d Abs. 2, 158e Abs. 1 Satz 1 VVG besteht allein darin, daß der Versicherer die Möglichkeit haben soll, sich rechtzeitig in den Haftpflichtprozeß einzuschalten, etwa noch notwendige Schadensfeststellungen zu treffen und unbegründete Ansprüche des Dritten abzuwehren. Erhält der Versicherer auf andere Weise, z.B. durch den Versicherungsnehmer, so früh Kenntnis vom Prozeß , daß er noch vor Eintritt nachteiliger Folgen eingreifen kann, dann steht er nicht schlechter da, als er bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtung nach § 158d Abs. 2 VVG stünde. Da der Inhalt der Anzeigeobliegenheit durch den Zweck der Vorschrift bestimmt wird, können an die anderweitige Kenntniserlangung keine höheren Anforderungen gestellt werden als an die Anzeige durch den Geschädigten selbst.
2. Durch die Mitteilung des Versicherungsnehmers vom Erlaß des Versäumnisurteils vom 30. November 1999 über 60.000 DM hatte die Beklagte Kenntnis vom Schadensersatzprozeß und damit die Möglichkeit , auch von der Erweiterung der Klage um 135.000 DM, der Abtrennung der Klageerweiterung und dem insoweit unter dem Aktenzeichen 8 O 4.../99 geführten anderweitigen Verfahren Kenntnis zu nehmen. Dies ergab sich, obwohl sich eine Kopie des Klageerweiterungsschriftsatzes nicht bei der Akte 8 O 3.../98 befand, deutlich aus dem Sitzungsprotokoll vom 12. Oktober 1999. Der von der Beklagten im Verfahren 8 O 3../98 eingeschaltete Rechtsanwalt B. hätte bei der Akteneinsicht erkennen können, daß die Klage erhöht worden und insoweit ein gesondertes Verfahren anhängig war. Auch die von der Beklagten im Beru-

fungsverfahren beauftragten Rechtsanwälte hatten aufgrund ihrer Akteneinsicht noch die Möglichkeit, vor Ablauf der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 17. April 2000 davon Kenntnis zu nehmen und nach Rücksprache mit der Beklagten rechtzeitig Einspruch einzulegen. Die Beklagte befand sich damit in derselben Lage wie bei einer durch Übersendung eines Aktenauszuges einschließlich des Sitzungsprotokolls des Landgerichts vom 12. Oktober 1999 durch den Kläger erteilten Information über die Einleitung des Haftpflichtprozesses gegen den Versicherungsnehmer. Damit hätte der Kläger seine Anzeigeobliegenheit nach § 158d Abs. 2 VVG erfüllt gehabt. Wenn die Beklagte daraufhin jegliche Beteiligung am Haftpflichtprozeß unterlassen und keine Akteneinsicht genommen hätte, hätte sie sich den gesamten Akteninhalt als bekannt zurechnen lassen müssen. Das Versehen der von ihr mit der Akteneinsicht beauftragten Rechtsanwälte geht gleichermaßen zu ihren Lasten

wie ein eigener Tatsachenirrtum oder ein Rechtsirrtum über die Eintrittspflicht , der der Bindung des Haftpflichtversicherers an ein Versäumnisurteil ebenfalls nicht entgegensteht (vgl. zum Rechtsirrtum BGH, Urteil vom 11. Oktober 1956 aaO unter 5).
Terno Seiffert Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2003 - IV ZR 171/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2003 - IV ZR 171/02

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 51 Berufshaftpflichtversicherung


(1) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung aufrec
Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2003 - IV ZR 171/02 zitiert 2 §§.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 51 Berufshaftpflichtversicherung


(1) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung aufrec

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2003 - IV ZR 171/02 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Okt. 2003 - IV ZR 171/02 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2003 - IV ZR 233/01

bei uns veröffentlicht am 19.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 233/01 Verkündet am: 19. März 2003 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________

Referenzen

(1) Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung aufrechtzuerhalten. Die Versicherung muß bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen zu den nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes eingereichten Allgemeinen Versicherungsbedingungen genommen werden und sich auch auf solche Vermögensschäden erstrecken, für die der Rechtsanwalt nach § 278 oder § 831 des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzustehen hat.

