Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juli 2010 - IX ZR 70/08

bei uns veröffentlicht am01.07.2010
vorgehend
Landgericht Hamburg, 303 O 209/06, 12.01.2007
Hanseatisches Oberlandesgericht, 1 U 19/07, 14.03.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 70/08
Verkündet am:
1. Juli 2010
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. März 2008 aufgehoben, soweit die Klage in Höhe von 76.919,74 € abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der I. GmbH (nachfolgend Schuldnerin). Das Insolvenzverfahren wurde am 23. Dezember 2003 auf Antrag der Schuldnerin vom 27. November 2003 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.
2
Die Schuldnerin geriet seit April 2003 gegenüber der beklagten Krankenkasse mit der Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Rückstand. Die Lastschrift über die am 15. April 2003 fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträge für März 2003 in Höhe von 32.939,74 € wurde nicht eingelöst. Mit Schreiben vom 24. April 2003 teilte die Schuldnerin der Beklagten mit, aufgrund hoher eigener Außenstände einen Liquiditätsengpass zu haben, und bat um Zustimmung zur Bezahlung der Beiträge für März in vier Raten bis zum 21. Mai 2003. In einem anschließenden Telefongespräch am 28. April 2003 vereinbarten die Schuldnerin und die Beklagte, dass die Arbeitnehmeranteile in Höhe von 16.939,75 € sofort und die Arbeitgeberanteile in drei monatlichen Raten zu je 5.333,33 € zum 15. Mai, 15. Juni und 15. Juli 2003 gezahlt werden sollten. Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile erfolgte per Scheck, der der Beklagten am 5. Mai 2003 gutgeschrieben wurde. Auch hinsichtlich der weiteren Raten übersandte die Schuldnerin der Beklagten zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen Schecks, die ebenfalls eingelöst wurden. Die Lastschrift der am 15. Mai 2003 fälligen Beiträge für April 2003 in Höhe von 32.465,76 € wurde termingerecht eingelöst. Wegen der am 15. Juni 2003 fälligen Beiträge für Mai 2003 stellte die Schuldnerin wiederum einen Stundungsantrag. Hierauf forderte die Beklagte die Schuldnerin mit Schreiben vom 2. Juli 2003 zur umgehenden Begleichung der Arbeitnehmeranteile in Höhe von 16.857,57 € auf und stundete die Arbeitgeberanteile in drei Monatsraten zu je 5.619,19 €, jeweils fällig zum 30. des Monats , beginnend ab 30. Juli 2003. Entsprechend dieser Aufforderung leistete die Schuldnerin an die Beklagte mit einem am 8. Juli 2003 eingelösten Scheck 16.857,57 €. Weitere Teilzahlungen, die insgesamt einen Betrag von 61.953,47 € ergaben, leistete die Schuldnerin in der Zeit vom 22. Juli bis zum 1. Oktober 2003.
3
Der Kläger hat die Zahlungen gemäß § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO angefochten und Rückzahlung von insgesamt 138.873,21 € verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr auf das Rechtsmittel des Klägers im Hinblick auf die nach dem 8. Juli 2003 erbrachten Zahlungen stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch in Höhe der noch nicht zurückerstatteten Zahlungen von insgesamt 76.919,74 € weiter, welche die Schuldnerin in der Zeit zwischen dem 5. Mai und dem 8. Juli 2003 erbracht hat.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Berufungsgericht Das meint, ein Rückgewähranspruch betreffend die Zahlung vom 5. Mai 2003 bestehe nicht, weil sich die Schuldnerin lediglich mit dem gestundeten Beitrag für März 2003 in Rückstand befunden habe. Ein derart geringer Rückstand reiche für sich allein gesehen nicht aus, um die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung oder der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu begründen. Weitere Umstände, aus denen eine solche Kenntnis abgeleitet werden könnte, hätten nicht vorgelegen.
6
Hinsichtlich der am 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 geleisteten Zahlungen scheitere ein Rückgewähranspruch bereits an der fehlenden Gläubigerbe- nachteiligung. Die Zahlungen seien nach dem eigenen Vortrag des Klägers mittels einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung erfolgt. Dies reiche für eine Benachteiligung der Gläubiger nicht aus. Dass die kontoführende Bank für ihren Darlehensanspruch über bessere Sicherheiten verfügt habe als die Beklagte, habe der Kläger nicht vorgetragen.

II.


7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, aufgrund des geringen Rückstands zum 5. Mai 2003 könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin Kenntnis gehabt habe, schöpft den Sachverhalt nicht aus.
9
Anfechtung Eine wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 InsO setzt voraus, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte. Diese Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, NZI 2007, 512, 514 Rn. 25; v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, NZI 2009, 168, 169 Rn. 10 m.w.N.; v. 13. August 2009 - IX ZR 159/06, NZI 2009, 768 f Rn. 8). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGHZ 180, 63, 66 f Rn. 13 m.w.N.). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urt. v. 13. August 2009 aaO m.w.H.).
10
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht wesentliche Teile des Sachverhalts außer Acht gelassen. Schon die Feststellung, einziger Anhaltspunkt für eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei der Zahlungsrückstand für März 2003 gewesen, greift zu kurz. Das Berufungsgericht hat unberücksichtigt gelassen, dass die Lastschrift zum 15. April 2003 zurückgegeben worden ist. Die Rückgabe von Lastschriften stellt ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar. Auch mit dem Schreiben der Schuldnerin vom 24. April 2003 hat sich das Berufungsgericht nicht ausreichend befasst. Diesem Schreiben war zu entnehmen, dass die Schuldnerin nicht in der Lage war, ihre fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen vollständig zu befriedigen. Diese Erklärung konnte möglicherwei- se, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen war, dahin verstanden werden, dass die Schuldnerin selbst der Auffassung war, zahlungsunfähig zu sein (vgl. BGH, Urt. v. 4. Oktober 2001 - IX ZR 81/99, ZIP 2001, 2097, 2098; v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2223 Rn. 15; v. 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420, 422 Rn. 21 m.w.H.). Da sich der Stundungszeitraum auf mehr als drei Wochen erstreckte (vgl. BGHZ 163, 134, 139 f; BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 aaO S. 2224 Rn. 27 f), hätte das Berufungsgericht eine bloße Zahlungsstockung nur annehmen dürfen, wenn der gestundete Betrag "geringfügig" gewesen wäre. Ob es sich bei dem Rückstand von 32.939,74 € um einen "geringfügigen" Betrag handelte, wie das Berufungsgericht meint, konnte es ohne abschließende Feststellungen zur objektiven Zahlungsunfähigkeit am 5. Mai 2003, die es ausdrücklich offen gelassen hat, nicht beurteilen. Absolut betrachtet ist ein Betrag in der genannten Höhe schwerlich geringfügig. Aus der Sicht der Beklagten war das möglicherweise nicht anders. Da der Anfechtungsgegner im Allgemeinen in die fälligen Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners keinen Einblick hat, muss - soweit es um seine Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht - darauf abgestellt werden, ob sich die schleppende oder ganz ausbleibende Tilgung seiner Forderung bei einer Gesamtbetrachtung der für den Anfechtungsgegner ersichtlichen Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Art der Forderung , der Person des Schuldners und dem Zuschnitt seines Geschäftsbetriebs , als ausreichendes Indiz für eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit darstellt (BGH, Urt. v. 13. August 2009 aaO S. 769 Rn. 10; Ganter WM 2009, 1441, 1445). Die Beklagte hat nicht behauptet, angenommen zu haben, dass sie die einzige Gläubigerin der Schuldnerin sei. Im Regelfall hat jemand, der gewerblich tätig ist, auch noch andere Gläubiger (BGHZ 155, 75, 84; BGH, Urt. v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, WM 2009, 274, 275 Rn. 10; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 79/07, WM 2009, 615, 617 Rn. 16). Es kommt hin- zu, dass im Allgemeinen Sozialversicherungsträger - wie die Beklagte - von Unternehmern , die sich in finanzieller Bedrängnis befinden, vor anderen Gläubigern bedient werden.
11
Unter Missachtung des rechtlichen Gehörs des Klägers hat es das Berufungsgericht abgelehnt, über den Inhalt des Telefongesprächs am 28. April 2003 Beweis zu erheben. Der Kläger hat hinreichend substantiiert behauptet, aus diesem Gespräch hätten sich für die Beklagte weitere Hinweise auf die (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ergeben. Entsprechendes lag schon deshalb nahe, weil nach dem Ergebnis des Gesprächs die Stundung eines Teils der am 15. April 2003 fälligen Beiträge auf drei Monate ausgedehnt wurde, der Liquiditätsengpass der Schuldner mithin noch länger anhielt, als es die Stundungsbitte vom 24. April 2003 nahelegte.
12
2. Soweit das Berufungsgericht eine Gläubigerbenachteiligung durch die weiteren Zahlungen vom 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 abgelehnt hat, weil diese jeweils aus einer bloß geduldeten Überziehung des Kontos erfolgt seien, widerspricht die Entscheidung der - zum Zeitpunkt des Erlasses des Berufungsurteils allerdings noch nicht ergangenen - Entscheidung des Senats vom 6. Oktober 2009 (BGHZ 182, 317), mit welcher die im Berufungsurteil zitierte Entscheidung BGHZ 170, 276 aufgegeben worden ist. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kommt die Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung durch den Insolvenzverwalter auch dann in Betracht, wenn der Schuldner neue Gelder aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft und diese infolge seiner Rechtshandlung einem Gläubiger direkt zu fließen. Unerheblich ist, ob aus der Einräumung des Überziehungskredits für die Masse ein pfändbarer Anspruch gegen die Bank entsteht oder durch die Valutierung von Sicherheiten ein entsprechender Rückübertragungsanspruch verloren geht.

13
Dem steht - abweichend von der Auffassung der Revisionserwiderung - das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 2010 (II ZR 258/08, ZIP 2010, 470) nicht entgegen. Die Entscheidung ist zur Haftung des Geschäftsführers gemäß § 64 Abs. 2 GmbH a.F. ergangen und nicht zur Insolvenzanfechtung. Sie gibt dem Senat deshalb keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu § 129 Abs. 1 InsO erneut zu ändern.

III.


14
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs nach § 133 Abs. 1 InsO insgesamt erneut zu prüfen und die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hierfür zu treffen haben. Bezüglich der Zahlungen vom 15. Mai, 16. Juni und 8. Juli 2003 hat es von einer objektiven Gläubigerbenachteiligung auszugehen. Sollte es im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung (vgl. BGH, Urt. v. 13. August 2009, aaO S. 769 Rn. 10 ff) die Kenntnis des - noch festzustellenden - Gläubi- gerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin auf Seiten der Beklagten weiterhin für zweifelhaft halten, wird es den weiteren Beweisantritten nachgehen müssen.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 12.01.2007 - 303 O 209/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 14.03.2008 - 1 U 19/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juli 2010 - IX ZR 70/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juli 2010 - IX ZR 70/08

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Insolvenzordnung - InsO | § 133 Vorsätzliche Benachteiligung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei
Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juli 2010 - IX ZR 70/08 zitiert 7 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Tei

Insolvenzordnung - InsO | § 130 Kongruente Deckung


(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, 1. wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, we

Insolvenzordnung - InsO | § 129 Grundsatz


(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechts

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Referenzen

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder
2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

25
a) Der Beklagte wusste von einer - drohenden oder bereits eingetretenen - Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Kennt ein Gläubiger tatsächliche Umstände, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er auch die (drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt (BGH, Urt. v. 17. Juli 2003, aaO S. 599; Urt. v. 12. Oktober 2006, aaO S. 38). Das war hier der Fall. Die im fraglichen Zeitraum zuständige Sachbearbeiterin des Finanzamts des beklagten Landes wusste von den hohen Steuerrückständen, die im Verlauf des Jahres 2002 stetig angestiegen waren. Die Schuldnerin hatte - etwa im Schreiben vom 2. September 2002 - Raten mit dem Hinweis angeboten, zu höheren Zahlungen derzeit nicht in der Lage zu sein; auch die in diesem Schreiben und in der Folgezeit versprochenen Zahlungen wurden nur teilweise oder gar nicht erbracht. Trotz der streitgegenständlichen erheblichen Zahlungen gelang es der Schuldnerin nicht, die Rückstände zu begleichen und die laufenden Zahlungen aufzunehmen; vielmehr stiegen die Rückstände auch in der Zeit von August bis Dezember 2002 weiter auf zuletzt 472.789,37 Euro am 17. Dezember 2002 an.
8
Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, ZIP 2007, 1511, 1513 Rn. 25; Urt. v. 20. November 2008 - IX ZR 188/07, ZIP 2009, 189, 190 Rn. 10 m.w.N.). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urt. v. 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, ZIP 2009, 526, 527 Rn. 13 m.w.N., z.V.b. in BGHZ). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urt. v. 12. Juli 2007 - IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084, 2087 Rn. 21; vgl. Fischer NZI 2008, 588, 593; Schoppmeyer, ZIP 2009, 600, 605; Ganter WM 2009, 1441, 1443). Soweit frühere Entscheidungen des Senats anders verstanden werden könnten, wird daran nicht festgehalten.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

