Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2008 - V ZR 175/07

bei uns veröffentlicht am10.10.2008
vorgehend
Landgericht Essen, 16 O 239/04, 19.10.2006
Oberlandesgericht Hamm, 22 U 8/07, 18.06.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 175/07 Verkündet am:
10. Oktober 2008
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 276 Fb (Verschulden bei den Vertragsverhandlungen)
Dass der Verkäufer von Wohnungs- oder Teileigentum eine Mietgarantie übernimmt,
lässt seine Verpflichtung nicht entfallen, den Käufer darüber aufzuklären, dass das
zur Vermögensbildung bestimmte Kaufobjekt leer steht und nicht vermietet ist.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2008 - V ZR 175/07 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juni 2007 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagten sind Gesellschafter der L. GbR (Gesellschaft ). Die Gesellschaft erwarb 1994 ein bebautes Grundstück in D., um dieses nach Teilung gemäß § 8 WEG als Wohnungs- bzw. Teileigentum weiterzuverkaufen. Mit Notarvertrag vom 17. November 1994 kauften der Klä- ger und seine Lebensgefährtin für 176.000 DM eine der Eigentumswohnungen und eine Garage. Zum Abschluss des Kaufvertrags kam es, nachdem die Herren D. und H. dem Kläger und seiner Lebensgefährtin eine Berechnung vorgelegt hatten, nach welcher die Miete für die Wohnung monatlich 556 DM, die Miete für die Garage monatlich 420 DM, die Belastung durch den Kauf bei vollständiger Finanzierung nach Steuern monatlich 68,10 DM betrage und die Gesellschaft auf die Dauer von drei Jahren die Mieten garantiere.
2
Der Kaufpreis wurde von der C. AG (C. ) finanziert. Die Gesellschaft verwaltete Wohnung und Garage für den Kläger und seine Lebensgefährtin. Sie garantierte auf die Dauer von drei Jahren die Zahlung der Mieten für Wohnung und Garage und überwies nach Abzug von Instandhaltungs - und Verwaltungskosten an den Kläger und seine Lebensgefährtin monatlich 910 DM. Zins und Tilgung auf die von der C. gewährten Darlehen leistete der Kläger allein.
3
Tatsächlich war die Garage in der Vergangenheit für monatlich 420 DM als Lager vermietet gewesen. Das Mietverhältnis war seit September 1994 beendet. Bei Abschluss des Kaufvertrags stand die Garage leer. Ihre Vermietung für monatlich 420 DM gelang nicht mehr.
4
Nach Ablauf der Garantiezeit war der Kläger nicht mehr in der Lage, die bei der C. aufgenommenen Darlehen zu bedienen und seine Verpflichtungen gegenüber der Eigentümergemeinschaft zu erfüllen. Wohnung und Garage wurden zwangsversteigert. Der Erlös reichte nicht aus, die zum Erwerb aufgenommenen Darlehen vollständig zurückzuführen und die Belastungen und Kosten zu decken, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Kauf entstanden waren.
5
Der Kläger hat geltend gemacht, seine Belastung aus dem Kauf habe von Anfang an den Betrag von monatlich 68,10 DM überstiegen. Der vereinbarte Kaufpreis sei sittenwidrig überhöht, die Gesellschaft habe ihn durch D. und H. fehlerhaft beraten und den Leerstand der Garage bei den Vertragsverhandlungen verschwiegen. Er hat beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von seinen Verpflichtungen gegenüber der C. und der Wohnungseigentümergemeinschaft freizustellen, 25.097,47 € Schadensersatz zuzüglich Zinsen an ihn zu bezahlen und festzustellen , dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm die Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Abschluss des Kaufvertrags künftig entstünden.
6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I.


7
Das Berufungsgericht verneint die geltend gemachten Ansprüche. Dass der vereinbarte Kaufpreis sittenwidrig überhöht sei, könne ebenso wenig festgestellt werden wie das Zustandekommen eines Beratungsvertrages zwischen den Parteien. Die dem Kläger und seiner Lebensgefährtin übergebene Musterberechnung habe nicht auf Angaben zu der tatsächlichen Steuerbelastung beruht und sei ausdrücklich als unverbindlicher Finanzierungsvorschlag bezeichnet gewesen. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen begründet. Im Hinblick auf die übernommene Garantie habe die Gesellschaft den Kläger und seine Lebensgefährtin ohne besondere Frage nicht über den Leerstand der Garage aufklären müssen.

II.


8
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Auf die Angriffe der Revision gegen die Verneinung des Zustandekommens eines Beratungsvertrags zwischen dem Kläger und seiner Lebensgefährtin einerseits und der Gesellschaft andererseits durch das Berufungsgericht kommt es nicht an. Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche sind schon unter dem Gesichtspunkt der schuldhaften Verletzung der Pflichten der Gesellschaft bei den Vertragsverhandlungen begründet, für die die Beklagten entsprechend § 128 Satz 1 HGB einzustehen haben.
10
2. a) Im Rahmen von Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, besteht für jeden Vertragspartner die Pflicht, den jeweils anderen über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können und für den Entschluss zum Abschluss des Vertrags von wesentlicher Bedeutung sind, sofern die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann (st. Rspr., vgl. Senat, Urt. v. 2. März 1979, V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; Urt. v. 25. Juni 1982, V ZR 143/81, WM 1982, 960, 961; Urt. v. 26. Januar 1996, V ZR 42/94, NJW-RR 1996, 690; Urt. v. 19. Mai 2006, V ZR 264/05, NJW 2006, 3139, 3141, insoweit in BGHZ 168, 35 ff. nicht wiedergegeben). Ebenso besteht die Pflicht, dem Vertragspart- ner keine Umstände vorzuspiegeln, die für dessen Entscheidung wesentlich sein können, in Wirklichkeit jedoch nicht vorliegen (Senat, Urt. v. 24. November 1995, V ZR 40/94, NJW 1996, 451, 452). Ein zur Darstellung der Belastung aus dem Kauf von Wohnungs- und Teileigentum zur Vermögensbildung bestimmtes Berechnungsbeispiel ist dazu bestimmt, in dem Umworbenen den Entschluss zum Kauf zu erwecken oder zu bestärken. Die in dem Beispiel angegebenen Mieten bilden die Grundlage der Berechnung. Der Gedanke, dass diese tatsächlich nicht erzielt werden, liegt für den Kaufinteressenten fern. Für ihn erscheint als selbstverständlich, dass die Angaben des Verkäufers zu der oder den erzielten Mieten zutreffend sind. Verhält es sich so nicht, muss der Verkäufer daher auch ohne Frage hierüber aufklären.
11
b) Daran ändert sich nicht dadurch etwas, dass die Angaben zu den Mieterlösen Bestandteil eines "unverbindlichen Finanzierungsvorschlags" sind und der Verkäufer das Risiko des Ausbleibens von Mietzahlungen durch den Abschluss eines Garantievertrags zeitweilig übernimmt. Bei vollständiger Finanzierung des Kaufpreises kann der Erwerb von Immobilieneigentum allenfalls dann zu wirtschaftlichem Erfolg führen, wenn ein nachhaltiges Leerstandsrisiko nicht besteht. So verhält es sich von vornherein nicht, wenn das Kaufobjekt oder wesentliche Teile von diesem - wie hier die Garage - schon bei Abschluss des Kaufvertrags nicht zu den in den Verhandlungen angegebenen Konditionen vermietet sind. Die Bezeichnung eines Berechnungsbeispiels als "unverbindlich" ändert hieran nichts. Der Verkäufer erweckt durch die Übergabe des Beispiels die Annahme, die in diesem angegebenen Mieten würden erzielt. Der Käufer muss zwar damit rechnen, das Risiko eines künftigen Leerstands zu tragen. Er kann und braucht jedoch nicht davon auszugehen, dass er nicht nur dieses Risiko trägt, sondern sein Erwerb von Anfang nicht mehr als eine Speku- lation auf eine künftige Vermietbarkeit zu den von dem Verkäufer in den Kaufvertragsverhandlungen angegebenen Konditionen bedeutet.
12
c) Das gilt auch dann, wenn der Verkäufer das Leerstandsrisiko durch die Vereinbarung einer Garantie zeitlich beschränkt übernimmt. Eine auf die Dauer von drei Jahren befristete Garantie stellt bei einer vollständigen Finanzierung des Kaufpreises keine nachhaltige Sicherung des Käufers dar, die den Verkäufer von der Verpflichtung zur Aufklärung über die tatsächlichen Umstände der Vermietung befreien könnte (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juni 2000, III ZR 305/98, ZfIR 2000, 606, 607). So liegt es insbesondere, wenn sich die angeblich erzielte Miete wie im vorliegenden Fall auf einen ungewöhnlich hohen Betrag beläuft.
13
d) Auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von den Beklagten aufgeworfene Frage, ob es der Gesellschaft gemäß § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen ist, dass D. und H. die gebotene Aufklärung über den Leerstand der Garage unterlassen haben, kommt es nicht an. Die Pflicht zur Aufklärung traf die Gesellschaft. Der Vorwurf, die Aufklärung pflichtwidrig unterlassen zu haben, entfiele nicht, wenn sich die Gesellschaft zur Werbung des Klägers und seiner Lebensgefährtin nicht der Tätigkeit von D. und H. als Verhandlungsgehilfen bedient hätte.
14
e) Dass der Kläger und seine Lebensgefährtin bei Aufklärung über den Leerstand der Garage den Vertrag vom 17. November 1994 nicht abgeschlossen hätten, ergibt sich schon daraus, dass der Kaufpreis vollständig finanziert wurde und der Kläger zur Bedienung seiner Darlehensverpflichtungen darauf angewiesen war, die für die Garage angegebene Miete dauerhaft zu erhalten. Dass der Kläger durch den Abschluss des Kaufvertrags und die durch diesen bedingte Notwendigkeit zur Darlehensaufnahme nachhaltig in seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt wurde und schon deshalb unabhängig von der Höhe des vereinbarten Kaufpreises und dem Wert des Wohnungs- und Teileigentums durch den Abschluss des Kaufvertrags einen Schaden erlitten hat (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2007, V ZR 89/06, ZfIR 2007, 797, 798), ist offensichtlich und wird von den Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Die Gesellschaft und damit die Beklagten schulden dem Kläger als Ersatz Freistellung von den im Zusammenhang mit dem Kauf der Wohnung und der Garage gegen den Kläger begründeten Forderungen, den von dem Landgericht erkannten Betrag nebst Zinsen und den Ersatz derjenigen Schäden, die dem Kläger durch den Abschluss des Kaufvertrags noch entstehen.

III.


15
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 ZPO.
Krüger Klein Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 19.10.2006 - 16 O 239/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.06.2007 - 22 U 8/07 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2008 - V ZR 175/07

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2008 - V ZR 175/07

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

Handelsgesetzbuch - HGB | § 128


Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2008 - V ZR 175/07 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

Handelsgesetzbuch - HGB | § 128


Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 8 Teilung durch den Eigentümer


(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt das Eigentum an dem Grundstück in Miteigentumsanteile in der Weise teilen, dass mit jedem Anteil Sondereigentum verbunden ist. (2) Im Fall des Absatzes 1 gelten

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2007 - V ZR 89/06

bei uns veröffentlicht am 30.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 89/06 Verkündet am: 30. März 2007 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juni 2000 - III ZR 305/98

bei uns veröffentlicht am 15.06.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄ UMNISURTEIL III ZR 305/98 Verkündet am: 15. Juni 2000 Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2008 - V ZR 175/07.

Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2009 - II ZR 266/07

bei uns veröffentlicht am 02.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 266/07 Verkündet am: 2. März 2009 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt das Eigentum an dem Grundstück in Miteigentumsanteile in der Weise teilen, dass mit jedem Anteil Sondereigentum verbunden ist.

(2) Im Fall des Absatzes 1 gelten § 3 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 und 3, § 4 Absatz 2 Satz 2 sowie die §§ 5 bis 7 entsprechend.

(3) Wer einen Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum gegen den teilenden Eigentümer hat, der durch Vormerkung im Grundbuch gesichert ist, gilt gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und den anderen Wohnungseigentümern anstelle des teilenden Eigentümers als Wohnungseigentümer, sobald ihm der Besitz an den zum Sondereigentum gehörenden Räumen übergeben wurde.

Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
III ZR 305/98 Verkündet am:
15. Juni 2000
Freitag
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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Zur Haftung für Fehler einer von einer Unternehmensgruppe ausgearbeiteten
Immobilienberechnung, die Grundlage für eine Entscheidung ihrer Kunden
war, Wohnungseigentum zu erwerben und den Kaufpreis und die mit dem Erwerb
weiter verbundenen Kosten voll durch Kreditaufnahme zu finanzieren.
BGH, Versäumnisurteil vom 15. Juni 2000 - III ZR 305/98 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Oktober 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Beklagte, die der H. Unternehmensgruppe angehört, war Initiatorin, Projektplanerin und nach ihren eigenen Angaben Prospektherausgeberin für das Modernisierungsobjekt J. in M., das zum Ziel hatte, ein unter Denkmalschutz stehendes ehemaliges Mädchenwohnheim so umzubauen und zu modernisieren , daß 92 Eigentumswohnungen entstehen sollten. Bauträger und Verkäufer für die vorgesehenen Eigentumswohnungen war die K. GmbH. In den Erwerb war unter anderem die H. GmbH eingeschaltet, die auf der Grundlage von Geschäftsbesorgungsverträgen mit Erwerbsinteressenten in deren Namen Verträge über den Erwerb von Wohnungseigentum und die Finanzierung abschloß. Nach Kenntnisnahme einer von der H. Unternehmensgruppe ausgearbeiteten und den Klägern von dem als "Wirtschaftlichkeitsberater" auftretenden N. präsentierten Berechnung vom 10. Januar 1994, die auf ihre persönlichen Verhältnisse zugeschnitten war und die Auswirkungen der Werbungskosten , Abschreibungen und Finanzierungsaufwendungen bis zum Jahr 1997 darstellte, entschlossen sich die Kläger zum Kauf einer Eigentumswohnung zum Preis von 124.992 DM; zur Finanzierung aller mit dem Erwerb zusammenhängenden Kosten nahmen sie zwei Kredite von insgesamt 165.600 DM auf.
Da sich in der Folgezeit die finanziellen Prognosen nicht verwirklichten, insbesondere auch Zahlungen aus einer Mietgarantie ausblieben, verlangen die Kläger unter dem Gesichtspunkt fehlerhafter Beratung und Aufklärung mit ihrer Klage von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 165.600 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abgabe einer notariellen Erklärung, mit der der Be-
klagten Eigentum an der Wohnung eingeräumt werden soll. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dies ist, da die Revisionsbeklagte im Verhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil auszusprechen, das inhaltlich auf einer Sachprüfung beruht (BGHZ 37, 79,

81).


I.


Das Berufungsgericht verneint eine Haftung der Beklagten als Initiatorin des Modernisierungsobjekts. Die Grundsätze über die Prospekthaftung führten hier zu keiner Haftung der Beklagten, da sie tatsächlich weder einen Prospekt noch eine sonstige schriftliche Verkaufsinformation herausgegeben habe. Eine Haftung werde auch nicht durch das Unterlassen einer Prospektherausgabe begründet, weil es insoweit an einer gesetzlich normierten Pflicht fehle und den Initiator eine generelle Informationspflicht für mögliche Anleger nicht treffe. Die Beklagte hafte ferner nicht für mögliche Fehler in der Berechnung vom 10. Januar 1994. Denn die Kläger hätten nicht bewiesen, daß die den Absen-
der "H. Unternehmensgruppe" ausweisende Berechnung von der Beklagten stamme oder die Kläger das angenommen hätten. Im übrigen weise die Berechnung keine Unrichtigkeiten auf. Soweit der Vermittler N. eingeschaltet gewesen sei, hätten die Kläger nicht bewiesen, daß er für die Beklagte aufgetreten sei oder sie fehlerhaft beraten habe.

II.


Diese Beurteilung hält den Rügen der Revision in maßgebenden Punkten nicht stand.
1. Eine Haftung der Beklagten kommt aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung eines Beratungsvertrages in Betracht. Mit der Berechnung vom 10. Januar 1994 sollte auf der Grundlage der Einkommenssituation der Kläger dargestellt werden, wie sich der beabsichtigte Erwerb der zur Vermietung vorgesehenen Immobilie bei einer Vollfinanzierung des Kaufpreises und der mit dem Erwerb verbundenen Nebenkosten in der Zeit von 1994 bis 1997 in der Liquidität der Kaufinteressenten auswirkte. Die Berechnung weist als Erwerber die Kläger und als Berater die H. Unternehmensgruppe aus. Sie sollte, wie in dem Schriftstück formuliert wird, Entscheidungshilfe für die Kaufinteressenten sein, war also erkennbar Grundlage für eine weittragende Entscheidung der Kläger, die über kein Eigenkapital verfügten und angesichts des ihnen angebotenen Engagements auf eine zuverlässige Information angewiesen waren (vgl. hierzu Senatsurteil vom 19. März 1992 - III ZR 170/90 - NJW-
RR 1992, 1011). Es ist daher vom stillschweigenden Abschluß eines Beratungsvertrages der Kläger mit der H. Unternehmensgruppe auszugehen.
Dieser Würdigung steht nicht der Hinweis in der Berechnung entgegen, der Erwerber solle unbedingt seinen persönlichen Berater auf die in ihr angegebenen ca.-Werte ansprechen. Denn hierdurch wird nicht in Frage gestellt, daß die von der H. Unternehmensgruppe herrührende Berechnung Grundlage der Beratung sein sollte und gewesen ist.
2. Die Revision beanstandet mit Recht, daß das Berufungsgericht die Berechnung der H. Unternehmensgruppe nicht der Beklagten zugerechnet hat.

a) Gibt eine Unternehmensgruppe, die für sich betrachtet kein Rechtssubjekt ist, sondern sich nach dem naheliegenden Sinn dieser Bezeichnung aus einer Mehrheit von Personen im Rechtssinne zusammensetzt, eine Erklärung ab, mit der entsprechend den vorstehenden Ausführungen eine vertragsmäßige Beratung übernommen wird, dann entstehen grundsätzlich zu jedem Mitglied einer solchen Personenmehrheit, das mit dem in Frage stehenden Projekt befaßt und auch nach seiner Firmenbezeichnung der Unternehmensgruppe zuzuordnen ist, entsprechende rechtsgeschäftliche Beziehungen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Unternehmensgruppe - wie hier - nicht deutlich macht, daß die von ihr abgegebene Erklärung nur ein bestimmtes Mitglied treffen soll. Daß der Vertragspartner bei Begründung des geschäftlichen Kontaktes Kenntnis davon hat, wer der Unternehmensgruppe im einzelnen angehört , ist nicht notwendige Voraussetzung dafür, daß überhaupt vertragliche Beziehungen zu den - im Streitfall gesamtschuldnerisch haftenden - Mitgliedern der Gruppe begründet werden. Der Umstand, daß die Kläger im Zeitpunkt ihrer
Beratung aufgrund der Berechnung vom 10. Januar 1994 noch keine Kenntnis von der Beklagten und den von ihr wahrgenommenen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Modernisierungsobjekt hatten, schließt daher eine vertragliche Beziehung zwischen den Parteien nicht aus. Die vertragliche Einbindung der Beklagten beruht insoweit auf ihrer Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe und auf ihrer - hier als Initiatorin sogar maßgeblichen - Befassung mit dem Projekt. Stellt sie nicht von sich aus in Frage, daß der oder die für die H. Unternehmensgruppe Handelnden befugt gewesen seien, in ihrem Namen Erklärungen abzugeben, besteht kein Vertretungsproblem. Es kommt dann auch nicht darauf an, ob bei Fehlen einer entsprechenden Vertretungsberechtigung eine Rechtsscheinhaftung begründet sein könnte, was das Berufungsgericht offenbar verneinen möchte. Ebensowenig ist es unter diesen Umständen, die dadurch gekennzeichnet sind, daß die Urheberschaft hinsichtlich der Berechnung in einer den Kunden benachteiligenden Weise verschleiert wird, entscheidend , welches der der Unternehmensgruppe angehörenden Unternehmen die Berechnung gefertigt hat.

b) Zudem ist nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht einmal auszuschließen , daß die Berechnung von der Beklagten selbst stammt. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat sich auf Befragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht dazu erklären können, welches Unternehmen der H. Unternehmensgruppe die Berechnung vom 10. Januar 1994 erstellt hat. Soweit im Tatbestand des angefochtenen Urteils hierzu wiedergegeben wird, die Beklagte habe in erster Instanz behauptet, die Berechnung stamme von der H.-F.-K.-GmbH - diese Angaben greift das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen erkennbar mit dem Bemerken auf, sie seien nicht widerlegt -, rügt die Revision mit Recht, daß den erstinstanzlichen Schriftsätzen
der Beklagten eine entsprechende Behauptung nicht zu entnehmen ist. Auch das landgerichtliche Urteil weist eine solche Behauptung der Beklagten nicht aus, sondern stellt im Gegenteil fest, N. habe den Klägern im Zuge der Beratungsgespräche eine Ankaufsberechnung der Beklagten mit der Aufschrift "H. Unternehmensgruppe" überreicht. Da der Tatbestand des Berufungsurteils gemäß § 314 ZPO Beweis nur für das mündliche Vorbringen vor dem erkennenden Gericht und nicht für das Parteivorbringen im ersten Rechtszug erbringt (vgl. BGH, Urt. v. 10. November 1995 - V ZR 179/94 - WM 1996, 89, 90), fehlt es hinsichtlich der Urheberschaft der Berechnung an einer das Revisionsgericht bindenden Feststellung.
3. Geht man davon aus, daß sich die Beklagte als ein Mitglied der H. Unternehmensgruppe die Berechnung vom 10. Januar 1994 zurechnen lassen muß, dann läßt sich - wie die Revision mit Recht rügt - auch nicht verneinen, daß der Vermittler N. in ihrem Pflichtenkreis tätig geworden ist. Daß N. nicht wußte, welchem Unternehmen der H. Unternehmensgruppe der von ihm in seiner Zeugenaussage genannte Ansprechpartner T. angehörte, ist nicht entscheidend. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Firma G. und Partner, für die N. seinerzeit tätig war, einen Vertriebsvertrag mit einem bestimmten anderen Unternehmen der H. Unternehmensgruppe als der Beklagten hatte. Für den hier in Rede stehenden Beratungsvertrag ist entscheidend, daß den Klägern die für den Vertrieb zuständige Gesellschaft weder in der Ankaufsberechnung noch durch den Vermittler offengelegt wurde. Dem an den Vermittler gerichteten Anschreiben ist zu entnehmen, daß er - wenn er nicht gar der in der Berechnung genannte persönliche Berater sein sollte - von der H. Unternehmensgruppe eingeschaltet wurde, um die Berechnung mit den Kaufinteressenten zu besprechen, sie auf dieser Grundlage zu beraten und ihre Ent-
schließung zu fördern. Die H. Unternehmensgruppe und die für sie haftende Beklagte können sich der Verantwortung für die Vertragsverhandlungen, die der Sache nach mit dem Angebot der Kläger auf Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit der H. GmbH abgeschlossen waren, nicht durch Einschaltung eines selbständigen Vermittlers entziehen (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1998 - III ZR 158/97 - NJW 1998, 2898, 2899). Die Beklagte hat daher nach § 278 BGB für ein etwaiges Fehlverhalten des Vermittlers einzustehen.
4. Was die Richtigkeit der Immobilienberechnung angeht, beanstandet die Revision den Vortrag und Beweisantritt der Kläger als übergangen, in M. werde für Mietwohnungen in vergleichbarer Wohnanlage ein maximaler Mietzins von 10 DM pro Quadratmeter gezahlt und sei als ortsüblich anzusehen, während die Immobilienberechnung einen Quadratmeterpreis von 22 DM zugrunde lege. Ein solcher Preis sei nach dem Vorbringen der Kläger als absolute Ausnahme nur in reinen Spitzenlagen und für die erworbene Wohneinheit in einem Altbau unter keinen Umständen erzielbar. Das Berufungsgericht, das sich im Hinblick auf seine Rechtsauffassung nur knapp mit der Richtigkeit der Immobilienberechnung beschäftigt hat, geht auf das insoweit streitige Vorbringen nicht näher ein. Die Klärung dieser Frage ist nicht deshalb entbehrlich, weil den Klägern für die ersten fünf Jahre eine Mietgarantie in Höhe der veranschlagten Miete gegeben worden ist. Denn im Rahmen der hier in Rede stehenden Immobilienberechnung kam es nicht allein darauf an, ob die zugrunde gelegten Zahlen für den Zeitraum von 1994 bis 1997 zutrafen; daß sich die Verhältnisse für den anschließenden Zeitraum grundlegend ändern konnten, mußte ebenfalls offengelegt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn - wie hier - das gesamte Vorhaben fremdfinanziert wird und die Diskrepanz so erheblich ist, wie sie von den Klägern behauptet wird.

Soweit in der Immobilienberechnung ausgeführt wird, für die Richtigkeit könne keine Haftung übernommen werden, liegt hierin eine nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG unzulässige Einschränkung der Haftung für die Erfüllung einer sogenannten Kardinalpflicht (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2000 - III ZR 62/99 - WM 2000, 426, 429). Denn es war gerade Gegenstand des Beratungsvertrages , die Kläger richtig und umfassend für die von ihnen zu treffende Anlageentscheidung zu informieren.

III.


Danach kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
1. Sollte die Beklagte erstmals in Frage stellen, die für die Unternehmensgruppe Handelnden seien nicht befugt gewesen, für sie verbindliche Erklärungen abzugeben, kommt ihre Haftung aus Rechtsscheingesichtspunkten in Betracht. Da sie Projektplanerin, Initiatorin des Bauvorhabens und nach ihren Angaben Prospektherausgeberin war, wird sie sich schwerlich darauf berufen können, ihr sei das Tätigwerden der H. Unternehmensgruppe unbekannt gewesen. Vielmehr liegt der Verdacht einer Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse nahe. Einer Rechtsscheinhaftung stünde daher auch nicht entgegen, daß die Kläger von der genauen Firmenbezeichnung der Beklagten und ihren Aufgaben in der Unternehmensgruppe erst mit Abgabe des Angebots auf Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrages Kenntnis erlangt haben.

2. Im weiteren Verfahren besteht auch Gelegenheit, auf die Rüge der Revision näher einzugehen, die auf die Liquidität abstellende Berechnung hebe nicht genügend hervor, daß die durch Abschluß eines Lebensversicherungsvertrages sicherzustellende Tilgung unberücksichtigt geblieben sei und den in steuer- und immobilienrechtlichen Dingen unerfahrenen Klägern nicht vor Augen gestanden habe. Es besteht auch Anlaß zur näheren Prüfung, inwieweit die Beklagte verpflichtet war, auf Risiken hinzuweisen, die sich aus der der Berechnung zugrunde gelegten höheren Abschreibung nach § 7 i EStG ergeben konnten und sich hier nach dem Vorbringen der Kläger verwirklicht haben.
Rinne Wurm Streck
Schlick Dörr

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 89/06 Verkündet am:
30. März 2007
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Dass die wirtschaftlichen Folgen eines Kaufs der Erwartung des Käufers nicht entsprechen
, führt allein nicht zu einem Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer
auf Rückabwicklung des Vertrags.

b) Ein Anspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten oder wegen Verletzung
von Pflichten aus einem selbständigen Beratungsvertrag kann auf die Freistellung
von den Pflichten aus dem Kaufvertrag gegen Rückübertragung des
Kaufgegenstands gerichtet werden, wenn dem Käufer durch die Pflichtverletzung
ein Vermögensschaden entstanden ist.
BGH, Urt. v. 30. März 2007 - V ZR 89/06 - OLG Dresden
LG Dresden
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. März 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 14. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit Notarvertrag vom 29. September 1998 kaufte der Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung in L. . Er macht geltend, die Beklagte habe sich zum Vertrieb der Wohnung der Firma C. bedient, die wiederum die Herren W. und H. mit dem Vertrieb beauftragt habe. W. und H. hätten ihn dadurch zum Vertragsabschluss veranlasst, dass sie ihm eine Modellrechnung vorgelegt hätten, nach welcher er ohne Ein- satz von Eigenkapital die Wohnung nach Steuern mit einer monatlichen Belastung von weniger als 50 DM erwerben könne. Tatsächlich sei seine laufende Belastung weit höher.
2
Der Kläger verlangt von der Beklagten nach näherer Maßgabe Ersatz seiner Aufwendungen für den Kauf der Wohnung gegen deren Rückübertragung. Das Landgericht hat die Behauptung einer fehlerhaften Darstellung der monatlichen Belastung des Klägers durch den Erwerb der Wohnung für nicht erwiesen angesehen und die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers.

Entscheidungsgründe:


I.


3
Das Berufungsgericht hält die Klage für im Wesentlichen begründet. Es meint, der Kläger habe die Wohnung in der Erwartung erworben, hierfür weniger als 50 DM pro Monat aus seinem laufenden Einkommen aufwenden zu müssen. Diese Erwartung sei unzutreffend gewesen; der für den Erwerb der Wohnung monatliche Aufwand sei erheblich höher. Dass ein Betrag von weniger als 50 DM pro Monat nicht ausreichte, die Wohnung zu erwerben, hätten W. und H. gewusst. Ihr Wissen und Handeln habe sich die Beklagte zurechnen zu lassen.
4
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


5
Es fehlt schon an Festsstellungen zu einem Haftungstatbestand, den das Berufungsgericht zudem noch nicht einmal konkret benennt.
6
Dass die wirtschaftlichen Folgen eines Kaufs der Erwartung des Käufers nicht entsprechen, führt allein nicht zu einem Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer auf Rückabwicklung des Vertrags (MünchKomm-BGB/Westermann, 3. Aufl. § 433 Rdn. 62; Staudinger/Köhler, BGB [1995] Rdn. 134).
7
Werden Eigentumswohnungen aufgrund einer Beratung über die wirtschaftlichen Folgen des Erwerbs, insbesondere unter Einsatz von Berechnungsbeispielen , die die Auswirkungen des Erwerbs auf das von dem Käufer zur Verfügung bleibende Einkommen unter Berücksichtigung steuerlicher Umstände zum Gegenstand haben, vertrieben, kann eine Verantwortlichkeit des Verkäufers gegenüber dem Käufer nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Betracht kommen, wenn die Angaben des Verkäufers oder eines für diesen tätigen Verhandlungsgehilfen unrichtig sind (vgl. Senat, BGHZ 114, 263, 266; Urt. v. 26. November 1997, V ZR 29/96, WM 1997, 2309). Darüber hinaus kann neben dem Kaufvertrag ein Beratungsvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Käufer zustande kommen (st. Rechtspr., vgl. Senat, BGHZ 140, 111, 115; 156, 371, 374; Urt. v. 20. November 1987, V ZR 66/86, WM 1987, 95, 96; v. 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1813; v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 821; v. 15. Oktober 2004, V ZR 223/03, WM 2005, 69,

70).


8
Ist dem Verkäufer die Unrichtigkeit seiner Angaben vorzuwerfen und erleidet der Käufer hierdurch einen Schaden, kann der Käufer wegen der Verletzung der vorvertraglichen Pflichten des Verkäufers oder der Verletzung dessen Pflichten als Berater als Ersatz die Freistellung von den Pflichten aus dem Kaufvertrag gegen Rückübertragung der verkauften Wohnung verlangen (Senat , Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, WM 2003, 1686, 1687; v. 8. Oktober 2004, V ZR 223/03, WM 2004, 2349, 2350). Ob dem Kläger ein Schaden entstanden ist, hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht festgestellt. Der Umstand, dass er bei vollständiger Information über die erforderlichen Aufwendung den Vertrag nicht geschlossen hätte, begründet einen allein von § 123 BGB sanktionierten Angriff auf die Entschließungsfreiheit, belegt aber nicht die Entstehung eines für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Vermögensschadens (Senat, Urt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302; v. 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; v. 19. Dezember 1997, V ZR 112/96, NJW 1998, 898; v. 22. Dezember 1999, VIII ZR 111/99, NJW 2000, 1254; Krüger , Festschrift Kohlhosser, 2004, S. 239 ff.). Der Schaden des Käufers muss dabei nicht in einem Minderwert der Wohnung liegen. Für die Feststellung eines Schadens reicht es vielmehr aus, dass der Käufer durch den Abschluss des Kaufvertrags in seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit nachhaltig beeinträchtigt wird (vgl. Senat, aaO).
9
Dass der Kläger im Hinblick auf die Höhe seiner monatlichen Belastungen bei einem Kauf der Wohnung eine unzutreffende Erwartung hegte, wie es das Berufungsgericht als unstreitig ansieht, bedeutet kein der Beklagten zurechenbares Fehlverhalten ihrer Vertriebsbeauftragten oder die Verletzung eines Beratungsvertrags zwischen den Parteien. So verhält es sich nur, wenn die Erwartung des Klägers Folge einer unvollständigen oder fehlerhaften Beratung war oder W. und H. die unzutreffende Erwartung des Klägers erkannt haben oder erkennen mussten und es vorwerfbar unterlassen haben, den Irrtum des Beklagten zu korrigieren. Dass es sich so verhält, ist nicht festgestellt.

III.


10
Soweit die nachzuholenden Feststellungen nach den dargestellten Grundsätzen dazu führen, die Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit der Beklagten gegenüber dem Kläger zu bejahen, gibt das angefochtene Urteil Anlass darauf hinzuweisen, dass die Beklagte den Vortrag des Klägers bestritten hat, der Kläger habe für seine "Finanzberatung" an die C. Zahlungen geleistet. Fehlt es hieran, kann ein zum Ersatz verpflichtender Fehler bei der Beratung des Klägers nicht daraus folgen, dass die Belastung des Klägers durch den Kauf der Wohnung aus diesem Grund höher ist, als der Kläger erwartet hat. Den Beweis der von der Beklagten bestrittenen Behauptung hat der Kläger zu führen.
11
Der Beklagten obliegt es auch nicht, Überweisungsbelege vorzulegen aus denen sich die Verwendung von der Firma C. vereinnahmter Zahlungen des Klägers ergibt. Die Beklagte hat behauptet, Zahlungen des Klägers an die C. seien zur Ablösung von dem Kläger anderweit aufgenommener Darlehen verwendet worden, auf die er nach seiner Selbstauskunft monatlich 480 DM zu zahlen gehabt habe. Hierzu hat das Berufungsgericht dem Kläger aufgegeben, darzustellen, was aus den Darlehen geworden sei. Dies hat der Kläger bisher unterlassen. Damit fehlt jeder Anlass, von der Beklagten zur weiteren Substantiierung ihres Vortrags die Vorlage von Belegen zu verlangen.

IV.


12
Das Verfahren des Berufungsgerichts und das angefochtene Urteil geben Anlass, von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 07.05.2004 - 13 O 1224/03 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 08.03.2006 - 11 U 1105/04 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)