Bundesgerichtshof Urteil, 18. Jan. 2001 - VII ZR 416/99

bei uns veröffentlicht am18.01.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 416/99 Verkündet am:
18. Januar 2001
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOB/B § 16 B Nr. 3 Abs. 1 Satz 1
1. Der Auftragnehmer, der die Schlußrechnung nach Ablauf der Prüfungsfrist
von zwei Monaten prüft und anschließend Einwendungen erhebt
, verwirkt diese Einwendungen nicht schon deshalb, weil die Prüfungsfrist
abgelaufen ist.
2. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung, die auch für Einwände
gegen die Schlußrechnung maßgeblich sind, ist der Einwand
der Verwirkung nur begründet, wenn der Auftragnehmer aufgrund des
Zeitablaufs und weiterer auf dem Verhalten des Auftraggebers beruhenden
Umstände darauf vertraut hat und darauf vertrauen durfte, daß
der Auftraggeber seine Rechte nicht mehr geltend machen wird.
3. Die auf dem Zeitablauf beruhenden Beweisschwierigkeiten des Auftragnehmers
rechtfertigen grundsätzlich nicht den Einwand der Verwirkung.
BGH, Urteil vom 18. Januar 2001- VII ZR 416/99- OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Wiebel, Dr. Kniffka und Wendt

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 1999 wird zurückgewiesen. Soweit der Kläger die Revision zurückgenommen hat, wird er des Rechtsmittels für verlustig erklärt. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma R.S. GmbH & Co.. Er hat restlichen Werklohn in Höhe von 27.493,23 DM nebst Zinsen sowie die Herausgabe einer Bürgschaft verlangt. Nachdem er die Revision hinsichtlich des Herausgabeanspruchs zurückgenommen hat, ist Gegenstand der Revision nur der Anspruch auf Zahlung des restlichen Werklohns.

II.


Im April 1995 beauftragte die Beklagte die Gemeinschuldnerin mit den Rohbauarbeiten an einer Schule in H. Die VOB/B wurde vereinbart. Nachdem die Beklagte die Arbeiten abgenommen hatte, erteilte die Gemeinschuldnerin am 16. August 1996 ihre Schlußrechnung über einen Betrag von 2.487.493,23 DM brutto. Der nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlungen verbleibende Restbetrag beträgt 27.493,23 DM. Nach Zugang der Schlußrechnung leistete die Beklagte noch zwei Abschlagszahlungen. Die Beklagte überprüfte die Schlußrechnung im Januar 1999, sie errechnete eine unstreitige Überzahlung von 167.168,39 DM. Der Kläger verlangt den Restsaldo der Schlußrechnung mit der Begründung , die Beklagte sei nach Ablauf der zweimonatigen Prüfungsfrist ab Zugang der Schlußrechnung mit etwaigen Einwendungen gegen die Schlußrechnung ausgeschlossen.

III.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Gemeinschuldnerin hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte mit ihren Einwendungen gegen die Schlußrechnung nicht ausgeschlossen ist.

II.

