Bundesgerichtshof Urteil, 21. Okt. 2010 - IX ZR 170/09

bei uns veröffentlicht am21.10.2010
vorgehend
Landgericht München I, 23 O 24808/07, 30.10.2008
Oberlandesgericht München, 15 U 5224/08, 12.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 170/09
Verkündet am:
21. Oktober 2010
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Legt ein Steuerberater gegen einen Sammelbescheid mit mehreren selbständig anfechtbaren
Regelungsgegenständen einen Einspruch ein, der eindeutig auf einen Teil
des angefochtenen Sammelbescheides beschränkt ist, so beginnt die Verjährung
eines hieraus folgenden Schadensersatzanspruchs mit dem Ablauf der Einspruchsfrist
, selbst wenn zwischen dem Mandanten und dem Finanzamt später Streit über
den Umfang der Anfechtung entsteht.
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 170/09 - OLG München
LG München I
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. September 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 12. August 2009 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger nutzten, zunächst als Leasingnehmer, in Gesellschaft bürgerlichen Rechts während der Jahre 1997 bis 2001 ein Flugzeug zur Personenbeförderung , mit dem sie in dem gesamten Zeitraum Verluste erwirtschafteten. Der Leasingvertrag wurde am 17. Januar 2000 von der Leasinggeberin gekündigt.
2
Im Zuge einer Betriebsprüfung bei der Gesellschaft kam die Finanzverwaltung zu dem Ergebnis, dass das Flugzeug ohne die Absicht genutzt worden sei, mit der Nutzung Einnahmen zu erzielen, und die Verluste der Jahre 2000 und 2001 nach Kündigung des Leasingvertrages den Klägern nicht mehr zuzurechnen seien. Das Finanzamt München I erließ daraufhin am 22. Juli 2004 einen Sammelbescheid, welcher die Verluste der Kläger für 1997 gegenüber der Erstveranlagung herabsetzte, die Verluste der Jahre 1997 bis 1999 von solchen aus gewerblicher Tätigkeit in solche aus Vermietung und Verpachtung änderte und die Einkünfte der Jahre 2000 und 2001 auf Null feststellte. Hiergegen erhoben die von der beklagten Steuerberatungsgesellschaft vertretenen Kläger unter dem 11. August 2004 Einspruch. In dem Einspruchsschreiben der Beklagten hieß es im Betreff: "Feststellungsbescheid über gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte 1997, 1998, 1999 vom 22.07.2004." Im Text lautete das Einspruchsschreiben wie folgt: "Gegen oben genannten Steuerbescheid wird Einspruch eingelegt. Begründung folgt bis spätestens 31.08.2004." Diese Begründung, die vom 19. September 2004 datierte, bezog sich auf den gesamten Feststellungszeitraum von 1997 bis 2001.
3
Das Finanzamt teilte der Beklagten durch Schreiben vom 11. Februar 2005 mit, der Einspruch sei verspätet, soweit er sich auf die Jahre 2000 und 2001 beziehe, und wies allgemein auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) hin. Einen solchen Antrag stellte die Beklagte nicht. Am 5. März 2005 lehnte das Finanzamt auch die beantragte Aussetzung der Vollziehung der Grundlagenbescheide für die Jahre 2000 und 2001 ab. Der hiergegen erhobene Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb nach Beschluss des Finanzgerichts München vom 20. Juli 2005 erfolglos. Die Einsprüche der Kläger gegen den Sammelbescheid vom 22. Juli 2004, die im Übrigen zur Rückänderung der Feststellungen führten, wurden für die Jahre 2000 und 2001 durch Einspruchsbescheid vom 28. Februar 2007 verworfen. Über die hiergegen erhobene finanzgerichtliche Klage ist noch nicht entschieden.
4
Im vorliegenden Rechtsstreit nehmen die Kläger die Beklagte auf Ersatz ihres Steuerschadens in Anspruch, den sie infolge des Wegfalls einkommensmindernder Verluste aus der Flugzeugnutzung in den Jahren 2000 und 2001 erlitten zu haben behaupten. Die Beklagte hat neben ihrer anderweitigen Rechtsverteidigung die Verjährungseinrede erhoben.
5
Das Landgericht hat die Beklagte zum Schadensersatz verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen und die Revision nur wegen der Frage des Verjährungsbeginns der Haftung des Steuerberaters bei objektiv vorhandener, subjektiv aber zweifelhafter Versäumung der Einspruchsfrist zugelassen. Mit ihrer Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist unbegründet. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten vollen Umfanges rechtlicher Prüfung stand.

I.


7
unzulässig Die beschränkte Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht wirkt als unbeschränkte Zulassung (vgl. BGH, Urt. v. 5. April 2005 - XI ZR 167/04, ZIP 2005, 1024 f; v. 4. April 2006 - VI ZR 151/05, NJW-RR 2006, 1098, 1099 Rn. 8; v. 21. September 2006 - I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182, 183 f Rn. 19 ff, ständige Rechtsprechung). Die Zulassung der Revision kann wirksam nicht auf einzelne Rechtsfragen, sondern nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffs beschränkt werden, welcher Gegenstand eines Teilurteils oder Grundurteils sein und auf den auch der Revisionskläger sein Rechtsmittel beschränken könnte (BGHZ 101, 276, 278; 111, 158, 166; 182, 241, 243 Rn. 11; BGH, Urt. v. 3. März 2005 - IX ZR 45/04, BGHReport 2005, 867, 868 unter 2. c; v. 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, juris Rn. 21, ständige Rechtsprechung). Das hat das Berufungsgericht missachtet. Die gegen die teilweise Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde ist damit gegenstandslos (BGH, Urt. v. 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04, juris Rn. 7).

II.


8
Die mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 durch Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I Seite 3214) aufgehobene Vorschrift des § 68 StBerG a.F. ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 13, Satz 2 und § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EGBGB für den Verjährungsbeginn weiter anzuwenden, wenn der (primäre) Schadensersatzanspruch vor dem 15. Dezember 2004 entstanden ist (vgl. BGH, Urt. v. 13. November 2008 - IX ZR 69/07, WM 2009, 283, 284 Rn. 8 zu § 51b BRAO a.F.; v. 17. Dezember 2009 - IX ZR 4/08, WM 2010, 629 Rn. 6; v. 23. September 2010 - IX ZR 26/09, z.V.b.). Eine solche Anspruchsentstehung in altrechtlicher Geltungszeit hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen. Die Dauer der Verjährung bestimmt sich nach § 195 BGB - in Übereinstimmung mit der früheren Regelung des § 68 StBerG - auf drei Jahre. Die längere Sekundärverjährung kann hier nicht zugrunde gelegt werden, weil ihre Voraussetzungen nicht bestehen. Die Kläger hatten noch während der ersten drei Jahre nach dem Anlaufen der Verjährung Rechtsanwälte damit beauftragt, ihren Schaden gegenüber der Beklagten zu regulieren (vgl. BGHZ 129, 386, 392; BGH, Urt. v. 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99, WM 2001, 736, 739 unter IV. 2.; Teilurt. v. 29. Juni 2006 - IX ZR 227/02 juris Rn. 10; ständige Rechtsprechung). Danach war der Anspruch bei Klageerhebung bereits verjährt.
9
1. Wenn der Steuerberater einen fehlerhaften Rat zur steuerlichen Gestaltung betrieblicher oder persönlicher Verhältnisse erteilt und dieser sich in einem für den Mandanten nachteiligen Steuerbescheid niedergeschlagen hat, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage des Mandanten grundsätzlich erst mit der Bekanntgabe des Bescheids eingetreten. Das gilt für alle Schadensfälle in Steuersachen, gleichgültig, ob die Schadensursache dazu führt, dass gegen den Mandanten ein Leistungsbescheid der Finanzbehörde ergeht oder ein Steuervorteil durch einen grundlegenden Feststellungsbescheid versagt wird (BGHZ 119, 69, 72 f; 129, 368, 388; BGH, Urt. v. 3. November 2005 - IX ZR 208/04, WM 2006, 590, 591; v. 13. Dezember 2007 - IX ZR 130/06, WM 2008, 611, 612 Rn. 11). Von welchen tatsächlichen oder rechtlichen Umständen die dem Steuerpflichtigen ungünstige Entscheidung im Einzelfall abhängt, ist danach rechtlich unerheblich. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, welcher Art der vom Steuerberater zu verantwortende, für den nachteiligen Steuerbescheid ursächlich gewordene Fehler ist (BGH, Urt. v. 3. November 2005 - IX ZR 208/04, aaO; v. 13. Dezember 2007 - IX ZR 130/06, aaO). Diese Rechtsprechung beruht im Wesentlichen darauf, dass es sich nicht allgemein voraussehen lässt, ob die Finanzbehörde einen steuerlich bedeutsamen Sachverhalt aufdeckt, welche Tatbestände sie aufgreift und welche Rechtsfolgen sie aus ihnen herleitet (BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2037, v. 3. November 2005 - IX ZR 208/04, aaO).
10
2. Diese Grundsätze für die Entstehung des Schadensersatzanspruchs gegen einen Steuerberater und den damit einhergehenden Verjährungsbeginn gelten nicht nur bei einer Haftung wegen fehlerhafter Gestaltungsberatung. Die Entstehung des Schadensersatzanspruchs in der Beraterhaftung hat der Bundesgerichtshof auch bei der Verletzung verfahrensrechtlicher Pflichten vom Schadenseintritt abhängig gemacht, ein bloßes Schadensrisiko hierfür jedoch nicht ausreichen lassen. So war die Verjährung der Rechtsanwaltshaftung in Lauf gesetzt, sobald dieser den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil z w e i f e l s f r e i hatte verfristen lassen (BGH, Urt. v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, WM 1996, 35, 38 unter II. 1.). Umgekehrt hat der Bundesgerichtshof in einem Fall entschieden, in dem trotz Versäumung einer Ausschlussfrist aufgrund mehrerer Umstände zunächst noch ungewiss war, ob sich aus diesem Fehler des Steuerberaters ein Schaden des Mandanten ergab (vgl. BGH, Urt. v. 3. November 2005 - IX ZR 208/04, aaO unter II. 2. a).
11
Im Lichte dieser Abgrenzung ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verjährungsbeginn der Steuerberaterhaftung bei unterlassenem oder unzureichend begründetem Einspruch gegen einen Festsetzungsoder Feststellungsbescheid des Finanzamtes zu sehen. Besteht die Pflichtwidrigkeit des Steuerberaters darin, dass der gebotene Einspruch gegen einen Feststellungsbescheid unterblieben ist, so entsteht der Schaden mit Ablauf der Einspruchsfrist (BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2067 unter II. 1. a). Begeht der Steuerberater Fehler innerhalb des Einspruchsverfahrens , so beginnt die Verjährung seiner Haftung mit der Bekanntgabe des hierauf beruhenden Einspruchsbescheides (BGH, aaO unter II. 1. b; Urt. v. 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 788 unter II. 2.).
12
3. Im Streitfall hat die Beklagte Einspruch gegen den Sammelfeststellungsbescheid vom 22. Juli 2004 für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Kläger erhoben. Wegen der Nennung der Veranlagungszeiträume 1997, 1998 und 1999 im Betreff des Einspruchsschreibens vom 11. August 2004 kam jedoch in Frage, dass die im angefochtenen Sammelbescheid weiterhin getroffenen Feststellungen für die Veranlagungszeiträume 2000 und 2001 durch die scheinbar beschränkte Anfechtung in Bestandskraft erwuchsen. Das Berufungsgericht hat diese Sachlage verjährungsrechtlich einem unterbliebenen Einspruch gleichgestellt. Das ist nach Sinn und Zweck der Risiko-SchadenFormel rechtlich nicht zu beanstanden.
13
Gewinnfeststellungsbescheide bei Mehrpersonenbeteiligung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO für eine Anzahl von Jahren enthalten nach ihrem Inhalt teilbare Regelungsgegenstände, und zwar nicht nur zur Höhe der Gewinne in den einzelnen Veranlagungszeiträumen, sondern jeweils auch für die Einkunftsart und die Gewinnzurechnung. Das lässt für eine Teilanfechtung jeder selbständigen Einzelregelung innerhalb solcher Bescheide Raum (vgl. BFHE 159, 4, 10 unter C. II. 3.). Einspruch und Klage sind darauf, ob und wieweit der Rechtsmittelführer mit seiner Verfahrenshandlung Teilbestandskraft herbeiführen möchte, nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen (vgl. BFH, aaO S. 10 f unter C. II. 4.). Geht es um die Anfechtung eines Einkommensteuerbescheides , in welcher ein bestimmter Ermäßigungsbetrag genannt wird, so kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass im Übrigen Teilbestandskraft herbeigeführt werden soll (BFH, aaO S. 11 ff unter C. III.; BFHE 167, 279, 284 unter 1. d).
14
Zutreffend hat das Finanzgericht München in seiner ablehnenden Entscheidung vom 20. Juli 2005 (Az. 12 V 1803/05) über den Antrag der Kläger auf Aussetzung der Vollziehung hervorgehoben, dass dieser Auslegungsgrundsatz - im Regelfall bei Angriff auf eine Besteuerungsgrundlage und einen bezifferten Antrag kein teilweiser Einspruchsverzicht - nicht auf die Vielzahl selbständig anfechtbarer Feststellungen eines Sammelbescheides wie hier desjenigen vom 22. Juli 2004 übertragen werden konnte. Der erkennende Senat hat die Verfahrenserklärung der aus den Klägern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Einspruchsschreiben der Beklagten vom 11. August 2004 eigenständig zu würdigen und ist hierbei weder an die tatrichterliche Beurteilung des Finanzgerichts noch des Berufungsgerichts gebunden.
15
Der Einspruch soll bereits bei seiner Einlegung nach § 357 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO den Verwaltungsakt bezeichnen, gegen den er sich richtet, und den Umfang der beabsichtigten Anfechtung. Dem ist die Beklagte in ihrem Einspruchsschreiben vom 11. August 2004 nachgekommen. Ihr Hinweis auf die demnächst nachfolgende Begründung des Rechtsbehelfs konnte hier nicht so verstanden werden, dass nach unbeschränkter Rechtsbehelfseinlegung erst dort - wie regelmäßig im Rechtsmittelverfahren nach der Zivilprozessordnung - die abschließende Konkretisierung der Anfechtungsgegenstände erfolgen sollte. Die Nennung der Steuerjahre 1997, 1998 und 1999 im Betreff des Einspruchschreibens hatte nur dann Sinn, wenn das Rechtsmittel nach dem Willen der Kläger auf diese Veranlagungszeiträume beschränkt werden sollte. Für diese Auslegung sprach schließlich, dass die Feststellungen des angefochtenen Sammelbescheides für die Jahre 2000 und 2001 infolge der Kündigung des Leasingvertrages noch andere Tat- und Rechtsfragen aufwarfen als die Bescheide für 1997 bis 1999.
16
Dem gegenüber konnte die Tatsache, dass es einen Sammelbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte vom 22. Juli 2004 nur für die Veranlagungszeiträume 1997, 1998 und 1999 nicht gab, sondern dieser Bescheid die Jahre 1997 bis 2001 umfasste, an dem Umfang der nur auf einen Teil beschränkten Anfechtung keinen Zweifel erwecken. Das gleiche gilt für den Umstand, dass es bei einer Teilanfechtung des ergangenen Sammelbescheides rechtlich hätte genauer sein können, dann als Anfechtungsgegenstand die Einzelbescheide für 1997, 1998 und 1999 zu bezeichnen, den Rechtsbehelf also sprachlich nicht auf einen einzelnen Bescheid (im Singular ) zu beziehen. Solche begrifflichen Ungenauigkeiten kommen jedoch nicht selten vor. Sie konnten an der klaren Beschränkung des Anfechtungsumfanges durch Nennung der betroffenen Jahre 1997, 1998 und 1999 nicht vorbei führen. Da das Einspruchsschreiben von einem fachkundigen Steuerberater unterzeichnet war, brauchte die Finanzverwaltung auch mit einer ungeschickten oder den Willen des Mandanten verfälschenden Fassung des Schreibens nicht zu rechnen.
17
Danach bestand für die Kläger bei Ablauf der Einspruchsfrist wegen der mangelhaften Fassung des Einspruchsschreibens vom 11. August 2004 kein bloßes Schadensrisiko, welches die Haftpflicht der Beklagten noch nicht entstehen ließ und folglich auch die Verjährung des gegen sie gerichteten Schadensersatzanspruchs nicht in Lauf setzte. Der Schaden war vielmehr - wie beim Unterbleiben eines Einspruchs - bei Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bereits eingetreten. Er wurde durch das Schreiben des Finanzamtes München I vom 11. Februar 2005, welches einen fristgerechten Einspruch gegen den Bescheid vom 22. Juli 2004 für die Jahre 2000 und 2001 verneinte, und das weitere Schreiben vom 5. März 2005, in welchem für die Jahre 2000 und 2001 die be- antragte Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung abgelehnt wurde, es fehle insoweit an einem zulässigen Einspruch, nur bestätigt.
18
Möglichkeit, Die mit Hilfe eines Wiedereinsetzungsgesuchs auf das Schreiben des Finanzamtes München I vom 11. Februar 2005 den durch die Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Feststellungen für die Jahre 2000 und 2001 eingetretenen Schaden vielleicht wieder zu beseitigen, rechtfertigt es nicht, den Verjährungsbeginn entsprechend hinauszuschieben oder die Verjährung wegen des Absehens von einem solchen Antrag erneut anlaufen zu lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 28. März 1996 - IX ZR 197/95, WM 1996, 1108, 1109 a.E.).
19
Die vom Berufungsgericht als Zulassungsgrund angesehene Rechtsfrage , ob Zweifel der Kläger daran, dass die Einspruchsfrist gegen den Sammelbescheid vom 22. Juli 2004 wegen der Feststellungen für die Jahre 2000 und 2001 versäumt worden sei, den Verjährungsbeginn hinausschoben, ist nach § 68 StBerG a.F. offensichtlich zu verneinen. Subjektive Zweifel dieser Art mögen den Klägern die Schadenskenntnis verwehrt haben. Darauf kam es aber altrechtlich gerade nicht an.
20
4. Die Revision rügt ferner vergeblich, das Berufungsgericht habe die Erklärungen der Beklagten gegenüber den anwaltlichen Bevollmächtigten der Kläger fehlerhaft nicht als verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. gewertet und dabei Teile des Klägervortrags übergangen. Wenn das Berufungsgericht auf die zugesagte Unterstützung der Beklagten bei der Schadensminderung nicht gesondert eingegangen ist, so lässt dies nicht darauf schließen, dass es diesen Vortrag unberücksichtigt gelassen hat. Denn an dem Auslegungsergebnis ändert er nichts. Ein Anerkenntnis der Beklagten hätte vorausgesetzt, dass sie zum Ausdruck gebracht hätte, ihrer Ansicht nach sei der verspätete Einspruch jedenfalls begründet gewesen, so dass es tatsächlich zu einem sonst vermiedenen Steuerschaden der Kläger gekommen sei. Die Erklärung ihres Geschäftsführers, es werde mit der Begleichung des durch ihn entstandenen Schadens keine Probleme geben, er habe den Schaden bereits seiner Haftpflichtversicherung gemeldet, bezog sich jedoch auf das Deckungsverhältnis.
21
Nach dem vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Erklärungen und weil im Haftpflichtverhältnis die haftungsausfüllende Kausalität des Fehlers der Beklagten nicht angesprochen worden ist, hat das Berufungsgericht auch eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen gemäß § 203 Satz 1 BGB n.F. zutreffend verneint.
22
Die Beklagte war nach den Umständen letztlich nicht durch § 242 BGB gehindert, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen. Es lag auf der Hand, dass man für die Frage, ob überhaupt ein ersatzfähiger Haftpflichtschaden bestehen blieb, den rechtskräftigen Ausgang des Steuerrechtsstreits zwischen der Klägerin und dem Finanzamt abwarten musste. So gesehen war es auch nicht dringlich, zur Pflichtwidrigkeit der Beklagten abschließend Stellung zu nehmen. Mit Recht hat das Berufungsgericht deshalb keinen genügenden Anhalt dafür gesehen, dass die Beklagte schutzwürdiges Vertrauen der Kläger darauf erweckt hat, die Verjährungseinrede nicht erheben zu wollen.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 30.10.2008 - 23 O 24808/07 -
OLG München, Entscheidung vom 12.08.2009 - 15 U 5224/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Okt. 2010 - IX ZR 170/09

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2011 - IX ZR 85/10

bei uns veröffentlicht am 15.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 85/10 Verkündet am: 15. Dezember 2011 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 199 Abs. 1, § 6

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2013 - IX ZR 215/12

bei uns veröffentlicht am 14.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 215/12 Verkündet am: 14. November 2013 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 203, 214

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(1) Der Einspruch ist schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Es genügt, wenn aus dem Einspruch hervorgeht, wer ihn eingelegt hat. Unrichtige Bezeichnung des Einspruchs schadet nicht.

(2) Der Einspruch ist bei der Behörde anzubringen, deren Verwaltungsakt angefochten wird oder bei der ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt worden ist. Ein Einspruch, der sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, kann auch bei der zur Erteilung des Steuerbescheids zuständigen Behörde angebracht werden. Ein Einspruch, der sich gegen einen Verwaltungsakt richtet, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, kann auch bei der zuständigen Finanzbehörde angebracht werden. Die schriftliche oder elektronische Anbringung bei einer anderen Behörde ist unschädlich, wenn der Einspruch vor Ablauf der Einspruchsfrist einer der Behörden übermittelt wird, bei der er nach den Sätzen 1 bis 3 angebracht werden kann.

(3) Bei der Einlegung soll der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Es soll angegeben werden, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Ferner sollen die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die Beweismittel angeführt werden.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 167/04 Verkündet am:
5. April 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
BGB § 1191; AGBG §§ 3, 9 Bl
Eine Grundschuld nebst persönlicher Haftungsübernahme und Vollstreckungsunterwerfung
sichert nicht nur die originär eigenen Ansprüche einer Bausparkasse,
sondern auch die abtretungsweise erworbenen Forderungen aus einem "Vorausdarlehen".
BGH, Urteil vom 5. April 2005 - XI ZR 167/04 - Thüringer OLG
LG Gera
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. April 2005 durch die Richter Dr. Joeres, Dr. Müller,
Dr. Wassermann, Dr. Appl und Dr. Ellenberger

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 18. Mai 2004 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstrecku ng aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger, ein Monteur und seine Ehefrau, wurden Anfang 1997 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung in O. zu erwerben. Am 14. März 1997 unterbreitete die A. (nachfol- AG gend: Verkäuferin) den Klägern ein entsprechendes notarielles Kaufangebot , das diese mit notariell beurkundeter Erklärung vom 22. März 1997 annahmen. Zur Finanzierung des Kaufpreises von 150.464 DM schloß die beklagte Bausparkasse als Vertreterin der Landeskreditbank
(nachfolgend: L-Bank) am 24. M ärz 1997 mit ihnen einen Darlehensvertrag über 181.000 DM, der als tilgungsfreies "Vorausdarlehen" bis zur Zuteilungsreife zweier zeitgleich geschlossener Bausparverträge über 90.000 DM und 91.000 DM dienen sollte.
Der Darlehensvertrag enthält unter anderem folgend e Bedingungen :
"§ 2 Kreditsicherheiten Die in § 1 genannten Darlehen werden gesichert durch:... - Grundschuldeintragung zugunsten der Bausparkasse über 181.000 DM mit mindestens 12 v.H. Jahresz insen. … § 5 besondere Bedingungen für Vorfinanzierungen... Die Bausparkasse kann das Darlehen der L-Bank vor Zuteilung des Bausparvertrages ablösen, sobald Umstände eintreten, die in der Schuldurkunde Ziffer 4 a bis e geregelt sind mit der Folge, daß die Bausparkasse in das bestehende Vertragsverhältnis eintritt. …" Die in dem Darlehensvertrag in Bezug genommene vor formulierte Schuldurkunde der Beklagten enthält unter Ziffer 11 b folgende Regelung :
"die Grundschuld dient der Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Gläubigerin gegen den Darlehensneh-
mer aus jedem Rechtsgrund, auch soweit sie nur gegen einen Darlehensnehmer begründet sind; ..." In notarieller Urkunde vom 11. Juni 1997 bestellte die Verkäuferin an dem Kaufgegenstand zugunsten der Beklagten eine Grundschuld über 181.000 DM zuzüglich 12% Jahreszinsen. Die Kläger übernahmen als Gesamtschuldner die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages samt Zinsen und Nebenleistungen und unterwarfen sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
Im September 2002 widerriefen die Kläger das "Vora usdarlehen" nach dem Haustürwiderrufsgesetz. Nachdem die L-Bank ihre Ansprüche aus dem "Vorausdarlehen" daraufhin am 28. Februar 2003 an die Beklagte abgetreten hat, nimmt diese die Kläger aus der notariellen Urkunde vom 11. Juni 1997 persönlich in Anspruch. Diese halten dem unter anderem entgegen, die Grundschuld nebst der Haftungsübernahme und Vollstreckungsunterwerfung sichere nur die aus den Bausparverträgen künftig entstehenden Ansprüche der Beklagten, nicht aber die durch Abtretung der L-Bank erworbenen Forderungen aus dem "Vorausdarlehen". Darüber hinaus verstoße das in der persönlichen Haftungsübernahme liegende abstrakte Schuldversprechen gegen § 10 Abs. 2 VerbrKrG a.F. (analog).
Das Landgericht hat die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht nur beschränkt zugelassenen Revision verfolgen sie ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


A.


Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

I.


Zwar hat das Berufungsgericht im Urteilstenor und in den Entscheidungsgründen die Zulassung der Revision auf die Frage des Umfanges der Grundschulderstreckung auf abgetretene Forderungen aus "Vorausdarlehen" beschränkt. Diese Beschränkung der Zulassung der Revision ist aber unzulässig. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ 101, 276, 278 f.; 111, 158, 166; Senatsurteile vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 128; BGH, Urteil vom 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02, WM 2003, 2139, 2141). Danach scheidet hier die Beschränkung der Zulassung auf die Frage des Haftungsumfangs der Grundschuld und der sie verstärkenden persönlichen Sicherheiten der Kläger aus, da es sich insoweit nur um ein
einzelnes Rechtsproblem im Rahmen der gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 11. Juni 1997 gerichteten Klage handelt.

II.


Bei einer unzulässigen Beschränkung der Revisionsz ulassung muß das angefochtene Urteil in vollem Umfang überprüft werden (BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, WM 1984, 279, 280). An diesem Grundsatz ist auch nach der Änderung des Rechtsmittelrec hts festzuhalten. Fehlt es an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung, so ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam, die Revision daher unbeschränkt zuzulassen (Senatsurteile vom 20. Mai 2003, aaO, vom 23. September 2003, aaO S. 2233, vom 20. April 2004, aaO und vom 26. Oktober 2004, aaO; BGH, Urteil vom 4. Juni 2003, aaO jeweils m.w.Nachw.).

B.


Die Revision ist nicht begründet.

I.


Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführ t:
Die Kläger hätten ihre auf Abschluß des Darlehensv ertrages gerichteten Willenserklärungen nicht wirksam widerrufen. Ihr Vortrag zur Haustürsituation sei unschlüssig. Es fehle auch an der Kausalität zwischen einer etwaigen Haustürsituation und dem Abschluß des Darlehensvertrages.
Die Kläger seien aufgrund der Grundschuldbestellun g nebst der persönlichen Haftungsübernahme und Unterwerfungserklärung in der notariellen Urkunde vom 11. Juni 1997 verpflichtet, die Zwangsvollstrekkung in ihr gesamtes Vermögen zu dulden. Die Grundschuld sichere auch die von der L-Bank an die Beklagte abgetretenen Forderungen aus dem "Vorausdarlehen". Der Sicherungszweck ergebe sich aus § 2 des Darlehensvertrages, der auf die in § 1 genannten Darlehen, also sowohl auf das Bauspardarlehen als auch auf das "Vorausdarlehen", Bezug nehme. Aufgrund der Abtretung fielen Sicherungsnehmerin und Forderungsinhaberin nicht mehr auseinander. Nach Ziff. 11 b der zum Bestandteil des Darlehensvertrages gewordenen vorformulierten Schuldurkunde der Beklagten seien die in der Person der L-Bank entstandenen Ansprüche und Forderungen in den Haftungsbereich der Grundschuld miteinbezogen. Die danach vorgesehene Sicherung "aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen … aus jedem Rechtsgrund" verstoße nicht gegen § 3 AGBG, sondern sei bei einer Personenidentität zwischen Schuldner und Sicherungsgeber in der Kreditpraxis seit langem üblich. Daß die Forderungen aus dem "Vorausdarlehen" erst am 28. Februar 2003 an die Beklagte abgetreten worden seien, ändere nichts, weil es sich auch bei ihnen um "künftige Forderungen" im Sinne der Vertragsklausel handele.
§ 10 Abs. 2 VerbrKrG a.F. sei auf das in der persö nlichen Haftungsübernahme liegende abstrakte Schuldanerkenntnis mit Vollstrekkungsunterwerfung weder direkt noch entsprechend anwendbar. Die Vorschrift wolle den Kreditnehmer im Bereich des Verbraucherkreditgesetzes vor den besonders großen Haftungsrisiken schützen, die sich aus der hohen Verkehrsfähigkeit von Wechseln oder Schecks und den damit verbundenen weitgehenden Einwendungsausschlüssen gegenüber gutgläubigen Dritterwerbern solcher Wertpapiere ergäben. Eine solche Verkehrsfähigkeit komme aber einem notariellen Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen nicht zu, so daß es schon an dem für einen Analogieschluß erforderlichen vergleichbaren Sachverhalt fehle.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Ein Widerrufsrecht gemäß § 1 HWiG hat das Beruf ungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen verneint.
2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Grun dschuld nebst persönlicher Haftungsübernahme und Vollstreckungsunterwerfungserklärung der Kläger nicht nur die erst nach Zuteilungsreife der Bausparverträge auszureichenden Darlehen der Beklagten, sondern auch die abtretungsweise erworbenen Ansprüche aus dem "Vorausdarlehen" sichert, läßt, anders als die Revision meint, keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Der Grundschuldbestellung vom 11. Juni 1997 lie gt eine entsprechende Sicherungsvereinbarung der Prozeßparteien zugrunde. Aus dem von den Klägern mit der L-Bank geschlossenen Darlehensvertrag vom 24. März 1997 geht hervor, daß die zugunsten der Beklagten zu bestellende Grundschuld alle aus den beiden Kreditverhältnissen resultierenden Ansprüche sichern sollte. Andernfalls wäre auch nicht zu erklären , daß die Beklagte gemäß § 2 Abs. 5 des Darlehensvertrages berechtigt ist, die valutierende Grundschuld für die L-Bank treuhänderisch zu verwalten oder auf sie zu übertragen. Diese ursprüngliche Sicherungsabrede ist bestehen geblieben, als die Beklagte durch den am 28. Februar 2003 geschlossenen Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) selbst Darlehensgläubigerin und wegen der damit verbundenen Beendigung des Treuhandauftrages auch wirtschaftlich Inhaberin der Grundschuld mit den haftungserweiternden persönlichen Sicherheiten wurde.

b) Abgesehen davon ergibt sich aus Ziff. 11 b der Schuldurkunde, daß die Grundschuld die abgetretenen Forderungen aus dem "Vorausdarlehen" sichert. Die in der Kreditpraxis, auch bei Bausparkassen, übliche Erstreckung des Grundschuldsicherungszwecks auf künftige Forderungen ist - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - für den Vertragsgegner weder überraschend noch unangemessen (§§ 3, 9 AGBG), sofern es sich um Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung handelt (siehe etwa BGHZ 101, 29, 32 f. m.w.Nachw.; vgl. ferner Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld 3. Aufl. Rdn. 286 a; Gaberdiel, Kreditsicherung durch Grundschulden 7. Aufl. Rdn. 679). Daß grundsätzlich nicht nur originär eigene, sondern auch durch eine Abtretung erworbene Forderungen Dritter nach der allgemeinen Verkehrsanschauung der bankmäßigen Geschäftsverbindung zuge-
rechnet werden können, ist höchstrichterlich seit langem anerkannt (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 24. April 1958 - II ZR 94/57, WM 1958, 722, 723 und vom 17. Dezember 1980 - VIII ZR 307/79, WM 1981, 162 f.). Nichts spricht dafür, daß für den abtretungsweise erworbenen Anspruch aus dem "Vorausdarlehen" andere Grundsätze gelten, zumal dieses nach § 5 Abs. 5 des Darlehensvertrages in Verbindung mit der Schuldurkunde von der Beklagten abgelöst werden konnte.

c) Das abstrakte Schuldversprechen und die diesbez ügliche Unterwerfung der Kläger unter die sofortige Zwangsvollstreckung teilen den Sicherungszweck der Grundschuld. Sie sind in der notariellen Urkunde über die Bestellung der Grundschuld erklärt worden und beziehen sich auf die Zahlung des Grundschuldbetrages samt Zinsen und Nebenleistungen.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 10 A bs. 2 VerbrKrG a.F. (jetzt: § 496 Abs. 2 BGB) auf das abstrakte Schuldanerkenntnis der Kläger nicht analog anwendbar. Die Ausnahmevorschrift verbietet nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut ausschließlich die Begebung von Wechseln oder Schecks zur Besicherung von Ansprüchen des Kreditgebers aus einem Verbraucherkreditvertrag. Für notarielle Schuldanerkenntnisse oder Schuldversprechen gilt das Verbot dagegen nicht. Es besteht - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - auch keine planwidrige Regelungslücke. Dafür sind Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Schutzzweck der Norm zu eindeutig (siehe Senatsurteile vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, Umdruck S. 15 f., XI ZR 136/04, Umdruck S. 16 f., XI ZR 137/04, Umdruck S. 15 f., XI ZR 323/04, Umdruck S. 10 f., XI ZR 324/04, Umdruck S. 10 f., XI ZR 325/04, Umdruck S. 10 f. und
XI ZR 334/04, Umdruck S. 12; siehe auch bereits Senatsbeschluß vom 23. November 2004 - XI ZR 27/04, Umdruck S. 3). Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung des Art. 10 der Verbraucherkreditrichtlinie ist nicht veranlaßt, weil diese Richtlinie nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) auf Kreditverträge, die zum Erwerb von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder Gebäude bestimmt sind, keine Anwendung findet.

