Bundesgerichtshof Urteil, 12. Apr. 2019 - V ZR 51/18

bei uns veröffentlicht am12.04.2019
vorgehend
Landgericht Leipzig, 7 O 1664/16, 09.05.2017
Oberlandesgericht Dresden, 10 U 837/17, 09.02.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 51/18
Verkündet am:
12. April 2019
Weschenfelder
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:120419UVZR51.18.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Weinland und die Richter Dr. Kazele, Dr. Göbel und Dr. Hamdorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 9. Februar 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Eigentümer der in der I. straße 37 und 39 in Leipzig gelegenen , aneinander grenzenden Eckgrundstücke. Die beiden Grundstücke sind mit jeweils einem Eckgebäude bebaut. Zwischen den Eckgebäuden befindet sich ein - im Wesentlichen zu gleichen Teilen auf den beiden Grundstücken gelegenes - eingeschossiges hallenartiges Gebäude, dessen einziger Eingang in der I. straße liegt. Das Gebäude wurde 1978 im Zuge der Rekonstruktion der mehrgeschossigen Eckgebäude I. straße 37 und 39 errichtet und diente als Baustellenunterkunft. Es erstreckt sich in der Tiefe auch auf das seit 2013 im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück L. straße 111 sowie auf ein weiteres Grundstück.
2
Im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes stand das Grundstück L. straße 111 zur Hälfte im Eigentum des Volkes, zu je einem Viertel gehörte es zwei ungeteilten Erbengemeinschaften. Die drei anderen Grundstücke standen im Eigentum des Volkes. Auf Grund eines nach dem Aufbaugesetz der DDR erlassenen Inanspruchnahmebescheides ging im Jahr 1982 auch das Grundstück L. straße 111 vollständig in das Eigentum des Volkes über. Nach der Wiedervereinigung wechselte das Eigentum an den Grundstücken mehrmals.
3
Die Klägerin verlangt - soweit noch von Interesse - von dem Beklagten, die Beseitigung des auf ihrem Grundstück befindlichen Teils des Gebäudes zu dulden. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie die Verurteilung des Beklagten zur Duldung des Zugangs zu dessen Grundstücken zur Vorbereitung der Abbruchmaßnahmen und die Feststellung der Erstattungspflicht für die von ihr künftig verauslagten Kosten für die Gewährleistung der Standsicherheit des Restgebäudes verlangt, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


4
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klägerin in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 912 Abs. 1 BGB, die nach Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB auch für einen vor dem 3. Oktober 1990 errichteten Überbau gelte, verpflichtet, den auf ihrem Grundstück aufstehenden Teil des Zwischengebäudes zu dulden; sie könne daher von dem Beklagten nicht die Duldung der Beseitigung verlangen. Dem Fall des Eigengrenzüberbaus, auf den die §§ 912 ff. BGB entsprechende Anwendung fänden, sei der hier vorliegende gleich zu behandeln , in dem ein Gebäude auf einem Stammgrundstück sowie einem oder mehreren weiteren Grundstücken errichtet worden sei, die zunächst verschiedenen Eigentümern gehört hätten, dann aber alle in das Eigentum eines Eigentümers gelangt seien. Da die Grundstücke I. straße 37 und 39 beide im Eigentum des Beklagten stünden, könne offen bleiben, welchem dieser Grundstücke der auf dem Grundstück der Klägerin gelegene untergeordnete Gebäudeteil als Stammgrundstück zuzuordnen sei. Die beiden Grundstücke des Beklagten bildeten im Verhältnis zu dem Grundstück der Klägerin gleichsam das „gemeinsame Stammgrundstück“.

II.


