Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01

bei uns veröffentlicht am17.07.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 268/01 Verkündet am:
17. Juli 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den
Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2002

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 31. Januar 2001 aufgehoben, soweit die Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. Juni 2000 hinsichtlich des Deckungsschutzes für den Schadensfall S. ./. D. Versicherung AG zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Deckungsschutz aus einer mit ihr abgeschlossenen Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte in Anspruch. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen

der Beklagten für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (AVB-A) zugrunde.
Am 8. September 1992 beauftragte eine Mandantin den Kläger mit der Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 22. Januar 1990 gegen die D. Versicherung AG sowie aus einem weiteren Verkehrsunfall vom 9. August 1992 gegen die A. Versicherung AG. Wegen der Ansprüche gegen die D. Versicherung AG ließ der Kläger im Juni 1993 beim Landgericht F. durch einen dort zugelassenen Kollegen Klage einreichen. Sie wurde nicht zugestellt, weil der Gerichtskostenvorschuß nicht eingezahlt wurde. Am 3. August 1995 wurde die Klage auf Veranlassung des Klägers zurückgenommen. Eine erneute Klage wurde nicht eingereicht. Die D. Versicherung AG hat sich inzwischen auf Verjährung berufen. Auch die A. Versicherung AG hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Mandantin nimmt den Kläger wegen fehlerhafter Bearbeitung der beiden Verkehrsunfallsachen auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat im Mai 1999 Klage beim Landgericht F. erhoben. Wegen des materiellen Schadens verlangt sie Zahlung von 445.491,88 DM, ferner Ersatz für ein entgangenes Schmerzensgeld von mindestens 50.000 DM sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden. Das Landgericht hat durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 30. März 2000 Ansprüche aus dem Mandat gegen die A. Versicherung AG abgewiesen, weil der Unfall vom 9. August 1992 nach dem eigenen Vortrag der (dortigen) Klägerin zu keinen weiteren nachteiligen Folgen geführt habe; hinsichtlich des Mandats gegen die D. Versicherung AG hat das Landgericht eine Haftung des Klägers angenommen und die

Zahlungsanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt sowie die Ersatzpflicht des Klägers für künftige Schäden festgestellt.
Der Kläger hat von der Beklagten Deckungsschutz wegen der von der Mandantin gegen ihn erhobenen Ansprüche aus beiden Unfallangelegenheiten verlangt. Die Beklagte stützt ihre Ablehnung auf § 4 Nr. 5 AVB-A. Danach bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des zweiten Verkehrsunfalls schon deshalb abgewiesen, weil insoweit die Klage im Haftpflichtprozeû abgewiesen worden sei. Hinsichtlich der Bearbeitung des Mandats wegen der Ansprüche gegen die D. Versicherung AG hat es Leistungsfreiheit der Beklagten wegen wissentlicher Pflichtverletzung angenommen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der Revision erstrebt er Deckungsschutz nur noch wegen der Ansprüche, die gegen ihn aus der Bearbeitung der Unfallsache gegen die D. Versicherung AG erhoben werden.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt im beantragten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht nimmt an, der Versicherungsschutz sei nach § 4 Nr. 5 AVB-A wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung des Klägers ausgeschlossen. Aus seinem vorgerichtlichen Schreiben vom 22. Juni 1998 an die Beklagte ergebe sich, daû ihm das die Hemmung der Verjährung beendende Ablehnungsschreiben der D. Versicherung AG vom 5. April 1992 jedenfalls im Jahr 1995 vorgelegen habe. Daraus folge, daû er spätestens bis zum 5. April 1995 hätte tätig werden müssen , um die Verjährung des Schadensersatzanspruchs seiner Mandantin sicher zu verhindern. Nach dem von ihm nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Beklagten sei ihm bekannt gewesen, daû er im Hinblick auf das Ablehnungsschreiben vom April 1992 verjährungsunterbrechende Handlungen hätte vornehmen müssen; ihm sei bewuût gewesen, in dieser Richtung nichts unternommen zu haben.
II. 1. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, welche konkrete objektive Pflichtverletzung, die den Eintritt des Versicherungsfalls unmittelbar herbeigeführt hat, dem Kläger im rechtskräftigen Haftpflichturteil angelastet worden ist. Wegen der Bindungswirkung des Haftpflichturteils ist es der Beklagten verwehrt, sich im Deckungsprozeû auf eine andere schadensverursachende Pflichtverlet-

zung zu berufen (vgl. dazu das Senatsurteil vom 20. Juni 2001 - IV ZR 101/00 - VersR 2001, 1103 unter II 2 m.w.N.).
2. Aus dem Parteivortrag in den Tatsacheninstanzen geht hervor, daû das Berufungsgericht seine Entscheidung jedenfalls auf eine andere Pflichtverletzung gestützt hat als die, die dem Kläger in der Haftpflichtklage vorgeworfen worden ist. Der von der Beklagten vorgelegten Abschrift der Klage ist zu entnehmen, daû dem Kläger als unmittelbar schadensverursachendes Fehlverhalten angelastet worden ist, im Hinblick auf ein Ablehnungsschreiben der D. Versicherung AG vom 21. September 1992 nicht spätestens im August 1995 erneut Klage eingereicht zu haben. Das im Haftpflichtprozeû ergangene Urteil befindet sich nicht bei den in den Tatsacheninstanzen angefallenen Akten. Die Akten des Haftpflichtprozesses hatte das Berufungsgericht zwar angefordert , aber nicht erhalten, weil sie sich im Verfahren über die Höhe des Anspruchs beim Sachverständigen befanden.
III. Das Berufungsgericht wird deshalb auf der Grundlage der Feststellungen im Haftpflichturteil erneut zu prüfen haben, ob dem Kläger eine wissentliche Pflichtverletzung anzulasten ist. Diese im Revisionsverfahren vorgelegte Entscheidung stützt die Verurteilung des Klägers darauf , daû er im Hinblick auf das Ablehnungsschreiben der D. Versicherung AG vom 21. September 1992 nicht bis spätestens 25. September 1995 die Unterbrechung der Verjährung durch eine erneute Klage herbeigeführt habe.

Hinsichtlich der vom Berufungsgericht angenommenen sekundären Darlegungslast des Klägers wird es in seine Erwägungen einzubeziehen haben, daû nach dem vom Kläger unter Beweis gestellten Vortrag die Handakten am 3. Juli 1998 an die Beklagte abgesandt wurden, ohne daû zuvor Kopien angefertigt wurden.
Terno Seiffert Ambrosius
Wendt Dr. Kessal-Wulf

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2001 - IV ZR 101/00

bei uns veröffentlicht am 20.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 101/00 Verkündet am: 20. Juni 2001 Herrwerth Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _______________
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Sept. 2005 - IV ZR 255/04

bei uns veröffentlicht am 28.09.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 255/04 Verkündet am: 28. September 2005 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ AV

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Dez. 2010 - IV ZR 211/07

bei uns veröffentlicht am 08.12.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 211/07 Verkündetam: 8.Dezember2010 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AVB Haftpf

Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2003 - IV ZR 233/01

bei uns veröffentlicht am 19.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 233/01 Verkündet am: 19. März 2003 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 101/00 Verkündet am:
20. Juni 2001
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Ist im Haftpflichturteil ein schadensverursachender Pflichtverstoß des Versicherungsnehmers
festgestellt, kann sich der Versicherer im Deckungsprozeß zur Begründung
des Ausschlußtatbestandes ("... Schadensverursachung durch ... wissentliche
Pflichtverletzung") nicht auf eine andere schadensverursachende Pflichtwidrigkeit
berufen.
BGH, Urteil vom 20. Juni 2001 - IV ZR 101/00 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom
20. Juni 2001

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. März 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt als Pfändungsgläubiger den beklagten Versicherer aus einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des Streithelfers in Anspruch.
Der Kläger beauftragte den Streithelfer als Prozeßanwalt, nach dem Tod seines Vaters einen Pflichtteilsanspruch gegen seine Stiefmutter geltend zu machen. Der Streithelfer reichte eine von dem Ver-

kehrsanwalt des Klägers entworfene Stufenklage auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Zahlung ein. Im zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte er die Auskunftsklage einseitig in der Hauptsache für erledigt; weitere Anträge stellte er nicht. Durch Teilurteil wurde die Klage in der ersten Stufe abgewiesen. Der Streithelfer übermittelte das Teilurteil dem Kläger; darüber hinausgehende Maßnahmen wurden durch ihn nicht getroffen. Auf fünf anschließende Sachstandsanfragen des Klägers bzw. des Verkehrsanwalts reagierte er nicht. Daraufhin kündigte der Kläger dem Streithelfer das Mandat fristlos.
Die neu beauftragten Prozeßbevollmächtigten des Klägers beantragten die Fortsetzung des Pflichtteilsrechtsstreits in der zweiten und dritten Stufe. Die restliche Klage wurde durch Schlußurteil wegen Verjährung abgewiesen.
In dem folgenden Haftpflichtprozeß wurde der Streithelfer rechtskräftig verurteilt, wegen positiver Vertragsverletzung des Anwaltsvertrages dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 131.207,32 DM zu leisten. Für diesen Rechtsstreit hatte die Beklagte dem Streithelfer unter Vorbehalt einer Prüfung der Leistungsfreiheit nach § 4 Ziff. 5 Satz 1 ihrer Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (AVB-RA) vorläufig Dekkungsschutz erteilt. Die Klausel lautet:
"Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche ... wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abwei-

chen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung."
Nachdem der Kläger nur Teilbeträge auf seine titulierte Forderung von dem Streithelfer erhalten hatte, pfändete er dessen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mit der Beklagten und ließ sie sich zur Einziehung überweisen. Die Beklagte berief sich gegenüber dem Streithelfer auf Leistungsfreiheit, weil dieser Sachstandsanfragen des Mandanten nicht beantwortet und es unterlassen habe, Schritte zur Unterbrechung der Verjährung zu unternehmen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren in Höhe von 114.176,73 DM weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts greift der Risikoausschluß nach § 4 Ziff. 5 Satz 1 AVB-RA ein. Diese Klausel sei Inhalt des Versicherungsvertrages geworden, den der Streithelfer mit der Beklagten abgeschlossen habe. Sie stelle einen subjektiven Risikoausschluß dar und sei wirksam.

Es sei zwar zweifelhaft, wenn nicht auszuschließen, daß der Streithelfer den Pflichtteilsanspruch des Klägers vorsätzlich habe verjähren lassen. In jedem Fall habe der Streithelfer seine Anwaltspflichten aber wissentlich dadurch verletzt, daß er die Sachstandsanfragen des Klägers und des Verkehrsanwalts unbeantwortet gelassen habe. Die wissentliche Nichtbeantwortung der Sachstandsanfragen sei ursächlich für den Schaden des Klägers - die Abweisung des Pflichtteilsanspruchs wegen Verjährung - gewesen. Die Beklagte sei nicht gehindert, sich im Deckungsprozeß auf diese Pflichtverletzung zu berufen. Denn das Landgericht habe in dem Haftpflichtprozeß lediglich festgestellt, daß der Pflichtteilsanspruch des Klägers infolge einer dem Streithelfer anzulastenden Untätigkeit verjährt sei. Es habe die schuldhafte Vertragspflichtverletzung des Streithelfers darin gesehen, daß dieser keine die Verjährung unterbrechenden Maßnahmen ergriffen habe. Damit, wie die Nichtbeantwortung der Sachstandsanfragen zu bewerten sei, habe es sich nicht befaßt.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Die Bestimmung des § 4 Ziff. 5 Satz 1 AVB-RA ist nach der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts in den Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Streithelfer einbezogen worden.

Sie enthält einen subjektiven Risikoausschluß, der in zweifacher Hinsicht von der dispositiven Vorschrift des § 152 VVG abweicht. Zum einen stellt § 4 Ziff. 5 Satz 1 AVB-RA zugunsten des Versicherungsnehmers nur auf näher beschriebene Verstöße gegen konkrete Berufspflichten ab und läßt insoweit nicht bedingten Vorsatz genügen, sondern fordert direkten Vorsatz. Zum anderen muß der Versicherungsnehmer nicht den schädigenden Erfolg als möglich vorhergesehen und billigend in Kauf genommen haben (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1986 - IVa ZR 166/85 - VersR 1987, 174 unter II 1).
Ein solcher Risikoausschluß in Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1990 - IV ZR 147/89 - VersR 1991, 176 unter 6 c).
2. Aufgrund der Bindungswirkung des Haftpflichturteils ist es der Beklagten im Deckungsprozeß verwehrt, sich auf eine wissentliche Pflichtverletzung des Streithelfers durch Nichtbeantwortung der Sachstandsanfragen zu berufen.

a) In der Haftpflichtversicherung gilt das Trennungsprinzip. Das Haftpflichtverhältnis, das zwischen dem geschädigten Dritten und dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer besteht, ist von dem Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer zu trennen. Grundsätzlich ist im Haftpflichtprozeß zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber haftet. Ob der Versicherer dafür eintrittspflichtig ist, wird im Deckungsprozeß

geklärt (ständige Rechtsprechung, zuletzt BGHZ 117, 345, 350; BGHZ 119, 276, 278 m.w.N.).

b) Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Die Bindungswirkung folgt nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, da der Versicherer am Haftpflichtprozeß nicht beteiligt ist. Vielmehr ist sie dem Leistungsversprechen, das der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben hat, zu entnehmen (BGHZ 119, 276, 280 f). Sie bedeutet , daß das Ergebnis des vorangegangenen Haftpflichtprozesses für die Deckungsfrage verbindlich ist. Damit wird verhindert, daß die im Haftpflichtprozeß getroffene Entscheidung und die zugrundeliegenden Feststellungen im Deckungsprozeß erneut überprüft werden können (BGHZ 117, 345, 350; BGHZ 119, 276, 278 f m.w.N.).
Trotz der Bindungswirkung bleiben dem Versicherer im Deckungsprozeß etwaige versicherungsrechtliche Einwendungen erhalten; so kann er sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung oder aufgrund eines Risikoausschlusses berufen (BGH, Urteile vom 28. April 1958 - II ZR 163/57 - VersR 1958, 361 unter 1 und vom 20. September 1978 - V ZR 57/77 - VersR 1978, 1105 unter I). Ist eine für den Dekkungsanspruch im Hinblick auf eine Risikobegrenzung oder einen Risikoausschluß wesentliche Tat- oder Rechtsfrage im Haftpflichtprozeß offen geblieben, so ist sie im Deckungsprozeß zu entscheiden (BGH, Urteil vom 26. April 1962 - II ZR 40/60 - VersR 1962, 557 unter II B c).

Das Haftpflichturteil entfaltet aber im nachfolgenden Deckungsprozeß Bindungswirkung jedenfalls insoweit, als es um den Haftungstatbestand geht (BGHZ 119, 276, 278). Dieser umfaßt die tatsächlichen Elemente, die der Tatrichter des Haftpflichtprozesses der Haftung des Versicherungsnehmers zugrunde gelegt hat. Wird dem Versicherungsnehmer vorgeworfen, pflichtwidrig eine Handlung unterlassen zu haben, so gehört zum Haftungstatbestand auch, was der Versicherungsnehmer hätte tun müssen, um pflichtgemäß zu handeln.

c) Diese Grundsätze gelten auch hier. Bindend festgestellt ist im Haftpflichtprozeß nicht nur, daß der Pflichtteilsanspruch des Klägers verjährt und die Klage daher zu Recht abgewiesen worden ist. Auch der dem Streithelfer anzulastende Pflichtverstoß wird von der Bindungswirkung erfaßt. Das Haftpflichturteil hat die Vertragspflichtverletzung des Streithelfers darin gesehen, daß dieser es unterlassen hat, den Eintritt der Verjährung zu verhindern. Welche Maßnahmen der Streithelfer hätte ergreifen müssen, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern, ist im Haftpflichturteil - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht offen geblieben. Vielmehr ist dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe , soweit sie sich mit der objektiven Pflichtwidrigkeit befassen, zu entnehmen, daß dem Streithelfer vorgeworfen worden ist, den Rechtsstreit nicht weiter betrieben zu haben. Als nächste Prozeßhandlung, die geeignet gewesen wäre, die durch den Stillstand des Verfahrens erneut in Lauf gesetzte Verjährungsfrist zu unterbrechen (§ 211 Abs. 2 Satz 2 BGB), hat der Tatrichter des Haftpflichtprozesses die Einreichung des Schriftsatzes genannt, mit dem die späteren Prozeßbevollmächtigten des Klägers beantragten, das Verfahren über die weiteren Stufen fortzuset-

zen. Außerdem ist im Haftpflichturteil festgehalten, daß dem Kläger ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 118.846,99 DM zuerkannt worden wäre, wenn der Streithelfer spätestens nach Erlaß des Teilurteils den Rechtsstreit um den Pflichtteil weitergeführt hätte. Damit hat der Tatrichter im Haftpflichtprozeß die Pflichtwidrigkeit des Streithelfers dahin konkretisiert , daß er es versäumt hat, rechtzeitig einen Fortsetzungsantrag zu stellen.

d) Nachdem das Haftpflichturteil den schadensverursachenden Pflichtverstoß des Streithelfers so festgestellt hat, kann ihm im Dekkungsprozeß nicht die Nichtbeantwortung der Sachstandsanfragen als - andere - schadensverursachende Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden. Denn der Tatbestand der Ausschlußklausel ("... Schadenverursachung durch ... wissentliche Pflichtverletzung") deckt sich mit dem Haftungstatbestand im Haftpflichtprozeß, jedenfalls was die den Schaden verursachende Pflichtverletzung angeht. In einem solchen Falle muß der Versicherungsnehmer es hinnehmen, wenn das Gericht im Haftpflichtprozeß einen Tatbestand feststellt, der zugleich versicherungsrechtlich einen Risikoausschluß ausfüllt. Umgekehrt kann der Versicherer, wenn - wie hier - im Haftpflichtprozeß festgestellt wurde, daß der Versicherungsnehmer den Schaden durch ein bestimmtes Verhalten verursacht hat, diese Feststellung im Deckungsprozeß nicht mehr nachprüfen lassen (Voit in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 149 Rdn. 30 m.w.N.).
3. Offen geblieben ist im Haftpflichtprozeß allerdings, ob der Streithelfer es wissentlich unterließ, den verjährungsunterbrechenden Fortsetzungsantrag zu stellen.

Der nach § 4 Ziff. 5 Satz 1 AVB-RA notwendige direkte Vorsatz erfordert das Wissen und Wollen der Pflichtverletzung. Der Versicherungsnehmer muß die von ihm verletzte Pflicht positiv gekannt und subjektiv das Bewußtsein gehabt haben, gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidrig zu handeln (BGH, Urteil vom 13. Juli 1959 - II ZR 37/58 - VersR 1959, 691 unter 2; Senatsurteil vom 17. Dezember 1986 aaO VersR 1987, 174 unter II 1). Demgemäß müßte der Streithelfer gewusst haben, daß er die Fortsetzung des Prozesses zu beantragen hatte, und willentlich gegen diese Pflicht verstoßen haben. Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der beklagte Versicherer (Senatsurteil vom 26. September 1990 aaO VersR 1991, 176 unter 5 c).
Die fehlenden Tatsachenfeststellungen zum Grad des Verschuldens des Streithelfers wird das Berufungsgericht nachzuholen haben. Dabei dürfte auch zu berücksichtigen sein, daß der Streithelfer durch die wiederholten Sachstandsanfragen Anlaß hatte, die materiellen und prozessualen Folgen des gegen den Kläger ergangenen Teilurteils zu prüfen. Zudem wird es den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen und Beweisantritt geben müssen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf