Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2010 - VIII ZR 23/09

bei uns veröffentlicht am12.05.2010
vorgehend
Landgericht Cottbus, 11 O 36/06, 11.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 23/09 Verkündet am:
12. Mai 2010
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger,
die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Dezember 2008 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin vertrieb im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung von der Beklagten hergestellte Polyesterlaminate. Im Dezember 2004 vereinbarten die Parteien, dass der Klägerin für diese Waren bis zum 31. Dezember 2006 das Exklusivvertriebsrecht für Indonesien zustehen sollte. Im Herbst 2005 lieferte die Beklagte unter Umgehung der Klägerin selbst Laminate nach Indonesien.
2
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 kündigte die Beklagte den mit der Klägerin bestehenden Vertriebsvertrag fristlos, weil die Klägerin eine Rechnung vom 30. August 2005 über 78.523,51 €, für die ihr ein Zahlungsziel von 90 Tagen eingeräumt war, bis zu diesem Zeitpunkt nicht beglichen hatte. Mit Schriftsatz vom 20. September 2007 schob die Beklagte als Kündigungsgrund nach, dass die Klägerin bei Lieferungen nach Indonesien mehrfach den vorgeschriebenen Lieferweg nicht eingehalten habe.
3
Die Klägerin hat Feststellung des Fortbestehens des Vertriebsvertrags bis zum 31. Dezember 2006 sowie - im Wege der Stufenklage - Auskunft über den Umfang der Direktlieferungen der Beklagten nach Indonesien bis zum 31. Dezember 2006 begehrt.
4
Das Landgericht hat dem Feststellungsbegehren und der Auskunftsklage durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Auskunftsklage, soweit sie den Zeitraum nach dem 23. Dezember 2005 betrifft, sowie die Feststellungsklage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7
Das Auskunftsbegehren der Klägerin sei für die Zeit nach dem 23. Dezember 2005 unbegründet, weil die von der Beklagten mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 erklärte fristlose Kündigung das Vertragsverhältnis der Parteien mit dem Zugang dieser Erklärung beendet habe.
8
Die Beklagte sei zur fristlosen Kündigung gemäß § 314 BGB berechtigt gewesen, weil ihr angesichts des vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht habe zugemutet werden können. Die ausstehende Forderung der Beklagten habe mit 78.523,51 € eine Größenordnung erreicht, die für jedes mittelständische Unternehmen von existenzieller Bedeutung sei. Werde eine solche Rechnung nicht bezahlt, sei zu befürchten, dass auch weitere Rechnungen unbezahlt blieben. Hinzu komme, dass der Klägerin ohnehin ein großzügiges Zahlungsziel von 90 Tagen eingeräumt worden sei. Die Beklagte habe die offene Kaufpreisforderung mit Schreiben vom 1. und 8. Dezember 2005 angemahnt und zusätzlich mit Fax vom 8. Dezember 2005 auf die noch offene Forderung hingewiesen. Ferner müsse auch das spätere Verhalten der Klägerin berücksichtigt werden, die der Beklagten die Kaufpreisforderung weit über die vereinbarte Laufzeit des Vertrags (31. Dezember 2006) hinaus vorenthalten und sie selbst im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung noch nicht beglichen habe.
9
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Beklagte auch nicht deswegen an der fristlosen Kündigung gehindert gewesen, weil sie unter Verstoß gegen das Exklusivvertriebsrecht der Klägerin selbst Waren nach Indonesien geliefert habe und ihr deshalb selbst eine Vertragsverletzung zur Last falle. Das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht zur Aufrechnung befugt gewesen sei. Insoweit könne sich die Klägerin auch nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen.
10
Auf den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 20. September 2007 nachgeschobenen Kündigungsgrund, dass die Klägerin bei den Lieferungen nach Indonesien den vertraglich vorgeschriebenen Lieferweg nicht eingehalten habe, komme es deshalb nicht mehr an.

II.

11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 2005 nicht als begründet angesehen werden.
12
1. Ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses liegt nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Dabei schließt, wie auch das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, ein eigenes Verschulden des Kündigenden eine fristlose Kündigung nicht von vornherein aus. Vielmehr bedarf es auch in diesem Fall einer Gesamtwürdigung aller Umstände, wobei allerdings das eigene vertragswidrige Verhalten des Kündigenden regelmäßig eine erhebliche Rolle spielt (BGHZ 44, 271, 275; Senatsurteil vom 11. Februar 1981 – VIII ZR 312/79, NJW 1981, 1264, unter B I 2 b bb).
13
2. Die tatrichterliche Würdigung zum Bestehen oder Nichtbestehen eines zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes unterliegt nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung, die sich darauf zu beschränken hat, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, ob es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (Senatsurteil vom 17. Ja- nuar 2001 - VIII ZR 86/89, WM 2001, 1031, unter II 1). Auch dieser eingeschränkten Nachprüfung halten die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bejahen will, indes in mehrfacher Hinsicht nicht Stand.
14
a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin auf die Erwägung abgestellt, eine Forderung von 78.523,51 € sei für jedes mittelständische Unternehmen von "existenzieller Bedeutung". Damit hat es rechtsfehlerhaft nicht die konkreten Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls gewürdigt , sondern ohne tatsächliche Grundlage auf allgemeine Vermutungen abgestellt. Zu Recht rügt die Revision insoweit, dass die Beklagte selbst nicht geltend gemacht hatte, durch den Zahlungsverzug der Klägerin in wirtschaftliche oder gar existenzielle Bedrängnis geraten zu sein. Hierfür bestanden auch sonst keine Anhaltspunkte, zumal der Klägerin von der Beklagten ein Zahlungsziel von 90 Tagen eingeräumt war und sie sich deshalb mit der Bezahlung der Rechnung vom 30. August 2005 im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung erst seit rund drei Wochen in Verzug befand. Wie die Revision mit Recht geltend macht, hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, bis zur Bezahlung der offenen Forderungen weitere Lieferungen nur gegen Vorkasse zu tätigen, so dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin für sie nicht mit weiteren finanziellen Risiken verbunden gewesen wäre.
15
b) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der fristlosen Kündigung zum Nachteil der Klägerin ferner berücksichtigt, dass die Forderung der Beklagten aus der Rechnung vom 30. August 2005 auch im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung noch nicht beglichen war. Auch insoweit ist die Würdigung des Berufungsgerichts von Rechtsfehlern beeinflusst, denn für die Beurteilung der Berechtigung einer Kündigung ist der Zeitpunkt der Ausspruch der Kündigung maßgeblich (BGH, Urteil vom 26. März 2008 - X ZR 70/06, NJW-RR 2008, 1155, Tz. 15).
16
c) Schließlich wird die Annahme des Berufungsgerichts, der in eigenen Direktlieferungen der Beklagten liegenden Verletzung des der Klägerin eingeräumten Exklusivvertriebsrechts komme wegen des vertraglich (zu Gunsten der Beklagten) vereinbarten Aufrechnungsverbots kein oder nur ein geringes Gewicht zu, den berechtigten Interessen der Parteien nicht gerecht und widerspricht Gesetzen der Logik. Maßgeblich für die Würdigung des Gewichts einer Vertragsverletzung sind regelmäßig die Umstände, unter denen sie begangen wurde, das Maß des Verschuldens sowie die nachteiligen Folgen für den Vertragspartner. Die Vertragsverletzung der einen Partei kann aber nicht deswegen milder beurteilt werden, weil zu ihren Gunsten ein vertragliches Aufrechnungsverbot besteht. Im Gegenteil wird die andere Partei durch eine Vertragsverletzung in einem solchen Fall eher stärker betroffen, denn sie kann die daraus resultierenden Schadensersatzansprüche nur im Klagewege verfolgen.

III.

17
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgericht keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - zu dem von der Beklagten nachgeschobenen Kündigungsgrund weiterer (behaupteter) Vertragsverletzungen der Klägerin keine Feststellungen getroffen hat. Die Sa- che ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG Cottbus, Entscheidung vom 11.12.2007 - 11 O 36/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 17.12.2008 - 7 U 19/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2010 - VIII ZR 23/09

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund


(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

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(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

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Bundesgerichtshof Urteil, 26. März 2008 - X ZR 70/06

bei uns veröffentlicht am 26.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 70/06 Verkündet am: 26. März 2008 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf di

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(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 70/06 Verkündet am:
26. März 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und
Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 16. Mai 2006 verkündete Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die im Bauträgergeschäft tätig ist, die Vergütung für Werbemaßnahmen aufgrund eines Vertrags vom 7. August 2003. Die Klägerin verpflichtete sich in diesem Vertrag, auf ihrem von den Parteien so genannten Videoboard am … Bahnhofsvorplatz Werbevideoclips der Beklagten, die diese der Klägerin zur Verfügung zu stellen hatte, in einem Wiederholungstakt von 100 Sekunden zu zeigen. Das Entgelt betrug monatlich 2.200,-- € zuzüglich Mehrwertsteuer und war nach Rechnungsstellung monatlich im Voraus zu zahlen. Als Laufzeit des Vertrags waren zwei Jahre (mit Verlängerungsmöglichkeit) vereinbart. Es wurde weiter vereinbart, dass Werbung für ein gleiches Produkt an gleicher Stelle ausgeschlossen sein sollte.
2
Am 24. November 2003 stellte die Beklagte fest, dass auf dem Videoboard auch Name und Internetadresse ihrer Hauptkonkurrentin in den neuen Bundesländern, der T…gesellschaft (T. ), gezeigt wurden.
3
Mit Schreiben vom 27. November 2003 beanstandete die H. Werbeagentur in Vertretung der Beklagten dies gegenüber der Klägerin. In diesem Schreiben heißt es unter anderem weiter: "Herr K. möchte den Vertrag zum 30.11.2003 kündigen." Herr K. ist der Geschäftsführer der Beklagten.
4
Die Werbevideos der Beklagten liefen bis Juni 2004 weiter auf dem Videoboard. Mit Schreiben vom 27. April 2004 berief sich der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber der Klägerin darauf, dass es bei der fristlosen Kündigung des Vertrags bleibe. Die Rechnung für die Monate Februar 2004 bis Juni 2004 zahlte die Beklagte nicht (5 x 2.552,-- € = 12.760,-- €). Für die Zeit vor Februar 2004 zahlte die Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts 9.612,53 €.
5
Mit Vertrag vom 28. November 2003 verpflichtete sich die Klägerin weiter , der Beklagten 30 Werbeflächen an so genannten Kandelabern zur Verfügung zu stellen. Die aus diesem Vertrag resultierende Vergütung in Höhe von 2.732,41 € ist der Höhe nach unstreitig. Die Beklagte hat dagegen jedoch mit einer ihr abgetretenen angeblichen Provisionsforderung der C.
GmbH in Höhe von 1.130,64 € aufgerechnet. Sie hat weiter hiergegen und gegen die Klageforderung aus der Videoboardwerbung mit einem Anspruch auf Rückzahlung des Betrags von 9.612,53 € aufgerechnet. Diesen Anspruch hat sie damit begründet, dass die Klägerin gegen das Konkurrenzverbot verstoßen habe und ihr deshalb die Rückzahlung der geleisteten Vergütung schulde.
6
Das Landgericht hat die Beklagte - bis auf einen Teil der Zinsforderung - antragsgemäß verurteilt. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
7
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin tritt dem entgegen.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.
9
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
10
Die Vergütung für die Überlassung der Werbefläche auf dem Videoboard könne die Klägerin aufgrund des Vertrags vom 7. August 2003 gemäß § 631 Abs. 1 BGB verlangen. Der Vertrag sei als Werkvertrag zu qualifizieren. Dieser sei nicht durch einen Rücktritt der Beklagten gemäß §§ 634 Nr. 3, 636 BGB beendet worden. Allerdings sei in dem Schreiben vom 27. April 2004 eine solche Erklärung zu sehen. Der Beklagten habe auch ein Rücktrittsgrund zugestanden, weil die Klägerin gegen das vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen habe.
Auch hätten die formellen Voraussetzungen der §§ 636, 323 Abs. 3 BGB vorgelegen. In dem Schreiben vom 27. November 2003 sei eine Abmahnung zu sehen. Eine Fristsetzung sei entbehrlich gewesen, weil der Mangel im Zeitpunkt der Entdeckung des Verstoßes gegen die Konkurrenzklausel nicht mehr habe behoben werden können. Gleichwohl könne die Beklagte aus diesem Verstoß keine Rechte herleiten, denn sie habe die Werkleistung der Klägerin vorbehaltlos an- und damit im Sinne des § 640 BGB abgenommen. Bei dem Werbevideoclip habe es sich um ein der Abnahme fähiges Werk gehandelt. Die Beklagte habe seit dem 24. November 2003 Kenntnis davon gehabt, dass die Klägerin auf dem Videoboard auch Werbung des Konkurrenzunternehmens ausgestrahlt habe. Trotzdem habe sie bis zur Kündigung des Vertrags im April 2004 und auch noch danach das Videoboard für ihre Werbezwecke genutzt, ohne sich Rechte wegen des Verstoßes gegen die Konkurrenzschutzklausel vorzubehalten. Mit dieser Ingebrauchnahme und Bereitstellung der auszustrahlenden Videoclips habe die Beklagte vom Standpunkt eines objektiven Dritten aus betrachtet zu erkennen gegeben, dass sie die vorgefundenen Zustände auf dem Videoboard als den von der Klägerin vertragsgemäß geschuldeten Erfolg anerkenne. Damit sei ein Rücktritt vom Vertrag ausgeschlossen.
11
Der Anspruch der Klägerin wegen Vergütung der Kandelaberwerbung sei nicht durch Aufrechnung erloschen. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Zahlung einer Provision bestehe zwischen den Parteien unstreitig nicht. Soweit die Beklagte in erster Instanz den Zeugen H. zum Beweis der Tatsache angeboten habe, dass für die beteiligten Gesellschaften es eine Selbstverständlichkeit gewesen sei, dass die C. GmbH die branchenübliche 15 prozentige Provision aus dem Wert der abgeschlossenen Werbefläche habe erhalten sollen, handele es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis.
12
II. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

13
1. Das Berufungsgericht hat allerdings den Vertrag der Parteien im Ausgangspunkt zutreffend als Werkvertrag qualifiziert. Die Grundsätze der vom Berufungsgericht zitierten Senatsentscheidung (Urt. v. 19.06.1984 - X ZR 93/83, NJW 1984, 2406) gelten auch hier. Die Klägerin hat sich der Beklagten gegenüber verpflichtet, die von der Beklagten zu überlassenden Werbespots auf dem Videoboard mit einer bestimmten Wiederholungsfrequenz zu zeigen. Damit haben die Parteien ein bestimmtes Arbeitsergebnis vereinbart. Es handelt sich aus diesem Grunde nicht um einen Dienstvertrag, sondern um einen Werkvertrag. Da die Klägerin der Beklagten die Werbeflächen nicht zum eigenen Gebrauch überlassen hat, kommt auch ein Mietvertrag nicht in Betracht.
14
Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen wirksamen Rücktritt wegen eines Mangels der Werkleistung verneint. Nicht beigetreten werden kann ihm insoweit jedoch darin, ein Rücktrittsrecht scheide insoweit bereits deshalb aus, weil die Beklagte die Leistung der Klägerin vorbehaltlos abgenommen habe. Die dem zugrundeliegende Annahme, der Verstoß der Klägerin gegen den vereinbarten Konkurrenzschutz sei ein Mangel, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Diese Beurteilung träfe nur dann zu, wenn der Schutz vor konkurrierender Werbung Teil der geschuldeten Werkleistung und damit Hauptpflicht des Werkvertrags gewesen wäre. Die das Schuldverhältnis kennzeichnende Hauptpflicht war hier die Ausstrahlung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Werbespots. Der im Vertrag vereinbarte Ausschluss der Werbung für ein gleiches Produkt an gleicher Stelle diente dazu, die mit der Ausstrahlung der Werbespots angestrebte Werbewirkung zu sichern. Eine solche Verpflichtung ist typischerweise eher Gegenstand einer Nebenpflicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien hier ausnahmsweise anderes vereinbart hätten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Revision und Revisionserwiderung zeigen auch nicht auf, dass sie vorgetragen oder sonst ersichtlich geworden sind, so dass der Senat insoweit selbst entscheiden kann.
15
2. Das Berufungsurteil kann gleichwohl keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob der geltend gemachte Vergütungsanspruch infolge einer auf die Pflichtverletzung zu stützenden Kündigung aus wichtigem Grund entfallen ist, und auch die Verneinung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung der Nachprüfung nicht standhält. Die getroffenen Feststellungen erlauben keine Entscheidung der Frage, ob und gegebenenfalls für welchen Zeitraum eine Kündigung ausgesprochen worden ist. Hierzu wird das Berufungsgericht zu klären haben, welche Bedeutung dem Schreiben der H. Werbeagentur vom 27. November 2003 einerseits und dem Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten vom 27. April 2004 andererseits zukommt. Bereits im Schreiben vom 27. Dezember 2003 ist von einer Kündigung des Vertrags die Rede. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob in diesem Schreiben bereits eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages (§ 314 BGB) zu sehen ist und gegebenenfalls , ob die Voraussetzungen einer solchen Kündigung vorlagen. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist der Zeitpunkt der Kündigung. Das Berufungsgericht hat bisher keine Feststellungen dazu getroffen , ob zu diesem Zeitpunkt die Vertragsverletzung andauerte. Besteht der Grund für die Kündigung in einer Vertragsverletzung, ist gemäß § 314 Abs. 2 BGB zudem grundsätzlich eine Fristsetzung zur Abhilfe oder eine erfolglose Abmahnung Voraussetzung für die Kündigung. Sollte erst in dem Schreiben vom 27. April 2004 eine wirksame Kündigung zu sehen sein, so könnte diese verspätet erfolgt sein. Zwar könnte das Schreiben vom 27. November 2003 eine Abmahnung darstellen; die Kündigung muss jedoch innerhalb angemessener Frist erfolgen, nachdem der Kündigende vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

16
Ein Kündigungsrecht kann sich aus einer Verletzung der Konkurrenzschutzklausel durch die Klägerin ergeben.
17
Das Berufungsgericht hat diese Klausel so ausgelegt, dass nach der Interessenlage und dem mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck ein Schutz der Beklagten vor jeglicher Konkurrenzwerbung beabsichtigt gewesen sei. Die T. sei ein Unternehmen, das nur ein Produkt, nämlich Immobilien in verschiedener Form anbiete, wie auch bereits ihrem auf dem Videoboard der Klägerin gezeigten Firmennamen zu entnehmen sei. Bei dieser Sachlage werde der Adressat den auf dem Videoboard gezeigten Text als Werbung für von diesem Unternehmen vertriebene Immobilien verstehen. Hierdurch sei der Wert der Werbung für die Beklagte zumindest gemindert gewesen.
18
Die Auslegung der vereinbarten Klausel und die Würdigung des Berufungsgerichts , die Klägerin habe gegen diese Klausel verstoßen, werden in der Revisionsinstanz nicht angegriffen; Rechtsfehler sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat folglich der Beklagten den Schaden zu ersetzen, der durch die Verletzung der Nebenpflicht entstanden ist (§ 280 BGB). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, sind ebenfalls nicht ersichtlich ; das Berufungsgericht hat solche auch nicht festgestellt.
19
3. Ferner kommt ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen Verletzung der Konkurrenzschutzklausel in Betracht.
20
Ein Schaden der Beklagten kann in der Beeinträchtigung der von den Parteien mit dem Vertrag angestrebten Werbewirkung liegen. Das Berufungsgericht wird diesen Schaden gegebenenfalls gemäß § 287 ZPO zu schätzen haben, wobei eine Anlehnung an die Grundsätze der Minderung die nächstlie- gende und rechtlich nicht zu beanstandende Möglichkeit der Schadensschätzung sein wird. Die Schadensschätzung ist jedoch Aufgabe des Tatrichters, der Senat kann sie nicht selbst vornehmen. Auch in diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht Feststellungen dazu zu treffen haben, in welchem Zeitraum der Verstoß gegen die vereinbarte Nebenpflicht erfolgt ist.
21
4. Schließlich wendet sich die Revision mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die C. GmbH habe keine Provisionsforderung erworben, mit der die Beklagte aufrechnen könne. Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt , die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen (vgl. Sen.Urt. v. 07.03.2001 - X ZR 160/99, NJW-RR 2001, 887 m.w.N.). Dabei ist unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (vgl. Sen.Urt. - X ZR 160/99, aaO; Sen.Urt. v. 29.09.1992 - X ZR 84/90, NJW 1993, 189). Es ist auch nicht erforderlich, im Einzelnen darzulegen, woher der Zeuge die Kenntnis hat, die in sein Wissen gestellt wird. Sollte der Zeuge nur einen äußeren Eindruck über die Einigung der Parteien wiedergeben, so wird das Berufungsgericht dies im Rahmen der Würdigung der Zeugenaussagen zu berücksichtigen haben. Einen Grund, den Beweisantritt als Ausforschungsbeweis nicht zuzulassen, stellt dies nicht dar.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 30.12.2005 - 11 O 156/04 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 16.05.2006 - 9 U 4/06 (Hs) -

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.