(2) Der Versicherungsvertrag hat Versicherungsschutz für jede einzelne Pflichtverletzung zu gewähren, die gesetzliche Haftpflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts gegen den Rechtsanwalt zur Folge haben könnte; dabei kann vereinbart werden, daß sämtliche Pflichtverletzungen bei Erledigung eines einheitlichen Auftrags, mögen diese auf dem Verhalten des Rechtsanwalts oder einer von ihm herangezogenen Hilfsperson beruhen, als ein Versicherungsfall gelten.

(3) Von der Versicherung kann die Haftung ausgeschlossen werden:

1.
für Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung,
2.
für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros,
3.
für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht,
4.
für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten,
5.
für Ersatzansprüche wegen Veruntreuung durch Personal, Angehörige oder Mitgesellschafter des Rechtsanwalts.

(4) Die Mindestversicherungssumme beträgt 250 000 Euro für jeden Versicherungsfall. Die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Versicherungsjahres verursachten Schäden können auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt werden.

(5) Die Vereinbarung eines Selbstbehalts bis zu einem Prozent der Mindestversicherungssumme ist zulässig.

(6) Im Versicherungsvertrag ist der Versicherer zu verpflichten, der zuständigen Rechtsanwaltskammer, bei Rechtsanwälten bei dem Bundesgerichtshof auch dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, den Beginn und die Beendigung oder Kündigung des Versicherungsvertrages sowie jede Änderung des Versicherungsvertrages, die den vorgeschriebenen Versicherungsschutz beeinträchtigt, unverzüglich mitzuteilen. Die Rechtsanwaltskammer erteilt Dritten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf Antrag Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts sowie die Versicherungsnummer, soweit der Rechtsanwalt kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat; dies gilt auch, wenn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erloschen ist.

(7) Zuständige Stelle im Sinne des § 117 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes ist die Rechtsanwaltskammer.

(8) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 233/01 Verkündet am:
19. März 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
§ 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO ist nicht auf einen Versicherungsfall anzuwenden, der
sich vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung (1. März 1999) ereignet hat.
BGH, Urteil vom 19. März 2003 - IV ZR 233/01 - OLG München
LG München I
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 19. März 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen beider Parteien wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. August 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten als Haftpflichtversicherer eines Notars Zahlung von 368.852,92 DM nebst Zinsen.
Die Klägerin hat den Notar wegen einer Amtspflichtverletzung bei der Abwicklung eines von ihm am 17. Januar 1994 beurkundeten Grundstückskaufvertrages auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Durch ein rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil ist er verurteilt worden, an die Klägerin 480.000 DM nebst Zinsen zu zahlen Zug um Zug gegen Ab-

tretung ihrer Ansprüche auf Darlehensrückzahlung gegen den Käufer und Übertragung von Grundschulden. Die Klägerin hat die Ansprüche des Notars aus seiner bei der Beklagten aufgrund gesetzlicher Verpflichtung unterhaltenen Berufshaftpflichtversicherung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Gegenüber dem Notar ist die Beklagte nach § 6 Nr. 1 i.V. mit § 5 Nr. 2 der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVB) von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil er seine Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalles verletzt hat.
Die Beklagte beruft sich auf den - an sich auch gegenüber der Klägerin durchgreifenden - Leistungsausschluß der Schadenstiftung durch wissentliche Pflichtverletzung des Notars nach § 4 Nr. 5 AVB und auf Verjährung. Die Klägerin meint, auf eine wissentliche Pflichtverletzung komme es nicht an. Nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO könne der Berufshaftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten den Ausschlußgrund der wissentlichen Pflichtverletzung nicht geltend machen, sondern sei auf den Regreß gegen den Vertrauensschadenversicherer verwiesen. Diese Vorschrift sei zwar erst am 1. März 1999 in Kraft getreten, aber rückwirkend anzuwenden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Revision.

Entscheidungsgründe:


Die Revisionen der Parteien führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht sieht Verfahrensfehler des Landgerichts darin, daß es ein Geständnis der Klägerin nicht beachtet und außerdem gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen habe. Die Klägerin habe in erster Instanz zugestanden, der Notar habe bei Auszahlung des Treuhandbetrages von 480.000 DM am 17. Februar 1994 gewußt, daß die Treuhandauflage, nämlich die Eintragung einer Auflassungsvormerkung, noch nicht erfüllt gewesen sei. Außerdem habe das Landgericht aufgrund der Zeugenaussage des Notars nicht annehmen dürfen, ein bewußter Verstoß gegen die Treuhandauflage sei nicht bewiesen. Da es hierfür auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen abgestellt habe, hätten die erkennenden Richter den Zeugen selbst vernehmen und sich nicht auf das Vernehmungsprotokoll des beauftragten Richters stützen dürfen, der nicht einmal an dem Urteil mitgewirkt habe.
II. Dagegen wenden sich beide Parteien zu Recht mit der Verfahrensrüge aus § 539 ZPO a.F.. Die vom Berufungsgericht angenommenen Verfahrensfehler waren bei zutreffender rechtlicher Würdigung nicht entscheidungserheblich. Auf die Frage der wissentlichen Pflichtverletzung kommt es zwar an, aber aus anderen tatsächlichen Gründen, als das Berufungsgericht , das Landgericht und die Parteien bisher gemeint haben.

1. Gegen eine aufhebende und zurückverweisende (kassatorische) Entscheidung des Berufungsgerichts kann mit der Revision nur geltend gemacht werden, daß die ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung gegen das Gesetz verstößt. Dabei kann eine Rüge zu § 539 ZPO a.F. zulässigerweise auch so lauten, daß die nach dieser Vorschrift ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung verfahrensfehlerhaft sei, weil das Berufungsgericht bei korrekter Anwendung des materiellen Rechts selbst in der Sache hätte entscheiden müssen, mithin für ein Vorgehen nach § 539 ZPO a.F. mangels Entscheidungserheblichkeit des angenommenen Verfahrensverstoßes kein Raum bestanden habe (BGH, Beschluß vom 18. Februar 1997 - XI ZR 317/95 - NJW 1997, 1710 f.). Ein Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts, der sich auf das Ergebnis der Entscheidung rechtlich nicht ausgewirkt hat, rechtfertigt keine Zurückverweisung der Sache gemäß § 539 ZPO a.F.. Das Berufungsgericht muß die rechtliche Relevanz des Verfahrensfehlers im Rahmen seiner Sachentscheidungskompetenz nach § 537 ZPO a.F. umfassend prüfen. Die Richtigkeit dieser materiell-rechtlichen Prüfung als Voraussetzung seiner kassatorischen Entscheidung ist revisibel (BGH, Urteil vom 9. Mai 1996 - VII ZR 259/94 - NJW 1996, 2155 unter III 1 m.w.N.).
2. Beide Parteien rügen im Ergebnis zu Recht, daß es nach dem Sach- und Streitstand am Schluß der mündlichen Verhandlung auf die vom Berufungsgericht angenommenen Verfahrensfehler bei zutreffender materiell-rechtlicher Beurteilung nicht ankam und daß das Berufungsgericht deshalb in der Sache selbst hätte entscheiden müssen. Zwar ist der von den Parteien jeweils vertretene materiell-rechtliche Standpunkt nicht richtig (dazu unten III.). Die Klägerin meint, die Neufassung des § 19a

Abs. 2 Satz 2 BNotO gelte auch für den vor ihrem Inkrafttreten eingetre- tenen Haftpflicht- und Versicherungsfall, so daß die Beklagte sich nicht auf den Risikoausschluß der wissentlichen Pflichtverletzung berufen könne. Die Beklagte meint, der Anspruch sei verjährt. Das ändert aber nichts daran, daß die Verfahrensrügen in zulässiger Weise erhoben worden sind und der Senat nach der oben zitierten Rechtsprechung ohne Bindung an die unzutreffenden Rechtsansichten der Parteien selbst zu prüfen hat, ob die vom Berufungsgericht angenommenen Verfahrensfehler bei zutreffender materiell-rechtlicher Beurteilung entscheidungserheblich waren.