16
a) Die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die angefochtene Handlung die Gläubiger benachteiligte. Eine solche Kenntnis ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegeben, weil der Schuldner aus Sicht des Beklagten durch die Veräußerung des Grundstücks seine "Zahlungsfähigkeit wiederherstellen" konnte. Bedurfte es aus der Warte des Beklagten des Vertragsschlusses , damit der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit wiedergewann, so erkannte der Beklagte folgerichtig, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung (§ 140 Abs. 2 InsO) zahlungsunfähig war. Selbst wenn dem Beklagten die Zahlungsunfähigkeit unbekannt gewesen wäre, hätte er doch gewusst, dass der Schuldner zur Ablösung der Zwangshypothek nicht in der Lage war; deshalb konnte sich der Beklagte redlicherweise der naheliegenden Schlussfolgerung einer im Rahmen des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO genügenden drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht verschließen. Neben der Kenntnis der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit musste dem Beklagten auch die Benachteiligung der Gläubiger bewusst sein, weil der gewerblich tätige Schuldner ersichtlich noch weitere ungedeckte Gläubigerforderungen hatte (BGHZ 149, 100, 111 f), deren Befriedigungsaussichten sich durch die Vereinbarung des nicht dem Gläubigerzugriff unterliegenden höchstpersönlichen Nutzungsrechts verschlechterten (BGH, Urt. v. 29. April 1986, aaO). Danach käme es nicht mehr darauf an, dass der Anfechtungsgegner zu beweisen hätte, der Schuldner habe später die Zahlungsfähigkeit wieder gewonnen (BGH, Urt. v. 20. Dezember 2007 aaO S. 423 Rn. 36).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 258/08 Verkündet am:
25. Januar 2010
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG § 64 Abs. 2 i.d.F. vom 15. Mai 1986 (§ 64 Satz 1 i.d.F. vom 23. Oktober
2008)

a) Sinn und Zweck des Zahlungsverbots des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. ist, die verteilungsfähige
Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der
Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte
Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (vgl. Senat, BGHZ 143,
184, 186; 146, 264, 275).

b) Zahlungen von einem debitorischen Konto an einzelne Gesellschaftsgläubiger
berühren, wenn die Bank über keine diese deckenden Gesellschaftsicherheiten
verfügt, weder die verteilungsfähige Vermögensmasse, noch gehen sie zum
Nachteil der Gläubigergesamtheit. Es handelt sich danach vielmehr um eine Zahlung
mit Kreditmitteln, welche einen bloßen, masseneutralen Gläubigertausch zur
Folge hat (vgl. BGHZ 143, 184, 187 f.; Sen.Urt. v. 26 März 2007 - II ZR 310/05,
ZIP 2007, 1006 Tz. 8).
BGH, Urteil vom 25. Januar 2010 - II ZR 258/08 - OLG Naumburg
LG Halle
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Strohn, Caliebe, Dr. Reichart und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten zu 2 werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 15. Oktober 2008 und das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 12. Juni 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 wird abgewiesen. Die Kosten erster und zweiter Instanz werden wie folgt verteilt: Von den Gerichtskosten sowie von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Kläger 5/8 selbst, der Beklagte zu 1 3/8; von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 tragen der Kläger 1/4 und der Beklagte zu 1 3/4 die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 trägt der Kläger allein. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte zu 2 war u.a. im Jahr 1999 gemeinsam mit dem nicht am Revisionsverfahren beteiligten Beklagten zu 1 Geschäftsführer der WI. Projektgesellschaft mbH (im Folgenden : Schuldnerin). Die Schuldnerin war im Jahre 1992 von der Gemeinde W. mit einem Anteil von 51 % und der WI. Immobilienkontor GmbH mit einem Anteil von 49 % gegründet worden. Unternehmensgegenstand war die Entwicklung, Planung, Erschließung und Vermarktung eines in W. geplanten Techno- und Gewerbeparks. Auf Antrag der Schuldnerin vom 22. Januar 2002 wurde am 1. März 2002 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger hat im Insolvenzverfahren bisher lediglich Forderungen der Sparkasse M. in Höhe von insgesamt 677.742,90 € für den Ausfall festgestellt. Weitere berechtigte Insolvenzforderungen gibt es nicht.
2
Mit der Behauptung, die Schuldnerin sei seit Ende 1996 im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet gewesen, hat der Kläger die Beklagten mit am 28. Februar 2007 eingereichter Klage gesamtschuldnerisch auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch genommen, die diese im Zeitraum vom 30. Juni bis 22. Dezember 1999 vom Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Sparkasse M. in Höhe von 60.138,95 € an Gläubiger der Schuldnerin geleistet haben. Ein von ihm am 23. Juni 2004 eingeleitetes Prozesskostenhilfeverfahren war am 29. August 2006 mangels Bedürftigkeit abschlägig beschieden worden.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Klage unter Abweisung im Übrigen nur in Höhe von 45.327,24 € stattgegeben. Hiergegen richtet sich die von dem erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten zu 2 (im Folgenden: Beklagter).

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils und der landgerichtlichen Entscheidung zur vollständigen Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage (§ 563 Abs. 3 ZPO).
5
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Schuldnerin sei im Jahre 1999 bei negativer Fortführungsprognose erheblich überschuldet und daher insolvenzreif gewesen. Gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. hafte der Beklagte für die danach verbotenen Zahlungen von dem Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Sparkasse M. Dem stehe die Tatsache, dass die Sparkasse die einzige Insolvenzgläubigerin sei und zudem in Kenntnis der Krise der Schuldnerin durch Gewährung eines Kontokorrentkredits die Mittel zur Befriedigung der anderen Gläubiger zur Verfügung gestellt habe, nur insoweit entgegen , als Zahlungen von dem Konto ihr selbst zugute gekommen seien. Zusammen mit einer weiteren Zahlung, hinsichtlich derer der endgültige Abfluss aus der Masse nicht dargelegt sei, sei die Klage daher nur in Höhe von 45.327,24 € begründet. Die Forderung sei auch nicht verjährt, da der Prozesskostenhilfeantrag nicht missbräuchlich gewesen sei und daher die Verjährung gehemmt habe , so dass die Klage in unverjährter Zeit erhoben worden sei.
6
II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
7
1. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist allerdings entgegen der Ansicht der Revision die tatrichterliche Feststellung, die Schuldnerin sei im hier maßgeblichen Zeitraum der von dem Beklagten veranlassten Zahlungen insolvenzreif gewesen. Das Berufungsgericht ist unter zutreffender Anwendung der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Aussagekraft der Handelsbilanz und zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der Insolvenzreife wegen Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO - in der damaligen Fassung - unter vollständiger Würdigung des Vortrags der Parteien zu der tatrichterlichen Überzeugung von der Insolvenzreife der Schuldnerin im Jahre 1999 gelangt (siehe hierzu zuletzt Sen.Urt. v. 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Tz. 9 f.; v. 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Tz. 10 jew. m.w.Nachw.). Es hat weder, wie die Revision meint, Vortrag des Beklagten zur Werthaltigkeit der Grundstücke übergangen noch Vortrag zum Vorhandensein einer positiven Fortführungsprognose fehlerhaft gewürdigt.
8
Die weiteren im Zusammenhang mit der Feststellung der Insolvenzreife seitens der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
9
2. Auf Rechtsirrtum beruht indessen die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe mit den Zahlungen von dem Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Sparkasse M. verbotene Zahlungen im Sinne des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 S.1 GmbHG n.F.) geleistet. Das Berufungsgericht hat insoweit den Kern des Vortrags des Beklagten nicht erfasst und infolgedessen in Verkennung der rechtlichen Tragweite des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. eine Haftung des Beklagten angenommen.
10
a) Sinn und Zweck des Zahlungsverbots des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. ist, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143, 184, 186; 146, 264, 275). Zahlungen von einem debitorischen Konto an einzelne Gesellschaftsgläubiger berühren aber, wenn die Bank über keine diese deckenden Gesellschaftsicherheiten verfügt, weder die verteilungsfähige Vermögensmasse, noch gehen sie zum Nachteil der Gläubigergesamtheit. Es handelt sich danach vielmehr um eine Zahlung mit Kreditmitteln, welche einen bloßen Gläubigertausch zur Folge hat (vgl. BGHZ 143, 184, 187 f.): An die Stelle der mit Kreditmitteln erfüllten Forderungen der Gesellschaftsgläubiger tritt eine entsprechend höhere Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber der Bank. Soweit durch die Erhöhung des Debet eine entsprechend höhere Zinsschuld der Gesellschaft gegenüber der Bank entsteht, stellt dies keine "Zahlung" im Sinne des § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. dar (BGHZ 143 aaO). Ansonsten werden durch die Zahlung mit Kreditmitteln weder die Masse vermindert noch die Gesellschaftsverbindlichkeiten erhöht, so dass dadurch auch keine Quotenverringerung der Gläubiger eintritt (vgl. Sen.Urt. v. 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Tz. 8).
11
b) So liegt der Fall hier: Der Beklagte hat stets vorgetragen, ohne dass der Kläger dem substantiiert entgegengetreten wäre, dass die Sparkasse M. in Kenntnis der "schwierigen" finanziellen Situation und dadurch bedingten mangelnden Liquidität der Schuldnerin dieser in Absprache - jedenfalls - mit der Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin, der Gemeinde W. , und der Kommunalaufsicht auf dem bei ihr, der Sparkasse, geführten Geschäftskonto bewusst einen, dann im Jahr 2000 noch prolongierten, Kontokorrentkredit zur Verfügung gestellt hat, um ihr, der Schuldnerin, die Fortführung der Geschäfte zu ermöglichen, ohne dabei "andere" Gläubiger zu schädigen. Insoweit sei die Sparkasse nicht nur - wie vom Kläger selbst vorgetragen - bei Insolvenzeröffnung, sondern auch im Zeitpunkt der streitigen Zahlungen wirtschaftlich betrachtet "die einzige Gläubigerin" bzw. "Hauptgläubigerin" der Schuldnerin gewesen. Dieser Vortrag steht in Übereinstimmung mit den vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen und den Angaben in den Bilanzen der Schuldnerin, wonach diese seit 1999 nur über Bankguthaben in Höhe von 200,00 DM verfügt hat.
12
Danach liegt - was das Berufungsgericht verkannt hat - ein die Haftung des Beklagten aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. ausschließender, masseunschädlicher Gläubigerwechsel vor. Es ging nach dieser, vom Berufungsgericht seiner Entscheidung mit Recht zugrunde gelegten Darstellung des Beklagten weder, wie das Berufungsgericht irrtümlich gemeint hat, um eine Verringerung der "Aktivmasse" mit Zustimmung der einzigen Insolvenzgläubigerin, noch um eine im Einvernehmen mit der einzigen Insolvenzgläubigerin erfolgte Masseverkürzung, noch um einen "Verzicht" der Sparkasse auf die Insolvenzquote.
13
III. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, kann der Senat in der Sache selbst abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage gegen den Beklagten zu 2 unter teilweiser Aufhebung der instanzgerichtlichen Entscheidungen - im Kostenpunkt auch zugunsten des Beklagten zu 1 (BGH, Urt. v. 14. Juli 1981 - VI ZR 35/79, VersR 1981, 1035, juris Tz. 16 ff.; s. auch Zöller/Herget, ZPO 28. Aufl. § 100 Rdn. 8) - in vollem Umfang abweisen.
Goette Strohn Caliebe Reichart Löffler
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 12.06.2008 - 12 O 49/04 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 15.10.2008 - 5 U 85/08 (Hs) -

(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.

(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.