5
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Das Berufungsgericht verkennt den rechtlichen Ausgangspunkt. Das Entstehen einer Duldungspflicht richtet sich nicht nach den in § 912 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen.
7
Die Überbauung des Grundstücks L. straße 111 erfolgte im Jahr 1978. Die sachenrechtlichen Wirkungen dieser Maßnahme sind nach dem in Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz nach dem Recht der DDR zu beurteilen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2003 - V ZR 96/03, WM 2004, 1340, 1341 mwN). Nach Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB finden auf das am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts der ehemaligen DDR bestehende Eigentum an Sachen von diesem Zeitpunkt an grundsätzlich die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung. Das bedeutet, dass sich der Eigentumsinhalt ab dem 3. Oktober 1990 nach den §§ 903 ff. BGB beurteilt und Beschränkungen der Eigentümerrechte insoweit entfallen, als das Bürgerliche Gesetzbuch diese nicht kennt und insoweit auch keine Übergangsvorschriften geschaffen worden sind (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl., Art. 233 § 2 EGBGB Rn. 3 mwN). Zum Eigentumsinhalt gehört auch die dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Gestalt des § 912 Abs. 1 BGB bekannte Pflicht eines Nachbarn, einen Überbau zu dulden, so dass eine Duldungspflicht auch für vor dem 3. Oktober 1990 errichtete Überbauten gilt, wenn bei Wirksamwerden des Beitritts eine Duldungspflicht des Grundstücksnachbarn schon bestand (vgl. Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 147/10, WM 2011, 1950 Rn. 37 mwN). Ob dies der Fall ist, richtet sich aber nicht nach den in § 912 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen , sondern hängt davon ab, ob eine solche Pflicht nach dem im Zeitpunkt der Überbauung in der ehemaligen DDR geltenden Recht entstanden ist.
8
2. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen, ob die damaligen Eigentümer des Grundstücks L. straße 111 verpflichtet waren, den auf ihr Grundstück hinübergebauten Gebäudeteil zu dulden. Das wäre dann der Fall, wenn ihnen nach dem im Jahr 1978 in der ehemaligen DDR geltenden § 320 Abs. 1 ZGB kein Beseitigungsanspruch zustand.
9
a) Allerdings kommt ein Beseitigungsanspruch nach dieser Vorschrift hier in Betracht.
10
aa) Nach § 320 Abs. 1 ZGB konnte der Grundstücksnachbar, wenn der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks ohne Einverständnis des Grundstücksnachbarn über die Grundstücksgrenze gebaut hat, verlangen, dass der Überbau beseitigt wird, soweit das nicht gesellschaftlichen Interessen widersprach. Das galt auch, wenn von einem im Eigentum des Volkes stehenden Grundstück durch staatliche Stellen überbaut wurde (vgl. BVerwG, ZOV 2001, 270). Ein Überbau auf das Grundstück des Nachbarn ohne dessen Einverständnis war stets unzulässig; der Beseitigungsanspruch setzte kein Verschulden des überbauenden Grundstücknutzers voraus (Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 2. Aufl., § 320 Anm. 1.1 und 1.2). Die Beseitigung konnte jedoch dann nicht verlangt werden, wenn entgegenstehende gesellschaftliche Interessen vorlagen.
11
bb) Von einem Überbau ohne Einverständnis des Grundstücksnachbarn auf das Grundstück L. straße 111 ist auszugehen. Voraussetzung für einen Überbau ist, dass von einem anderen Grundstück ein Bauwerk über die Grenze eines Grundstücks hinaus errichtet wird (Oberstes Gericht der DDR, Urteil vom 26. November 1985, Neue Justiz 1986, 255, 256). Das ist hier der Fall. Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts , das insoweit auf das erstinstanzliche Urteil Bezug nimmt, wurde das als Baustellenunterkunft dienende Gebäude im Zuge der Rekonstruktion der Eckgebäude I. straße 37 und 39 zwischen den beiden Eckgebäuden errichtet und von dort aus u.a. auf das Grundstück L. straße 111 übergebaut. Der Zugang zu der Baustellenunterkunft erfolgte stets allein von der I. straße aus. Damit steht fest, dass es sich bei dem Grundstück L. straße 111 im Verhältnis zu den beiden Eckgrundstücken um das überbaute Grundstück handelt. Ebenfalls steht fest, dass der Überbau auf das Grundstück L. straße 111 von den beiden Eckgrundstücken aus erfolgte und die Baustellenunterkunft diesen wirtschaftlich diente. Zugunsten der Klägerin ist revisionsrechtlich davon auszugehen , dass ein Einverständnis der damaligen Eigentümer des Nachbargrundstücks L. straße 111 mit der Überbauung ihres Grundstücks nicht erteilt war. Damit lagen die Voraussetzungen für einen ohne Einverständnis des Nachbarn vorgenommenen Überbau vor, dessen Beseitigung nach § 320 Abs. 1 ZGB grundsätzlich verlangt werden konnte.
12
cc) In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, welches der beiden Grundstücke I. straße 37 und 39 im Verhältnis zu dem Grundstück L. straße 111 das Stammgrundstück darstellt, da dies jedenfalls auf eines dieser beiden im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstücke zutrifft und es nur um die Frage einer Duldungspflicht im Verhältnis der Klägerin zu dem Beklagten geht.
13
(1) Wenn im Verhältnis der Grundstücke I. straße 37 und 39 das Grundstück I. straße 37 das Stammgrundstück darstellen sollte, dann wäre auch für den überbauten Gebäudeteil auf dem Grundstück L. straße 111 das Grundstück I. straße 37 das Stammgrundstück. Denn die ehemalige DDR als Eigentümerin der Grundstücke I. straße 37 und 39hatte als „Geschäftsherrin“ der Baumaßnahme die Absicht, das gesamte Gebäude dem an der I. straße gelegenen Gebäudekomplex zuzuordnen; allein von dort aus ist das Gebäude durch einen Zugang erschlossen. Aus denselben Gründen wäre das Grundstück I. straße 39 für den überbauten Gebäudeteil auf dem Grundstück L. straße 111 das Stammgrundstück, wenn im Verhältnis der Grundstücke I. straße 37 und 39 das Grundstück I. straße 39 das Stammgrundstück darstellen sollte.