a) Das Berufungsgericht hat die Frage der Bindungswirkung des Haftpflichturteils rechtsfehlerhaft offengelassen. Das Haftpflichturteil entfaltet Bindungswirkung zudem nicht nur, wie das Berufungsgericht meint, zur Schadenshöhe, sondern auch zum Haftungsgrund. Das Haftpflichturteil konkretisiert den schadenverursachenden Pflichtverstoß des Versicherungsnehmers, hier des Notars. Nur ein im Haftpflichtprozeß festgestellter Pflichtverstoß kann die Grundlage für den Risikoausschluß der wissentlichen Pflichtverletzung (hier nach § 4 Nr. 5 AVB ) bilden; auf eine andere schadenverursachende Pflichtwidrigkeit kann der Versicherer sich im Deckungsprozeß nicht berufen (Senatsurteil vom 20. Juni 2001 - IV ZR 101/00 - VersR 2001, 1103 unter II m.w.N.; zuletzt Senatsurteil vom 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01 - NJW-RR 2002, 1539 unter II und III).

b) Bisher ist rechtsfehlerhaft nicht beachtet worden, daß nur der dem Versäumnisurteil gegen den Notar zugrunde liegende Pflichtverstoß die Grundlage für den Risikoausschluß nach § 4 Nr. 5 AVB bilden kann.

Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Landgericht und die Beklagte in zweiter Instanz angenommen, die Amtspflichtverletzung des Notars liege darin, daß er am 17. oder 18. Februar 1994 über das Treuhandgeld verfügt habe, ohne daß eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers eingetragen war. Da das Versäumnisurteil keine Entscheidungsgründe enthält und damit keine Feststellungen zum Pflichtverstoß getroffen hat, muß auf die Klageschrift zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 21. Februar 1963 - II ZR 71/61 - VersR 1963, 421 unter I). In der Klageschrift vom 14. Juli 1997 hatte die Klägerin dem Notar nicht vorgeworfen , sich dadurch pflichtwidrig verhalten zu haben, daß er am 17. oder 18. Februar 1994 über die Gelder verfügt hatte, obwohl noch keine Auflassungsvormerkung eingetragen gewesen war. Im Kern hat die Klägerin dem Notar damals (wie auch heute) als schadensursächliche Pflichtverletzung vorgeworfen, nicht dafür gesorgt zu haben, daß die Grundschulden am alleinigen Wohnungseigentum des Käufers bestellt worden sind, was bei einer Teilungserklärung nach § 3 WEG der Fall gewesen wäre, sondern daß es wegen der Teilung nach § 8 WEG dazu gekommen sei, daß die Grundschulden am Bruchteilseigentum am Gesamtgrundstück bestellt worden sind. Zwar wird in der Klageschrift auf Seite 12 im letzten Absatz und auf Seite 13 im letzten Absatz auch auf den Widerruf des Treuhandauftrags mit Schreiben vom 22. Februar 1994 hingewiesen. Es wird aber nicht behauptet, daß der Notar erst nach Zugang des Widerrufs über das Treuhandgeld verfügt habe. Der Zeitpunkt der Verfügung war damit im Haftpflichtprozeß offengeblieben. Im vorliegenden Deckungsprozeß ist nach der Beweiserhebung in erster Instanz, insbesondere nach der Vorlage von Unterlagen, unstreitig, daß der Notar die Treuhandgelder schon am 17. oder 18. Februar 1994 überwiesen hat. Damit wirft die Beklagte dem Notar jedenfalls nicht mehr als Pflichtver-

letzung vor, über das Treuhandgeld nach Kenntnis des Widerrufs vom 22. Februar 1994 verfügt zu haben.
Die Beklagte hat in den Vorinstanzen die Ansicht vertreten, sie sei an das Versäumnisurteil nicht gebunden, weil die Klägerin ihre Verpflichtung nach § 158d Abs. 2 VVG, die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen, mit der Rechtsfolge des § 158e Abs. 1 Satz 1 VVG verletzt habe. Richtig daran ist, daß die Klägerin der Beklagten die Erhebung der Klage gegen den Notar nicht unverzüglich angezeigt hat. Dennoch ist die Beklagte an das Versäumnisurteil gebunden, weil ihr durch den Anwalt der Klägerin mit Schreiben vom 12. November 1997 und schon Ende Oktober 1997 durch die Notarkammer mitgeteilt worden war, daß gegen den Notar am 29. September 1997 ein Versäumnisurteil ergangen sei. Tatsächlich ist das nach §§ 331 Abs. 3, 310 Abs. 3 ZPO erlassene Versäumnisurteil erst durch die Zustellung an den Notar am 28. Mai 1998 existent geworden (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1996 - VIII ZR 108/95 - VersR 1997, 130 unter II). Mit Ablauf des 18. Juni 1998 wurde es rechtskräftig. Die Beklagte hatte damit rechtzeitig von der Erhebung der Haftpflichtklage Kenntnis und hätte aufgrund ihrer Vollmacht nach § 5 Nr. 3 c AVB den Prozeß für ihren Versicherungsnehmer weiterführen können (vgl. dazu BGHZ 101, 276, 282 ff.). Deshalb muß die Beklagte das gegen ihren Versicherungsnehmer ergangene rechtskräftige Versäumnisurteil für sich als verbindlich anerkennen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1956 - II ZR 137/55 - VersR 1956, 707 f.; BGH, Urteil vom 19. Februar 1959 - II ZR 171/57 - VersR 1959, 256 unter 2 bis 4).


c) Die Beklagte hat bisher nicht vorgetragen, welchen im Haft- pflichtprozeß festgestellten objektiven Pflichtverstoß der Notar wissentlich begangen haben soll. Es liegt damit kein rechtlich erheblicher und damit geständnisfähiger Tatsachenvortrag für den Leistungsausschluß nach § 4 Nr. 5 AVB vor. Da der Prozeß in den Vorinstanzen schon vom rechtlichen Ansatz her fehlerhaft geführt worden ist, ist beiden Parteien durch eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, zur Pflichtverletzung ergänzend vorzutragen. Abschließende Feststellungen zur Bindungswirkung kann der Senat nicht treffen, weil die Akten des Haftpflichtprozesses in den Vorinstanzen nicht beigezogen worden sind und deshalb nicht auszuschließen ist, daß es neben der Klageschrift weiteren Vortrag der Klägerin im Haftpflichtprozeß zu Pflichtverstößen des Notars gibt.
III. Der Senat kann nicht aus anderen Gründen abschließend entscheiden.
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es der Beklagten nicht verwehrt, sich auf den Leistungsausschluß nach § 4 Nr. 5 AVB zu berufen. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO hier nicht anzuwenden ist. Die Bestimmung ist durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 (BGBl. I 2585) in die Bundesnotarordnung eingefügt worden und am 1. März 1999 in Kraft getreten. Sie entfaltet keine Rückwirkung.

Schuldverhältnisse sind in der Regel dem Recht der Entstehungszeit unterworfen, wie sich schon aus Art. 170 EGBGB ergibt ("Für ein Schuldverhältnis, das vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs entstanden ist, bleiben die bisherigen Gesetze maßgebend."; vgl. auch Art. 232 § 1 EGBGB; BGHZ 44, 192 ff.; BGH, Urteil vom 3. November 1970 - VI ZR 76/69 - VersR 1971, 180 f.; BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - I ZR 27/95 - NJW-RR 1997, 1393 unter II 1; Palandt/Heinrichs , BGB 61. Aufl. Einl. vor § 241 Rdn. 19 m.w.N.). Der Haftpflichtfall und der Versicherungsfall sind hier lange vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung eingetreten. Der Versicherungsvertrag endete 1997 mit dem Ausscheiden des Notars aus dem Amt. Gegen eine Anwendung der Neuregelung auf vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung verwirklichte Haftpflicht - und Versicherungsfälle spricht die Regelung über das Inkrafttreten in Art. 14 des Änderungsgesetzes vom 31. August 1998. Danach trat das Gesetz am Tage nach der Verkündung (7. September 1998) in Kraft mit Ausnahme von einer Regelung, die das Notariat in den neuen Bundesländern betrifft, und von den Änderungen bei der Haftpflichtversicherung für Amtspflichtverletzungen von Notaren in § 19a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und § 67 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 Halbs. 1 BNotO. Das Hinausschieben des Inkrafttretens dieser Bestimmungen macht deutlich, daß sie keinesfalls auf Sachverhalte anwendbar sein sollen, die sich vor dem Inkrafttreten ereignet haben. Insbesondere spricht dagegen die Verdoppelung der Mindestversicherungssumme auf 1 Mio. DM in § 19a Abs. 3 Satz 1 BNotO. Die Anwendung dieser Bestimmung auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte hätte dann zur Folge gehabt, daß Notare nach § 50 Abs. 1 Nr. 10 BNotO ihres Amtes zu entheben gewesen wären , wenn die von ihnen unterhaltene Pflichthaftpflichtversicherung unter der neuen Mindestversicherungssumme gelegen hätte.