III.


Die Revision der Kläger war daher zurückzuweisen.
Joeres Müller Wassermann
Appl Ellenberger
8
1. Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils die Revision wegen der Frage zugelassen hat, ob die Beweislastregel des § 836 BGB auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten bezüglich beweglicher Sachen entsprechend anwendbar sei, liegt keine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung vor. Wird eine Revision im Hinblick auf eine Rechtsfrage zugelassen, so erfasst die Zulassung den gesamten Streitgegenstand , über den das Berufungsgericht entschieden hat und für den die zur Zulassung führende Rechtsfrage von Bedeutung ist (vgl. Senatsurteile vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02 - VersR 2003, 1441, 1442 und vom 28. März 2006 - VI ZR 50/05 - z.V.b.).
19
a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen zwar auf die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung beschränkt. Diese Beschränkung der Zulassung ist jedoch unzulässig und damit wirkungslos. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ 101, 276, 278; 111, 158, 166; BGH, Urt. v. 23.9.2003 - XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703; Urt. v. 9.12.2003 - VI ZR 404/02, NJW 2004, 766; Urt. v. 5.4.2006 - VIII ZR 163/05, BB 2006, 1358, 1359 m.w.N.). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage der Verjährung, die von der materiellrechtlichen Natur des Anspruchs abhängt, zielt auf eine einzelne Rechtsfrage ab und ist deshalb unwirksam (BGH, Urt. v. 27.9.1995 - VIII ZR 257/94, NJW 1995, 3380, 3381; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 543 Rdn. 10; a.A. MünchKomm.ZPO/Wenzel, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 543 Rdn. 35; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 543 Rdn. 12).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 45/04 Verkündet am:
3. März 2005
Preuß,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ist die von dem Berufungsgericht als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage aus
seiner Sicht nur für einen Teil der Klageforderung von Bedeutung, kann sich aus
den Entscheidungsgründen die Beschränkung der Zulassung der Revision auf den
hiervon berührten Teil der Klageforderung ergeben.
BGH, Urteil vom 3. März 2005 - IX ZR 45/04 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Kayser, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 22. Januar 2004 wird als unzulässig verworfen.
Damit verliert die Anschlußrevision der Beklagten ihre Wirkung.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Januar 2000 er öffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (fortan: Schuldnerin). Diese war Komplementärin der selbst nicht von der Insolvenz betroffenen H. & Co. GmbH KG (fortan: KG). Die Schuldnerin und die KG unterhielten mehrere Konten bei der Beklagten. Auf dem Konto der KG war ein Betriebsmittelkredit verbucht, den die Beklagte der Schuldnerin, der KG und dem Geschäftsführer der Schuldnerin, der zu-
gleich Kommanditist der KG ist, bewilligt hatte und den sie in Höhe der in Anspruch genommenen Kreditsumme von 1.107.626,29 DM mit Schreiben vom 18. Oktober 1999 zum 5. November 1999 fällig stellte. Mit Beschluß vom 21. Oktober 1999 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter, beauftragte ihn mit der Sicherung und Erhaltung des Vermögens der Schuldnerin und ordnete gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt an. Mit Faxschreiben vom selben Tag forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf seine Bestellung zum vorläufigen Verwalter auf, alle für die Schuldnerin auf dem Konto der KG eingehenden Zahlungen auf das für das Insolvenzeröffnungsverfahren eingerichtete näher bezeichnete Sonderkonto weiterzuleiten.
In der Folgezeit versandte die Schuldnerin an ihre Kun den teilweise weiterhin Rechnungen, in denen das Konto der KG bei der Beklagten angegeben war. Zwischen dem 21. Oktober 1999 und dem 19. Juni 2000 verbuchte die Beklagte auf diesem Konto Zahlungseingänge in Höhe von 317.571,04 DM und verrechnete sie mit dem dort bestehenden Debetsaldo. Diesen Betrag hat der Kläger abzüglich einer Zahlung von 1.086 DM von der Beklagten beansprucht, weil die Zahlungseingänge der Schuldnerin gebührten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberland esgericht hat ihr in Höhe von (67.772,32 € + 6.874,19 € =) 74.646,51 € stattgegeben. Ausweislich der Empfängerbezeichnungen seien die Zahlungseingänge in dieser Höhe zweifelsfrei für die Schuldnerin bestimmt gewesen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen, weil der Nachweis einer für die Beklagte eindeutig erkennbaren Bezeichnung der Zahlungsempfänger nicht erbracht sei. Die Zurückweisung der Berufung betrifft ferner eine am 21. Oktober 1999 ein-
gegangene Überweisung sowie am gleichen Tag erfolgte Vorbehaltsgutschriften zweier Schecks über (1.052 € + 24.599,84 € =) 25.651,84 €. Die Revision des Klägers richtet sich nur gegen die Zurückweisung der Berufung betreffend die Scheckgutschriften. Die Beklagte erstrebt mit der Anschlußrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Der Statthaftigkeit der Revision des Klägers steht die f ehlende Zulassung des Rechtsmittels entgegen (§ 543 Abs. 1 ZPO). Insoweit hat das Berufungsgericht die Revision in dem angefochtenen Urteil nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Damit verliert die unselbständige Anschlußrevision ihre Wirkung (§ 554 Abs. 4 ZPO).

I.


Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält zwar kein en Zusatz, durch den die Zulassung der Revision eingeschränkt wird. In den Entscheidungsgründen führt das Berufungsgericht jedoch hinsichtlich der Zulassung der Revision aus, eine grundsätzliche Bedeutung liege in der Frage, "ob bei einer Divergenz von Empfängerbezeichnung und Kontonummer auch im beleglosen Überweisungsverkehr die Empfängerbezeichnung maßgeblich" sei. Hieraus ergibt sich eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Teile des prozessualen Anspruchs, bezüglich derer die Rechtsfrage zu Lasten der Beklagten entscheidungserheblich geworden ist.

1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sin d für die Prüfung des Umfangs einer zugelassenen Revision auch die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils heranzuziehen (BGHZ 48, 134, 136; 153, 358, 360; BGH, Urt. v. 12. November 2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324; Beschl. v. 29. Januar 2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366; Urt. v. 17. Juni 2004 - VII ZR 226/03, NJW 2004, 3264; v. 28. Oktober 2004 - VII ZR 18/03, z.V.b.). In diesen Fällen ist jedoch erforderlich, daß sich die Beschränkung der Zulassung klar ergibt; der Bundesgerichtshof hat es wiederholt als unzureichend angesehen, wenn das Berufungsgericht lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision genannt hat, ohne weiter erkennbar zu machen, daß es die Zulassung der Revision auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstandes hat beschränken wollen (BGHZ 153, 358, 361 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
2. Im Streitfall liegt in dem Hinweis des Berufungsge richts auf die Streitfrage zur Divergenz von Empfängerbezeichnung und Kontonummer nicht nur eine Begründung, sondern eine hinreichend klar zum Ausdruck gekommene Beschränkung der Zulassung.

a) Das Berufungsgericht hat Zahlungsansprüche des Klägers in Höhe von 74.646,51 € aus Anfechtung (§§ 129, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO) und Auftrag (§§ 667, 675 BGB) durchgreifen lassen. Aus seiner Sicht war entscheidungserheblich , ob die Zahlungseingänge nach dem Inhalt der Überweisungsaufträge für die Insolvenzschuldnerin bestimmt waren, was sich nur aus der Empfängerbezeichnung in den Überweisungsaufträgen ergeben konnte. Das Berufungsgericht hat hier eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ge-
sehen: Für den beleggebundenen Überweisungsverkehr sei anerkannt, daß bei einer Divergenz von Empfängerbezeichnung und Kontonummer die Empfängerbezeichnung maßgeblich sei, weil der Name eine wesentlich sicherere Individualisierung ermögliche. Allerdings habe sich die Beklagte des beleglosen Überweisungsverkehrs bedient, bei dem die in der Belegform eingereichten Überweisungsaufträge automatisch eingelesen und lediglich die Daten an die Empfängerbank weitergeleitet würden (EZÜ-Verfahren). Für diese Art des Zahlungsverkehrs sei umstritten, ob es auf die Kontonummer oder die Empfängerbezeichnung ankomme. Den Vorzug verdiene die zweitgenannte Auffassung, der sich der Senat anschließe. Für die mit der Revision angegriffene Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der Scheckzahlungen waren aus Sicht des Berufungsgerichts andere Erwägungen als die Bestimmung der Empfängerzuständigkeit im EZÜ-Verfahren maßgeblich: Die entsprechenden Gutschriften auf dem Konto der KG seien am 21. Oktober 1999, mithin erst "am Tag der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens" erfolgt. An diesem Tage habe die Beklagte von dem Kläger die Weisung erhalten, die Zahlungen auf das Sonderkonto umzuleiten. Dessen Faxschreiben sei erst um 16.32 Uhr abgesandt worden. Zugunsten der Beklagten sei davon auszugehen, daß ihr bei Vornahme der Buchung die Weisung noch nicht bekannt gewesen sei.

b) Bei einer Gesamtschau der Entscheidungsgründe ergibt sich auf der Grundlage dieser Begründung der Wille des Berufungsgerichts, die Revision auf den zugesprochenen Teil der Klage zu beschränken. Eine hinreichend klare Beschränkung bejaht der Bundesgerichtshof namentlich dann, wenn sich die von dem Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (BGHZ 48, 134, 136; 153, 358, 362; BGH, Urt. v. 16. Januar 1996 - XI ZR 116/95, NJW
1996, 926, 927; Beschl. v. 29. Januar 2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365, 1366).
Das ist hier der Fall. Die Streitfrage, die das Beruf ungsgericht geklärt wissen wollte, ob es nämlich auch im belegfreien Überweisungsverkehr (EZÜVerfahren ) hinsichtlich der Bestimmung des Zahlungsempfängers vorrangig auf die in den Überweisungsaufträgen vermerkte Empfängerbezeichnung ankommt , stellte sich nur hinsichtlich des zugesprochenen Teils der Klage. Die übrigen Überweisungen wiesen nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Schuldnerin als Zahlungsempfängerin aus. Für den von dem Kläger weiterverfolgten Anspruch wegen der von der Beklagten eingezogenen Schecks wurde die Streitfrage aus Sicht des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich, weil nach seiner tatrichterlichen Würdigung die Beklagte bei Vornahme der Buchung die Weisung des Klägers noch nicht erhalten hatte. Es ist deshalb davon auszugehen, daß das Berufungsgericht die Revision nur insoweit zulassen wollte, als sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung wegen der von ihr im EZÜ-Verfahren eingezogenen Beträge wenden würde.

c) Eine Beschränkung mit diesem Inhalt ist zulässig. Es ist m öglich, die Revision hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes zuzulassen, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. BGHZ 101, 276, 278; BGH, Urt. v. 5. November 2003 - VIII ZR 320/02, WM 2004, 853; v. 17. Juni 2004 - VII ZR 226/03, NJW 2004, 3264, 3265). Dies ist hier hinsichtlich des zugesprochenen Teils der Klageforderung ohne Zweifel der Fall.
3. Hat das Berufungsgericht die Revision - wie hier - w irksam mit Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsfrage zugelassen, so wirkt die Zulassung nicht für die Partei, zu deren Gunsten die Rechtsfrage entschieden ist. Dies gilt auch dann, wenn sie das Urteil aus einem völlig anderen Grunde anzugreifen beabsichtigt (BGH, Urt. v. 5. November 2003 - VIII ZR 320/02, aaO). Die Frage der Bestimmung des Zahlungsempfängers im EZÜ-Verfahren hat das Berufungsgericht entsprechend der Auffassung des Klägers in dem Sinne entschieden, daß auf den in dem Überweisungsauftrag genannten Empfangsberechtigten und nicht auf den Inhaber des mitgeteilten Empfängerkontos abzustellen ist. Die von dem Kläger eingelegte Revision ist deshalb unzulässig.

II.


Damit erledigt sich auch die - unselbständige - Anschlußr evision (§ 554 Abs. 4 ZPO). Verliert sie ihre Wirkung dadurch, daß die Revision - wie hier - als unzulässig verworfen wird, sind die Kosten des Revisionsverfahrens verhältnismäßig zu verteilen (BGHZ 80, 146, 147, 149). Dies führt zu der ausgesprochenen Kostenquotelung.
Fischer Kayser Vill
Cierniak Lohmann
21
b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung ist auch wirksam. Denn die Zulassung der Revision kann auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Streitstoffs beschränkt werden, welcher Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger seine Revision beschränken könnte (st. Rspr., z.B. Senatsurteile vom 27. Januar 2010, aaO, Tz. 16; vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 13; jeweils m.w.N.). Insbesondere ist bei einer Entscheidung des Berufungsgerichts über Klage und Widerklage eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Entscheidung über die Klage und damit zugleich eine entsprechend beschränkte Revisionszulassung möglich (Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 543 Rdnr. 11; MünchKomm ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 543 Rdnr. 37 m.w.N.; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 543 Rdnr. 22; vgl. ferner Senatsurteil vom 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02, NJW- RR 2003, 1192, unter II, zur Widerklage). Das gilt auch hier. Die Beklagten hätten ihr Rechtsmittel ohne Weiteres wirksam auf den der Klage zu Grunde liegenden Räumungsausspruch beschränken und die Abweisung ihrer auf einem anderen Streitgegenstand beruhenden und nach Auffassung des Berufungsgerichts von anderen materiell-rechtlichen Voraussetzungen abhängigen Widerklage hinnehmen können.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 128/04 Verkündet am:
10. Mai 2005
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________

a) Die in Computerschrift erfolgte Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des
Prozeßbevollmächtigten unter einer als Computerfax übermittelten Berufungsbegründungsschrift
stellt keine den Anforderungen des § 130 Nr. 6 2. Halbs.
ZPO genügende Wiedergabe der Unterschrift dar.

b) Das Fehlen der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten unter der Berufungsbegründungsschrift
kann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen
, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unterschrift
vergleichbare Gewähr dafür ergibt, daß der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung
für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen und
diese willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat. Dabei sind nur spätestens
bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist dem Berufungsgericht bekannt
gewordene Umstände berücksichtigungsfähig.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2005 - XI ZR 128/04 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 26. Februar 2004 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Be rufung sowie darüber , ob den Klägern wegen einer Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. April 2003 ganz überwiegend abgewiesen. Das Urteil ist den Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 14. April 2003 zugestellt worden. Die Berufung der Kläger ist am 7. Mai 2003 eingegangen, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. August 2003 verlängert worden. Am 18. August 2003, einem Montag, ist beim Berufungsgericht als Computer-Fax eine Berufungsbegründung eingegangen, die eine eingescannte Unterschrift des Prozeß-
bevollmächtigten der Kläger nicht enthält. Der Schriftsatz schließt auf der letzten Seite mit dem in der gleichen Computerschrift geschriebenen Vor- und Nachnamen des Prozeßbevollmächtigten der Kläger sowie der Bezeichnung "Rechtsanwalt". Am 25. August 2003 ist die Berufungsbegründung per Post nochmals beim Berufungsgericht eingegangen, und zwar mit der handschriftlichen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten der Kläger.
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 28. Oktober 2003 , daß die am 18. August 2003 als Fax eingegangene Berufungsbegründungsschrift nicht unterschrieben sei, haben die Kläger am selben Tage vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Kläger machen geltend, zur Fristwahrung reiche die Berufungsbegründungsschrift auch ohne eine eingescannte Unterschrift aus. Aus der Begründungsschrift lasse sich auch so die Urheberschaft des Prozeßbevollmächtigten und sein Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, entnehmen. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages tragen die Kläger vor, daß ihr Prozeßbevollmächtigter die Berufungsbegründungsschrift als Fax um 18.36 Uhr mit allen 26 Seiten versandt habe, und zwar auf der letzten Seite oberhalb der Wiedergabe seines Namens mit seiner eingescannten Unterschrift.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Berufungsgeri cht den Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, die das Berufungsgericht nur beschränkt zugelassen hat.

Entscheidungsgründe:


A.


Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zwar hat das Berufungsgericht im Urteilstenor und in den Entscheidungsgründen die Revision nur zugelassen, "soweit die Berufung als unzulässig verworfen worden ist". Diese Beschränkung der Zulassung der Revision ist aber unzulässig. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGHZ 101, 276, 278 f.; 111, 158, 166, st.Rspr.). Unzulässig ist es hingegen, die Zulassung der Revision auf eine bestimmte Rechtsfrage oder ein Entscheidungselement des Urteils zu beschränken (BGHZ 90, 318, 320; 101, aaO; BGH, Urteil vom 26. März 1982 - V ZR 149/81, NJW 1982, 1535 m.w.Nachw.). Da auch die Frage der Zulässigkeit der Berufung ein solches nicht selbständig anfechtbares Urteilselement darstellt, ist die Beschränkung der Zulassung der Revision auf diese Frage unzulässig (BGH, Urteile vom 6. Mai 1987 - IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264 f. und vom 3. Mai 2001 - XII ZR 62/99, NJW 2001, 2259).
Fehlt es danach an einer wirksamen Beschränkung de r Zulassung, so ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam, die Revision daher unbeschränkt zugelassen (Senatsurteile vom 20. Mai
2003 - XI ZR 248/02, WM 2003, 1370, 1371, vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233, vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1231 und vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 128). Die von den Klägern hinsichtlich der Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist damit gegenstandslos.

B.


Die Revision ist nicht begründet.

I.


Das Berufungsgericht (NJW 2004, 2024) hat im wesent lichen ausgeführt :
Die Berufung sei unzulässig, weil die Kläger sie i nnerhalb der bis zum 18. August 2003 laufenden Berufungsbegründungsfrist nicht wirksam begründet hätten. Wirksamkeitsvoraussetzung hierfür sei eine eingescannte Unterschrift oder zumindest ein Vermerk, daß eine Unterzeichnung wegen der gewählten Übertragungsform nicht erfolgen könne. Die an ein Oberlandesgericht gerichtete Berufungsbegründung bedürfe nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6, § 78 Abs. 1 ZPO grundsätzlich der Unterschrift eines bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalts. Das Erfordernis der Unterschrift solle gewährleisten, daß der Schriftsatz tatsächlich vom Prozeßbevollmächtigten herrühre, dieser für
seinen Inhalt die Verantwortung übernehme und daß der Wille, das Schriftstück in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher festgestellt werden könne. Darauf, ob ohne die Unterschrift in einem dieser drei Punkte Zweifel bestünden, komme es nach der bisherigen Rechtsprechung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht an.
Bei der Einlegung und Begründung von Berufungen du rch Telefax (Telekopie) sei die Übermittlung des unterschriebenen anwaltlichen Schriftsatzes per Kopie erforderlich; dabei reiche die kopierte Unterschrift aus, sei aber auch notwendig. Hier sei die Berufungsbegründung durch ein sogenanntes Computer-Fax erfolgt. Diese Art der Übermittlung bestimmender Schriftsätze sei durch den Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 anerkannt. Danach sei aber erforderlich, daß die Person des Erklärenden dadurch eindeutig bestimmt werde, daß seine Unterschrift in dem Computer -Fax eingescannt oder darin der Hinweis enthalten sei, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne. Auch ein derartiger Hinweis fehle hier. Über diese großzügige Handhabung könne nicht hinausgegangen und deshalb auf die Unterschrift bzw. ein Unterschriftssurrogat nicht völlig verzichtet werden. Insbesondere reiche der in gleicher Schrift wie im Schriftsatz verwendete darunter gesetzte Name des Prozeßbevollmächtigten nicht aus.
Das Berufungsgericht könne aus Gründen der Rechtss icherheit nicht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgen, nach der sich bei Fehlen einer erforderlichen Unterschrift die Erfüllung der Formerfordernisse nach den Umständen des Einzelfalls bestimme. Würde in vorliegendem Fall auf das Erfordernis einer eingescannten Unter-
schrift oder eines Vermerks, daß wegen der Übermittlung in elektronischer Form das Schriftstück nicht unterschrieben werde, verzichtet, so wäre das Unterschriftserfordernis für das Computer-Fax hinfällig, aber auch bei herkömmlich übermittelten Schriftsätzen kaum mehr zu rechtfertigen.
Der Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet. Es se i nicht glaubhaft gemacht, daß ein Bedienungsfehler des Prozeßbevollmächtigten der Kläger als Ursache für das Fehlen der eingescannten Unterschrift ausscheide.

II.


Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Übe rprüfung im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen, weil die Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht wirksam begründet worden ist (1.). Auch die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist rechtlich nicht zu beanstanden (2.).
1. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgeri chtshofes und vor ihm schon des Reichsgerichts (RGZ 31, 375, 377; 151, 82, 83; BGHZ 37, 156, 157; 92, 251, 255 f.; 97, 283, 284 f.) muß die Berufungsbegründung als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich Zeichnenden tragen. Die Unterschrift ist grundsätzlich Wirksamkeitserfordernis. Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schrift-
lichen Prozeßhandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BGHZ 37, 156, 157; 75, 340, 349; 97, 283, 285). Das letztgenannte Erfordernis soll sicherstellen , daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (BGHZ 75, 340, 349; 144, 160, 162). Für den Anwaltsprozeß bedeutet dies, daß die Berufungsbegründung von einem dazu Bevollmächtigten und bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfaßt, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muß (BGHZ 97, 251, 253 f.; BGH, Urteile vom 29. Oktober 1997 - VIII ZR 141/97, NJW-RR 1998, 574 und vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028).

b) Hat die Rechtsprechung bisher grundsätzlich für bestimmende fristwahrende Schriftsätze zur Sicherstellung dieser prozeßrechtlichen Anforderungen die handschriftliche Unterschriftsleistung des Berechtigten verlangt, so sind doch hiervon vor allem im Hinblick auf den technischen Fortschritt in einem erheblichen Umfang Ausnahmen zugelassen worden. So hat die Rechtsprechung bereits früh die Übermittlung einer Rechtsmittelschrift und anderer bestimmender Schriftsätze durch ein Telegramm oder mittels Fernschreiben für zulässig erachtet (vgl. die Nachweise bei BGHZ 144, 160, 162 ff.). Auch die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig (vgl. BGHZ 144, 160, 164 m.w.Nachw.). Für eine - wie hier - durch Computer-Fax übermittelte Berufungsbegründung hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes am 5. April 2000 entschieden (BGHZ 144, 160), daß in Prozessen mit Vertretungszwang be-
stimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden können. Zur Begründung hat er ausgeführt (aaO S. 165), der Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verläßlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, könne auch im Falle einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Entspreche ein bestimmender Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anforderungen , so sei die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, daß seine Unterschrift eingescannt oder der Hinweis angebracht sei, daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne.

c) Nach § 130 Nr. 6 1. Halbs. ZPO sollen die vorbe reitenden Schriftsätze die Unterschrift der Person enthalten, die den Schriftsatz verantwortet. Halbs. 2 dieser von der Rechtsprechung für bestimmende Schriftsätze stets als zwingend angesehenen Vorschrift fordert bei Übermittlung durch einen Telefax-Dienst (Telekopie) "die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie". Der Wortlaut des § 130 Nr. 6 ZPO beruht auf der Neufassung durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I S. 1542). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz (BTDrucks. 14/4987, S. 23) ist eine Korrektur der Rechtsprechung zum Unterschriftserfordernis nicht beabsichtigt; dies sei im Hinblick auf die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 nicht geboten. In der Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/4987, S. 43 f.) zur Stellungnahme des Bundesrates werden Inhalt und Begründung des Beschlusses des Ge-
meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 ausführlich wiedergegeben. Wenn der Gesetzgeber dann in der Neufassung des § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO in Kenntnis dieser Rechtsprechung und der technischen Entwicklung für den Fall der Übermittlung eines Schriftsatzes durch ein Telefax ausdrücklich "die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie" verlangt, spricht angesichts des eindeutigen Gesetzestextes sehr viel dafür, daß die vom Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes für den Fall eines ComputerFaxes für zulässig gehaltene Ersetzung der Unterschrift durch den Hinweis , daß der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen könne, nicht mehr als zulässig angesehen werden kann (so Musielak/Stadler, ZPO 4. Aufl. § 129 Rdn. 11; Stein/Jonas/ Leipold, ZPO 22. Aufl. § 130 Rdn. 49; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht 16. Aufl. § 65 Rdn. 14; Hannich/Meyer-Seitz/Schwartze, ZPO-Reform 2002 § 130 Rdn. 5 (S. 336); Krüger/Bütter MDR 2003, S. 181, 182). Dafür spricht auch, daß die Unterschrift beim ComputerFax ohne nennenswerte Schwierigkeiten eingescannt werden kann, so daß kein überzeugender Grund besteht, darauf entgegen dem Gesetzeswortlaut zu verzichten.
Diese Frage bedarf jedoch vorliegend keiner abschl ießenden Entscheidung. Weder enthält das am Abend des 18. August 2003 übermittelte Computer-Fax einen Hinweis, daß eine Unterschrift wegen der gewählten Übertragungsform nicht möglich sei, noch beabsichtigte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger, der Berufungsbegründung einen derartigen Hinweis beizufügen. Vielmehr hat er nach eigenen Angaben versucht , das Computer-Fax mit seiner eingescannten Unterschrift zu übermitteln.

Die Wiedergabe des Vor- und Nachnamens des Prozeßb evollmächtigten der Kläger mit der daruntergesetzten Bezeichnung "Rechtsanwalt" am Ende des Computer-Faxes genügt als solche nicht den Anforderungen des § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO. Diese Bestimmung fordert nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie, also des handschriftlichen Namenszuges. Dem entspricht eine maschinen- oder computerschriftliche "Unterzeichnung" nicht (Stein/ Jonas/Leipold, aaO § 130 Rdn. 48). Sofern der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes diesbezüglich eine andere Auffassung zu entnehmen sein sollte, genügt die Wiedergabe des Namens in Druckbuchstaben jedenfalls nach der Neufassung des § 130 Nr. 6 ZPO nicht mehr (Musielak/Stadler, aaO § 129 Rdn. 11; Dästner NJW 2001, 3469, 3470 Fn. 10; Krüger/Bütter, aaO).

d) aa) Stellt somit die eigenhändige Unterschrift eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine unerläßliche Wirksamkeitsvoraussetzung für fristwahrende bestimmende Schriftsätze im Anwaltsprozeß dar, so sind jedoch auch von diesem Grundsatz Ausnahmen möglich. Das Erfordernis der Schriftlichkeit ist nämlich kein Selbstzweck (vgl. BGHZ 97, 283, 285). Es soll, wie der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in seiner Entscheidung vom 30. April 1979 (BGHZ 75, 340, 348 f.) dargelegt hat, gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht , hinreichend zuverlässig entnommen werden können; außerdem muß feststehen, daß es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern daß es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Deshalb kann das Fehlen einer Unter-
schrift bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen.
Das ist - was das Berufungsgericht verkannt hat - nicht nur ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 10, 1, 2; 81, 32, 36 f.; BVerwG NJW 1995, 2121, 2122; 2003, 1544), des Bundessozialgerichts (BSG NJW 1997, 1254, 1255; 2001, 2492, 2493), des Bundesfinanzhofs (BFHE 111, 278, 285; 148, 205, 207 f.; BFH, BFH/NV 2000, 1224) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG NJW 1979, 183), sondern - ungeachtet bestehender Unterschiede der verschiedenen Verfahrensordnungen - grundsätzlich auch des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 24, 179, 180; 37, 156, 160; 97, 251, 254; BGH, Beschluß vom 9. Dezember 2003 - VI ZB 46/03, BGH-Report 2004, 406). So hat der Bundesgerichthof mit Beschluß vom 3. Mai 1957 (BGHZ 24, 179, 180) entschieden, daß der Mangel der Unterschrift in dem als Urschrift der Berufung gedachten Schriftsatz durch die gleichzeitig eingereichte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes behoben wird, auf der der Beglaubigungsvermerk von dem Prozeßbevollmächtigten handschriftlich vollzogen worden ist. In einer anderen Entscheidung (BGHZ 97, 251, 254) hat der Bundesgerichtshof das Fehlen einer Unterschrift auf der Berufungsbegründung für unschädlich erachtet, wenn auch ohne die Unterschrift des Rechtsmittelanwalts aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen, zweifelsfrei feststeht, daß der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen hat, und letzteres in einem Fall bejaht, in dem die Berufungsbegründungsschrift fest mit einem von dem Rechtsanwalt unter-
zeichneten Begleitschreiben verbunden war (vgl. auch BGHZ 37, 156, 160). Und mit Beschluß vom 9. Dezember 2003 (VI ZB 46/03, BGHReport 2004, 406) hat der Bundesgerichtshof für den Fall des Fehlens einer Unterschrift unter einer Berufungsbegründungsschrift entschieden, daß sich zumindest aus den Umständen eindeutig ergeben müsse, daß der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Begründungsschrift übernommen habe. Ob entsprechende Anforderungen bei einem Computer-Fax eines Klägers gegeben sind, das mit dem Satz endet "Dieser Brief wurde maschinell erstellt, wird nicht eigenhändig unterschrieben" (so BSG NJW 1997, 1254 f.), bedarf keiner Entscheidung, da es hier an einem solchen Hinweis fehlt. Eine Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ist deshalb im Hinblick auf die angeblich abweichende Entscheidung des Bundessozialgerichts entgegen der Ansicht der Revision nicht veranlaßt, zumal der hier maßgebliche § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO über die Anforderungen an eine Telekopie erst nach der zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts in die Zivilprozeßordnung eingefügt worden ist.
bb) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes zur ausnahmsweisen Wirksamkeit nicht unterzeichneter Rechtsmittelbegründungsschriften trägt dem Anspruch der Prozeßbeteiligten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie ihren Rechten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung, die es verbieten, den Zugang zur jeweiligen nächsten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 40, 272, 274 f.; 41, 23, 26; 41, 323, 326 f.; 44, 302, 305 f.; 74, 228, 234; 77, 275, 284; 110, 339, 342). An die Beachtung formeller
Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Rechtsschutzbegehrens dürfen aus diesem Grund keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG NJW 2002, 3534).
cc) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben h ier die Umstände im Zusammenhang mit der Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift nicht eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft des Prozeßbevollmächtigten der Kläger sowie seinen Willen, für ihren Inhalt die Verantwortung zu übernehmen und sie an das Berufungsgericht zu übermitteln. Die Tatsache, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger bereits rechtzeitig Berufung gegen das landgerichtliche Urteil eingelegt hat, reicht hierfür ebensowenig aus wie der gedruckte Briefkopf auf dem Begründungsschriftsatz; beides bietet keine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür, daß das Schriftstück von einer beim Berufungsgericht postulationsfähigen Person stammt und mit deren Willen in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. BVerwG NJW 2003, 1544). Auch der Umstand, daß nach Fristablauf beim Berufungsgericht ein mit dem Computer-Fax seinem Inhalt und seiner Form nach gleicher und von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger persönlich unterschriebener Begründungsschriftsatz eingegangen ist, reicht insoweit nicht aus (vgl. BVerwG Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 16), da nur spätestens bei Ablauf der Begründungsfrist bekannt gewordene Umstände berücksichtigungsfähig sind (BVerwG NJW 2003, 1544).
Der am Ende des Computer-Faxes mit dem Zusatz "Rec htsanwalt" wiedergegebene Vor- und Nachname des Prozeßbevollmächtigten der Kläger bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr dafür, daß dieser die Verantwortung für die Berufungsbegründung übernommen und diese wil-
lentlich an das Berufungsgericht übermittelt hat. Rechtsmittelbegründungsschriften müssen nicht von einem am Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt gefertigt sein. Sie werden in der Praxis vielfach von Korrespondenzanwälten, wissenschaftlichen Mitarbeitern oder nicht am Rechtsmittelgericht zugelassenen Sozien unterschriftsreif vorbereitet. Dem Umstand, daß unter der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle der Name eines Rechtsanwalts vermerkt ist, ist daher nicht ausreichend sicher zu entnehmen, daß der Entwurf von diesem Rechtsanwalt verfaßt worden ist, sondern kann auch bedeuten, daß der tatsächliche Verfasser die eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts des bestimmenden Schriftsatzes und seine Unterzeichnung durch den namentlich genannten Rechtsanwalt vorgesehen hat. Ob dieser für den Inhalt des Schriftsatzes bereits die Verantwortung übernommen hat, ist danach in Fällen wie hier völlig offen.
Entgegen der Auffassung der Revision kann auch dem Umstand, daß das Computer-Fax dem Berufungsgericht am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist übermittelt worden ist, nicht mit einer für den Anwaltsprozeß erforderlichen Sicherheit entnommen werden, daß es sich dabei nicht um einen bloßen Entwurf handelte. Allein der Zeitpunkt der Übermittlung eines nicht unterzeichneten bestimmenden Schriftsatzes sagt für sich genommen noch nichts darüber aus, ob er von einem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt verantwortet wird. Gerade der drohende Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist kann einem nicht postulationsfähigen Verfasser der Rechtsmittelbegründung vielmehr Veranlassung geben, zur Fristwahrung einen Schriftsatz zu übermitteln, den der namentlich genannte Rechtsanwalt noch nicht eigenverantwortlich geprüft hat. Daß der Inhalt der als Computer-
Fax übermittelten Berufungsbegründung von dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger verantwortet und von ihm bewußt in den Verkehr gebracht worden ist, läßt sich danach hier mit der erforderlichen Sicherheit nicht feststellen.
2. Auch die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist greift die Revision ohne Erfolg an. Das Berufungsgericht hat einen Fehler am Empfangsgerät des Oberlandesgerichts als fernliegend angesehen und ausgeführt , es komme entweder ein technischer Fehler im Sendegerät oder aber ein vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger verschuldeter Bedienungsfehler als Ursache für das Fehlen einer eingescannten Unterschrift in dem Computer-Fax in Betracht. Es sei aber nicht glaubhaft gemacht, daß ein Bedienungsfehler des Prozeßbevollmächtigten als Ursache für das Fehlen der eingescannten Unterschrift ausscheide. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten ist einer Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann danach nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen die Möglichkeit offenbleibt, daß die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten verschuldet war (BGH, Beschlüsse vom 26. September 1991 - I ZB 12/91, NJW 1992, 574, 575, vom 18. Oktober 1995 - I ZB 15/95, NJW 1996, 319 und vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 10/04, NJW-RR 2005, 143, 145).
Zu Recht hat das Berufungsgericht hier einen Bedie nungsfehler des Prozeßbevollmächtigten der Kläger, der dazu geführt hat, daß das Fax ohne eingescannte Unterschrift übermittelt worden ist, nicht als ausgeschlossen angesehen. Der Prozeßbevollmächtigte einer Partei hat mit der Bedienung technischer Geräte, die er selbst zur Übermittlung bestimmender Schriftsätze einsetzt, soweit vertraut zu sein, daß die Übermittlung in der Form sichergestellt ist, die von § 130 Nr. 6 2. Halbs. ZPO vorgeschrieben ist. Daß das Berufungsgericht es als glaubhaft gemacht angesehen hat, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger weder bei der Übermittlung noch später einen Bedienungsfehler bemerkt hat, schließt einen verschuldeten Bedienungsfehler nicht aus. Das Berufungsgericht weist insoweit zu Recht darauf hin, daß Bedienungsfehler am Computer unbemerkt bleiben können. Damit hat das Berufungsgericht die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.

III.


Die Revision der Kläger konnte danach keinen Erfol g haben und war deshalb zurückzuweisen.
Nobbe Richter am Bundes- Joeres gerichtsh of Dr. Müller ist wegen Urlaubs gehindert , seine Unterschrift b eizufügen. Nobbe Wassermann Mayen
8
a) Die Regelung des § 51b BRAO ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB weiter anzuwenden, falls der primäre Schadensersatzanspruch vor dem 15. Dezember 2004 entstanden ist. Bestimmt sich die Verjährung des Primäranspruchs nach § 51b BRAO, so gilt diese Vorschrift auch für den Sekundäranspruch, weil er lediglich ein Hilfsrecht und unselbständiges Nebenrecht des primären Regressanspruchs bildet (vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946, 948 Rn. 30, 33; Zugehör in: Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1265; Fahrendorf in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 947; Mansel/Budzikiewicz NJW 2005, 321, 325 f).
6
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass sich der Beginn der Verjährung der geltend gemachten Ansprüche des Klägers gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2, Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB nach § 51b BRAO richtet, der mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehoben worden ist (Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004, BGBl. I S. 3214). Maßgeblich ist danach der Zeitpunkt, in dem der Anspruch entstanden ist. Dies war am 1. Januar 2001 der Fall, weil die Vergütungsansprüche des Klägers, mit deren Durchsetzung er die Beklagten be- auftragt hatte, mit Ablauf des 31. Dezember 2000 verjährt waren (§ 196 Abs. 1 Nr. 1, § 198 Satz 1, § 201 BGB a.F.) und damit dem Kläger ein Schaden entstanden war. Die Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 51b BRAO a.F. wäre am 31. Dezember 2003 abgelaufen. Sie wurde jedoch durch die im Vorprozess gegen den Bauherrn im Jahr 2002 erklärte Streitverkündung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB). Die Hemmung endete mit Ablauf des 18. Oktober 2003, sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung des Vorprozesses (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB). Da der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (§ 209 BGB), kommt es für die Frage, ob die am 13. Dezember 2004 eingereichte Klage die Verjährung erneut hemmen konnte, entscheidend darauf an, ob die durch die Streitverkündung bewirkte Hemmung der Verjährung erst mit der Zustellung der Streitverkündungsschrift an die Beklagten am 13. November 2002 oder - wegen § 167 ZPO - bereits mit deren Einreichung bei Gericht am 25. Oktober 2002 begann. Im ersten Fall endete die um die Zeit der Hemmung (340 Tage) verlängerte Verjährungsfrist am 5. Dezember 2004, im zweiten Fall am 24. Dezember 2004 (Dauer der Hemmung 359 Tage).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 26/09
Verkündet am:
23. September 2010
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der mit der Anmeldung von Umsatzsteuer aus dem Betrieb von Geldspielautomaten
betraute Steuerberater braucht den Mandanten auf eine etwaige Gemeinschaftswidrigkeit
der Besteuerung erst hinzuweisen, sobald der Bundesfinanzhof dahin lautende
Bedenken in einer Entscheidung, die dem Steuerberater bekannt sein muss, äußert.
Ein Steuerberater braucht eine nicht mit einem Leitsatz versehene Entscheidung des
Bundesfinanzhofs, die lediglich in einer nicht amtlichen Entscheidungssammlung,
aber in keiner der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften abgedruckt wurde,
vorbehaltlich anderer Hinweise nicht zu kennen.
Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Versäumt es der Steuerberater, im Anschluss an die beratungsfehlerfreie Abgabe
von Jahresumsatzsteueranmeldungen auf eine danach bekannt gewordene Rechtsprechungsänderung
durch einen Antrag auf Neufestsetzung zu reagieren, so beginnt
die Verjährung eines Ersatzanspruchs des Mandanten erst mit dem Ende der
Festsetzungsfrist zu laufen.
BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09 - OLG Koblenz
LGMainz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
20. Mai 2009 durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape
und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. Januar 2009 und der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 9. Mai 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die mit der Klage für die Steuerjahre 1997 bis 2000 geltend gemachten Schadensersatzansprüche abgewiesen wurden.
Im Umfang der Aufhebung wird der Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Wegen der Anspruchshöhe und der Kosten des Rechtsstreits wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger betraute die beklagte Steuerberatungsgesellschaft im Rahmen eines bis Januar 2004 andauernden Mandats mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Angelegenheiten. Die Beklagte gab für von dem Kläger in den Jahren 1995 bis 2000 aus dem Betrieb von Geldspielautomaten erzielte Umsätze bei dem Finanzamt Umsatzsteuerjahreserklärungen ab. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1995 ging am 11. Februar 1997, die für das Jahr 1996 am 9. Januar 1998, die für das Jahr 1997 am 25. Januar 1999, die für das Jahr 1998 am 13. März 2000, die für das Jahr 1999 am 20. Oktober 2000 und die für das Jahr 2000 am 12. April 2002 bei dem Finanzamt ein. Aufgrund einer im Jahre 2003 durchgeführten Betriebsprüfung setzte das Finanzamt unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gegen den Kläger jeweils mit Bescheid vom 29. Oktober 2003 für die Jahre 1998 bis 2000 die Umsatzsteuer fest.
2
Mit der am 27. Dezember 2005 eingereichten und am 14. Januar 2006 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte, die sich auf die Einrede der Verjährung beruft, wegen der für die Jahre 1995 bis 2000 entrichteten Umsatzsteuer auf Schadensersatzleistung von 32.929,41 € in Anspruch. Er meint, die Beklagte habe bereits ab dem Jahr 1995 erkennen müssen, dass Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten nach dem Gemeinschaftsrecht nicht umsatzsteuerpflichtig seien und die dieser Wertung entgegenstehende deutsche Gesetzeslage keinen Bestand haben werde. Die Klage hatte in den Vorinstanzen lediglich in Höhe eines Betrages von 1.236,62 € Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision ist unbegründet, soweit der Kläger im Blick auf die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1995 und 1996 Schadensersatz verlangt. Die weitergehende, die Jahre 1997 bis 2000 betreffende Revision hat hingegen Erfolg. Insoweit führt sie zum Erlass eines Grundurteils (§ 304 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht, das auf der Grundlage ergänzender Feststellungen über die Schadenshöhe zu entscheiden hat.

I.


4
Berufungsgericht Das hat ausgeführt: Die Beklagte habe keine Beratungspflicht verletzt, weil die Handhabung der steuerlichen Angelegenheiten des Klägers der damaligen Gesetzeslage entsprochen habe. Das FG Münster habe in einem Beschluss vom 15. September 2000 (5 V 4286/00, EFG 2001, 394) die Auffassung vertreten, es sei unzweifelhaft, dass aus in Gaststätten und Spielhallen aufgestellten Geldspielautomaten erzielte Umsätze nicht unter die Befreiungsregelung des § 4 Nr. 9 lit. b UstG fielen. Abweichende Auffassungen des Schrifttums habe der Berater bei Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht berücksichtigen müssen. Erst nach dem Anfang des Jahres 2001 bekannt gewordenen Inhalt der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (V B 187/00) sei es als ernsthaft zweifelhaft zu beurteilen gewesen, ob Umsätze aus Geldspielautomaten besteuert werden dürften. Darum sei eine Pflichtverletzung der Beklagten in den Jahren 1995 bis 2000 nicht gegeben. Ferner habe keine Möglichkeit bestanden, die Finanzbehörden auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 zum Aufgreifen bereits bestandskräftig abgeschlossener Verfahren zu veranlassen.

5
Überdies seien Schadensersatzansprüche des Klägers nach der hier noch anwendbaren Regelung des § 68 StBerG a.F. verjährt. Die Verjährung habe mit der Einreichung der Steueranmeldungen bei dem Finanzamt zu laufen begonnen. Die Voraussetzungen eines Sekundäranspruchs seien nicht gegeben. Eine erneute Pflichtverletzung könne nur angenommen werden, wenn während des Laufs der Verjährungsfrist und vor Beendigung des Auftrags ein begründeter Anlass zur Belehrung eingetreten und diese dennoch unterblieben sei. Eine fehlerhafte Erklärungspraxis biete nicht ohne weiteres Anlass, über eine auf dem nämlichen Fehler beruhende Haftung zu belehren. Ein Anlass zur Belehrung habe sich erst mit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aus dem Jahre 2005 ergeben. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die Primärverjährung abgelaufen und das Mandat bereits beendet gewesen.

II.


6
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben überwiegend Erfolg.
7
1. Soweit es um die Abgabe der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1995 bis 2000 geht, scheidet ein Beratungsfehler der Beklagten aus. Zum Zeitpunkt der Einreichung sämtlicher Umsatzsteueranmeldungen war für die Beklagte noch kein begründeter Anhalt dafür gegeben, dass die von dem Kläger erzielten Umsätze infolge einer sich abzeichnenden Gemeinschaftswidrigkeit von § 4 Nr. 9 lit. b UStG in der seinerzeit maßgeblichen Fassung nicht der Umsatzsteuer unterliegen könnten.

8
Wegen a) der richtungweisenden Bedeutung, die höchstrichterlichen Entscheidungen für die Rechtswirklichkeit zukommt, hat sich der Berater bei der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme. Hierbei darf der Berater in der Regel auf deren Fortbestand vertrauen, weil von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen abgewichen zu werden pflegt (BGHZ 178, 258, 262 Rn. 9 m.w.N.). Ebenso darf ein Steuerberater grundsätzlich auf die Verfassungsmäßigkeit des von der Steuerverwaltung angewendeten Steuergesetzes vertrauen. Die Verwaltung hat Gesetze trotz bestehender Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit anzuwenden. Gleiches gilt für die mit dem Steuerfall befassten Gerichte. Erst wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm überzeugt ist, hat es das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen; bloße verfassungsrechtliche Zweifel berechtigen noch nicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BGHZ 178, 258, 263 Rn. 12). Danach kann sich nur ausnahmsweise die Pflicht ergeben, auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit eines bislang als verfassungsgemäß behandelten Steuergesetzes hinzuweisen (BGHZ 178, 258, 263 Rn. 13). Der Steuerberater , der mit der Prüfung eines Steuerbescheides beauftragt ist, muss mit seinem Mandanten die Möglichkeit eines Einspruchs wegen möglicher Verfassungswidrigkeit des anzuwendenden Steuergesetzes nicht erörtern, so lange keine entsprechende Vorlage eines Finanzgerichts an das Bundesverfassungsgericht veröffentlicht ist oder sich ein gleich starker Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung aus anderen Umständen, insbesondere einer in ähnlichem Zusammenhang ergangenen, im Bundessteuerblatt veröffentlich- ten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt (BGHZ 178, 258, 264 Rn. 15).
9
b) Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, der die Gemeinschaftswidrigkeit einer Steuernorm betrifft, trotz abweichender Vorlagevoraussetzungen entsprechend anzuwenden. Bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit des innerstaatlichen mit dem Gemeinschaftsrecht und versäumt das letztinstanzlich befasste Gericht das gemäß dem hier noch anzuwendenden Art. 234 Abs. 3 EGV gebotene Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, kann der Betroffene mit einer Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG die Vorlage erzwingen (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09, ZIP 2010, 642 f Rn. 14 ff). Da der Beklagten bei Einreichung der letzten die Jahre 1995 bis 2000 betreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung vom 12. April 2002 noch nicht die Möglichkeit einer Gemeinschaftswidrigkeit der maßgeblichen Regelung des § 4 Nr. 9 lit. b UStG bekannt sein musste, kann ihr im Zusammenhang mit der Abgabe sämtlicher Umsatzsteuerjahreserklärungen ein Beratungsfehler nicht angelastet werden.
10
aa) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat durch Urteil vom 11. Juni 1998 (C 283/95, RIW 1998, 644) entschieden, dass ein Mitgliedstaat unerlaubtes Glücksspiel nicht der Umsatzsteuer unterwerfen darf, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels - konkret ging es um Roulette - durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist. Danach verbietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität bei der Erhebung der Umsatzsteuer eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten Umsätzen und unerlaubten Geschäften. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beschluss vom 30. November 2000 (V B 187/00, BFH/NV 2001, 657) im Rahmen eines Antrags auf Ausset- zung der sofortigen Vollziehung die Besteuerung von Umsätzen aus Geldspielautomaten generell als ernstlich zweifelhaft erachtet. Zur Begründung hat er ausgeführt (aaO, S. 658), dass es mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität unvereinbar sein könnte, für die Besteuerung von Geldspielautomatenumsätzen danach zu unterscheiden, ob sie in und von öffentlich zugelassenen Spielbanken ausgeführt werden oder nicht. Ferner bedürfe es der Prüfung, ob das für die Mitgliedstaaten geltende Verbot, die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels der Umsatzsteuer zu unterwerfen, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist, nicht erst Recht auch für erlaubte Veranstaltungen eines Glücksspiels gelten müsse. Auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (V R 7/02, BFHE 200, 149) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil vom 17. Februar 2005 (C 453/02 und 462/02, EuZW 2005, 210) erkannt, dass das Gemeinschaftsrecht nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht gilt. Daran anknüpfend hat der Bundesfinanzhof durch Urteil vom 12. Mai 2005 (V R 7/02, BFHE 210, 164) entschieden, dass sich ein Aufsteller von Geldspielautomaten auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B lit. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen kann, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 lit. b UStG keine Anwendung findet.
11
bb) Bei dieser Sachlage kann in der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen durch die Beklagte für die Jahre 1995 bis 1999 ein Beratungsfehler nicht erblickt werden. Die Beklagte hat die Umsatzsteuerjahreserklärungen der Jahre 1995 bis 1999 - für das letztgenannte Jahr am 20. Oktober 2000 - jeweils vor Erlass des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) abgegeben, wo vor dem Hintergrund der Steuerfreiheit in Spielbanken veranstalteten Automatenglücksspiels erstmals Bedenken gegen die Zulässigkeit der Besteuerung außerhalb von Spielbanken veranstalteter erlaubter Automatenglücksspiele geäußert worden waren. Bis dahin brauchte die Beklagte selbständige Rückschlüsse darauf, dass die Besteuerung auch des erlaubten Glückspiels mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sein könnte, nicht zu ziehen.
12
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hatte im Urteil vom 5. Mai 1994 (C 38/93) gegen die Umsatzsteuerpflicht von in Gaststätten mit Geldspielautomaten erzielten Umsätzen keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken erhoben (BStBl II 1994, 548). Hinweise für die generelle Unzulässigkeit einer Besteuerung dieser Umsätze konnten auch nicht seinem Urteil vom 11. Juni 1998 entnommen werden, das lediglich die Freistellung des verbotenen Glücksspiels von der Umsatzsteuerpflicht anordnete, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei war. Die Entscheidung behielt den Mitgliedstaaten ausdrücklich vor, die Bedingungen und Grenzen einer Befreiung des erlaubten Glücksspiels von der Umsatzsteuer festzulegen (aaO, S. 645 Rn. 25). Die in dem Verfahren von der Kommission vertretene Auffassung, dass kein absolutes Verbot der Besteuerung von Glücksspielen bestehe, wurde von dem Gerichtshof nicht beanstandet (aaO, Rn. 26; Lausterer UR 1998, 361, 364). Demzufolge war der Gerichtshof in der Entscheidung aus dem Jahre 1998 lediglich einer Differenzierung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Glücksspiel entgegengetreten und hatte daraus gefolgert, dass eine Steuerbefreiung nicht allein erlaubtem Glücksspiel vorbehalten werden dürfe (aaO S. 645 Rn. 28; ebenso BGH, Beschl. v. 17. August 1998 - 5 StR 59/97, HFR 1999, 410).

13
Die ausschließlich auf das unerlaubte Glückspiel bezogenen Ausführungen im Urteil vom 11. Juni 1998 waren mithin für die vorliegende Gestaltung eines erlaubten Glückspiels nicht einschlägig. Zwar mag es bei einer rückschauenden Bewertung naheliegen, die Entscheidung bereits im Sinne der Umsatzsteuerfreiheit auch des erlaubten Glückspiels zu deuten (vgl. EuGH, Urt. v. 17. Februar 2005, aaO S. 211 Rn. 28; dagegen aber etwa Birk/Jahndorf UR 2002, 289, 294). Diese Schlussfolgerung hatte aber seinerzeit der Gerichtshof selbst nicht gezogen, weil er nicht etwa eine bestehende generelle umsatzsteuerrechtliche Privilegierung des erlaubten auf das unerlaubte Glückspiel erstreckt hatte. Vielmehr hatte er aus der im konkreten Einzelfall gegebenen Umsatzsteuerfreiheit des in Spielbanken ausgeübten erlaubten auch die Umsatzsteuerfreiheit eines gleichartigen unerlaubten Glücksspiels hergeleitet. Er war aber gerade nicht davon ausgegangen, dass infolge der Umsatzsteuerfreiheit von in Spielbanken ausgeübtem Glücksspiel außerhalb veranstaltete gleichartige erlaubte Glücksspiele ebenfalls nicht umsatzsteuerpflichtig sind und diese Vergünstigung mithin auch dem unerlaubten Glücksspiel zustatten kommt. Mithin hatte er insbesondere nicht die Forderung erhoben, erlaubtes Glücksspiel, soweit es dem in Spielbanken veranstalteten Glücksspiel entspricht, allgemein von der Umsatzsteuerpflicht zu entbinden.
14
(2) Vor diesem Hintergrund konnten nach deutschem Recht ohne Widerspruch zu dem Urteil vom 11. Juni 1998 weiterhin erlaubte Glücksspiele, die weder der Rennwett- und Lotteriesteuer noch der Spielbankenabgabe unterlagen , nach § 4 Nr. 9 lit. b UStG der Umsatzsteuer unterworfen werden (vgl. Rau/ Dürrwächter/Klenk, UStG 8. Aufl. Lieferung September 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 173). Dies entsprach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, den Spielvorgang entweder mit Rennwett- und Lotteriesteuer bzw. der Spielbankenabgabe oder Umsatzsteuer zu belegen (Offerhaus/van Nahmen, UStG 129. Erg.-Lieferung, Juni 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 51; Dziadkowski UVR 1998, 289, 293). Umsätze aus erlaubtem Glücksspiel waren aus dieser Warte nicht deswegen von der Umsatzsteuer auszunehmen, weil solche Umsätze steuerfrei in einer Spielbank ausgeführt werden konnten (FG Münster, Beschl. v. 15. September 2000 - 5 V 4286/00, EFG 2001, 394, 395). Dem Gesetzgeber wurde als Folgerung aus dem Urteil vom 11. Juni 1998 lediglich empfohlen, die allein im Blick auf unerlaubtes Glücksspiel entstandene Gesetzeslücke durch dessen Einbeziehung in die Rennwett- und Lotteriesteuer zu schließen (Offerhaus/van Nahmen, aaO § 4 Nr. 9 Rn. 54; vgl. auch EuGH, Urt. v. 11. Juni 1998, aaO S. 645 Rn. 30).
15
(3) In Einklang mit den vorstehenden Erwägungen war das Urteil vom 11. Juni 1998 in den einschlägigen Erläuterungswerken lediglich dahin verstanden worden, dass die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels unter die Steuerbefreiung fällt, die einem erlaubten Glücksspiel zuteil wird (Bunjes /Geist/Heidner, UStG 6. Aufl. 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 15; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch Lieferung 21. Oktober 1999 Rn. 338.5; ders.; aaO Lieferung 23. März 2000 Rn. 338.11; Offerhaus/van Nahmen, aaO § 4 Nr. 9 Rn. 52 ff.; Sölch/Ringleb/Mößlang UStG EL 43 Januar 2000 § 4 Rn. 30; ders., aaO EL 44 September 2000). In einem Besprechungsaufsatz wurde die Entscheidung in dem Sinne interpretiert, dass die Mitgliedstaaten weiter berechtigt seien, auf bestimmte Formen des Glücksspiels Umsatzsteuer zu erheben, jedoch eine dem erlaubten Glücksspiel vorbehaltene Steuerbefreiung auch dem unerlaubten Glücksspiel zugute kommen müsse (Lausterer, aaO). Weitergehende Überlegungen zur Umsatzsteuerfreiheit des erlaubten Glücksspiels sind auf der Grundlage des Urteils vom 11. Juni 1998 in Schrifttum und Rechtsprechung bis zum Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000, der seine rechtlichen Zweifel an der Vereinbarkeit der Umsatzsteuerpflicht des Glücksspiels mit dem Gemeinschaftsrecht durch keinerlei Rechtsprechungsund Schrifttumsnachweise unterlegt, nicht angestellt worden. Insbesondere ist nicht die Auffassung vertreten worden, dass infolge der Umsatzsteuerfreiheit der Spielbanken in anderem Rahmen veranstaltete gleichartige erlaubte Glücksspiele von der Umsatzsteuer zu entbinden sind. Eine auch nur in Ansätzen in die Richtung der späteren Rechtsentwicklung weisende wissenschaftliche Diskussion hatte sich bis zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1999 durch die Beklagte am 20. Oktober 2000 nicht herausgebildet. Auch die Revision vermag entsprechende Stellungnahmen nicht aufzuzeigen. Mithin kann der Beklagten die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1995 bis 1999 nicht als Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden.
16
c) Auch die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2000 durch die Beklagte am 12. April 2002 stellt keinen Beratungsfehler dar, weil der Beklagten die lediglich vereinzelt veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO), nach deren Inhalt die Steuerpflicht von Umsätzen aus Glückspiel ernsthaften gemeinschaftsrechtlichen Bedenken ausgesetzt war, nicht bekannt sein musste.
17
aa) Der Rechtsberater hat seine Tätigkeit für den Mandanten in erster Linie an der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten; denn diese hat richtungweisende Bedeutung für Entwicklung und Anwendung des Rechts. Der Berater muss sich deshalb über die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur anhand der amtlichen Sammlungen, sondern auch der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten. Strengere Anforderungen sind jedoch zu stellen, wenn ein Rechtsgebiet ersichtlich in der Entwicklung begriffen und (weitere) höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist. Dann muss ein Berater, der eine Angelegenheit aus diesem Bereich zu bearbeiten hat, auch Spezialzeitschriften in angemessener Zeit durchsehen (BGH, Urt. v. 21. September 2000 - IX ZR 127/99, WM 2000, 2431, 2435).
18
bb) Danach kann aus der Nichtberücksichtigung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) ein Beratungsfehler nicht hergeleitet werden.
19
(1) Im Streitfall können bereits im Ausgangspunkt keine gesteigerten Anforderungen an die Beobachtungs- und Recherchierungspflicht der Beklagten gestellt werden, weil die Rechtslage nach Ablauf von mehr als zwei Jahren seit der letzten diesen Bereich betreffenden Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urt. v. 11. Juni 1998, aaO) keine besonderen Entwicklungstendenzen erkennen ließ und neue höchstrichterliche Rechtsprechung bis zu dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) nicht zu erwarten war. Auch im Schrifttum fanden sich - wie oben unter 1. b), bb), (3) näher ausgeführt - keine Äußerungen, die rechtliche Bedenken gegen die Umsatzsteuerpflicht nahe legten und damit Anlass für die Erwartung einer klärenden höchstrichterlichen Entscheidung gaben.
20
(2) Der Bundesfinanzhof hat die hier maßgebliche Entscheidung vom 30. November 2000 (aaO) weder für die amtliche Sammlung bestimmt noch überhaupt mit einem Leitsatz versehen. Der letztgenannte Umstand kann dazu beigetragen haben, dass die für eine große Vielzahl von Fällen bedeutsame und darum durchaus veröffentlichungswürdige Entscheidung in den steuerrechtlichen Fachzeitschriften eine denkbar geringe Resonanz gefunden hat. Der Beschluss wurde ausweislich der Nachweise, die der Juris-Datenbank entnommen werden können, in voller Länge außer in BFH/NV lediglich in der "Steuerrechtsprechung in Karteiform", die zwischenzeitlich offenbar eingestellt wurde, abgedruckt. Die weiteren angegebenen Fundstellen "StuB" (Steuern und Bilanzen ), "BFH-PR" sowie "D-spezial" (Steuer- und Wirtschaftsrecht in den neuen Bundesländern, 1991 - 2005) enthielten nur den Abdruck eines redaktionellen Leitsatzes bzw. eine Kurzwiedergabe.
21
(3) Der rechtliche Berater muss jedoch nur über die in den amtlichen Sammlungen und in den einschlägigen allgem einen Fachzeitschriften veröffentlichten Entscheidungen der obersten Bundesgerichte orientiert sein (BGH, Beschl. v. 18. Januar 1952 - I ZB 13/51, NJW 1952, 425; Urt. v. 21. September 2000, aaO). An einer derartigen Veröffentlichung fehlt es hier.
22
Da sich die amtlichen Sammlungen der obersten Gerichtshöfe bekanntermaßen auf den Abdruck besonders gewichtiger Entscheidungen beschränken und die Gerichtshöfe insoweit eine Vorauswahl treffen, gehört es zur ordnungsgemäßen Berufsausübung eines rechtlichen Beraters, sich über diese grundlegenden Entscheidungen, die auch bei einer Veröffentlichung durch Fachzeitschriften vielfach eigens gekennzeichnet werden, fortlaufend zu unterrichten. Vom Inhalt der nicht in den amtlichen Sammlungen enthaltenen Entscheidungen hat sich der Rechtsberater mit Hilfe der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften zu informieren. Angesichts der auch für rechtliche Berater nur schwer überblickbaren Fülle der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte übernehmen die einschlägigen allgemeinen Fa chzeitschriften eine Filterfunktion , indem sie die für die Praxis allgemein bedeutsamen Entscheidungen abdrucken , einzelne besonders gewichtige - etwa für die amtliche Sammlung bestimmte - Entscheidungen zeitlich bevorzugt veröffentlichen oder auch zusätzlich mit einer Anmerkung oder einem Besprechungsaufsatz versehen und auf den Abdruck weniger bedeutsamer Entscheidungen verzichten. Unterliegt der rechtliche Berater - wie im Streitfall - keiner gesteigerten Beobachtungs- und Recherchierungspflicht, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, durch die Lektüre dieser einschlägigen Fachzeitschriften über aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Schrifttum hinreichend orientiert zu werden.
23
(4) Angesichts des durch die vereinzelten Veröffentlichungen vermittelten geringen Verbreitungsgrades kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) nicht zur Kenntnis genommen zu haben.
24
dem Von Steuerberater kann grundsätzlich verlangt werden, dass er über eine in wenigstens einer "einschlägigen allgemeinen Fachzeitschrift" veröffentlichte höchstrichterliche Entscheidung im Bilde ist (Fahrendorf in Fahrendorf /Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 8. Aufl. Rn. 512). Vorliegend kann offen bleiben, welche Periodika zu den "einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften" zu rechnen sind. Insoweit wird im Schrifttum erwogen , dass der Steuerberater jedenfalls das - vom Bundesfinanzministerium herausgegebene und darum keine eigentliche Fachzeitschrift darstellende - "Bundessteuerblatt" und als Organ der Bundessteuerberaterkammer das "Deutsche Steuerrecht" zu beachten hat (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 4. Aufl. Rn. 237). Die hier betroffenen, wenig verbreiteten Periodika "Steuerrechtsprechung in Karteiform", "StuB", "BFH-PR" und "D-spezial" gehören jedenfalls nicht zu dem - möglicherweise weiter zu ziehenden - Kreis der ständig zu verfolgenden Periodika.
25
Die (5) Beklagte musste - zumal sie hier keine gesteigerte Beobachtungs - und Recherchierungspflicht traf - mit der in keiner der einschlägigen Fachzeitschriften, sondern nur in der Sammlung BFH/NV veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht vertraut sein.

26
Mag es auch wünschenswert sein, dass ein Rechtsberater sich über die gesamte, seine Tätigkeit betreffende höchstrichterliche Rechtsprechung lückenlos auf dem Laufenden hält, so kann gegenwärtig nicht verlangt werden, dass er schlechthin jede in seinen Arbeitsbereich fallende höchstrichterliche - hier nicht einmal mit einem Leitsatz versehene - Entscheidung kennt (vgl. Heinemann in Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht 3. Aufl. § 11 Rn. 21). Da ein Rechtsberater neben der Rechtsprechung auch aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Literatur zu verfolgen hat, kann von ihm grundsätzlich nur die Lektüre der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften erwartet werden, wo sich diese Informationen dank einer redaktionellen Aufarbeitung gebündelt auffinden lassen. Eine über die einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften hinausgehende Sichtung des gesamten Entscheidungsmaterials eines obersten Gerichtshofs würde die Pflichten eines Rechtsberaters schon wegen des damit verbundenen Zeitaufwands überspannen, zumal vollständige Entscheidungssammlungen nicht für alle obersten Gerichtshöfe angeboten werden. Solange daher auf ernstliche Rechtszweifel gestützte Aussetzungsbeschlüsse des Bundesfinanzhofs unzureichend veröffentlicht werden, obwohl sie für die Beratungspraxis als Hinweis auf mögliche Zukunftsentscheidungen , die bereits gegenwärtige Berücksichtigung verlangen, besonders wichtig sind, kann dem steuerlichen Berater ihre Unkenntnis haftungsrechtlich nicht vorgeworfen werden. Ob bei einer fortschreitenden, einen einfachen, raschen und kostengünstigen Zugriff gestattenden Informationstechnologie in Zukunft strengere Anforderungen an die Kenntnis höchstrichterlicher Entscheidungen zu stellen sind, kann vorliegend offen bleiben.
27
Besteht keine Verpflichtung zu einer ausnahmslosen Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, kann von dem Berater die vollständige Auswertung der Zeitschrift BFH/NV, bei der es sich um eine keine redaktionellen Beiträge enthaltende Rechtsprechungssammlung handelt, grundsätzlich nicht gefordert werden. Die Beklagte durfte vielmehr darauf vertrauen, über etwaige neue Rechtsentwicklungen durch die einschlägigen allgemeinen steuerrechtlichen Fachpublikationen unterrichtet zu werden. Darum war ein Tätigwerden erst auf den für die amtliche Sammlung bestimmten Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) geboten.
28
cc) Soweit sich der Kläger darauf beruft, den Beklagten durch Übermittlung eines Rundschreibens des Automaten-Verbands R. auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 hingewiesen zu haben , ist das Vorbringen mangels hinreichender Substantiierung unbeachtlich.
29
Der Beklagte hat in der Klageerwiderung geltend gemacht, der Kläger sei durch zwei Rundschreiben des Automaten-Verbands R. vom 28. Mai 2001 und vom 21. Februar 2002 über die Rechtslage unterrichtet worden , sei aber nicht der darin enthaltenen Empfehlung gefolgt, die Rundschreiben an seinen Steuerberater - also die Beklagte - weiterzuleiten. Der Kläger hat darauf repliziert, tatsächlich habe er die beiden Rundschreiben der Beklagten mittels Fax zur Kenntnis gegeben. Es fehlt jedoch an jeder Darlegung, wann die Faxübermittlung stattgefunden haben soll. Da beide Rundschreiben zu verschiedenen Zeitpunkten an die Empfänger versandt wurden, hätte es, um der Beklagten eine Einlassung zu ermöglichen, zumindest einer zeitlichen Konkretisierung der Übermittlungsvorgänge bedurft.
30
2. Jedoch ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers im Blick auf die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 gegeben, weil es die Beklagte versäumt hat, vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf die durch den in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) zugunsten des Klägers geänderte Rechtslage zu reagieren. Dagegen scheidet ein Schadensersatzanspruch mangels einer Verpflichtung der Beklagten zu einem Tätigwerden bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen am 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 für die Steuerjahre 1995 und 1996 aus.
31
a) Die seitens der Beklagten für den Kläger abgegebenen jährlichen Umsatzsteuererklärungen (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) standen nach der Regelung des § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
32
Ein solcher Nachprüfungsvorbehalt hat zur Folge, dass die Steuerfestsetzung von Amts wegen oder auf Antrag des Steuerpflichtigen jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden kann (§ 164 Abs.2 Sätze 1 und 2 AO). Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn das Finanzamt diesen aufhebt (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO), ansonsten mit Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO), welche im Falle der Umsatzsteuer vier Jahre beträgt (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in welchem die Steueranmeldung eingereicht wurde (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Auch eine Steueranmeldung, welche einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid gleichsteht, kann mit Einspruch und Anfechtungsklage angefochten werden (Cöster in Pahlke/Koenig, AO 2. Aufl. § 168 Rn. 26). Die Monatsfrist zur Einlegung des Einspruchs beginnt hier mit der Steueranmeldung (§ 355 Abs. 1 Satz 2 AO). Legt der Steuerpflichtige keinen Einspruch ein, wird die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steueranmeldung zwar formell bestandskräftig; die formelle Bestandskraft lässt jedoch die Möglichkeit unberührt, den Bescheid innerhalb der Nach- prüfungsfrist nach der Regelung des § 164 AO abzuändern (Koenig in Pahlke /Koenig, aaO § 172 Rn. 8). Die Abänderungsbefugnis nach § 164 AO ermöglicht dabei die umfassende Überprüfung des Steuerbescheids auch im Hinblick auf solche Gesichtspunkte, welche zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorbehaltsbescheids schon bekannt waren (BFHE 198, 184, 190 f). Das Unterlassen des Steuerpflichtigen, den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid anzufechten, führt somit zu keiner materiellen Präklusion von Einwendungen.
33
b) Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte nach der spätestens im Frühjahr des Jahres 2003 anzunehmenden Kenntnis von dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) innerhalb der noch offenen Festsetzungsfristen eine Neufestsetzung der Umsatzsteuer beantragen müssen.
34
Soweit aa) die Umsatzsteuererklärungen vom 11. Februar 1997 und 9. Januar 1998 für die Steuerjahre 1995 und 1996 in Rede stehen, war allerdings der Vorbehalt der Nachprüfung am 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 abgelaufen. Da der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) laut der in der Juris-Datenbank enthaltenen Nachweise erst im Jahr 2003 veröffentlicht wurde (vgl. etwa DStRE 2003, 179), bestand keine Verpflichtung der Beklagten, für diese Jahre eine Neufestsetzung zu beantragen.
35
bb) Anders verhält es sich hingegen für die Jahre 1997 bis 2000. Für das Jahr 1997 lief die Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2003, für die Folgejahre 1998 bis 2000 wegen der Aufhebung des Vorbehalts durch die im Anschluss an die Betriebsprüfung ergangenen Bescheide am 29. Oktober 2003 ab. Hier bestand für die Beklagte bei pflichtgemäßem Vorgehen mit Rücksicht auf den Be- schluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 ohne weiteres die Möglichkeit , im Interesse des Klägers eine Neufestsetzung zu beantragen. Insoweit ist der Beklagten ein Beratungsfehler anzulasten, der dem Grunde nach eine Schadensersatzpflicht auslöst.
36
c) Diese Schadensersatzansprüche sind nicht verjährt.
37
aa) Für den Beginn der Verjährung ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EGBGB die mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 durch Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214) aufgehobene Vorschrift des § 68 StBerG hier anwendbar, weil die geltend gemachten Ansprüche vor dem 15. Dezember 2004 entstanden sind (BGH, Urt. v. 17. Dezember 2009 - IX ZR 4/08, WM 2010, 629 Rn. 6). Die Dauer der Verjährung bestimmt sich nach § 195 BGB - in Übereinstimmung mit der früheren Regelung des § 68 StBerG - auf drei Jahre (BGH, Urt. v. 12. November 2009 - IX ZR 152/08, WM 2010, 372, 373 Rn. 7).
38
bb) Die dreijährige Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der infolge der alsbaldigen Zustellung (§ 167 ZPO) maßgeblichen Klageeinreichung am 27. Dezember 2005 nicht abgelaufen.
39
aa) Regelmäßig beginnt die Verjährung für einen Anspruch gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile seines Mandanten verschuldet hat, nicht erst mit der Bestandskraft, sondern bereits mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids. Besteht der Schaden des Auftraggebers in vermeidbaren Umsatzsteuern infolge fehlerhafter Selbstveranlagung, entspricht diesem Zeitpunkt die Einreichung der Umsatzsteueranmeldung beim Finanz- amt. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Umsatzsteuer von dem Unternehmer jährlich anzumelden ist (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) und die Anmeldung gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (BGH, Urt. v. 14. Juli 2005 - IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107; Urt. v. 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06, WM 2008, 1416, 1417 Rn. 19; Urt. v. 5. März 2009 - IX ZR 172/05, WM 2009, 863, 864 Rn. 11).
40
Das kann aber nicht gelten, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Steuerberaters erst nach Erlass des Steuerbescheids einsetzt. Besteht die Pflichtwidrigkeit darin, dass der gebotene Rechtsbehelf gegen den Bescheid nicht eingelegt wird, so entsteht der Schaden in dem Augenblick, in dem der Steuerpflichtige von sich aus nicht mehr durch einen Rechtsbehelf die Abänderung des Steuerbescheids erwirken kann; die eng begrenzten Abänderungsmöglichkeiten nach § 173 AO reichen nicht aus, den Eintritt des Schadens erst für den Zeitpunkt anzunehmen, von dem an auch sie nicht mehr bestehen (BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95,WM 1996, 2066, 2067; Urt. v. 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 787).
41
bb) Da der Beklagten im Blick auf die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 keine Pflichtwidrigkeit angelastet wird, hat sich ein Schaden nicht bereits mit der Anmeldung verwirklicht. Vielmehr wird der Beklagten vorgeworfen, bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen einen Antrag auf eine Neufestsetzung versäumt zu haben. Diese Nachlässigkeit steht der unterlassenen Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs gleich. Ein Antrag auf Neufestsetzung konnte für das Jahr 1997 bis zum 31. Dezember 2003 und für die Folgejahre 1998 bis 2000 bis zum 29. Oktober 2003 gestellt werden. Die von diesen Zeitpunkten an laufende Verjährungsfrist von drei Jahren war im Zeitpunkt der Klageeinreichung am 27. Dezember 2005 noch nicht verstrichen. Mithin geht die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede ins Leere.

III.


42
Danach ist die Revision zurückzuweisen (§ 561 ZPO), soweit die Klage die Steuerjahre 1995 und 1996 zum Gegenstand hat. Bezüglich der Steuerjahre 1997 bis 2000 ist die Revision hingegen begründet und das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 ZPO). Eine abschließende Entscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) ist dem Senat mangels tatrichterlicher Feststellungen zur Schadenshöhe verwehrt. Der Senat kann jedoch, weil die Klageforderung mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht, ein Urteil über den Grund des Anspruchs (§ 304 Abs. 1 ZPO) erlassen (BGH, Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 144/03, WM 2005, 1624, 1625; v. 15. Dezember 1994 - IX ZR 18/94, ZIP 1995, 297, 300; v. 17. September 1998 - IX ZR 237/97, ZIP 1998, 1793, 1797).
43
Die Sache ist zur Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die insoweit notwendigen Feststellungen , auf die es nach seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht ankam, nunmehr zu treffen hat. Dabei wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte die Schadensberechnung des Klägers im Blick auf die behaupteten Umsätze bestritten und - auch unter dem Gesichtspunkt etwaiger Steuervorteile - das Fehlen eines Gesamtvermögensvergleichs beanstandet hat. Die dem Kläger durch den Automaten-Verband R. zuteil gewordene Unterrichtung dürfte nicht geeignet sein, ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) anzunehmen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Auftraggeber nicht als mitwirkendes Verschulden vorge- worfen werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369, 371 Rn. 21). Selbst ein Mandant mit juristischer Vorbildung darf sich auf eine einwandfreie Arbeit seines Beraters verlassen (BGH, Urt. v. 13. März 1997 - IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1395).
Kayser Raebel Gehrlein
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 09.05.2008 - 2 O 486/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 08.01.2009 - 5 U 732/08 -

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
IX ZR 332/99 Verkündet am:
14. Dezember 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zum Wegfall des verjährungsrechtlichen Sekundäranspruchs, wenn der geschädigte
Mandant rechtzeitig vor Eintritt der Primärverjährung einen Rechtsanwalt mit der
Prüfung des Regreßanspruchs beauftragt.
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die
Richter Stodolkowitz, Dr. Zugehör, Dr. Ganter und Raebel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das "Grundurteil" des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. September 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Im Jahre 1980 erwarb die Klägerin ein unbebautes Grundstück, um es zu parzellieren und zu bebauen sowie die so entstehenden bebauten Einzelgrundstücke zu verkaufen. In der "Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG", die der Beklagte als Steuerberater der Klägerin und ihres Ehemannes zur Ermittlung der Einkünfte aus den Grundstücksgeschäften mit der Steuererklärung
für 1980 beim Finanzamt einreichte, waren die Anschaffungskosten für das Grundstück nicht berücksichtigt. Auch die im Jahre 1985 aufgewandten Kosten für den Bau von Eigentumswohnungen zog der Beklagte bei der Gewinnermittlung für dieses Jahr nicht als Betriebsausgaben ab. Er setzte diese Kosten sowie einen Teil der Grundstücksanschaffungskosten erst für 1986 als Betriebsausgaben an, als ein Teil der bis dahin hergestellten Eigentumswohnungen veräußert und ein anderer Teil ins Privatvermögen überführt wurden. Nach einer im Jahre 1990 durchgeführten Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt diesen Abzug in einem geänderten Steuerbescheid vom 14. September 1990 mit der Begründung nicht an, bei der gewählten Gewinnermittlungsart seien die genannten Kosten im Jahr ihrer jeweiligen Entstehung anzusetzen gewesen. Die Einkommensteuer für das Jahr 1986 wurde für die Klägerin und ihren Ehemann auf 222.522 DM festgesetzt. Ein dagegen v om Beklagten eingelegter Einspruch wurde mit Bescheid vom 27. Januar 1993 zurückgewiesen; die dagegen - wiederum vom Beklagten - erhobene Klage wies das Finanzgericht Düsseldorf durch Urteil vom 4. Februar 1997 ab.
Die Klägerin, die sich die Ansprüche ihres Ehemannes hat abtreten lassen , wirft dem Beklagten vor, er hätte, da es in den Jahren der Entstehung der Anschaffungs- und Herstellungskosten an ausreichenden Einnahmen und sonstigen Einkünften gefehlt habe, mit denen jene Ausgaben hätten verrechnet werden können, die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG schaffen müssen. Sie verlangt von ihm Ersatz des Schadens, der ihr und ihrem Ehemann durch eine auf 160.000 DM errechnete Steuermehrbelastung in den Jahren 1980 bis 1986 entstanden sein soll, sowie Feststellung der Pflicht zum Ersatz von dadurch verursachten Zinsschäden. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung der Klageansprü-
che abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr dem Grunde nach stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil , jedoch unter umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff).

I.


Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch "dem Grunde nach (für) berechtigt" erklärt und am Ende der Entscheidungsgründe bemerkt, über die Höhe des Schadens sei im Betragsverfahren zu entscheiden. Zu dem neben dem Zahlungsantrag gestellten Feststellungsantrag hat es sich nicht geäußert.
Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Erlaß eines Grundurteils durch das Berufungsgericht zulässig war (BGH, Urt. v. 17. Februar 2000 - IX ZR 436/98, WM 2000, 1345, 1346 m.w.N.). Das ist im vorliegenden Fall zweifelhaft, soweit sich das Grundurteil jedenfalls seinem Wortlaut nach auch auf den Feststellungsanspruch bezieht. Bei einer unbezifferten Feststellungsklage kommt eine auf den Grund des Anspruchs be-
schränkte Entscheidung nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 45/98, WM 2000, 966, 967). Es ist freilich denkbar, daß das Berufungsgericht mit dem Ausspruch zum Grund des Anspruchs gleichzeitig abschließend dem Feststellungsantrag stattgeben wollte. Ob sich in dem Urteil ausreichende Anhaltspunkte für eine solche Auslegung finden lassen, mag offenbleiben, weil das Berufungsurteil bereits aus anderen Gründen aufgehoben werden muß.

II.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG durch Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und Einrichtung einer ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung zu schaffen. Durch die für die Klägerin und deren Ehemann ungünstige Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sei ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden, dessen Höhe im Betragsverfahren noch ermittelt werden müsse. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision nicht. Sie lassen auch keinen Rechtsfehler erkennen.

III.


Das Berufungsurteil beruht jedoch auf Verfahrensfehlern, soweit das Berufungsgericht gemeint hat, der Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt.
1. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, die Verjährung habe mit Ablauf des 17. September 1990 begonnen; denn an diesem Tag sei der Klägerin und ihrem Ehemann der Ä nderungsbescheid vom 14. September 1990 zugegangen. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG sei jedoch alsbald danach gehemmt gewesen, denn die Parteien hätten nach Erlaß des Bescheids im September 1990 vereinbart, daß der Anspruch gegen den Beklagten bis zum Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht habe geltend gemacht werden sollen. Diese Feststellung hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der Aussagen des in beiden Vorinstanzen vernommenen Ehemannes der Klägerin, des Zeugen Sch., sowie nach Anhörung des Beklagten persönlich getroffen. In jener Vereinbarung, so hat das Berufungsgericht gemeint, liege ein Stillhalteabkommen. Die Verjährung sei danach erst nach Erlaß des finanzgerichtlichen Urteils vom 4. Februar 1997 weitergelaufen und jedenfalls bei Einreichung der Klage am 30. Dezember 1997 noch nicht vollendet gewesen.
2. Die Revision macht geltend, die Annahme eines Stillhalteabkommens werde von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen. Bei der Absprache der Parteien müsse es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung gehandelt, sondern sie könne sich auch in der Zusage des Beklagten erschöpft haben, sich bis zum Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht auf Verjährung zu berufen. Im letzteren Fall hätte der Beklagte nach dem Urteil des Finanzgerichts nicht noch mehr als zehn Monate mit der Klageerhebung warten dürfen.
Dieser Revisionsangriff ist unbegründet. Ein die Hemmung der Verjährung nach § 202 Abs. 1 BGB auslösendes Stillhalteabkommen setzt allerdings
- darin hat die Revision recht - voraus, daß der Schuldner aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern, und der Gläubiger sich umgekehrt der Möglichkeit begibt, seine Ansprüche während dieses Zeitraums weiterzuverfolgen (BGH, Urt. v. 6. Juli 2000 - IX ZR 134/99, WM 2000, 1812, 1813 m.w.N.). Das hat das Berufungsgericht jedoch nicht verkannt. Es ist in rechtlicher Hinsicht ausdrücklich davon ausgegangen, daß bei einem Stillhalteabkommen der Schuldner "vorübergehend zur Leistungsverweigerung berechtigt" ist. Ein solches Recht hat das Berufungsgericht der zwischen den Parteien getroffenen Absprache entnommen. Ein Rechtsfehler läßt sich darin nicht erkennen.
3. Die Revision hat jedoch mit ihrer Verfahrensrüge Erfolg, die sich gegen die Feststellung des Berufungsgerichts richtet, jene Vereinbarung sei alsbald nach dem Erlaß des Steuerbescheids vom 14. September 1990 getroffen worden.

a) Der Ehemann der Klägerin hat als Zeuge ausweislich des Protokolls vom 16. Juli 1998 vor dem Landgericht ausgesagt, nach der Betriebsprüfung habe er die Sache mit dem Beklagten durchgesprochen; dieser habe ihm seinerzeit gesagt, er wolle gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Vor dem Berufungsgericht hat er am 17. Juni 1999 bekundet, bei jener Aussage müsse er bei der Vernehmung etwas mißverstanden haben. Es sei zwar bereits nach Eingang des Betriebsprüfungsberichts zu einem Gespräch mit dem Beklagten gekommen; dabei sei es aber nur um die Richtigkeit dieses Berichts und noch nicht um Steuernachforderungen gegangen. Die Themen "Steuernachforderung" und "Regreß" hätten erst angestanden, als die "Steuerbescheide" vorgelegen hätten.

Das Berufungsgericht hat, wie es im einzelnen dargelegt hat, aus diesen Bekundungen des Zeugen die Überzeugung gewonnen, daß das Gespräch zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Beklagten, bei dem die Stillhaltevereinbarung getroffen wurde, nach Eingang des Steuerbescheids vom 14. September 1990 stattgefunden habe. Der Zeuge sei, so hat es ausgeführt, bei der Vernehmung vom 17. Juni 1999 darauf hingewiesen worden, daß es wichtig sei, die Gespräche zeitlich genau einzuordnen. Das habe zu der Ä ußerung des Zeugen geführt, daß das Thema "Steuernachforderungen" noch nicht nach dem Betriebsprüfungsbericht, sondern erst nach Eingang der "Bescheide" Gegenstand der Erörterung gewesen sei. Hiermit seien "eindeutig" die Steuerbescheide vom 14. September 1990 gemeint gewesen; denn zusammen mit dem Bescheid für 1986 sei damals auch der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1985 erlassen worden.
In dieser Beurteilung liegt, wie die Revision zu Recht rügt, eine unvollständige Würdigung des Beweisergebnisses. Der in der Beweisaufnahme dem Zeugen erteilte Hinweis auf die Notwendigkeit der genauen zeitlichen Einordnung der Gespräche sollte offenbar der Klärung dienen, ob mit ihnen nicht etwa Erörterungen im unmittelbaren Anschluß an den Betriebsprüfungsbericht und damit noch vor der Entstehung des mit dem Erlaß des Steuerbescheids für 1986 eingetretenen Schadens, d.h. vor Beginn der Verjährung gemeint waren. Von solchen Besprechungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsprüfungsbericht hatte der Zeuge bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung berichtet. Dieser stellte nunmehr vor dem Berufungsgericht klar, daß es damals weder um Steuernachforderungen noch um die Regreßfrage gegangen sei. Diese sei erst zum Thema geworden, als die "Bescheide" eingegangen seien.
Der Schluß des Berufungsgerichts, damit seien "eindeutig" die Bescheide vom 14. September 1990 gemeint gewesen, berücksichtigt, wie die Revision zutreffend beanstandet, nicht, daß der Zeuge bei der Fragestellung, der er sich gegenüber sah, möglicherweise nur die Alternative zwischen dem Betriebsprüfungsbericht und den späteren "Bescheiden" im Auge hatte, in denen sich das steuerliche Ergebnis niederschlug. Mit diesen Bescheiden müssen nicht zwingend die unter dem gleichen Datum ergangenen Einkommensteuerbescheide für verschiedene Jahre, sondern damit können auch zusammengefaßt die allein das Jahr 1986 betreffenden "Bescheide", nämlich der Steuerbescheid vom 14. September 1990 und der spätere Einspruchsbescheid vom 27. Januar 1993 gemeint gewesen sein. Zu einer solchen Deutung könnte der weitere Inhalt der Aussage des Zeugen vor dem Landgericht Anlaß geben. Ausweislich des Protokolls vom 16. Juli 1998 hat der Zeuge im Anschluß an die Erwähnung der Besprechung nach der Betriebsprüfung gesagt: "Er (der Beklagte) sagte mir seinerzeit, er wolle gegen den Bescheid Einspruch einlegen. Das hat er dann auch getan. Nachdem - ich meine es war 1993 - der ablehnende Bescheid auf den Einspruch kam, habe ich den Beklagten nochmals angesprochen. Zu der Zeit wurde mir klar, daß es nun ernst würde mit der Steuernachforderung. Ich habe den Beklagten damals gefragt, wie es denn nun weitergehen solle. Er sagte mir, er könne das auch noch nicht ganz beurteilen, ich solle mir aber keine Sorgen machen. Mir sollten keine Schäden entstehen. Der Beklagte forderte mich auf, ihn für solche Schäden haftbar zu machen." Diese Darstellung des Zeugen legt das Verständnis nahe, über die Regreßfrage sei erst gesprochen worden, als sich herausstellte, daß der gegen den Steuerbescheid eingelegte Einspruch erfolglos geblieben war. Das würde auch zu der bei der Vernehmung durch das Berufungsgericht gebrauchten Formulierung des Zeugen passen, "letztlich zur Sache gehen sollte es ... erst nach Abschluß eines möglichen fi-
nanzgerichtlichen Verfahrens". Denn erst nach Erlaß des Einspruchsbescheids stand die Frage einer Klage vor dem Finanzgericht im Raum. Daß die Absprache , den Ausgang des Finanzgerichtsprozesses abzuwarten, schon getroffen worden ist, bevor überhaupt der Einspruch eingelegt und das Ergebnis des Einspruchsverfahrens abzusehen war, erscheint demgegenüber eher fernliegend.
Die Frage, ob die Absprache, die Geltendmachung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten bis zur Erledigung des Finanzgerichtsrechtsstreits zurückzustellen, tatsächlich bereits im September 1990 getroffen worden ist, kann nur im Wege einer Gesamtwürdigung aller Umstände beantwortet werden. Das Berufungsgericht hat eine solche umfassende Würdigung unter Berücksichtigung der soeben genannten Gesichtspunkte unterlassen. Wären dabei Zweifel verblieben, so hätte es den Zeugen fragen müssen, was er mit den "Bescheiden", nach deren Erlaß es zur Erörterung der Regreßfrage kam, gemeint habe. Das Berufungsgericht hat sich dies alles durch die unzutreffende Annahme, die Aussage des Zeugen sei insoweit eindeutig, unmöglich gemacht.

b) Unter den gegebenen Umständen hätte das Berufungsgericht - diese Rüge der Revision ist ebenfalls begründet - jedenfalls der Klage nicht stattgeben dürfen, ohne auf den nachgereichten Schriftsatz des Beklagten vom 20. Juli 1999 die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen. In dem Schriftsatz hat der Beklagte auf die Doppeldeutigkeit des vom Zeugen gebrauchten Ausdrucks "Bescheide" hingewiesen und zum Beleg dafür, daß dieser die Zeit nach Erlaß des Einspruchsbescheids im Auge gehabt habe, ein Schreiben der Klägerin an ihn, den Beklagten, vom 30. April 1993 und ein von ihm verfaßtes
Schreiben an seinen Haftpflichtversicherer vom 12. August 1993 vorgelegt. In dem Schreiben der Klägerin heißt es, sie beabsichtige, den Beklagten, wie sie ihm bereits mündlich mitgeteilt habe, im Fall einer negativen Entscheidung des Finanzgerichts "wegen fehlerhafter Beratung haftbar zu machen". Diese Absicht teilte der Beklagte in seinem Schreiben vom 12. August 1993 unter Darlegung des Sachverhalts dem Haftpflichtversicherer mit. Das hätte den Blick des Berufungsgerichts darauf lenken müssen, daß der Zeuge am 17. Juni 1999 weiter bekundet hatte, die "Verabredung" mit dem Beklagten sei dahin gegangen , daß er, der Zeuge, den Schaden habe "geltend machen" sollen, "damit der Beklagte an seine Versicherung herantreten" könne, daß es letztlich aber erst nach Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens habe "zur Sache gehen" sollen. Die dieser Abrede entsprechenden Schreiben vom 30. April und 12. August 1993 waren geeignet, zusätzliche Zweifel darüber aufkommen zu lassen, ob die Vereinbarung selbst tatsächlich schon rund drei Jahre zuvor getroffen worden war. Das unterstrich die verfahrensrechtliche Notwendigkeit, den Zeugen notfalls zu einer Präzisierung seiner Aussage zu veranlassen. Zeigt es sich, daß die bisherige Verhandlung lückenhaft war, dann muß sie gemäß § 156 ZPO wieder eröffnet werden (BGHZ 53, 245, 262; BGH, Urt. v. 7. Oktober 1992 - VIII ZR 199/91, NJW 1993, 134).

c) Schließlich weist die Revision zutreffend darauf hin, daß der Ehemann der Klägerin trotz Abtretung seines eigenen Anspruchs an diese am Ausgang des Rechtsstreits kaum weniger interessiert ist, als die Klägerin selbst. Das nimmt der Abtretung zwar nicht wegen der damit erreichten Zeugenstellung des Ehemannes die Wirksamkeit. In einem solchen Fall ist aber das starke Eigeninteresse des Zeugen bei der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 8. Januar 1976 - III ZR 148/73,
WM 1976, 424). Die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils, in denen jeder Hinweis auf diesen Gesichtspunkt fehlt, deuten darauf hin, daß das Berufungsgericht ihn bei seiner Beweiswürdigung nicht in Betracht gezogen hat.
4. Die Frage, ob die vom Berufungsgericht festgestellte Vereinbarung, den Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten bis zur Beendigung des Finanzgerichtsrechtsstreits zurückzustellen, schon im September 1990 oder erst nach Erlaß des Einspruchsbescheids vom 27. Januar 1993 getroffen worden ist, kann entscheidungserheblich sein. War letzteres der Fall, dann waren zu diesem Zeitpunkt von der am 18. September 1990 beginnenden dreijährigen Primärverjährungsfrist bereits mehr als zwei Jahre und vier Monate abgelaufen. Da die Hemmung der Verjährung mit der Zustellung des Urteils des Finanzgerichts vom 4. Februar 1997 endete - nach dem Vortrag des Beklagten war das am 23. Februar 1997 -, wäre der noch verbleibende Teil der Verjährungsfrist verstrichen gewesen, als die Klage am 30. Dezember 1997 beim Gericht eingereicht wurde.

IV.


Das Berufungsurteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 563 ZPO). Das Berufungsgericht konnte sich von seinem Standpunkt aus nicht mit der Frage befassen, ob die Verjährung unter dem Gesichtspunkt eines Sekundäranspruchs gegen den Beklagten bei Klageeinreichung noch nicht eingetreten war.
1. Ein Steuerberater ist - ebenso wie ein Rechtsanwalt - verpflichtet, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regreßhaftung und die dafür geltende Verjährungsfrist nach § 68 StBerG hinzuweisen, wenn sich für ihn während des Mandats ein begründeter Anlaß zur Überprüfung seiner Tätigkeit ergibt und er erkennt oder bei gehöriger Sorgfalt erkennen muß, daß er durch einen Fehler dem Mandanten einen Schaden zugefügt hat (BGHZ 94, 380, 386; BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2068). Verletzt er diese Pflicht, dann beginnt mit Eintritt der Primärverjährung die dreijährige Verjährungsfrist von neuem zu laufen.
Begründeten Anlaß zur Überprüfung seiner Beratungstätigkeit hatte der Beklagte sowohl bei Eingang des Einspruchsbescheids vom 27. Januar 1993 als auch nach Erlaß des Finanzgerichtsurteils vom 4. Februar 1997. Tatsächlich hat er die Klägerin und ihren Ehemann - offenbar mehrfach - auf die Möglichkeit eines Regreßanspruchs gegen sich hingewiesen. Über die Verjährung eines solchen Anspruchs scheint er sie aber nicht belehrt zu haben; er selbst hat jedenfalls schriftsätzlich vorgetragen, die Möglichkeit der Verjährung sei nie erwähnt worden. Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu fehlen.
2. Trotz unterlassener Belehrung über den etwaigen Regreßanspruch und dessen Verjährung entfallen der Sekundäranspruch und damit die Verlängerung der Verjährungsfrist, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährung anderweitig anwaltlich zum Zweck der Prüfung des Regreßanspruchs beraten wird. In diesem Fall treten die Hinweispflichten des mit dieser Prüfung betrauten Rechtsanwalts an die Stelle derjenigen des ursprünglichen Beraters; der Mandant ist durch die Haftung des (neuen) Anwalts hinreichend gesichert (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 31/91, WM 1992, 579,
581 f; v. 28. September 1995 - IX ZR 227/94, WM 1996, 33, 34). Diese Einschränkung der Sekundärhaftung rechtfertigt sich aus dem Gedanken, daß die nachrangige Hinweispflicht des Rechtsanwalts oder Steuerberaters den Auftraggeber gegen die Gefahr des unwissentlichen Anspruchsverlusts schützen soll, daß es eines solchen Schutzes durch den Anspruchsgegner selbst aber nicht mehr bedarf, wenn der Mandant die Wahrnehmung seiner Interessen in der Regreßfrage einem (anderen) Rechtsanwalt übertragen hat, der insoweit eine primäre Vertragspflicht übernimmt. Das gilt unabhängig davon, ob bei Eintritt einer dieser Voraussetzungen das Mandat des in Anspruch genommenen Rechtsberaters noch fortbestand oder bereits beendet war.
Bislang fehlt es an einer Feststellung dazu, wann die Klägerin sich erstmals in der Frage eines Regreßanspruchs gegen den Beklagten anwaltlich hat beraten lassen.

V.


Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses - gegebenenfalls nach nochmaliger Vernehmung des Ehemannes der Klägerin - die noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen kann. Die
Parteien erhalten durch die Zurückverweisung Gelegenheit, ihr Vorbringen unter dem Gesichtspunkt der Sekundärverjährung zu ergänzen.
Kreft Stodolkowitz Zugehör
Ganter Raebel
10
3. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht jedoch darin, dass eine spätere Einschaltung eines Rechtsanwalts die Sekundärhaftung entfallen lässt, wenn dieser Rechtsanwalt mit dem Auftrag eingeschaltet ist, Regressansprüche gegen einen anderen Steuerberater geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dies vielmehr nur dann der Fall, wenn die Einschaltung gerade zu dem Zweck erfolgt ist, einen möglichen Regress gegen den nunmehr in Anspruch genommenen Steuerberater zu prüfen, bei dem der Wegfall seiner sekundären Hinweispflicht in Frage steht (BGHZ 129, 386, 392; ebenso zu Anwaltshaftung BGH, Urt. v. 15. April 1999 - IX ZR 328/97, WM 1999, 1330, 1335 f; v. 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99, NJW 2001, 826, 828; v. 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, NJW 2001, 3543, 3544, insofern in BGHZ 148, 156 ff nicht abgedr.; v. 12. Dezember 2002, aaO S. 823; v. 13. April 2006, aaO Rn. 9).

(1) Der Einspruch ist schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Es genügt, wenn aus dem Einspruch hervorgeht, wer ihn eingelegt hat. Unrichtige Bezeichnung des Einspruchs schadet nicht.

(2) Der Einspruch ist bei der Behörde anzubringen, deren Verwaltungsakt angefochten wird oder bei der ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt worden ist. Ein Einspruch, der sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, kann auch bei der zur Erteilung des Steuerbescheids zuständigen Behörde angebracht werden. Ein Einspruch, der sich gegen einen Verwaltungsakt richtet, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, kann auch bei der zuständigen Finanzbehörde angebracht werden. Die schriftliche oder elektronische Anbringung bei einer anderen Behörde ist unschädlich, wenn der Einspruch vor Ablauf der Einspruchsfrist einer der Behörden übermittelt wird, bei der er nach den Sätzen 1 bis 3 angebracht werden kann.

(3) Bei der Einlegung soll der Verwaltungsakt bezeichnet werden, gegen den der Einspruch gerichtet ist. Es soll angegeben werden, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Ferner sollen die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die Beweismittel angeführt werden.

(1) Die Verjährung beginnt erneut, wenn

1.
der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder
2.
eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird.

(2) Der erneute Beginn der Verjährung infolge einer Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn die Vollstreckungshandlung auf Antrag des Gläubigers oder wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen aufgehoben wird.

(3) Der erneute Beginn der Verjährung durch den Antrag auf Vornahme einer Vollstreckungshandlung gilt als nicht eingetreten, wenn dem Antrag nicht stattgegeben oder der Antrag vor der Vollstreckungshandlung zurückgenommen oder die erwirkte Vollstreckungshandlung nach Absatz 2 aufgehoben wird.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.