14
(2) Für den Fall, dass es im Verhältnis der Grundstücke I. straße 37 und 39 an einem Stammgrundstück fehlte, das Gebäudeeigentum also auf deren Grundstücksgrenze vertikal geteilt wäre (vgl. Senat, Urteil vom 17. Januar 2014 - V ZR 292/12, NJW-RR 2014, 973 Rn. 25 mwN), wäre für den überbauten Gebäudeteil auf dem Grundstück L. straße 111 das Grundstück I. straße 37 das Stammgrundstück. Denn die dann bestehende Teilung des Gebäudes entlang der Grundstücksgrenze zwischen der I. straße 37 und 39 setzte sich hinsichtlich der auf die dahinterliegenden Grundstücke überbauten Gebäudeteile im Zweifel in der Tiefe fort. Selbst wenn aufgrund einer funktionellen Betrachtung (vgl. zur verschachtelten Bauweise Senat, Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 253 Rn. 13 ff.) ganz oder teilweise eine andere Zuordnung der auf die L. straße 111 und das weitere Grundstück überbauten Gebäudeteile zu erfolgen hätte, käme statt des Grundstücks I. straße 37 wiederum nur das Grundstück I. straße 39 als Stammgrundstück in Betracht.
15
dd) Die Rechtsvorgänger der Klägerin hätten den auf das Grundstück L. straße 111 überbauten Teil der Baustellenunterkunft aber zu dulden gehabt , wenn dessen Beseitigung gesellschaftlichen Interessen im Sinne des § 320 Abs. 1 ZGB widersprochen hätte.
16
(1) Grundsätzlich lagen der Beseitigung des Überbaus entgegenstehende gesellschaftliche Interessen vor, wenn durch den Überbau die Nutzung des überbauten Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigt wurde bzw. die Kosten seiner Beseitigung in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem Vorteil standen, der durch die Beseitigung des Überbaus hinsichtlich der Nutzung des überbau- ten Grundstücks entstanden wäre (Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 2. Aufl., § 320 Anm. 1.2). Das ist hier nicht der Fall.
17
(2) Allerdings waren die „gesellschaftlichen Interessen“ i.S.d. § 320 Abs. 1 ZGB hierauf nicht beschränkt. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen , dass die Baustellenunterkunft von staatlichen Organen der ehemaligen DDR im Zuge der Errichtung von Wohngebäuden auf volkseigenen städtischen Grundstücken auf ein (teilweise) im Privateigentum stehendes Nachbargrundstück hinübergebaut wurde. Die gesellschaftlichen Interessen im Hinblick auf die Nutzung städtischer Grundstücke bestimmten sich 1978 nach den damals in der ehemaligen DDR geltenden bodenrechtlichen Prinzipien. Bereits § 1 Satz 1 des Aufbaugesetzes vom 6. September 1950 (GBl. S. 965) hatte den planmäßigen Aufbau der Städte zu einer der vordringlichsten Aufgaben der ehemaligen DDR erklärt. Die Verwirklichung des Wohnungsbauprogramms galt als entscheidender Inhalt der Wirtschafts- und Sozialpolitik, wobei der städtische Grund und Boden der Errichtung großer, im Eigentum des Volkes stehender Wohnkomplexe diente (vgl. Rohde in: Rohde u.a., Bodenrecht, S. 135; Arlt und Rohde in: Prorektorat für Forschung der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft, Bodenrecht, S. 46, 65, 101 f.). Die erforderlichen Maßnahmen für die Versorgung der Bürger mit Wohnraum hatten gemäß § 5 Abs. 1 ZGB die staatlichen Organe zu treffen. Die Errichtung städtischer Wohnkomplexe wurde daher durch volkseigene Betriebe vorgenommen und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden, hinter der Einzelinteressen zurücktreten mussten und der sich die Ausübung der Rechte der Privateigentümer an Grund und Boden unterzuordnen hatte (vgl. Arlt in: Prorektorat für Forschung der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft, Bodenrecht, S. 70 u. 89; K. Heuer in: U.-J. Heuer, Die Rechtsordnung der DDR, S. 163).
18
(3) Eine Duldungspflicht aufgrund - der Beseitigung entgegenstehender - gesellschaftlicher Interessen im Sinne des § 320 Abs. 2 ZGB kommt hier in Betracht; denn ein Abriss des auf dem überbauten Grundstück befindlichen Teils der von staatlicher Seite zum Zwecke der Rekonstruktion der mehrgeschossigen Wohngebäude I. straße 37 und 39 errichteten Baustellenunterkunft hätte die Durchführung der Aufbauarbeiten an den beiden Wohngebäuden und damit die Verwirklichung des Wohnungsbauprogramms beeinträchtigt. Zwar dient eine Baustellenunterkunft ihrer Bestimmung nach nur einem vorübergehenden Zweck, der mit dem Abschluss der Arbeiten an dem Bauwerk erfüllt ist. Dies schließt die Annahme einer nicht nur vorübergehenden Duldungspflicht aber nicht von vorneherein aus. Denkbar ist insbesondere, dass schon bei Errichtung der Baustellenunterkunft eine - gesellschaftlichen Interessen im Sinne des § 320 ZGB entsprechende - Anschlussverwendung des Gebäudes geplant war und damit von Anfang an ein Interesse an einem dauerhaften Erhalt der Halle bestand.
19
b) Die Anwendbarkeit der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ab dem 3. Oktober 1990 (Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB) führt nicht zu einem Erlöschen einer nach § 320 Abs. 1 ZGB begründeten und bis dahin fortbestehenden Duldungspflicht. Zwar kennt das Bürgerliche Gesetzbuch eine Pflicht zur Duldung eines Überbaus aufgrund gesellschaftlicher Interessen nicht. Dies lässt jedoch eine zu DDR-Zeiten begründete Eigentumszuordnung nicht entfallen. War ein Überbau bei seiner Errichtung aufgrund der Beseitigung entgegenstehender gesellschaftlicher Interessen nach § 320 Abs. 1 ZGB zu dulden, ist er wesentlicher Bestandteil (vgl. § 467 Abs. 2 ZGB) des Grundstücks geworden, von dem aus überbaut wurde (vgl. Oberstes Gericht, Neue Justiz 1968, 254, 255). Diese eigentumsrechtliche Zuordnung entspricht der durch einen entschuldigten Überbau gemäß § 912 Abs. 1 i.V.m. § 93 BGB bewirkten Eigentumszuordnung (vgl. zu § 912 BGB Senat, Urteil vom 22. November 2013 - V ZR 199/12, NJW-RR 2014, 971) und wird durch die Anwendbarkeit der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht berührt.

III.


20
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und ist gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden kann; vielmehr bedarf es weitererFeststellun- gen durch das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Die Zurückverweisung gibt den Parteien die Gelegenheit zur weiteren Ergänzung ihres Vorbringens zur Frage der Duldungspflicht nach § 320 ZGB.
Stresemann Weinland Kazele
Göbel Hamdorf

Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 09.05.2017 - 7 O 1664/16 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 09.02.2018 - 10 U 837/17 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Apr. 2019 - V ZR 51/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Apr. 2019 - V ZR 51/18

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 912 Überbau; Duldungspflicht


(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der
Bundesgerichtshof Urteil, 12. Apr. 2019 - V ZR 51/18 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 93 Wesentliche Bestandteile einer Sache


Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2003 - V ZR 96/03

bei uns veröffentlicht am 10.10.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 96/03 Verkündet am: 10. Oktober 2003 Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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bei uns veröffentlicht am 15.02.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 222/06 Verkündet am: 15. Februar 2008 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2013 - V ZR 199/12

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 199/12 Verkündet am: 22. November 2013 Mayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2011 - V ZR 147/10

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 147/10 Verkündet am: 28. Januar 2011 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

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(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 96/03 Verkündet am:
10. Oktober 2003
Kanik
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 93, 94; ZGB DDR §§ 295, 467
Wird ein Grundstück in der Weise geteilt, daß Räume eines aufstehenden Gebäudes
von der Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke durchschnitten werden,
sind diese wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem das Gebäude steht,
welchem die Räume bei natürlicher Betrachtung zuzuordnen sind. Der Wille der
Beteiligten, die von der Grundstücksgrenze durchschnittenen Räume eigentumsmäßig
beiden Grundstücken zuzuordnen, ist demgegenüber unbeachtlich.
BGH, Urt. v. 10. Oktober 2003 - V ZR 96/03 - LG Neubrandenburg
AG Neustrelitz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2003 durch die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Gaier
und die Richterin Dr. Stresemann für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Neubrandenburg vom 4. März 2003 im Kostenpunkt und, soweit es die Klage betrifft, aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Neustrelitz vom 2. Oktober 2002 abgeändert : Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges und der Revisionsinstanz trägt der Kläger; die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger verlangt von der Beklagten die Herausgabe von Wohnraumflächen.
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Mecklenburg -Vorpommern, auf denen ein Haus mit zwei nebeneinander liegenden Wohnungen steht. Ursprünglich befand sich das Gebäude auf einem ungeteil-
ten Grundstück, welches der Mutter der Beklagten gehörte. Von ihr erwarb die Beklagte 1980 eine Grundstückshälfte. In diesem Zusammenhang wurde das Grundstück so geteilt, daß die Grenze im Erdgeschoß und im Obergeschoß je einen Raum durchschneidet. Mit Einverständnis ihrer Mutter nutzte die Beklagte diese Räume und baute sie aus. Nach dem Tod der Mutter ging deren Grundstück mit dem darauf befindlichen Gebäudeteil in das Eigentum einer Erbengemeinschaft über. Sodann erwarb es der Kläger Anfang 2001 im Wege der Zwangsversteigerung.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Herausgabe der bei vertikaler Teilung auf seinem Grundstück befindlichen Raumflächen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer - von dem Landgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Kläger könne Herausgabe der auf seinem Grundstücksteil befindlichen Raumflächen, die von der Beklagten genutzt werden, nach § 985 BGB verlangen. Die Beklagte habe kein Recht zum Besitz. Ein Überbau im Sinne des § 912 BGB liege nicht vor, da die Beklagte die Grenze nicht überbaut habe. Eine entsprechende Anwendung von § 912 BGB sei nicht angebracht. Anläßlich der nachträglich erfolgten Aufteilung
und Grenzziehung sei es den Beteiligten ohne weiteres möglich gewesen, den Grenzverlauf innerhalb des Hauses der tatsächlichen Nutzung anzupassen. Da dies unterblieben sei, könne nur gefolgert werden, daß sie eine entsprechende Grenzziehung nicht gewollt hätten. Aus dem Einverständnis ihrer Mutter mit der Nutzung der streitigen Flächen könne die Beklagte gegenüber dem Kläger keine Rechte herleiten. Das Grundstück sei vom Kläger im Wege der Zwangsversteigerung und damit lastenfrei erworben worden.

II.


Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
1. Die angefochtene Entscheidung ist allerdings nicht deshalb aufzuheben , weil die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache durch einen Einzelrichter erfolgt ist. Anders als bei Beschlüssen in Beschwerdeverfahren , in denen der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde wegen Grundsätzlichkeit zugelassen hat (vgl. BGH, Beschluß v. 13. März 2003, IX ZB 134/02, NJW 2003, 1254), ist der Einzelrichter, dem das Verfahren vom Kollegium übertragen wurde, im Berufungsverfahren der zur Entscheidung befugte gesetzliche Richter (vgl. BGH, Urt. v. 16. Juli 2003, VIII ZR 286/02, NJW 2003, 2900).
2. In der Sache hält das Berufungsurteil einer revisionsrechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Flächen nach § 985 BGB zu, da diese nicht in seinem, sondern im Eigentum der Beklagten stehen.


a) Die Teilung des Grundstücks und der Erwerb der Beklagten haben vor dem 3. Oktober 1990 stattgefunden. Die sachenrechtlichen Wirkungen dieser Maßnahmen sind nach dem in Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz daher nach dem Recht der DDR zu beurteilen (vgl. Senat , Urt. v. 24. Januar 1997, V ZR 172/95, VIZ 1997, 294).
Wurde ein Grundstück in der Weise aufgeteilt, daß die Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke ein vorhandenes Gebäude durchschneidet, und gelangten die Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen, standen sich bei der Zuordnung des Eigentums nach dem Recht der DDR zwei widerstreitende Prinzipien gegenüber, die in § 295 Abs. 1 ZGB geregelte Bindung des Eigentums am Gebäude an das Eigentum am Grundstück einerseits, und das nach § 467 Abs. 2 und 3 ZGB vorgesehene einheitliche Eigentum an einem Gebäude andererseits. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dieser Konflikt auch für Grundstücke in den neuen Bundesländern anhand der für den sogenannten Eigengrenzüberbau entwickelten Grundsätze (vgl. Senat, BGHZ 64, 333; 102, 311; 105, 202, 204; 110, 298, 302) zu lösen (vgl. Senat, Urt. v. 24. Januar 1997, V ZR 172/95, aaO).
In den Fällen des Eigengrenzüberbaus gibt der Senat in ständiger Rechtsprechung dem in § 93 BGB bzw. § 467 Abs. 2 und 3 ZGB geregelten Grundsatz des einheitlichen Eigentums an einer Sache den Vorzug gegenüber der in § 94 BGB bzw. § 295 Abs. 1 ZGB vorgesehenen Bindung des Eigentums an einem Gebäude an das Eigentum am Grundstück. Das bedeutet: Überschreitet der Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke mit dem Bau auf einem dieser Grundstücke die Grenze des anderen, so wird der hinüberge-
baute Gebäudeteil nicht Bestandteil des überbauten Grundstücks, sondern das Gebäude bildet, wenn es ein einheitliches Ganzes darstellt, einen wesentlichen Bestandteil desjenigen Grundstücks, von dem aus übergebaut worden ist (Senat , Urt. v. 26. April 1961, V ZR 203/59, LM § 912 BGB Nr. 9; BGHZ 102, 311, 314; Urt. v. 12. Oktober 2001, V ZR 268/00, NJW 2002, 54).
Dasselbe gilt für den Fall der Teilung eines Grundstücks in der Weise, daß ein aufstehendes Gebäude von der Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke durchschnitten wird. Gelangen diese Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen, so ist das Eigentum an dem Gebäude als Ganzem , wenn sich der nach Umfang, Lage und wirtschaftlicher Bedeutung eindeutig maßgebende Teil auf einem der Grundstücke befindet, mit dem Eigentum an diesem Grundstück verbunden (Senat, BGHZ 64, 333; 102, 311; 105, 202, 204; 110, 298, 302). Nur wenn die Grenzziehung zu einer Trennung des Gebäudes in zwei wirtschaftlich selbständige Einheiten führt, kann jeder Gebäudeteil dem Grundstück zugeordnet werden, auf dem er steht (Grundsatz der vertikalen Teilung entsprechend dem Gedanken des § 94 Abs. 1 BGB, vgl. Senat , Urt. v. 12. Oktober 2001, V ZR 268/00, aaO). Ragt jedoch in einem solchen Fall ein Teil des einen Gebäudes in das Nachbargrundstück hinein, so findet auf diesen hineinragenden Teil, auch wenn er nur eines von mehreren Geschossen betrifft, wiederum § 93 BGB Anwendung. Nach dem darin zum Ausdruck gekommenen Gedanken, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, werden Räume, die von ihrer Größe, Lage, baulichen Eigenart und wirtschaftlichen Nutzung her einem (selbständigen) Gebäudeteil zugehörig sind, auch eigentumsrechtlich diesem Gebäudeteil zugeordnet, sind also mit dem Eigentum an dem Grundstück verbunden, auf dem sich der maßgebende Teil des Raums befindet.


b) Hiervon abzuweichen besteht für den vorliegenden Fall kein Anlaß.
aa) Ohne Erfolg macht der Revisionsbeklagte geltend, die vorstehenden Grundsätze seien nach den tatsächlichen Gegebenheiten nicht einschlägig, weil die herausverlangten Flächen im Zeitpunkt der Teilung noch zu der sich auf seinem Grundstück befindlichen Wohnung gehört hätten, und von der Beklagten erst seit einem Umbau in den Neunziger Jahren genutzt würden. Seiner Gegenrüge stehen die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil entgegen. Danach ist das Gebäude "durch die einverständliche Grenzziehung in der beschriebenen Weise aufgeteilt worden", nämlich so, daß die von der Beklagten genutzten Raumteile auf dem Grundstück des Klägers liegen (Seite 4 des Berufungsurteils). Auch bei seiner nachfolgenden Argumentation, den Beteiligten sei es bei der Aufteilung und Grenzziehung ohne weiteres möglich gewesen, den Grenzverlauf innerhalb des Hauses der tatsächlichen Nutzung anzupassen, geht das Berufungsgericht ersichtlich davon aus, daß die streitgegenständlichen Flächen bereits vor der Teilung des Grundstücks als zu der von der Beklagten bewohnten Haushälfte zugehörig genutzt worden sind. Eine etwaige Unrichtigkeit dieser Feststellung hätte im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden müssen. Da ein solches nicht durchgeführt wurde, ist der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Sachverhalt für das weitere Verfahren bindend (§ 314 ZPO).
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Anwendung der zum Eigengrenzüberbau entwickelten Grundsätze nicht entgegen, daß die Beteiligten eine "Verzahnung" der Eigentumsabgrenzung innerhalb des Hauses möglicherweise nicht gewollt haben.

Die Annahme, aus der der tatsächlichen Nutzung des Hauses nicht entsprechenden Grundstücksteilung können nur gefolgert werden, daß eine solche nicht gewollt gewesen sei, ist schon in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft. Das Berufungsgericht hätte - da Feststellungen zum Vorgang der Grundstücksteilung , den daran Beteiligten und ihren Absichten nicht getroffen worden sind -, die naheliegende Möglichkeit in Erwägung ziehen müssen, daß der Konflikt zwischen dem gewählten Grenzverlauf und der räumlichen Einheit der vorhandenen Wohnungen bei der Teilung nicht erkannt oder angesichts der einverständlichen Nutzung des Hauses jedenfalls nicht als regelungsbedürftig angesehen worden ist.
In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht verkannt, daß ein etwaiger Wille der Beteiligten, die streitgegenständlichen Flächen im Eigentum der Mutter der Beklagten zu belassen, folgenlos geblieben wäre, da er der sachenrechtlichen Rechtslage widersprochen hätte. Ebensowenig wie die Absicht des Überbauenden, das Gebäude eigentumsmäßig zwei Grundstücken zuzuordnen , die Eigentumslage beeinflußt (vgl. Senat, Urt. v. 2. Juni 1989, V ZR 167/88, NJW-RR 1989, 1039), ist im Zusammenhang mit der Aufteilung eines Grundstücks, durch die ein aufstehendes Gebäude von der Grundstücksgrenze durchschnitten wird, der Wille der Beteiligten von Bedeutung, Räume eigentumsmäßig zu teilen, die mit einem Gebäude oder Gebäudeteil ein einheitliches Ganzes bilden. Eine Vereinbarung dieses Inhalts widerspräche der sachenrechtlichen Rechtslage und wäre daher unwirksam (vgl. Senat, Urt. v. 12. Oktober 2001, V ZR 268/00, aaO). Die vom Senat anerkannte Möglichkeit, die Rechtsfolgen eines Überbaus durch Rechtsgeschäft in gewissem Umfang abweichend von den gesetzlichen Regelungen zu bestimmen (vgl. Senat, Urt.
v. 13. Juli 1966, V ZR 8/64, BB 1966, 961), steht hierzu nicht in Widerspruch. Gemeint sind Rechtsgeschäfte über die Duldungspflicht des Nachbarn (§ 912 BGB), nicht aber Vereinbarungen, die auf eine Änderung der aus § 93 BGB bzw. § 467 Abs. 2 u. 3 ZGB folgenden, grundsätzlich zwingenden eigentumsrechtlichen Zuordnung abzielen.
Die vom Berufungsgericht unterstellte Absicht der Beteiligten, das Eigentum am Gebäude nach dem Verlauf der Grundstücksgrenze aufzuteilen, ist daher unbeachtlich. Die streitgegenständlichen Flächen sind vielmehr wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem das Gebäude steht, welchem sie von der Größe, der Lage, ihrer baulichen Eigenart und wirtschaftlichen Nutzung her zugehörig sind (sog. Stammgrundstück, vgl. Senat, BGHZ 110, 298, 302 f.). Das ist das Grundstück der Beklagten.

c) An dieser Rechtslage hat sich nichts dadurch geändert, daß der Kläger das Grundstück, in welches die Flächen hineinragen, im Wege der Zwangsversteigerung erworben hat. Der Ersteher erwirbt durch den Zuschlag das Eigentum an dem versteigerten Grundstück und an dessen wesentlichen Bestandteilen (§§ 90, 55 Abs. 1, 20 Abs. 2 ZVG, § 1120 BGB). Auf Gebäudeteile , die wesentliche Bestandteile eines anderen Grundstücks sind, erstreckt sich die Zwangsversteigerung dagegen nicht, mögen sie auch auf dem versteigerten Grundstück stehen (vgl. Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 17. Aufl., § 55 Anm. 6.3 u. 6.4). Auf eine Anmeldung der Rechte des Nachbarn an dem überstehenden Gebäudeteil kommt es dabei nicht an.

III.



Da ein Herausgabeanspruch des Klägers aus § 985 BGB nicht besteht, war die Klage unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen abzuweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).

IV.


Die Kostenentscheidung folgt für den ersten Rechtszug und die Revisionsinstanz aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind im Hinblick auf die erfolglos gebliebene Widerklage gegeneinander aufgehoben worden (§ 92 Abs. 1 ZPO).
Tropf Klein Lemke
Gaier Stresemann

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

37
b) Die Klägerin könnte auch dann nicht die Herausgabe verlangen, wenn sie nicht als Erbin, sondern auf Grund eines schuldrechtlichen Vertrags das Eigentum an dem Grundstück erworben haben sollte. Sie wäre dann zwar nicht nach § 1922 Abs. 1 BGB an die behauptete Zustimmung zum Überbau gebunden , hätte diesen jedoch nach § 912 Abs. 1 BGB zu dulden (vgl. Senat, Urteile vom 21. Januar 1983 - V ZR 154/81, NJW 1983, 1112, 1113 und vom 25. Februar 1983 - V ZR 299/81, NJW 1983, 2022, 2023). Die Duldungspflicht in § 912 Abs. 1 BGB gilt nach Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB auch für vor dem 3. Oktober 1990 errichtete Überbauten (OLG Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2008 - 5 U 58/07, juris, Rn. 46, Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 24 Anm. V, S. 39; juris; Staudinger/Roth, BGB [2009], § 912 Rn. 82).

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

13
b) In dem Fall des sogenannten Eigengrenzüberbaus erhält nach der Senatsrechtsprechung der in § 93 BGB geregelte Grundsatz des einheitlichen Eigentums an einer Sache den Vorrang gegenüber der in § 94 Abs. 1 BGB vorgesehenen Bindung des Eigentums an einem Gebäude an das Grundstückseigentum; überschreitet der Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke mit dem Bau auf einem dieser Grundstücke die Grenze zu dem anderen, wird der hinüber gebaute Gebäudeteil nicht Bestandteil des überbauten Grundstücks, sondern das Gebäude bildet, wenn es ein einheitliches Ganzes darstellt, einen wesentlichen Bestandteil desjenigen Grundstücks, von dem aus übergebaut wurde (Senat, BGHZ 102, 311, 314; Urt. v. 12. Oktober 2001, V ZR 268/00, WM 2002, 603, 604; Urt. v. 10. Oktober 2003, V ZR 96/03, WM 2004, 1340).

Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 199/12 Verkündet am:
22. November 2013
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein Grundstück in der Weise aufgeteilt, dass ein aufstehendes Gebäude von der
Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke durchschnitten wird, kommt es für
die Höhe der Überbaurente auf die Grundstückswertverhältnisse im Zeitpunkt der
Grundstücksteilung an.
Allerdings ruhen die Duldungspflicht nach § 912 Abs. 1 BGB und das Rentenrecht
solange, bis die Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen gelangen.
BGH, Urteil vom 22. November 2013 - V ZR 199/12 - KG Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 16. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. August 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin war Eigentümerin des Grundstücks K. straße in Berlin. Das Grundstück wurde verfolgungsbedingt zu Gunsten der damaligen Reichshauptstadt Berlin enteignet, die am 1. September 1938 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. Nach dem Krieg wurde es in Volkseigentum der DDR überführt und mit Nachbargrundstücken zu einem größeren - neu gebildeten - Grundstück mit der Flurbezeichnung vereinigt. Auf diesem ein- heitlichen Grundstück errichtete im Jahre 1970 die frühere Deutsche Post ein fünfstöckiges langgestrecktes Fernmeldebetriebsgebäude. Später ging das Grundstück Flurstück in das Eigentum der Beklagten, der Deutschen Telekom AG, über. Mit seit dem 11. Juni 2007 bestandskräftigem Bescheidwurde das ursprüngliche Grundstück K. straße an die Klägerin restituiert. Dies hat zur Folge, dass sich nun ein Teil des Fernmeldebetriebsgebäudes auf dem der Klägerin gehörenden Grundstück befindet.
2
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Überbaurente gemäß § 912 Abs. 2 BGB für die Zeit vom 11. Juni 2007 bis zum 31. Dezember 2011. Die ursprünglich auf Zahlung von 916.617,22 € gerichtete Klage ist vor dem Landgericht nur in Höhe von 105.462,04 € erfolgreich gewesen. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin, mit der sie - nach teilweiser Klagerücknahme ­ die Zahlung weiterer 441.277,68 € verlangt hat, durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Bemessung der der Klägerin in entsprechender Anwendung von § 912 Abs. 2 BGB zustehenden Geldrente auf die Grundstückswertverhältnisse im Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung im Jahr 1970 und nicht auf diejenigen im Zeitpunkt der Grundstücksteilung im Jahr 2007 abzustellen. Es könne keinen Unterschied machen, ob § 912 Abs. 2 BGB direkte Anwendung finde oder ob ein Fall des Eigengrenzüberbaus vorlie- ge, bei dem die Vorschrift analog angewendet werde, oder ob es sich um einen Überbau infolge späterer Grundstücksteilung handle. Entscheidend für die Bewertung der Überbaurente sei stets die Zeit der Gebäudeerrichtung.

II.

4
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Zu Recht wendet das Berufungsgericht allerdings auf den vorliegenden Sachverhalt die Vorschriften über den Überbau (§§ 912 ff. BGB) entsprechend an. Denn er steht der auf einem Eigengrenzüberbau beruhenden Fallgestaltung nahe, also dem Fall, dass ein Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke mit dem Bau auf einem dieser Grundstücke die Grenze des anderen überschreitet und die bebauten Grundstücke später in das Eigentum verschiedener Personen gelangen. Insoweit ist anerkannt, dass die zu den §§ 912 ff. BGB entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung finden. Ausgehend von dem Zweck der Überbauvorschriften, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, besteht daher beim Eigengrenzüberbau eine Duldungspflicht, was zur Folge hat, dass der hinübergebaute Gebäudeteil nach den §§ 93, 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 Satz 2, § 946 BGB nicht Bestandteil des überbauten Grundstücks, sondern wesentlicher Bestandteil des Gesamtgebäudes und damit des anderen Grundstücks des Bauenden wird (Senat, Urteil vom 20. Juni 1975 - V ZR 206/74, BGHZ 64, 333, 336 f.; Urteil vom 26. April 1961 - V ZR 203/59, LM § 912 Nr. 9 Bl. 2). Angesichts der Ähnlichkeit der Sachlage kommen die gleichen Grundsätze auch dann zur Anwendung, wenn - wie hier - ein Grundstück in der Weise aufgeteilt wird, dass ein aufstehendes Gebäude von der Grenze der beiden neu gebildeten Grundstücke durchschnitten wird (Senat, Urteil vom 20. Juni 1975 - V ZR 206/74, BGHZ 64, 333, 336 f.; Urteil vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11, MDR 2013, 329, 330 Rn. 16 mwN).
6
Da hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen der weitaus größere Teil des Gebäudes auf dem Grundstück der Beklagten steht und ihm die überwiegende wirtschaftliche Bedeutung zukommt, steht es insgesamt im Eigentum der Beklagten (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 1975 - V ZR 206/74, BGHZ 64, 333, 338; Senat, Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 231/88, BGHZ 110, 298, 302; Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 253, 259 Rn. 14) und ist von der Klägerin entsprechend § 912 Abs. 1 BGB zu dulden. Der Klägerin wiederum steht gemäß § 912 Abs. 2 Satz 1 BGB analog als Ausgleich eine Entschädigung durch eine Geldrente zu.
7
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es im Fall des „nachträglichen Eigengrenzüberbaus“ (Staudinger/Roth, BGB, [2009], § 912 Rn. 58) für die Berechnung der Überbaurente nicht auf die Grundstückswertverhältnisse im Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung, sondern auf diejenigen im Zeitpunkt der Grundstücksteilung an.
8
a) Nach § 912 Abs. 2 Satz 2 BGB ist für die Höhe der Rente die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend. Dem entspricht § 915 BGB, der für die Bemessung des Wertersatzes der überbauten Grundstücksfläche bei einem verlangten Ankauf ebenfalls auf den Zeitpunkt der Grenzüberschreitung abstellt (Senat, Urteil vom 4. April 1986 - V ZR 17/85, BGHZ 97, 292, 297). Im unmittelbaren Anwendungsbereich der Überbauvorschriften, wenn also der Eigentümer bei der Errichtung des Gebäudes über die Grenze hinweg auf das ihm nicht gehörende Nachbargrundstück baut, fallen der Zeitpunkt der Grenzüberschreitung und der der Errichtung des Baus zusammen. Dasselbe gilt im Fall des Eigengrenzüberbaus. Baut der Eigentümer eines Grundstücks auf ein benachbar- tes, ebenfalls in seinem Eigentum stehendes Grundstück hinüber, wird die Grenze mit der Errichtung des Überbaus überschritten. Das Rentenzahlungsrecht entsteht schon in diesem Zeitpunkt, ruht allerdings bis zum Übergang der beiden Grundstücke in verschiedene Hände (RGZ 160, 166, 181; 169, 172, 175; Staudinger/Roth, BGB, [2009], § 912 Rn. 56). Demgemäß sind auch in einem solchen Fall für die Bemessung der Rentenhöhe die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Errichtung des Baus zugrunde zu legen.
9
b) Anders verhält es sich hingegen, wenn ein bereits bebautes einheitliches Grundstück nachträglich geteilt wird und sich die neugebildete Grundstücksgrenze durch das bestehende Gebäude zieht. Hier wird die dem Überbau oder Eigengrenzüberbau entsprechende tatsächliche Situation erst durch die Aufteilung des Grundstücks geschaffen (vgl. Senat, Urteil vom 4. Dezember 1987 - V ZR 274/86, BGHZ 102, 311, 315). Bei Errichtung des Gebäudes ist - anders als beim Überbau oder Eigengrenzüberbau - eine Grenze, die überschritten werden könnte (vgl. § 912 Abs. 2 Satz 2 BGB), noch nicht vorhanden. Demgemäß kann zu diesem Zeitpunkt weder ein Duldungsanspruch noch - dem korrespondierend - ein Rentenzahlungsrecht entstehen. Das hat zur Folge, dass für die Bemessung der Überbaurente nicht auf die Wertverhältnisse bei der Gebäudeerrichtung abgestellt werden kann. Ausgehend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung, dass für die Höhe der Rente die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend ist (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1986 - V ZR 17/85, BGHZ 97, 292, 297), kommt es vielmehr auf den Zeitpunkt der Teilung des Grundstücks an, da erst dann eine Überbausituation entsteht, die die entsprechende Anwendung der §§ 912 ff. BGB rechtfertigt. Dies entspricht auch dem Zweck der Überbaurente, einen Ausgleich für den durch die Grenzüberschreitung hervorgerufenen Verlust der Bodennutzung zu gewähren (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1986 - V ZR 17/85, BGHZ 97, 292, 295). Allerdings ruhen - wie im Falle des Eigengrenzüberbaus - die Duldungspflicht und das Renten- recht solange, bis die Grundstücke in das Eigentum verschiedener Personen gelangen (vgl. Ruhwinkel, Rechtsverhältnisse beim Grenzüberbau, S. 88).
10
3. Danach ist hier die Grenzüberschreitung nicht schon bei Errichtung des Gebäudes erfolgt (zu einem solchen Fall vgl. BVerwG, VIZ 2000, 88, 90), sondern erst zu dem in § 34 VermG bestimmten Zeitpunkt; denn das Grundstück wird erst durch die Restitution geteilt und die Teilung zu diesem Zeitpunkt wirksam.
11
Die Besonderheit des vorliegenden Falles, dass die Grundstücksrestitution Folge der Wiedergutmachung verfolgungsbedingten Unrechts war, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Beklagten keine abweichende Beurteilung. Die Wiedergutmachung solchen Unrechts erfolgt in den neuen Bundesländern und im früheren Ostteil von Berlin nach Maßgabe des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (§ 1 Abs. 6 VermG). Einer Restitution nach dem Vermögensgesetz steht zwar nicht in jedem Fall entgegen, dass das zu restituierende Grundstück von einem Stammgrundstück aus mit einem Gebäude überbaut worden ist (BVerwG, VIZ 2000, 88, 90). Aus § 5 VermG ergibt sich aber, dass die Schaffung solcher Überbausituationen in Bereichen, die die Allgemeinheit oder die Fortführung von Unternehmen betreffen, möglichst vermieden werden soll. So ist die Restitution ausgeschlossen, wenn ein Grundstück mit erheblichem baulichen Aufwand in der Nutzungsart oder Zweckbestimmung verändert worden ist und an dieser Nutzung ein öffentliches Interesse besteht (§ 5 Abs. 1 Buchst. a VermG) oder wenn das Grundstück der gewerblichen Nutzung zugeführt oder in eine Unternehmenseinheit einbezogen wurde und nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens zurückgegeben werden könnte (§ 5 Abs. 1 Buchst. d VermG). Zu berücksichtigen ist auch, dass eine bauliche Nutzung später restituierter Grundstücke je nach der Person und Aufgabenstellung des Nutzers Ankaufsansprüche nach dem Sachenrechts- oder dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz auslösen konnte (vgl. Senat, Urteil vom 23. Oktober 2009 - V ZR 15/09, NJW-RR 2010, 588, 589 Rn. 11). Da der Gesetzgeber damit Instrumente zur Vermeidung einer Überbausituation im Zusammenhang mit einer Restitution von Grundstücken zur Verfügung gestellt hat, besteht kein Grund, in den verbleibenden Fällen von den allgemeinen Grundsätzen abzuweichen.

III.

12
Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil es - aus seiner Sicht folgerichtig - die erforderlichen Feststellungen zum Verkehrswert der überbauten Bodenfläche zu dem nach § 34 VermG maßgeblichen Zeitpunkt und zu den Beeinträchtigungen , die von dem Überbau bei der Nutzung des nicht überbauten Grund- stücksteils ausgehen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 115/09, GE 2010, 265 Rn. 12), nicht getroffen hat. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 03.11.2011 - 20 O 358/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.08.2012 - 16 U 60/11 -

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.