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Klage nicht wegen Verjährung des Anspruchs auf Deckungsschutz abgewiesen werden. Auch insoweit ist dem Berufungsgericht zuzustimmen.

a) Die Revision verkennt nicht, daß in einer Pflichtversicherung gemäß §§ 158b VVG bei einem gestörten Versicherungsverhältnis dem Geschädigten die Verjährung des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers in analoger Anwendung von § 158c Abs. 1 VVG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegengehalten werden kann, vielmehr für den zugunsten des Geschädigten fingierten Deckungsanspruch ein eigener Verjährungsbeginn maßgeblich ist (Urteile vom 20. Januar 1971 - IV ZR 1134/68 - VersR 1971, 333 f. = NJW 1971, 657; vom 21. Januar 1976 - IV ZR 123/74 - VersR 1976, 477 unter III 4; vom 27. November 1968 - IV ZR 501/68 - VersR 1969, 127 unter II und III; vom 15. Februar 1968 - II ZR 101/65 - VersR 1968, 361 unter III; vom 23. September 1965 - II ZR 144/63 - VersR 1965, 1167 unter III, insoweit in BGHZ 44, 166 nicht abgedruckt). Daran hält der Senat fest. Der Revision ist nicht darin zuzustimmen, das Schutzbedürfnis des Geschädigten sei im Hinblick auf das Senatsurteil vom 15. November 2000 (IV ZR 223/99 - VersR 2001, 90) nicht mehr gegeben , weil er die Verjährung des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers durch eine Feststellungsklage unterbrechen könne. Der Senat hat in jenem Urteil zwar ausgesprochen, in der Haftpflichtversicherung könne auch der Geschädigte ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung haben, daß der Versicherer dem Schädiger, d.h. im Regelfall dem Versicherungsnehmer, Deckungsschutz zu gewähren habe. Dort ging es allerdings - anders als hier - weder um

eine Pflichtversicherung noch um ein gestörtes Versicherungsverhältnis und damit auch nicht um einen zugunsten des Geschädigten fingierten Deckungsanspruch. Vielmehr wurde darüber gestritten, ob der Versicherungsnehmer selbst einen (originären) Anspruch auf Deckungsschutz hat. Bei einer erfolgreichen Feststellungsklage ist in einem solchen Fall zugunsten des Geschädigten im Verhältnis zum Prozeßgegner, dem Haftpflichtversicherer, rechtskräftig festgestellt, daß ein solcher Anspruch besteht (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1953 - IV ZR 241/52 - LM Nr. 4 zu § 325 ZPO). Ob die Klage auch die Verjährung unterbricht, ist dann unerheblich und vom Senat im Urteil vom 15. November 2000 (aaO) auch nicht entschieden worden. Bei einem gestörten Versicherungsverhältnis in der Pflichthaftpflichtversicherung ist die Konstellation jedoch anders. Wenn es feststeht, daß der Versicherer wegen Obliegenheitsverletzung - hier nach § 6 Nr. 1 i.V. mit § 5 Nr. 2 AVB - von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, hilft dem Geschädigten eine auf die Lei-

stungspflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer gerichtete Klage nicht weiter, weil sie unschlüssig und ohne weiteres kostenpflichtig abzuweisen wäre. Ein derart sinnloses Vorgehen ist dem Geschädigten nicht zuzumuten.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch