Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2002 - V ZR 106/01

bei uns veröffentlicht am15.03.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 106/01 Verkündet am:
15. März 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. Februar 2001 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten um Grundstücke aus der Bodenreform.
Bei Ablauf des 15. März 1990 war der Vater des Beklagten, A. F. B., als Eigentümer zweier landwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Die Grundstücke waren ihm aus dem Bodenfonds zugewiesen worden; der Bodenreformvermerk war eingetragen. A. F. B. verstarb am 29. Januar 1968. Er wurde von seiner Ehefrau, der Mutter des Beklagten, T. M. B., geborene S., und dem Beklagten beerbt. T. M. B. verstarb am 30. April 1984. Sie wurde von dem Beklagten und W. S. beerbt. W. S. ist nicht zutei-
lungsfähig. Er übertrug durch Vertrag vom 27. April 1993 seinen Anteil am Nachlaß von T. M. B. und seinen Anteil an den Grundstücken auf den Beklagten.
Der Beklagte arbeitete seit 1973 für das Agrochemische Zentrum B. (ACZ), eine zwischengenossenschaftliche Einrichtung mehrerer landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften, die dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft administrativ zugeordnet war. Daneben betrieb er eine persönliche Hauswirtschaft, hielt im Rahmen der Nutzung landwirtschaftlicher Kleinstflächen Vieh und wurde von der örtlichen LPG regelmäßig zu Betriebsfesten eingeladen.
Am 29. April 1994 wurde er als alleiniger Eigentümer der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen. Das klagende Land (Kläger) verlangt ihre Auflassung. Der Beklagte sieht sich als besser berechtigt an. Hierzu hat er auf seine Tätigkeit für das ACZ verwiesen und geltend gemacht, nach dem Tod seiner Mutter 1984 einen Antrag auf Aufnahme in die LPG gestellt zu haben. Dieser Antrag sei abgelehnt worden, weil die LPG Differenzen mit dem ACZ durch die Aufnahme von Mitarbeitern des Zentrums habe vermeiden wollen.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Seine Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt er die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht bejaht den geltend gemachten Anspruch. Es meint, der Kläger könne gemäû Art. 233 § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB die Auflassung der Grundstücke verlangen. Auch auf der Grundlage seines Vorbringens sei der Beklagte nicht zuteilungsfähig, weil wegen der Ablehnung seines behaupteten Antrags auf Aufnahme in eine LPG eine Übertragung der Grundstücke auf ihn nicht in Betracht gekommen sei.

II.


Die Revison führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Die Revision hat allerdings keinen Erfolg, soweit sie die Zuteilungsfähigkeit des Beklagten bejaht. Der Beklagte ist nicht zuteilungsfähig im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB, weil er bei Ablauf des 15. März 1990 weder Mitglied einer LPG noch ein Antrag auf Aufnahme in eine LPG gestellt war, aufgrund dessen die Grundstücke auf ihn übertragen werden konnten.
Art. 233 § 12 Abs. 2, 3 EGBGB zeichnen die Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung in pauschalierter Weise nach (st. Rechtspr., vgl. Senat , BGHZ 132, 71, 77; Senatsurt. v. 21. Juni 1996, V ZR 284/95, WM 1996, 1865; u. v. 7. Februar 1997, V ZR 107/98, WM 1997, 785, 786). Zur Übertra-
gung von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken eines Begünstigten aus der Bodenreform auf seine Erben bedurfte es nach diesen Grundsätzen über die Tätigkeit des Erben in einem dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft administrativ zugeordneten Unternehmen hinaus (§ 1 BesitzwechselVO ) gemäû § 3 Abs. 1 BesitzwechselVO der Mitgliedschaft des Erben in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (Senat, BGHZ 136, 283, 290). Der Senat hat der Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft einen Antrag auf Aufnahme in eine solche dabei gleichgestellt (Senat, BGHZ 136, 283, 292). Ziel der Gleichstellung ist es, die Zuteilungsfähigkeit im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB auch in den Fällen anzunehmen, in denen die beantragte Aufnahme bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform am 16. März 1990 nicht mehr erfolgt ist, jedoch zu erwarten war. Die Aufhebung der Beschränkungen, die für die Grundstücke aus der Bodenreform bis zum 15. März 1990 galten, und der Umbruch der wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR im Herbst 1989/Frühjahr 1990 dürfen nämlich nicht dazu führen , daû der Erbe das Eigentum an Grundstücken verliert, die ihm nach den Grundsätzen der Besitzwechselverordnung zu übertragen waren (vgl. Senatsurt. v. 4. Mai 2001, V ZR 21/00, WM 2001, 1902, 1903). In einem solchen Fall ist daher die Zuteilungsfähigkeit des Erben zu bejahen, obwohl er am Stichtag nicht Mitglied einer LPG war.
Wurde der Antrag des Erben auf Aufnahme in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft abgelehnt, kam die Übertragung der dem Erblasser aus dem Bodenfonds zugeteilten Grundstücke auf ihn nicht in Betracht. So verhält es sich hier. Bei Ablauf des 15. März 1990 lag kein Antrag vor, der zu einer Aufnahme des Beklagten in eine landwirtschaftliche Produktionsgenos-
senschaft führen konnte und die Übertragung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke schon zuvor ermöglicht hätte (vgl. Schietsch, NJ 1965, 564, 565; Arlt/Rohde, Bodenrecht, 1967, 355; Hähnert/Richter/Rohde u.a., LPG-Recht, 1984, S. 46 ff). Der Senat hat daher die Zuteilungsfähigkeit eines Erben selbst dann verneint, wenn er zwar im Zeitpunkt des Erbfalls, jedoch bei Ablauf des 15. März 1990 nicht mehr Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft war (Senat, BGHZ 136, 283, 292).
Ohne Bedeutung ist auch, aus welchem Grund der Aufnahmeantrag des Beklagten abgelehnt wurde, sofern kein manipulatives Handeln der Organe der DDR zu der Ablehnung geführt hat. Daû es sich so verhalten habe, hat der Beklagte nicht behauptet. Ebenso ist ohne Bedeutung, daû der Beklagte im Rahmen einer persönlichen Hauswirtschaft Vieh hielt und zu den Festveranstaltungen der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft eingeladen wurde, deren Mitglied er hatte werden wollen. Eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft wurde hierdurch nicht begründet.
2. Der Rechtsstreit ist jedoch nicht zur Entscheidung reif. Nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB kann nur die Auflassung desjenigen Eigentums oder Miteigentums verlangt werden, dessen Zuordnung an den Verpflichteten nach der Absicht des Gesetzgebers durch Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB erfolgen sollte. Hieran fehlt es, soweit der Beklagte das Eigentum an den Grundstücken von W. S. erworben hat. Zur Gröûe dieses Anteils ist zu beachten, daû T. M. B. mit Inkrafttreten des Familiengesetzbuchs der DDR am 1. April 1966 gemäû § 4 EGFGB Miteigentümerin der Grundstücke in ehelicher Vermögensgemeinschaft geworden sein dürfte, sofern die Grundstücke A. F. B. vor dem
1. April 1966 aus dem Bodenfonds zugeteilt worden sind und er schon bei der Zuteilung mit T. M. B. verheiratet war (OG NJ 1970, 249, 250).
Das haben die Parteien bisher nicht gesehen. Durch die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht erhalten sie Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens.
Wenzel Tropf Schneider Klein Lemke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2002 - V ZR 106/01

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2002 - V ZR 106/01

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG
Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2002 - V ZR 106/01 zitiert 1 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2002 - V ZR 106/01 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2002 - V ZR 106/01 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2001 - V ZR 21/00

bei uns veröffentlicht am 04.05.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 21/00 Verkündet am: 4. Mai 2001 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2002 - V ZR 106/01.

Bundesgerichtshof Urteil, 28. März 2003 - V ZR 156/02

bei uns veröffentlicht am 28.03.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 156/02 Verkündet am: 28. März 2003 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGH

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 21/00 Verkündet am:
4. Mai 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
EGBGB 1986 Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 3
Bei einem im Herbst 1989 oder später eingetretenen Erbfall reicht es für die Feststellung
der Zuteilungsfähigkeit des Erben hin, daß er seinen Lebensunterhalt in
erheblichem Umfang durch eine landwirtschaftliche Tätigkeit verdient und vor Ablauf
des 15. März 1990 seinen Willen zu einem Eintritt in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft
bekundet hat.
BGH, Urt. v. 4. Mai 2001 - V ZR 21/00 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. November 1999 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten um Zahlungs- und Übertragungspflichten wegen eines Grundstücks aus der Bodenreform.
Bei Ablauf des 15. März 1990 war K. H. als Eigentümer des im Grundbuch von G. Blatt Nr. v erzeichneten aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Das Grundstück war ihm aus dem Bodenfonds zugewiesen worden. K. H. hatte es in eine LPG eingebracht. Er verstarb am 10. Dezember 1989. Er wurde von seiner
Tochter, der Beklagten, beerbt. Sie war als Verkäuferin teilzeitbeschäftigt. Daneben zog sie Schweine auf und baute Obst und Gemüse an. Am 21. Juni 1990 erteilte ihr das Staatliche Notariat P. einen Erbschein, der ihre alleinige Rechtsnachfolge nach dem Verstorbenen ausweist.
Durch Vertrag vom 3. März 1992 verkaufte sie eines der ererbten Flurstücke für 525.825 DM an das klagende Land (im folgenden: Kläger). Der Kaufpreis wurde bezahlt; der Kläger wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit der Klage verlangt er von der Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises und Auflassung des in ihrem Eigentum verbliebenen restlichen Grundstücks. Die Beklagte hat ihre bessere Berechtigung behauptet und geltend gemacht, der im Grundbuch eingetragene Bodenreformvermerk habe sich nicht auf das an den Kläger verkaufte Flurstück bezogen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat ihr das Oberlandesgericht stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht stellt fest, der in das Grundbuch eingetragene Bodenreformvermerk habe das an den Kläger veräußerte Flurstück umfaßt. Es meint, die Beklagte habe den für das verkaufte Flurstück bezahlten Kaufpreis nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB dem Kläger zu erstatten und ihm gemäß Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB das restliche Grundstück aufzulassen.
Der Kläger sei im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB besser berechtigt als die Beklagte. Diese sei nicht zuteilungsfähig, weil sie vor Ablauf des 15. März 1990 weder einen Antrag auf Zuteilung des Bodenreformgrundstücks beim Rat des Kreises gestellt habe, noch Mitglied einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft gewesen sei oder einen schriftlichen Antrag auf Aufnahme in eine solche Genossenschaft gestellt habe. Daher könne dahingestellt bleiben, ob die von ihr neben ihrer Teilzeitbeschäftigung als Verkäuferin ausgeübte Tätigkeit als Tätigkeit in der Landwirtschaft im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB zu bewerten sei.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts , der in das Grundbuch eingetragene Bodenreformvermerk habe das dem Kläger verkaufte Flurstück umfaßt. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch die Zuteilungsfähigkeit der Beklagten im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 1. Altern. EGBGB verneint. Bei einem im Herbst 1989 oder später eingetretenen Erbfall reicht es für die Feststellung der Zuteilungsfähigkeit hin, daß der Erbe seinen Lebensunterhalt in erheblichem Umfang durch eine landwirtschaftliche Tätigkeit verdient hat und vor Ablauf des 15. März 1990 seinen Willen zu einem Eintritt in eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft bekundet hat.

Ziel der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch eingefügten Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform ist es, im Wege pauschalierter Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung die Grundstücke aus der Bodenreform demjenigen zukommen zu lassen, dem sie bei ordnungsgemäßen Handeln der Behörden der DDR zu übertragen waren. Fehlte es nach den Grundsätzen der Besitzwechselverordnung an einem Berechtigten , waren die Grundstücke in den Bodenfonds zurückzuführen. Ist die Rückführung zu Unrecht unterblieben, sind die Grundstücke nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB dem Fiskus des Landes aufzulassen, in dem sie belegen sind. Im Übertragungsanspruch des Fiskus setzt sich die unterlassene Rückführung fort (st. Rechtspr., vgl. Senat, BGHZ 132, 71, 78; 136, 283, 289). Waren die Voraussetzungen der Besitzwechselverordnung für die Rückführung eines Grundstücks in den Bodenfonds nicht gegeben, scheidet ein Anspruch des Fiskus auf Auflassung aus. So verhält es sich im vorliegenden Falle auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten.

a) Ohne Bedeutung für die Entscheidung des Rechtsstreits ist, daß die Beklagte bis zum Ablauf des 15. März 1990 keinen Antrag auf Übertragung des Grundstücks an den Rat des Kreises gestellt hatte. Bei der Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung stellt Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzflächen allein darauf ab, ob diese Flächen nach der Besitzwechselverordnung einem Erben des verstorbenen Begünstigten zugewiesen oder übergeben waren, der Erbe zuteilungsfähig war, oder ob sie in den Bodenfonds zurückzuführen waren. Der Frage, ob der Erbe vor Ablauf des 15. März 1990 einen Übertragungsantrag an
den Rat des Kreises gestellt hatte, kommt bei der Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung und damit der Feststellung der Berechtigung eines Erben nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a, Buchst. b, Abs. 3 EGBGB keine Bedeutung zu.

b) Die Zuteilungsfähigkeit der Beklagten kann auch nicht deshalb verneint werden, weil sie vor dem 16. März 1990 keinen schriftlichen Antrag auf Aufnahme in eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gestellt hatte.
Die Übertragung des Rechts zur Bewirtschaftung eines landwirtschaftlich nutzbaren Grundstücks aus der Bodenreform auf einen Erben des Begünstigten setzte nach § 4 Abs. 1 BesitzwechselVO voraus, daß der Erbe das Grundstück "zweckentsprechend" nutzen würde. Diese Voraussetzung war, wie der Gegenschluß aus § 3 Abs. 1 Satz 1 BesitzwechselVO ergibt, nur gegeben, wenn der Erbe Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft war. Das hat den Senat veranlaßt, als Voraussetzung für die Zuteilungsfähigkeit eines Erben im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB die Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft zu verlangen. Für die Übertragung einer Bodenreformwirtschaft genügte allerdings nach einhelliger Auffassung der Rechtslehre der DDR, daß der Erbe die LPG-Mitgliedschaft erst nach dem Erbfall erwarb (Schietsch, NJ 1965, 564, 565; Arlt/Rohde, Bodenrecht , 1967, 355; Hähnert/Richter/Rohde u.a., LPG-Recht, 1984, S. 46 ff). Dem hat der Senat dadurch Rechnung getragen, daß er als zuteilungsfähig auch denjenigen angesehen hat, der bei Ablauf des 15. März 1990 zwar nicht Mitglied einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft war, aber einen Antrag auf Aufnahme gestellt hatte, aus dem sich seine Bereitschaft zum Ein-
tritt in eine solche ergab (Senat, BGHZ 136, 283, 292). Noch nicht entschieden hat der Senat dagegen die Frage, ob es ausreicht, daß der Erbe seine Bereitschaftet in eine LPG einzutreten, auch auf andere Weise bekundet hat. Dies ist für einen Erbfall, der in der Zeit der Wende in der DDR eingetreten ist, zu bejahen.
Die Mitgliedschaft des Erben in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft oder ein Antrag auf Aufnahme in eine solche dürfen in einem solchen Fall nicht als Voraussetzung der Zuteilungsfähigkeit verlangt werden. Eine andere Auffassung würde die tatsächliche Situation in der DDR in dieser Zeit nicht berücksichtigen, dem Erben keine Zeit lassen, einen Entschluß zu bilden, und zur Übertragung von Grundstücken an den Fiskus führen, bei denen nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie in den Bodenfonds zurückgeführt worden wären. Daß der Erbe eines Begünstigten, der im Herbst 1989 oder im Winter 1989/1990 verstorben ist, bei Ablauf des 15. März 1990 keinen Antrag auf Aufnahme in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft gestellt hatte, braucht nicht auf Desinteresse an der Nachfolge in die Bodenreformwirtschaft zu beruhen, sondern kann der üblichen Behandlung der Nachfolge in die Bodenreformgrundstücke entsprechen. Nicht selten ist dem Erben, wie die Beklagte behauptet, auch geraten worden, mit einem Antrag auf Aufnahme in eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft zuzuwarten. Schließlich kann die Antragstellung im Hinblick auf den politischen und wirtschaftlichen Umbruch in der DDR unterblieben sein. Dies darf nicht dazu führen , einem Erben Grundstücke zu nehmen, die ihm ohne die Aufhebung der Besitzwechselverordnung und ohne die Ä nderung der Verhältnisse in der DDR zugeteilt worden wären.
Ist der Erbfall im Herbst 1989 oder später eingetreten, muß es zur Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze der Besitzwechselverordnung daher als hinreichend angesehen werden, daß der Erbe seinen Lebensunterhalt zu einem erheblichen Teil durch eine Tätigkeit in der Landwirtschaft verdient und seinen Entschluß zu erkennen gegeben hat, in eine LPG einzutreten. Hiervon ist auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten auszugehen. Sie hat behauptet , im Januar 1990 den ökonomischen Leiter der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, in der ihr Vater Mitglied war, wegen des von ihr beabsichtigten Eintritts in die Genossenschaft und der Übertragung des Grundstücks angesprochen zu haben. Der Angesprochene habe ihr geraten, zunächst einen Erbschein zu erwirken und erst dann einen Antrag auf Aufnahme in die Genossenschaft zu stellen.

c) Ohne Bedeutung ist auch, daß die Beklagte bei Ablauf des 15. März 1990 neben ihrer Tätigkeit in der Landwirtschaft auch als Verkäuferin tätig war. Art. 233 § 12 Abs. 3 EGBGB hat zum Ziel, in pauschalierter Form die von der Besitzwechselverordnung für eine Nachfolge in die Bodenreformwirtschaft verlangte Eignung des Erben zur Bewirtschaftung der Grundstücke nachzuzeichnen. Als Voraussetzung dieser Eignung bedurfte es nach der Besitzwechselverordnung keiner ausschließlichen Tätigkeit des Erben in der Land- oder Forstwirtschaft. Dem ist im Rahmen der Nachzeichnung der Zuteilungsgrundsätze Rechnung zu tragen. Eine ausschließliche Tätigkeit in diesen Wirtschaftszweigen kann nicht verlangt werden. Zuteilungsfähig ist vielmehr auch, wer seinen Lebensunterhalt zu einem erheblichen Teil durch eine solche Tätigkeit verdient hat. Hierzu hat die Beklagte geltend gemacht, sie habe schon zu Lebzeiten ihres Vaters ihren Lebensunterhalt zum größeren Teil durch die Mast von Jungschweinen und die Erzeugung von Obst und Gemüse verdient.

3. Zu einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits ist der Senat nicht in der Lage, weil das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, zu den maßgeblichen Gesichtspunkten keine Feststellungen getroffen hat. Rein vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Berechtigung des Klägers aus Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB der von der Beklagten aus Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB in Anspruch genommenen Berechtigung nachgeht. Zur Abwehr der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche obliegt es daher nicht der Beklagten, ihre bessere Berechtigung beweisen, sondern es obliegt dem Kläger , den Beweis der Unrichtigkeit des Vorbringens der Beklagten zu führen.
Wenzel Schneider Krüger Klein Gaier