Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2012 - V ZR 23/11

bei uns veröffentlicht am03.02.2012
vorgehend
Amtsgericht Lübeck, 31 C 1868/08, 26.09.2008
Landgericht Lübeck, 14 S 257/08, 22.12.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 23/11 Verkündet am:
3. Februar 2012
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind Erbbauberechtigte an einem der Klägerin gehörenden Grundstück. In dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 9. April 1949 heißt es u.a.: "3. Der Erbbauberechtigte hat an die jeweilige Grundstückseigentümerin als Erbbauzins jährlich einen Betrag zu zahlen, der 10 (zehn) vom Hundert des mit DM 3,- für den Quadratmeter angenommenen Wertes der Fläche entspricht. Die Grundstückseigentümerin behält sich vor, den Wert für den Grund und Boden zu erhöhen, wenn weitere Aufschließungskosten für das Gelände entstehen.
Der Erbbauzins ist in vierteljährlichen Teilbeträgen am 1. Werktage der Monate Januar, April, Juli und Oktober hinterher zahlbar. Der Erbbauzins ist durch Eintragung einer Reallast sicherzustellen. 4. Für die ersten 5 (fünf) Jahre ermäßigt sich der Erbbauzins auf 4 (vier) vom Hundert des angenommenen Wertes der Fläche. Die Höhe des danach zu entrichtenden Erbbauzinses wird alle 5 (fünf) Jahre, erstmalig am 1. Januar 1955 von der Finanzverwaltung festgesetzt werden. Gegen die späteren Festsetzungen steht dem Erbbauberechtigten nur die Beschwerde beim Senat, der endgültig entscheidet, offen."
2
Bis Oktober 1983 wurde der Erbbauzins schrittweise auf 10 % des angenommenen Grundstückswerts erhöht; das ergibt 183,60 Euro pro Jahr.
3
Die Beklagten erwarben das Erbbaurecht im Jahr 1987. Sie schlossen mit der Klägerin einen Schuldübernahmevertrag, in welchem sie in den schuldrechtlichen Teil der Erbbaurechtsbestellung eintraten und alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen anstelle des Veräußerers übernahmen.
4
Im April 2004 verlangte die Klägerin - gestützt auf eine sich aus den arithmetischen Mitteln der Steigerung der Lebenshaltungskosten sowie der Löhne und Gehälter ergebende Steigerungsrate von 876,1 % - einen jährlichen Erbbauzins von 1.792,12 €. Die Beklagten sollten vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2008 jährlich 719,76 €, vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 jährlich 1.255,92 € und ab dem 1. Juli 2010 den vollen Jahresbetrag (1.792,12 €) zahlen. Dem kamen sie nicht nach, sondern zahlten weiterhin nur den ursprünglichen Betrag von 183,60 € pro Jahr.
5
Der auf die Verurteilung zur Zahlung von 1.072,32 € (Differenz zwischen gezahltem und gefordertem Erbbauzins von Oktober 2006 bis Juli 2008) zuzüglich 75,96 € bezifferter Zinsen und von weiteren 268,08 € vierteljährlich vom 1. Oktober 2008 bis 1. Juli 2010 gerichteten Klage hat das Amtsgericht stattgegeben. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 1.066,50 € nebst 75,54 € Zinsen und zur Zahlung weiterer 1.066,50 € verurteilt. Mit der von diesem zugelassenen Revision will die Klägerin die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen. Die Beklagten streben mit ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage an. Beide Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des anderen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.

6
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf jährlich 716,85 € verlangen. Die von den Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses sei durch eine Entwicklung der Kaufkraft des Geldes entfallen, welche beide Parteien nicht vorausgesehen hätten. Die Regelungen in Nr. 3 und 4 des Vertrags seien dahin auszulegen, dass ursprünglich ein Erbbauzins von 4 % habe vereinbart werden sollen, der bis zu einer Grenze von 10 % habe erhöht werden können. Dabei handele es sich nicht um eine typische Wertanpassungsklausel ; allerdings habe die Klausel auch dem Zweck der Wertsicherung dienen sollen. Die Anpassungsmöglichkeit sei durch die 10 %-Grenze beschränkt. Diese Grenze sei jedoch nicht als Risikobegrenzung für den Erbbauberechtigten , sondern lediglich als eine theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigungspflicht nach § 3 WährG vereinbart worden. Es handele sich um eine Anpassungsklausel, die aus unvorhergesehenen Gründen ihren Zweck nicht mehr erfüllen könne. Deshalb müsse eine Anpassung ebenso wie in den Fällen möglich sein, in denen der Erbbaurechtsbestellungsvertrag keine Anpassungsmöglichkeit enthalte, wobei von einem anfänglichen Erbbauzins von 4 % auszugehen sei. Der Umstand, dass die Klägerin bei früheren Erhöhungen oder in früherer Zeit einen möglichen Erhöhungsanspruch nicht ausgeschöpft habe, bewirke nicht, dass sie nunmehr für einen späteren Zeitraum den von der Rechtsprechung eröffneten Erhöhungsrahmen nicht ausschöpfen dürfe.
7
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

8
Zur Revision der Beklagten:
9
1. Die Revision ist wegen der Bindung des Senats an die Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO) statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig.
10
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
11
a) Das folgt allerdings nicht daraus, dass das Berufungsgericht der Klägerin einen um 268,08 € pro Vierteljahr erhöhten Erbbauzins für acht Vierteljahre zugesprochen hat, obwohl die Klägerin diese Anpassung nur für sieben Vierteljahre (1. Oktober 2008 bis 1. Juli 2010) verlangt hat. Denn ein - von Amts wegen zu berücksichtigender (BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 - I ZR 245/98, NJW-RR 2002, 255, 257) - Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor, weil der von dem Berufungsgericht ausgeurteilte Betrag unter dem von der Klägerin beantragten Betrag liegt.
12
b) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Höhe des Erbbauzinses einer Anpassung unterliegt, die nach oben nicht durch die in Ziffer 3 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte 10 %-Grenze beschränkt ist. Das hat der Senat bereits in dem Parallelverfahren V ZR 31/11 entschieden (Urteil vom 18. November 2011, GuT 2011, 404 f.).
13
aa) Die Auslegung, der Vertrag ermögliche die Erhöhung des Erbbauzinses bis zu einer Grenze von 10 % des angenommenen Grundstückswerts, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von beiden Parteien hingenommen. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, die 10 %-Grenze sei als eine lediglich theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigung nach § 3 WährG und nicht als Risikobegrenzung für den Erbbaurechtserwerber vereinbart worden. Die Beklagten rügen zutreffend, dass dies nach dem Tatbestand des Berufungsurteils eine Stütze lediglich in dem Vortrag der Klägerin, nicht aber in den Feststellungen des Berufungsgerichts findet. Darauf kommt es indes im Ergebnis nicht an und ebenfalls nicht auf die von den Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht sie, sondern die Klägerin habe darlegen und beweisen müssen, dass die 10 %-Grenze keine "echte" Obergrenze habe sein sollen. Auch die weiteren Rügen, mit denen die Beklagten die Verneinung einer Obergrenze für das Erhöhungsverlangen angreifen, bleiben erfolglos.
14
bb) Zu Unrecht stützt sich das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des Senats zur Anpassung der Höhe des Erbbauzinses über die ursprünglich vereinbarte Höhe hinaus unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in der speziellen Ausgestaltung der Äquivalenzstörung (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 ff.; Urteil vom 23. März 1980 - V ZR 20/78, BGHZ 77, 194, 197 ff.). Denn sie ist zu solchen Erbbaurechtsverträgen ergangen, in denen keine Anpassungsklauseln vereinbart worden waren. Hier ist das Berufungsgericht jedoch - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - davon ausgegangen, dass eine Anpassungsklausel vereinbart worden ist. Da diese, wie es weiter rechtsfehlerfrei und unangegriffen festgestellt hat, auch der Wertsicherung dienen, die Klägerin also gegen das Risiko eines Kaufkraftschwundes in geeigneter Form absichern sollte , diesen Zweck jedoch seit der letzten Anpassung nicht mehr erfüllen kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 8. November 1972 - VIII ZR 123/71, WM 1972, 1442; Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 417, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407; Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141). Diese hat Vorrang vor einer Anwendung der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04, BGHZ 164, 286, 292).
15
c) Die ergänzende Vertragsauslegung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin - wie sie meint - die Höhe des Erbbauzinses nach billigem Ermessen bestimmen kann (vgl. § 315 BGB). Ein solches Bestimmungsrecht steht ihr nach dem Wortlaut der Ziffern 3 und 4 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags nicht zu, soweit es um eine die 10 %-Grenze übersteigende Erbbauzinshöhe geht. Das Bestimmungsrecht verstieße im Übrigen gegen die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF.
16
3. Die ergänzende Auslegung muss das Berufungsgericht nachholen.
17
a) Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten; zunächst ist an die in dem Vertrag vereinbarten Regelungen und Wertungen anzuknüpfen (Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679). Somit ist von den Regelungen in Ziffern 3 und 4 des Vertrags auszugehen, welche (auch) der Wertsicherung dienen sollten. Deshalb kann die Auslegung ergeben, dass eine Anhebung des Erbbauzinses nach Maßgabe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten dem entspricht, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Ungeeignetheit der nach oben begrenzten Anpassungsklausel bewusst gewesen wäre, und wenn sie dabei die Gebote von Treu und Glauben beachtet hätten; denn die Preisindizes für die Lebenshaltungskosten sind ein unmittelbarer Spiegel der Preisentwicklung, eine hieran orientierte Anpassung bewirkt daher einen von den Parteien gewollten Ausgleich des Kaufkraftschwunds (vgl. Senat , Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 414, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407). Eine Berücksichtigung auch der Entwicklung der Einkommen läge dagegen nicht mehr im Rahmen des von den Parteien verfolgten Ziels, sondern führte dazu, auch die Änderung des Lebensstandards in die Höhe des Erbbauzinses einfließen zu lassen ; das hätte nichts mit der Schließung der Vertragslücke zu tun (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, aaO).
18
b) Da die Vertragsparteien die Klägerin gegen die Risiken eines Kaufkraftschwunds in geeigneter Form absichern wollten und zu diesem Zweck eine nach § 3 WährG genehmigungsfreie Anpassungsklausel vereinbart haben, kann es ihrem hypothetischen Willen entsprechen, die vorstehend unter a) beschriebene Anpassungsmöglichkeit in der Weise zu verwirklichen, dass jede Partei die Neufestsetzung der Höhe des Erbbauzinses - nach Ablauf einer mindestens dreijährigen Frist (§ 9a Abs. 1 Satz 5 ErbbauRG) - verlangen kann, wenn die Lebenshaltungskosten seit der jeweils vorausgegangenen Festset- zung um mehr als einen bestimmten Prozentsatz gestiegen oder gefallen sind (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juli 1981- V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141 f.). Deshalb und weil die vereinbarte Anpassungsklausel ab dem 1. Oktober 1983 ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten seit diesem Zeitpunkt maßgeblich; für die Zeit davor bleiben die in Ziffern 3 und 4 vereinbarten Regelungen verbindlich (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679, 680).
19
c) Der - eventuelle - vertragliche Anpassungsanspruch ist in der Höhe nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG beschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden; als Bemessungsgrundlagen dienen die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise und - mit gleicher Gewichtung - die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel (siehe nur Senat, Urteil vom 3. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679, 681) bzw. - für die Zeit ab dem 1. Januar 2007 - die Entwicklung der auf Grund von § 3 des Verdienststatistikgesetzes erhobenen Verdienste (vgl. BR-Drucks. 557/06 S. 8).
20
4. Erst wenn sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses nicht feststellen lässt, kommt die von dem Berufungsgericht bejahte Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese hat der Senat zwar bisher nur bei Verträgen ohne wertsichernde Klausel bejaht (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 f.). Sie ist aber auch dann möglich, wenn eine vereinbarte Wertsicherungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Denn ab diesem Zeitpunkt besteht kein Unterschied zu einem von Anfang an ohne Wertsicherungsklausel abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag , soweit es um Äquivalenzstörungen geht. Für die davor liegende Zeit seit Vertragsschluss gilt jedoch die vereinbarte Klausel. Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - darauf abzustellen ist, ob durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit dem 1. Oktober 1983 die Grenze des für die Klägerin Tragbaren überschritten worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Erbbaurechtsausgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur dann, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 mit umfangreichen Nachweisen). Ob das, ausgehend von der letzten Erbbauzinsanpassung im Jahr 1983, der Fall ist, hat das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt. Das wird es ggf. nachholen müssen.

III.

21
Zur Revision der Klägerin:
22
1. Die Revision ist ebenfalls statthaft und auch im Übrigen zulässig.
23
2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.
24
a) Ohne Erfolg macht die Klägerin allerdings geltend, sie habe die Höhe des Erbbauzinses nach billigem Ermessen bestimmen können. Ein solches Bestimmungsrecht steht ihr nicht zu (siehe die vorstehenden Ausführungen unter II. 2. c; ebenso Senat, Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11, GuT 2011, 404, 405).
25
b) Im Ergebnis erfolgreich rügt die Klägerin jedoch die von dem Berufungsgericht vorgenommene Berechnung der Höhe des angepassten Erbbauzinses. Diese hat - wie vorstehend unter II. 4. ausgeführt - keinen Bestand. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Lübeck, Entscheidung vom 26.09.2008 - 31 C 1868/08 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 22.12.2010 - 14 S 257/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2012 - V ZR 23/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2012 - V ZR 23/11

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei


(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist. (2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. (3) Sol

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Erbbaurechtsgesetz - ErbbauV | § 9a


(1) Dient das auf Grund eines Erbbaurechts errichtete Bauwerk Wohnzwecken, so begründet eine Vereinbarung, daß eine Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann, einen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses nur, soweit diese unter Berücksichtigung
Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2012 - V ZR 23/11 zitiert 6 §§.

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 245/98 Verkündet am:
21. Juni 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Kinderhörspiele

a) Der Urheber, der nach § 36 Abs. 1 UrhG eine angemessene Beteiligung fordert
, braucht nicht darzutun, daß die unerwartet hohen Erträgnisse aus der
Nutzung seines Werkes gerade auf seinem schöpferischen Beitrag beruhen.
Doch kann ein grobes Mißverhältnis zwischen der vereinbarten Gegenleistung
und den Erträgnissen dann zu verneinen sein, wenn der Urheber nur
einen untergeordneten Beitrag zu dem Werk geleistet hat (im Anschluß an
BGHZ 137, 387, 397 – Comic-Übersetzungen I).

b) Der Urheber, der nach § 36 Abs. 1 UrhG Anspruch auf Einwilligung in eine
Vertragsänderung hat, kann die Anhebung seiner Vergütung auf eine (noch)
angemessene Beteiligung beanspruchen. Eine Anhebung, durch die lediglich
das grobe Mißverhältnis entfällt, reicht nicht aus.
Ist dem Kläger bei der Berechnung seines Klageanspruchs ein Fehler zu seinem
Nachteil unterlaufen mit der Folge, daû er weniger beantragt, als ihm bei Zugrundelegung
seiner Rechtsauffassung bei zutreffender Berechnung zustehen würde,
sind – wenn sich der Fehler keiner Position zuordnen läût – alle Klagepositionen
anteilsmäûig zu kürzen.
BGH, Urt. v. 21. Juni 2001 – I ZR 245/98 – OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und
die Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin und auf die Anschluûrevision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg , 3. Zivilsenat, vom 30. Juli 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als ± die Beklagte über den Betrag von 61.813,87 DM (zuzüglich 4 % Zinsen aus 57.813,69 DM seit 17. März 1994 und aus 61.813,87 DM seit 29. Oktober 1996) hinaus zur Zahlung verurteilt worden ist; ± das Berufungsgericht die Klageabweisung hinsichtlich der Titel a) bis f) der Dschungelbuch-Serie und hinsichtlich der Bambi-Serie (BU 7/8) bestätigt hat, wobei 139.445,66 DM des Klageantrags zuzüglich Zinsen auf diese zehn Hörspielproduktionen entfallen.
Die weitergehende Anschluûrevision wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Verfasserin zahlreicher Manuskripte für Kinderhörspiele. Die Beklagte vertreibt diese ± in ihrem Auftrag von einem Dritten produzierten ± Hörspiele auf Musikkassetten zu einem günstigen Preis (Verkaufspreis ca. 10 DM). Die Klägerin erhielt für jedes Hörspiel vereinbarungsgemäû ein Honorar in Höhe von zunächst 1.500 DM, später 1.750 DM. Im Hinblick auf den Erfolg der Hörspiele verlangt sie eine Anpassung der Verträge und Zahlung der Differenz zu einem angemessenen Honorar, das sie mit 5 % des Herstellerabgabepreises (Preis der Abgabe an den Handel) bemiût.
Nachdem die Klägerin ihre Klage beschränkt hat, sind noch drei zwischen 1991 und 1993 produzierte Hörspielserien im Streit: die sog. Dinosaurier-Serie mit zehn, die Dschungelbuch-Serie mit neun und die Bambi-Serie mit vier Titeln. Die Dinosaurier-Serie knüpft mit eigenen Geschichten und selbst erfundenen Charakteren an den Film “Jurassic Park” an; die anderen beiden Serien verwenden Charaktere aus den bekannten Walt-Disney-Vorlagen, um eigene Geschichten zu erzählen. Mit Ausnahme der ersten drei Titel der Dschungelbuch-Reihe, die noch mit 1.500 DM entgolten wurden, hat die Klägerin für jedes dieser Hörspiele 1.750 DM erhalten. Bis Oktober 1996 wurden von den zehn Hörspielen der Dinosaurier-Serie 341.973, von den neun Hörspielen der Dschungelbuch-Reihe 395.506 und von den vier Bambi-Titeln 224.638 Exemplare verkauft. Bei einem Herstellerabgabepreis von zunächst 5,65 DM, ab 1994 6,21 DM ergeben sich daraus Bruttoerlöse der Beklagten in Höhe von 1.947.252,33 DM für die Hörspiele der Dinosaurier-Serie, 2.291.676,26 DM für die Hörspiele der DschungelbuchReihe und 1.344.937,90 DM für die Bambi-Hörspiele.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr sei zu Beginn der Zusammenarbeit mit der Beklagten bedeutet worden, daû ein nennenswerter Ertrag aus dem Vertrieb der Hörspielkassetten nicht zu erwarten sei. Von dem erfolgreichen Verkauf der Kassetten habe sie erst wesentlich später erfahren.
Das Landgericht hat die zunächst erhobene unbezifferte Klage abgewiesen. Nachdem die Beklagte im Laufe des weiteren Verfahrens die Verkaufszahlen für die fraglichen Hörspielproduktionen mitgeteilt hat, hat die Klägerin ihren Antrag beziffert und zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 221.823,27 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen und in eine Vertragsänderung einzuwilligen, wonach für jeden seit dem 29. Oktober 1996 verkauften Tonträger der im einzelnen benannten Hörspiele der Serien “Dinosaurier”, “Bambi” und “Dschungelbuch” eine Umsatzbeteiligung in Höhe von 5 % des Listenabgabepreises an den Handel zu zahlen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Auf die Bestimmung des § 36 UrhG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil ihre Hörspiele einer Mischkalkulation unterworfen seien. Neben den erfolgreichen Produktionen, die die Klägerin zum Gegenstand des Klageantrags gemacht habe, gebe es eine Reihe von Hörspielen, die noch nicht einmal die Herstellungskosten eingespielt hätten. Im übrigen beruhe der Erfolg der Hörspiele nicht so sehr auf der schöpferischen Leistung der Klägerin als auf den aus anderen Filmen und Romanen bekannten Figuren , für deren Verwendung sie, die Beklagte, Lizenzgebühren habe zahlen müssen, sowie auf ihren besonderen Verkaufsaktivitäten und ihrem guten Namen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daû die Klägerin die Voraussetzung des § 36 UrhG nicht dargetan habe. Das Berufungsgericht hat einen Zahlungs- und Vertragsanpassungsanspruch der Klägerin hin-
sichtlich der sechs ersten Titel der Dinosaurier-Reihe bejaht und die Beklagte zur Zahlung von 71.469,14 DM zuzüglich Zinsen sowie hinsichtlich dieser Titel zur Einwilligung in die beantragte Vertragsanpassung verurteilt. Im übrigen ± also hinsichtlich der vier neueren Titel der Dinosaurier-Reihe sowie hinsichtlich sämtlicher Titel der Dschungelbuch- und der Bambi-Reihe ± hat das Berufungsgericht die Klageabweisung bestätigt.
Hiergegen richten sich die Revision der Klägerin sowie die Anschluûrevision der Beklagten. Die Revision der Klägerin hat der Senat nur hinsichtlich der ersten sechs (von neun) Titeln der Dschungelbuch-Reihe und hinsichtlich der vier Titel der Bambi-Reihe angenommen. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin die abgewiesenen Klageanträge weiter. Die Beklagte tritt der Revision entgegen und begehrt mit der Anschluûrevision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Anschluûrevision der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Dagegen hat die Revision der Klägerin in dem Umfang Erfolg, in dem sie vom Senat angenommen worden ist.
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin hinsichtlich der Hörspielmanuskripte für die ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Serie einen Anspruch auf Vertragsanpassung und Zahlung nach § 36 Abs. 1 UrhG zugebilligt, einen solchen Anspruch dagegen hinsichtlich der anderen Produktionen dieser Serie
sowie hinsichtlich sämtlicher Produktionen der Dschungelbuch- und der BambiSerie verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Bestimmung des § 36 UrhG setze voraus, daû das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung besonders schwerwiegend gestört sei und das Verhältnis der beiden Leistungen zueinander jedem billig und gerecht Denkenden als unzumutbar erscheine, wobei nicht auf den Gewinn, sondern auf die Bruttoerlöse abzustellen sei. Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich der ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Serie erfüllt. Auch wenn der erfolgreiche Film ªJurassic Parkº als Anregung gedient habe und die durch diesen Film entstandene Begeisterung für Dinosaurier ausgenutzt worden sei, handele es sich um eigenständig von der Klägerin geschaffene Hörspielmanuskripte. Dabei sei die Leistung der Klägerin für den besonderen Verkaufserfolg ursächlich gewesen, der allerdings nur bei den ersten sechs Produktionen festzustellen sei. Für derartige Autorenleistungen sei ± wie eine Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft ergeben habe ± jedenfalls eine prozentuale Beteiligung am Verkaufserlös in Höhe von 5 % gerechtfertigt. Dazu stehe ± was die ersten sechs Folgen der Dinosaurier-Serie angehe ± die der Klägerin tatsächlich gewährte Vergütung in einem groben Miûverhältnis. Die Beklagte habe mit den zehn Folgen dieser Serie Erlöse von 1.947.252,33 DM erzielt. Dem stünden Pauschalhonorare der Klägerin von 1.750 DM für jede Folge, insgesamt also 17.500 DM, gegenüber. Dieses Miûverhältnis sei für die Klägerin bei Vertragsschluû noch nicht voraussehbar gewesen.
Dagegen seien die weiteren Ansprüche der Klägerin unbegründet. Zwar hätten sich die Serien ªDschungelbuchº und ªBambiº sehr gut ± teilweise sogar noch besser als die Hörspiele der Dinosaurier-Serie ± verkauft. Eine Erhöhung der Vergütung für die Klägerin komme indessen nicht in Betracht, weil die Be-
klagte für diese Produktionen erhebliche Lizenzzahlungen an den Walt-DisneyKonzern habe leisten müssen. Der Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft sei zu entnehmen, daû eine prozentuale Beteiligung des Autors am Verkaufserlös in den Fällen ausscheide, in denen die bearbeiteten Stoffe auf bekannten Vorlagen beruhten. Dieser Umstand sei der Klägerin im Zweifel bekannt gewesen. Auûerdem sei bei einem populären Stoff wie dem des Dschungelbuchs auch von vornherein mit einer erfolgreichen Vermarktung zu rechnen gewesen. Schlieûlich sei zu berücksichtigen, daû die Beklagte bei einer Reihe von Hörspielen der Klägerin nicht unerhebliche Verluste habe hinnehmen müssen.
II. Zur Anschluûrevision der Beklagten:
Die Anschluûrevision, mit der sich die Beklagte gegen die erfolgte Verurteilung richtet, ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Prüfung grundsätzlich stand. Lediglich ein Rechenfehler im Klagevorbringen nötigt zu einer Korrektur des der Klägerin zugesprochenen Betrages.
1. Zutreffend und von der Anschluûrevision unbeanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daû die fraglichen Hörspielmanuskripte der Klägerin als Sprachwerke urheberrechtlichen Schutz genieûen.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Anschluûrevision dagegen, daû das Berufungsgericht der Klägerin hinsichtlich der sechs ersten Titel der Dinosaurier-Serie dem Grunde nach einen Anspruch auf Vertragsanpassung und ± für die Vergangenheit ± Gewährung einer angemessenen Beteiligung zugebilligt hat.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daû ein Anspruch des Urhebers auf Einwilligung in eine Vertragsanpassung nach § 36 Abs. 1 UrhG in Betracht kommt, wenn dem Verwerter aus der Werknutzung unerwartet hohe Erträgnisse zugeflossen sind, die zu dem dem Urheber gezahlten Entgelt in einem groben Miûverhältnis stehen (vgl. BGHZ 115, 63, 66 ± HoroskopKalender ; 137, 387, 396 ± Comic-Übersetzungen I). Dabei ist ± wie das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht ausgeführt hat ± nicht auf den Gewinn, sondern auf den Bruttoerlös abzustellen (BGHZ 115, 63, 68 ± Horoskop-Kalender; Schrikker in Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., § 36 UrhG Rdn. 10; Spautz in Möhring /Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 36 Rdn. 9). Ob von einem groben Miûverhältnis gesprochen werden kann, richtet sich ± wie das Gesetz sagt ± nach den gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem Verwerter; hierbei sind die den Gewinn des Verwerters schmälernden Aufwendungen zu berücksichtigen.

b) Daû das Berufungsgericht im Streitfall hinsichtlich der sechs ersten Produktionen der Dinosaurier-Reihe ein solches grobes Miûverhältnis bejaht hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daû die Beklagte bis Ende Oktober 1996 über 270.000 Kassetten dieser Hörspiele verkauft hat, woraus sich Erlöse von über 1,5 Mio. DM errechnen. Die Klägerin hat für diese sechs Produktionen ein Honorar in Höhe von 10.500 DM ± das sind weniger als 0,7 % der Erlöse ± erhalten. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich ferner, daû für derartige Autorenleistungen eine Beteiligung von mindestens 5 % des Verkaufserlöses als angemessen anzusehen ist.
Ohne Erfolg wendet die Anschluûrevision demgegenüber ein, das Berufungsgericht habe es versäumt, die Verluste zu berücksichtigen, die bei anderen Produktionen von Hörspielen der Klägerin eingetreten seien. Zwar kann der Ver-
werter im Rahmen der Prüfung, ob ein grobes Miûverhältnis zwischen Erträgnissen und Entgelt besteht, auf Verluste verweisen, die er bei der Vermarktung früherer Werke des Urhebers erlitten hat (Begründung zu § 36 UrhG des Regierungsentwurfs , BT-Drucks. IV/270, S. 58; Schricker aaO § 36 UrhG Rdn. 11; Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 36 UrhG Rdn. 6). Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich jedoch, daû das Berufungsgericht das entsprechende Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis genommen und seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Zu einer weitergehenden Berücksichtigung, insbesondere zu einer Verneinung des groben Miûverhältnisses, gab der Vortrag der Beklagten, auf den die Anschluûrevision verweist, keinen Anlaû. Zwar hat die Beklagte danach nicht mit sämtlichen Hörspielen der Klägerin einen Gewinn erwirtschaftet. Doch läût sich dem Vorbringen der Beklagten nicht im einzelnen entnehmen, in welcher Höhe Verluste eingetreten sind, die nicht durch laufende andere Produktionen von Hörspielen der Klägerin kompensiert werden konnten. Schlieûlich ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daû das der Klägerin gezahlte Entgelt verhältnismäûig kraû von dem noch als angemessen anzusehenden Honorar abweicht und in derartigen Fällen eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen eines groben Miûverhältnisses spricht (vgl. BGHZ 115, 63, 67 f. ± HoroskopKalender ).

c) Mit Recht hat das Berufungsgericht den Einwand der Beklagten nicht für durchgreifend erachtet, der Erfolg der fraglichen Hörspielproduktionen beruhe nicht auf den Manuskripten der Klägerin, sondern auf anderen, in erster Linie der Beklagten zuzuschreibenden Umständen. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, kommt eine Anwendung des § 36 UrhG grundsätzlich auch bei eher untergeordneten Leistungen in Betracht, die im Rahmen eines Bestellvertrages erbracht werden (BGHZ 137, 387, 396 f. ± Comic-Übersetzungen I; gegen das Kausalitätserfordernis auch Schricker aaO § 36 UrhG Rdn. 12). Bei gänzlich unterge-
ordneten Leistungen, die üblicherweise durch ein Pauschalhonorar entgolten werden, erlaubt das Merkmal des groben Miûverhältnisses eine ausreichende Einschränkung. Bei der hier in Rede stehenden Leistung ± dem Verfassen des Manuskripts für ein Hörspiel ± stellt sich diese Frage indessen nicht.

d) Schlieûlich wendet sich die Anschluûrevision ohne Erfolg dagegen, daû das Berufungsgericht eine Umsatzbeteiligung von 5 %, gemessen an dem Listenpreis für die Abgabe an den Handel, als angemessen erachtet hat. Nach § 36 UrhG sei ± so die Anschluûrevision unter Berufung auf Schricker (aaO § 36 UrhG Rdn. 15) ± nur eine Anhebung der Vergütung bis zu der Grenze geschuldet, bei der von einem ªgroben Miûverhältnisº nicht mehr gesprochen werden könne. Dem kann nicht beigetreten werden.
Nach dem Gesetzeswortlaut sind bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 UrhG zwei Grenzen zu unterscheiden: Zum einen ist dies die Grenze der Angemessenheit , also der Punkt, unterhalb dessen das dem Urheber gewährte Entgelt nicht mehr als ªeine den Umständen nach angemessene Beteiligung an den Erträgnissenº angesehen werden kann. Fehlt es in diesem Sinne an der Angemessenheit des Entgelts, kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, zwischen Entgelt und Erträgnissen bestehe ein grobes Miûverhältnis. Von einem groben Miûverhältnis kann vielmehr nur gesprochen werden, wenn die vereinbarte Vergütung deutlich unter der Angemessenheitsgrenze liegt. § 36 UrhG zielt darauf ab, dem Urheber eine (noch) angemessene Beteiligung zuzusprechen. Das Entgelt nur so weit zu erhöhen, daû das grobe Miûverhältnis entfällt, würde diesem Ziel nicht gerecht. So ist auch die Aussage in der Senatsentscheidung ªHoroskop-Kalenderº zu verstehen, wonach die Vertragsänderung nach § 36 UrhG nur so weit gehen könne, wie dies unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen der Parteien notwendig ist, um die Unangemessenheit der bisherigen Beteiligung des Urhe-
bers an den Erträgnissen zu beseitigen (BGHZ 115, 63, 68). Freilich führt dies ± worauf Katzenberger (GRUR Int. 1983, 410, 421) hinweist ± dazu, daû der grob unangemessen beteiligte Urheber besser gestellt ist als derjenige, der ein zwar nicht angemessenes, aber doch nicht in einem groben Miûverhältnis zu den Erträgnissen des Verwerters stehendes Entgelt erhält (vgl. auch Brandner, GRUR 1993, 173, 177). Dies ist jedoch keineswegs ungewöhnlich: Die Rechtsordnung entläût denjenigen, der sich vertraglich gebunden hat, nicht ohne weiteres aus den eingegangenen Verpflichtungen. Eine Korrektur kommt immer nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht, so auch beim Wegfall der Geschäftsgrundlage , als dessen besonderer Anwendungsfall die Vorschrift des § 36 UrhG verstanden wird (BGHZ 137, 387, 396 ± Comic-Übersetzungen I), oder im Rahmen des § 138 BGB. Sind die Voraussetzungen für eine Korrektur jedoch gegeben , tritt an die Stelle der gänzlich unangemessenen eine angemessene Regelung.
3. Hinsichtlich eines Teils des Zahlungsausspruchs kann das Berufungsurteil jedoch keinen Bestand haben. Insofern führt die Anschluûrevision der Beklagten zur Aufhebung und Zurückverweisung.

a) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daû die Beklagte mit den sechs älteren Produktionen der Dinosaurier-Serie bis Oktober 1996 1.545.871,89 DM erlöst hat. Es hat hieraus den Anteil von 5 % errechnet (77.293,59 DM) und von diesem Betrag die erfolgten Zahlungen (10.500 DM) abgezogen. Zuzüglich der Mehrwertsteuer ergibt dies den Betrag von 71.469,14 DM. Zur Zahlung dieses Betrags zuzüglich Zinsen hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt.

b) Das Klagevorbringen weist jedoch die Besonderheit auf, daû die Klägerin aufgrund eines ihr unterlaufenen Fehlers weniger beantragt hat, als sich bei Zugrundelegung der von ihr genannten Zahlen eigentlich ergeben würde. Bei zutreffender Berechnung, wie sie das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, ergibt sich ein Anspruch, der um etwa 35.000 DM höher ist als der von der Klägerin gestellte Zahlungsantrag. Indem das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 71.469,14 DM verurteilt hat, hat es der Klägerin etwas zugesprochen, was sie ± bei richtiger Auslegung ihres Begehrens ± nicht verlangt hatte. Diesen Verstoû gegen § 308 ZPO muû das Revisionsgericht auch ohne Rüge beachten (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1989 ± VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087).
Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 28. Januar 1998 eine Berechnung aufgestellt und danach ihren Zahlungsantrag beziffert. In dieser Berechnung (S. 4 des Schriftsatzes) sind die Beträge abgezogen worden, die die Klägerin bereits erhalten hatte (1.500 DM bzw. 1.750 DM pro Hörspiel, jeweils zzgl. MWSt.). Hierbei ist der Klägerin insoweit ein Irrtum unterlaufen, als nicht nur die Zahlungen für die 23 im Streit befindlichen Hörspiele, sondern auch die Zahlungen für zwanzig weitere Hörspiele in Abzug gebracht wurden, die nicht (mehr) Gegenstand des Klageantrags waren. Das Berufungsgericht hat demgegenüber die geleisteten Zahlungen ± rechnerisch zutreffend ± nur insoweit berücksichtigt, als sie die noch im Streit befindlichen Hörspiele betrafen. Darüber hinaus findet sich in der Berechnung (S. 3 des genannten Schriftsatzes) ein Rechenfehler, den das Berufungsgericht in seiner Berechnung ebenfalls korrigiert hat. Die beiden Punkte führen zu einer Abweichung in Höhe von 34.648,58 DM. Während sich bei zutreffender Berechnung ein Betrag von 256.471,85 DM errechnet hätte, hat die Klägerin nur Zahlung von 221.823,27 DM beantragt.
Da das Klagevorbringen nicht erkennen läût, bei welchen Positionen die aus der Sicht der Klägerin an sich bestehende Forderung unterschritten werden soll, hätte das Berufungsgericht wegen des Bestimmtheitserfordernisses des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bei sämtlichen Positionen des Klageantrags, also bei allen damals im Streit stehenden 23 Hörspielproduktionen, einen Abzug pro rata vornehmen und diesen Abzug bei der Berechnung des Zahlungsausspruchs berücksichtigen müssen. Dies hätte zu einer Kürzung des ± rechnerisch zutreffend ermittelten ± Zahlungsanspruchs um 13,5097 % (= 9.655,27 DM) geführt. In diesem Umfang hat die Anschluûrevision Erfolg.
III. Zur Revision der Klägerin:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, daû das Berufungsgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich der ersten sechs Titel der Dschungelbuch-Serie und der vier Titel der Bambi-Serie bestätigt hat (Anpassungsantrag hinsichtlich dieser zehn Titel sowie Zahlungsantrag ± unter Berücksichtigung der anteilsmäûigen Kürzung um 13,5097 % ± in Höhe von 139.445,66 DM zuzüglich Zinsen).
1. Fehl geht allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsurteil sei in diesem Punkt nicht mit Gründen versehen (§ 551 Nr. 7 ZPO). Das Berufungsurteil enthält auf Seite 22 Ausführungen, mit denen begründet wird, daû der Klägerin insofern keine Ansprüche zustehen. Damit liegt ein absoluter Revisionsgrund nach § 551 Nr. 7 ZPO nicht vor, auch wenn die gegebene Begründung unrichtig, unzureichend oder unvollständig sein sollte.
2. Die Revision rügt ferner, es widerspreche dem Grundsatz, wonach auf seiten des Verwerters nur Bruttoerträgnisse zu berücksichtigen seien, daû das
Berufungsgericht maûgeblich auf die an den Walt-Disney-Konzern gezahlten Lizenzzahlungen abgestellt habe. Diese Rüge ist ebenfalls nicht begründet. Zwar kommt es nicht entscheidend auf die Kausalität der Leistungen des Urhebers für die unerwartet hohen Erträgnisse an (vgl. BGHZ 137, 387, 397 ± ComicÜbersetzungen I). Doch ist im Rahmen des Merkmals des groben Miûverhältnisses der Umstand zu berücksichtigen, daû der Urheber nur einen untergeordneten Beitrag geleistet hat. Im übrigen können ungewöhnliche, aber notwendige Kosten, die der Verwerter für die Produktion aufwenden muû, ebenfalls bei der Frage zu berücksichtigen sein, ob ein grobes Miûverhältnis vorliegt.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts , daû dann, wenn für die Hörspiele sehr bekannte Stoffe bearbeitet würden, üblicherweise eine prozentuale Beteiligung des Urhebers ausscheide. Eine solche Aussage kann der Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, nicht entnommen werden. Diese Auskunft erwähnt lediglich, daû für die Bearbeitung vorbestehender Stoffe üblicherweise keine prozentuale Beteiligung gewährt werde. Im Streitfall geht es jedoch nicht darum, daû die Klägerin einen vorbekannten Stoff bearbeitet hätte. Mit Recht verweist die Revision auf das Vorbringen, wonach die Klägerin lediglich auf bekannte Charaktere und Namen zurückgegriffen habe, die in von ihr erdachte Geschichten mit weiteren von ihr geschaffenen Figuren Eingang gefunden hätten. Es ist nicht erkennbar, daû die vom Berufungsgericht herangezogene Auskunft auch derartige Fälle betraf; vielmehr liegt es nahe, daû dort mit der ªBearbeitung eines vorbestehenden Stoffesº etwa die Adaption einer vorhandenen Geschichte an die Form des Hörspiels oder ähnliches gemeint war. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht in Erwägung ziehen und gegebenenfalls durch weitere Auskünfte oder auf andere geeignete Weise klären müssen, ob auch für die hier in Rede stehende Autorenleistung eine prozentuale
± möglicherweise unter dem sonst als üblich festgestellten Satz von 5 % liegende ± Beteiligung üblich ist, von der dann als der angemessenen Mindestvergütung auszugehen gewesen wäre.
4. Das Berufungsgericht hat seine Abweisung dieses Teils der Klage auch damit begründet, es sei der Klägerin ªim Zweifel bekannt gewesenº, daû sich ein bekannter Stoff wie das ªDschungelbuchº besonders erfolgreich vermarkten lasse. Auch gegen diese Annahme wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat damit den unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, wonach sie von dem groûen Erfolg der Produktionen überrascht worden sei, zumal ihr von der Beklagten laufend bedeutet worden sei, mit den fraglichen Kassetten lieûen sich kaum Erträgnisse erwirtschaften.
5. Schlieûlich reicht auch der pauschale Hinweis des Berufungsgerichts auf ªnicht unerhebliche Verlusteº nicht aus, um ein grobes Miûverhältnis zwischen dem der Klägerin gewährten Entgelt und den erwirtschafteten Erträgnissen zu verneinen. Dies gilt um so mehr, als die Erträgnisse und das gewährte Entgelt ± wie das Berufungsgericht einräumt ± noch weiter auseinanderliegen als bei den ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Reihe (Erträgnisse in Höhe von fast 3,35 Mio. DM stehen Pauschalhonorare von weniger als 16.750 DM gegenüber).
IV. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit die Beklagte über den Betrag von 61.813,87 DM hinaus zur Zahlung verurteilt worden ist und soweit die Klage hinsichtlich der ersten sechs Titel der Dschungelbuch-Serie und hinsichtlich der vier Titel der Bambi-Serie abgewiesen worden ist. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, daû auch der Teil der Klage, hinsichtlich dessen der Senat die Revision nicht angenommen hat, von der anteilsmäûigen Kürzung erfaût wird (s. oben unter II.3.b a.E.). Durch die Nichtannahme der Revision der Klägerin ist
die Klageabweisung daher im Umfang von 20.563,73 DM zuzüglich Zinsen rechtskräftig geworden.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird zunächst zu ermitteln sein, wie hoch die angemessene Vergütung in Fällen ist, in denen ein Teil des Stoffes ± etwa die Charaktere und Namen ± gegen Zahlung einer Lizenzgebühr aus anderen Werken übernommen ist. Lassen sich insofern keine zuverlässigen Daten ermitteln , wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob für diese Fälle in Anlehnung an die für die Dinosaurier-Serie getroffenen Feststellungen eine ± freilich deutlich unter dem dort ermittelten Wert liegende ± prozentuale Beteiligung als angemessen angesehen werden könnte. Gegebenenfalls wäre zu untersuchen, ob die gezahlten Entgelte zu einer auf diese Weise ermittelten angemessenen Beteiligung in einem groben Miûverhältnis stünden.
Erdmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 31/11 Verkündet am:
18. November 2011
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 157 D, 242 Bb; ErbbauVO §§ 9, 9a aF
Erfüllt die in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarte wertsichernde Klausel
ab einem bestimmten Zeitpunkt ihren Zweck nicht mehr, ist im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Vertragspartner nach Treu und
Glauben für diesen Fall vereinbart hätten; führt die Auslegung zu keinem Ergebnis,
kommt die Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in
Betracht. In beiden Fällen sind nicht die seit Vertragsabschluss, sondern die seit der
letzten aufgrund der Klausel vorgenommenen Erhöhung geänderten Verhältnisse
maßgebend (Fortführung von Senat, Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80,
BGHZ 81, 135 und Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220).
BGH, Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11 - LG Lübeck
AG Lübeck
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte ist Erbbauberechtigter an einem der Klägerin gehörenden Grundstück. In dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 28. Juni 1949 heißt es u.a.: "3. Der Erbbauberechtigte hat an die jeweilige Grundstückseigentümerin als Erbbauzins jährlich einen Betrag zu zahlen, der 10 (zehn) vom Hundert des mit DM 2,- für den Quadratmeter angenommenen Wertes der Fläche entspricht. Die Grundstückseigentümerin behält sich vor, den Wert für den Grund und Boden zu erhöhen, wenn über einen einfachen Straßenausbau und die Verlegung der Hauptleitung für Licht hinaus weitere Aufschließungskosten für das Gelände entstehen.
Der Erbbauzins ist in vierteljährlichen Teilbeträgen am 1. Werktage der Monate Januar, April, Juli und Oktober hinterher zahlbar. Der Erbbauzins ist durch Eintragung einer Reallast sicherzustellen.

4.

Für die ersten 5 (fünf) Jahre ermäßigt sich der Erbbauzins auf vier vom Hundert des angenommenen Wertes der Fläche.
Die Höhe des danach zu entrichtenden Erbbauzinses wird alle 5 (fünf) Jahre, erstmalig am 1. Januar 1954 von der Finanzverwaltung festgesetzt werden. Gegen die späteren Festsetzungen steht dem Erbbauberechtigten nur die Beschwerde beim Senat, der endgültig entscheidet, offen."
2
Bis Oktober 1983 wurde der Erbbauzins schrittweise auf 10 % des angenommenen Grundstückswerts erhöht; das ergibt 98,68 Euro pro Jahr.
3
Der Beklagte erwarb das Erbbaurecht im Jahr 1993. Zugleich schloss er mit der Klägerin einen Schuldübernahmevertrag, in welchem er in den schuldrechtlichen Teil der Erbbaurechtsbestellung eintrat und alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen anstelle des Veräußerers übernahm.
4
Im April 2004 verlangte die Klägerin - gestützt auf eine sich aus den arithmetischen Mitteln der Steigerung der Lebenshaltungskosten sowie der Löhne und Gehälter ergebende Steigerungsrate von 875,9 % - einen jährlichen Erbbauzins von 963 €. Der Beklagte sollte vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2008 jährlich 386,76 €, vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 jährlich 674,88 € und ab dem 1. Juli 2010 den vollen Jahresbetrag (963 €) zahlen. Dem kam er nicht nach, sondern zahlte weiterhin nur den ursprünglichen Betrag von 98,68 € pro Jahr.
5
Die auf die Verurteilung zur Zahlung von 540,16 € (Differenz zwischen gezahltem und gefordertem Erbbauzins von Oktober 2006 bis Juli 2008) zuzüglich 10 € vorgerichtlicher Mahnkosten und 38,30 € bezifferter Zinsen gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von diesem zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


6
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf jährlich 385,19 € verlangen. Die von den Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses sei durch eine Entwicklung der Kaufkraft des Geldes entfallen, welche beide Parteien nicht vorausgesehen hätten. Die Regelungen in Nr. 3 und 4 des Vertrags seien dahin auszulegen, dass ursprünglich ein Erbbauzins von 4 % habe vereinbart werden sollen, der bis zu einer Grenze von 10 % habe erhöht werden können. Dabei handele es sich nicht um eine typische Wertanpassungsklausel ; allerdings habe die Klausel auch dem Zweck der Wertsicherung dienen sollen. Die Anpassungsmöglichkeit sei durch die 10 %-Grenze beschränkt. Diese Grenze sei jedoch nicht als Risikobegrenzung für den Erbbauberechtigten , sondern lediglich als eine theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigungspflicht nach § 3 WährG aF vereinbart worden. Es handele sich um eine Anpassungsklausel, die aus unvorhergesehenen Gründen ihren Zweck nicht mehr erfüllen könne. Deshalb müsse eine Anpassung ebenso wie in den Fällen möglich sein, in denen der Erbbaurechtsbestellungsvertrag keine Anpassungsmöglichkeit enthalte, wobei von einem anfänglichen Erbbauzins von 4 % auszugehen sei. Der Umstand, dass die Klägerin bei früheren Erhöhungen oder in früherer Zeit einen möglichen Erhöhungsanspruch nicht ausgeschöpft habe, bewirke nicht, dass sie nunmehr für einen späteren Zeitraum den von der Rechtsprechung eröffneten Erhöhungsrahmen nicht ausschöpfen dürfe.
7
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


8
1. Die Revision ist wegen der Bindung des Senats an die Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO) statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig.
9
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
10
a) Ohne Erfolg rügt der Beklagte allerdings, das Berufungsgericht habe die Zeugin R. (Sachbearbeiterin der Klägerin) zu der Behauptung vernehmen müssen, sie habe dem Beklagten vor der Unterzeichnung des Schuldübernahmevertrags versichert, dass eine weitere Erhöhung des Erbbauzinses über die bereits erreichte 10 %-Grenze nicht möglich sei. Unterstellt, die Behauptung trifft zu, fehlt ihr jedoch die Erheblichkeit. Der Beklagte meint, aufgrund der "Versicherung" der Zeugin habe er darauf vertrauen dürfen, dass der Erbbauzins bis zum Vertragsende unverändert bleiben werde; deshalb sei die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung eines Erhöhungsanspruchs gehindert. Diese Ansicht trifft nicht zu. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Sachbearbeiterin die Befugnis hatte, eine für die Klägerin rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, auf deren Einhaltung der Beklagte hätte vertrauen können.
11
b) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Höhe des Erbbauzinses einer Anpassung unterliegt, die nach oben nicht durch die in Ziffer 3 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte 10 %-Grenze beschränkt ist.
12
aa) Die Auslegung, der Vertrag ermögliche die Erhöhung des Erbbauzinses bis zu einer Grenze von 10 % des angenommenen Grundstückswerts, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von beiden Parteien hingenommen. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, die 10 %-Grenze sei als eine lediglich theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigung nach § 3 WährG aF und nicht als Risikobegrenzung für den Erbbaurechtserwerber vereinbart worden. Der Beklagte rügt zutreffend, dass dies keine Stütze in dem Parteivortrag und in den Feststellungen des Berufungsgerichts findet. Darauf kommt es indes im Ergebnis nicht an und ebenfalls nicht auf die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht er, sondern die Klägerin habe darlegen und beweisen müssen, dass die 10 %-Grenze keine "echte" Obergrenze habe sein sollen. Auch die weiteren Rügen, mit denen der Beklagte die Vernei- nung einer Obergrenze für das Erhöhungsverlangen angreift, bleiben erfolglos. Das gilt insbesondere für das Heranziehen der bis 1994 geltenden Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF, wonach der Erbbauzins nach Zeit und Höhe für die ganze Erbbauzeit im Voraus bestimmt sein musste. Denn diese Forderung konnte wegen der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht immer eingehalten werden. Der gegenseitige Vertrag beruht auf der Überzeugung der Vertragsparteien von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung und ist besonders bei langfristigen Verträgen Teil der objektiven Geschäftsgrundlage , die vorhanden sein und fortdauern muss, damit der Vertrag noch als eine sinnvolle Regelung bestehen kann (Staudinger/Rapp, BGB [2009], § 9 ErbbauRG Rn. 21). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat deshalb auch bei Erbbaurechtsverträgen, die unter der Geltung der Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF abgeschlossen worden waren, unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in der speziellen Ausgestaltung der Äquivalenzstörung korrigierend eingegriffen und eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses über die ursprünglich vereinbarte Höhe hinaus zugelassen (siehe nur Senat, Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 ff.; Urteil vom 23. März 1980 - V ZR 20/78, BGHZ 77, 194, 197 ff.).
13
bb) Auf diese Rechtsprechung stützt sich das Berufungsgericht jedoch, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, zu Unrecht. Denn sie ist zu solchen Erbbaurechtsverträgen ergangen, in denen keine Anpassungsklauseln vereinbart worden waren. Hier ist das Berufungsgericht jedoch - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - davon ausgegangen, dass eine Anpassungsklausel vereinbart worden ist. Da diese, wie es weiter rechtsfehlerfrei und unangegriffen festgestellt hat, auch der Wertsicherung dienen, die Klägerin also gegen das Risiko eines Kaufkraftschwundes in geeigneter Form absichern sollte, diesen Zweck jedoch seit der letzten Anpassung nicht mehr erfüllen kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 8. November 1972 - VIII ZR 123/71, WM 1972, 1442; Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 417, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407; Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141). Diese hat Vorrang vor einer Anwendung der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04, BGHZ 164, 286, 292).
14
cc) Die ergänzende Vertragsauslegung ist - entgegen der von der Klägerin in dem Revisionsverfahren vertretenen Ansicht - nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin die Höhe des Erbbauzinses nach billigem Ermessen bestimmen kann (vgl. § 315 BGB). Ein solches Bestimmungsrecht steht ihr nach dem Wortlaut der Ziffern 3 und 4 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags nicht zu, soweit es um eine die 10 %-Grenze übersteigende Erbbauzinshöhe geht. Das Bestimmungsrecht verstieße im Übrigen gegen die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF.
15
3. Die ergänzende Auslegung muss das Berufungsgericht nachholen.
16
a) Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten; zunächst ist an die in dem Vertrag vereinbarten Regelungen und Wertungen anzuknüpfen (Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679). Somit ist von den Regelungen in Ziffern 3 und 4 des Vertrags auszugehen, welche (auch) der Wertsicherung dienen sollten. Deshalb kann die Auslegung - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten in der Klageerwiderung bzw. in der Be- rufungserwiderung, dass die Anpassungsmöglichkeit der Berücksichtigung einer Steigerung der Lebenshaltungskosten bzw. der wirtschaftlichen Entwicklung dienen sollte - ergeben, dass eine Anhebung des Erbbauzinses nach Maßgabe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten dem entspricht, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Ungeeignetheit der nach oben begrenzten Anpassungsklausel bewusst gewesen wäre, und wenn sie dabei die Gebote von Treu und Glauben beachtet hätten; denn die Preisindizes für die Lebenshaltungskosten sind ein unmittelbarer Spiegel der Preisentwicklung, eine hieran orientierte Anpassung bewirkt daher einen von den Parteien gewollten Ausgleich des Kaufkraftschwunds (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 414, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407). Eine Berücksichtigung auch der Entwicklung der Einkommen läge dagegen nicht mehr im Rahmen des von den Parteien verfolgten Ziels, sondern führte dazu, auch die Änderung des Lebensstandards in die Höhe des Erbbauzinses einfließen zu lassen; das hätte nichts mit der Schließung der Vertragslücke zu tun (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, aaO).
17
b) Da die Vertragsparteien die Klägerin gegen die Risiken eines Kaufkraftschwunds in geeigneter Form absichern wollten und zu diesem Zweck eine nach § 3 WährG aF genehmigungsfreie Anpassungsklausel vereinbart haben, kann es ihrem hypothetischen Willen entsprechen, die vorstehend unter a) beschriebene Anpassungsmöglichkeit in der Weise zu verwirklichen, dass jede Partei die Neufestsetzung der Höhe des Erbbauzinses - nach Ablauf einer mindestens dreijährigen Frist (§ 9a Abs. 1 Satz 5 ErbbauRG) - verlangen kann, wenn die Lebenshaltungskosten seit der jeweils vorausgegangenen Festsetzung um mehr als einen bestimmten Prozentsatz gestiegen oder gefallen sind (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juli 1981- V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141 f.). Des- halb und weil die vereinbarte Anpassungsklausel ab dem 1. Oktober 1983 ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten seit diesem Zeitpunkt maßgeblich; für die Zeit davor bleiben die in Ziffern 3 und 4 vereinbarten Regelungen verbindlich (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679, 680).
18
c) Der - eventuelle - vertragliche Anpassungsanspruch ist in der Höhe nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG beschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden; als Bemessungsgrundlagen dienen die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise und - mit gleicher Gewichtung - die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdiente der Angestellten in Industrie und Handel (siehe nur Senat, Urteil vom 3. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679,

681).


19
4. Erst wenn sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses nicht feststellen lässt, kommt die von dem Berufungsgericht bejahte Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese hat der Senat zwar bisher nur bei Verträgen ohne wertsichernde Klausel bejaht (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 f.). Sie ist aber auch dann möglich, wenn eine vereinbarte Wertsicherungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Denn ab diesem Zeitpunkt besteht kein Unterschied zu einem von Anfang an ohne Wertsicherungsklausel abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag , soweit es um Äquivalenzstörungen geht. Für die davor liegende Zeit seit Vertragsschluss gilt jedoch die vereinbarte Klausel. Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - darauf abzustellen ist, ob durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit dem 1. Oktober 1983 die Grenze des für die Klägerin Tragbaren überschritten worden ist. Das ist indes nicht der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Erbbaurechtsausgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur dann, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 mit umfangreichen Nachweisen). Daran fehlt es nach der von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts. Danach sind die Lebenshaltungskosten zwischen 1983 und 2009 nur um 59,7 % gestiegen. Ein weiterer Anstieg in der Folgezeit ist nach dem Klageantrag , mit welchem der erhöhte Erbbauzins bis Juli 2008 verlangt wird, nicht zu berücksichtigen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann RiBGH Dr. Czub ist wegen Krankheit verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Lübeck, Entscheidung vom 01.04.2010 - 28 C 8/09 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 22.12.2010 - 14 S 155/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 395/04 Verkündet am:
11. Oktober 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 133 C, 157 D, 807

a) Eine von der Deutschen Post AG herausgegebene Briefmarke erfüllt alle Voraussetzungen
, die § 807 BGB an ein so genanntes "kleines Inhaberpapier"
stellt.

b) Der Fall, dass die Briefmarke ihre Gültigkeit durch einen staatlichen Hoheitsakt
verliert, so dass der in ihr verkörperte Anspruch auf eine Beförderungsleistung
gemäß § 807 BGB nicht mehr durchgesetzt werden kann, ist im Gesetz nicht
geregelt. Im Wege ergänzender Vertragsauslegung ergibt sich, dass verständige
und redliche Vertragsparteien bei Kenntnis der Regelungslücke ein Umtauschrecht
mit einer Gültigkeitsdauer von einem Jahr vereinbart hätten.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04 - OLG Köln
LG Bonn
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin
Mayen

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. November 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger, ein Briefmarkenhändler, und die beklag te Deutsche Post AG streiten über deren Verpflichtung zum Umtausch ungültig gewordener Briefmarken. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2
Anlässlich der Währungsumstellung von Deutsche Mar k auf Euro Anfang 2002 erklärte das Bundesministerium für Finanzen gemäß § 43 Abs. 1 PostG Postwertzeichen, deren Nennwert ausschließlich in Deutsche Mark oder in Pfennig angegeben ist, mit Wirkung vom 1. Juli 2002 für ungültig. Die Beklagte bot daraufhin durch öffentliche Erklärungen den Inhabern so genannter "Pfennig-Briefmarken" an, diese bis zum 30. Juni 2003 gegen neue Euro-Briefmarken zu tauschen.
3
Der Kläger reichte bis zu diesem Zeitpunkt ungülti ge Briefmarken im Gesamtnennwert von über 300.000 DM bei der Beklagten ein, die diese in Briefmarken mit entsprechendem Euro-Nennwert umtauschte. Auch die erst nach Ablauf der Umtauschfrist im Juli 2003 vorgelegten Briefmarken des Klägers und anderer Kunden tauschte die Beklagte ohne weiteres um. In der Folgezeit erwarb der Kläger von Dritten in großen Stückzahlen weitere "Pfennig-Briefmarken" weit unter ihrem Nennwert. Diese im August und November 2003 zum Tausch übersandten Postwertzeichen nahm die Beklagte aber nicht mehr an, sondern berief sich nunmehr auf den Ablauf der von ihr festgelegten Umtauschfrist.
4
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Herausga be von EuroBriefmarken im Gesamtwert von 48.572,73 € Zug um Zug gegen Einlieferung von "Pfennig-Briefmarken" im Wert von 95.000 DM. Er hält die Beklagte mangels wirksamer zeitlicher Beschränkung der Umtauschmöglichkeit und aus Vertrauensschutzgesichtspunkten für verpflichtet, auch die streitgegenständlichen Marken umzutauschen.
5
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Be rufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht - zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist nicht begründet.

I.


7
Das Berufungsgericht (OLGR Köln 2005, 48 und JMBl. NRW 2005, 117) hat ein Umtauschrecht des Klägers verneint und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Nach der Privatisierung des Postwesens stehe die p rivatrechtliche Bewertung des Erwerbs von Postwertzeichen außer Zweifel. Seitdem würden Briefmarken durch Kaufvertrag und Übereignung erworben. Aus den Regeln des Kaufrechts könne der Kläger keine Rechte herleiten. Die Parteien stritten weder über einen Sach- noch über einen Rechtsmangel, sondern über die Frage, welche Rechte dem Inhaber ungültig gewordener Postwertzeichen zustünden.
9
Briefmarken seien keine Zahlungsmittel, sondern so genannte "kleine Inhaberpapiere" im Sinne des § 807 BGB. Der Fall, dass eine Briefmarke ihre Gültigkeit durch einen staatlichen Hoheitsakt verliere, werde in den §§ 793 ff. BGB nicht geregelt. Die Regelungslücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Dabei sei davon auszugehen, dass die Prozessparteien bei Kenntnis der späteren Entwicklung eine Möglichkeit zum Umtausch der ungültigen Briefmarken vorgesehen hätten.
10
Die Befristung der Umtauschmöglichkeit auf ein Jah r sei wirksam. Die Frist berücksichtige das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung hinreichend und sei auch sonst angemessen. Die betroffenen Postkunden liefen bei dieser Regelung nur Gefahr, den Gegenwert für den Kaufpreis, nämlich die Beförderungsleistung der Beklagten, zu verlieren, während ein unbefristetes oder längeres Umtauschrecht die Beklagte wesentlich mehr belaste. Denn die alten "Pfennig-Briefmarken" seien nicht fälschungssicher und mit dem Briefmarkentausch sei ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden.
11
Ein weitergehendes Umtauschrecht des Klägers ergeb e sich auch nicht daraus, dass sich die Beklagte selbst nicht strikt an die nach ihren Angaben am 30. Juni 2003 endende Jahresfrist gehalten, sondern die von ihm und von anderen Kunden erst im Juli 2003 vorgelegten "PfennigBriefmarken" anstandslos umgetauscht habe. Ein Vertrauenstatbestand zu Lasten der Beklagten sei dadurch nicht geschaffen worden, weil sie erkennbar nur aus Kulanz gehandelt und auf etwaige längere Postlaufzeiten Rücksicht genommen habe.

II.


12
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
13
1. Das Berufungsgericht hat Briefmarken - jedenfal ls nach der Privatisierung der Beklagten - zu Recht als so genannte "kleine Inhaberpapiere" im Sinne des § 807 BGB angesehen.
14
a) Mit der Frage zum zivilrechtlichen Rechtscharak ter einer Briefmarke war der Bundesgerichtshof noch nicht befasst. Die Aussagen in der Literatur sind gegensätzlich.
15
Nach der im Vordringen befindlichen Ansicht (siehe MünchKommBGB /Hüffer, 4. Aufl. § 807 Rdn. 12 f.; Staudinger/Marburger, BGB (2002) § 807 Rdn. 5; Allgaier DÖD 2001, 211, 214; Gerold Schmidt ZStW 111 (1999), 388, 420 f.; ders. NJW 1998, 200, 202 f.; ebenso schon vor der Privatisierung der Bundespost: Andrae, Die privatrechtliche Natur der Briefmarke, Diss. Jena 1933, S. 21; Enneccerus, Recht der Schuldverhältnisse 10. Bearb. S. 620; Eidenmüller, Grundlagen des Post- und Postbankrechts § 3 PostG Anm. 1) gehören Briefmarken zu den Inhaberpapieren im Sinne des § 807 BGB, die einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung im Wert des auf der Marke angegebenen Geldbetrages verkörpern.
16
Die Gegenansicht zählt die Briefmarke dagegen nach wie vor zu den Geldsurrogaten (Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB § 807 Rdn. 2; Hk-BGB/Schulze, 4. Aufl. § 807 Rdn. 2; Jauernig/Stadler, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 1; Weipert, Die Rechtsnatur der Briefmarke, Diss. Kiel 1996, S. 37, 40; Häde ZUM 1991, 536; vor der Privatisierung der Bundespost: grundlegend Kohler ArchBürgR 6 (1892), 316, 324; Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen § 3 PostG Rdn. 10; Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse 13. Bearb. S. 814; RGRK/Steffen, BGB 12. Aufl. § 807 Rdn. 7; Soergel/Welter, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 2; Karsten Schmidt JuS 1990, 62, 63).
17
Für eine vermittelnde Meinung ist die Briefmarke e inerseits Wertträger oder Zahlungsmittel, andererseits aber ihrer Funktion nach den "kleinen Inhaberpapieren" des § 807 BGB weitgehend angenähert (Stern, in: Beck'scher PostG-Kommentar 2. Aufl. § 43 Rdn. 10; ähnlich Laband, Festschrift G. Cohn S. 323, 324 ff.; vgl. ferner Monz ArchPF 1990, 28, 29; Florian/Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2 b).
18
Andere Autoren halten die Briefmarke für eine bloß e Quittung (Stober/Moelle/Müller-Dehn, in: Stern, Postrecht der Bundesrepublik Deutschland, Teil H § 3 PostG Rdn. 4).
19
b) Der erkennende Senat schließt sich der erstgena nnten Auffassung an. Ein Inhaberpapier im Sinne des § 807 BGB liegt vor, wenn der Aussteller des Papiers sich durch Leistung an den Inhaber befreien kann, der Inhaber die versprochene Leistung zu fordern berechtigt ist und der Besitz der Urkunde zur Geltendmachung des Rechts oder der Forderung erforderlich ist (Erman/Heckelmann, BGB 11. Aufl. § 807 Rdn. 4; Staudinger/Marburger aaO § 807 Rdn. 2, 4). Dies ist bei einer gültigen Briefmarke der Fall.
20
Aus den Umständen der Herausgabe einer Briefmarke durch die Beklagte und nach der allgemeinen Verkehrssitte, die für die Ermittlung des Verpflichtungswillens des Ausstellers eines Inhaberzeichens von Bedeutung sind (BGHZ 28, 259, 264), ergibt sich, dass die Briefmarke einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung in dem Umfang verkörpert , der dem aufgedruckten Wert entspricht. Dass der Frachtvertrag erst mit Aufgabe der jeweiligen Sendung zustande kommt, steht dem nicht entgegen, weil die von der Beklagten versprochene Leistung durch die Wertangabe hinreichend bestimmbar ist. Die Beklagte will die Beförderungsleistung gegenüber jedem mit schuldbefreiender Wirkung erbringen , der gültige Briefmarken in Höhe des vorgesehenen Leistungsentgelts auf die jeweilige Postsendung klebt (Gerold Schmidt NJW 1998, 200, 202). Die Briefmarke dient in diesem Zeitpunkt daher nur noch der Kontrolle, ob das für die konkrete Sendung vereinbarte Leistungsentgelt im Voraus geleistet worden ist (Gerold Schmidt ZStW 111 (1999), 388, 420 f.).
21
Der Wille der Beklagten ist angesichts des Masseng eschäfts zudem darauf gerichtet, nicht nachprüfen zu wollen oder zu müssen, ob der jeweilige Inhaber auch tatsächlich Eigentümer und rechtmäßiger Besitzer des Postwertzeichens ist. Die Briefmarke legitimiert daher jeden Inhaber förmlich zur Forderung der Beförderungsleistung, gleichgültig, ob er die Marke von der Beklagten oder von einem Dritten, sei es auch unter ihrem Nennwert oder unentgeltlich (vgl. Altmannsperger aaO § 3 PostG Rdn. 4; Ohnheiser, Postrecht 4. Aufl. § 3 PostG Rdn. 4; Allgaier ArchPF 1989, 222, 224), erworben hat.
22
Schließlich ist der Besitz der Briefmarke zur Gelt endmachung des in ihr verkörperten Beförderungsanspruchs erforderlich. Der Inhaber einer Briefmarke kann nach deren Untergang nämlich keine Leistung mehr verlangen, selbst wenn er die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrages für die Marke sicher nachweisen könnte (Weipert aaO S. 19). Die Schutzfunktion des § 797 BGB wird durch die Stempelung erreicht, mit der die Briefmarke entwertet wird (Allgaier ArchPF 1989, 222, 223). Die Briefmarke erfüllt demnach sämtliche Voraussetzungen, die die Regelungen des § 807 BGB an ein "kleines Inhaberpapier" stellen. Das gilt auch für Briefmarken, die vor der ersten Postreform vom 1. Juli 1989 ausgegeben worden sind. Denn durch § 65 Abs. 1 und 3 PostVerfG wurden auch bereits bestehende öffentlich-rechtliche Beziehungen in privatrechtliche umgewandelt.
23
2. Entgegen der Ansicht der Revision steht dem Klä ger kein Umtauschrecht gegen die Beklagte zu. Der Fall, dass Briefmarken durch einen staatlichen Hoheitsakt ihre Gültigkeit und damit ihre Legitimationswirkung verlieren, ist weder gesetzlich noch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten geregelt. Die Lücke ist mit Hilfe ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen. Daraus ergibt sich indes kein Anspruch der betroffenen Postkunden auf Übereignung wertgleicher neuer Euro-Briefmarken, der über das von der Beklagten unterbreitete befristete Umtauschangebot hinausgeht.
24
a) Die Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung im Sinne des §§ 133, 157 BGB finden, wovon auch die Revision ausgeht, Anwendung. Sie haben Vorrang gegenüber der Bestimmung der Leistungspflicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (BGHZ 9, 273, 277 f.) und gegenüber der Lehre von der fehlerhaften Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB n.F. (BGHZ 81, 135, 143; 90, 69, 74). Das in einem "kleinen Inhaberpapier" des § 807 BGB verkörperte Leistungsversprechen des Schuldners ist wie eine Inhaberschuldverschreibung im Sinne des § 793 BGB (vgl. dazu BGHZ 28, 259, 263; Staudinger/Marburger aaO § 793 Rdn. 9) der ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich; diese gilt für Rechtsgeschäfte aller Art.
25
b) Die ergänzende Vertragsauslegung des Berufungsg erichts unterliegt der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Briefmarken sind für den allgemeinen Verkehr bestimmt und im ganzen Bundesgebiet verbreitet. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Verkehrsfähigkeit ist deshalb eine allgemein verbindliche Auslegung des Leistungsversprechens der Beklagten im Sinne des § 807 BGB unabhängig von den Besonderheiten und Eigenarten des konkreten Einzelfalles sachlich geboten (vgl. BGHZ 28, 259, 263 für börsengängige Inhaberschuldverschreibungen; BGH, Urteil vom 24. November 1958 - II ZR 248/56, WM 1958, 1541). Dies gilt auch bei der hier erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung.
26
c) Diese richtet sich danach, was redliche und ver ständige Parteien bei Kenntnis der planwidrigen Regelungslücke nach dem Vertragszweck und sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbart hätten (st.Rspr., siehe etwa BGHZ 9, 273, 278 f.; 127, 138, 142; 158, 201, 207). Danach hätte man sich zwar auf eine Umtauschmöglichkeit für ungültig gewordene Briefmarken geeinigt, diese aber auf ein Jahr befristet.
27
aa) Wie auch die Revision nicht in Frage stellt, h ätten seriöse und verständige Inhaber von "Pfennig-Briefmarken" mit der Beklagten vereinbart , dass sie ihnen ein Umtauschangebot unterbreitet. Diese Regelung drängt sich geradezu auf, weil durch einen Tausch der ungültigen Marken gegen neue Euro-Marken gleichen Nennwerts die Störung des Äquivalenzverhältnisses auf einfache Weise und ohne eine unzumutbare Belastung beider Vertragsteile beseitigt wird. Sie trägt dem Umstand Rechnung , dass Briefmarken nicht bar eingelöst werden und die Beklagte den Kaufpreis bereits als Einnahme verbucht hat. Für eine Umtauschmöglichkeit spricht überdies, dass sie in § 49 Abs. 4 Satz 1 PostO vom 22. Dezember 1921 ausdrücklich vorgesehen war und die Post nach Aufhebung dieser Vorschrift Briefmarken, deren Gültigkeitsdauer begrenzt war, in Anlehnung an die frühere Gesetzeslage umgetauscht hat (vgl. dazu Florian/Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2 a).
28
Entgegen der von der Revision in der mündlichen Ve rhandlung vertretenen Ansicht ist daher aus dem Umstand, dass nach dem Gesetz vom 16. Dezember 1999 über die Änderung währungsrec htlicher Vorschriften infolge der Einführung des Euro-Bargeldes (Drittes EuroEG) auf Deutsche Mark lautende Banknoten und auf Deutsche Mark oder Deutsche Pfennig lautende Bundesmünzen zeitlich unbegrenzt umgetauscht werden können, nichts herzuleiten. Dass der Gesetzgeber für die "Pfennig -Briefmarken" keine derartige oder vergleichbare Regelung getroffen hat, zeigt vielmehr, dass es der Deutschen Post AG überlassen bleiben sollte, wie in der Vergangenheit zu verfahren.
29
bb) Die Befristung der Umtauschmöglichkeit auf ein Jahr nach Ablauf der Gültigkeit ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat - worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - ein sachliches Interesse an einer solchen Regelung. Dieses ergibt sich zum einen daraus, dass die "Pfennig-Briefmarken", von denen mehr als 1.000 verschiedene Motive im Umlauf waren, weniger fälschungssicher sind als die neuen Euro-Briefmarken. Die Beklagte ist daher unabhängig von der Beweislast für die Echtheit einer Briefmarke daran interessiert, nicht unnötig lange der Gefahr ausgesetzt zu sein, dass gefälschte Briefmarken zum Umtausch vorgelegt werden. Zum anderen ist der erhebliche Ver- waltungsaufwand für den Umtausch der Marken zu berücksichtigen, zumal er nicht aufgrund einer freien Entscheidung der Beklagten, sondern der europäischen Währungsumstellung und der Anordnung des Bundesministeriums für Finanzen notwendig geworden ist. Die Erhebung einer Gebühr wäre, was die Revision verkennt, angesichts des häufig nur geringen Werts des Tauschobjekts unverhältnismäßig und außerdem nicht praktikabel.
30
cc) Dagegen ist ein berechtigtes Interesse der bet roffenen Postkunden an einem zeitlich unbegrenzten oder längerfristigen Umtauschrecht nicht zu erkennen. Die Einführung des Euro als neue Währung zum 1. Januar 2002 war seit längerem allgemein bekannt. Seit Januar 2001 wurden deshalb ausschließlich Briefmarken mit Wertangaben in Deutsche Mark und in Euro neu herausgegeben, die mit Ablauf des 30. Juni 2002 nicht ungültig wurden. Damit standen den Postkunden insgesamt zweieinhalb Jahre für die Umstellung von Pfennig- auf Euro-Briefmarken zur Verfügung. Eine über den 30. Juni 2003 hinausreichende Umtauschfrist war angesichts dessen nicht geboten, zumal für niemanden angesichts der seit langem angekündigten Umstellung der Währung auf Euro Veranlassung bestand, einen Vorrat an "Pfennig-Briefmarken" anzulegen , der weder bis zum 30. Juni 2002 verbraucht noch bis zum 30. Juni 2003 umgetauscht werden konnte. Nimmt man hinzu, dass die früheren Umtauschfristen in aller Regel nur drei Monate betrugen (siehe Florian /Weigert, Kommentar zur PostO § 6 Anm. 2a), obwohl die Post aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Organisation unmittelbar an Art. 14 GG gebunden war (vgl. Herdegen, in: Beck'scher Post-Kommentar 2. Aufl. VerfGrdl. Rdn. 71 ff.), kann von einer die schützenswerten Interessen der Inhaber von "Pfennig-Briefmarken" vernachlässigenden Beschrän- kung der Umtauschmöglichkeit selbst bei Anlegung strenger Maßstäbe keine Rede sein. Dass der Kläger oder die Personen, von denen er die Marken nach Ablauf der Jahresfrist weit unter ihrem Nennwert erworben hat, an einem rechtzeitigen Umtausch aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen gehindert waren und es sich hierbei nicht um einen zu vernachlässigenden Ausnahmefall handelt, hat er in den Vorinstanzen auch nicht geltend gemacht.
31
dd) Aus der vom Berufungsgericht zitierten Entsche idung des erkennenden Senats vom 12. Juni 2001 (BGHZ 148, 74 ff.) ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nichts anderes. Zwar darf danach ein Telekommunikationsunternehmen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Gültigkeit von Telefonkarten nicht zeitlich beschränken, weil darin ein vertragswidriger und den einzelnen Kunden unzumutbar belastender Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung liegt. Damit ist aber der vorliegende Streitfall nicht zu vergleichen. Vielmehr hat die Beklagte anders als das vorgenannte Telekommunikationsunternehmen das Notwendige getan, um die von keinem Vertragsteil zu vertretende Vertragsstörung in einer auf die beiderseitigen Interessen hinreichend Rücksicht nehmenden Weise zu beseitigen und die vor der Ungültigkeit der "Pfennig-Briefmarken" bestehende Rechtslage weitgehend wiederherzustellen.
32
3. Ein Anspruch des Klägers auf Umtausch der strei tgegenständlichen "Pfennig-Briefmarken" ergibt sich schließlich auch nicht aus anderen Umständen.
33
a) Gegen die Wirksamkeit der Befristung der Umtaus chmöglichkeit bestehen auch sonst keine Bedenken. Der Einwand der Revision, dass die Beklagte keineswegs in allen Publikationen oder Veröffentlichungen exakt den Fristablauf zum 30. Juni 2003 kundgetan, sondern im Internet das Fristende nur als "voraussichtlich" bezeichnet habe, greift nicht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Beklagte jemals ein anderes Datum angegeben und damit nicht für die notwendige Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gesorgt hat. Davon abgesehen ist nicht dargetan, dass der Kläger durch eine mehrdeutige Bekanntmachung des Endtermins in die Irre geleitet worden ist.
34
b) Die Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glaub en (§ 242 BGB) daran gehindert, sich gegenüber dem Kläger auf den Ablauf der Jahresfrist zu berufen. Ein Berechtigter handelt nur rechtsmissbräuchlich, wenn er durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- bzw. Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und auch verlassen hat, und sich der Berechtigte jetzt mit seinen früheren Erklärungen bzw. seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt (BGHZ 32, 273, 279; BGH, Urteil vom 6. März 1985 - IVb ZR 7/84, NJW 1985, 2589, 2590). Diese engen Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
35
aa) Auch wenn die Beklagte angekündigt hat, die fü r ungültig erklärten "Pfennig-Briefmarken" würden "voraussichtlich" bis zum 30. Juni 2003 umgetauscht, hat sie keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass sie ihr Angebot auch noch nach diesem Termin aufrecht erhalten werde. Falls der Kläger allein aufgrund des Wortes "voraussichtlich" ein solches Verhalten der Beklagten für möglich und viel- leicht sogar für wahrscheinlich hielt, hätte er sich bei ihr erkundigen müssen, bevor er die Briefmarken nach Ablauf der Jahresfrist von Dritten weit unter Nennwert erwarb. Dies kann gerade von einem Briefmarkenhändler erwartet werden.
36
bb) Der Umstand, dass sich die Beklagte selbst nic ht strikt an die von ihr vorgesehene Jahresfrist gehalten, sondern die ihr vom Kläger und von anderen Kunden erst im Juli 2003 vorgelegten "PfennigBriefmarken" noch ohne weiteres umgetauscht hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Zwar konnte hierdurch der Eindruck entstehen , dass die Beklagte sich zumindest auch in naher Zukunft nicht anders verhalten werde. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist es aber keine Seltenheit, dass ein Vertragsteil das erste Fristversäumnis des anderen entweder aus Kulanz oder aus vergleichbaren Gründen hinnimmt. Ein sorgfältiger Erklärungsempfänger darf daher normalerweise nicht darauf vertrauen, dass seinem an sich unbegründeten Anspruchsbegehren auch künftig entsprochen wird. Der Kläger handelte infolgedessen auf eigenes Risiko, als er die Briefmarken nach Ablauf der Umtauschfrist von Dritten erwarb und wegen des durch den Wegfall der Umtauschmöglichkeit hervorgerufenen Wertverlustes nur einen weit unter dem Nennwert der Marken liegenden Kaufpreis zahlen musste. Davon abgesehen kann der in seinem berechtigten Vertrauen enttäuschte Vertragspartner grundsätzlich nur einen ihm zugefügten, hier nicht dargelegten Vertrauensschaden (vgl. auch § 122 Abs. 1 BGB) ersetzt verlangen.

III.


37
Die Revision des Klägers konnte demnach keinen Erf olg haben und war deshalb zurückzuweisen.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 08.06.2004 - 10 O 93/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 25.11.2004 - 14 U 15/04 -

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 71/08
Verkündet am:
31. Oktober 2008
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 2. April 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit notariellem Vertrag vom 9. Juni 1981 bestellte die Klägerin den Beklagten ein Erbbaurecht an ihrem Grundstück Gemarkung N. , Flur 4, Flurstück 1073, für das ein jährlicher Erbbauzins von 2.916 DM vereinbart wurde. In § 4 (4) des Vertrages heißt es u.a: "Jede Vertragspartei kann verlangen, daß die Höhe des Erbbauzinses zum 1. eines Kalenderjahres nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß oder seit der letzten Änderung des Erbbauzinses neu festgesetzt wird. Die erste Änderung ist frühestens zum 1. Jan. 1984 zulässig. Der Erbbauzins wird durch Einigung beider Parteien dem veränderten Stand der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt. § 315 BGB gilt entsprechend. Bei den Einigungsverhandlungen soll die Entwicklung folgender vom Statistischen Bundesamt festgestellter Werte als Richtlinien dienen: das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit eines 4 Personen-Arbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen , der Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-PersonenArbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen (Basisjahr 1976 – 100). … Das Anpassungsverlangen muß schriftlich … geltend gemacht werden. Der Brief ist spätestens am 1. Nov. bei der Post aufzugeben, wenn die Änderung mit dem 1. Januar des nachfolgenden Jahres wirksam werden soll."
2
In § 4 (6) des Vertrages ist bestimmt, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses durch Eintragung einer zusätzlichen Reallast in Höhe des Änderungsbetrages abzusichern ist.
3
Das Grundstück wurde vereinbarungsgemäß mit einem Wohnhaus bebaut. Den Erbbauzins passten die Parteien mehrmals an, zuletzt aufgrund des Erhöhungsverlangens vom 27. August 1998 auf 4.671,43 DM. Einer weiteren Erhöhung um 268,97 € mit Wirkung zum 1. Januar 2005, die die Klägerin auf der Grundlage der Indices "Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe" und der "Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel" sowie des "Indexes für die Verbraucherpreise" errechnet hatte, stimmen die Beklagten nicht zu. Sie machen insbesondere geltend, die von der Klägerin zugrunde gelegten Kriterien entsprächen nicht den vertraglich vereinbarten.
4
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zustimmung zu der genannten Anhebung und Bewilligung einer Reallast in Höhe des Änderungsbetrages. Sie stützt sich hierzu auf ein Erhöhungsverlangen vom 28. Oktober 2004. Die als Anlage zur Klageschrift eingereichte Kopie dieses Schreibens ist lediglich mit einem Handzeichen versehen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese u.a. erstmals geltend gemacht hatten , das Schreiben vom 28. Oktober 2004 sei nicht unterschrieben, ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hält beide Klageansprüche für gerechtfertigt. Insbesondere habe die Klägerin ihr Erhöhungsverlangen auf zutreffende Berechnungsgrundlagen gestützt. Die vertraglich vereinbarten Indices würden nicht mehr fortgeführt. Die stattdessen von der Klägerin herangezogenen Anpassungskriterien entsprächen den Billigkeitskriterien des § 9a Abs. 1 ErbbauRG und in ihrer statistischen Aussage (weitgehend) den vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen. Der Dienstleistungssektor müsse unberücksichtigt bleiben, weil es bereits zur Zeit des Vertragsschlusses einen starken Dienstleistungssektor gegeben habe, auf den die Parteien in dem Vertrag aber gerade nicht abgestellt hätten. Das Berufungsvorbringen der Beklagten zur Unwirksamkeit des Erhöhungsschreibens vom 28. Oktober 2004 könne nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden.

II.

6
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7
1. Allerdings geht das Berufungsgericht der Sache nach zutreffend davon aus, dass die durch den Fortfall der vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen entstandene Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254), dass dabei darauf abzustellen ist, was die Parteien bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten und dass hierzu zunächst an die in dem Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen anzuknüpfen ist (Senat, BGHZ 81, 135, 141; BGH, Urt. v. 1. Juni 2005, VIII ZR 234/04, NJW-RR 2005, 1421, 1422 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist von § 4 (4) des Vertrages auszugehen, wonach der Erbbauzins dem veränderten Stand der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen ist. Aus der Verweisung auf § 315 BGB ergibt sich, dass die Anpassung der Billigkeit entsprechen muss (dazu Senat, Urt. v. 19. Januar 2001, V ZR 217/00, NJW 2001, 1930). Die in dem Vertrag als Richtlinien genannten statistischen Werte dienen der Konkretisierung dieses Maßstabs. Daher sind die fortgefallenen Bemessungsgrundlagen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch diejenigen zu ersetzen, die den fortgefallenen Indices am nächsten kommen und die deshalb am besten geeignet sind, den in § 4 (4) des Vertrages zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsschließenden umzusetzen (vgl. auch Reul, DNotZ 2003, 92, 97; Hülsdunk/Schnabl, ZfIR 2007, 337, 339 f.).
8
2. Gemessen daran ist es zwar revisionsrechtlich unbedenklich, wenn das Berufungsgericht die Zugrundelegung des Verbraucherpreisindexes gebilligt hat; es entspricht allgemeiner Auffassung, dass dieser dem seit 2003 nicht mehr festgestellten Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-PersonenArbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen am nächsten kommt (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254; Reul, DNotZ 2003, 92, 97; Hülsdunk/Schnabl, ZfIR 2007, 337, 340). Jedoch unterliegt das Berufungsurteil schon deshalb der Aufhebung, weil der Verbraucherpreisindex erst für die Zeit ab 1. Januar 2003 herangezogen werden darf. Erst ab diesem Zeitpunkt steht der vertraglich vereinbarte Maßstab nicht mehr zur Verfügung mit der Folge, dass eine Lücke vorliegt, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist (vgl. Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254 m.w.N.). Für die Zeit davor bleibt das vertraglich vereinbarte Bemessungskriterium verbindlich. Letzteres gilt auch mit Blick auf das zur Entwicklung der Bruttoeinkommen vereinbarte Anpassungskriterium, für das - soweit ersichtlich - statistisches Material bis einschließlich 1998 verfügbar ist. Die Ermittlung der maßgeblichen Indexzahlen ist dem Tatrichter vorbehalten (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254 m.w.N.).
9
3. Darüber hinaus erweist sich die Heranziehung des Mittelwerts aus den Indices "Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe" und "Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel" anstelle des vertraglich für die Bemessung der Einkommensentwicklung zugrunde gelegten Kriteriums schon im rechtlichen Ausgangspunkt als rechtsfehlerhaft.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision folgt das allerdings nicht bereits daraus, dass es nach dem Wegfall der vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen nur noch allein auf die Preisentwicklung ankäme. Nach § 4 (4) des Vertrages hängt die nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu treffende Anpassung des Erbbauzinses von einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Für deren Feststellung haben die Parteien ausdrücklich sowohl die Entwicklung der Preise als auch die der Einkommen für maßgeblich erachtet. Daran bleiben die Beklagten gebunden. Etwas anderes könnte sich allenfalls nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ergeben. Voraussetzung hierfür wäre eine schwerwiegende Änderung der dem Vertrag zugrunde gelegten Umstände, die das Festhalten der Beklagten an dem Vereinbarten unzumutbar machte (vgl. nur Palandt/ Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 313 Rdn. 40 f. m.w.N.). Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revision verweist auf keinen Sachvortrag , der die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage tragen könnte. Im Übrigen spricht gegen einen solchen Wegfall, dass das Statistische Bundesamt noch in seiner Veröffentlichung "Löhne und Gehälter, April 2006" Einkommensindices ausdrücklich als für Erbbauzinsanpassungen geeignet bezeichnet.
11
b) Wie die Bezugnahme des Berufungsurteils auf das erstinstanzliche Urteil nahe legt, scheint das Berufungsgericht die ergänzende Vertragsauslegung an der zu § 9a Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG ergangenen Rechtsprechung ausgerichtet zu haben. Diese Vorschrift begrenzt indessen lediglich einen vertraglich vereinbarten Anpassungsanspruch. Sie setzt diesen voraus und kann daher nicht für die Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob und in welchem Umfang ein Vertrag eine Erhöhung gewährt (vgl. Senat, BGHZ 75, 279, 282 f.; Urt. v. 30. April 1982, V ZR 31/81, NJW 1982, 2382, 2383; Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 267/85, WM 1986, 1475, 1477; Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 268/85, WM 1987, 19, 20).
12
c) Davon abgesehen hat das Berufungsgericht bei der Billigung der von der Klägerin für die Entwicklung der Bruttoeinkommen zugrunde gelegten Indices (Mittelwert aus den Indices Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe und Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel) nicht erwogen, dass seit 1999 Erhebungen für die Gesamtheit aller privaten Haushalte durchgeführt werden, die zwar nicht nach der Höhe des Einkommens unter- scheiden, wohl aber nach der Anzahl ihrer Mitglieder (vgl. Statistisches Bundesamt , Statistisches Jahrbuch 2007, S. 543 f.). Es spricht einiges dafür, dass die insbesondere für den Haushaltstyp "Paare mit Kind(ern)" festgestellten neuen Werte des Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit der in § 4 (4) des Vertrages vereinbarten Bemessungsgrundlage näher kommen als die von dem Berufungsgericht herangezogenen Werte, zumal die nach Haushaltstypen unterscheidenden Statistiken unter Ausklammerung sehr hoher Haushaltseinkommen erstellt worden sind (vgl. aaO). Zur Beurteilung der Vergleichbarkeit der verschiedenen Maßstäbe bietet es sich an, eine Auskunft des Statistischen Bundesamtes zu den tatsächlichen Grundlagen der Statistiken einzuholen (vgl. auch Senat, BGHZ 77, 188, 191). Das überlässt der Senat - ebenso wie die Ermittlung der einschlägigen Indexzahlen - dem Berufungsgericht.
13
4. Keinen Bestand haben kann schließlich die Annahme des Berufungsgerichts , das Erhöhungsverlangen sei bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2005 gerechtfertigt. Die Revision rügt zu Recht, dass den Beklagten der Hinweis darauf , das Erhöhungsschreiben vom 28. Oktober 2004 sei "weder von der Klägerin noch von einer ordnungsgemäßen Vertretung unterzeichnet", nicht nach § 531 ZPO versagt ist. Nach § 4 (4) des Vertrages unterliegt das Anpassungsverlangen der Schriftform. Die Klägerin hat mit der Klage nicht die Zusendung eines dieser Form genügenden Erhöhungsschreibens behauptet. Das der Klage als Anlage beigefügte Schreiben enthält unstreitig nur ein Handzeichen. Die Berufung auf die Unschlüssigkeit des gegnerischen Vortrags unterliegt nicht der Präklusion. Das Berufungsgericht wird daher der erst auf den Einwand der Beklagten erhobenen und unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin nachzugehen haben, den Beklagten sei ein von einer vertretungsberechtigten Person unterzeichnetes Exemplar des Erhöhungsschreibens zugegangen. Sollte sich das Berufungsgericht hiervon nicht überzeugen können, wird man die Kla- geschrift vom 22. April 2006 als erneutes Erhöhungsverlangen mit der Folge zugrunde legen müssen, dass eine Anpassung des Erbauzinses erst ab dem 1. Januar 2007 in Betracht kommt.
14
5. Das Berufungsurteil ist nach allem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Feststellungen noch getroffen werden müssen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

III.

15
Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin.
16
1. Die Entwicklung der maßgeblichen Werte ist erst seit dem Abschluss des Vertrages im Juni 1981 zu berücksichtigen. Ob Monatswerte oder Jahresdurchschnittswerte heranzuziehen sind, ist eine Frage der - von dem Berufungsgericht insoweit unterlassenen - Vertragsauslegung (vgl. Senat, BGHZ 87, 198, 201; Urt. v. 24. April 1992, V ZR 52/91, NJW 1992, 2088). Da § 4 (4) des Vertrages hinsichtlich des Anpassungszeitpunkts, der Anpassungshäufigkeit und der ersten Anpassung auf ganze Kalenderjahre bzw. den ersten Tag eines Kalenderjahres abstellt, begegnet die Berechnung mit Jahresdurchschnittswerten zwar grundsätzlich keinen Zweifeln. Das gilt jedoch nicht für den Beginn der Betrachtung. Stellte man auch für das Jahr 1981 auf den Jahresdurchschnittswert ab, bezöge man die Indexentwicklungen von Januar bis Juni 1981 in die Berechnung der Erbbauzinsanpassung ein, obwohl die Parteien die Höhe des Erbbauzinses erst im Juni 1981 vereinbart haben. Das erscheint nicht sachgerecht.
17
2. Soweit es um die Beschränkung des vertraglichen Anpassungsanspruchs nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG geht, hält der Senat daran fest, dass ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet wird, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden (vgl. nur BGHZ 75, 279, 286 f.; 77, 188, 190 ff.; 77, 194, 200 f.; 87, 198; 146, 280, 286; Urt. v. 26. Februar 1988, V ZR 155/86, NJW-RR 1988, 775 f. m.w.N.). Das Niveau der Lebenshaltung, der sog. Lebensstandard , ist von der Entwicklung der Lebenshaltungskosten ebenso abhängig wie von der Einkommenssituation. Dabei kommt es lediglich darauf an, den für einen breiten Teil der Bevölkerung maßgebenden Durchschnitt zu berücksichtigen. Eine lückenlose Erfassung sämtlicher einschlägiger Daten scheidet aus.
18
a) Diesen Anforderungen genügen die bislang herangezogenen Bemessungsgrundlagen , wonach neben der Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise mit gleicher Gewichtung auf die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel abzustellen ist (Senat, aaO). Daran hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (vgl. etwa Bamberger/Roth/ Maaß, BGB, 2. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 9; Erman/Grziwotz, BGB, 12. Aufl., § 9a ErbbauRG Rdn. 6; MünchKomm-BGB/v. Oefele, 4. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 9; Palandt/Bassenge, BGB, § 9a ErbbRVO Rdn. 7; RGRK/Räfle, BGB, 12. Aufl., § 9a ErbbVO Rdn. 13; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 8; Staudinger/Rapp, BGB [2002], § 9a ErbbVO Rdn. 7; Böttcher , Praktische Fragen des Erbbaurechts, 5. Aufl., S. 85; Ingenstau/Hustedt, Kommentar zum Erbbaurecht, 8. Aufl., § 9a Rdn. 22; Linde/Richter, Erbbaurecht und Erbbauzins, 3. Aufl., Rdn. 171; v. Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts , 3. Aufl., Rdn. 6.187 ff.) fest. Das ist umso mehr gerechtfertigt, als der Index der Bruttomonatsverdienste der Angestellten seit 1995 nicht mehr auf die Industrie und den Handel beschränkt ist, sondern auch die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern sowie das Kredit- und Versicherungsgewerbe umfasst und damit auf eine breitere Grundlage gestellt worden ist. Ob für spätere Zeiträume andere - auf der Grundlage des Verdienststatistikgesetzes seit 2007 erhobene - Werte heranzuziehen sind (vgl. auch BR-Drucks. 557/06 S. 8), bedarf hier keiner Entscheidung.
19
b) Bei der Prüfung, ob und inwieweit dem vertraglichen Erhöhungsanspruch die durch § 9a Abs. 1 ErbbauRG gezogene Billigkeitsschranke entgegensteht , sind die Monatswerte der statistischen Indices maßgeblich, die vor der Stellung des Erhöhungsverlangens zuletzt veröffentlicht wurden (Senat, BGHZ 87, 198, 201).
Krüger Klein Stresemann
Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Groß-Gerau, Entscheidung vom 30.01.2007 - 61 C 142/06 (14) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 02.04.2008 - 24 S 12/07 -

(1) Dient das auf Grund eines Erbbaurechts errichtete Bauwerk Wohnzwecken, so begründet eine Vereinbarung, daß eine Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann, einen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses nur, soweit diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unbillig ist. Ein Erhöhungsanspruch ist regelmäßig als unbillig anzusehen, wenn und soweit die nach der vereinbarten Bemessungsgrundlage zu errechnende Erhöhung über die seit Vertragsabschluß eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. Änderungen der Grundstückswertverhältnisse bleiben außer den in Satz 4 genannten Fällen außer Betracht. Im Einzelfall kann bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere

1.
einer Änderung des Grundstückswerts infolge eigener zulässigerweise bewirkter Aufwendungen des Grundstückseigentümers oder
2.
der Vorteile, welche eine Änderung des Grundstückswerts oder die ihr zugrunde liegenden Umstände für den Erbbauberechtigten mit sich bringen,
ein über diese Grenze hinausgehender Erhöhungsanspruch billig sein. Ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses darf frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß und, wenn eine Erhöhung des Erbbauzinses bereits erfolgt ist, frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit der jeweils letzten Erhöhung des Erbbauzinses geltend gemacht werden.

(2) Dient ein Teil des auf Grund des Erbbaurechts errichteten Bauwerks Wohnzwecken, so gilt Absatz 1 nur für den Anspruch auf Änderung eines angemessenen Teilbetrags des Erbbauzinses.

(3) Die Zulässigkeit einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Erhöhung des Erbbauzinses wird durch die vorstehenden Vorschriften nicht berührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 71/08
Verkündet am:
31. Oktober 2008
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und
Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 2. April 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit notariellem Vertrag vom 9. Juni 1981 bestellte die Klägerin den Beklagten ein Erbbaurecht an ihrem Grundstück Gemarkung N. , Flur 4, Flurstück 1073, für das ein jährlicher Erbbauzins von 2.916 DM vereinbart wurde. In § 4 (4) des Vertrages heißt es u.a: "Jede Vertragspartei kann verlangen, daß die Höhe des Erbbauzinses zum 1. eines Kalenderjahres nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß oder seit der letzten Änderung des Erbbauzinses neu festgesetzt wird. Die erste Änderung ist frühestens zum 1. Jan. 1984 zulässig. Der Erbbauzins wird durch Einigung beider Parteien dem veränderten Stand der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt. § 315 BGB gilt entsprechend. Bei den Einigungsverhandlungen soll die Entwicklung folgender vom Statistischen Bundesamt festgestellter Werte als Richtlinien dienen: das Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit eines 4 Personen-Arbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen , der Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-PersonenArbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen (Basisjahr 1976 – 100). … Das Anpassungsverlangen muß schriftlich … geltend gemacht werden. Der Brief ist spätestens am 1. Nov. bei der Post aufzugeben, wenn die Änderung mit dem 1. Januar des nachfolgenden Jahres wirksam werden soll."
2
In § 4 (6) des Vertrages ist bestimmt, dass eine Erhöhung des Erbbauzinses durch Eintragung einer zusätzlichen Reallast in Höhe des Änderungsbetrages abzusichern ist.
3
Das Grundstück wurde vereinbarungsgemäß mit einem Wohnhaus bebaut. Den Erbbauzins passten die Parteien mehrmals an, zuletzt aufgrund des Erhöhungsverlangens vom 27. August 1998 auf 4.671,43 DM. Einer weiteren Erhöhung um 268,97 € mit Wirkung zum 1. Januar 2005, die die Klägerin auf der Grundlage der Indices "Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe" und der "Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel" sowie des "Indexes für die Verbraucherpreise" errechnet hatte, stimmen die Beklagten nicht zu. Sie machen insbesondere geltend, die von der Klägerin zugrunde gelegten Kriterien entsprächen nicht den vertraglich vereinbarten.
4
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zustimmung zu der genannten Anhebung und Bewilligung einer Reallast in Höhe des Änderungsbetrages. Sie stützt sich hierzu auf ein Erhöhungsverlangen vom 28. Oktober 2004. Die als Anlage zur Klageschrift eingereichte Kopie dieses Schreibens ist lediglich mit einem Handzeichen versehen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der diese u.a. erstmals geltend gemacht hatten , das Schreiben vom 28. Oktober 2004 sei nicht unterschrieben, ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hält beide Klageansprüche für gerechtfertigt. Insbesondere habe die Klägerin ihr Erhöhungsverlangen auf zutreffende Berechnungsgrundlagen gestützt. Die vertraglich vereinbarten Indices würden nicht mehr fortgeführt. Die stattdessen von der Klägerin herangezogenen Anpassungskriterien entsprächen den Billigkeitskriterien des § 9a Abs. 1 ErbbauRG und in ihrer statistischen Aussage (weitgehend) den vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen. Der Dienstleistungssektor müsse unberücksichtigt bleiben, weil es bereits zur Zeit des Vertragsschlusses einen starken Dienstleistungssektor gegeben habe, auf den die Parteien in dem Vertrag aber gerade nicht abgestellt hätten. Das Berufungsvorbringen der Beklagten zur Unwirksamkeit des Erhöhungsschreibens vom 28. Oktober 2004 könne nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden.

II.

6
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7
1. Allerdings geht das Berufungsgericht der Sache nach zutreffend davon aus, dass die durch den Fortfall der vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen entstandene Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254), dass dabei darauf abzustellen ist, was die Parteien bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten und dass hierzu zunächst an die in dem Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen anzuknüpfen ist (Senat, BGHZ 81, 135, 141; BGH, Urt. v. 1. Juni 2005, VIII ZR 234/04, NJW-RR 2005, 1421, 1422 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist von § 4 (4) des Vertrages auszugehen, wonach der Erbbauzins dem veränderten Stand der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen ist. Aus der Verweisung auf § 315 BGB ergibt sich, dass die Anpassung der Billigkeit entsprechen muss (dazu Senat, Urt. v. 19. Januar 2001, V ZR 217/00, NJW 2001, 1930). Die in dem Vertrag als Richtlinien genannten statistischen Werte dienen der Konkretisierung dieses Maßstabs. Daher sind die fortgefallenen Bemessungsgrundlagen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch diejenigen zu ersetzen, die den fortgefallenen Indices am nächsten kommen und die deshalb am besten geeignet sind, den in § 4 (4) des Vertrages zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsschließenden umzusetzen (vgl. auch Reul, DNotZ 2003, 92, 97; Hülsdunk/Schnabl, ZfIR 2007, 337, 339 f.).
8
2. Gemessen daran ist es zwar revisionsrechtlich unbedenklich, wenn das Berufungsgericht die Zugrundelegung des Verbraucherpreisindexes gebilligt hat; es entspricht allgemeiner Auffassung, dass dieser dem seit 2003 nicht mehr festgestellten Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-PersonenArbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen am nächsten kommt (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254; Reul, DNotZ 2003, 92, 97; Hülsdunk/Schnabl, ZfIR 2007, 337, 340). Jedoch unterliegt das Berufungsurteil schon deshalb der Aufhebung, weil der Verbraucherpreisindex erst für die Zeit ab 1. Januar 2003 herangezogen werden darf. Erst ab diesem Zeitpunkt steht der vertraglich vereinbarte Maßstab nicht mehr zur Verfügung mit der Folge, dass eine Lücke vorliegt, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen ist (vgl. Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254 m.w.N.). Für die Zeit davor bleibt das vertraglich vereinbarte Bemessungskriterium verbindlich. Letzteres gilt auch mit Blick auf das zur Entwicklung der Bruttoeinkommen vereinbarte Anpassungskriterium, für das - soweit ersichtlich - statistisches Material bis einschließlich 1998 verfügbar ist. Die Ermittlung der maßgeblichen Indexzahlen ist dem Tatrichter vorbehalten (Senat, Urt. v. 12. Oktober 2007, V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251, 254 m.w.N.).
9
3. Darüber hinaus erweist sich die Heranziehung des Mittelwerts aus den Indices "Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe" und "Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel" anstelle des vertraglich für die Bemessung der Einkommensentwicklung zugrunde gelegten Kriteriums schon im rechtlichen Ausgangspunkt als rechtsfehlerhaft.
10
a) Entgegen der Auffassung der Revision folgt das allerdings nicht bereits daraus, dass es nach dem Wegfall der vertraglich vereinbarten Bemessungsgrundlagen nur noch allein auf die Preisentwicklung ankäme. Nach § 4 (4) des Vertrages hängt die nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu treffende Anpassung des Erbbauzinses von einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ab. Für deren Feststellung haben die Parteien ausdrücklich sowohl die Entwicklung der Preise als auch die der Einkommen für maßgeblich erachtet. Daran bleiben die Beklagten gebunden. Etwas anderes könnte sich allenfalls nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ergeben. Voraussetzung hierfür wäre eine schwerwiegende Änderung der dem Vertrag zugrunde gelegten Umstände, die das Festhalten der Beklagten an dem Vereinbarten unzumutbar machte (vgl. nur Palandt/ Grüneberg, BGB, 67. Aufl., § 313 Rdn. 40 f. m.w.N.). Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revision verweist auf keinen Sachvortrag , der die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage tragen könnte. Im Übrigen spricht gegen einen solchen Wegfall, dass das Statistische Bundesamt noch in seiner Veröffentlichung "Löhne und Gehälter, April 2006" Einkommensindices ausdrücklich als für Erbbauzinsanpassungen geeignet bezeichnet.
11
b) Wie die Bezugnahme des Berufungsurteils auf das erstinstanzliche Urteil nahe legt, scheint das Berufungsgericht die ergänzende Vertragsauslegung an der zu § 9a Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG ergangenen Rechtsprechung ausgerichtet zu haben. Diese Vorschrift begrenzt indessen lediglich einen vertraglich vereinbarten Anpassungsanspruch. Sie setzt diesen voraus und kann daher nicht für die Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob und in welchem Umfang ein Vertrag eine Erhöhung gewährt (vgl. Senat, BGHZ 75, 279, 282 f.; Urt. v. 30. April 1982, V ZR 31/81, NJW 1982, 2382, 2383; Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 267/85, WM 1986, 1475, 1477; Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 268/85, WM 1987, 19, 20).
12
c) Davon abgesehen hat das Berufungsgericht bei der Billigung der von der Klägerin für die Entwicklung der Bruttoeinkommen zugrunde gelegten Indices (Mittelwert aus den Indices Bruttoverdienste der Arbeiter im produzierenden Gewerbe und Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel) nicht erwogen, dass seit 1999 Erhebungen für die Gesamtheit aller privaten Haushalte durchgeführt werden, die zwar nicht nach der Höhe des Einkommens unter- scheiden, wohl aber nach der Anzahl ihrer Mitglieder (vgl. Statistisches Bundesamt , Statistisches Jahrbuch 2007, S. 543 f.). Es spricht einiges dafür, dass die insbesondere für den Haushaltstyp "Paare mit Kind(ern)" festgestellten neuen Werte des Bruttoeinkommens aus unselbständiger Arbeit der in § 4 (4) des Vertrages vereinbarten Bemessungsgrundlage näher kommen als die von dem Berufungsgericht herangezogenen Werte, zumal die nach Haushaltstypen unterscheidenden Statistiken unter Ausklammerung sehr hoher Haushaltseinkommen erstellt worden sind (vgl. aaO). Zur Beurteilung der Vergleichbarkeit der verschiedenen Maßstäbe bietet es sich an, eine Auskunft des Statistischen Bundesamtes zu den tatsächlichen Grundlagen der Statistiken einzuholen (vgl. auch Senat, BGHZ 77, 188, 191). Das überlässt der Senat - ebenso wie die Ermittlung der einschlägigen Indexzahlen - dem Berufungsgericht.
13
4. Keinen Bestand haben kann schließlich die Annahme des Berufungsgerichts , das Erhöhungsverlangen sei bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2005 gerechtfertigt. Die Revision rügt zu Recht, dass den Beklagten der Hinweis darauf , das Erhöhungsschreiben vom 28. Oktober 2004 sei "weder von der Klägerin noch von einer ordnungsgemäßen Vertretung unterzeichnet", nicht nach § 531 ZPO versagt ist. Nach § 4 (4) des Vertrages unterliegt das Anpassungsverlangen der Schriftform. Die Klägerin hat mit der Klage nicht die Zusendung eines dieser Form genügenden Erhöhungsschreibens behauptet. Das der Klage als Anlage beigefügte Schreiben enthält unstreitig nur ein Handzeichen. Die Berufung auf die Unschlüssigkeit des gegnerischen Vortrags unterliegt nicht der Präklusion. Das Berufungsgericht wird daher der erst auf den Einwand der Beklagten erhobenen und unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin nachzugehen haben, den Beklagten sei ein von einer vertretungsberechtigten Person unterzeichnetes Exemplar des Erhöhungsschreibens zugegangen. Sollte sich das Berufungsgericht hiervon nicht überzeugen können, wird man die Kla- geschrift vom 22. April 2006 als erneutes Erhöhungsverlangen mit der Folge zugrunde legen müssen, dass eine Anpassung des Erbauzinses erst ab dem 1. Januar 2007 in Betracht kommt.
14
5. Das Berufungsurteil ist nach allem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Feststellungen noch getroffen werden müssen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

III.

15
Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin.
16
1. Die Entwicklung der maßgeblichen Werte ist erst seit dem Abschluss des Vertrages im Juni 1981 zu berücksichtigen. Ob Monatswerte oder Jahresdurchschnittswerte heranzuziehen sind, ist eine Frage der - von dem Berufungsgericht insoweit unterlassenen - Vertragsauslegung (vgl. Senat, BGHZ 87, 198, 201; Urt. v. 24. April 1992, V ZR 52/91, NJW 1992, 2088). Da § 4 (4) des Vertrages hinsichtlich des Anpassungszeitpunkts, der Anpassungshäufigkeit und der ersten Anpassung auf ganze Kalenderjahre bzw. den ersten Tag eines Kalenderjahres abstellt, begegnet die Berechnung mit Jahresdurchschnittswerten zwar grundsätzlich keinen Zweifeln. Das gilt jedoch nicht für den Beginn der Betrachtung. Stellte man auch für das Jahr 1981 auf den Jahresdurchschnittswert ab, bezöge man die Indexentwicklungen von Januar bis Juni 1981 in die Berechnung der Erbbauzinsanpassung ein, obwohl die Parteien die Höhe des Erbbauzinses erst im Juni 1981 vereinbart haben. Das erscheint nicht sachgerecht.
17
2. Soweit es um die Beschränkung des vertraglichen Anpassungsanspruchs nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG geht, hält der Senat daran fest, dass ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet wird, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden (vgl. nur BGHZ 75, 279, 286 f.; 77, 188, 190 ff.; 77, 194, 200 f.; 87, 198; 146, 280, 286; Urt. v. 26. Februar 1988, V ZR 155/86, NJW-RR 1988, 775 f. m.w.N.). Das Niveau der Lebenshaltung, der sog. Lebensstandard , ist von der Entwicklung der Lebenshaltungskosten ebenso abhängig wie von der Einkommenssituation. Dabei kommt es lediglich darauf an, den für einen breiten Teil der Bevölkerung maßgebenden Durchschnitt zu berücksichtigen. Eine lückenlose Erfassung sämtlicher einschlägiger Daten scheidet aus.
18
a) Diesen Anforderungen genügen die bislang herangezogenen Bemessungsgrundlagen , wonach neben der Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise mit gleicher Gewichtung auf die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdienste der Angestellten in Industrie und Handel abzustellen ist (Senat, aaO). Daran hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (vgl. etwa Bamberger/Roth/ Maaß, BGB, 2. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 9; Erman/Grziwotz, BGB, 12. Aufl., § 9a ErbbauRG Rdn. 6; MünchKomm-BGB/v. Oefele, 4. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 9; Palandt/Bassenge, BGB, § 9a ErbbRVO Rdn. 7; RGRK/Räfle, BGB, 12. Aufl., § 9a ErbbVO Rdn. 13; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 9a ErbbauVO Rdn. 8; Staudinger/Rapp, BGB [2002], § 9a ErbbVO Rdn. 7; Böttcher , Praktische Fragen des Erbbaurechts, 5. Aufl., S. 85; Ingenstau/Hustedt, Kommentar zum Erbbaurecht, 8. Aufl., § 9a Rdn. 22; Linde/Richter, Erbbaurecht und Erbbauzins, 3. Aufl., Rdn. 171; v. Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts , 3. Aufl., Rdn. 6.187 ff.) fest. Das ist umso mehr gerechtfertigt, als der Index der Bruttomonatsverdienste der Angestellten seit 1995 nicht mehr auf die Industrie und den Handel beschränkt ist, sondern auch die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern sowie das Kredit- und Versicherungsgewerbe umfasst und damit auf eine breitere Grundlage gestellt worden ist. Ob für spätere Zeiträume andere - auf der Grundlage des Verdienststatistikgesetzes seit 2007 erhobene - Werte heranzuziehen sind (vgl. auch BR-Drucks. 557/06 S. 8), bedarf hier keiner Entscheidung.
19
b) Bei der Prüfung, ob und inwieweit dem vertraglichen Erhöhungsanspruch die durch § 9a Abs. 1 ErbbauRG gezogene Billigkeitsschranke entgegensteht , sind die Monatswerte der statistischen Indices maßgeblich, die vor der Stellung des Erhöhungsverlangens zuletzt veröffentlicht wurden (Senat, BGHZ 87, 198, 201).
Krüger Klein Stresemann
Roth Czub
Vorinstanzen:
AG Groß-Gerau, Entscheidung vom 30.01.2007 - 61 C 142/06 (14) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 02.04.2008 - 24 S 12/07 -

(1) Dient das auf Grund eines Erbbaurechts errichtete Bauwerk Wohnzwecken, so begründet eine Vereinbarung, daß eine Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann, einen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses nur, soweit diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unbillig ist. Ein Erhöhungsanspruch ist regelmäßig als unbillig anzusehen, wenn und soweit die nach der vereinbarten Bemessungsgrundlage zu errechnende Erhöhung über die seit Vertragsabschluß eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. Änderungen der Grundstückswertverhältnisse bleiben außer den in Satz 4 genannten Fällen außer Betracht. Im Einzelfall kann bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere

1.
einer Änderung des Grundstückswerts infolge eigener zulässigerweise bewirkter Aufwendungen des Grundstückseigentümers oder
2.
der Vorteile, welche eine Änderung des Grundstückswerts oder die ihr zugrunde liegenden Umstände für den Erbbauberechtigten mit sich bringen,
ein über diese Grenze hinausgehender Erhöhungsanspruch billig sein. Ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses darf frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß und, wenn eine Erhöhung des Erbbauzinses bereits erfolgt ist, frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit der jeweils letzten Erhöhung des Erbbauzinses geltend gemacht werden.

(2) Dient ein Teil des auf Grund des Erbbaurechts errichteten Bauwerks Wohnzwecken, so gilt Absatz 1 nur für den Anspruch auf Änderung eines angemessenen Teilbetrags des Erbbauzinses.

(3) Die Zulässigkeit einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Erhöhung des Erbbauzinses wird durch die vorstehenden Vorschriften nicht berührt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 31/11 Verkündet am:
18. November 2011
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 157 D, 242 Bb; ErbbauVO §§ 9, 9a aF
Erfüllt die in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vereinbarte wertsichernde Klausel
ab einem bestimmten Zeitpunkt ihren Zweck nicht mehr, ist im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung zu ermitteln, was die Vertragspartner nach Treu und
Glauben für diesen Fall vereinbart hätten; führt die Auslegung zu keinem Ergebnis,
kommt die Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in
Betracht. In beiden Fällen sind nicht die seit Vertragsabschluss, sondern die seit der
letzten aufgrund der Klausel vorgenommenen Erhöhung geänderten Verhältnisse
maßgebend (Fortführung von Senat, Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80,
BGHZ 81, 135 und Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220).
BGH, Urteil vom 18. November 2011 - V ZR 31/11 - LG Lübeck
AG Lübeck
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann
und den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 22. Dezember 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte ist Erbbauberechtigter an einem der Klägerin gehörenden Grundstück. In dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 28. Juni 1949 heißt es u.a.: "3. Der Erbbauberechtigte hat an die jeweilige Grundstückseigentümerin als Erbbauzins jährlich einen Betrag zu zahlen, der 10 (zehn) vom Hundert des mit DM 2,- für den Quadratmeter angenommenen Wertes der Fläche entspricht. Die Grundstückseigentümerin behält sich vor, den Wert für den Grund und Boden zu erhöhen, wenn über einen einfachen Straßenausbau und die Verlegung der Hauptleitung für Licht hinaus weitere Aufschließungskosten für das Gelände entstehen.
Der Erbbauzins ist in vierteljährlichen Teilbeträgen am 1. Werktage der Monate Januar, April, Juli und Oktober hinterher zahlbar. Der Erbbauzins ist durch Eintragung einer Reallast sicherzustellen.

4.

Für die ersten 5 (fünf) Jahre ermäßigt sich der Erbbauzins auf vier vom Hundert des angenommenen Wertes der Fläche.
Die Höhe des danach zu entrichtenden Erbbauzinses wird alle 5 (fünf) Jahre, erstmalig am 1. Januar 1954 von der Finanzverwaltung festgesetzt werden. Gegen die späteren Festsetzungen steht dem Erbbauberechtigten nur die Beschwerde beim Senat, der endgültig entscheidet, offen."
2
Bis Oktober 1983 wurde der Erbbauzins schrittweise auf 10 % des angenommenen Grundstückswerts erhöht; das ergibt 98,68 Euro pro Jahr.
3
Der Beklagte erwarb das Erbbaurecht im Jahr 1993. Zugleich schloss er mit der Klägerin einen Schuldübernahmevertrag, in welchem er in den schuldrechtlichen Teil der Erbbaurechtsbestellung eintrat und alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen anstelle des Veräußerers übernahm.
4
Im April 2004 verlangte die Klägerin - gestützt auf eine sich aus den arithmetischen Mitteln der Steigerung der Lebenshaltungskosten sowie der Löhne und Gehälter ergebende Steigerungsrate von 875,9 % - einen jährlichen Erbbauzins von 963 €. Der Beklagte sollte vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2008 jährlich 386,76 €, vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 jährlich 674,88 € und ab dem 1. Juli 2010 den vollen Jahresbetrag (963 €) zahlen. Dem kam er nicht nach, sondern zahlte weiterhin nur den ursprünglichen Betrag von 98,68 € pro Jahr.
5
Die auf die Verurteilung zur Zahlung von 540,16 € (Differenz zwischen gezahltem und gefordertem Erbbauzins von Oktober 2006 bis Juli 2008) zuzüglich 10 € vorgerichtlicher Mahnkosten und 38,30 € bezifferter Zinsen gerichtete Klage hat das Amtsgericht abgewiesen. Das Landgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von diesem zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


6
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf jährlich 385,19 € verlangen. Die von den Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses sei durch eine Entwicklung der Kaufkraft des Geldes entfallen, welche beide Parteien nicht vorausgesehen hätten. Die Regelungen in Nr. 3 und 4 des Vertrags seien dahin auszulegen, dass ursprünglich ein Erbbauzins von 4 % habe vereinbart werden sollen, der bis zu einer Grenze von 10 % habe erhöht werden können. Dabei handele es sich nicht um eine typische Wertanpassungsklausel ; allerdings habe die Klausel auch dem Zweck der Wertsicherung dienen sollen. Die Anpassungsmöglichkeit sei durch die 10 %-Grenze beschränkt. Diese Grenze sei jedoch nicht als Risikobegrenzung für den Erbbauberechtigten , sondern lediglich als eine theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigungspflicht nach § 3 WährG aF vereinbart worden. Es handele sich um eine Anpassungsklausel, die aus unvorhergesehenen Gründen ihren Zweck nicht mehr erfüllen könne. Deshalb müsse eine Anpassung ebenso wie in den Fällen möglich sein, in denen der Erbbaurechtsbestellungsvertrag keine Anpassungsmöglichkeit enthalte, wobei von einem anfänglichen Erbbauzins von 4 % auszugehen sei. Der Umstand, dass die Klägerin bei früheren Erhöhungen oder in früherer Zeit einen möglichen Erhöhungsanspruch nicht ausgeschöpft habe, bewirke nicht, dass sie nunmehr für einen späteren Zeitraum den von der Rechtsprechung eröffneten Erhöhungsrahmen nicht ausschöpfen dürfe.
7
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


8
1. Die Revision ist wegen der Bindung des Senats an die Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO) statthaft; sie ist auch im Übrigen zulässig.
9
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
10
a) Ohne Erfolg rügt der Beklagte allerdings, das Berufungsgericht habe die Zeugin R. (Sachbearbeiterin der Klägerin) zu der Behauptung vernehmen müssen, sie habe dem Beklagten vor der Unterzeichnung des Schuldübernahmevertrags versichert, dass eine weitere Erhöhung des Erbbauzinses über die bereits erreichte 10 %-Grenze nicht möglich sei. Unterstellt, die Behauptung trifft zu, fehlt ihr jedoch die Erheblichkeit. Der Beklagte meint, aufgrund der "Versicherung" der Zeugin habe er darauf vertrauen dürfen, dass der Erbbauzins bis zum Vertragsende unverändert bleiben werde; deshalb sei die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Geltendmachung eines Erhöhungsanspruchs gehindert. Diese Ansicht trifft nicht zu. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Sachbearbeiterin die Befugnis hatte, eine für die Klägerin rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, auf deren Einhaltung der Beklagte hätte vertrauen können.
11
b) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Höhe des Erbbauzinses einer Anpassung unterliegt, die nach oben nicht durch die in Ziffer 3 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags vereinbarte 10 %-Grenze beschränkt ist.
12
aa) Die Auslegung, der Vertrag ermögliche die Erhöhung des Erbbauzinses bis zu einer Grenze von 10 % des angenommenen Grundstückswerts, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von beiden Parteien hingenommen. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, die 10 %-Grenze sei als eine lediglich theoretische Grenze zur Vermeidung einer Genehmigung nach § 3 WährG aF und nicht als Risikobegrenzung für den Erbbaurechtserwerber vereinbart worden. Der Beklagte rügt zutreffend, dass dies keine Stütze in dem Parteivortrag und in den Feststellungen des Berufungsgerichts findet. Darauf kommt es indes im Ergebnis nicht an und ebenfalls nicht auf die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Rüge, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht er, sondern die Klägerin habe darlegen und beweisen müssen, dass die 10 %-Grenze keine "echte" Obergrenze habe sein sollen. Auch die weiteren Rügen, mit denen der Beklagte die Vernei- nung einer Obergrenze für das Erhöhungsverlangen angreift, bleiben erfolglos. Das gilt insbesondere für das Heranziehen der bis 1994 geltenden Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF, wonach der Erbbauzins nach Zeit und Höhe für die ganze Erbbauzeit im Voraus bestimmt sein musste. Denn diese Forderung konnte wegen der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht immer eingehalten werden. Der gegenseitige Vertrag beruht auf der Überzeugung der Vertragsparteien von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung und ist besonders bei langfristigen Verträgen Teil der objektiven Geschäftsgrundlage , die vorhanden sein und fortdauern muss, damit der Vertrag noch als eine sinnvolle Regelung bestehen kann (Staudinger/Rapp, BGB [2009], § 9 ErbbauRG Rn. 21). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat deshalb auch bei Erbbaurechtsverträgen, die unter der Geltung der Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF abgeschlossen worden waren, unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in der speziellen Ausgestaltung der Äquivalenzstörung korrigierend eingegriffen und eine Anpassung der Höhe des Erbbauzinses über die ursprünglich vereinbarte Höhe hinaus zugelassen (siehe nur Senat, Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 ff.; Urteil vom 23. März 1980 - V ZR 20/78, BGHZ 77, 194, 197 ff.).
13
bb) Auf diese Rechtsprechung stützt sich das Berufungsgericht jedoch, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, zu Unrecht. Denn sie ist zu solchen Erbbaurechtsverträgen ergangen, in denen keine Anpassungsklauseln vereinbart worden waren. Hier ist das Berufungsgericht jedoch - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden - davon ausgegangen, dass eine Anpassungsklausel vereinbart worden ist. Da diese, wie es weiter rechtsfehlerfrei und unangegriffen festgestellt hat, auch der Wertsicherung dienen, die Klägerin also gegen das Risiko eines Kaufkraftschwundes in geeigneter Form absichern sollte, diesen Zweck jedoch seit der letzten Anpassung nicht mehr erfüllen kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (vgl. Urteil vom 8. November 1972 - VIII ZR 123/71, WM 1972, 1442; Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 417, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407; Urteil vom 3. Juli 1981 - V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141). Diese hat Vorrang vor einer Anwendung der Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 395/04, BGHZ 164, 286, 292).
14
cc) Die ergänzende Vertragsauslegung ist - entgegen der von der Klägerin in dem Revisionsverfahren vertretenen Ansicht - nicht deshalb entbehrlich, weil die Klägerin die Höhe des Erbbauzinses nach billigem Ermessen bestimmen kann (vgl. § 315 BGB). Ein solches Bestimmungsrecht steht ihr nach dem Wortlaut der Ziffern 3 und 4 des Erbbaurechtsbestellungsvertrags nicht zu, soweit es um eine die 10 %-Grenze übersteigende Erbbauzinshöhe geht. Das Bestimmungsrecht verstieße im Übrigen gegen die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 ErbbauVO aF.
15
3. Die ergänzende Auslegung muss das Berufungsgericht nachholen.
16
a) Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien des Erbbaurechtsbestellungsvertrags bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten; zunächst ist an die in dem Vertrag vereinbarten Regelungen und Wertungen anzuknüpfen (Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679). Somit ist von den Regelungen in Ziffern 3 und 4 des Vertrags auszugehen, welche (auch) der Wertsicherung dienen sollten. Deshalb kann die Auslegung - insbesondere unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten in der Klageerwiderung bzw. in der Be- rufungserwiderung, dass die Anpassungsmöglichkeit der Berücksichtigung einer Steigerung der Lebenshaltungskosten bzw. der wirtschaftlichen Entwicklung dienen sollte - ergeben, dass eine Anhebung des Erbbauzinses nach Maßgabe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten dem entspricht, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Ungeeignetheit der nach oben begrenzten Anpassungsklausel bewusst gewesen wäre, und wenn sie dabei die Gebote von Treu und Glauben beachtet hätten; denn die Preisindizes für die Lebenshaltungskosten sind ein unmittelbarer Spiegel der Preisentwicklung, eine hieran orientierte Anpassung bewirkt daher einen von den Parteien gewollten Ausgleich des Kaufkraftschwunds (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 1984 - V ZR 52/84, WM 1985, 414, 418; Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, WM 1984, 406, 407). Eine Berücksichtigung auch der Entwicklung der Einkommen läge dagegen nicht mehr im Rahmen des von den Parteien verfolgten Ziels, sondern führte dazu, auch die Änderung des Lebensstandards in die Höhe des Erbbauzinses einfließen zu lassen; das hätte nichts mit der Schließung der Vertragslücke zu tun (vgl. Senat, Urteil vom 3. Februar 1984 - V ZR 191/82, aaO).
17
b) Da die Vertragsparteien die Klägerin gegen die Risiken eines Kaufkraftschwunds in geeigneter Form absichern wollten und zu diesem Zweck eine nach § 3 WährG aF genehmigungsfreie Anpassungsklausel vereinbart haben, kann es ihrem hypothetischen Willen entsprechen, die vorstehend unter a) beschriebene Anpassungsmöglichkeit in der Weise zu verwirklichen, dass jede Partei die Neufestsetzung der Höhe des Erbbauzinses - nach Ablauf einer mindestens dreijährigen Frist (§ 9a Abs. 1 Satz 5 ErbbauRG) - verlangen kann, wenn die Lebenshaltungskosten seit der jeweils vorausgegangenen Festsetzung um mehr als einen bestimmten Prozentsatz gestiegen oder gefallen sind (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juli 1981- V ZR 100/80, BGHZ 81, 135, 141 f.). Des- halb und weil die vereinbarte Anpassungsklausel ab dem 1. Oktober 1983 ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ist der Anstieg der Lebenshaltungskosten seit diesem Zeitpunkt maßgeblich; für die Zeit davor bleiben die in Ziffern 3 und 4 vereinbarten Regelungen verbindlich (vgl. Senat, Urteil vom 31. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679, 680).
18
c) Der - eventuelle - vertragliche Anpassungsanspruch ist in der Höhe nach § 9a Abs. 1 ErbbauRG beschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird ein zutreffendes Bild der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse nur gezeichnet, wenn neben den Lebenshaltungskosten auch die Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden; als Bemessungsgrundlagen dienen die Entwicklung der Lebenshaltungskosten bzw. der Verbraucherpreise und - mit gleicher Gewichtung - die Entwicklung der Bruttoverdienste der Arbeiter in der Industrie sowie die Bruttoverdiente der Angestellten in Industrie und Handel (siehe nur Senat, Urteil vom 3. Oktober 2008 - V ZR 71/08, NJW 2009, 679,

681).


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4. Erst wenn sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Möglichkeit der Anpassung des Erbbauzinses nicht feststellen lässt, kommt die von dem Berufungsgericht bejahte Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese hat der Senat zwar bisher nur bei Verträgen ohne wertsichernde Klausel bejaht (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 f.). Sie ist aber auch dann möglich, wenn eine vereinbarte Wertsicherungsklausel ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Denn ab diesem Zeitpunkt besteht kein Unterschied zu einem von Anfang an ohne Wertsicherungsklausel abgeschlossenen Erbbaurechtsbestellungsvertrag , soweit es um Äquivalenzstörungen geht. Für die davor liegende Zeit seit Vertragsschluss gilt jedoch die vereinbarte Klausel. Daraus folgt, dass - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - darauf abzustellen ist, ob durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten seit dem 1. Oktober 1983 die Grenze des für die Klägerin Tragbaren überschritten worden ist. Das ist indes nicht der Fall. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Erbbaurechtsausgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur dann, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt um mehr als 150 % gestiegen sind (siehe nur Urteil vom 18. September 1992 - V ZR 116/91, BGHZ 119, 220, 222 mit umfangreichen Nachweisen). Daran fehlt es nach der von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts. Danach sind die Lebenshaltungskosten zwischen 1983 und 2009 nur um 59,7 % gestiegen. Ein weiterer Anstieg in der Folgezeit ist nach dem Klageantrag , mit welchem der erhöhte Erbbauzins bis Juli 2008 verlangt wird, nicht zu berücksichtigen.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann RiBGH Dr. Czub ist wegen Krankheit verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Lübeck, Entscheidung vom 01.04.2010 - 28 C 8/09 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 22.12.2010 - 14 S 155/10 -