1. a) Das Berufungsgericht hat die Verwirkung mit folgenden Erwägungen verneint: Die Beklagte habe durch die verspätete Prüfung nach Ablauf der zweimonatigen Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B ihre Einwendungen gegen die Schlußrechnung nicht verwirkt. Da die VOB/B die Rechtsfolgen der Verwirkung nicht vorsehe und das Baurecht keine speziellen Regelungen zur Verwirkung enthalte, würden die allgemeinen Grundsätze gelten. Danach setze eine Verwirkung neben dem Zeitmoment voraus, daß die spätere Geltendmachung des Rechts aufgrund besonderer Umstände treuwidrig sei.
b) Derartige Umstände seien nicht gegeben. Das Telefonat mit dem Zeugen P., einem Mitarbeiter der Beklagten, sei nicht geeignet, ein Vertrauen der Gemeinschuldnerin darauf zu begründen, daß die Beklagte keine Einwendungen mehr erheben werde. Der Zeuge habe in dem Telefonat eingeräumt, daß er seinen Pflichten zur Prüfung der Schlußrechnung nicht nachgekommen sei und daß er mit persönlichen Nachteilen rechnen müsse, wenn die Gemeinschuldnerin ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen würde. Abgesehen davon hätte die Gemeinschuldnerin jederzeit Klage erheben können, und damit die
Beklagte zwingen können, ihre Einwendungen gegen die Schlußrechnung zu erheben.
c) Die Einwendungen der Beklagten gegen die Schlußrechnung seien begründet. Der Kläger habe hinreichend Gelegenheit gehabt, zu den Einwendungen Stellung zu nehmen. Das sei ihm nicht gelungen, er habe zu den einzelnen Einwendungen der Beklagten nicht substantiiert Stellung genommen. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei als Konkursverwalter nicht dazu in der Lage. Dieser Vortrag sei unerheblich. Er müsse die Folgen der tatsächlichen Lage tragen, die die Gemeinschuldnerin herbeigeführt habe. 2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden:
a) Die Prüfung der Schlußrechnung nach Ablauf der zweimonatigen Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B begründet allein nicht die Verwirkung der Einwände des Auftraggebers gegen die Schlußrechnung (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30. Januar 1990 - 23 U 136/89, BauR 1990, 609 = ZfBR 1990, 123; Urteil vom 1. Juli 1997 - 21 U 245/96, BauR 1997, 1052 = NJW-RR 1998, 376; vgl. hierzu mit zutreffender Kritik Welte, BauR 1998, 384; OLG Nürnberg, Urteil vom 9. Juli 1999 - 6 U 3845/98, BauR 1999, 1316). Da die VOB/B als Rechtsfolge der Überschreitung der Prüfungsfrist den Verlust der Einwendungen nicht regelt, richtet sich die Verwirkung nach den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung voraus, daß zu dem Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten
des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1988 - VII ZR 11/88, WM 1988, 1891; Urteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 230/91, NJW-RR 1992, 1240). Beweisschwierigkeiten, denen der Verpflichtete deshalb ausgesetzt ist, weil der Berechtigte seine Rechte nach längerer Zeit geltend macht, rechtfertigen den Einwand der Verwirkung grundsätzlich nicht. Der Einwand der Verwirkung kann allerdings begründet sein, wenn der Verpflichtete im berechtigten Vertrauen darauf, daß der Berechtigte seine Rechte nicht mehr geltend machen wird, Beweismittel vernichtet (BGH, Urteil vom 26. Mai 1992 - VI ZR 230/91, NJW-RR 1992, 1240).
c) Danach begründet der Zeitablauf, die Prüfung der Schlußrechnung nach Ablauf der Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B, allein nicht die Voraussetzung der Verwirkung. Der Auftragnehmer verwirkt Einwände gegen die Schlußrechnung nur, wenn zur Überschreitung der Frist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B weitere Umstände hinzukommen, die das Vertrauen des Auftraggebers rechtfertigen, der Auftragnehmer werde etwaige Einwände gegen die Schlußrechnung nicht mehr geltend machen.
d) Die Voraussetzungen der Verwirkung waren nicht gegeben. Die neben dem Zeitablauf für den Vertrauenstatbestand erforderlichen Umstände lagen nicht vor. Die Tatsache, daß die Beklagte nach Zugang der Schlußrechnung noch zwei Abschlagszahlungen geleistet hat, ist ein deutliches Indiz dafür , daß sie die Schlußrechnung noch prüfen werde. Die Beweisschwierigkeiten , die sich nach der Behauptung des Klägers aufgrund des Konkurses der Gemeinschuldnerin ergeben haben, können den Einwand der Verwirkung nicht
begründen, weil diese Situation nicht darauf zurückzuführen ist, daß die Gemeinschuldnerin oder der Kläger darauf vertraut haben und darauf vertrauen durften, daß die Beklagte die Schlußrechnung nicht mehr prüfen und keine Einwände mehr erheben würde. Ullmann Thode Wiebel Kniffka Wendt

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